POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ - DER AFD-KLIMADISKURS - BUDRICH ...
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POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ Populismus und Klimaschutz Der AfD-Klimadiskurs von Georg Sturm 69 Abstract Die Auseinandersetzung um die Ausgestaltung des Klimaschutzes bestimmt spätestens seit dem Aufkommen der „Fridays for Future“-Bewegung einmal mehr die öffentliche Debatte in Deutschland. Als Reaktion auf die Klima bewegung hat die Alternative für Deutschland (AfD) den Kampf gegen den K limaschutz zur neuen Hauptaufgabe ihrer Partei auserkoren. Ziel dieses Beitrags ist es – unter Rückgriff auf ökonomische, kulturelle und politische Erklärungsansätze für das Erstarken autoritär-populistischer Parteien – zu abstract untersuchen, inwiefern die AfD mit ihrem Klimadiskurs populistisches Protestpotenzial adressiert. Die qualitative und quantitative Auswertung der AfD-Pressemitteilungen zu diesem Thema zeigen, dass die AfD in ihrem Anti-Klimadiskurs in erster Linie die Angst vor ökonomischen Einbußen schürt und soziale Abstiegsängste ihrer (potenziellen) Wähler*innenschaft anspricht, sich aber auch an das aus einem kulturellen Wertewandel und politischer Entfremdung resultierende, autoritär-populistische Protestpotenzial richtet. Aus dieser Erkenntnis werden Empfehlungen für eine Klimaschutz politik abgeleitet, welche die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen erhöhen könnten. Schlagwörter Populismus; Klimaschutz; Alternative für Deutschland SOZIOLOGIEMAGAZIN https://doi.org/10.3224/soz.v13i2.06 Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ 1. Einleitung Folgenden als „ideale Vorlage für Kritik von populistischen Bewegungen“ und ein In einem Gespräch mit der „Welt“ erklärte Spiegelbild gesellschaftlicher Stimmungs- der Parteivorsitzende der „Alternative für lagen angesehen (Radtke et al. 2019: 5f.). Deutschland“ (AfD) Alexander Gauland im September 2019 den Kampf gegen den Ziel dieses Beitrags ist es, zu untersuchen, Klimaschutz zur neuen Hauptaufgabe sei- inwiefern die AfD mit ihrem Klimadiskurs ner Partei: „Die Kritik an der sogenannten populistisches Protestpotenzial adressiert. Klimaschutzpolitik ist nach dem Euro und Hierbei wird von einem Diskursbegriff aus- der Zuwanderung das dritte große Thema gegangen, nach dem soziale Akteur*innen für die AfD.“ (zitiert nach Kamann 2019) sowohl als diskursiv konstituierte Han- Während die Auseinandersetzung um den delnde als auch als aktive Produzent*innen Klimaschutz spätestens seit dem Aufkom- und Rezipient*innen von Diskursen in 70 men der „Fridays for Future“-Bewegung Erscheinung treten (vgl. Keller 2008: 12). die öffentliche Debatte in Deutschland Da das Forschungsinteresse dieses Beitrags bestimmt, versucht die AfD einen Gegen- darin besteht, zu untersuchen, wie die AfD diskurs zu etablieren, indem sie sowohl ein bestimmtes Klima-Narrativ strategisch den Klimawandel an sich infrage stellt als einsetzt, liegt der Fokus weniger auf dem auch die Klimapolitik der Bundesregierung Aspekt, wie Subjekte diskursiv produziert und die klimapolitischen Positionen ande- werden, sondern vielmehr auf der Rolle rer Akteur*innen grundsätzlich kritisiert handelnder Akteur*innen im Prozess der („Klimahysterie“; Meuthen 2019). Diskursproduktion. Dadurch soll die F rage beantwortet werden, warum die AfD die- Die mit der Energiewende und dem Klima- ses Thema zur neuen Hauptaufgabe der schutz einhergehenden Transformations- Partei erklärt hat. Unter Rückgriff auf prozesse sind aus sozialwissenschaftlicher ökonomische, kulturelle und politische Perspektive von erheblicher Relevanz, da Erklärungsansätze für das Erstarken au- sie zeigen, wie gesellschaftliche Aushand- toritär-populistischer Akteur*innen (vgl. lungs- und Verarbeitungsprozesse ablau- Zürn 2018) wird abschließend diskutiert, fen. Neben klassischen energiepolitischen welche der Erklärungsansätze die von der Analysen im Kontext der Energiewende AfD eingenommene Haltung und dis forschung wird hierbei vermehrt auf An- kursive Strategie zu diesem spezifischen sätze aus der Diskurs-, Lebenswelt- und Thema am besten erklären. sozialen Bewegungsforschung zurückge- griffen. Der politische und gesellschaft In einem ersten Schritt werden der Begriff liche Kontext der Energiewende wird im des (autoritären) Populismus theoretisch Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ konzeptualisiert und die drei zentralen 2. Autoritärer Populismus und Erklärungsansätze für dessen Erstarken seine Erklärungsansätze skizziert. Die ökonomische Unsicher- heitsperspektive (vgl. Manow 2018; Kohl- Für den niederländischen Politikwissen- rausch 2018), der kulturelle Wertewandel schaftler Cas Mudde (2004) ist Popu- (Inglehart/Norris 2016; de Wilde et al. lismus von zwei zentralen Merkmalen 2019) und die politische Entfremdung gekennzeichnet: Zum einen teilt diese (Zürn 2018) dienen als Konzepte, aus Ideologie die Gesellschaft in zwei in sich denen deduktive Oberkategorien für die homogene und antagonistische Gruppen kategoriengeleitete qualitativ-orientierte ein – „the pure people“ auf der einen und Textanalyse abgeleitet werden. Mithilfe die- „the corrupt elite“ auf der anderen Seite ser wird AfD-Klimadiskurs auf Grundlage (Mudde 2004: 543). Zum anderen unter- der Pressemitteilungen des AfD-Bundes- stellt der Populismus, es gäbe den einen vorstands zum Thema „Klima“ aus dem „volonté générale“, dessen Umsetzung er 71 Jahr 2019 in einem zweiten Schritt inhalts- für sich beansprucht (ebd.). Als „dünne“ analytisch untersucht und im Hinblick Ideologie („thin-centred ideology“) habe auf die verschiedenen Erklärungsansätze Populismus einen nur begrenzten ideo- sowohl interpretativ als auch quantitativ logischen Kern (Freeden 1998: 750), der ausgewertet. sich auf der Grundlage der beiden ge- nannten Merkmale mit unterschiedlichen Mithilfe der Ergebnisse wird abschließend „host ideologies“ verbinden lässt. Inner- die Frage beantwortet, welche Erklärungs- halb der verschiedenen Definitionen in muster die Auswahl dieses Themas als der Populismusforschung eignet sich Hauptaufgabe der Partei plausibel be- ein solcher Populismusbegriff am bes- gründen können. Zudem wird diskutiert, ten, da er Populismus nicht nur auf seine