Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle

 
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Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
HESSEN                                                                                                              AKTUELLES    [ DAB REGIONAL ]

Die AKH hat den Berufsnachwuchs im Blick

Starke Netzwerke – ein Gewinn für alle
Liebe Kolleginnen und Kollegen,                    Während der Berufspraxiszeit besteht seit ei-
                                                   nigen Jahren die Möglichkeit einer freiwilligen
lebenslanges Lernen war von je her Voraus-         Mitgliedschaft zur Erlangung der Eintra-
setzung für Erfolg in unserem Beruf. Rapide        gungsfähigkeit in der AKH, verbunden mit
zugenommen hat aber die Geschwindigkeit,           der Mitgliedschaft im Versorgungswerk. Frei-
mit der neue und große Herausforderungen           willige Mitglieder können sich im Rahmen der
gleichzeitig an uns herangetragen werden –         monatlichen digitalen Eintragungssprech-
Digitalisierung, Energiewende, Ressourcen-         stunde der AKH zu allen Fragen rund um die
schonung, Klimaanpassung und -schutz. All          Eintragung in ein Berufsverzeichnis informie-
dies sind Themen, mit denen wir uns täglich        ren und beraten lassen und sind berechtigt,
auseinandersetzen und zu denen wir schnell         den Titel „cand. AKH“ zu führen. Mit Leben
qualifizierte Antworten entwickeln müssen.          gefüllt wird die freiwillige Mitgliedschaft zu-

                                                                                                                                                       Foto: Jason Sellers, Wiesbaden
Dies kann der oder die Einzelne angesichts         dem durch Veranstaltungen wie das Netz-
der Fülle der Herausforderungen immer we-          werktreffen im Deutschen Architekturmu-
niger leisten. Daher sind Veranstaltungen wie      seum im März dieses Jahres oder den Nach-
der diesjährige Hessische Architektentag           wuchsabend am 31. August im Haus der
unter dem Motto „Smart Green“ am 18. Okto-         Architekten. Diese Veranstaltungen sind fach-
ber so wichtig. Dem Berufsstand bietet die         lich geprägt, dienen darüber hinaus der Ver-
Kammer damit über alle Fachrichtungen hin-         netzung der freiwilligen Mitglieder unterein-      deren Bewältigung sie hervorragend ausge-
weg eine Plattform zum Austausch über ak-          ander und der Bindung an die Kammer. Die           bildet und gut vernetzt sein müssen. Gut ver-
tuelle und oft drängende Fragen der Berufs-        freiwilligen Mitglieder bringen sich auch in die   netzt, da Einzelkämpfer die vielfältigen Her-
ausübung – konkret geht es dieses Mal um Di-       Kammerarbeit ein: Der gewählte Sprecher der        ausforderungen – siehe oben – nicht allein be-
gitalisierung als Schlüssel für nachhaltiges und   Vertretung der freiwilligen Mitglieder nimmt       wältigen können und die Notwendigkeit inter-
zirkuläres Planen und Bauen.                       mit Rederecht an den Vorstandssitzungen            disziplinären Arbeitens stetig zunimmt. Dies
                                                   und Vertreterversammlungen teil und macht          zu ermöglichen, ist mir ein wichtiges Anlie-
Die Kammer hat aber nicht nur ihre Mitglieder      sich – wie jüngst bei der Vertreterversamm-        gen. Und auch Sie als die Berufspraxis anlei-
im Blick, sondern unterstützt den Berufsnach-      lung am 21. Juni, als es um einen Antrag zur       tende Architekt*innen, Innenarchitekt*innen,
wuchs bereits vor der Eintragung in das Be-        Berufspraxis ging – für die Sichtweise des Be-     Landschaftsarchitekt*innen oder Stadtpla-
rufsverzeichnis: Während des Studiums zum          rufsnachwuchses stark.                             ner*innen können dazu beitragen, indem Sie
Beispiel mit Vorträgen zur Kammer und zur                                                             Ihre gesammelten Erfahrungen und Ihr Wis-
Eintragung in ein Berufsverzeichnis an ver-        Es ist beileibe nicht so, dass die eingangs ge-    sen dem Berufsnachwuchs zugänglich ma-
schiedenen hessischen Architekturschulen.          nannten Herausforderungen den Berufsnach-          chen und ihm Ihre Netzwerke öffnen.
Absolvent*innen profitieren von vergünstigten       wuchs kalt lassen oder gar nicht betreffen. Im
Preisen sowie speziell auf ihre Bedürfnisse zu-    Gegenteil! Die zukünftigen jungen Kolleginnen      Ihr
geschnittenen Fortbildungsveranstaltungen          und Kollegen werden mit weiteren oft krisen-       Holger Zimmer
der Akademie der AKH.                              haften Entwicklungen konfrontiert werden, zu       Vizepräsident

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Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
[ DAB REGIONAL ]     AKtuEllES                                                                                                                   HESSEN

Interview zum Hessischen Architektentag 2022

Smart Green –
Nachhaltigkeit digital gestalten

D
            er Hessische Architektentag am          M. Harting: Frau Holz, Frau Göring, der Hes-             Zum Thema „Smart Green“ lautet die Kurz-
            18. Oktober 2022 ist eine der           sische Architektentag 2022 wird wieder in            fassung einer Antwort, dass die erforderlichen
            wichtigsten Veranstaltungen im          Präsenz stattfinden, nach zwei Jahren leben           Transformationen im Umgang mit Klima, Bauen,
            Kalender der Architekten- und           in der digitalen Welt. Freuen Sie sich auf die       Ressourcen alle das Thema Nachhaltigkeit be-
Stadtplanerkammer Hessen. Nachdem die               Rückkehr zur alten Normalität? Sie haben             rühren, die erfolgversprechend nur mit Digitali-
Tagung in den beiden letzten Jahren corona-         sich für das Thema „Smart Green – Nachhal-           sierung im Planen und Bauen zu erreichen ist.
bedingt per Livestream stattfand, ist unser         tigkeit digital gestalten“ entschieden. Warum        I. Göring: Die Hessischen Architektentage in
Veranstaltungsort in diesem Jahr wie in vie-        haben Sie ausgerechnet dieses Thema ge-              den Jahren 2021 und 2020 haben wir erstmals
len Jahren zuvor die Hugenottenhalle in Neu-        wählt?                                               als Livestreams veranstaltet. Ich freue mich
Isenburg.                                           B. Holz: Obwohl wir uns alle in Videokonfe-          sagen zu können, dass wir die coronabeding-
   Zum traditionellen Vorgespräch trafen sich       renzen so versiert austauschen als hätten wir        ten Herausforderungen als Chance begriffen
AKH-Präsidentin Brigitte Holz, die Geschäfts-       nie etwas anderes getan, können digitale For-        haben, neue Formate zu testen. Beide Veran-
führerin der Akademie, Isabella Göring, und         mate den persönlichen Austausch einfach              staltungen waren sehr erfolgreich. Aber ich
FAZ-Redakteurin Mechthild Harting in der Ge-        nicht ersetzen. Ich freue mich daher sehr, in        sehe es wie Frau Holz: Der Hessische Archi-
schäftsstelle der Kammer. Frau Harting wird         Neu-Isenburg die Gelegenheit zum persönli-           tektentag lebt nicht nur von spannenden Vor-
den Hessischen Architektentag wie in den            chen Austausch mit vielen AKH-Mitgliedern            trägen, sondern auch vom kollegialen Aus-
Vorjahren moderieren.                               zu haben.                                            tausch der Anwesenden.

                                                                                                                                                            Foto: Adrià Goula Photo

Im Naturpark Collserola am Stadtrand von Barcelona entstand im Rahmen einer Forschungsarbeit von Studierenden des Masterstudiengangs Advanced
Ecological Buildings and BiociEes (MAEBB) des Institute for Advanced Architecture of Catalonia (IAAC) mit Fachleuten und Experten das Gewächshaus Solar
Greenhouse. Im Mittelpunkt standen autarke lebensräume sowie nachhaltige Konzepte und Bauweisen. Die Forschungsgruppe beschäftigte sich bei dem
Projekt mit autarker Energieerzeugung vor allem mit Blick auf Anbautechnologien für die Selbstversorgung. Damit sollte ein Schritt in Richtung Bekämpfung
von Nahrungsmittelknappheit und Energiearmut gemacht werden.

