PRESS REVIEW Thursday, September 10, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

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PRESS REVIEW Thursday, September 10, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

      Thursday, September 10, 2020
PRESS REVIEW Thursday, September 10, 2020 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
PRESS REVIEW                                                  Thursday, September 10, 2020

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Geglückte Ost-West-Vereinigung. Die Staatskapelle Berlin feiert mit Daniel Barenboim Jubiläum

Der Tagesspiegel
Deutsche Oper Berlin muss weitere Premieren verschieben

Der Tagesspiegel
Vulkanisch. Igor Levit spielt Beethoven in der Philharmonie

Deutschlandfunk Kultur
Musikfest Berlin: Rebecca Saunders und das Schlagzeug

Der Tagesspiegel
Tränen und Trost. Riccardo Chailly und Scala Orchester gedenken Corona Toten in Bergamo

The New York Times
An operatic innovator takes on Detroit. Yuval Sharon will lead Michigan Opera Theatre

Der Tagesspiegel
Art-Week diskutiert Inklusion und Dekolonisierung

Süddeutsche Zeitung
Echo des vergoldeten Zeitalters. Metropolitan Museum öffnet wieder

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Wir bewundern andere Meister! Heftige Proteste gegen Besetzung an Budapester Theateruniversität
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          F.A.Z. - Feuilleton                                              Donnerstag, 10.09.2020

                  Geglückte Ost-West-Vereinigung
          Weiblicher und bunter: Die Staatskapelle Berlin feiert mit Daniel
          Barenboim ihr vierhundertfünfzigjähriges Jubiläum

          Das Berliner Staatsopern-Gebäude war nach 1945 schlimmer zerstört als das Schloss.
          Aber das Schloss ist von Ulbricht abgerissen worden, die Oper nicht – und wissen
          Sie, warum?“ – Matthias Glander, der Solo-Klarinettist der Staatskapelle, lehnt sich
          einen Moment fast genüsslich zurück: „Weil Erich Kleiber klar angesagt hat, dass er
          nur dann als Dirigent zurückkommt, wenn das in diesem Haus passiert!“ In diesem
          Haus: Das ist die Lindenoper, ab 1741 im Auftrag Friedrichs II. durch Knobelsdorff
          als weltweit erste frei stehende Musikbühne errichtet und bis heute der nobelste
          Blickfang zwischen Brandenburger Tor und dem mittlerweile wiedererrichteten
          Hohenzollern-Schloss. „In diesem Haus“ steht aber auch für Zuhause, Gemeinschaft
          – eine Daseinsform, die man nicht rein intellektuell erlangen kann.

          Der Hornist Thomas Jordans beschreibt sie so: „Es ist etwas Magisches in dem Bau
          und in dem, was wir darin weitertragen. Man lebt natürlich nicht unentwegt im
          Bewusstsein dieser Traditionen, aber wenn das wieder mal durch einen hindurch-
          geht, kann es schon Gänsehaut machen: Mendelssohn, wie er die Kapelle dirigiert,
          Kleibers ,Wozzeck‘-Uraufführung 1925. Manches ist ja auch schiefgegangen:
          Wagner, der mit seinem ,Holländer‘ umsonst vor der Intendanztür stand, oder
          Richard Strauss, der hier, obwohl schon Hofkapellmeister, von der ,Feuersnot‘ an
          keine seiner frühen Opern zur Premiere bekam, weil der Kaiser was dagegen hatte.
          Da hätte manches noch ganz anders laufen können – aber wenigstens Strauss hat
          sich ja trotzdem bestens mit der Oper und dem Orchester arrangiert. In der Kapell-
          geschichte gab es öfter so eine Art Phönix-Momente, wo alles schon am Boden schien
          – und dann ging es doch wieder zum Neustart.“

