Pongo pygmaeus mit seinem Latein am Ende - Massiver Lebensraumverlust für den Borneo Orang-Utan eine WWF-Analyse anhand Verbreitungskarten von ...

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Pongo pygmaeus mit seinem Latein am Ende - Massiver Lebensraumverlust für den Borneo Orang-Utan eine WWF-Analyse anhand Verbreitungskarten von ...
Pongo pygmaeus mit
seinem Latein am Ende

Massiver Lebensraumverlust für den Borneo Orang-Utan
− eine WWF-Analyse anhand Verbreitungskarten von
1930, 1989, 1997, 2004 und 2007
Pongo pygmaeus mit seinem Latein am Ende - Massiver Lebensraumverlust für den Borneo Orang-Utan eine WWF-Analyse anhand Verbreitungskarten von ...
Inhalt
Zusammenfassung ............................................................................................................................... 3
Summary ............................................................................................................................................. 3
1 Einleitung ........................................................................................................................................ 4
2 Orang-Utans und ihr Lebensraum ................................................................................................... 6
3 Methoden ......................................................................................................................................... 7
    3.1 Verbreitungskarten .................................................................................................................. 7
    3.2 Gefährdungskarten .................................................................................................................. 7
4 Ergebnisse und Diskussion ................................................................................................................ 8
    4.1 Vorkommen und Lebensraumverlust ...................................................................................... 8
    4.2 Ölpalmen-Plantagen ............................................................................................................. 10
    4.3 Vorkommen in degradierten Waldgebieten ........................................................................... 12
    4.4 Straßen- und Wegenetz ......................................................................................................... 14
5 Lösungsansätze .............................................................................................................................. 16
6 Ausblick ......................................................................................................................................... 18
Danksagung ....................................................................................................................................... 18
Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 19

  Herausgeber: WWF Deutschland, Frankfurt am Main
  Stand: September 2009
  Autoren: Stefan Ziegler, WWF Deutschland und Patrick Weber, J.W. Goethe-Universität, Institut für Geografie,
  Frankfurt am Main
  Koordination: Stefan Ziegler, WWF, Telefon: +49 69 79 144 - 168; E-Mail: stefan.ziegler@wwf.de
  Redaktion: Astrid Korolczuk, Heike Mühldorfer, WWF
  Layout: astrid ernst, Text- und Webdesign, www.ernst-webdesign.de

  Stefan Ziegler1 und Patrick Weber2

  1
   WWF Deutschland, Rebstöckerstraße 55, 60326 Frankfurt
  2
   J.W. Goethe-Universität, Institut für Geografie, Altenhöferallee 1, 60438 Frankfurt am Main

  © 2009 WWF Deutschland, Frankfurt am Main
  Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.

Foto Titelseite: Orang-Utan © Jimmy Syahirsyah / WWF-Indonesia
Foto Rückseite: Die Anlage von Plantagen zerstört den Wald der Orang-Utans unwiederbringlich.
                 © Desmarita Murni / WWF-Indonesia
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Zusammenfassung
Orang-Utans sind als Baumbewohner in besonderem             keine Kursänderung, wird der Lebensraum der Men-
Maße von der zunehmenden Zerstörung und Fragmen-            schenaffen bis 2025 größtenteils zerstört sein. Überle-
tierung des tropischen Regenwaldes betroffen. In dieser     bensfähige Populationen wird es dann nur im malaysi-
Studie wurde der Verlust von Orang-Utan-Lebensraum          schen Bundesstaat Sabah und einigen Schutzgebieten
auf Borneo in den vergangenen 80 Jahren quantifiziert.       in Kalimantan/Indonesien und Sarawak/Malaysia
Als Grundlage dienten Verbreitungskarten aus den            geben. Will man den aktuellen Trend stoppen und dem
Jahren 1930, 1989, 1997, 2004 und 2007. Des Weite-          roten Menschenaffen eine Zukunft in Borneos Wäldern
ren wurde die Auswirkung der rasch expandierenden           sichern, gilt es sowohl die fehlgeleitete indonesische
Palmölindustrie und ihrer Begleiteffekte auf die Orang-     Forstpolitik als auch die in Kalimantan und Sabah
Utan- Bestände untersucht. Der Lebensraum des Bor-          volkswirtschaftlich gewünschte Expansion der Palmöl-
neo-Orang-Utans wurde in den letzten 20 Jahren vor          industrie in die richtigen Bahnen zu lenken.
allem durch die Umwandlung von Regenwald in Brach-
land und Ölpalmen-Plantagen sowie durch den intensi-
ven kommerziellen Holzeinschlag und Waldbrände um
mindestens 55 Prozent reduziert. Der jährliche Lebens-
raumverlust auf Borneo liegt aktuell vermutlich zwi-
schen 454.000 Hektar und 614.000 Hektar. Die Anlage
von Ölpalmen-Plantagen trägt zwischen 11 Prozent und
16 Prozent zur Umwandlung von Orang-Utan-Wäldern
bei. Etwa ein Viertel der Menschenaffenbestände auf
Borneo lebt bereits in degradierten Wäldern. Gelingt

Summary
Due to their primarily arboreal way of living,              findings lead to the conclusion that without a change of
orangutans are notably affected by the increasing           course, the habitat of the apes will be largely destroyed
destruction and fragmentation of the tropical rainforest.   by 2025. Then viable populations will only remain
This study quantifies the loss of orangutan habitat          in Sabah, Malaysia and several protected areas in
on Borneo over the last 80 years, based on range            Kalimantan, Indonesia and Sarawak, Malaysia. In order
distribution maps from the years 1930, 1989, 1997,          to stop the current trend and to secure the red ape’s
2004 and 2007. Additionally, the effects of the rapidly     future in the forests of Borneo, it is crucial to correct
expanding palm oil industry and its implications for the    the unsustainable Indonesian forest policy as well as
orangutan population were studied. The study reveals        the economically desired expansion of the palm oil
that throughout the last 20 years, the habitat of the       industry in Kalimantan and Sabah.
Borneo orangutan (Pongo pygmaeus) has been reduced
by at least 55%, primarily due to the conversion of
rainforest to fallow land and oil palm plantations, as
well as by commercial wood extraction and forest
fires. The annual habitat loss in Borneo is currently
estimated to be between 454,000 hectares and 614,000
hectares. The creation of oil palm plantations accounts
for about 11% to 16% of the conversion of orangutan
forests. Almost one quarter of the great ape populations
on Borneo already prevail in degraded forests. The