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Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
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    Bei den Themen des Hessischen Architek-
tentags versuchen wir, den inhaltlichen roten
Faden von Jahr zu Jahr weiter zu spinnen. Die
Erkenntnisse des jeweiligen Architektentags
werden analysiert und in der Folgeveranstal-
tung berücksichtigt. Nach den inhaltlichen
Schwerpunkten Urban Mining (2020) und
Green Deal (2021) ist Smart Green – Nachhal-
tigkeit digital gestalten ein logischer Themen-
schwerpunkt.
B. Holz: Wir sind heute in einer besonderen
Situation: Die Corona-Pandemie ist noch nicht
vorbei, auch wenn es dem ein oder anderen
in den Sommermonaten so vorgekommen
sein mag. Die Folgen des Klimawandels sind
in diesem sehr heißen und trockenen Sommer
                                                  Foto: Christoph Rau

überdeutlich geworden. Dass hessische Kom-
munen den Wassernotstand ausrufen, kann-
ten wir bislang noch nicht.
    Gleichzeitig erleben wir zum ersten Mal                             Die Vorfreude auf den Hessischen Architektentag ist allen Beteiligten anzusehen (v.l.n.r.: Mechthild
hautnah, dass Rohstoffe und Ressourcen, aber                            Harting, Brigitte Holz, Isabella Göring).
auch Energie nicht mehr unbegrenzt vorhan-
den sind. Dies hat nicht nur mit den Lieferket-                         planen, bauen und umbauen als bislang.                 B. Holz: Aus meiner Sicht ist es mehr ein Re-
tenunterbrechungen aufgrund der Pandemie                                Gleichzeitig haben wir eine Situation der ab-          agieren auf sich ständig verändernde Rah-
und des Kriegs in der Ukraine zu tun. Die Kri-                          soluten Unsicherheit und des Abwartens. Hin-           menbedingungen als vorausschauendes Agie-
sen sind multipler Natur. Dies sehen mittler-                           zukommt die Anforderung und Notwendig-                 ren. Das beste Beispiel hierfür ist die Energie-
weile sehr viele Menschen so. Es ist das große                          keit, den Ressourcenverbrauch zu reduzieren            krise, aber auch die Demografie.
Plus dieser Krisen, dass bei jedem Einzelnen                            und vorhandene Ressourcen zu schonen.                      Wie lange reden wir schon über die demo-
ankommt, dass man sein Verhalten ändern                                                                                        grafische Situation in Deutschland, seit Jahr-
und seinen Teil zur Lösung der akuten Pro-                              M. Harting: Wir reden seit Jahren darüber,             zehnten. Und jetzt wundern sich alle, dass die
bleme beitragen muss. Wenn wir ehrlich                                  dass sich etwas tun muss, dass der Wandel              Babyboomer in Rente gehen, dass sie aus
sind, wissen wir alle seit langem, dass wir zu                          kommt. Und vielleicht ist jetzt durch diese            dem Berufsleben ausscheiden, dass wir keine
verschwenderisch mit dem umgehen, was wir                               ganzen Krisen, in denen wir gerade stecken             Fachkräfte mehr haben und dass es jede Bran-
haben.                                                                  und die jeder wahrnimmt, der Moment ge-                che trifft.
    Wir müssen anders denken, anders planen,                            kommen, in dem man innehält und sich fragt
anders bauen und dabei ganz viele Menschen                              „Wie machen wir es denn jetzt wirklich?“               M. Harting: Das ist das Überraschende: Viele
mitnehmen. Neben einer Bau- und Energie-                                I. Göring: Für das „Umparken im Kopf“ ist die          haben gedacht, dass wir nur gewisse Berufe
wende stehen auch die Mobilitäts-, Finanz-                              aktuelle Situation ein richtiger Treiber. Klar ist,    nicht besetzen können, aber dass es alle Be-
markt-, Klima-, Agrar- und Bodenwende auf                               dass wir kein Erkenntnisdefizit haben, sondern          reiche trifft, das haben sie nicht geglaubt.
der Agenda. Auch die damit verbundenen                                  ein Handlungsdefizit.                                   B. Holz: Bemerkenswert ist allerdings, dass
Veränderungen betreffen uns vehement.                                   B. Holz: Bereits vor 50 Jahren veröffentlichte         wir heute einen ganz anderen gesetzlichen
    Was sich auf den Finanzmärkten tut, be-                             der Club of Rome den Bericht „Die Grenzen              Rahmen haben oder haben werden, wenn
trifft das Bauen originär. Ich war Anfang Juli                          des Wachstums". Es war damals der erste                man Richtung EU schaut. Stichworte Green
auf einer Immobilientagung in Frankfurt zu                              umfassende, wissenschaftlich fundierte Re-             Deal, Fit-for-55 etc. Im Mittelpunkt der Akti-
Gast. Man wird sehr nachdenklich, wenn man                              port zur Zukunft der Erde, der vor einer nur           vitäten steht ein komplettes Umdenken im
hört, wie viele Vertreter*innen der Immobi-                             auf Wachstum ausgelegten Welt warnte. Und              Umgang mit Ressourcen. Mit denen, die wir
lienwirtschaft bei der Planung bereits umden-                           nun stellen wir fest, dass man eigentlich seit         schon verbaut haben – also Urban Mining,
ken oder zwecks Orientierung auf die Stopp-                             50 Jahren alles weiß, aber nicht gehandelt hat.        aber auch mit denen, und da gehören die
taste drücken.                                                          I. Göring: Ich erlebe die Lage zurzeit aller-          Energieressourcen dazu, die wir noch nicht
I. Göring: Das ist in der Tat paradox. Um die                           dings so, dass die Politik aufruft zum Handeln         angefasst haben. Dies steht, beschleunigt
durch Frau Holz skizzierten Herausforderun-                             jetzt. Diese Dynamik, mit der Politik aktuell          durch die Krisen, unübersehbar auf der Tages-
gen zu bewältigen, müssten wir deutlich mehr                            vorprescht, ist bemerkenswert.                         ordnung.