          Wenn Jordans solchermaßen in die Vergangenheit zurückwandert, hat das noch
          einen anderen Klang als bei Glander, weil zwischen beiden fast eine ganze Generati-
          on liegt. Als der Klarinettist 1983 zum Ensemble stieß, ging der Jüngere noch in die
          Grundschule. 1996 trat Jordans dann seinerseits zum Probespiel an und wurde
          aufgenommen – als einer der ersten erfolgreichen Absolventen der damals noch ganz
          jungen Orchesterakademie, die seither über 180 Musiker in nationale und interna-
          tionale Klangkörper „entlassen“ hat. Dreißig davon sind, wie Jordans, in der Kapelle
          geblieben: „Die Vorgeschichte dazu ging 1991 los, als das Jeunesses-Musicales-
          Orchester hier in Berlin eine Arbeitsphase hatte und ich eher zufällig in eine ,Nuss-
          knacker‘-Aufführung der Staatsoper geriet, wunderbar altmodisch mit Bühnen-
          Schneegestöber und Rauschgold. Als ich da erlebt habe, wie die Musiker mit den
          Tänzern zusammenwirken, was das an Reaktionsfähigkeit fordert, welche Aufregun-
          gen damit verbunden sein können, war mir klar: Das ist das Richtige! – Und dass es
          dann diese Akademie hier geworden ist, hat genau damit zu tun: weil man ziemlich
          bald als Aushilfe mit in den Orchestergraben geht, auf die Bühnenakteure eingehen
          muss und schneller flexibel wird als in allen Hochschuljahren zuvor. Es war genau
          das, was ich wollte.“

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          So sitzen nun zwei Bläserkollegen zusammen, die zwar mit vierzehn Jahren Abstand
          zum Orchester gekommen sind, aber beide ihr ganzes bisheriges Berufsleben hier
          verbracht haben. Was, wie es aussieht, auch weiter so bleiben soll: „Wir alle sind
          ziemlich eng verbunden, der Umgang ist fast familiär – und wenn es nottut, ist einer
          für den anderen da. Das ist, wenn man sich umhört, nicht in jedem Ensemble so“,
          sagt Glander, bei dem das Hineinwachsen in genau diese Formation als Ostrand-
          Berliner – Qualität natürlich vorausgesetzt – geradezu naturgesetzlich wirkt. Der
          Hornist dagegen ist Rheinländer und wurde auch musikalisch anders sozialisiert, mit
          einem strafferen, kühleren Klang, wie er sich in den Jahrzehnten der beginnenden
          Globalisierung bei vielen Orchestern ähnlich entwickelte. Den der Kapelle dagegen
          hat er selbst einmal als „warm und rotgolden“ beschrieben, und so erlebt man ihn
          auch als Hörer: dunkel gesättigte Streicher, ein schönes, dynamisch stufenlos aufblü-
          hendes Bläserlegato, Intensität bis ins pianissimo hinein.

          Es war auch dieser oft beschworene, nicht leicht beschreibbare „deutsche Klang“, der
          Thomas Jordans nach Berlin zog: womöglich ein ungewolltes, aber in diesem
          Ausnahmefall positives Ergebnis der internationalen Isolierung der DDR, weil der
          globale Mainstream außen vor blieb und stattdessen ein Klang wiederaufgenommen
          und konserviert wurde, wie er in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts
          gepflegt worden war. Noch ein anderer entdeckte dieses Phänomen und war davon
          begeistert: Daniel Barenboim, als er Anfang der neunziger Jahre in die wiederverei-
          nigte deutsche Hauptstadt kam und bei seinem „Parsifal“-Dirigat einen Klang
          wiederfand, den er längst verloren wähnte.

          Den Boden dafür hatte vor allem Otmar Suitner bereitet, der nach dem einschnei-
          denden Aderlass von 1961, als der Mauerbau die in West-Berlin wohnenden Musiker
          von ihrem Arbeitsplatz abschnitt, die Fäden ebenso behutsam wie energisch neu
          knüpfte und die historische Kontinuität wahrte.

          Was seither aus dem Zusammentreffen Barenboims mit dem Orchester erwachsen
          ist, wurde an vielen Stellen beschrieben. Fast drei Jahrzehnte währt diese Liaison
          nun schon. Am Freitag feiert das Orchester unter Barenboims Leitung und in Anwe-
          senheit des Bundespräsidenten sein vierhundertfünfzigjähriges Bestehen. Dabei ist
          die Staatskapelle inzwischen internationaler und weiblicher geworden. Jiyoon Lee
          aus Südkorea, die 2017 Erste Konzertmeisterin wurde und von der beide Gesprächs-
          partner gleichermaßen schwärmen, steht für beides und außerdem dafür, dass die
          Identität des Orchesters und seines besonderen Klanges durch solche Öffnungen
          keineswegs in Frage gestellt wird. Dabei hilft, was Glander das „Zwei-Schlüssel-Prin-
          zip“ nennt: bei jeder Neuverpflichtung müssen sowohl der Chef als auch das Ensem-
          ble zustimmen – ohne einen von beiden wird nichts daraus. Und es braucht auch die
          Neigung zum Zusammengehen mit Sängern, die Bereitschaft, sensible Stimmen zu
          tragen, zum Leuchten zu bringen – denn nach wie vor spielt sich der Großteil der
          Dienste, unerachtet der Konzertzyklen von Beethoven bis Mahler und prägender
          Plattenaufnahmen, auch abseits der Oper, im Orchestergraben der Lindenoper ab.

