SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf

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SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf
SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich
konstanten Eingabedaten auf den
Heizwärmebedarf

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau   1/23
SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf
Autor/innen

Antje Heinrich
Dipl.-Ing. Arch., lic. rer. reg., Karlsruhe
Baudirektion Kanton Zürich, AWEL, Abteilung Energie, Stampfenbachstrasse 12,
8090 Zürich
antje.heinrich@bd.zh.ch

Stephan Huber
Energieingenieur NDS HTL, dipl. Architekt FH
Wichser Akustik + Bauphysik AG, Schaffhauserstrasse 550, 8052 Zürich
huber@wichser.ch

Die vorliegende CAS-Arbeit wurde von den Studierenden des CAS Bauphysik 2011 erarbeitet.
Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Arbeit nicht im Rahmen eines
Auftragsverhältnisses erstellt wurde.
Weder die Autor/innen noch die Fachhochschule Nordwestschweiz können deshalb für Aktivitäten auf der
Basis dieser Studierendenarbeit planerische Haftung übernehmen.

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Inhaltsverzeichnis

Autor/innen ................................................................................................................2
Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................3
1. Ausgangslage.....................................................................................................4
2. Ziel ......................................................................................................................5
3. Vermeintlich konstante Eingabewerte................................................................5
    3.1. Berechnung des Heizwärmebedarfs........................................................5
    3.2. Die Rolle des Ausnutzungsgrads.............................................................6
    3.3. Die Rolle der solaren Wärmegewinne .....................................................6
    3.4. Die Rolle des Aussenluftvolumenstroms .................................................8
    3.5. Die Rolle der Raumlufttemperatur ...........................................................8
4. Vorgehensweise .................................................................................................9
    4.1. Festlegungen für die Fallbeispiele ...........................................................9
    4.2. Überprüfung des Ausnutzungsgrads .....................................................10
    4.3. Überprüfung der solaren Wärmegewinne..............................................12
    4.4. Überprüfung des Aussenluftvolumenstroms..........................................16
    4.5. Überprüfung der Raumlufttemperatur....................................................19
5. Ergebnisse........................................................................................................21
6. Anregungen für weiterführende Diskussionen .................................................21
7. Quellenverzeichnis ...........................................................................................23

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                                                               3/23
SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf
1.
Ausgangslage

In der Pressemitteilung „Energiepolitik der EnDK – Eckwerte und Aktionsplan“
haben die Energiedirektoren verschiedene Massnahmen verabschiedet, die die
bevorstehende Versorgungslücke auf Grund des geplanten Atomausstiegs
vermeiden sollen. Im Gebäudebereich heisst dies, dass „neue Gebäude ab 2020
sich im Bereiche der Wärmeenergie ganzjährig möglichst selbst versorgen können
und Anteile der Versorgung mit Elektrizität übernehmen“. Dem Grundsatz nach
entspricht diese Forderung der EU, die die Umsetzung des „nearly zero energy
building (NZEB) von ihren Mitgliedstaaten fordert. Damit erhielten die Kantone die
Aufforderung, die „Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn)“ zu
revidieren, sodass diese bis spätestens 2018 Eingang in die kantonale Energie-
gesetzgebung finden.
Im Zuge der Überarbeitung der MuKEn sind verschiedene Parameter, die für die
Berechnung des Heizwärmebedarfs herangezogen werden, zu überprüfen, da bei
Nullenergiegebäuden die einzugebenden Parameter möglichst nahe der tat-
sächlichen Gegebenheiten entsprechen müssen. So wird bei der heutigen
Ermittlung des Heizwärmebedarfs nach der Norm SIA 380/1 „Thermische Energie
im Hochbau“, Ausgabe 2009 bei vielen Eingabegrössen davon ausgegangen, dass
diese konstant seien.

Solare Wärmegewinne:
Dies betrifft zum Beispiel die Berechnung der solaren Wärmegewinne. Es fragt
sich, ob die solaren Wärmegewinne an Gebäuden nicht überbewertet sind. Heute
werden die solaren Wärmegewinne im Monatsverfahren berücksichtigt, was aber
zu ungenau ist. Ebenso wird der Verschattungsfaktor pro Fassade pauschal für
das ganze Jahr festgelegt, wohin hingegen mit monatlich variierenden Werten eine
höhere Treffsicherheit der solaren Gewinne erwartet wird. Eine Abschattung der
Fenster durch Betätigung des Sonnenschutzes wird beim Heizwärmebedarf
gänzlich vernachlässigt.

Aussenluftvolumenstrom:
Des Weiteren wird von einem konstanten Lüftungsverhalten ausgegangen. Im SIA
380/1-Nachweis beträgt der thermisch wirksame Aussenluftvolumenstrom bei
Wohnbauten 0,7 m3/hm2. Was genau heisst dies aber bezogen auf ein Wohn-
zimmer durchschnittlicher Grösse? Oder ist es nicht eher so, dass bei kälteren
Aussentemperaturen die Lüftungsdauer deutlich verkürzt wird? Dies würde
ebenfalls für eine monatliche Betrachtung der Lüftungsverluste sprechen.

Raumlufttemperatur:
Die Anforderungen an die Hüllenqualität basieren auf einer festgelegten Raumluft-
temperatur. Dies sind für Wohn- und Bürobauten 20° C. In der Regel werden die
Gebäude aber auf höheren Raumlufttemperaturen betrieben. Folglich müssten die
Anforderungen an die Gebäudehülle auch steigen, um die höheren Wärmeverluste
zu kompensieren.

Da die heute gültige Version der Norm SIA 380/1 revidiert wird, soll diese Arbeit
die notwendige Grundlage bieten, die oben aufgeführten Parameter in der
Ermittlung des Heizwärmebedarfs entsprechend zu berücksichtigen. Erst damit ist
gewährleistet, dass das Ziel der NZEB möglichst realitätsnah erreicht werden
kann.

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2.
Ziel

Der Einfluss der heutigen konstanten Eingabewerte, die aber in Wirklichkeit
variabel sind, ist anhand von Fallstudien zu verdeutlichen. Zudem soll aufgezeigt
werden, ob die konstanten Werte so, wie sie gemäss der Norm SIA 380/1 zu
berücksichtigen sind, einen zu hohen oder zu geringen Heizwärmebedarf ergeben.
Dieser Bericht gilt als Sensibilisierung für die Weiterentwicklung der Norm SIA
380/1 und soll als Grundlage für die Kantone zur weiteren Beurteilung und Fest-
legung der Grenzwerte und Eingabedaten im SIA 380/1-Nachweis im Hinblick auf
die Diskussion der nearly-zero-energy-buildings dienen.