                                                                                                  WWF Deutschland       3
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1 Einleitung
    Orang-Utans sind die einzigen heute noch lebenden                  Utans gefährden. Dazu zählen illegaler Holzeinschlag,
    Großen Menschenaffen in Asien. Während des Pleisto-                Waldumwandlung in Plantagen sowie Waldbrände
    zäns, auch Eiszeitalter genannt, erstreckte sich ihr Ver-          (Nellemann et al., 2007). Die Zerstörung der Wälder
    breitungsgebiet von Java über die Malaiische Halbinsel             und ihrer Nutzung für die kommerzielle Forstwirtschaft
    und Indochina bis nach Südchina (Delgado und van                   bedeutet für die Orang-Utans den direkten Verlust ihres
    Schaik, 2000). Heute sind die einst so verbreiteten Tiere          Lebensraums, denn die Großen Menschenaffen sind in
    nur noch mit zwei Arten im Norden Sumatras (Pongo                  den Baumkronen der Tieflandregenwälder Sumatras
    abelii) sowie mit drei Unterarten (P. pygmaeus pyg-                und Borneos zu Hause. (Rijksen und Meijaard, 1999;
    maeus, P. p. wurmbii und P. p. morio (Groves, 2001))               Delgado und van Schaik, 2000). Und es sind gerade
    auf Borneo (P. pygmaeus) zu finden. Doch nicht nur ihr              diese Wälder, die akut bedroht sind.
    Verbreitungsgebiet ist drastisch geschrumpft. Es wird
    angenommen, dass die Zahl der heute lebenden Orang-                Um die Folgen der Bejagung und Zerstörung ihres Le-
    Utans nur ein Prozent ihrer prähistorischen Population             bensraums zu verstehen, braucht man nur einen Blick
    ausmacht (Bennett, 2002).                                          auf die Situation der Orang-Utans in Sumatra zu wer-
                                                                       fen. Dort ist ihr Verschwinden besonders gut dokumen-
    Die Gründe für das Verschwinden der Großen Men-                    tiert. Im 20. Jahrhundert hat der Orang-Utan Bestand
    schenaffen sind vielfältig. Vermutlich sind Orang-Utans            auf Sumatra um 85 Prozent abgenommen (Caldecott
    in historischer Zeit durch Bejagung aus weiten Teilen              und Miles, 2005). Anfang der 1990er Jahre wurde die
    ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets verschwunden              Orang-Utan Population auf etwa 12.000 Tiere geschätzt,
    (Caldecott und Miles, 2005). Denn durch den langen                 19 Jahre später leben dort höchstens noch 6.600
    Geburtenabstand von sechs bis neun Jahren können                   Individuen (Wich et al., 2008). Und die kontinuierliche
    Orang-Utan Populationen selbst minimalem Jagddruck                 Abnahme der Orang-Utan Bestände findet auch auf
    nicht standhalten und die Bestände schwinden unwei-                Borneo statt. Rijksen und Meijaard (1999) vermuten,
    gerlich und laufen Gefahr auszusterben (Galdikas und               dass die Population des Borneo-Orang-Utans durch ex-
    Wood, 1990). Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sind               treme Waldbrände und Trockenzeiten Mitte der 1990er
    neben der Bejagung der Tiere neue Bedrohungsfaktoren               Jahre um ein Drittel zurückging. Die Population des
    entstanden, die das langfristige Überleben der Orang-              ausgeprägten Torfsumpfgebiets im Einzugsgebiet des
                                                                       Sebangau-Flusses in Zentral-Kalimantan hat sich seit
                                                                       1995 auf 6.000 Tiere halbiert (Morrogh-Bernard et al.,
                                                                       2003). Selbst in Schutzgebieten gehen die Bestandszah-
                                                                       len zurück. Durch die intensiven Waldbrände 1983 und
                                                                       1998 wurden 90 Prozent des Waldbestands des Kutai
                                                                       Nationalpark zerstört. Mit fatalen Folgen für die Men-
                                                                       schenaffen deren Zahl sich dort seit 1970 von 4.000 auf
                                                                       höchstens 500 im Jahr 2004 reduziert hat (Singleton et
                                                                       al, 2004). Insgesamt wird für den Borneo-Orang-Utan
                                                                       in den letzten 60 Jahren ein Bestandsrückgang von über
                                                                       50 Prozent angenommen (Wich et al., 2008). Daher
                                                                       wird die Art auf der Roten Liste der Weltnaturschutz-
                                                                       union IUCN von 2008 als „stark gefährdet“ eingestuft
                                                                       (Ancrenaz et al., 2008).

                                                                       Die zuletzt stattgefundene Erhebung aus dem Jahr 2004
                                                                       schätzt das Vorkommen auf Borneo auf circa 54.900 bis
                                                                       56.100 Orang-Utans, die in zunehmend fragmentierten
                                                                       und isolierten Subpopulationen verstreut leben (Single-
                                                                       ton et al., 2004). Ihre Hauptverbreitungsgebiete liegen
                                                                       in Zentral-Kalimantan und Sabah, kleinere Bestände
                                                                       existieren in West- und Ost-Kalimantan sowie in Sara-
                                                                       wak (Caldecott und Miles, 2005). Es wird allerdings
    Waldbrände werden für die baumlebenden Orang-Utans zur tödlichen   vermutet (Wich et al. (2008)), dass die Bestandszahl in
    Falle. © Karmila Parikasi/ WWF-Indonesia

4     WWF Deutschland
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den vergangenen fünf Jahren auf etwa 49.500 Indivi-                   von Tiefland-Regenwald. Zwischen 1983 und 2003
duen zurück gegangen ist, da seit 2004 im indonesi-                   hat sich die Anbaufläche für Ölpalmen auf Borneo von
schen Teil Borneos mindestens 10 Prozent Orang-Utan                   200.000 Hektar auf etwa 2.700.000 Hektar mehr als
Lebensraum zerstört wurden.                                           verdreizehnfacht (FWI/GWF, 2002). Bis 2020 wird
                                                                      in Indonesien und Malaysia mit der Verdopplung der
Darüber hinaus sind die Orang-Utan Bestände auf                       Anbaufläche für Ölpalmen gerechnet (Nellemann et al.,
beiden Inseln durch Wilderei und illegalen Lebendhan-                 2007). In Kalimantan, dem indonesischen Teil Borneos
del bedroht. Im Leuser Ökosystem auf Sumatra wurden                   sind mehr als drei Millionen Hektar Waldfläche durch
zwischen 1993 und 2000 jährlich über 1.000 Individuen                 die Umwandlung in Ölpalmen-Plantagen gefährdet
durch illegale Jagd und Tierhandel sowie Lebensraum-                  (Venter at al., 2009). Orang-Utans können in Ölpalmen-
zerstörung getötet (van Schaik et al., 2001). Etwa 500                Plantagen nicht langfristig überleben (Fitzherbert et al.,
Borneo-Orang-Utans werden pro Jahr gefangen, um                       2008), denn neben neben der direkten Umwandlung
die Nachfrage nach den verbotenen Haustieren allein                   von Regenwald in landwirtschaftliche Flächen, ver-
auf den beiden indonesischen Inseln Java und Bali zu                  ringern vor allem auch indirekte Bedrohungen durch
stillen (Nijman, 2005).                                               Waldbrände und Wilderei, die von leicht zugänglichen
                                                                      Plantagen begünstigt werden, die Überlebenswahr-
Die jüngste Bedrohung und ohne Frage eine große                       scheinlichkeit der Orang-Utans.
Gefahr für das Überleben der Orang-Utans ist die rasch
expandierende Palmölindustrie. Indonesien und Malay-                  Im Fokus dieser Studie steht das Überleben der Borneo
sia sind die weltweit größten Produzenten von Palmöl                  Orang-Utans. Dabei wird zum einen der Verlust ihres
mit einem Weltmarktanteil von über 80 Prozent (Wich                   Lebensraums in den letzten 80 Jahren quantifiziert - vor
et al., 2008). Die Nachfrage nach dem Pflanzenöl ist                   allem im Hinblick auf die rasch expandierende Palmöl-
weltweit steigend und Palmöl findet sich mittlerweile                  industrie und ihre Begleiteffekte auf die Orang-Utan
in einem von zehn Supermarktprodukten, wie bei-                       Bestände. Zum anderen wird versucht den Einfluss des
spielsweise Margarine, Backwaren, Süßigkeiten und                     Straßen- und Wegenetzes auf die Menschenaffen zu
Waschmittel (Nellemann et al., 2007). Auf Sumatra                     bewerten. Neben den Bedrohungen werden Lösungsan-
und Borneo ist die Anlage von Ölpalmen-Plantagen                      sätze diskutiert, wie das Aussterben des Borneo-Orang-
mittlerweile eine der Hauptursachen für die Zerstörung                Utans verhindert werden kann.