          Das war im Prinzip schon am Beginn so: Die 1570 gegründete Brandenburgische
          Hofkantorei zählte in ihren ersten Jahrzehnten mehr Sänger als Instrumentalisten.
          Ein Vorzeichen? – Wenn ja, dann ein gutes. Gerald Felber

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          Deutsche Oper Berlin muss weitere Premieren verschieben

          Während Intendant Dietmar Schwarz und sein Team weiter darauf hoffen,
          dass am 27. September wie geplant die Premiere von Richard Wagners
          „Walküre“ stattfinden kann, hat die Deutsche Oper jetzt bekanntgegeben,
          dass die Premiere von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“, die für den 22.
          November 2020 angekündigt war, auf die Saison 2022/23 verschoben
          werden muss. Einen neuen Termin gibt es auch für das „Rheingold“, das
          zunächst Mitte Juni geplant war und dann wegen der Pandemie abgesagt
          werden musste: Der Auftakt zum neuen „Ring des Nibelungen“ wird unter der
          musikalischen Leitung von Donald Runnicles und in der Regie von Stefan
          Herheim nun am 12. Juni 2021 nachgeholt. Die für diesen Tag Tag
          angekündigte Premiere von Beethovens „Fidelio“ wird in die Saison 2022/23
          verschoben. Tsp

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KONZERT | Beitrag vom 08.09.2020

Musikfest Berlin: Rebecca Saunders und das Schlagzeug

Mit Mikrostrukturen große Klang-
Räume schaffen
Moderation: Olaf Wilhelmer

Beitrag hören

Viele Ideen, viele Noten: der Komponistin Rebecca Saunders, Jahrgang 1967, ist ein Schwerpunkt
des Berliner Musikfestes gewidmet. (Astrid Ackermann / Berliner Festspiele)

Aus der Not eine Tugend, aus großbesetzten Stücken Kammermusik machen:
Rebecca Saunders zeigt, wie es geht. Der britischen Komponistin ist ein Schwerpunkt
des Berliner Musikfestes gewidmet. Ein Schlagzeugabend mit Christian Dierstein und
Dirk Rothbrust.

Eigentlich. Dieses Wort steht wie ein mahnendes Zeichen über der jetzt beginnenden
Saison in Deutschlands Konzert- und Opernhäusern. Eigentlich hätte dieses gespielt
werden sollen, stattdessen erklingt jenes. Eigentlich ist das Musikfest Berlin eines der
international wichtigsten Orchesterfestivals, das unter der Flagge der Berliner
Festspiele und der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin alljährlich zum
Saisonauftakt die Berliner Orchester mit den großen internationalen Klangkörpern
zusammenbringt.
Kontinuität trotz Corona

Und so hätte – eigentlich – an diesem Abend das Orchester der Lucerne Festival
Academy anreisen sollen, was schon deswegen nicht möglich war, weil auch die
Aktivitäten in Luzern in diesem Sommer auf ein Minimum reduziert worden waren.
Immerhin, das Konzert findet statt, Christian Dierstein und Dirk Rothbrust sind wie
geplant die Solisten, und auch in der Corona-Version ist dieser Abend der britischen
Komponistin Rebecca Saunders, Jahrgang 1967, gewidmet. Sie erhielt im
vergangenen Jahr eine der renommiertesten Auszeichnungen der Musikwelt, den
Ernst-von Siemens Musikpreis.

Die Berliner Philharmonie als Perkussionslabor: Dirk Rothbrust (li.) und Christian Dierstein bei ihrem
Konzert im Rahmen des Berliner Musikfests (Monika Karczmarczyk / Berliner Festspiele)

Aus ihren groß besetzten Schlagzeugwerken – „Dust“ existiert in einer Version für
sechs Schlagzeuger, „Void" ist für Schlagzeugduo und Orchester gedacht – hat
Saunders nun zwei reine Schlagzeugduo-Kompositionen gemacht.

Die Vielzahl an Perkussionsinstrumenten und Spieltechniken ist eine solche Welt für
sich, dass der Verlust zu verkraften ist, zumal wenn die Bühne von zwei so
großartigen Virtuosen wie Dierstein und Rothbrust bespielt wird, die seit Jahren eng
mit der Komponistin zusammenarbeiten.