3.
Vermeintlich konstante Eingabewerte

Der Heizwärmebedarf für Gebäude wird nach dem Berechnungsverfahren, wie es
in der SIA Norm 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“ beschrieben ist,
ermittelt. Hierzu sind unterschiedliche Grössen notwendig, die Eingang in die
Berechnung finden. Zu diesen Eingabewerten gehören z.B.:

     •     Solare Wärmegewinne / Verschattungsfaktoren
     •     Aussenluftvolumenstrom
     •     Raumlufttemperatur

Die Bedeutung dieser Konstanten in der Berechnung des Heizwärmebedarfs soll
aufgezeigt werden. Betrachtet man diese Werte genauer wie zum Beispiel die
Verschattungsfaktoren, die fassaden- bzw. fensterabhängig als Konstante für das
ganze Jahr ermittelt werden, stellt sich die Frage, ob diese Grundannahmen richtig
festgelegt sind und wie hoch ihr Einfluss bei stündlicher Betrachtung auf den
Heizwärmebedarf ist. Ein weiteres Beispiel ist der Aussenluftvolumenstrom, der
über das ganze Jahr betrachtet von einem gleich bleibenden Luftwechsel ausgeht.
Die Raumlufttemperatur wird je nach Nutzungskategorie immer noch auf einen
bestimmten Wert festgelegt, obwohl diese Annahmen längstens nicht mehr die
Realität abbilden. Diese drei Eingabewerte spielen jedoch eine wichtige Rolle in
der Ermittlung des Heizwärmebedarfs. Der Ausnutzungsrad der Wärmegewinne
fliesst in diese Betrachtungen mit ein, da er massgeblichen Einfluss auf den
Heizwärmebedarf hat. D.h. je höher der Ausnutzungsgrad, desto höher der Anteil
der nutzbaren Gewinne, umso tiefer ist der Heizwärmebedarf. Daher können die
zuvor beschriebenen Eingabegrössen nicht ohne den Ausnutzungsgrad behandelt
werden.

3.1.
Berechnung des Heizwärmebedarfs
Das Berechnungsverfahren gemäss Norm SIA 380/1 basiert auf einer Energie-
bilanzbetrachtung, die entlang der thermischen Gebäudehülle verläuft. Dabei kann
die thermische Gebäudehülle gegen aussen, gegen Erdreich, gegen unbeheizte
Räume oder gegen beheizte bzw. gekühlte Räume verlaufen. Die Berechnungen
beruhen auf einer monatlichen Betrachtungsweise zur Ermittlung des Heizwärme-
bedarfs. Der jährliche Heizwärmebedarf ergibt sich aus der Summe des
monatlichen Bedarfs. Für die Berechnung des monatlichen Heizwärmebedarfs
werden die Transmissionswärme- und Lüftungswärmeverluste den internen und
solaren Wärmegewinnen gegenüber gestellt, wobei die Wärmegewinne mit dem
Ausnutzungsgrad multipliziert werden. Die internen Wärmegewinne als auch

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Eingabewerte wie die Raumlufttemperatur beruhen auf einer Einteilung der Räume
in 12 Nutzungskategorien. Dem entsprechend werden zum Beispiel für Gebäude
der Nutzungskategorie „Industrie“ tiefere Raumlufttemperaturen zu Grunde gelegt
als bei Spitälern oder Hallenbädern.

Berechnung des Heizwärmebedarfs:
Qh = Σ[QT+QV-ηg(Qi+Qs)] 1

Qh         Heizwärmebedarf                                                 MJ/m2
QT         Transmissionswärmeverlust                                       MJ/m2
QV         Lüftungswärmeverlust                                            MJ/m2
ηg         Ausnutzungsgrad für Wärmegewinne                                -
Qi         interne Wärmegewinne                                            MJ/m2
Qs         solare Wärmegewinne                                             MJ/m2

3.2.
Die Rolle des Ausnutzungsgrads
Der Ausnutzungsgrad gibt an, inwieweit die Wärmegewinne in der Energiebilanz
des Gebäudes genutzt werden können. Die Wärmegewinne können nur soweit
berücksichtigt werden, solange die Gewinne durch die Gebäudeträgheit nutzbar
sind und zu keiner Überhöhung der Raumlufttemperatur führen. Für die
Berechnung des Ausnutzungsgrad sind das Verhältnis von Wärmegewinne zu
Wärmeverluste und die thermische Trägheit des Gebäudes somit massgeblich.
Gemäss Norm SIA 380/1 ist der jährliche Ausnutzungsgrad der Wärmegewinne
gleich der Jahressumme der genutzten Wärmegewinne geteilt durch die Jahres-
summe der Wärmegewinne. In der vorliegenden Arbeit wird der Ausnutzungsgrad
selbst nicht hinterfragt, sondern fliesst gemäss Definition EN ISO 13790:2008 ein.

Berechnung des Ausnutzungsgrad ηg:
wenn γ>1 und ≠ 1 dann                         ηg = (1-γa) / (1-γa+1) [2]
wenn γ=1, dann                                ηg = a / (a+1)
wenn Qot ≤ 0, dann                            ηg = 0

ηg         Ausnutzungsgrad für Wärmegewinne                                -
γ          Wärmegewinn/-verlust-Verhältnis                                 -
a          Parameter für Ausnutzungsgrad                                   -
Qot        Gesamtwärmeverlust                                              MJ/m2

3.3.
Die Rolle der solaren Wärmegewinne
Die solaren Wärmegewinne sind von den jeweiligen Klimabedingungen, die am
Standort des Gebäudes herrschen, abhängig. In Davos zum Beispiel scheint die
Sonne an Wintertagen mehr Stunden als dies in Zürich der Fall ist. Um diesem
Umstand gerecht zu werden, ist für die Berechnung des Heizwärmebedarfs die
entsprechende Klimastation auszuwählen. Als Grundlage für die Klimadaten wird
auf die Klimastationen im SIA Merkblatt 2028 „Klimadaten für Bauphysik, Energie-

1
    Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Kap. 1.2.1
2
    Quelle: Norm SN EN ISO 13790:2008 „Energieeffizienz von Gebäuden – Berechnung des
            Energiebedarfs für Heizung und Kühlung“, Kap. 12.2.1.1
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und Gebäudetechnik“ zurückgegriffen, dem die Monatsmitteltemperaturen zu
entnehmen sind.
Für die Ermittlung der globalen (direkt und diffus) Sonnenstrahlung ist die Aus-
richtung des Fensters ausschlaggebend, wobei die globale Sonnenstrahlung für
die vier vertikalen Hauptausrichtungen berechnet wird.
Der solare Wärmegewinn hängt von dem Gesamtenergiedurchlassgrad der
Verglasung und der Verschattung der Fenster ab. In der Regel wird der Gesamt-
energiedurchlassgrad für senkrecht einfallendes Licht angegeben. Da der Einfalls-
winkel variiert und die Verschmutzung den Gesamtenergiedurchlassgrad ebenfalls
reduziert, wird der Gesamtenergiedurchlassgrad um 10% gemindert.
Die solaren Gewinne werden durch die Verschattung der Fenster auf Grund der
Topographie und etwaiger baulichen Elementen reduziert. Hierzu werden die
Verschattungsfaktoren ermittelt, die die solaren Gewinne abmindern. Der
Verschattungsfaktor Horizont wird für die Fassade festgelegt, der Verschattungs-
faktor für Überhang und Seitenblende für das jeweilige betroffene Fenster. Aus der
Multiplikation der drei Faktoren ergibt sich pro Fenster die Abminderung der
solaren Gewinne.