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Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
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M. Harting: Wenn wir die zwei großen The-         strumente, die wir haben, einsetzen. Dies be-      nur heben, wenn wir dann noch wissen, was
men Klimawandel und die notwendige Ener-          trifft auch digitale Instrumente, die in den       wir heute verbaut haben. Wir müssen heute
giewende betrachten, dann ist dies doch das       nächsten Jahren eine immer größere Rolle           dokumentieren – und zwar digital.
Feld, in dem Sie als Architekten und Stadtpla-    spielen werden, wie zum Beispiel Robotik und       B. Holz: Wir müssen allerdings auch mit der
ner ganz besonders gefordert sind. Im Grunde      künstliche Intelligenz (KI).                       Software-Industrie ins Gericht gehen. Es gibt
sind Sie in einer Schlüsselposition.              B. Holz: Ich möchte noch einen wichtigen As-       auch eine digitale Nachhaltigkeit und die ist
B. Holz: Ohne uns geht es sicherlich nicht. Das   pekt ergänzen: Es zeigt sich immer wieder,         erst zu entwickeln. Dabei müssen wir auch im
kann ich uneingeschränkt konstatieren.            beispielsweise im Gesundheitswesen, dass es        Interesse unserer Auftraggeber*innen die Trei-
                                                  keinen wegweisenden Umgang mit den Daten           ber sein. Eine Gefahr ist, dass wir heute Infor-
M. Harting: Jedenfalls nicht nachhaltig und       gibt, die wir haben. Daten sind nicht vernetzt,    mationen dokumentieren und digitalisieren,
zukunftsorientiert.                               sie werden nicht richtig ausgewertet, sie blei-    die wir vielleicht in zehn Jahren programmbe-
B. Holz: Wichtig ist, dass wir auch die stadt-    ben irgendwo liegen. Die Gesundheitsämter          dingt nicht mehr lesen können. Unabdingbar
planerische Ebene und nicht nur das solitäre      stehen angesichts der Pandemie immer noch          ist, dass Technologien fortgeschrieben werden,
Gebäude betrachten. Wir müssen aufhören,          vor großen Problemen. Deutschland ist infra-       dass es neue Speichermedien geben wird.
rein sektoral zu denken. Aus meiner Sicht fehlt   strukturell nicht gut genug auf die Digitalisie-       Grundsätzlich bin ich davon überzeugt,
das Bild der Regionen, das Bild der Städte,       rung vorbereitet.                                  dass gute digitale Instrumente uns Raum für
das Bild der Orte, an denen Gebäude entste-           KI und Robotik, das sind vermeintlich Spit-    Kreativität geben. Man muss daher Lust auf
hen. Letztendlich geht es um das Bild der         zenthemen der Forschenden. Die Digitalisie-        den Umgang mit digitalen Tools machen.
Transformation. Wir wissen, wir müssen fast       rung berührt viel zu wenig unser normales Le-      I. Göring: Gerade was die Digitalisierung an-
alles fast gleichzeitig verändern. Wie nehmen     ben in Deutschland, im Ausland ist man vie-        geht, nutzt der Berufsstand längst nicht alle
wir die politischen Entscheidungsträger dabei     lerorts bereits bedeutend besser aufgestellt.      Möglichkeiten. Idealerweise schaffen wir es,
mit, wie die Bürgerinnen und Bürger? Wie                                                             mit dem Hessischen Architektentag Vorbe-
nehmen wir uns selbst mit? Es ist eine gigan-     M. Harting: Die Digitalisierung hat auch vor       halte abzubauen und zu zeigen, welche
tische Herausforderung.                           dem Hintergrund, dass Tempo nötig ist, eine        Tools vielleicht für jeden Schreibtisch eine
                                                  große Bedeutung. Wir haben nicht die Zeit,         Hilfestellung sein können. Momentan müs-
M. Harting: Beim Thema des diesjährigen           100 Jahren am Umbau der Städte zu arbeiten,        sen wir hier noch sehr viel Überzeugungs-
Hessischen Architektentags übersetze ich die      in Ruhe zu planen und zu überlegen, wie man        arbeit leisten.
Begriffe smart mit digital und green mit nach-    die anstehenden Probleme löst. Wir brauchen            Es gibt hinsichtlich der Digitalisierung ver-
haltig. Passen diese Begriffe denn zusammen?      Geschwindigkeit.                                   schiedene Vorbehalte. Ähnlich wie damals bei
Befassen wir uns dabei nicht mit zwei Welten,     B. Holz: Ja, und Best-Practice-Beispiele!          der Umstellung auf CAD gibt es Bedenken,
die im Grunde nicht kompatibel sind?              I. Göring: Die Referierenden beim HAT sind         dass die Kreativität behindert wird. Viele be-
I. Göring: Nachhaltigkeit als große Herausfor-    sich in diesem Punkt einig. Alle sagen, im         fürchten, dass die Digitalisierung maßgeblich
derung, die es im Zuge des Klima- und Bau-        Grunde können wir die komplexen Herausfor-         dazu beiträgt, dass wir einfach nur multipli-
wandels umzusetzen gilt, kann nur mit Digi-       derungen nur mit Digitalisierung bewältigen.       zieren und uns damit nicht mehr dem Auftrag
talisierung gelingen. Es sind keine Themen,           Warum ist das so? Ein Beispiel: Wenn wir       widmen, für die jeweilige Aufgabe die beste
die sich konträr gegenüberstehen. Beide The-      zirkuläres Planen und Bauen und eine Kreis-        Lösung zu finden.
men sind von enormer gesellschaftlicher Be-       laufwirtschaft der Baustoffe wollen, müssen            Der nächste Vorbehalt betrifft Einsatz und
deutung. Die These, die wir im Rahmen des         wir diese jetzt dokumentieren und digitalisie-     Wirkung. Welche Investitionen sind erforder-
Hessischen Architektentags aufstellen ist, dass   ren. Sonst verpufft die Idee der Wiederver-        lich, wie viele Lizenzen kann sich das Büro
wir die Herausforderungen, die im Planen und      wertung. Die Effekte, die wir jetzt einplanen,     leisten, was kostet heute ein Mitarbeiter-
Bauen zu bewältigen sind, überhaupt nur           kommen erst in 30 oder sogar 50 Jahren zum         Arbeitsplatz, was die Schulung und wieviel
stemmen können, wenn wir die digitalen In-        Tragen. Wir können Baustoffe als Ressource         Wirkung ergibt sich daraus?
                                                                                                         Aber letztlich geht es auch um die Frage,
                                                                                                     wie zukunftsfähig ist mein Büro, wenn ich De-
                                                                                                     fizite in der Digitalisierung habe. Dann wird
    Hessischer Architektentag                                                                        auch die Nachfolge nicht gut zu besetzen
                                                                                                     sein. Die „Jungen“ möchten etwas haben, an
    Wann: Dienstag, 18. Oktober 2022, 13:30 bis 19:00 uhr
                                                                                                     das sie anknüpfen können.
    Wo: Hugenottenhalle, Neu-Isenburg                                                                B. Holz: Darüber hinaus gibt es noch die so-
    Weitere Informationen und Anmeldung:                                                             genannte „Überflüssigkeitsdiskussion“. Sie be-
    p https://www.akh.de/fortbildung/kongresse/hessischer-architektentag                             trifft die Sorge vieler Kolleg*innen, durch die
                                                                                                     Digitalisierung redundant zu werden und die

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Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
HESSEN                                                                                                               AKtuEllES     [ DAB REGIONAL ]

Arbeit zu verlieren. Die Komplexität der Auf-
gaben, die Architektinnen und Architekten be-
arbeiten, wird dabei jedoch völlig unter-
schätzt. Wir sagten es bereits, die Digitalisie-
rung bietet uns neue Werkzeuge, aber sie
wird uns nicht ersetzen.
    In der Debatte um KI spitzt sich dies rich-
tig zu. Was KI nicht kann – und ich bin über-
zeugt, dass KI dies auch nicht lernen wird – ist
das, was unsere Arbeit tagtäglich ausmacht.
Die sorgfältige Abwägung unterschiedlicher
Belange, die Beratung und die Kommunika-
tion mit den Beteiligten.

M. Harting: Wir müssen uns von dem Gedan-
ken verabschieden, dass die Digitalisierung In-
halte ersetzt. Sie ist ein Handwerkszeug –

                                                                                                                                                          Foto: Christoph Rau
nicht mehr, aber auch nicht weniger.
B. Holz: Wichtig ist an dieser Stelle festzuhal-
ten, dass wir nicht alleine bauen. Solange wir
nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen           Mechthild Harting wird den Hessischen Architektentag wieder moderieren.
haben, die auch den allerletzten Bauherrn
freundlich auffordern, nachhaltig zu bauen         tet. Kredite für nicht smarte, grüne Immobi-       M. Harting: Sicherlich sind auch Veränderun-
und zu handeln, werden wir die Klimawende          lien werden teurer werden. Handelt es sich um      gen von Routinen ein großer Hemmschuh.
nicht bewältigen. Auch wir Architekt*innen         ein smartes Projekt, erhält man einen günsti-      Routinen zu ändern ist schwierig.
müssen von etwas leben. Dies sage ich in al-       gen Kredit, ist das Projekt weniger smart,         I. Göring: Das ist auch einfach menschlich.
ler Deutlichkeit. Wir benötigen ordentliche,       stellt es für die Banken ein Risiko dar.           Wissenschaftler*innen sagen, um von einer
gleichzeitig einfache gesetzliche Rahmenbe-        I. Göring: Stichwort QNG-Siegel: Förderung         Veränderung zu sprechen, muss man 60-mal
dingungen auf der Ebene der EU, des Bundes,        wird es zukünftig nur mit einem Qualitätssie-      in Folge etwas anders gemacht haben. Erst
der Länder und Kommunen.                           gel für Nachhaltigkeit geben.                      dann ist die neue Routine verankert.
   Wir haben unseren Auftraggebern gegen-                                                             B. Holz: Man benötigt auch Routinen, ohne
über eine Beratungspflicht. Und wir müssen          M. Harting: Ich denke, wir müssen den Gedan-       Routinen würden wir wahnsinnig werden. Wie
sehr umfangreich beraten, was die Energie-         ken aufgeben, dass es eine Lösung für die zahl-    viele Dinge tun wir automatisch, ohne über-
wende, die Bauwende oder auch die EU-Ta-           reichen Herausforderungen gibt. Es wird ganz       legen zu müssen. Klar ist, wir benötigen neue
xonomie angeht. Wir müssen erklären kön-           viele Entwicklungen geben. Entscheidend ist,       Routinen. Bis sie selbstverständlich sind, ist es
nen, dass es auf Dauer keinen Sinn macht, ein      dass die Menschen sich darauf einstellen, dass     ist noch ein weiter Weg.
Haus zu haben, das man nicht mehr beheizen,        sie offener und flexibler sind. Wir müssen alle
vermieten oder verkaufen kann.                     aus unseren Komfortzonen kommen.                   M. Harting: Machen Sie sich persönlich Sor-
   Es wird zukünftig, da sind wir bei der Ta-      I. Göring: Die Frage ist, was hindert uns an       gen, ob wir als Gesellschaft mit diesen ganzen
xonomie, eine andere Form der Immobilien-          der Umsetzung?                                     Wenden umgehen können? Schaffen wir das?
bewertung geben. Es wird nicht mehr nur um         B. Holz: Der Komfort! So viele Menschen ste-       B. Holz: Wir schaffen das! Weil wir es schaf-
Verkehrswerte gehen etc. Es wird der indivi-       cken in ihrer Komfortzone fest. Wir brauchen       fen müssen.                                 p
duelle Wert jedes einzelnen Hauses betrach-        eine neue Bescheidenheit.