Orang-Utans können in Ölpalmen-Plantagen nicht langfristig überleben. © Karmila Parikasi/ WWF-Indonesia

                                                                                                             WWF Deutschland       5
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2 Orang-Utans und ihr Lebensraum
    Mit bis zu 85 Kilogramm Körpergewicht sind Orang-                 Tiefland-Dipterocarpaceen-Wälder, Süßwassersumpf-
    Utans die schwersten Lebewesen, die permanent im                  und Torfmoorwälder. Sie sind nur teilweise in Höhen
    Kronenbereich des Waldes leben. Der größte Teil ihrer             über 500 Metern Meereshöhe zu finden. Im Kinaba-
    Nahrung besteht aus Früchten und reicht von großen,               lu-Nationalpark im malaysischen Bundesstaat Sabah
    hartschaligen Arten, wie der wilden Durian-Frucht, bis            kommen sie allerdings in den Bergwäldern bis zu einer
    zu kleinen fleischigen Arten, wie den wilden Feigen.               Höhe von 1.400 Metern vor (Foead et al., 2005).
    Studien haben gezeigt, dass die Passage der Samen
    durch den Darm des Orang-Utans die Keimung bei ei-                Geschlechtsreife Orang-Utans leben im Gegensatz zu
    nigen Arten sogar erleichtern kann (Foead et al., 2005).          den afrikanischen Menschenaffen überwiegend als
    Orang-Utans sind wichtige Samenverbreiter und tragen              Einzelgänger. Nur zur Fortpflanzung kommen Männ-
    so wesentlich zur Verbreitung der verschiedenen Pflan-             chen und Weibchen kurz zusammen. Wie viele Tiere
    zenarten bei. Insekten sind eine wichtige Proteinquelle,          in einem Gebiet vorkommen, hängt vor allem vom
    besonders für schwangere Weibchen. Orang-Utans                    Nahrungsangebot ab. Nur selten lebt mehr als ein Tier
    spielen durch ihre Diät eine Rolle bei der Kontrolle der          pro Quadratkilometer. Lediglich in Gebieten mit einem
    Insektenausbreitung, die vor allem die jungen Blätter             hohen Anteil an Fruchtbäumen, wie beispielsweise in
    der Urwaldriesen befallen (Ibid). Sie tragen dadurch              Flusstälern und Sumpfwäldern, können bis zu sieben
    dazu bei, das Gleichgewicht des Ökosystems, in dem                Tiere auf einem Quadratkilometer leben. Ausgewachse-
    sie leben, zu erhalten. Auf dem Speiseplan der Orang-             ne Weibchen haben Streifgebiete von mehreren hun-
    Utans stehen mehr als 200 Pflanzenarten (Felton et al.,            dert, Männchen sogar von mehreren tausend Hektar.
    2003). Die Nahrung besteht zu 60 Prozent aus Früch-               Meist überlappen sich die Streifgebiete benachbarter
    ten, außerdem fressen sie junge Blätter und Baumrin-              Artgenossen. Erst mit sieben bis zehn Jahren werden
    de, sogar Ameisen, Termiten und Vogeleier. Bei der                Orang-Utans geschlechtsreif und erreichen in ihrem
    Futtersuche bewegen sich die Orang-Utans langsam                  natürlichen Lebensraum ein maximales Lebensalter
    durch das Kronendach des Waldes. Ganz offensicht-                 von bis zu 40 Jahren. Weibchen bekommen alle sechs
    lich kennen sie nicht nur die Standorte der einzel-               bis neun Jahre Junge: Einzelgeburten sind die Regel,
    nen Fruchtbäume in ihrem Streifgebiet ganz genau,                 Zwillingsgeburten die seltenen Ausnahmen. Die Jungen
    sondern wissen auch über den Reifegrad von deren                  bleiben bis zu sieben Jahre bei ihrer Mutter, mit der sie
    Früchten Bescheid. Borneo-Orang-Utans bevorzugen                  einen engen Kontakt pflegen.

    Orang-Utans haben die langsamste Fortpflanzungsrate aller Menschenaffen. © Jimmy Syahirsyah / WWF-Indonesia

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Pongo pygmaeus mit seinem Latein am Ende - Massiver Lebensraumverlust für den Borneo Orang-Utan eine WWF-Analyse anhand Verbreitungskarten von ...
3 Methoden
3.1 Verbreitungskarten                                   3.2 Gefährdungskarten
Um den Lebensraumverlust des Borneo-Orang-Utan           Lebensraum und Bestände des Borneo-Orang-Utan
im Zeitraum zwischen 1930 und 2007 zu berechnen,         sind einer Reihe anthropogener und natürlicher Bedro-
wurden für die Referenzjahre 1930, 1989, 1997, 2004      hungsfaktoren ausgesetzt. Im Rahmen der vorliegen-
und 2007 Shapefiles mit ArcGIS modelliert, die das        den Untersuchungen wurde jedoch vor allem auf die
wahrscheinliche Orang-Utan Vorkommen des betref-         Gefahr der Umwandlung von Orang-Utan-Lebensraum
fenden Jahres abbilden. Als Datengrundlage wurde         in Plantagen sowie daraus abgeleitete Bedrohungsfak-
auf die Karten in Rautner et al. (2005) sowie auf das    toren eingegangen. Daher wurden (i) das Feuerrisiko
Kartenmaterial in Tabelle 1 zurückgegriffen. Um eine     im Umfeld von Plantagen sowie (ii) die potenzielle
stringente Modellierung zu ermöglichen, wurde da-        Gefahr der Wilderei näher untersucht.
von ausgegangen, dass Orang-Utans ab der 500 Meter
über Null Konturlinie nur vereinzelt vorkommen und       Für (i) wurde die Gefahr der Lebensraumzerstörung
ab dieser Höhenlage keine signifikanten Fortpflan-         durch Feuer erfasst. Hier liegen Landnutzungsdaten
zungsgemeinschaften bilden. Bei allen Kartensätzen       von 2006 für Kalimantan sowie von 2004 für Sabah
wurde daher die 500 Meter Höhenlinie als Grenze des      (siehe Tabelle 1) zu Grunde. Betrachtet wurden Flä-
natürlichen Verbreitungsgebiets festgelegt. Der Orang-   chen von bestehenden industriellen Ölpalmen-Planta-
Utan-Lebensraum wurde mittels Flächenberechnungs-        gen. Um die bestehenden Plantagen wurden Pufferzo-
funktion in ArcGIS für die gesamte Insel für alle fünf   nen modelliert, die verschiedene Gefährdungsstufen
Referenzjahre berechnet. Somit konnten Rückschlüsse      darstellen. Ein Radius von 3 km um die entsprechende
auf den Lebensraumverlust pro Zeiteinheit gezogen        Plantage beschreibt Gefährdungsklasse 3 (rot), im
werden. Mit Hilfe der Waldbedeckungskarte von 2007       Radius von 3 – 10 km wurde die Gefährdungsklasse 2
wurde der Anteil der unbewaldeten Gebiete im Orang-      (gelb) angenommen. Gebiete außerhalb eines Radius
Utan Verbreitungsgebiet bestimmt, um Angaben über        von 10 km um die Grenzen der Plantagen, sind am
die Qualität des Lebensraum machen zu können. Die        wenigsten durch Feuer gefährdet und bekamen den
MODIS Aufnahmen qualifizieren Gebiete als „Nicht          Klassenwert 1 (grün).
Wald“, wenn dort der vermutete Kronendeckungsgrad
weniger als 40 Prozent ist.                              Potenzielle Wilderei (ii) wurde nach Blake et al. (2007)
                                                         als Funktion des vorhandenen Straßen- und Wegenetzes
Tabelle 1: Übersicht des verwendeten Kartenmaterials.    identifiziert. Als Grundlage wurde das bestehende Stra-
 Kartenmaterial                 Quelle
                                                         ßen- und Wegenetz auf Borneo herangezogen (Rautner
                                                         et al., 2005) und entsprechend Pufferzonen modelliert:
 Orang-Utan Verbreitung 1930 Rijksen und Meijaard,       Gebiete mit einem Kilometer Abstand zum nächstge-
                                1999
                                                         legenen Weg haben die Gefährdungsklasse 3 (rot). Mit
 Orang-Utan Verbreitung 1989 Payne und Andau,            dem Klassenwert 2 (gelb) sind alle Gebiete bezeichnet
                                1989; Tilson et al.,
                                                         worden, die einen Abstand von 1 – 3 km zum nächs-
                                1993
                                                         ten Weg aufweisen. Am wenigsten gefährdet sind jene
 Orang-Utan Verbreitung 1999 Rijksen und Meijaard,       Verbreitungsgebiete mit dem Klassenwert 1 (grün), mit
                                1999
                                                         einem Abstand von mehr als 3 km von einem bestehen-
 Orang-Utan Verbreitung 2004 Singleton et al., 2004;     den Weg.
                                Ancrenaz et al., 2005
 Orang-Utan Verbreitung 2007 Meijaard et al., 2004
 Ölpalmen-Plantagen 2006        World Resources
                                Institute
 Entfernung zu Plantagen        World Resources Ins-
                                titute; Sabah Forestry
                                Department, 2005
 Waldbedeckung 2007             MODIS imagery 2007,
                                Sarvision LLC
 Straßennetz Borneo             LANDSAT imagery
                                1999-2002