welche politischen Lehren aus diesen For- politisch-kommunikative Strategie redu- schungsergebnissen gezogen werden kön- ziert (wie dies etwa Jagers/Walgrave 2007; nen, um Klimaschutzpolitik gegen Angriffe Bonikowski 2017 tun), sondern auf dessen autoritär-populistischer Akteur*innen zu („dünnen“) ideologischen Kern abzielt, der wappnen und die gesellschaftliche Ak- von Anti-Elitismus und Volkszentriertheit zeptanz für Klimaschutz-Maßnahmen gekennzeichnet ist. zu erhöhen. Da diese Definition verschiedene Aus- prägungen des Populismus umfasst und der verbreitete Begriff des Rechtspopu- lismus zur Charakterisierung der AfD SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ verharmlosend und aufgrund seiner Krise der Demokratie, sondern vielmehr häufigen Nutzung als politischer Kampf- das Ergebnis einer tiefen Legitimations begriff unpräzise ist, wird im Folgenden krise der demokratischen Repräsentation auf das Konzept des völkisch-autoritären (vgl. Manow 2020: 21). Diese Überlegung Populismus des Sozialwissenschaftlers weist daraufhin, dass populistischer Protest Alexander Häusler (2019) zurückgegriffen. als Korrektiv einer niedrigen Responsivität Dessen Charakterisierung ist geeignet, da des politischen Systems gegenüber be- sie richtigerweise feststellt, dass die AfD stimmten Interessen funktionieren kann. als parteipolitisches Dach verschiedener Vor diesem Hintergrund dient die Analyse Milieus sowohl (rechts)populistische als des AfD-Klimadiskurses auch der Identi- auch autoritäre, völkisch-nationalistische fikation möglicher Repräsentationslücken und extrem rechte Positionen und Strate- in der Klimaschutzpolitik. Daraus sollen gien in sich vereint (ebd.: 83ff.). Empfehlungen abgeleitet werden, wie 72 Klimapolitik eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz erlangen kann. 2.1 Populismus und Demokratie Wieso es in den letzten Jahren zu einem Das Verhältnis des Populismus zur Demo- Aufstieg autoritär-populistischer Parteien kratie ist Gegenstand einer kontroversen in Europa kommen konnte, wird in der Po- Debatte in der Politischen Theorie und Po- litikwissenschaft und Soziologie kontrovers pulismusforschung. Vertreter*innen eines diskutiert. Im Wesentlichen lassen sich deliberativen Demokratieverständnisses die verschiedenen Ausführungen drei stellen eher die negativen und demokratie- zentralen Erklärungsansätzen zuordnen gefährdenden Aspekte des (autoritären) – einer ökonomischen, einer kulturellen Populismus in den Vordergrund. Ihnen und einer politischen Erklärung. Diese zufolge ist der Populismus anti-liberal, werden im Folgenden in ihren Grundzügen anti-pluralistisch und anti-multilateral skizziert, um daraus Kategorien abzuleiten, (vgl. Zürn 2018: 3). die die inhaltsanalytische Untersuchung des AfD-Klimadiskurses strukturieren können. Anhänger*innen eines antagonistischen Demokratieverständnisses betonen hin- Hierbei ist es wichtig anzumerken, dass gegen den demokratisierenden Charakter es sich bei der Zustimmung zu autoritär- von populistischen Ausdrucksformen (vgl. populistischen Parteien und Bewegungen Laclau 2018; Mouffe 2018). Der Politologe um ein vielschichtiges Phänomen han- Philip Manow sieht in dem Erfolg populis- delt, das sich nicht monokausal erklären tischer Akteur*innen keinen Ausdruck der lässt (vgl. Dörre et al. 2018: 58). Die drei Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ z entralen Erklärungen sind – anders als ntwicklungsniveaus sorgte, nahm die E oftmals von den Vertreter*innen der jewei- Ungleichheit innerhalb der westlichen ligen Ansätze unterstellt – durchaus mitei- Industrieländer zu (Alvaredo et al.: 13ff.). nander verwoben. Auf die Interdependen- Dem enormen Einkommensanstieg in zen der verschiedenen Erklärungsansätze der Mittelklasse der Weltgesellschaft, also hebt insbesondere Klaus Kraemer (2018: insbesondere der sogenannten Schwellen- 288) ab, wenn er feststellt, „dass wechsel- länder wie China und Indien, steht eine seitige Beeinflussungen oder Steigerungen Stagnation der Einkommen der etablierten von kulturellen, sozioökonomischen und Arbeiter*innenschaft in den ehemaligen soziopolitischen Faktoren möglich sind“. Industrieländern und ein enormer Zuge- Beispielsweise sei zu vermuten, dass eine winn der oberen Einkommensschichten in stabilere sozioökonomische Position die diesen Ländern entgegen (vgl. Milanović Gelassenheit steigere, kulturelle Vielfalt im 2016: 11). Alltag zu akzeptieren. Auf die Verwoben- 73 heit der ökonomischen und der kulturellen Der Sozialwissenschaftler Oliver Nachtwey Position verweist auch Floris Biskamp und (2016) spricht in Anbetracht der Ein- argumentiert, dass die „Ökonomie selbst kommensentwicklung in Deutschland […] durch Faktoren mitstrukturiert [sei], von einer „Abstiegsgesellschaft“. Während die gemeinhin als ‚kulturell‘ verstandenen der keynesianische Kapitalismus in der werden“ (Biskamp 2019: 470). Beispiels- „sozialen Moderne“ ein hohes jährliches weise hingen die meist der kulturellen Wirtschaftswachstum und analog zur Ent- Sphäre zugeordneten Konfliktfelder rund wicklung der Arbeitsproduktivität steigen- um Geschlecht und Ethnizität eng mit öko- de Nettorealverdienste sowie eine größere nomischen Fragen zusammen (ebd.: 471). soziale Mobilität ermöglichte, nahm dieser „kollektive Fahrstuhleffekt“ (Beck 1986: 124), also der zeitgleiche materielle Zuge- 2.2 Ökonomische Erklärung winn verschiedener Klassen, in den letzten Jahrzehnten ab. Seit Beginn der 1990er Die ökomische Erklärung macht in erster Jahre stiegen die Haushaltseinkommen Linie die materiellen Folgen des mit der der oberen sechzig Prozent in Deutschland Globalisierung einhergehenden Struk- an, während die unteren vierzig Prozent turwandels in den ehemaligen Indus- in diesem Zeitraum Lohnstagnation und triegesellschaften für den Aufstieg des -verluste erlebten (Nachtwey 2019: 3). autoritären Populismus verantwortlich. Zudem lässt sich in diesem Zeitraum eine Während die Globalisierung in den letzten deutliche Zunahme atypischer Beschäfti- Jahrzehnten für einen Anstieg des globalen gungsverhältnisse feststellen. Waren im SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ Jahr 1991 noch 79 Prozent aller Arbeit- Gerechtigkeitsfragen eine Rolle spielen. nehmer*innen in einem Normalarbeits- Insbesondere in unteren Schichten wird verhältnis beschäftigt, sank dieser Anteil es als ungerecht wahrgenommen, dass bei auf 68,3 Prozent im Jahr 2014. Im selben öffentlichen Ausgaben jahrelang gespart Jahr waren 29,9 Prozent der Erwerbstätigen wurde, für Geflüchtete jedoch Geld gezahlt atypisch, beispielsweise befristet, in Teilzeit werde. Für diese Personen scheint die AfD oder über Leiharbeit, angestellt (ebd.: 3ff.). eine Lücke zu füllen und „eine Alternative In einer Studie für die gewerkschaftsnahe zur Merkelschen Flüchtlingspolitik anzu- Hans-Böckler-Stiftung argumentiert die bieten“ (Hambauer/Mays 2018: 151). Ein Soziologin Bettina Kohlrausch (2018: 4), ähnliches Phänomen lässt sich in Bezug „dass soziale Verunsicherung und so- auf das Thema Klimaschutz beobachten, ziale Ängste wichtige Treiber der AfD wie die folgende Analyse des AfD-Klima- Wahl sind“. Auch wenn Abstiegsängste diskurses zeigt. 