DAB 10·22                                                                                                                                            7
Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
[ DAB REGIONAL ]   AKtuEllES                                                                                                               HESSEN

Abschlussveranstaltung zum GFB-Sommer '22

Neue Chancen für Rüsselsheim
Text: Caroline Delbasteh

C
          hancen für neues Wohnen, Arbei-        für mehr Räume für Kreative sorgen soll.           Wohnformen, unverwechselbare Freiräume,
          ten, Gestalten – unter diesem          „Mehr als 80 Prozent der im letzten Jahr in        neue städtische Kontexte, die Nutzung grauer
          Motto stand die Veranstaltung der      Hessen geförderten Sozialwohnungen liegen          Energie, Multi-Use oder die Zulassung von Räu-
          Stadt Rüsselsheim am Main ge-          im Bereich des Großen Frankfurter Bogens,          men für Kreativität sind nur einige der Schritte
meinsam mit dem Forum Innenarchitektur           75 Prozent davon mit GFB-Förderung“, erläu-        auf dem Weg zu lebendigen, resilienten und
der AKH zum Abschluss des GFB-Sommers            terte der Minister weiter. Als Ziel gab er aus,    multifunktionalen Quartieren. „Stadtentwick-
'22. Knapp 80 Teilnehmerinnen und Teilneh-       trotz aller momentanen Herausforderungen           lung ist keine Mathematik. Es gibt viele Lösun-
mer erlebten am 2. September im Industrie-       der Baubranche auch zukünftig am Ende des          gen – manche sind besser, andere weniger gut.
denkmal Opel-Altwerk einen spannenden Im-        Jahres über mehr Sozialwohnungen zu verfü-         Die Herausforderung ist, die guten Lösungen zu
pulsvortrag, eine Podiumsdiskussion und die      gen als zu Jahresbeginn. Er schloss neue Bau-      identifizieren und konsequent zu verfolgen“, so
Ausstellungseröffnung „Blitzlichter Innen-       gebiete in der Peripherie nicht grundsätzlich      Eichberger, der zu einem durchdachten Trans-
räume“ des Forums. Der Veranstaltungsort         aus, machte aber eine hohe Lebensqualität          formationsmanagement riet.
steht exemplarisch für die Umnutzung von         und Bewohnerdichte zur Bedingung.
Konversionsflächen im Rhein-Main-Gebiet.                                                             Die Innenarchitektin Simone Bücksteeg vom
                                                 Quartiersentwicklung im innerstädtischen Um-       Vorstand der AKH moderierte die Veranstal-
Vor der Kulisse einiger in der weitläufigen       feld thematisierte Markus Eichberger, Leiter der   tung und auch die an den Impulsvortrag an-
Werkhalle D5 abgestellter Oldtimer begrüßte      ProjektStadt, Stadtentwicklungsmarke der           schließende Podiumsdiskussion, an der Dr.
der Rüsselsheimer Stadtrat Nils Kraft die        Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte          Axel Tausendpfund, Vorstand/Verbandsdirek-
Gäste, darunter den Hessischen Minister für      | Wohnstadt, in seinem Impulsvortrag. Er bezog     tor des Verbands der Südwestdeutschen
Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Ta-     sich ausdrücklich auf die Leitlinien der Neue      Wohnungswirtschaft e.V. (VdW), der Beauf-
rek Al-Wazir. Kraft wies darauf hin, dass Woh-   Leipzig Charta 2022, die integral anzuwenden       tragte für Räume für die Kultur- und Kreativ-
nen und Arbeiten nicht ohne Verkehrsplanung      seien. Nutzungsmischung, unterschiedliche          wirtschaft des Hessischen Wirtschaftsminis-
und Digitalisierung gedacht werden kann und
stellte den mit unserer heutigen Lebensweise
einhergehenden Ressourcenverbrauch in
Frage. Er unterstrich die gute Zusammen-
arbeit mit dem Land und hob hervor, in dieser
engen Abstimmung könne es unter Umstän-
den auch gelingen, die Entwicklung des Kon-
versionsgebiets maßgeblich zu prägen, ob-
wohl das Gelände von Stellantis an einen pri-
vaten Investor verkauft werden soll.

Staatsminister Tarek Al-Wazir betonte in sei-
nem Grußwort die Komplexität der kommunal-
politischen Aufgabe in Rüsselsheim, da das
Stellantis-Produktionsgelände in den nächsten
Jahren um 50 Prozent schrumpfen wird. Um
die Potenziale des Altwerks und des freiwer-
denden Geländes für Kreative zu heben, wurde
                                                                                                                                                       Foto: AKH

es im vergangenen Jahr in die vom Land ge-
förderte Raumberatung für Kreative, Kommu-
nen und Eigentümer*innen aufgenommen, die        Blitzlichter Innenräume

8                                                                                                                                        DAB 10·22
Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
HESSEN                                                                                                                    AKtuEllES      [ DAB REGIONAL ]

teriums Jakob Sturm, die Präsidentin des
Bund Deutscher Innenarchitekten (bdia) Pia
A. Döll und AH-Vizepräsidentin Annelie Bopp-
Simon teilnahmen.

Die Hürden für bezahlbares und innenstadt-
nahes Wohnen sind derzeit sehr hoch. Wie
Dr. Tausendpfund erläuterte, verschieben auf-
grund der aktuellen Situation rund 70 Prozent
aller Unternehmen ihre Neubau- oder Moder-
nisierungsprojekte oder stellen sie gleich
ganz ein. Baukostenanstieg, Zinsanstieg, Lie-