                                                                                               WWF Deutschland      7
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4 Ergebnisse und Diskussion
    4.1 Vorkommen und Lebensraumverlust                     in Kalimantan (Rijksen und Meijaard, 1999). Unter
                                                            dieser Prämisse ist der stärkste Rückgang von Orang-
    Die Abnahme der Orang-Utan Verbreitungsgebiete
                                                            Utan Lebensraum seit 1930 in West- und Ostkaliman-
    seit 1930 ist in Tabelle 2 dargestellt. Demnach sind
                                                            tan zu beobachten. Besonders in Ostkalimantan wird
    zwischen 1930 und 2007 Orang-Utans aus mehr als
                                                            der Lebensraumverlust durch die intensiven Wald-
    215.000 km² ihres ursprünglichen Verbreitungsge-        brände in den 1980er und 1990er Jahren deutlich. Seit
    biets verschwunden (Abbildung 1). Dies entspricht       1989 sind dort fast 87 Prozent der Orang-Utan Wälder
    einer Reduzierung um zwei Drittel innerhalb von 77      verschwunden. In der indonesischen Provinz Süd-Kali-
    Jahren. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass   mantan gibt es heute keine wildlebenden Orang-Utans
    die Verbreitungskarten des Borneo-Orang-Utans bis       mehr und auch deren Verbreitungsgebiet im malay-
    in die 1990er Jahre mit großen Unsicherheiten ver-      sischen Bundesstaat Sarawak beschränkt sich auf ein
    bunden waren (Wich et al., 2008). Häufig wurden bei      relatives kleines Areal von etwa 2.200 km2.
    den frühen Verbreitungskarten Gebiete berücksichtigt,
    die sich erst nach feldbiologischen Untersuchungen      Die Werte in Tabelle 3 zeigen die durchschnittliche
    als Gebiete ohne ständige Orang-Utan Populationen       jährliche Abnahme von Orang-Utan Verbreitungsgebie-
    erwiesen haben, wie beispielsweise die Mueller und      ten zwischen 1930 und 2007 für die indonesischen Pro-
    Schwaner Höhenzüge sowie Teile des Melawi Beckens       vinzen West-, Zentral- und Ost-Kalimantan sowie den

                                                                                     Abbildung 1: Orang-Utan Verbrei-
                                                                                     tungsgebiete auf Borneo in den
                                                                                     Jahren 1930, 1989 und 2007.

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Tabelle 2: Fläche der Orang-Utan Verbreitungsgebiete in km2 auf Borneo.
  Jahr       Westkali-    Zentralkali-    Südkali-        Ostkali-       Sarawak     Sabah      Borneo
             mantan       mantan          mantan          mantan
  1930          87.200        110.667         5.538         69.667       17.158       33.455      323.684
  1989          44.135        101.392          0            64.577       14.334       23.506      247.944
  1997          34.735         77.145          0            35.971        1.918       18.563      162.754
  2004          31.669         65.420          0             11.988       2.233       15.516      126.826
  2007          25.597         56.668          0              8.342       2.283       15.151      108.042

Tabelle 3: Durchschnittliche jährliche Abnahme der Orang-Utan Verbreitungsgebiete auf Borneo in x100ha.
 Zeitraum       Westkalimantan      Zentralkalimantan       Ostkalimantan          Sabah       Borneo
 1930-1989           729,92                 157,20               86,27             168,63      1142,02
 1989-1997          1170,00                3030,88             3575,75             617,88      8399,50
 1997-2004           438,00                1675,00             3426,14             435,29      5974,43
 2004-2007          2024,00                2917,33             1215,33             121,67      6278,33

malaysischen Bundesstaat Sabah und die gesamte Insel.      im Jahr 1998 deutlich erhöht (Rautner et al., 2005),
Auf Basis der vorliegenden Verbreitungskarten für den      doch kann die Ölpalme kaum prioritär für den Verlust
Borneo-Orang-Utan aus den Jahren 1930 und 1989 lag         von Orang-Utan Lebensraum verantwortlich gemacht
die Abnahme von Orang-Utan Lebensraum in diesem            werden. Die Ursache für den immensen Waldverlust
Zeitraum unter 130.000 Hektar pro Jahr. Die industri-      liegt vor allem in einer verfehlten Forstpolitik der
elle Umwandlung der Wälder Borneos begann bereits          indonesischen Regierung, denn Mitte der 1980er Jahre
1890 mit der Anlage von Tabak- und Kautschuk-Plan-         zeichnete sich in der indonesischen holzverarbeitenden
tagen in Sabah, dem damaligen Britisch-Nordborneo.         Industrie immer deutlicher eine Krise in Folge von
Allerdings war die erste forstwirtschaftliche Nutzung      Holzknappheit ab. Um das Problem zu lösen, baute die
der Tieflandregenwälder eher kleinräumig ausgeprägt,        Regierung auf die Expansion industrieller Holz-Planta-
denn im Jahre 1953 war Sabah noch zu 86 Prozent be-        gen, so genannter Industrie-Plantagen (HTI: Hutan Ta-
waldet (Fox, 1978). Dies änderte sich drastisch in den     naman Industri). Ab 1990 begann das Forstministerium
1970er Jahren und es ist anzunehmen, dass der Verlust      mit der Vergabe von HTI-Konzessionen für die Anlage
von Orang-Utan Vorranggebieten bereits vor 1989            und Ernte von Industrieholz-Plantagen in so genannten
stetig zunahm. Vor allem für den malaysischen Bundes-      unproduktiven Bereichen des permanenten Nutzwaldes.
staat Sabah ist ein deutliches Signal durch die Zunahme    Damit wurde die gängige Praxis der nicht nachhaltigen
der Entwaldung zu erwarten, denn laut Angaben der          Naturwaldbewirtschaftung sogar noch belohnt. Anstatt
FAO (1981) lag die natürliche Waldbedeckung Sabahs         die Konzessionäre durch Konventionalstrafen an der
1981 bei nur noch 68 Prozent. Im letzten Viertel des       massiven Übernutzung der Naturwald-Bestände zu
20. Jahrhunderts wurde die Waldumwandlung in Sabah         hindern oder Verstöße zu sanktionieren, wurde durch
vor allem durch den industriellen Anbau von Kakao          die HTI-Lizenz der degradierte Zustand des Waldes als
und Ölpalmen gefördert. Im Jahr 1989 stand in Sabah        Rechtfertigung zu seiner Umwandlung genutzt (Raut-
bereits eine Fläche von etwa 230.000 Hektar unter          ner et al., 2005). Damit wurden die degradierten Wäl-
Ölpalmen, größtenteils in Gebieten, in denen vormals       der zu Spekulationsobjekten mit paralleler Ausweisung
Orang-Utans vorkamen (McMorrow und Talip, 2001).           durch den Staat zur Umwandlung in Ölpalmen-Planta-
                                                           gen und HTI (pers. Mitt. Radday, 2009).
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen darauf
hin, dass zwischen 1989 und 1997 jährlich mehr als         Zwischen 1985 und 1997 betrug der gesamte Waldver-
800.000 Hektar Orang-Utan Lebensraum auf Borneo            lust in Kalimantan 8,5 Millionen Hektar, die größten-
verloren ging (Tabelle 3). Zwar hat sich die Anbauflä-      teils auf Kosten der Orang-Utan Vorranggebiete gingen.
che von Ölpalmen auf Borneo in diesem Zeitraum von         Nach offiziellen Angaben wurden bis zum Ende des
etwa 300.000 Hektar auf mehr als 1,6 Millionen Hektar      Jahres 2000 etwa 7,9 Millionen Hektar für die HTI-