FS = FS1 ∗ FS2 ∗ FS3 3

FS1        Verschattungsfaktor Horizont (Topographie und andere Gebäude)
FS2        Verschattungsfaktor Überhang
FS3        Verschattungsfaktor Seitenblende

Berechnung der solaren Wärmegewinne am Beispiel der Südfassade:
QsS = GsS ∗ AwS ∗ 0.9 ∗ g⊥ ∗ FF ∗ FSS / A E 4

QsS        solarer Wärmegewinn Süd                                     MJ/m2
GsS        globale Sonnenstrahlung Süd                                 MJ/m2
AwS        Fenster Süd                                                 m2
g⊥         Gesamtenergiedurchlassgrad Fenster (senkrecht)              -
FF         Abminderungsfaktor für Fensterrahmen                        -
FSS        Verschattungsfaktor Süd                                     -
AE         Energiebezugsfläche                                         m2

Berechnung der gesamten solaren Wärmegewinne:
QS = QsH + QsS + QsE + QsW + QsN 5

QS         solarer Wärmegewinn            total                        MJ/m2
QsH        solarer Wärmegewinn            horizontal                   MJ/m2
QsS        solarer Wärmegewinn            Süd                          MJ/m2
QsE        solarer Wärmegewinn            Ost                          MJ/m2
QsW        solarer Wärmegewinn            West                         MJ/m2
QsN        solarer Wärmegewinn            Nord                         MJ/m2

3
    Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Kap. 3.5.4.12
4
    Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E
5
    Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E
CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                    7/23
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3.4.
Die Rolle des Aussenluftvolumenstroms
Für eine gute und angenehme Luftqualität im Raum muss die Luft in entsprech-
enden Abständen ausgetauscht werden. Der minimale Aussenluftvolumenstrom ist
gemäss der Norm SIA 180 und 382/1 auszulegen. Für die Berechnung der
Lüftungsverluste ist der gemittelte Aussenluftvolumenstrom zu berücksichtigen.
Für natürlich belüftete Räume ist der minimale Aussenluftvolumenstrom, der für
die Erneuerung der Raumluft zur Vermeidung von Schadstoffen und ähnlichem
nötig ist, einzusetzen. In der Norm SIA 380/1 sind die Aussenluftvolumenströme
bezogen auf die Energiebezugsfläche in Abhängigkeit der 12 Standardnutzungs-
kategorien aufgeführt. Für Wohn- und Verwaltungsbauten beträgt der Aussenluft-
volumenstrom 0,7 m3/(hm2). Dieser Wert ist etwas höher als der hygienisch
notwendige Aussenluftvolumenstrom von 0,5 m3/(hm2). Die Lüftungsverluste
berechnen sich wie folgt:

QV = (θoc - θe) V/AE ∗ tc ∗ pa•ca ∗ 24 / 106 [6]

QV         Lüftungswärmeverluste                                       MJ/m2
θoc        Raumlufttemperatur mit Regelungszuschlag                    °C
θe         Aussentemperatur                                            °C
V/AE       flächenbezogener Aussenluftvolumenstrom                     m3/(hm2)
tc         Länge der Berechnungsperiode                                d
pa•ca      spez. Wärmespeicherfähigkeit der Luft                       J/(m3K)

Mit dem flächenbezogenem Aussenluftvolumenstrom von 0,7 m3/(hm2) liegt die
Eingabe-grösse für die Berechnung des Heizwärmebedarfs zwar vor, aber was
dies konkret für das Lüftungsverhalten eines Nutzers heisst, ist unklar. Hierzu ist
zu ermitteln, wie hoch der Lüftungsvolumenstrom ist.
Berechnung des Lüftungsvolumenstroms eines vollständig geöffneten Fensters:

                                                   7
V’E = cd ∗ H ∗ B ∗ 1/3 √ (g ∗ H (Ti – Ta) / Ta)                        m3/s

V’E        Lüftungsvolumenstrom                                        m3/s
cd         Durchlassfaktor (∼ 0,6)                                     -
H          Höhe Öffnung                                                m
B          Breite Öffnung                                              m
g          Erdbeschleunigung (9,81)                                    m/s2
Ti         Raumlufttemperatur                                          K
Ta         Aussenlufttemperatur                                        K

3.5.
Die Rolle der Raumlufttemperatur
Die Raumlufttemperatur ist die Kenngrösse, für die der Heizwärmebedarf
berechnet wird. D.h. für Gebäude gleicher thermischer Gebäudehülle sind die
Transmissionsverluste und damit der Heizwärmebedarf bei niedrigerer Raumluft-
temperatur kleiner und entsprechend bei höherer Raumlufttemperatur grösser. In
der Norm SIA 380/1 wird für jede Standardnutzungskategorie ein räumlicher und
zeitlicher Mittelwert über das ganze Gebäude festgelegt, in dem die Heizungs-
absenkung berücksichtigt wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die

6
    Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E
7
    Quelle: Merkblatt SIA 2023 „Lüftung in Wohnbauten“, Anhang C
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Temperaturregelung in allen Räumen schnell auf sich ändernde Gegebenheiten
reagiert. Ein etwaiger Temperaturzuschlag berücksichtigt den Einfluss einer nicht
optimalen Regelung auf den Heizwärmebedarf.
Gemäss Norm SIA 380/1 wird für Wohn- und Verwaltungsbauten eine Raumluft-
temperatur von 20° C festgelegt. Die Berücksichtigung der Raumlufttemperatur ist
in der Berechnung der Lüftungsverluste als auch der Transmissionswärmeverluste
pro Bauteil zu finden.