                                                                                                                                                                 Foto: Stadt Rüsselsheim am Main
fer- und Materialengpässe vereinen sich zu
einem „perfekten Sturm“. Der GFB kann
einen Teil der Mehrkosten abfedern, aber
nicht komplett ausgleichen. Daher regte Tau-
sendpfund weitere Fördermaßnahmen an für
andere Rüsselsheimer Baugebiete, die nicht
Teil des GFB sind.                                 Stadtentwicklung durch umnutzung von Konversionsflächen
                                                   V.l.n.r. Markus Eichberger (ProjektStadt), Pia A. Döll (bdia), Simone Bücksteeg (AKH), Staatsminister tarek
Gefragt nach der Rolle der Kreativwirtschaft       Al-Wazir (HMWEVW), Nils Kraft (Stadt Rüsselsheim am Main), Dr. Axel tausendpfund (VdW Südwest), Ja-
betonte Sturm die besondere Flexibilität und       kob Sturm (Kreative Räume), Monika Slomski (Forum Innenarchitektur), Annelie Bopp-Simon (AKH)
innovative Kraft der Kreativen im Umgang mit
Bestandsarchitektur. „Kreative sind keine Bitt-
steller, sie bieten Lösungen“ konstatierte der     Auch wenn sicherlich Modernisierungsbedarf              auch im Vorschlag für ein novelliertes Hessi-
Raumentwickler, der im Auftrag des Landes          etwa im Hinblick auf Brandschutz und Energie            sches Energiegesetz wieder, das alle Kommu-
günstige Möglichkeiten für kreatives Arbeiten      besteht, attestierte Döll dem Opel-Altwerk große        nen mit mehr als 20.000 Einwohner*innen ver-
sucht, denn „die Entwicklung der Kultur- und       Chancen. Die Präsidentin des bdia setzte sich ein       pflichtet, eine kommunale Wärmeentwick-
Kreativwirtschaft und der Quartiere konver-        für interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine           lungsplanung vorzulegen. Auch wenn
giert mittelfristig.“                              starke Nutzerpartizipation und verwies auf die          Schrumpfung zunächst defizitär wahrgenom-
                                                   besondere Kompetenz von Innenarchitekt*innen            men wird, erkannte Al-Wazir in den freiwer-
Kammervizepräsidentin Bopp-Simon berichtete        bei der Umnutzung von Bestandsbauten. Da                denden Stellantis-Flächen riesige Chancen für
zunächst von einem vergleichbaren erfolgrei-       fügte es sich ins Bild, dass die ehemalige Werk-        Rüsselsheim. „Wir müssen die Potenziale, die
chen Umnutzungsprojekt in Limburg. Die letz-       halle D5 an diesem Tag als Veranstaltungsort            in diesen vergessenen Orten liegen, aufspüren
ten Jahre haben deutlich gezeigt, wie anfällig     umgenutzt wurde und eine Ausstellung des Fo-            und sie für die Zukunft in Wert setzen“, appel-
und verwundbar unsere Innenstädte sind, und        rums Innenarchitektur der AKH beherbergte.              lierte er abschließend.
wie wichtig sie gleichzeitig sind für die inner-
städtische Kommunikation. Auch in Rüssels-         Zum Abschluss der Podiumsdiskussion dankte              Nach der Podiumsdiskussion stellte die Innen-
heim kommen die Energiewende, die Verkehrs-        Kraft den Diskutanten und allen anderen, die            architektin Monika Slomski das Forum Innen-
wende und weitere geballt auf kommunaler           zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen              architektur der AKH sowie dessen Arbeits-
Ebene an, führte Bopp-Simon weiter aus. Stadt-     hatten, insbesondere dem Hausherrn, der                 gruppe Wohnen Leben Arbeiten vor, die die
entwicklungsprozesse sind langwierig, Abhilfe      Motorworld Rüsselsheim Rhein-Main, und for-             Ausstellung „Blitzlichter Innenräume“ konzi-
kann eine stärkere Vernetzung bei Planung und      derte die Kommunen auf, die gesetzlichen                piert hatte. In der Ausstellung gibt das Forum
Entwicklung schaffen. „Wir haben kein Erkennt-     Möglichkeiten mutig zu nutzen.                          Impulse zum Wandel von Wohnen, Leben und
nisdefizit, wie haben ein Umsetzungsdefizit“                                                                 Arbeiten und zeigt realisierte Innenarchitektur.
stellte sie fest. Auf dem Konversionsgelände       In seinem Schlusswort griff Wirtschaftsminis-           Slomski erläuterte das Zustandekommen der
werde ein Vorzeigequartier mit Pilotprojekten      ter Al-Wazir nochmals die Neue Leipzig                  Ausstellung und betonte das außerordentliche
entstehen, deren Lösungen auf andere Kommu-        Charta auf und „übersetzte“ deren Leitlinien            ehrenamtliche Engagement der AG-Mitglie-
nen übertragbar sind, erwartete Bopp-Simon,        in konkrete Ziele wie bezahlbare Wohnungen              der. Zur Eröffnung lud sie alle Anwesenden
die zugleich der Stadt Rüsselsheim einen lan-      für alle, gemischt genutzte und auch sozial             ein zu einer Führung durch die Ausstellung,
gen Atem über mehrere Wahlperioden hinweg          durchmischte Quartiere sowie klimaneutrale              die auch am Folgetag noch zu besichtigen
bei der Realisierung wünschte.                     Städte. Diese Schwerpunktsetzung findet sich             war.

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Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
[ DAB REGIONAL ]    AKtuEllES                                                                                                                HESSEN

Ein gelungener Abend…
Text: Marion Mugrabi

D
           ie Vertretung der freiwilligen Mit-      in Deutschland, beispielsweise aktuell das         munikationsraum hergerichteten Verkehrsflä-
           glieder (VFM) hatte zum ersten           Vorhaben FOUR Frankfurt. Die angehenden            chen der Geschäftsstelle.
           Nachwuchsabend in der Kammer             Architekt*innen, Innenarchitekt*innen sowie           Dreher und Kortmann unterhielten sich
           eingeladen. Ende August kamen            Stadtplaner*innen folgten aufmerksam den           über eine Vielzahl von Themen. Angefangen
rund 20 Nachwuchskräfte im Haus der Archi-          Ausführungen von Kortmann: „FOUR Frank-            mit der Frage, warum sich Kortmann für ein
tekten in Wiesbaden zusammen. „Es ist uns           furt ist ein Projekt der Superlative in Bezug      Architekturstudium entschied bis hin zu
als Vertretung der freiwilligen Mitglieder ein      auf Größe, Komplexität und Geschwindigkeit.        Unterschieden des digitalen Lebens und
besonderes Anliegen, die freiwillige Mit-           Vier Türme, ein multifunktionales sechsge-         Arbeitens in Deutschland und den Niederlan-
gliedschaft auch durch Veranstaltungen er-          schossiges Podium, eine viergeschossige Tief-      den, wo die gebürtige Deutsche lebt.
lebbar zu machen“, erklärte der Sprecher            garage, 300.000 Quadratmeter gebauter                 Kortmann vermittelte auch Einblicke in die
der Vertretung Fabian P. Dahinten. Architek-        Raum und vielfältige urbane Zwischenräume          Arbeit von UNStudio. „UNStudio glaubt an die
turinhalte, gegenseitiges Kennenlernen und          im Herzen von Frankfurt. Eine Stadt für alle –     verbindende Kraft von Architektur. Wir glau-
Vernetzen standen im Fokus der Veranstal-           ein Projekt FOUR Frankfurt.“                       ben, dass gebauter Raum unser Zusammen-
tung.                                                   Der Austausch mit der Hochbau-Architek-        leben positiv beeinflussen kann – und inklu-
   Seitens der Kammer begrüßte Thomas               tin sollte nicht im klassischen Vortragsstil er-   sive und kommunikative Räume ein Zusam-
Harion, Geschäftsführer Justiziariat, die Gäste.    folgen, sondern als Gespräch im lockeren Rah-      mengehörigkeitsgefühl und Identität erzeu-
Er ging dabei auf die Aktivitäten der AKH für       men. Zunächst mit Florian Dreher, Referent         gen können“, erläuterte die Architektin, die an
und mit dem Nachwuchs ein. Für den fachli-          für Baukultur, Wirtschaft und Hochschulwesen       der RWTH Aachen und in Kopenhagen stu-
chen Austausch war Tina Kortmann, Senior            der AKH, und anschließend mit allen Teilneh-       diert hat. Typisch für UNStudio sei auch das
Architect aus Amsterdam, eingeladen worden.         menden. Entsprechend wählten die Organisa-         integrale Arbeiten. „Entwerfen ist nicht immer
Seit rund 13 Jahren beim internationalen Büro       toren als Veranstaltungsraum nicht einen der       ein demokratischer Prozess“, erklärte die
UNStudio tätig, betreut sie vor allem Projekte      Seminarräume, sondern eine der neu als Kom-        Teamleiterin den Nachwuchskräften. „Am

Die freiwilligen Mitglieder nahmen die neugestaltete Kommunikationszone gerne in Beschlag.