Magie und Mikroorganismus

Während das rund 20-minütige „Void“ als Bild der Leere eine räumlich weite Musik
beschwört, scheint das gut 40-minütige „Dust“ – „Staub“ – eher ins Mikroorganische
hineinzuhorchen, und so beginnt das Werk mit feinstem Reiben und Knirschen, um in
weit ausschwingenden Resonanzen von Kristallklangschalen zu münden, die den
ganzen Saal erfassen. Gedanklicher Hintergrund beider Werke sind die magisch-
hermetischen Textwelten von Samuel Beckett, die allerdings nicht zitiert, sondern
gleichsam nur gedacht werden.

Deutschlandfunk Kultur ist Partner des Musikfestes Berlin und dokumentiert auch in
diesem Jahr, in dem – eigentlich – alles ganz anders hätte sein sollen, das Festival mit
einer Reihe von Konzertübertragungen in lockerer Folge.

Musikfest Berlin
Philharmonie Berlin, Aufzeichnung vom 07.09.2020

Rebecca Saunders
„Void II“ für Schlagzeugduo (Erstaufführung der neuen Fassung)

„Dust II“ für Schlagzeugduo (Erstaufführung der neuen Fassung)

Christian Dierstein, Schlagzeug
Dirk Rothbrust, Schlagzeug

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An Operatic Innovator Takes On Detroit - The New York Times   https://www.nytimes.com/2020/09/09/arts/music/yuval-sharon-michig...

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          F.A.Z. - Feuilleton                                               Donnerstag, 10.09.2020

                   Wir bewundern andere Meister!
            Heftige Proteste gegen die regierungsnahe Besetzung an der Budapester
                      Theateruniversität / Von Stephan Löwenstein, Wien

          In Ungarn tobt seit Wochen eine Art Kulturkampf. Anlass ist ein Führungsstreit um
          die Budapester Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE). Dozenten und
          Studenten protestieren dagegen, dass ihre Hochschule in eine Stiftungskonstruktion
          überführt wurde, an deren Kuratoriumsspitze der Direktor des Nationaltheaters
          steht, Attila Vidnyánszky. Er gilt als Gefolgsmann von Ministerpräsident Viktor
          Orbán. Der bisherige Direktor der Hochschule, Gábor Zsámbéki, hat als Reaktion auf
          die neue Führungsstruktur schon Anfang August gekündigt, ihm folgten mehrere
          namhafte Regisseure und Schauspieler, die an der SZFE unterrichteten, und schließ-
          lich der gesamte Senat. Studenten haben die Universität „besetzt“. Zuletzt demons-
          trierten Tausende mit einer Menschenkette zwischen Hochschule und Parlament.

          Der Protest findet auch internationale Resonanz. Ungarische Teilnehmer erschienen
          in Venedig auf den Filmfestspielen mit „Free SZFE“-T-Shirts. Ein Brief für die
          „authentische Führung“ (also die frühere) der SZFE wurde von drei Dutzend
          vornehmlich britischen Künstlern unterzeichnet, darunter die Schauspielerinnen
          Helen Mirren und Cate Blanchett sowie der Schriftsteller Salman Rushdie. Das Berli-
          ner Ensemble sagte ein Gastspiel in Budapest ab, das für nächstes Jahr auf einem
          Festival unter der Ägide Vidnyánszkys geplant war.

          Für die Regierung kommt das möglicherweise unerwartet. Denn eingestielt wurde
          die neue Struktur für die SZFE im Mai dieses Jahres, als niemand von Theater und
          Filmkunst redete, sondern alle nur von Corona. Seit Verabschiedung des Etats im
          Juni ist die Sache eigentlich in trockenen Tüchern. Aber es geht längst um mehr als
          die Theaterhochschule. Die seit zehn Jahren regierende nationalkonservative Partei
          Fidesz versucht nicht nur die Politik im engeren Sinne zu bestimmen, sondern es ist
          auch ein erklärtes Ziel Orbáns und seiner Leute, das zu brechen, was sie in Medien,
          Kultur und Universitäten als linksliberale „Diktatur“ empfinden („Wessen Diktatur“
          hieß eine Serie vor zwei Jahren in dem Fidesz-treuen Blatt „Magyar Idők“). Die
          einzelnen Scharmützel dieses Kulturkampfes finden mal leiser, mal lauter statt.
          Eines der ersten hatte bereits mit Vidnyánszky zu tun. Er ersetzte 2013 als Direktor
          des Nationaltheaters Róbert Alföldi, der für alles stand, was die rechten Kulturrevo-
          lutionäre Orbáns verabscheuen: links, internationalistisch, schwul. Vidnyánszky, der
          der ungarischen Minderheit in der Ukraine entstammt, kündigte an, dass sein Thea-
          ter künftig andere Botschaften aussenden werde: Tradition, die „ungarische Seele“
          und die „ungarische Idee“. Vydnyánsky beherrschte binnen kurzem weitgehend die
          ungarische Theaterlandschaft, er ist Präsident des Dachverbands und leitet die
          entsprechende Fakultät an der Hochschule in Kaposvár. Allein auf die Budapester
          Film- und Theateruniversität, geschützt durch die Hochschulautonomie, hatte er
          nicht direkten Einfluss – bis jetzt. Der Austausch Alföldis schlug bereits relativ hohe
          Wellen. Dabei erfolgte er immerhin regulär: Sein Fünfjahresvertrag war abgelaufen.
          Vidnyánszky erhielt ebenfalls einen Vertrag über fünf Jahre, der inzwischen einmal
          verlängert wurde. Alföldi, der seither von freien Engagements im In- und Ausland