Berechnung der Lüftungswärmeverluste:
QV = (θoc - θe) V/AE ∗ tc ∗ pa•ca ∗ 24 / 106

Berechnung der Transmissionswärmeverluste aufgezeigt am Beispiel Dach:
QRE = (θoc - θe) tc ∗ ARe ∗ URe ∗ 86400 / AE ∗ 106 [8]

QRe        Transmissionswärmeverlust (Dach)                            MJ/m2
θoc        Raumlufttemperatur mit Regelungszuschlag                    °C
θe         Aussentemperatur                                            °C
tc         Länge der Berechnungsperiode                                d
ARe        Fläche Dach gegen Aussenluft                                m2
URe        U-Wert Dach gegen Aussenluft                                W/(m2K)
AE         Energiebezugsfläche                                         m2

Die Transmissionswärmeverluste der weiteren am Gebäude vorkommenden
Bauteile werden entsprechend dem Beispiel „Dach gegen Aussenluft“ berechnet.

4.
Vorgehensweise

Für die Berechnung des Heizwärmebedarfs werden in der Regel lizenzierte
Softwareprogramme verwendet. Für die Überprüfung der einzelnen Eingabedaten
wurde das Programm „Entech“ der Huber Energietechnik AG, Zürich verwendet,
dessen Source-Code offen ist, sodass die konstanten Grössen manuell geändert
werden und als Berechnungsgrundlage der solaren Gewinne die Klimadaten der
Klimastation Zürich MeteoSchweiz im Stundenschritt verwendet werden können.
Als Ausgangslage dienen drei Fallbeispiele, die mit der heute gültigen Version der
Norm SIA 380/1 berechnet wurden. Die Ergebnisse mit den geänderten Eingabe-
werten werden anschliessend mit denen der Ausgangslage verglichen, um somit
eine Aussage hinsichtlich der Genauigkeit der Heizwärmebedarfsberechnung
treffen zu können. Die Rückschlüsse werden in der Zusammenfassung dargestellt.

4.1.
Festlegungen für die Fallbeispiele
Für die Betrachtung der Fallbeispiele wird die SIA Norm 380/1, Ausgabe 2009 mit
ihren Grenz- und Eingabewerten zu Grunde gelegt. Es werden drei Fallbeispiele
ausgewählt: zwei Wohnbauten (EFH, MFH) und ein Verwaltungsbau. Für die
Untersuchung wird von folgenden Annahmen ausgegangen:

8
    Quelle: Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Anhang E
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SIA 380/1: Einfluss der vermeintlich konstanten Eingabedaten auf den Heizwärmebedarf
Klimastation:                                                  Zürich MeteoSchweiz
Höhenlage über Meer:                                           450 m
Raumlufttemperatur:                                            20° C
Thermisch wirksamer Aussenluftvolumenstrom:                    0,7 m3/(hm2) [ohne KWL]
Wärmespeicherfähigkeit:                                        0,5 MJ/(m2K)
Interne Wärmegewinne:                                          gemäss Norm SIA 380/1
Geschosshöhe (keine Raumhöhenkorrektur)                        3m
Vorlauftemperatur der Fussbodenheizung:                        35° C / 40° C (Verwaltung)

Die U-Werte der opaken Bauteile werden so festgelegt, dass die Grenzwerte
gemäss Norm SIA 380/1 der drei Fallbeispiele gerade erfüllt werden. Anhand der
Untersuchung der zuvor beschriebenen „konstanten“ Eingabedaten soll somit
transparent werden, inwieweit sich der Heizwärmebedarf in Bezug auf den Grenz-
wert verändert.

Als Fallbeispiele wurde jeweils ein Gebäude der Kategorie EFH, MFH und
Verwaltung mit den folgenden Kenndaten ausgewählt:

Kategorie                                     EFH             MFH               Verwaltung
                                                      2                 2
EBF                                           310 m           1’691 m           2’860,5 m2
Gebäudehüllzahl                               2,11            1,11              1,06
Flächenanteil Fenster/EBF                     40 %            23 %              24 %
Höchster Glasanteil pro Fassade               67 % (SW)       41 % (W)          56 % (NE)
                                                          2                 2
Heizwärmebedarf                               188 MJ/m        118 MJ/m          144 MJ/m2
Grenzwert                                     188 MJ/m2       118 MJ/m2         144 MJ/m2
Transmissionswärmeverluste                    310 MJ/m2       180 MJ/m2         223 MJ/m2
Lüftungswärmeverluste                         74 MJ/m2        74 MJ/m2          81 MJ/m2
Solare Wärmegewinne                           214 MJ/m2       95 MJ/m2          148 MJ/m2
Ausnutzungsgrad                               0,68            0,70              0,64

4.2.
Überprüfung des Ausnutzungsgrads
Der Ausnutzungsgrad hängt, wie in Kapitel 3.2 beschrieben, vom Verhältnis der
Wärmegewinne zu den Wärmeverlusten und der thermischen Trägheit des
Gebäudes ab. D.h. je höher der Ausnutzungsgrad umso mehr Wärmegewinne
können genutzt werden. Daraus ergibt sich, dass in den Monaten mit einer tiefen
Aussentemperatur die Wärmegewinne zu 100 % dem Gebäude zugute kommen.
Im Gegensatz zu den Wintermonaten ist im Sommer die Aussentemperatur zwar
höher, dadurch die Transmissionsverluste tiefer, sodass die Wärmegewinne nur zu
einem kleinen Teil genutzt werden können.
Der Ausnutzungsgrad wird am Beispiel des Einfamilienhauses anhand unter-
schiedlicher Raumlufttemperaturen überprüft. Damit soll aufgezeigt werden,
inwieweit die Wärmegewinne besser genutzt werden können. D.h. es ist zu
erwarten, dass über einen längeren Zeitraum der Ausnutzungsgrad gleich 1 ist als
mit niedrigerer Raumlufttemperatur.

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Abbildung 1: Ausnutzungsgrad in Abhängigkeit der Raumlufttemperatur und mittleren
Aussentemperatur am Beispiel des EFH

Wie die Abbildung 1 zeigt, liegt der Ausnutzungsgrad bei einer Raumlufttemperatur
von 20° C in den Wintermonaten Januar, Februar, März und Oktober, November,
Dezember bei 1. Bei einer Raumlufttemperatur von 24° C steigt der Ausnutzungs-
grad im Monat April auch auf 1, die solaren Gewinne lassen sich besser nutzen.
Somit ist es von Bedeutung, wie hoch die solaren Gewinne ausfallen, d.h. ob die
solaren Gewinne auf Grund von Verschattung beeinträchtigt werden.

In der folgenden Abbildung wird für das Beispiel EFH der Heizwärmebedarf für die
Raumlufttemperaturen von 20°, 22° und 24° C gegenüber dem Ausnutzungsgrad
aufgetragen.