                                                                                               WWF Deutschland      9
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Konzessionen eingeplant. Allerdings wurden in Kali-        4.2 Ölpalmen-Plantagen
     mantan davon nur 23,5 Prozent mit Industriehölzern und
                                                                Die Abbildung 2 zeigt die Lage von Ölpalmen-Plantagen
     Ölpalmen bepflanzt, die verbliebenen 6 Millionen Hek-
                                                                in Kalimantan im Jahr 2006 überlagert mit der Orang-
     tar sind größtenteils Brachland, das als Lebensraum für
                                                                Utan Verbreitungskarte von 2004. Demnach musste
     Orang-Utans nicht geeignet ist (Global Forest Watch,
                                                                innerhalb von zwei Jahren 194.300 Hektar Orang-Utan
     2002). Dieses Missverhältnis ergibt sich daraus, dass
                                                                Wald neuen Plantagen weichen. Unter der Annahme,
     die Einrichtung einer Ölpalmen-Plantage häufig nur ein
                                                                dass dieser Trend ungebremst anhält, trägt die expandie-
     Vorwand für die Gewinnung von Nutzholz ist. Holmes
                                                                rende Palmölindustrie gegenwärtig mit etwa 16 Prozent
     (2002) berichtet, dass große Gebiete gerodet wurden,
                                                                zur Zerstörung von Orang-Utan Lebensraum auf Borneo
     vorgeblich mit der Genehmigung zur Umwandlung in
                                                                bei. Um diesen Wert für weitere Prognosen zu testen,
     Pflanzungen. Tatsächlich war der primäre Zweck aber,
                                                                dienten Angaben für die geplante Plantagenfläche bis
     den Bedarf der Sperrholz- oder Zellstoffindustrie mit
                                                                2020 als Vergleich. Alle Anzeichen deuten darauf hin,
     den hier gewonnenen Rohstoffen zu decken. Allerdings
                                                                dass die Anbaufläche für Ölpalmen auf Borneo in den
     wurden nicht alle Gebiete aufgrund ihrer Abgelegenheit
                                                                kommenden Jahren weiter zunehmen und sich bis
     gerodet, sondern in der Folge durch Wanderfeldbau
                                                                2020 sogar verdoppeln wird (Nellemann et al., 2007).
     und Brände zunehmend degradiert (pers. Mitt. Radday,
                                                                In Sabah könnte dies die weitere Umwandlung von
     2009). Dieses Land bleibt vermutlich trotz eindeutiger
                                                                400.000 Hektar Tieflandregenwald bedeuten (POIC,
     Vorgaben in der vergebenen Konzession brach liegen
                                                                2006) und würde damit über ein Viertel der Orang-
     (Rautner et al, 2005).
                                                                Utan Lebensräume in Sabah gefährden. In Kalimantan
                                                                sind insgesamt 8,09 Millionen Hektar als Anbaufläche
     Zwischen 1997 und 2004 deuten die vorliegenden Da-
                                                                ausgewiesen. Darunter fallen 3,34 Millionen Hektar
     ten in Tabelle 3 auf eine Abflachung der Zerstörungs-
                                                                Wald- sowie 0,38 Millionen Hektar Sumpfgebiete, die
     rate von Orang-Utan Lebensraum hin. Insgesamt sind
                                                                für die Umwandlung in Plantagen vorgesehen sind.
     auf Borneo während diesem Zeitraum etwa 3.625.000
                                                                Durch diese landwirtschaftliche Entwicklung sind in
     Hektar Orang-Utan Vorranggebiete verloren gegangen,
     davon zwei Drittel alleine in Ost-Kalimantan (Tabelle      Kalimantan 750.000 Hektar Orang-Utan Lebensraum
     2). Dort ereigneten sich während einer ausgeprägten El-    bedroht (Venter et al., 2009). Insgesamt gefährdet die
     Niño-Saison zwischen Juli 1997 und Mai 1998 unge-          Umwandlung von Tieflandregenwald in Plantagen etwa
     wöhnlich heftige Waldbrände, die einen großen Teil der     1,15 Millionen Hektar und damit fast elf Prozent des
     Orang-Utan Wälder vernichteten und durch Grasland          aktuellen Orang-Utan Vorkommens auf Borneo.
     ersetzten (Rautner et al., 2005).
                                                                Die räumliche Entfernung von Orang-Utan Verbrei-
     Im Zeitraum 2004 bis 2007 hat sich das Orang-Utan          tungsgebieten zu Plantagen ist in Abbildung 3 dar-
     Vorkommen im malaysischen Bundesstaat Sabah kaum           gestellt. Im Westen Sabahs ist die vorherrschende
     verändert. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass   Plantagenkultur Kautschuk. Etwa ein Fünftel aller
     fast alle Waldflächen, die sich in Sabah außerhalb der      Orang-Utan Verbreitungsgebiete auf Borneo befindet
     so genannten Permanent Forest Reserves befinden, be-        sich in einer Entfernung von weniger als zehn Kilome-
     reits in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt wur-      ter zu einer Ölpalmen-Plantage (Tabelle 4). Allerdings
     den (McMorrow und Talip, 2001). Im indonesischen           gibt es starke regionale Unterschiede, die sich aus der
     Teil Borneos steigt der jährliche Lebensraumverlust auf    Historie der Anbaukultur erklären. In Sabah waren
     Basis der vorliegenden Verbreitungskarten ab 2004 von      2004 bereits mehr als 16 Prozent der Landfläche für
     416.300 Hektar auf 614.000 Hektar. Mit durchschnitt-       Ölpalmen kultiviert (Rautner et al., 2005). Die Planta-
     lich 202.400 Hektar pro Jahr ist der größte Flächen-       gen haben sich dort vor allem auf die früheren Standor-
     verlust in West-Kalimantan zu beobachten (Tabelle 3).      te des Tieflandregenwaldes im Osten des Bundesstaats
     Diese Ergebnisse sind pessimistischer als Untersuchun-     konzentriert, der bis zu seiner Rodung prioritärer
     gen von Wich et al. (2008), deren geschätzte jährliche     Orang-Utan Lebensraum war. Die verbliebenen Wälder
     Entwaldungsrate von 1,7 Prozent für den Zeitraum           Sabahs, in denen noch Orang-Utans leben, befinden
     2002 bis 2008 einen jährlichen Orang-Utan Lebens-          sich daher zu etwa 66 Prozent innerhalb von zehn
     raumverlust in Kalimantan von etwa 454.000 Hektar          Kilometer Entfernung zu einer Ölpalmen-Plantage, 30
     vermuten lässt.                                            Prozent der Vorkommen grenzen in Sabah sogar unmit-
                                                                telbar an eine Plantage. Dagegen standen in Kalimantan
                                                                im Jahre 2004 in den drei Provinzen, in denen heute

10     WWF Deutschland
Abbildung 2:
Orang-Utan Verbreitungsgebiete und Lage von
industriellen Ölpalmen-Plantagen in Kalimantan.

Administrative Einheiten
           Ländergrenzen
           Provinzgrenzen
           Ornag-Utan Verbreitungsgebiet
           (2004)
           Ölpalmen-Plantagen (2006)*
           Ölpalmen-Plantagen (2006) in frühe-
           ren Orang-Utan Verbreitungsgebieten
           (2004)
           *Nur berücksichtigt im indonesischen Teil
           Borneos

Abbildung 3: Räumliche Entfernung von Orang-
Utan Verbreitungsgebieten zu industriellen Ölpal-
men-Plantagen oder anderen Plantagenkulturen.