74 bei Geringverdiener*innen am stärksten ausgeprägt seien, betreffe die Sorge vor gesellschaftlichem Abstieg auch Personen 2.3 Kulturelle Erklärung aus der Mittelschicht mit vergleichsweise hohem Einkommen. Während die ökonomische Erklärung die materiellen Folgen des Strukturwandels Deren Abstiegsängste resultierten vielmehr durch die Globalisierung in den Vorder- aus einem Gefühl des „Ausgeliefertseins“ grund rückt, nehmen die kulturellen Er- und der Sorge vor gesellschaftlichen Ver- klärungsansätze den mit dieser Entwick- änderungen am Arbeitsplatz durch Glo- lung einhergehenden Wertewandel in den balisierung und Digitalisierung speisen Blick. Das Aufkommen des autoritären (vgl. ebd.: 18, 22). In diesem Gefühl der Populismus wird im Wesentlichen als sozialen Verunsicherung sieht Kohlrausch Gegenreaktion auf diesen Wertewandel den Nährboden für den Aufstieg der AfD. verstanden, der sich an den Schlagwörtern Post-Materialismus, Multikulturalismus Korte et al. stellen fest, dass die AfD und Feminismus festmacht (vgl. Zürn eine „typische ‚Defizitpartei‘“ sei, die für 2017.: 3f.). Diese Erklärung verweist auf Wähler*innen attraktiv sei, da sie Ange- eine neue gesellschaftliche Konfliktlinie, bote mache, die bei den etablierten Par- die als Ergebnis der sozialen Revolution der teien (vermeintlich) fehlten (2015: 60). Globalisierung die im 20. Jahrhundert prä- Beispielsweise wird vermutet, dass in der dominante Auseinandersetzung zwischen ablehnenden Haltung der AfD-Anhänger* Kapital und Arbeit, zwischen Links und innen gegenüber Geflüchteten oftmals Rechts, um eine kulturelle Dimension er- Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ " Das Aufkommen des autoritären Populismus wird im Wesentlichen als Gegenreaktion auf diesen Wertewandel verstanden, der sich an den S chlagwörtern Post-Materialismus, Multikulturalismus und Feminismus festmacht. weitert, den Gegensatz zwischen Kosmo- den und offen für Veränderung sind, sind polit*innen und Kommunitarist*innen die „Somewheres“ – oftmals aufgrund (vgl. ebd.: 4). geringerer Bildung und finanzieller Aus- stattung – lokal oder regional gebunden Der Politikwissenschaftler Michael Zürn und lehnen Veränderung, insbesondere sieht im autoritären Populismus und im Zuwanderung, ab (vgl. Goodhart 2020: Neoliberalismus jeweils eine „schmut- 60ff.). Die darauf basierenden Narrative 75 zige“ Variante (2018: 7) der politischen und Identitätskonzepte betonen die Be- Ideologien des Kommunitarismus des deutung des Nationalen und der Heimat, Kosmopolitismus. Der Gegensatz von Kos- was als Abwehrreaktion auf eine sich ver- mopolit*innen und Kommunitarist*innen ändernde globalisierte Welt verstanden kondensiert sich an der Bewertung der werden kann. Der kulturelle Liberalismus Bedeutung von Grenzen: Während sich und der damit verbundene Wertewandel Kosmopolit*innen tendenziell für offene („silent revolution“) sind in westlichen Grenzen und Multilateralismus einsetzen, Gesellschaften so dominant geworden, betonen Kommunitarist*innen die ord- dass dies zu einer aggressiven Gegen nungspolitische Ebene des Nationalstaats reaktion einstmals kulturell dominanter zur Verwirklichung von Demokratie und Sektoren geführt hat, die eine Erosion ihrer Gerechtigkeit (vgl. ebd.: 7f.). Privilegien und ihres Status befürchten (Inglehart/Norris 2016: 3). In diesem kulturellen Konflikt stehen sich Globalisierungsgewinner*innen und -verlierer*innen entgegen. Wer von 2.4 Politische Erklärung den kulturellen Vorteilen der Globali- sierung profitieren kann, hängt stark Die politische Erklärung für den Auf- vom transnationalen Sozialkapital ab stieg des autoritären Populismus, die (vgl. de Wilde et al. 2019). Während die insbesondere von Michael Zürn (2018) sogenannten „Anywheres“ über höhere vertreten wird, baut auf dieser neuen ge- Mobilität v erfügen, an keinen Ort gebun- sellschaftlichen Konfliktlinie zwischen SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ Kosmopolit*innen und Kommunitarist* ehrheit“ und der „korrupten Eliten“ M innen auf. Sie bezieht diese auf durch die (Zürn 2017: 4f.). Insbesondere im Nach- strukturellen Entwicklungen der letzten gang zu Krisensituationen ist dieses Nar- Jahrzehnte veränderten Prozesse der po- rativ vielversprechend, da sich in diesen litischen Entscheidungsfindung. Aus einer Momenten der kosmopolitische Bias der historisch-institutionalistischen Perspek- Politiken der nicht-majoritären Institu- tive stellt dieser Erklärungsansatz eine tionen zeigt, wie im Fall der Eurokrise zunehmende Verbreitung nicht-majori- oder der sogenannten Flüchtlingskrise tärer Institutionen – wie Zentralbanken, (vgl. ebd.: 30). Verfassungsgerichte oder internationale Organisationen – in konsolidierten Demo kratien fest (vgl. Zürn 2017). 