Abbildung 2: Heizwärmebedarf bei unterschiedlichen Raumlufttemperaturen und
Ausnutzungsgrad am Beispiel EFH

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                    11/23
Eine höhere Raumlufttemperatur bedingt einen höheren Heizwärmebedarf. Wie
gross die Auswirkung der Raumlufttemperatur auf den Heizwärmebedarf ist, wird
in Kapitel 4.5 „Überprüfung der Raumlufttemperatur“ aufgezeigt. Deutlich zu
erkennen ist, dass bei einer Raumlufttemperatur von 24° C im Vergleich zu 20°
und 22° C der Ausnutzungsgrad in den Monaten Mai und September höher ist. Bei
einer Raumlufttemperatur von 20° C besteht in diesen beiden Monaten kein
Heizwärmebedarf im Vergleich zur Raumlufttemperatur von 24° C.
Für das Fallbeispiel MFH ergibt sich ein vergleichbares Diagramm wie für das
EFH, weshalb auf die Darstellung an dieser Stelle verzichtet wurde.

Das Fallbeispiel „Verwaltungsgebäude“ verfügt mit einem erhöhten Glasanteil
folglich auch über einen hohen Anteil an solaren Wärmegewinnen. Wie sich eine
Veränderung der Raumlufttemperatur auf den Ausnutzungsgrad auswirkt, zeigt die
folgende Abbildung.

Abbildung 3: Heizwärmebedarf bei unterschiedlichen Raumlufttemperaturen und
Ausnutzungsgrad am Beispiel Verwaltung

Der Ausnutzungsgrad beim Verwaltungsgebäude beträgt nur in den Monaten
Januar und Dezember 100 %. Da es sich um ein Gebäude mit hohem Glasanteil
handelt, nimmt der Ausnutzungsgrad bereits innerhalb der Heizperiode verglichen
mit den beiden Beispielen EFH und MFH deutlich ab. Gleichzeitig zeigt sich hier
bei hoher Raumlufttemperatur ein ganzjähriger Heizwärmebedarf.

4.3.
Überprüfung der solaren Wärmegewinne
Die Höhe des solaren Wärmeeintrags hängt von der Verschattung auf Grund von
Überhängen oder Seitenblenden der einzelnen Fensterflächen am Gebäude ab.
Die Verschattung durch den Horizont wird in den folgenden Betrachtungen nicht in
Frage gestellt und somit gemäss den Vorgaben nach der Norm SIA 380/1 über-
nommen. Die stündlichen Verschattungsfaktoren werden anhand des Sonnen-
verlaufs (Standort Zürich, Schweiz) mit der Software „Überhänge, Markisen &
Mauervorsprünge“ ermittelt. Die Ergebnisse werden mit den Verschattungs-
faktoren, wie sie mit dem Hilfstool „Berechnung der Verschattungsfaktoren“
ermittelt werden können, verglichen.

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                   12/23
Um die Verschattungsfaktoren zu überprüfen, werden jene Fenster am Fallbeispiel
EFH ausgewählt, die entweder einen Überhang und/oder Seitenblenden auf-
weisen. Die stündlichen Verschattungen nach dem Tool „Überhänge, Markisen &
Mauervorsprünge“ werden zu einem Monatswert zusammengefasst. Zusätzlich
werden die Faktoren für die Heizperiode Oktober bis April und das ganze Jahr
berechnet. Die unterschiedlichen Werte werden anhand einiger aussagekräftiger
Beispiele aufgezeigt. Da der Verschattungsfaktor Horizont FS1 nicht hinterfragt
wird, wird er an dieser Stelle nicht berücksichtigt, da die Topographie als auch die
nähere Umgebung nicht beeinflussbar ist.

Abbildung 4: Verschattungsanteile an einem Fenster (1,05 m x 1,15 m)
Nordwestfassade (Seitenblende)

Wenn die Verschattungsfaktoren nach EN ISO13790 ermittelt werden, ergibt sich
für das betroffene Fenster eine Reduktion der solaren Wärmegewinne um 14 %.
Bei der stündlichen Betrachtung des effektiven Sonnenverlaufs auf die Nordwest-
fassade ist keine Verschattung des Fensters nachzuweisen. Folglich fällt der
Heizwärmebedarf unter Berücksichtigung der solaren Wärmegewinne nach EN
ISO13790 höher aus, als er tatsächlich ist.

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                     13/23
Abbildung 5: Verschattungsanteile an einem Fenster (2,20 m x 2,25 m) Südostfassade
(Seitenblende)

Während die Betrachtung nach EN ISO13790 eine Verschattung von 38 %
ausweist, ist bei stündlicher Ermittlung das Jahresmittel nur bei 7 %. Für die
massgebliche Heizperiode sind dies sogar nur 3 % im Mittel. Auch im Monat Juni
wird bei der stündlichen Berücksichtigung des Sonnenverlaufs mit 16 % eine
deutlich tiefere Reduktion der solaren Wärmegewinne als das Jahresmittel mit
38 % nach EN ISO13790 bestimmt.

Am Beispiel der Südostfassade wird aufgezeigt, wie hoch die solaren Wärme-
gewinne mit den effektiven Verschattungsfaktoren und nach EN ISO13790 sind.
Die Transmissionswärmeverluste der Fenster bleiben in beiden Fällen gleich
gross, da diese Verluste unabhängig von der Ausrichtung der Sonneneinstrahlung
sind.

Abbildung 6: Solarer Wärmegewinn nach effektiven Verschattungsfaktoren und nach
EN ISO13790 (Südostfassade)

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                    14/23
Werden die Verschattungsfaktoren nach EN ISO13790 ermittelt, ergeben sich
tiefere solare Wärmegewinne als nach den effektiven Verschattungsfaktoren. Am
grössten ist der Unterschied während der Heizperiode im Monat März und April,
hier beträgt die Differenz 0,5 MJ/m2a.
Nach EN ISO13790 heben sich in diesem Beispiel die Gewinne (18 MJ/m2a) und
Verluste (16 MJ/m2a) für die Südostfassade nahezu auf, mit den effektiven
Verschattungsfaktoren ergeben sich mehr Gewinne als Verluste. Auf das ganze
Gebäude bezogen sinkt der Heizwärmebedarf unter Berücksichtigung der
effektiven Verschattung von 188 MJ/m2a auf 182 MJ/m2a, wie die folgenden
beiden Abbildungen zeigen.