10                                                                                                                                         DAB 10·22
Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
HESSEN                                                                                                              AKtuEllES    [ DAB REGIONAL ]

Ende soll eine schöne Formensprache gefun-
den werden“, so Kortmann weiter.
   Beim Projekt FOUR kommen viele Ele-
mente und Ansätze zum Einsatz, die im Rah-
men der Nachhaltigkeitsdiskussion mittler-
weile vielfach diskutiert werden, erläuterte
Kortmann. Das Projekt ziele auf eine Quar-
tiersbildung mit Nutzungsmix und einem
Stadtraum für alle ab. Durchlässigkeit und ein
Netzwerk von Plätzen sollen das Quartier in
das städtische Gefüge einbinden und zu

   Der Vorstand der AKH etablierte im
   November 2021 erstmals eine Vertre-
   tung der freiwilligen Mitglieder. Aktuell
   vom Vorstand berufen sind Fabian P.
   Dahinten, lisa Knieper und Katharina
   Körber. Weitere Angebote für freiwillige
   Mitglieder sind bereits in Planung.
   Weitere Informationen zur freiwilligen        tina Kortmann (links) im lockeren Austausch mit Florian Dreher
   Mitgliedschaft der AKH:
   pwww.akh.de/mitgliedschaft/                   einem selbstverständlichen Teil der Stadt ma-        auch über Themen vom Berufseinstieg über
    mitglied-werden/freiwillige-                 chen. Eine grüne Dachlandschaft auf dem              den Kammereintritt bis hin zum Engagement
    mitgliedschaft-fuer-absolventen
                                                 Dach des Podiums verbindet das Quartier              in der AKH. Um Kortmann sammelten sich
   pwww.akh.de/mitgliedschaft/                   und bietet öffentlich zugängliche Grünflä-            den ganzen Abend über kleinere und größere
    freiwilliges-absolventen-mitglied-           chen.                                                Gruppen, denn – so schien es zumindest – alle
    sein                                            Im Anschluss an die moderierte Gesprächs-         Nachwuchskräfte wollten die Chance für einen
   Die Geschäftsstelle und die Vertretung        runde hatten die Teilnehmenden die Gelegen-          persönlichen Dialog nutzen. Das einhellige Fa-
   der freiwilligen Mitglieder sind über         heit den Austausch in geselligem Kreis fortzu-       zit der Teilnehmenden fasste Sprecher Dahin-
   folgende E-Mail-Adresse erreichbar:           setzen. Die Stimmung war locker und ange-            ten zusammen: „Danke für einen tollen
   nachwuchs@akh.de                              regt. Die Teilnehmenden sprachen nicht nur           Abend, den wir hoffentlich bald wiederholen
                                                 über den Vortrag und die Diskussion, sondern         können.“                                    p

After-Work! Phase Nachhaltigkeit Innenarchitektur
Gemeinsam haben die Bundesarchitekten-           forderungen der Innenraumgestaltung ange-
kammer e.V. und die Deutsche Gesellschaft        passt. Gezeigt werden bei der                            After-Work! Phase Nach-
für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. im Jahr       After-Work-Veranstaltung ge-
2019 die Initiative Phase Nachhaltigkeit ins     lungene Beispiele nach-
                                                                                                          haltigkeit Innenarchitektur
Leben gerufen. Ziel ist es, über einen Schul-    haltiger Innen-                                          Wann: Montag, 7. November 2022, 18:00
terschluss der Architektenschaft die Transfor-   architektur.                                             – 21:15 uhr
mation der Planungspraxis hin zur Nachhal-                                                                Wo: Online
tigkeit als neuem Normal zu erreichen. 2021
wurde die Initiative gezielt um das Themen-
feld Innenarchitektur erweitert und gemein-
sam mit dem BDIA auf die besonderen An-
                                                 PHASE
                                                 NACHHALTIGKEIT
                                                                                                          Weitere Informationen und
                                                                                                          Anmeldung in Kürze unter:
                                                                                                          pwww.akh.de/fortbildung

DAB 10·22                                                                                                                                         11
Starke Netzwerke - ein Gewinn für alle
[ DAB REGIONAL ]    VERSORGuNGSWERK                                                                                                        HESSEN

5,35 % Erhöhung: Wie macht die DRV das?
Hintergründe zur Berechnung der Rente durch das Versorgungswerk und zur Reaktion auf aktuelle Entwicklungen

Text: Thomas Löhning, Hauptgeschäftsführer des Versorgungswerks der AKNW; Jörg Wessels, Geschäftsführer

A
             nfang Juni hat das Bundeskabi-        fen und zu erläutern, warum die berufsstän-       Veränderung des Kapitalmarktumfelds. Auf
             nett eine üppige Leistungsanpas-      dische Versorgung das leistungsfähigere Vor-      einmal war der Zins weg. Und damit die zen-
             sung für Angehörige der gesetz-       sorgesystem ist und sich gegenüber der ge-        trale Ertragsquelle eines kapitalgedeckten
             lichen Rentenversicherung be-         setzlichen Rentenversicherung nicht nur gut       Versorgungssystems. In einem Kapitalmarkt-
schlossen. Demnach erhalten gesetzlich Ver-        behaupten kann, sondern insgesamt viele           umfeld, dass seit mehr als einer Dekade von
sicherte im sogenannten Rechtskreis West           Vorteile hat.                                     Niedrig-, Null- und Negativzinsen geprägt ist,
eine Rentenerhöhung von 5,35 %. Vor diesem                                                           sind Renditechancen geringer. Das hat
Hintergrund haben einzelne Mitglieder die          2. Wo kommen wir her?                             zwangsläufig Auswirkungen auf Erträge und
Sorge geäußert, dass das Versorgungswerk           Lange Jahre hat sich die Frage nach einem         Dynamik.
im Zeitverlauf hinter die Leistungen der Deut-     „Quervergleich“ mit dem staatlichen System
schen Rentenversicherung Bund (DRV) zu-            der Alterssicherung gar nicht gestellt. Das       4. Das Versorgungswerk: Solide finanziert,
rückfallen könnte. Zu Aspekten, die in diesem      Versorgungswerk der Architektenkammer             wirtschaftlich stark
Zusammenhang relevant sind, wollen wir in          NRW prosperierte. Steigende Mitgliederzah-        Unter schwierigen Vorzeichen arbeitet das
diesem breit angelegten Artikel umfassend          len führten zu steigenden Beitragseinnahmen       Versorgungswerk dennoch erfolgreich. Die
Auskunft geben. Wir wollen zugleich aufzei-        und einer stetig besseren Vermögensposition.      Geschäftsergebnisse sind unverändert positiv.
gen, dass die Versicherten bei unserer Versor-        Das Zinsniveau lag beständig weit über         An veränderte Kapitalmarktbedingungen hat
gungseinrichtung auch weiterhin gut versorgt       dem Rechnungszinserfordernis. Vor diesem          man sich zügig angepasst und erzielt mit den
sind. Warum das so ist, wird nachstehend er-       Hintergrund war es ein Leichtes, in den Jah-      Investitionen auskömmliche Renditen. Die
läutert.                                           ren bis 2008 –zum Teil sehr üppige – Leis-        wirtschaftlichen Ziele sind jeweils erreicht
                                                   tungsverbesserungen für aktive Mitglieder         worden. Das gilt auch bezogen auf die beiden
1. Vergleich hinkt                                 und Versorgungsempfänger*innen zu finan-           letzten Geschäftsjahre, unter den nochmals
Vorab sei gesagt, dass der Vergleich zweier        zieren. Den aktiven Mitgliedern hat sich das      erschwerten Bedingungen der Pandemiesitua-
sehr unterschiedlicher Systeme der Alterssi-       über die jährliche Anwartschaftsmitteilung        tion. Hierüber geben etwa die Geschäftsbe-
cherung wenig sinnvoll, auch nicht zielführend     mitgeteilt, Rentnern in Form steigender Ver-      richte Auskunft, die zur Information der Mit-
ist. Berufsständische Versorgung und gesetz-       sorgungsbezüge. Da war die Welt noch in           glieder auf der Internetseite des Versorgungs-
liche Rentenversicherung unterscheiden sich        Ordnung.                                          werks der Architektenkammer NRW (vw-
schließlich vom Versicherungsprinzip her ganz                                                        aknrw.de) eingestellt sind.
wesentlich voneinander: Hier ein Versor-           3. Versorgung unter den Bedingungen
gungssystem, das auf dem Prinzip der Kapi-         eines veränderten Zinsmarkts                      5. Neue Zeiten, neue Regeln
taldeckung basiert und sich – über die Einzah-     Das Versorgungswerk verwaltet das Vermö-          Gleichwohl hat sich etwas verändert, auch
lungen seiner Mitglieder und Kapitalerträge –      gen seiner Mitglieder, das sich inzwischen auf    verändern müssen: Früher hat das Versor-
aus eigener Kraft trägt. Demgegenüber ein          rd. 12,5 Mrd. EUR beläuft, treuhänderisch. Es     gungswerk seine Erträge fast immer an die
umlagefinanziertes, hoch defizitäres und des-        investiert die Versichertengelder am Kapital-     Versicherten ausgeschüttet. Das war damals
halb staatlich gestütztes Versorgungssystem.       markt, um damit Renditen für die Solidarge-       richtig, denn Überrenditen gehören ja den
    Ein Vergleich kann insoweit nur ein Zerrbild   meinschaft der Architekt*innen und Inge-          Mitgliedern. Insoweit waren Leistungsdynami-
ergeben. Mitglieder unserer Versorgungein-         nieur*innen zu erwirtschaften. Darauf beruht      sierungen nicht nur gut begründet, sondern
richtung stellen diesen Vergleich jedoch ver-      das Versicherungsprinzip.                         auch wirtschaftlich gut darstellbar. Im seiner-
mehrt an. Zumeist Rentner, die neben den Ru-           Mit dem Bankrott der Lehman Brothers          zeitigen Zinsumfeld konnte zudem verlässlich
hestandsbezügen vom Versorgungswerk noch           Bank im Jahr 2007, der „Subprime“-Krise im        kalkuliert werden, dass die Gewinnquellen im
eine Teilrente der DRV beziehen und beim           Jahr 2008 und den massiven Verwerfungen           folgenden Geschäftsjahr erneut kräftig spru-
Blick auf die Leistungen beider Systeme den        auf den globalen Finanzmärkten in deren Ge-       deln würden.
Eindruck haben, dass die Entwicklung dort          folge, passierte auf internationaler Ebene das,      Das ist heute – unter den Vorzeichen gro-
eine – vermeintlich – höhere Dynamik hat. Das      wofür Politiker heutzutage den Begriff der        ßer politischer und wirtschaftlicher Unsicher-
gibt uns Anlass, relevante Punkte aufzugrei-       „Zeitenwende“ bemühen: Die fundamentale           heiten und entsprechend volatiler Finanz-