3. Methodik 76 Innerhalb dieser nicht-majoritären Institu- Vor dem Hintergrund dieser drei wesent- tionen und internationalen Organisationen lichen Erklärungsansätze für das Aufkom- kommt es zu einem kosmopolitischen Bias: men des autoritären Populismus wird im Politische Eliten innerhalb dieser Institu Folgenden der AfD-Diskurs zum Thema tionen sind besonders kosmopolitisch Klimaschutz inhaltsanalytisch ausgewertet. eingestellt, wohingegen die kommunita- Die Datengrundlage der Inhaltsanalyse ristische Position in nationalen Parlamen- bilden die Pressemitteilungen des AfD- ten und Parteien tendenziell verbreiteter Bundesvorstands zum Thema „Klima“ aus ist (vgl. Zürn 2018: 12). In diesem Zuge dem Jahr 2019. Pressemitteilungen sind das lässt sich eine gesunkene Responsivität zentrale Medium der Pressearbeit von Par- des politischen Systems gegenüber den teien. Kommunikationswissenschaftliche Präferenzen der stärker kommunitaristisch Untersuchungen zeigen, dass die Über- eingestellten Gesellschaftsschichten fest nahmequoten von Pressemitteilungen stellen (vgl. Elsässer et al. 2017), was bei die- von Parteien hoch sind und Themen und sen Menschen zu dem Gefühl führt, nicht Timing der Medienberichterstattung be- ausreichend von den nicht-majoritären einflussen (vgl. Schulz 2011: 294). Presse- Institutionen repräsentiert zu werden. mitteilungen haben als organisationsseitig autorisiertes Vermittlungsmedium zum Autoritäre Populist*innen bedienen die Ziel, die offizielle Position der Bundes Gefühle der politischen Exklusion und der partei und ihrer führenden Vertreter*innen Machtlosigkeit dieser (meist kommunita- zu aktuellen Themen und Ereignissen ristisch eingestellten) Bevölkerungsschich- zu kommunizieren. Pressemitteilungen ten über das Narrativ der „schweigenden richten sich neben den Journalist*innen als Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ wischenvermittler*innen an die eigent Z vergleichsweise große Datenmengen aus- liche Zielgruppe der Informationsangebote gewertet werden können und sie aufgrund (vgl. Szyszka/Christoph 2015: 801), in ihres regelgeleiteten Vorgehens intersub- diesem Fall alle Wähler*innen und po- jektiv überprüfbar ist, sowie andererseits tenziellen Unterstützer*innen der Partei. durch die qualitativ-interpretative Analyse Sie stellen also ein geeignetes Medium auch latente Sinngehalte der untersuchten dar, um sowohl die aktuelle inhaltliche Texte erfassen und diese kontextualisie- Positionierung der Partei als auch die ren kann (vgl. ebd.: 543). Das Vorgehen kommunikative Strategie und Adressie- stellt eine Kombination aus deduktiver rung der (potenziellen) Wählerschaft zu Kategorienanwendung und induktiver untersuchen. Kategorienbildung dar. Ein besonderer Fokus wird aus verschie- Vor dem Hintergrund der theoretischen denen Gründen auf den Zeitraum von Überlegungen aus Kapitel 2 wird die 77 September bis Dezember 2019 gelegt. Analyse durch die drei deduktiven Ober Zum einen wurden in diesen Monaten kategorien strukturiert: 1. Ökonomische vermehrt Pressemitteilungen zum Thema Unsicherheit; 2. kultureller Wertewandel Klima durch die AfD veröffentlicht. Dies und 3. politische Entfremdung. Auch wenn deckt sich zeitlich mit der Ankündigung die drei Erklärungen, wie oben angemerkt, des AfD-Parteivorsitzenden Gauland, der in Wechselwirkung zueinander stehen und Ende September forderte, den Kampf gegen keine monolithischen Ansätze darstellen, den Klimaschutz zur neuen Hauptaufgabe eignen sich diese Dimensionen dennoch seiner Partei zu machen (Kamann 2019). aus zwei Gründen zur Ableitung ideal Zum anderen fanden in diesen Monaten typischer Kategorien: Zum einen wird die mit dem globalen Klimastreik und den wissenschaftliche Debatte entscheidend Beratungen des Klimakabinetts über das durch diese drei Erklärungsansätze struk- Klimaschutzpaket am 20. September sowie turiert und die meisten Beiträge lassen sich der UN-Klimakonferenz und der Ankün- einer der Strömungen zuordnen. Zum an- digung des europäischen Green Deals deren verweisen die drei Erklärungen auf Anfang Dezember wichtige Ereignisse im im Kern klar voneinander unterscheidbare Zusammenhang mit der Klimapolitik statt. Ursachen für das Erstarken des autoritären Populismus, auch wenn diese in manchen Die kategoriengeleitete qualitativ-orien- Kontexten zusammenhängen oder sich tierte Textanalyse nach Mayring/Fenzel potenzieren mögen (vgl. Kraemer 2018: (2014) ist für diese Fragestellung eine 288). Gleichzeitig identifizieren sie damit geeignete Methode, da mit ihr einerseits unterschiedliche Argumentationsweisen SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ und Narrative, die von autoritär-popu- z ugrunde (ebd.: 146f.). Die Ü berlegungen listischen Akteur*innen aufgegriffen und der Frame-Analyse eignen sich für die bedient werden. Fragestellung dieser Arbeit als Erweiterung der Inhaltsanalyse, da sie zu verstehen Die drei Oberkategorien wurden im Zuge hilft, inwiefern die AfD bestimmte klima der Auswertung mit induktiv aus dem politische Sachverhalte unter Bezug auf Quellenmaterial entwickelten Kategorien „appreciative systems“ diskursiv rahmt, präzisiert. In Bezug auf das Abstraktions um populistisches Protestpotenzial zu niveau wurden alle Argumente und Stel- aktivieren. lungnahmen im Material zu den jeweiligen klimapolitischen Themen und Fragestel- Angelehnt an das Verfahren der kategorien lungen in induktive Kategorien codiert. geleiteten qualitativ-orientierten Text In diesem Fall sind diese induktiven Kate- analyse nach Mayring und Fenzel (2014) 78 gorien gleichbedeutend mit sogenannten wurde bei der Inhaltsanalyse, die mithilfe Frames. der Open Access-Webapplikation QCA- map durchgeführt wurde, in den folgenden Frames oder Rahmen werden hier mit Rein Schritten vorgegangen: Als Kodiereinheit und Schön verstanden als „way of selecting, als kleinstem auszuwertenden Material- organizing, interpreting, and making sense bestandteil wurden mehrere Wörter mit of a complex reality“ (1993: 146). Frames Sinnzusammenhang, bedeutungstragende führen ihnen zufolge zu verschiedenen Phrasen festgesetzt. Die Kontexteinheit, Sichtweisen auf die Welt und erzeugen der größte in eine Kategorie fallende damit eine Vielzahl sozialer Realitäten. Das Textbestandteil, besteht in einem Absatz, Framing eines bestimmten Sachverhalts also einem in mehreren Sätzen entfalteten kann verschiedene Bewertungen und da- Argument. Die Auswertungseinheit stellt mit zusammenhängend unterschiedlichen die Summe aller Pressemitteilungen dar. Handlungen als Antwort darauf zur Folge haben. Politische Akteur*innen greifen In einem ersten Test-Durchlauf von etwa daher im „Kampf um Ideen“ (Stone 2002: einem Drittel aller Pressemitteilungen 13) auf bestimmte Frames als strategisches wurden induktive Kategorien innerhalb Mittel zurück, um einen Sachverhalt zu der deduktiven Oberkategorien aus dem erfassen und in einer bestimmten Weise Text