Abbildung 7: Heizwärmebedarf mit solaren Wärmegewinnen nach EN ISO13790 (EFH)

Abbildung 8: Heizwärmebedarf mit solaren Wärmegewinnen nach effektiver
Verschattung (EFH)

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                15/23
Der Vergleich der beiden oberen Abbildungen zeigt, dass die solaren Wärme-
gewinne bei der effektiven Betrachtung höher ausfallen, wodurch der Aus-
nutzungsgrad auch steigt. Eine Abweichung des Heizwärmebedarfs auf Grund der
Ermittlung der solaren Wärmegewinne nach EN ISO13790 und den effektiven
solaren Wärmegewinnen ist somit nachgewiesen. Jedoch beträgt die Reduktion
des Heizwärmebedarfs bei diesem Beispielgebäude nur 6 MJ/m2a, was 3 %
entspricht. Wird die Betrachtung auf das Beispielgebäude MFH ausgeweitet, ergibt
sich eine Reduktion von 10 % (- 11 MJ/m2), für das Verwaltungsgebäude von 0 %
aus. Dies liegt darin begründet, dass die Fensterflächen des Verwaltungs-
gebäudes durch keine Überhänge oder Seitenblenden verschattet wird.

4.4.
Überprüfung des Aussenluftvolumenstroms
Wie sich die Lüftungswärmeverluste berechnen, wurde im Kapitel 3.4 beschrieben.
Im Folgenden soll ermittelt werden, wie hoch der Lüftungsvolumenstrom für eine
3,5-Zimmerwohnung mit 85 m2 Grundfläche des Beispielobjekts MFH ist. Davon
ausgehend soll abgeleitet werden, wie lange eine Lüftungsöffnung offen stehen
muss, um den hygienischen Luftwechsel für diese 3,5-Zimmerwohnung zu
gewährleisten.
Ermittlung des Lüftungsvolumenstroms:

V/AE = 0,7 m3/(hm2) ergibt für AE = 85 m2 einen Lüftungsvolumenstrom von
V = 0,7 m3/(hm2) ∗ 85 m2 = 59,5 m3/h

Im nächsten Schritt soll aufgezeigt werden, wie gross ein Fenster sein muss, um
einen Volumenstrom von 59,5 m3/h zu erhalten. Für die Berechnung wird von
einem Schiebeelement (entspricht einem Öffnungswinkel von 180°) mit einer Höhe
von 2,20 m und einer Aussentemperatur von -10° C ausgegangen. Der Volumen-
strom wird auf Sekunden umgerechnet, woraus sich ein Lüftungsvolumenstrom
von V’E = 0,0164 m3/s ergibt. Eine etwaige Infiltration auf Grund der Undichtigkeit
der Gebäudehülle wird ausser Acht gelassen.
Die Gleichung wird nach der Breite der Öffnung aufgelöst:

0,0164 m3/s = 0,6 ∗ 2,2 m ∗ X ∗ 1/3 √ (9,81 m/s2 ∗ 2,2 m (293 K – 263 K) / 263 K)
 X = 0,024 m

Das heisst, für einen hygienischen Lüftungsvolumenstrom müsste ein 2,20 m
hohes Fenster den ganzen Tag 2,4 cm offen stehen.
Umgerechnet auf ein Zeitintervall von 15 min müsste bei einer Aussentemperatur
von -10° C das Schiebeelement 2,30 m weit geöffnet werden, um den not-
wendigen Luftaustausch zu erhalten.
Da der Lüftungsvolumenstrom von der Aussentemperatur abhängig ist, wird für die
zuvor beschriebene Wohnung die notwendige Lüftungsdauer in Abhängigkeit der
Aussentemperaturen ermittelt. Die Raumlufttemperatur beträgt 20° C ent-
sprechend der Nutzungskategorie gemäss Norm SIA 380/1.

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                    16/23
Abbildung 9: Lüftungsdauer in Abhängigkeit der Aussentemperatur für eine
Öffnungsfläche von 2,20 m x 2,30 m (Öffnungswinkel 180°)

Die Abbildung 9 zeigt, dass mit steigender Aussentemperatur bei gleich
bleibendem Lüftungsvolumenstrom die Lüftungsdauer zunimmt. So ist die 3,5-
Zimmerwohnung bei einer Aussentemperatur von -15° C nur 14 min, bei 15° C
aber fast 40 min lang zu lüften. Dies beruht auf der Tatsache, dass der Luftaus-
tausch durch die Dichtedifferenz der Luft, die auf Grund der unterschiedlichen
Temperaturen entsteht, zwischen innen und aussen bestimmt wird. Deshalb ist die
notwendige Lüftungsdauer bei tiefen Aussentemperaturen am geringsten.

Für die Berechnung der Lüftungsverluste nach Norm SIA 380/1 wird davon aus-
gegangen, dass die Räume kontinuierlich am Tag und in der Nacht gelüftet
werden. Der Aussenluftvolumenstrom über 24 Stunden betrachtet ist somit immer
gleich (0,7 m3/hm2). Dies gilt für alle drei Fallbeispiele und ist unabhängig von der
Gebäudekubatur, da bei den drei Nutzungen EFH, MFH und Verwaltung der
Aussenluftvolumenstrom gleich ist. Für den Monat April ergibt sich demgemäss ein
Lüftungswärmeverlust von 6,7 MJ/m2.

Abbildung 10: Lüftungswärmeverlust im Stundenschritt für Monat April (EFH) (blau =
Lüftungsverlust, rot = Aussentemperatur)

Eine Unterscheidung zwischen Tag- und Nachtbetrieb findet nicht statt.
Insbesondere im Wohnungsbau zeigt es sich, dass die Bewohner sich in zwei
Nutzerkategorien einteilen lassen. Dies ist zum einen die Gruppe, die nachts die
Fenster geschlossen hält und jene, die nachts die Fenster gekippt lässt. Beide
Fälle werden in der Norm SIA 380/1 nicht korrekt berücksichtigt. So wird auch bei
einem Verwaltungsgebäude der Lüftungswärmeverlust über 24 Stunden am Tag
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berechnet, obwohl mitunter eine Lüftungsanlage nur tagsüber betrieben werden
soll. Diese zuvor beschriebene Fallunterscheidung wird für den Monat April
durchgeführt, da insbesondere in diesem Monat Tage mit einer Aussentemperatur
von mehr als 20° C einfliessen. Nachts sind die Temperaturen aber deutlich tiefer
als die Tageswerte. Die beiden Fälle werden anhand des Fallbeispiels EFH
untersucht. Wie sich die Lüftungsverluste bei Tag- und Nachtbetrieb verändern,
zeigen die beiden folgenden Abbildungen.