Administrative Einheiten
           Ländergrenzen
           Provinzgrenzen

Entfernung zu Ölpalmplantagen

           > 10 km

           3 - 10 km

           < 3 km

                            WWF Deutschland            11
Tabelle 4: Flächenanteile in x100ha der Orang-Utan Verbreitungsgebiete 2007 in Entfernungklassen zu (vorwie-
     gend) Ölpalmen-Plantagen.
      Entfernung     Westkalimantan      Zentralkalimantan      Ostkalimantan    Sarawak        Sabah        Borneo
       10 km             24.384                48.146             8.096            2.283        5.050        87.959
       Total              25.597                56.668             8.342            2.283       15.151      108.041

     noch wildlebende Orang-Utans vorkommen, nur etwa           4.3 Vorkommen in degradierten Waldge-
     zwei Prozent der Landfläche unter Ölpalmenkultur (Pot-          bieten
     ter, 2008). Folglich grenzen im indonesischen Teil Bor-
                                                                Weite Teile der Wälder Borneos sind durch wiederhol-
     neos nur etwas mehr als vier Prozent der Orang-Utan
                                                                te forstliche Nutzung mit kurzen Rotationszeiten und
     Vorkommen unmittelbar an Ölpalmen-Plantagen; etwa
                                                                Extraktionsraten von über 100m3/ha stark degradiert.
     zwölf Prozent der Verbreitungsgebiete befinden sich
                                                                Mitunter ist die Störung der Kronendecke so weit
     innerhalb eines Radius von zehn Kilometern (Tabelle 4).
                                                                fortgeschritten, dass die Vegetation keine typischen
                                                                Waldformationen mehr enthält. Nach Wich et al. (2008)
     Ölpalmen-Plantagen beeinflussen angrenzende Wald-
                                                                besteht eine enge Korrelation zwischen Lebensraum-
     gebiete und deren Fauna in vielerlei Hinsicht. Flächen,
                                                                verlust und Orang-Utan Bestandsabnahme. Die in den
     die unter Ölpalmen stehen, sind zwar keine biologi-
     schen Wüsten, doch reicht die biologische Vielfalt der     meisten Fällen fernerkundlich relativ einfach zu bestim-
     Monokulturen bei Weitem nicht an jene des tropischen       mende Entwaldungsrate erscheint daher auf den ersten
     Regenwaldes heran. Ölpalmen-Plantagen beherber-            Blick ein geeigneter Indikator, um das Vorkommen der
     gen weniger als 50 Prozent der Wirbeltierarten einer       Orang-Utans auf Borneo hinreichend zu beschreiben.
     vergleichbaren Fläche tropischen Primärwaldes (Fitz-       Allerdings belegen die Ergebnisse der vorliegenden
     herbert et al., 2008). Für Orang-Utans stellen Plantagen   Studie, dass fast ein Viertel des vorhandenen Orang-
     eine fast unüberwindbare Barriere dar und der Bestand      Utan Verbreitungsgebiets auf Borneo sensu stricto in
     ist in jenen Waldgebieten genetisch isoliert, die von      Nicht-Wald-Gebieten liegt. Dies sind Areale mit einem
     Ölpalmen umgrenzt werden. Die Anzahl der deutlich          vermuteten Kronendeckungsgrad von weniger als
     abgrenzbaren Waldblöcke durch Flüsse und Plantagen         40 Prozent (Abbildung 4; Tabelle 5). Deren Anteil ist
     ist in Kalimantan während der letzten Dekade bereits       dort besonders hoch, wo die Menschenaffen kaum eine
     auf über 300 angestiegen (Meijaard und Dennis, 2003;       andere Alternative haben, da Plantagen den Weg in an-
     Wich et al., 2008). Ebenfalls kommt es in Plantagen        dere Gebiete versperren oder generell kaum ökologisch
     immer wieder zu Konflikten, da die Menschenaffen            intakter Lebensraum existiert. Eine Reihe von Untersu-
     mitunter das Mark junger Ölpalmen fressen und dann         chungen weisen darauf hin, dass sich die intelligenten
     von den Plantagenarbeitern getötet werden (pers. Mitt.     Primaten an den veränderten Lebensraum anpassen
     Diemer, 2009).                                             können und der Einfluss der Einschlagsintensität auf
                                                                deren Verbreitungsmuster häufig überschätzt wird
     Des Weiteren wird die Struktur des Waldes durch den        (Ancrenaz et al., 2005; Marshall et al., 2006). Der
     abrupten Übergang zu einer Plantagenfläche gestört.         Anteil an Lebensraum mit einer Kronenbedeckung von
     Windbruch vermindert die Beschattung, die Sonnenein-       weniger als 40 Prozent beträgt in Sabah bereits 28 Pro-
     strahlung nimmt zu und lässt die Bodenfeuchte sinken.      zent, in Ost-Kalimantan sogar 40 Prozent (Tabelle 5).
     Dadurch wird organisches Material weniger schnell          Selbst durch intensiven Holzeinschlag und Brände de-
     zersetzt und als brennbares Material akkumuliert           gradierte Wälder haben daher einen hohen Naturschutz-
     (Rautner et al., 2005). Dies erhöht die Waldbrandgefahr    wert für Orang-Utans. Dies ist insofern von Bedeutung,
     erheblich. In Ölpalmen-Plantagen dient Feuer häufig als     da der größte Teil der Orang-Utans auf Borneo in forst-
     Managementinstrument, um Flächen für die Anpflan-           wirtschaftlich genutzten Produktionswäldern vorkommt
     zung vorzubereiten, oder um unerwünschte Pflanzensa-        (circa 75 Prozent in Kalimantan, circa 60 Prozent in
     men zu beseitigen (Cochrane, 2003). Werden die Feuer       Sabah), deren fortgeschrittene Degradierung häufig als
     nicht oder schlecht kontrolliert, kann das katastrophale   Freibrief für die Umwandlung in Plantagen verstanden
     Auswirkungen für die umliegenden Waldgebiete haben.        wird (Wich et al., 2008; Marshall et al., 2006).

12     WWF Deutschland
Tabelle 5: Anteil von Flächen mit einem vermuteten Kronendeckungsgrad von weniger 40 Prozent am Orang-Utan
Lebensraum im Jahr 2007 in x100ha.
  Fläche          Westkalimantan     Zentralkalimantan   Ostkalimantan        Sabah              Borneo
  Fläche in km²        2.704              15.436             3.311              4.313             25.924
  Prozent                 11                  27                40                 28                  24

                                                                               Abbildung 4: Flächen mit einem
                                                                               vermuteten Kronendeckungsgrad
                                                                               von weniger als 40 Prozent in
                                                                               Orang-Utan Verbreitungsgebieten.

                                                                                           WWF Deutschland        13
4.4 Straßen- und Wegenetz                                  (2005) wurde das Straßen- und Wegenetz auf Borneo
                                                                auf insgesamt 260.884 km Länge berechnet (Tabelle 6).
     Die stärkste Auswirkung moderner Technik erfuhr Bor-
                                                                In diesen Wert fließen allerdings nicht nur Straßen, son-
     neo durch die Einführung von zwei einfachen Maschi-
                                                                dern auch Forstwege ein, die gerade noch fernerkund-
     nen in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts:
                                                                lich erkennbar waren. Mit über 50 km Straßenlänge
     Motorsäge und Planierraupe (Rautner et al., 2005).         pro 100 km2 besitzen die beiden malaysischen Bundes-
     Relativ unabhängig von den topografischen Gegeben-          staaten Sarawak und Sabah das dichteste Verkehrsnetz
     heiten können mit diesen Geräten Straßen fast überall      Borneos. West- und Zentral-Kalimantan zeichnen sich
     schnell gebaut werden. In den vergangenen Jahren ist       durch die höchste Straßendichte im indonesischen Teil
     die Entwicklung des Straßen- und Wegenetzes daher          Borneos aus (Tabelle 6).
     ein Schlüsselfaktor, der das Gesicht Borneos entschei-
     dend verändert hat. Erst der Zugang durch Straßen          Die Ergebnisse der Abstandsmodellierung der Orang-
     ermöglicht Rodungen und Ansiedlungen und bringt            Utan Vorkommen zum Straßennetz sind in Abbildung 5
     schliesslich Jäger und Wilderer in relativ unberührte      und Tabelle 7 dargestellt. Etwa 38 Prozent aller Orang-
     Gebiete. Auf Basis des Kartenmaterials in Rautner et al.   Utan Verbreitungsgebiete auf Borneo befinden sich in

                                                                                           Abbildung 5: Entfernung der
                                                                                           Orang-Utan Verbreitungsgebiete
                                                                                           zum Straßen- und Wegenetz auf
                                                                                           Borneo.