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HESSEN                                                                                                   VERSORGuNGSWERK          [ DAB REGIONAL ]

märkte – anders. Unter solchen Bedingungen        figer Stimmen, die die Systemfrage stellen          nungszins liegt für Einzahlungen, die bis zum
gehört es für einen öffentlich-rechtlichen Ver-   und für eine Einheitsversicherung werben. In       Jahresende 2016 entrichtet worden sind –
sicherungsbetrieb zum aktiven Risikomanage-       bestimmten politischen Kreisen mag es des-         dauerhaft, auch während der Zeit des Versor-
ment, Mittel zur Verfügung zu haben, mit          halb nicht unerwünscht sein, wenn die Versor-      gungsbezugs – bei 4,0 %. Einzahlungen ab
denen im Bedarfsfall Verluste kompensiert         gungswerke in die Defensive geraten und –          dem Jahresbeginn 2017 werden mit 2,0 % be-
werden können. Diese Form der Risikovor-          möglicherweise von innen heraus, aus der Mit-      wertet.
sorge liegt im Interesse der Versichertenge-      gliedschaft – zusätzlich unter Druck geraten.          Der Rechnungszins markiert zugleich das
meinschaft. Nicht zuletzt aus Verantwortung                                                          Renditeerfordernis, dass das Versorgungs-
gegenüber den jungen Mitgliedern. Die Gel-        7. DRV: Nase vorn?                                 werk im Geschäftsjahr mindestens erzielen
der, mit denen Reserven gebildet werden,          Die Leistungsentwicklung bei der DRV ist ge-       muss. Erst wenn aus der Geschäftstätigkeit
sind auch nicht „weg“. Sie erhöhen vielmehr       koppelt an die Lohn- und Gehaltsentwicklung.       Überrenditen oberhalb des Rechnungszinses
die Sicherheit für die Solidargemeinschaft.       Weil die in den wirtschaftlich sehr guten Jah-     erwirtschaftet werden, sind zusätzliche Dyna-
    Versichertengelder werden aber auch be-       ren von 2010 bis 2019 positiv war, sind in de-     misierungen – über die Mindestverzinsung hi-
nötigt, um höheren Aufwand und zuneh-             ren „Windschatten“ auch die Versorgungsleis-       naus – möglich. Unter den aktuellen Bedin-
mende Regulierung zu finanzieren, etwa in          tungen für gesetzlich Versicherte angestiegen.     gungen des Zinsmarkts Renditen zu erzielen,
den Bereichen Risikomanagement, Control-          Allerdings sind die Rentenerhöhungen für Ver-      die über der „Messlatte“ von derzeit rd. 3,80 %
ling, Marktanalyse, Vertragsmanagement, Di-       sicherte der DRV in dieser Zeit nicht immer        ist allerdings sehr viel schwieriger, als zu Zei-
gitalisierung, Meldepflichten, Datenschutz,        hoch gewesen. Im Jahr 2013 belief sich die         ten, in denen Zinsen von mehr als 4,0 % die
Datensicherheit, um nur einige dieser Berei-      Rentenerhöhung bei der DRV beispielsweise          Norm waren.
che zu nennen. Für all diese Aufgaben sind in     auf geringe 0,25 %. Im Jahr 2021 gab es für
steigendem Maße Mittel aufzuwenden – mit          gesetzliche Versicherte im Rechtskreis West        9. Rentenpolitik als Profilierungsfeld
der Folge, dass diese Gelder an anderer Stelle    eine „Nullrunde“.                                  der politischen Parteien
fehlen, insbesondere für Leistungsverbesse-          Die Leistungsentwicklung bei der gesetzli-      Beim Blick auf die gesetzliche Altersvorsorge
rungen nicht zur Verfügung stehen.                chen Rente verläuft auch nicht linear. Mitunter    darf nicht übersehen werden, dass Rentenpoli-
                                                  wurde Rentenpolitik nach „Kassenlage“ ge-          tik in Deutschland eine eminent politische
6. Steigende Kostenbelastungen,                   macht. So hat die rot-grüne Bundesregierung        Komponente hat. Rentnerinnen und Rentner
mehr Regulierung                                  im Jahr 2004 eine Rentenreform ins Werk ge-        sind eine zahlenmäßig große Bevölkerungs-
Das Versorgungswerk kommt also in mehrfa-         setzt, die deutliche Leistungskürzungen für die    gruppe, die Wahlen entscheiden kann. Entspre-
cher Hinsicht unter Druck: Auf der Rendite-       Versicherten zur Folge hatte. Dieser Sachver-      chend richtet sich die Rentenpolitik In Deutsch-
und Ertragsseite durch politisch gewollte         halt zeigt auf, dass in der gesetzlichen Renten-   land seit vielen Jahren weniger am Machbaren
Niedrig-, Null-, bzw. Negativzinsen. Auf der      versicherung – neben „mageren“ Jahren –            – auch am finanzpolitisch Vertretbaren – aus,
Kostenseite durch regulatorische Anforderun-      auch Leistungskürzungen kein Tabu sind.            sondern folgt oft politischem Kalkül.
gen, die den Versicherungsbetrieb verteuern.         Werden wir mal konkret: Im Zeitraum 2013            Deutlich wird diese opportunistische Poli-
Auf der Leistungsseite durch die Dynamik bei      bis 2022 sind die Leistungen für Bezieher          tik etwa am Beispiel des sogenannten Nach-
der DRV, die aber nur möglich ist, weil der       einer DRV-Rente um durchschnittlich rd. 2,54       holfaktors. Zur Erläuterung: Die Kopplung der
Staat die gesetzliche Rentenversicherung mit      % pro Jahr angestiegen. Setzt man diesen           DRV-Renten an die Lohn- und Gehaltsent-
Zuschüssen aus Steuermitteln in Höhe von          Wert in Bezug zur satzungsgemäßen Mindest-         wicklung wurde bereits erwähnt. Bei sinken-
jährlich mehr als 100 Mrd. EUR alimentiert.       verzinsung, die das Versorgungswerk seinen         den Löhnen verhindert die sogenannte „Ren-
    Als Folge dieser Entwicklung gerät das        Mitgliedern in Form des sogenannten Rech-          tengarantie“, dass die Altersbezüge sinken.
Versorgungswerk mehr und mehr in einen un-        nungszinses gewährt, dann mag sich der Ein-        Steigen die Löhne wieder, soll der Nachhol-
gerechtfertigten, auch unfairen Wettbewerb        druck relativieren, dass das Versorgungswerk       faktor den Effekt der nicht erfolgten Renten-
mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Un-      bei der Entwicklung der Leistungen nicht mit-      kürzung ausgleichen, d. h. den Rentenanstieg
gerechtfertigt, weil berufsständische Versor-     halten kann.                                       dämpfen. Ab 2018 wurde der Nachholfaktor
gung und gesetzliche Rentenversicherung –                                                            vom Gesetzgeber jedoch bis zum Jahr 2025
wie zuvor erläutert – auf zwei völlig unter-      8. Rechnungszins: Was ist das                      außer Kraft gesetzt. An diesem Beispiel wird
schiedlichen Finanzierungskonzepten beru-         und was haben die Mitglieder davon?                erkennbar, dass man es im Hinblick auf das
hen. Unfair, weil das Versorgungswerk – anders    Die Mitglieder entrichten – einkommensbezo-        System der staatlichen Alterssicherung mit
als die DRV – keine Zuwendungen des Staates       gen – monatliche Versorgungsabgaben. Für           einer „politischen Rente“ zu tun hat. Anfang
in Milliardenhöhe erhält.                         die Überlassung dieser Gelder gewährt das          2021 haben wir diesen Aspekt hier im DAB
    Auch berufspolitisch weht der berufsstän-     Versorgungswerk seinen Mitgliedern sat-            schon einmal thematisiert.
dischen Versorgung der Wind ins Gesicht: Im       zungsgemäß eine Mindestverzinsung auf das              Rentenerhöhungen der DRV haben aber
politischen Raum artikulieren sich immer häu-     eingezahlte Kapital. Dieser sogenannte Rech-       auch noch eine ganz andere – für den Finanz-