Abbildung 11: Lüftungswärmeverluste im Monat April bei Lüftungstätigkeit nur
zwischen 8h und 20h (Taglüftung) (blau = Lüftungsverlust, rot = Aussentemperatur)

Bei einer Lüftungstätigkeit am Tag ergibt sich eine höhere Tagesmitteltemperatur
(ohne Nachtstunden) von 10,45° C statt 8,4° C und damit verbunden ein kleinerer
Lüftungswärmeverlust von 5,57 MJ/m2 statt 6,70 MJ/m2. Bei einer Zunahme der
Aussentemperatur von 2 K senkt sich der Lüftungsverlust um 17 %.

Abbildung 12: Lüftungswärmeverluste im Monat April bei Lüftungstätigkeit nur
zwischen 20h und 8h (Nachtlüftung) (blau = Lüftungsverlust, rot = Aussentemperatur)

Wird das Gebäude nur nachts gelüftet, ergeben sich eine Aussenmitteltemperatur
von 6,5° C und ein Lüftungswärmeverlust von 7,87 MJ/m2 statt 6,70 MJ/m2.
Vergleicht man dieses Ergebnis mit den Lüftungswärmeverlusten am Tag, zeigt
sich, dass die Lüftungswärmeverluste nachts von der monatlichen Betrachtungs-
weise geringfügig stärker abweichen als die Lüftungswärmeverluste aus-
schliesslich am Tag.
Die Differenz des Lüftungswärmeverlusts zwischen Tag- und Nachtbetrieb liegt
darin begründet, dass am Tag Stunden mit einer Aussentemperatur von mehr als
20° C vorhanden sind. Somit ergeben sich für diese Stunden negative Lüftungs-
wärmeverluste (=Lüftungswärmegewinn).

CAS Bauphysik 2011, Institut Energie am Bau                                         18/23
4.5.
Überprüfung der Raumlufttemperatur
Wie die Erfahrung zeigt, werden die heutigen Gebäude auf deutlich höheren
Raumlufttemperaturen geheizt, als es gemäss den Standardnutzungen in der
Norm SIA 380/1 vorgesehen ist. Die heutigen Nutzungsbedingungen und
insbesondere die Anforderungen an den Komfort haben bislang keine Berück-
sichtigung in der Norm SIA 380/1 gefunden. Im Volksmund wird davon
ausgegangen, dass ein Grad höhere Raumlufttemperatur ungefähr 6 % mehr
Heizwärmebedarf entspricht. Dies beruht auf dem Zusammenhang zwischen den
früher benutzten Heizgradtagen und den Heiztagen. Um wie viel höher der Heiz-
wärmebedarf tatsächlich ist, wird anhand der Anpassung der Raumlufttemperatur
für die drei Fallbeispiele ermittelt.

Fallbeispiel 1: EFH

Raumlufttemperatur ohne                       Heizwärmebedarf (in MJ/m2)   Anteil (in %)
Regelungszuschlag (in °C)
                   20                                    188                   100
                   21                                    208                   111
                   22                                    230                   122
                   23                                    252                   134
                   24                                    276                   147
                   25                                    301                   160

Fallbeispiel 2: MFH

Raumlufttemperatur ohne                       Heizwärmebedarf (in MJ/m2)   Anteil (in %)
Regelungszuschlag (in °C)
                   20                                    118                   100
                   21                                    132                   112
                   22                                    146                   124
                   23                                    162                   137
                   24                                    178                   151
                   25                                    195                   165

Fallbeispiel 3: Verwaltung

Raumlufttemperatur mit                        Heizwärmebedarf (in MJ/m2)   Anteil (in %)
Regelungszuschlag (in °C)
                   20                                    144                   100
                   21                                    160                   111
                   22                                    177                   123
                   23                                    195                   135
                   24                                    214                   149
                   25                                    233                   162

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Abbildung 13: Veränderung des Heizwärmebedarfs in Abhängigkeit der
Raumlufttemperatur

Wie die Abbildung 13 zeigt, vergrössert sich der Heizwärmebedarf bei einer
Erhöhung der Raumlufttemperatur um 2 K bei den drei Fallbeispielen um 22 –
25 %. Diese Zunahme des Heizwärmebedarfs ist nur wenig von der Nutzungs-
kategorie abhängig, bei allen drei Beispielen liegt sie in einem ähnlichen Bereich.
Da die Kurven nahezu linear wirken, wird anhand des Beispiels MFH der Anteil
des Heizwärmebedarfs bis zu einer Raumlufttemperatur bis 0° C untersucht.

Abbildung 14: Veränderung des Heizwärmebedarfs in Abhängigkeit der
Raumlufttemperatur zwischen 0° und 25° C (MFH)

Wie man der Kurve entnehmen kann, besteht keine lineare Abhängigkeit zwischen
Heizwärmebedarf und Raumlufttemperatur. Wird die Raumlufttemperatur aus-
gehend von 20° C um 4° C erhöht, steigt der Heizwärmebedarf um 50 %. Soll der
Heizwärmebedarf jedoch um 50 % gesenkt werden, ist die Raumlufttemperatur um
5° C zu reduzieren. Für eine heute übliche Raumlufttemperatur von 22° C ist ein
Mehraufwand an Energie in Höhe 25 % in Kauf zu nehmen.
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5.
Ergebnisse

Ausnutzungsgrad / Solare Wärmegewinne / Verschattungsfaktoren:
Die Ermittlung der Verschattungsfaktoren nach EN ISO13790, wie sie in der Norm
SIA 380/1 zu berücksichtigen sind, sind im Vergleich zur Verschattung auf
Stundenbasis zu streng. D.h. die solaren Wärmeeinträge sind tatsächlich höher als
sie nach der Norm SIA 380/1 Einfluss in die Berechnung des Heizwärmebedarfs
finden. Bei dieser Feststellung ist es untergeordnet, um welche Fassaden-
orientierung oder um welchen Glasanteil es sich handelt. Die Differenzen zeigen
sich bei allen Fassaden. Jedoch haben die Verschattungsfaktoren im
Stundenschritt nur einen geringfügigen Einfluss auf den Heizwärmebedarf. Dies
beruht auf der Tatsache, dass der Ausnutzungsgrad innerhalb der Heizperiode
zumindest bei den betrachteten Fallbeispielen fast schon bei 100 % liegt.

Aussenluftvolumenstrom:
Wie sich in Kapitel 4.4 gezeigt hat, hängt die Lüftungsdauer für einen konstanten
Aussenluftvolumenstrom von der Aussentemperatur ab. Je kälter es aussen ist,
umso kürzer fällt die erforderliche Dauer für den notwendigen Luftwechsel aus.
Ausgehend von den Betrachtungen der Lüftungswärmeverluste spielt es eine
markante Rolle, ob nachts oder tagsüber gelüftet wird. Je nach Nutzerverhalten
wird somit der Heizwärmebedarf nach der heute gültigen Version der Norm SIA
380/1 zu tief oder zu hoch ermittelt.