entwickelt. Nach dem ersten Durch- zu konstruieren – mit dem Ziel, Deutungs lauf wurden Kategorien, welche sich auf hoheit zu erlangen. Den Frames liegen einen ähnlichen Gegenstand bezogen, dabei immer bestimmte Werte, Normen zusammengefasst und reduziert. Auf- und Ideen, ein „appreciative system“, grund mehrfacher Quernennungen von Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ usprägungen aller Oberkategorien wurde A während der Generaldebatte über den eine weitere Oberkategorie „Klimahysterie“ Haushalt des Bundeskanzleramts im Sep- entwickelt. Die darin enthaltenen Frames tember 2019 wird wiedergegeben, wie sie „Vernunft statt Ideologie“ und „Sozialis- die Schwere des Klimawandels leugnet mus-Vorwurf “ lassen sich keiner der drei und dessen Ausmaße als reine Einbildung Oberkategorien klar zuordnen, sondern darstellt: Weidel sagt, die Bundesregie- bilden vielmehr die Grundlage der drei rung verschwende „Abermilliarden, um Kategorien, da in ihnen die ablehnende imaginierte Weltuntergänge in ferner Zu- Haltung der AfD zu Klimaschutzpolitik kunft abzuwenden“ (Weidel 11.09.2019). im Allgemeinen zum Ausdruck kommt. An anderer Stelle wird der Einfluss des Im endgültigen Materialdurchlauf erfolgte Menschen auf das Klima von AfD-Um- dann anhand des induktiv entwickelten weltpolitiker Karsten Hilse infrage gestellt Kategoriensystems mit den vier deduktiven und der Klimawandel als ein „natürlicher Oberkategorien die Kodierung aller 29 Prozess seit Hunderten Millionen von 79 Pressemitteilungen. Jahren“ beschrieben (AfD 19.09.2019). In diesem Sinne wird Klimaschutzpolitik 4. Der AfD-Klimadiskurs als rein ideologisches und vernunftbefreites Projekt geframed: Die Energiewende Die Grundlage für die drei Oberkatego- wird als „unproduktive[s] ideologische[s] rien bildet die Sonder-Kategorie „Klima Prestigeprojekt[]“ beschrieben (Weidel hysterie“, die in den drei Frames enthalten 16.10.2019) und Klimaschutzpolitik als ist, mithilfe derer die AfD den Klimaschutz „Klimahysterie“ (Brandner 18.12.2019), als ideologisch getriebenes Projekt darstellt „Klimawahn“ (Padzderski 19.09.2019) und den Klimawandel als solchen – mehr oder „ideologiepolitischer Irrweg“ (Weidel oder weniger direkt – leugnet. Da diese 18.10.2019) bezeichnet. An mancher S telle Frames nicht inhaltlich argumentieren, werden Klimaschutzmaßnahmen der Bun- sondern den Klimawandel an sich und die desregierung oder der Europäischen Kom- Notwendigkeit des Klimaschutzes infrage mission als „grün-sozialistische Ideologie“ stellen und sich in keine der drei Ober- (Weidel 11.09.2019) geframed und damit kategorien einordnen lassen, werden sie an das kollektive Gedächtnis der Deutschen an dieser Stelle der Vollständigkeit halber und die negativen Erfahrungen mit dem nur kurz skizziert. „real existierenden Sozialismus“ im Sinne eines „appreciative system“ appelliert. In einer Pressemitteilung zur Rede der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ 4.1 Ökonomische Unsicherheit AfD u nterstellt, die Bundesregierung beute „unter dem Vorwand des ‚Klima- Innerhalb des Themenkomplexes Klima- schutzes‘ […] die Steuerbürger skrupellos und Umweltpolitik thematisiert die AfD aus“ und nutze die „Klima-Hysterie“, um in ihren Pressemitteilungen besonders Steuererhöhungen durchzusetzen (Weidel häufig die Energiewende. Alle Aussagen, 18.10.2019). Die AfD stellt fest, dass eine die auf die (vermeintlichen) finanziellen Verteuerung des Autofahrens und der Ener- Folgen für die Bürger*innen abzielen und gienutzung „vor allem die kleinen Leute“ die Kosten von Energiewende und Kli- treffe. Aus dieser Kritik an der ungerech- maschutz in den Vordergrund rücken, ten Verteilung von Kosten durch Klima- werden unter dem Frame „Bürger*innen schutzmaßnahmen leitet sie die pauschale zahlen Klimaschutz“ (A2) zusammenge- Folge ab: „Es gibt keine ‚sozial gerechte‘ fasst. Die AfD stellt die Energiewende als Klimapolitik.“ (ebd.) 80 „Albtraum“ für die Bevölkerung dar, was sich in hohen Stromkosten bemerkbar Die eigentlichen Ziele und der Sinn der mache (Weidel 05.09.2019). Aus diesem Klimaschutzmaßnahmen, nämlich die Grund fordert die AfD, „die Energiewende, Reduktion von Treibhausgasen und die die außerdem zum Verlust von Millionen damit verbundene Einhaltung von Klima von Arbeitsplätzen führen wird, sofort zu zielen, werden in den Pressemitteilungen beenden“ (Padzderski 19.09.2019). Dabei nicht thematisiert. Vielmehr werden diese wird mehrfach behauptet, dass die „ver- Maßnahmen als ein Selbstzweck oder korkste Energiewende“ und der „über- gar als absichtliche Drangsalierung der hastete Kohleausstieg“ die Bürger*innen Bevölkerung („Klima-Abzocke“; Weidel „immer tiefer in die Tasche greifen“ lasse 27.09.2019) dargestellt. und die Stromversorgung in Gefahr (A3) sei (Gauland 13.03.2019). Durch den Indem die AfD stets betont, dass sämtliche Verweis auf eine drohende Gefährdung Klimaschutzmaßnahmen zu Lasten der der Versorgungssicherheit mit Strom in „kleinen Leute“, „des kleinen Mannes“, Deutschland werden Ängste vor struktu- der „ganz normalen Leute“ oder der „Nor- rellen Veränderungen adressiert und das malbürger“ gingen, adressiert sie explizit Projekt der Energiewende diskreditiert. die Bevölkerungsschichten, die, wie oben festgestellt, in den letzten beiden Jahrzehn- Neben der Energiewende werden sämt- ten Lohnstagnation oder -verluste erlebt liche Klimaschutzmaßnahmen stets als haben. Sie appelliert an die Abstiegsängste, zusätzliche Kosten für „die ganz normalen die soziale Verunsicherung und das Gefühl Leute“ gerahmt (Weidel 27.09.2019). Die des „Ausgeliefertsein“ der Menschen, die, Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ wie Kohlrausch (2018) zeigt, ein wesent Klimaschutz“ sei „ein Programm zur Indus- licher Treiber der Entscheidung sind, AfD trie- und Arbeitsplatzvernichtung“ (Weidel zu wählen. 