14     WWF Deutschland
Tabelle 6: Umfang des Straßen- und Wegenetzes auf Borneo.
                       Fläche (km2)     Straßen- und Wegenetz (km)       Straßendichte (km/100km2)
 West-Kalimantan           145.871                     45.974                         31,51
 Zentral-Kalimantan        154.826                     42.557                         27,49
 Ost-Kalimantan            197.611                     47.322                         23,95
 Süd-Kalimantan             38.323                      9.098                         23,74
 Sarawak                   123.359                     74.261                         60,20
 Sabah                      74.888                     40.631                         54,26
 Brunei                      5.770                      1.041                         18,04
 Borneo                    740.648                    260.884                         35,22

Tabelle 7: Flächenanteile in x100ha der Orang-Utan Verbreitungsgebiete 2007 in Entfernungsklassen zum
Straßennetz auf Borneo.
 Entfernung       Westkalimantan      Zentralkalimantan     Ostkalimantan     Sarawak         Sabah      Borneo
  3 km                 8.650                28.247              1.967             646         5.050      41.790
  Total                25.597                56.668              8.342           2.283        15.151    108.041

einer Entfernung von weniger als 1 km zu einer Straße       den Ausbau der Straßen für den Holztransport leicht
oder einem Forstweg. In Sabah und Sarawak betrifft          zugänglich sind (Rautner et al., 2005). Selbst in den
dies - bedingt durch das relativ dichte Straßennetz         über den Landweg schwer zugänglichen Sumpfgebie-
- sogar über 54 Prozent der Orang-Utan Vorkommen.           ten Zentral-Kalimantans sind Orang-Utans kaum vor
Über 61 Prozent der Verbreitungsgebiete auf Borneo          Wilderei geschützt. Wilderei und Handel mit geschütz-
liegen innerhalb eines Radius von 3 km zu einer Straße      ten Arten sind in ganz Kalimantan weit verbreitet und
oder einem Forstweg. Die am wenigsten durch das             eine unmittelbare Folge der Lebensraumzerstörung
Straßen- und Wegenetz beeinflussten Verbreitungsge-          durch Holzeinschlag, Waldumwandlung und illegale
biete befinden sich in Zentral-Kalimantan. Dort liegen       Rodung (Nijman et al., 2008). Nijman (2005) schätzt
fast 50 Prozent der Orang-Utan Habitate in mindestens       die Zahl der in Kalimantan jährlich getöteten und ille-
3 km Entfernung zu einer Straße. Allerdings dienen in       gal gehandelten Orang-Utans auf etwa 500 Individuen.
den Torfsumpfgebieten in Zentral-Kalimantan zahlrei-        Orang-Utans zu jagen, zu handeln und ohne besondere
che Entwässerungskanäle als Wegenetz für Boote und          Erlaubnis zu halten, ist sowohl in Malaysia als auch in
Einbäume.                                                   Indonesien streng verboten. Allerdings wird die Einhal-
                                                            tung der nationalen Gesetzgebung von offizieller Seite
Zwar bedeutet die geringe Entfernung zu einer Straße        kaum strafrechtlich verfolgt (Ziegler, 2005).
oder einer menschlichen Siedlung per se keine direkte
Gefährdung für den Orang-Utan Bestand (Marshall et
al., 2006). Allerdings bietet ein gut ausgebautes Wege-
netz zahlreiche Eintrittspforten für eine Reihe illegaler
Aktivitäten, und Wilderei ist in der Nähe von Straßen in
der Regel am stärksten ausgeprägt (Blake et al., 2007).
Wilderei kommt besonders dort vor, wo Orang-Utans
traditionell gejagt wurden, und in Gebieten, die durch

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5 Lösungsansätze
     Der Lebensraum des Borneo-Orang-Utans wurde                Neben agrotechnischen Schwierigkeiten, die mit der
     durch den Menschen in den letzten 20 Jahren vor allem      Bepflanzung von Brachland verbunden sind (Tomich et
     durch die Umwandlung von Regenwald in Brachland            al., 1997), gibt es allerdings ein weiteres gewichtiges
     und Ölpalmen-Plantagen sowie durch den intensiven          Problem. Denn der Anbau von Ölpalmen auf Grasland
     kommerziellen Holzeinschlag und Waldbrände um min-         wirft in den ersten 2,5 Jahren keinen Gewinn ab – im
     destens 55 Prozent reduziert. Eine verfehlte Forstpoli-    Gegensatz zum Kahlschlag einer bewaldeten Fläche für
     tik in Indonesien sowie die weltweite Nachfrage nach       die Papier- und Zellstoffindustrie (Corley, 2009). Eine
     Palmöl können in erster Linie für diese Entwicklung        besondere Rolle kommt daher Banken und Kredi-
     verantwortlich gemacht werden. Obwohl der direkte          tinstituten bei der Finanzierung von Projekten zu, die
     Beitrag von Ölpalmen-Plantagen zur Umwandlung von          ohne Anschubfinanzierung aus dem Verkauf von Holz
     Orang-Utan Lebensraum auf Borneo in den kommen-            aus den Rodungsflächen auskommen müssen (Ibid).
     den Jahren laut den vorliegenden Daten vermutlich          Des Weiteren halten ungeklärte Besitzverhältnisse der
     nur zwischen elf Prozent und 16 Prozent liegen wird,       brachliegenden Flächen viele Firmen davon ab, Inves-
     tragen Plantagen durch die Öffnung von Zufahrt- und        titionen in die Anlage von Plantagen zu leisten (pers.
     Versorgungsstraßen sowie unkontrolliertem Feuerma-         Mitt. Radday, 2009).
     nagement indirekt zur Gefährdung der Orang-Utan
     Vorkommen bei. Durch die Zertifizierung von Ölpal-          Obwohl keine genauen Daten existieren, ist zu vermu-
     men-Plantagen nach den Kriterien des Round Table on        ten, dass die meisten Orang-Utan Bestände auf Borneo
     Sustainable Palm Oil (RSPO) kann die Bedrohung der         in Waldgebieten leben, die zumindest in der Vergangen-
     Menschenaffenbestände gemindert werden, denn in den        heit durch Holzeinschlag stark eingeschlagen wurden.
     RSPO Standards sind der Schutz von bedrohten Tier-         Bereits 2000 lag der Anteil ungestörter Wälder in Sabah
     arten sowie Maßnahmen zur Bekämpfung der Wilderei          bei nur zehn Prozent (McMorrow und Talip, 2001).
     verbindlich.                                               Selbst in Schutzgebieten findet illegaler Holzeinschlag
                                                                statt: In 27 von 41 indonesischen Nationalparks gibt es
     Generell sollte das Ziel der Naturschutzinterventionen     dafür Anzeichen (Nellemann et al., 2007). Innerhalb
     allerdings sein, neue Plantagen in möglichst weiter        des Gunung Palung Nationalparks in West-Kaliman-
     räumlicher Entfernung zu den bestehenden Orang-            tan waren 2002 bereits 38 Prozent des Tieflandwaldes
     Utan Vorkommen zu etablieren. In Sabah wird dies auf       durch Rodungen verschwunden (Curran et al., 2004).
     Grund der topografischen Gegebenheiten und der Tat-         Fast ein Viertel des Verbreitungsgebiets des Borneo-
     sache, dass dort bereits fast 20 Prozent der Landesflä-     Orang-Utan liegt bereits in Gebieten mit einem vermu-
     che unter Ölpalmen stehen keine leichte Aufgabe sein.      teten Kronendeckungsgrad von weniger als 40 Prozent.
     Dagegen können in Kalimantan mehr als sechs Milli-         Obwohl diese Gebiete häufig als degradiert eingestuft
     onen Hektar brach liegendes Grasland aktuell keiner        werden und bei der Naturschutzplanung wenig Beach-
     Landnutzungsform zugeschrieben werden und bieten           tung finden, haben sie doch einen hohen Wert für den
     sich als potentielle Anbauflächen für Plantagenkulturen     Schutz von Schirmarten wie dem Orang-Utan (Mar-
     an (Rautner et al., 2005). Die Expansion der Palmöl-       shall et al., 2008). Gezielte Anstrengungen sind nötig,
     industrie wäre daher in Kalimantan prinzipiell ohne die    um diese Gebiete vor weiterer Degradation durch nicht
     Umwandlung von Regenwald und der Zerstörung von            nachhaltigen Holzeinschlag und Umwandlung in Plan-
     weiterem Orang-Utan Lebensraum möglich. Aufgabe des        tagen zu schützen.
     Naturschutzes ist es daher, im Dialog mit den beteilig-
     ten Interessensgruppen, jene Gebiete zu identifizieren,     Eine Lösung, die sich anbietet, ist die Zertifizierung nach
     die nicht nur eine geringe biologische Vielfalt haben      den Kriterien des Forest Stewardship Council (FSC).
     und sich zum lukrativen Anbau von Ölpalmen eig-            Ein Projekt, das vom WWF begleitet wird, umfasst die
     nen, sondern deren Erschließung ebenfalls minimale         241.098 Hektar große Fläche des Ulu Segama Malua
     ökologische Auswirkung auf andere Gebiete hat. Der         Forstreservats in Sabah. Mit Ausnahme des zu diesem
     indonesische Orang-Utan Aktionsplan betont in diesem       Produktionswald gehörenden Danum-Valley-Natur-
     Zusammenhang die Notwendigkeit von verbesserter            schutzgebiets wurde bis Ende 2007 in dieser Region
     Landnutzungsplanung und Landallokationen in nachge-        zügellos Holz eingeschlagen. Trotz des größtenteils
     ordneten administrativen Einheiten, was als ein wichti-    stark degradierten Waldzustands ist das Gebiet zum
     ger Schritt für den Schutz von Orang-Utan Lebensraum       Refugium der letzten großen zusammenhängenden Po-
     interpretiert werden kann (Directorate General of Forest   pulation des Borneo-Orang-Utans in Sabah geworden.
     Protection and Nature Conservation, 2009).                 Mit ungefähr 5.300 Individuen hat dort etwa die Hälfte