Raumlufttemperatur:
Wie die Abbildung 13 und Abbildung 14 zeigen, hat die Raumlufttemperatur einen
markanten Einfluss auf den Heizwärmebedarf eines Gebäudes. Die Erhöhung der
Raumlufttemperatur ergibt einen deutlich höheren Heizwärmebedarf als die
allgemein erwarteten 6 % pro Grad. Insbesondere in Hinblick auf die Forderung
der EnDK nach nearly-zero-energy-buildings (NZEB) ist zu überlegen, ob nicht die
tatsächliche, benutzerspezifische Raumlufttemperatur in der Berechnung des
Heizwärmebedarfs zu berücksichtigen ist oder Massnahmen ergriffen werden
müssen, die der Berechnung zu Grunde gelegte Raumlufttemperatur limitiert.

6.
Anregungen für weiterführende Diskussionen

Die Überprüfung der so genannten konstanten Eingabewerte hat einige
Ergebnisse ergeben, die in der anstehenden Revision der Norm SIA 380/1
Eingang finden sollten.

Ausnutzungsgrad / solare Wärmegewinne / Verschattungsfaktoren:
Die solaren Wärmegewinne, wie sie gemäss der Norm SIA 380/1 Eingang in die
Berechnungen finden, haben sich in ihrer Richtigkeit bestätigt. Eine Abweichung
von 3 % des Heizwärmebedarfs bei Berücksichtigung der effektiven Verschattung
ist eine zu vernachlässigbare Grösse. Somit ist ein Einbezug der Fensterleibung,
wie sie im Merkblatt Fenster der EnFK vorgeschlagen wird, ausreichend.
Jedoch sei darauf hingewiesen, dass insbesondere bei z.B. Verwaltungsbauten
die solaren Wärmegewinne auf Grund von betätigten Blendschutzeinrichtungen
deutlich reduziert werden können. Dies gilt analog für bewegliche Sonnenschutz-
einrichtungen z.B. an Wohnbauten, die unabhängig von den äusseren
Bedingungen wie z.B. Aussentemperatur oder Tageszeit benutzt werden. Wie die
Untersuchungen gezeigt haben, ist eine Benutzung eines Sonnenschutzes für die
Klimastation Zürich MeteoSchweiz während der Heizperiode aus energetischer

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Sicht unsinnig. Für jede Stunde, in der ein Sonnen- oder Blendschutz betätigt wird,
erhöht sich der Heizwärmebedarf unmittelbar. Dies zeigte auch die Studie
„Blendschutz SIA 380/1, Berechnung monatlicher Solargewinne“. Auf der anderen
Seite wird aber auch deutlich, dass bei der Erhöhung der Raumlufttemperatur bei
gleichzeitig hohem Glasanteil sich ein ganzjähriger Heizwärmebedarf ergibt
(Beispiel Verwaltung). Fraglich ist, ob nicht der Glasanteil für Bauten auf einen
bestimmten Anteil zu beschränken ist.

Aussenluftvolumenstrom:
Die Lüftungswärmeverluste zeigen auch vernünftige Grössen auf. Dass eine 3,5-
Zimmerwohnung an einem kalten Wintertag 15 min gelüftet werden muss, ist
sicher eine Annahme, die in der Realität auch Berücksichtigung findet. Bleibt
weiterhin das Problem der dauergekippten Fenster, die einen deutlich höheren
Lüftungswärmeverlust verursachen. Abhilfe könnte zum Beispiel mit einem Verbot
von Kippflügelfenster geschaffen werden.
In den Betrachtungen wurde von einem Aussenluftvolumenstrom gemäss Norm
SIA 380/1 ausgegangen. Die Auswirkungen einer kontrollierten Lüftungsanlage mit
Wärmerückgewinnung wurden ausser Acht gelassen. Mit einer kontrollierten
Komfortlüftungsanlagen liessen sich die Lüftungswärmeverluste spürbar
reduzieren, wie die Erfahrung aus den MINERGIE-Bauten zeigt. Dies wäre ein
weiterer Schritt in Richtung NZEB.

Raumlufttemperatur:
Die tatsächliche Raumlufttemperatur eines beheizten Gebäudes ist mit Sicherheit
eine der wesentlichen Eingabegrössen, die bei der Ermittlung des Heizwärme-
bedarfs berücksichtigt werden muss. Bereits geringfügige Abweichungen wirken
sich markant auf den tatsächlichen Heizwärmebedarf aus. Des Weiteren gilt es zu
beachten, dass insbesondere Wärmepumpen auf eine Normheiztemperatur
gemäss Norm SIA 380/1 ausgelegt werden. Eine höhere Raumlufttemperatur
verschlechtert den Wirkungsgrad der Wärmepumpe, so dass der Stromanteil zum
Beheizen des Gebäudes grösser wird. Fraglich ist, ob die Raumlufttemperaturen
für die einzelnen Nutzungskategorien, wie sie in der Norm SIA 380/1 verwendet
werden, nicht anzuheben sind.

Zürich, den 11. Januar 2012

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7.
Quellenverzeichnis

Energiepolitik der EnDK Eckwerte und Aktionsplan, Generalversammlung der
EnDK, 02.09.2011, Zürich
Norm SIA 380/1 „Thermische Energie im Hochbau“, Ausgabe 2009
Norm SIA 180 „Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau“, Ausgabe 1999
Norm SIA 382/1 „Lüftungs- und Klimaanlagen – Allgemeine Grundlagen und
Anforderungen“, Ausgabe 2007
Merkblatt SIA 2023 „Lüftung in Wohnbauten“, Ausgabe 2004
Norm SN EN ISO 13790:2008 „Energieeffizienz von Gebäuden – Berechnung des
Energiebedarfs für Heizung und Kühlung“, 2008
Studie „Blendschutz SIA 380/1, Berechnung monatlicher Solargewinne“. Amstein
& Walthert, 18.11.2004, Zürich

Verwendete Software:
SIA 380/1-Programm „Entech“, Huber Energietechnik AG, Jupiterstrasse 26, 8032
Zürich
Merkblatt SIA 2028 „ Klimadaten für Bauphysik, Energie- und Gebäudetechnik“,
Ausgabe 2008, Klimastation Zürich MeteoSchweiz, elektronische Daten
„Überhänge, Markisen & Mauervorsprünge“, Universität Siegen, Fachgebiet
Bauphysik & Solarenergie
„Berechnung der Verschattungsfaktoren“, Maurer Ingenieurbüro GmbH,
Brühlstrasse 103, 9320 Arbon

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