11.09.2019) und der „Klimaaktionismus der Bundesregierung“ nichts anderes als Diese Ängste versucht die AfD zu schüren, „eine dramatische Wettbewerbsverzer- indem sie Klimaschutz als Gefährdung rung für unsere heimische Wirtschaft“ von Wohlstand und Arbeitsplätzen (A1) (Protschka 20.09.2019). „Wirtschaftssadisti- rahmt. Mit ihrer „absurden Klimapolitik“ sche Ökoideologen“ gefährdeten Wachstum trage die Bundesregierung „entscheidend in Deutschland und die „über Jahrzehnte zur w eiteren Verarmung der Mittelschicht hinweg mühsam aufgebaute Automobil- bei“ und treibe Wirtschaft und Arbeits- industrie und Zuliefererbetriebe“ würden markt „noch tiefer in die Krise“, sagt durch „meinungsprägende Ökopopulisten“ AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel für deren „vorgeblich grünes Gewissen“ (27.09.2019). Damit knüpft sie an das zerlegt (Meuthen 22.01.2019). Die „Auto 81 Gefühl vieler Menschen an, gesellschaft- mobilindustrie als Motor der Industrie“ lichen Abstieg zu erfahren und von dem werde „mutwillig im Namen des Klima- Wirtschaftswachstum der letzten Jahre wahns beschädigt“ (Weidel 16.10.2019) und nicht zu profitieren. tausende Arbeitsplätze durch die „indus- triefeindliche Grünen-Politik der Klima- Sehr häufig wird die Gefährdung des Aktivisten“ vernichtet (Kalbitz 06.08.2019). Wirtschaftsstandorts Deutschland und der deutschen Automobilindustrie durch Neben der Sorge vor gesellschaftlichem Klimaschutzmaßnahmen betont. Die AfD Abstieg adressiert die AfD mit diesen appelliert damit an das „appreciative sys- Horrorszenarien die Angst vieler Men- tem“ des in Deutschland tief verankerten schen, insbesondere der traditionellen Stolzes auf die Automobilindustrie als Ar- Arbeiter*innenschaft, vor einem (durch die beitsplatzgarant und Motor für Wohlstand Globalisierung bedingten) Strukturwandel. und Wirtschaftswachstum: Der „pseudo- Es wird versucht, die ökonomischen " Es wird versucht, die ökonomischen Globalisierungsverlierer*innen gegen Klimaschutz aufzubringen, indem dieser für Ungerechtigkeiten und möglicherweise drohende ökonomische Verluste verantwortlich gemacht wird. SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ G lobalisierungsverlierer*innen gegen und Inbegriff kosmopolitischer Werte und Klimaschutz aufzubringen, indem dieser Lebensweisen fungieren hierbei Mitglieder für Ungerechtigkeiten und möglicherweise und Anhänger*innen der Partei Bündnis drohende ökonomische Verluste verant- 90/Die Grünen. Indem AfD-Parteivize wortlich gemacht wird. Besonders deutlich Georg Padzderski behauptet, „die Grünen wird dies bei einer Pressemitteilung im schwimmen im linksliberalen Mainstream Namen von Alexander Gauland, in der der der Elite und üben die kulturelle Hege AfD-Fraktionsvorsitzende insinuiert, „dass monie aus“ (Padzderski 11.06.2019), zielt er nun tausende Kohlekumpel vom Ruhrpott auf den mit dem kulturellen L iberalismus bis in die Lausitz keine Zukunft mehr ha- verbundenen Wertewandel („silent revolu- ben und von Armut bedroht sind“, sei „den tion“) ab und befeuert den oben beschrie- Grünen egal“ (Gauland 15.09.2019). Hier benen kulturellen ‘Backlash‘ der eher tra- werden die berechtigten Zukunftssorgen ditionalistisch eingestellten Bevölkerung. 82 der alten Industriearbeiter*innenschaft instrumentalisiert, um die Notwendigkeit Unter Verweis auf die globale Konkurrenz des Klimaschutzes infrage zu stellen. Die stellt Padzderski fest, dass über Deutsch- an dieser Stelle vorgenommene Gegen- lands Zukunft „keine CO2-Steuer, keine überstellung der Interessen von Menschen Biotonne, kein Radfahrweg und kein in ländlichen Industrieregionen und den Verbot von Fleisch“ entscheide (ebd.). politischen Forderungen der (meist als Klimaschutz wird hierdurch reduziert kosmopolitisch assoziierten) Grünen leitet auf die Verteuerung von Konsum, als ein zur nächsten Oberkategorie über. Angriff auf die persönliche Freiheit und als kultureller Imperativ im Konflikt mit tra- ditionellen Lebensweisen. Im Zusammen- 4.2 Kultureller Wertewandel hang mit der Debatte um eine CO2-Steuer betont die AfD stets die Auswirkungen auf In mehreren Pressemitteilungen der Bun- Berufspendler*innen, also insbesondere despartei kontrastiert die AfD die „nor- Bewohner*innen ländlicher Regionen, von malen Leute“ mit dem Feindbild einer Kleinstädten und Vororten, und adressiert „großstädtischen Elite“. Indem sie auf damit die „alte Mittelklasse“, die sich in Unterschiede zwischen den Werten und ihrer Lebensweise und Werten von der Lebensweisen dieser beiden Gruppen kosmopolitischen und oftmals urbanen verweist, zielt sie explizit auf die neue „neuen Mittelklasse“ unterscheidet (vgl. gesellschaftliche Konfliktlinie zwischen Reckwitz 2017: 274ff.). Den Gegensatz (städtischen) Kosmopolit*innen und Kom- zwischen einer moralisierenden und munitaristen*innen (A5) ab. Als Feindbild „abgehobenen Elite“ und den „einfachen Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ Leuten“ (A6) betont Gauland in einer rahmen und den Schutz der „heimatlichen Stellungnahme zum Grünen-Parteitag Umwelt“ dieser entgegenzustellen. Der 2019, indem er deren Beschlüsse als „eine erneuerbare Energieträger der Windkraft- Mischung von Schizophrenie und mora- anlagen steht hier als Inbegriff für diesen lischer Überheblichkeit, die alle zulasten konstruierten Gegensatz zwischen Klima der Bürger gehen“ beschreibt (Gauland und Umwelt, indem behauptet wird, dass 18.11.2019). Der „moralisierende grüne durch Windkraftanlagen in Deutschland bis Zeigefinger“ werde überall schmerzhaft zu 100.000 Vögel und bis zu 200.000 Fleder- zu spüren sein, unter anderem dadurch, mäuse pro Jahr stürben und „Lebensraum dass sich Autofahren und Fleischkonsum für F auna und Flora und Kulturlandschaften verteuere (ebd.). Diese Warnung vor der in unvorstellbarer Größe vernichtet“ würde Verteuerung einer bestimmten – meist (ebd.). Die AfD macht hier also eine andere eher als kommunitaristisch gelesenen – Abwägung auf: Die (sichtbar und lokal) Lebensweise illustriert beispielhaft, dass sterbenden Vögel aufgrund von Windkraft- 83 kulturelle und ökonomische Erklärungen anlagen sind ihnen wichtiger als (global) miteinander verschränkt sein können und sterbende Tierarten aufgrund des Klima- von autoritär-populistischen Akteur*innen wandels. diskursiv in ein und demselben Argument verarbeitet werden. Diese Betonung des Nationalen und der Heimat wird im Sinne der kulturellen Er- Anstelle des Klimaschutzes versucht die klärung als Abwehrreaktion auf eine sich AfD in zahlreichen Pressemitteilungen den verändernde, globalisierte Welt verstanden. Umweltschutz positiv zu besetzen und als Das Narrativ der zu schützenden Heimat Alternative ins Spiel zu bringen (A8). Das adressiert die sogenannten „Somewheres“, „appreciative system“, das diesem Frame zu- die oftmals aufgrund geringerer Bildung grunde liegt, ist die semantisch eng mit dem und finanzieller Ausstattung stärker an Begriff der Heimat verbundene Umwelt. So lokale oder regionale Strukturen g ebunden plädiert die AfD für „eine Umweltpolitik, sind (vgl. Goodhart 2020). Durch die die nicht alleine der Klimaindustrie dient, prognostizierte Vernichtung der heimat- sondern unsere Heimat, ihre Menschen und lichen Umwelt sollen die Ängste derjenigen ihre Natur schützt“ (Padzderski 19.09.2019). geschürt werden, die Veränderung ohnehin Die eigens dafür gestartete Kampagne eher ablehnen. „Grüne stoppen – Umwelt schützen!