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Firefox                                                         https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/465463/11

          lebt, kommentierte jetzt die Proteste gegen den Eigentümerwechsel bei der Theater-
          hochschule und das Unverständnis des neuen Kuratoriums dafür: „Wir haben die
          Vorführungen anderer Meister bewundert, wir sind mit einer anderen Theaterkultur
          aufgewachsen, wir haben eine andere Theatervergangenheit. Wir verstehen etwas
          anderes unter Theater, ich wage zu sagen: unter gutem Theater.“

          Ebenfalls im Licht von Orbáns Kulturkampf lassen sich Vorgänge sehen, bei denen es
          aber auch um direkte machtpolitische Auseinandersetzungen geht: der wirtschaftli-
          che Druck gegen regierungskritische Medien, von denen einige inzwischen „umge-
          dreht“ wurden, oder das Vorgehen gegen die private Hochschule CEU, finanziert
          durch den Milliardär George Soros. Die ungarische Akademie der Wissenschaften
          wurde im vergangenen Jahr unter Druck gesetzt, bis sie einer Struktur zustimmte,
          auf die die Regierung mehr Einfluss hat. Auch jetzt geht es nicht nur um die Film-
          und Theaterhochschule: Insgesamt sieben Hochschulen sollen in Stiftungskonstruk-
          tionen überführt werden, bei denen die Kuratorien von der jetzigen Regierung
          besetzt werden. So soll die angestrebte neue, nationale und konservative Hegemonie
          offensichtlich abgekoppelt werden von den Zufällen politischer Zeitläufte.

          Lässt man politische und kulturelle Geschmacksfragen beiseite, so wird man immer-
          hin zugestehen können, dass Orbán sich hier als ein gelehriger Schüler der alten
          kommunistischen, später linksliberal gewendeten Eliten erweist. Dass die sich zum
          Teil in Kultur und Medien nach der Wende in Positionen gehalten haben, von denen
          aus sie eine Lufthoheit über den öffentlichen Diskurs behielten, hat es nicht nur in
          Ungarn gegeben. Einen Ausweis der spiegelbildlich gleichen Denkweise hat jetzt
          ausgerechnet der frühere Regierungschef und Orbán-Intimfeind Ferenc Gyurcsány
          (früher Sozialist, heute Linksliberaler) erbracht. Er beschimpfte Vidnyánszky als
          Parteisoldaten, der sich nur so lange halten werde wie Orbán selbst: Sobald der
          gestürzt sei, würden diese Leute allesamt zu „Heimatlosen“, und zwar „in jeder
          Hinsicht“. Für das Regierungslager war das ein gefundenes Fressen, es mobilisierte
          aus dem Stand 300 ihm zugeneigte Künstler, die eine Protestpetition gegen Gyurcsá-
          ny unterzeichneten.

          Aber für ungarische Konservative sollte all das eigentlich nicht ein Grund sein, sich
          noch unnachgiebiger in ihre Kulturrevolution treiben zu lassen. Denn die nimmt
          bisweilen bereits bedrückende Züge an. Die oben erwähnte Artikelserie von „Magyár
          Idök“ erinnerte in ihrer denunziatorischen Art, die nicht zuletzt vermeintliche
          Abweichler aus den eigenen Reihen anprangerte, an die unselige Praxis von „Kritik
          und Selbstkritik“ aus ganz anderen Zeiten.

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