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Lokale Baumschulen liefern Setzlinge und schaffen alternative Einkommensmöglichkeiten vor Ort. © Jimmy Syahirsyah / WWF-Indonesia

des Orang-Utan Bestands in Sabah ihr Verbreitungs-                  Menschenaffen-Populationen in Sabah bereits nach-
gebiet. Obwohl im Ulu Segama Malua Forstreservat                    gewiesen (Goossens et al., 2006) und erhöht deren
in den kommenden 30 Jahren kaum kommerzieller                       Anfälligkeit der Bestände für Krankheiten. Zuneh-
Holzeinschlag möglich ist, wird das Gebiet momentan                 mendes naturschutzfachliches Interesse findet daher
FSC zertifiziert und schafft so die Vorraussetzung für               die Aufforstung von Waldkorridoren, die zum Ziel
künftige nachhaltige Forstwirtschaft.                               haben, isolierte Orang-Utan Bestände zu verbinden. Ein
                                                                    entsprechendes Vorhaben wird vom WWF in Westka-
Des Weiteren tragen Aufforstungs- und Renaturie-                    limantan umgesetzt. Ein Forstkorridor aus Kautschuk-
rungsmaßnahmen, die der WWF beispielsweise in                       bäumen und lokalen Baumarten soll den Orang-Utans
Sabah und im Sebangau Nationalpark in Zentral-Ka-                   als Waldbrücke zwischen den beiden Nationalparken
limantan durchführt, zur ökologischen Instandsetzung                Danau Sentarum und Betung Kerihun dienen. Zudem
von degradiertem Orang-Utan Habitat bei und sichern                 liefert die Anpflanzung von Kautschuk der lokalen
auf diese Weise die Konnektivität des Lebensraumes.                 Bevölkerung alternative Einkommensquellen.
Große Aufforstungs- und Renaturierungsprojekte haben
zudem das Potential, internationale Aufmerksamkeit
und Unterstützung zu generieren. Dadurch wird es für
politische Entscheidungsträger schwieriger, die Um-
wandlung des Waldes in industrielle Plantagenflächen
zu genehmigen. Auf Borneo existieren bereits über 300
versprengte Orang-Utan Populationen, die mindestens
durch ein Kilometer breite waldfreie Flächen getrennt
sind (Wich et al., 2008). Die weitere Fragmentierung
des Verbreitungsgebietes hätte Konsequenzen für die
Überlebenswahrscheinlichkeit der Art. Der Verlust der
genetischen Diversität durch rezente anthropogene
Überformung des Lebensraumes wurde bei einigen
                                                                                                                 WWF Deutschland    17
6 Ausblick
     Die Zerstörungsrate von Orang-Utan Lebensraum                       Gesetzgebungen signifikant zu reduzieren. Der vom
     auf Borneo liegt aktuell vermutlich bei über 450.000                indonesischen Forstministerium verabschiedete Orang-
     Hektar pro Jahr. Gelingt es nicht, diese Rate zu redu-              Utan Aktionsplan hat das Potenzial für eine Trendwen-
     zieren, wird der Lebensraum der Orang-Utans bis zum                 de, wenn er mit Leben erfüllt und nicht als umweltpoli-
     Jahr 2025 größtenteils zerstört sein. Überlebensfähige              tisches Lippenbekenntnis abgelegt wird. Auch in Sabah
     Populationen wird es dann nur in Sabah und einigen                  wird momentan an der Formulierung eines offiziellen
     Schutzgebieten in Kalimantan und Sarawak geben. Will                Orang-Utan Aktionsplans gearbeitet. Wichtig ist, dass
     man den aktuellen Trend stoppen und dem roten Men-                  den Aktionsplänen konkrete Programme folgen. Auch
     schenaffen eine Zukunft in Borneos Wäldern sichern,                 die internationale Staatengemeinschaft hat die Pflicht,
     gilt es sowohl die fehlgeleitete indonesische Forstpo-              sich an der Bereitstellung von Ressourcen für den
     litik als auch die in Kalimantan und Sabah volkswirt-               Schutz des Orang-Utan und seines Lebensraums zu
     schaftlich gewünschte Expansion der Palmölindustrie                 beteiligen. Schließlich ist es vor allem die weltweite
     in die richtigen Bahnen zu lenken. Darüber hinaus ist es            Nachfrage nach den natürlichen Ressourcen Borneos,
     notwendig, den Jagddruck auf die Orang-Utan Be-                     die das langfristige Überleben des Borneo-Orang-Utans
     stände durch die stringente Umsetzung der nationalen                gefährdet.

     Noch weitgehend intakt ist der Orang-Utan Lebensraum im Danau Sentarum Nationalpark - im Gegensatz zu weiten Teilen Borneos, wo der
     Lebensraum der Menschenaffen in den letzten 20 Jahren um mindestens 55 Prozent reduziert wurde. © Budi Suryansyah / WWF-Indonesia

     Danksagung
     Diese Studie wurde als Teil der WWF Wald- und Klimakampagne 2009/2010 verfasst. Ohne die kontinuierliche
     Unterstützung der Kampagnenleiterin Astrid Korolczuk wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Die Autoren
     möchten besonders Frau Dr. Irene Marzolff von der Universität Frankfurt danken, die stets ein offenes Ohr bei
     GIS- relevanten Fragestellungen hatte. Ein herzliches Dankeschön geht ebenfalls an Roland Melisch von TRAFFIC
     International für seine kritische Durchsicht und sachkundige Kommentierung des Manuskripts. Markus Radday
     und Birgit Braun vom WWF Deutschland gaben wertvolle Anregungen. Dr. John Payne vom WWF Malaysia sowie
     Dr. Matthias Diemer vom WWF Schweiz lieferten wertvolle Informationen zur Palmölproblematik auf Borneo und
     ihnen sei an dieser Stelle dafür gedankt.

18     WWF Deutschland
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