“ mit eigener Kampagnen-Website verfolgt das Ziel, (grüne) Klimaschutzpolitik als interessengesteuerte „Klimaindustrie“ zu SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ 4.3 Politische Entfremdung Energieträger und eine höhere Bepreisung fossiler Energieträger die EU-Mitglieds- In diesem Zusammenhang werden die so- staaten bis 2050 klimaneutral machen genannten „Anywheres“ als Feindbild kon- will, sei „ein Sammelsurium an totalitären struiert. Tendenziell eher kosmopolitisch Maßnahmen, die ein Diktator nicht hätte eingestellte Entscheidungsträger*innen toppen können“ (ebd.). Dadurch wird werden als „E-Auto-Planungsbürokraten versucht, das Gefühl der Menschen, nicht in Brüssel und Berlin“ dargestellt (Weidel ausreichend von den nicht-majoritären 13.12.2019). Dieses Framing der Entschei- Institutionen repräsentiert zu werden, zu dungsträger*innen suggeriert, dass sich nutzen, um die EU-Klimaschutzpolitik als Politiker*innen in Deutschland und der undemokratisch darzustellen. EU der demokratischen Kontrolle ent zogen hätten („Planungsbürokraten“) und Limmer beklagt in diesem Zusammen- 84 in den Zentren der Macht (insb. Brüssel hang die „eigenmächtige Kompetenz und Berlin) über das Leben der Mehrheit erweiterung durch die Kommission“ und entscheiden und dabei Partikularinteressen unterstellt, dass „die Kommission sogar in (hier: E-Auto) verfolgen würden. den Haushalt der Nationalstaaten einzu- greifen und Steuern umzulenken“ gedenke Heftige Kritik wird an den nicht-majo- (ebd.), was weder in dem Green Deal der ritären Organisationen (A7) in der EU EU-Kommission vorgesehen noch in den geübt. In einer Pressemitteilung zum Green EU-Verträgen rechtlich geregelt ist. Die Deal, der im Dezember 2019 von der der politische Erklärung führt an, dass die EU-Kommission beschlossenen wurde, gesunkene Responsivität des politischen nennt AfD-Bundesvorstandsmitglied Systems gegenüber den Präferenzen der Sylvia Limmer diesen Maßnahmenplan stärker kommunitaristisch eingestellten für eine nachhaltigere EU-Wirtschaft den Gesellschaftsschichten eine der Ursachen „größte[n] und schwerwiegendste[n] An- für den Aufstieg des autoritären Populis- griff auf die freie Gesellschaft in Europa mus ist (vgl. Zürn 2018: 12). Dieses Gefühl seit dem Fall der Berliner Mauer“ (Limmer der Machtlosigkeit und politischen Exklu- 13.12.2019). Damit versucht Limmer, die sion wird hier instrumentalisiert, um den Klimaschutzpolitik der EU als undemo- Green Deal zu delegitimieren. kratische Maßnahme darzustellen und Assoziationen mit Freiheitsberaubungen Dasselbe Gefühl der Machtlosigkeit be- in der DDR hervorzurufen. Der Green dient auch das Narrativ der stillen Mehrheit Deal der EU-Kommission, der unter an- (A9), das sich die AfD zu eigen macht, derem durch Investitionen in regenerative wenn Parteivorsitzender Jörg Meuthen in Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ einer Pressemitteilung zum Green Deal 4.4 Quantitative Auswertung: beklagt, dass die EU-Bürger*innen „immer Häufigkeit der Frames größere Summen an Steuern für ihre eigene Entmündigung, Entrechtung und Ent- Die quantitative Auswertung der Häufigkeit eignung“ zahlten (Meuthen 11.12.2019). des Auftretens der Kategorien zeigt, dass Meuthen stellt hier die Bevölkerung der die Frames innerhalb der Oberkategorie EU-Mitgliedsstaaten als stille Mehrheit dar, „ökonomische Unsicherheit“ mit insgesamt die die „ökosozialistische Umgestaltung 35 Kodierungen deutlich häufiger auftreten unseres Kontinents“ zu bezahlen hätte und als die Frames innerhalb der Oberkategorie keinerlei Einfluss auf politische Entschei- „politische Entfremdung“ (14) und „kul- dungen nehmen könne. In diesem Sinne tureller Wertewandel“ (12). Die Frames ruft Limmer zum Widerstand auf: „Wenn innerhalb der zusätzlichen Oberkategorie wir als Bürger nicht geschlossen dagegen „Klimahysterie“ kommen mit 24 Kodierun- vorgehen, wird dies das Ende der freien gen ebenfalls häufig vor (siehe Abbildung 1). 85 Gesellschaft sein, wie wir sie kennen.“ (Limmer 13.12.2019) Die Positionierung der AfD zu klimapoli tischen Fragen rückt damit besonders häufig Während die AfD einerseits das koor- Argumente in den Vordergrund, die sich dinierte Vorgehen der EU ablehnt, be- innerhalb der ökonomischen Erklärung zum zweifelt sie im Zusammenhang mit dem Erstarken des autoritären Populismus ver Klimapaket der Bundesregierung, „dass orten lassen. Der abschließende Kodierungs- dieser nationale ‚Klimaschutz-Alleingang‘ durchlauf hat gezeigt, dass sich die meisten der Bundesregierung in einer global ver- Argumente klar einer der Kategorien inner- netzten Welt auch nur die kleinste Aus- halb der Oberkategorien zuordnen lassen. wirkung auf das Weltklima haben wird“ Wenn innerhalb eines Satzes verschiedene (Protschka 20.09.2019). Die Begrenztheit (Ober-)Kategorien auft auchten, wurde dies der deutschen Klimaschutzmaßnahmen durch eine Mehrfachzuordnung dieser Text- und die Kontrastierung des nationalen bestandteile berücksichtigt. Handelns mit dem globalen Klimawandel (A7) nutzt die AfD an mehreren Stellen, Die Auswertung der innerhalb der Ober um die Maßnahmen an sich infrage zu kategorien induktiv entwickelten Kate stellen. Auch hier bedient sie das Gefühl gorien zeigt, dass der Frame „Gefährdung der Machtlosigkeit in einer globalisierten von Wohlstand und Arbeitsplätzen“ be- Welt, um im selben Atemzug die eigenen sonders häufig auftritt (17), gefolgt von nationalen Interessen über gemeinsame dem Frame „Bürger*innen zahlen Klima- globale Interessen zu stellen. schutz“ (15). Der Frame „Nicht-majoritäre SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ Häufigkeit Oberkategorien 40 35 35 30 25 24 20 15 14 10 12 5 0 Ökonomisch Kulturell Politisch "Klimahysterie" 86 Abbildung 1: Häufigkeit des Auftretens der deduktiven Oberkategorien Oberkategorie 1: Ökonomische Unsicherheit Code Kategorienname Häufigkeit A1 Gefährdung von Wohlstand und Arbeitsplätzen 17 A2 Bürger*innen zahlen Klimaschutz 15 A3 Stromversorgung in Gefahr 3 Oberkategorie 2: Kultureller Wertewandel Code Kategorienname Häufigkeit A4 Umwelt statt Klima 5 A5 Kosmopolit*innen vs. Kommunitarist*innen 5 A6 Elite vs. einfache Leute 2 Oberkategorie 3: Politische Entfremdung Code Kategorienname Häufigkeit A7 Nicht-majoritäre Organisationen 8 A8 National vs. Global 4 A9 Stille Mehrheiten 2 Oberkategorie 4: „Klimahysterie“ Code Kategorienname Häufigkeit A10 Vernunft statt Ideologie 16 A11 Klimawandel-Leugnung 6 A12 Sozialismus-Vorwurf 2 Tabellen 1 bis 4: Häufigkeit der Frames innerhalb der Oberkategorien Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ rganisationen“ innerhalb der politischen O etonung ökonomischer Auswirkungen des B Oberkategorie kommt ebenfalls vergleichs- Klimaschutzes auf die Bevölkerung steht weise häufig vor (8). Die beiden kulturellen im Zentrum der Positionierung der AfD. Frames „Umwelt statt Klima“ und „Kosmo Den Kern dieser Argumentation bilden polit*innen vs. Kommunitarist*innen“ Horrorszenarien, die die Gefährdung des (je 5) werden in den Pressemitteilungen Wirtschaftsstandorts Deutschland und der etwa so oft aufgegriffen wie der politische Autoindustrie sowie horrende zusätzliche Frame „National vs. Global“. Etwas weniger (Strom-)Kosten für die „einfachen Leute“, oft sind die Frames „Stromversorgung in Autofahrer*innen und Pendler*innen pro- Gefahr“ (3) sowie „Elite vs. einfache Leute“ gnostizieren. In ihren Stellungnahmen zum und „Stille Mehrheiten“ (je 2) vertreten. Thema Klima adressiert die AfD besonders häufig die Angst vor ökonomischen Ein- bußen und soziale Abstiegsängste, die in 5. Fazit und Diskussion Deutschland insbesondere in den unteren 87 Gesellschaftsschichten, aber auch darüber Dieser Beitrag hatte zum Ziel, zu unter hinaus weitverbreitet sind (vgl. Kohlrausch suchen, inwiefern die AfD mit ihrem 2018: 5). Steigende Ungleichheit, Lohn Klimad iskurs populistisches Protest stagnation und -verluste sowie eine zuneh- potenzial adressiert. Dafür wurde unter Be- mende Prekarisierung bilden die Grundlage zug auf verschiedene aktuelle Arbeiten aus dafür, dass das AfD-Narrativ vom Klima- der Populismusforschung, der Politischen schutz als milliardenschweres Arbeitsplatz- Soziologie und der Politischen Theorie und Industrievernichtungsprogramm, das ein theoretisches Framework entwickelt. von den „einfachen Leuten“ bezahlt werden Die drei deduktiven Oberkategorien der müsse, auf fruchtbaren Boden fällt. ökonomischen Unsicherheit, des kultu- rellen Wertewandels und der politischen Der AfD-Klimadiskurs zielt darüber hi- Entfremdung strukturierten die induktive naus auch auf die neue gesellschaftliche Kategorienbildung der Inhaltsanalyse. Konfliktlinie zwischen Kosmopolit*innen und Kommunitarist*innen ab, die von der Die quantitative Auswertung der Häufigkeit kulturellen und der politischen Erklärung ins des Auftretens der Kategorien zeigt, dass Zentrum der Analyse gerückt wird. Klima die Frames innerhalb der Oberkategorie schutzmaßnahmen werden von der AfD als „ökonomische Unsicherheit“ etwa dreimal Angriff auf traditionelle Lebensweisen und häufiger verwendet w erden als die Fra- als großstädtisches Elitenprojekt gerahmt. Als mes der beiden anderen Oberkategorien, Feindbild dient insbesondere die Partei der die etwa gleich häufig vorkommen. Die Grünen. Der Schutz der positiv konnotierten SOZIOLOGIEMAGAZIN Umwelt und Gesellschaft
POPULISMUS UND KLIMASCHUTZ " Wie können Klima iskurs überrascht es nicht, dass die AfD D schutzmaßnahmen dieses Thema zur neuen Hauptaufgabe der Partei ausgewählt hat. Der Klimaschutz sozial gerecht aus und der damit verbundene Strukturwandel gestaltet werden, um sind mit einschneidenden Veränderungen die Angriffsfläche verbunden. Daher bietet sich das Thema des ökonomisch an, um an die Ängste der Bevölkerung vor sozialem Abstieg und Veränderung motivierten popu zu appellieren. In diesem Politikfeld fallen listischen Protests zu ökonomische, kulturelle und politische verringern? Konflikte zusammen und werden von der AfD über verschiedene Frames adressiert. und eng mit dem Begriff der Heimat verbun- Die Untersuchung hat gezeigt, dass allen 88 denen (lokalen) Umwelt wird dem (globalen) drei Ansätze der Populismusforschung – Klimaschutz vorgezogen. Damit adressiert zumindest in Bezug auf Klimaschutz und die AfD eher lokal gebundene „Somewheres“, das Framing der AfD als autoritär-populis- denen mehr am Schutz der heimatlichen tischer Partei in Bezug auf dieses das Poli- Umwelt als an globalen Maßnahmen zum tikfeld – Erklärungskraft innewohnt. Durch Schutz des Weltklimas liegt. die Berücksichtigung jeder der drei Erklä- rungsmuster wurden die verschiedenen In diesem Zusammenhang werden die Dimensionen des AfD-Klimadiskurses und Klimaschutzmaßnahmen nicht-majoritärer dessen Vielschichtigkeit sichtbar. Organisationen wie der EU-Kommission als undemokratisch und als Eingriff in die Im Sinne der eingangs angesprochenen nationalstaatliche Souveränität gerahmt. demok ratisierenden Funktion popu Damit zielt die AfD explizit auf das Gefühl listischen Protests als Ausdrucksform der politischen Exklusion und Machtlosig- marginalisierter Interessen (vgl. Laclau keit eher kommunitaristisch eingestellter 2018; Mouffe 2018) lassen sich aus die- Bevölkerungsschichten. Der Frame der sen Ergebnissen drei zentrale Heraus schweigenden Mehrheit illustriert ex- forderungen für eine Klimaschutzpolitik emplarisch, wie das von der politischen ableiten, die verschiedene Interessen be- Erklärung ausgemachte populistische rücksichtigt und in möglichst hohem Maße Protestpotenzial adressiert wird. Akzeptanz in der Bevölkerung erfährt: Wie können Klimaschutzmaßnahmen Vor dem Hintergrund der vielen Anknüp- sozial gerecht ausgestaltet werden, um die fungspunkte für einen p opulistischen Angriffsfläche des ökonomisch motivierten Umwelt und Gesellschaft SOZIOLOGIEMAGAZIN
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