DAB 10·22                                                                                                                                          13
[ DAB REGIONAL ]    VERSORGuNGSWERK                                                                                                          HESSEN

minister interessante – Komponente: Das ist       11. Die Vorteile der berufsständischen             13. Beim Blick auf die Leistungen:
der steuerliche Aspekt. Mit höheren Renten-       Versorgung                                         Mindestverzinsung beachten
bezügen kommen Jahr für Jahr mehr Renten-         Das System der berufsständischen Versor-           Anders als gesetzlich Versicherte erhalten die
empfänger*innen erstmals in den Bereich der       gung beruht auf Kapitalerhalt und Rendite:         Mitglieder des Versorgungswerks von ihrem
Steuerpflicht. Im Jahr 2022 sind das allein        Der entscheidende Vorteil für die Versor-          Versorgungsträger ein verbindliches Leis-
103.000 Personen.                                 gungswerksmitglieder lässt sich mit den Wor-       tungsversprechen, in Form des sogenannten
   Wer höhere Leistungen bezieht und darauf       ten auf den Punkt bringen: „Ihr Geld ist da.“      Rechnungszinses. Den Effekt, den die Verzin-
Steuern entrichten muss, hat im Ergebnis          Das ist bei der umlagefinanzierten gesetzli-        sung der Beiträge erbringt illustrieren die an-
netto möglicherweise geringere Rentenein-         chen Rentenversicherung anders.                    gefügten Schaubilder. Werden auf die Einzah-
künfte als zuvor. Im Einzelfall holt sich der        Gegenüber den Selbstverwaltungsorga-            lungen der Versicherten keine Kapitalerträge
Staat in Teilen das zurück, was er zuvor – öf-    nen, aber auch der staatlichen Versicherungs-      gewährt, so muss die spätere Rentenzahlung
fentlichkeitswirksam – als (vermeintliche)        aufsicht weist das Versorgungswerk jährlich        zu 100 % durch Beiträge gedeckt werden.
Leistungsverbesserung – ausgereicht hat.          nach, dass ausreichende Vermögenswerte             Werden hingegen Kapitalerträge in Höhe von
                                                  vorhanden sind, um sämtliche Versorgungs-          4,0 % erwirtschaftet, so wird ein erheblicher
10. Staatliche Alterssicherung:                   ansprüche der Mitglieder finanzieren zu kön-        Teil der späteren Rentenzahlungen durch Ka-
„Augen zu und durch!“                             nen. Demgegenüber kommen die monatli-              pitalerträge gedeckt.
Bislang ist die Politik notwendigen Reformen      chen Beiträge der gesetzlich Versicherten di-          Ohne Kapitalerträge müssten die Einzah-
des Rentensystems ausgewichen. Ob das             rekt wieder zur Auszahlung, für die Renten-        lungen auf das individuelle Versorgungskonto
dauerhaft so bleiben kann, sei dahingestellt.     bezieher der DRV.                                  also viel höher sein, um dieselbe Rentenhöhe
Vorerst sind – wieder mal – bis zum Jahr 2025                                                        leisten zu können (im gewählten Beispiel fast
zwei „Haltelinien“ ausgerufen worden. Sicher      12. Welche Komponenten definieren die               viermal so hoch, vgl. Grafik). Kapitalerträge
nicht zufällig retten sich die politischen Par-   Höhe der Versorgungswerksrente?                    fallen auch noch während der Rentenbezugs-
teien damit hinter den Termin der nächsten        Das kapitalgedeckte Versorgungssystem be-          zeit an und sind in dieser Phase besonders
Bundestagswahl. Es wäre dann an der nächs-        ruht auf dem sogenannten Äquivalenzprinzip.        hoch, weil zuvor ein hohes Vermögen für den
ten Bundesregierung – möglicherweise              Höhere Einzahlungen führen zu höheren Ver-         Rentner zurückgestellt wurde.
schmerzhafte – Maßnahmen zur Stabilisie-          sorgungsleistungen. Zentraler Bestimmungs-             Die Schaubilder stellen ab auf eine Verzin-
rung des staatlichen Rentensystems zu er-         faktor für die Höhe der Rente ist demnach die      sung in Höhe von 4,0 %. Deren „Botschaft“ –
greifen. Dauerhaft dürfte die Politik den not-    Summe der Versorgungsabgaben, die über             dass ein Großteil des Kapitalstocks, aus dem
wendigen Reformschritten jedenfalls nicht         die Anwartschaftsphase hinweg auf das indi-        im Ruhestandsalter die Versorgung des jewei-
ausweichen können. Immerhin geht in den           viduelle Versorgungskonto entrichtet worden        ligen Mitglieds finanziert wird, aus Zins- und
kommenden Jahren die Generation der               ist. Von Belang ist natürlich auch die Versiche-   Zinseszinseffekt resultiert – ist vom Prinzip her
„Baby-Boomer“ in die Rente. Wegen der de-         rungsdauer, d. h. der Zeitraum, über den hin-      aber auch anwendbar auf den Mischrech-
mographischen Entwicklung müssen zukünf-          weg Einzahlungen geleistet werden.                 nungszins, der sich für Mitglieder ergibt, die
tig weniger Beitragszahler, die Lasten für eine       Zusätzlich kennt das Versorgungssystem –       Anwartschaften in beiden Abrechnungsver-
steigende Anzahl von Rentnern der DRV             abhängig von Geschäftserfolg und Ertrags-          bänden (4,0 %/2,0 %) erworben haben.
stemmen. Dadurch werden sich die Finanzie-        lage – Leistungsverbesserungen, die schon in           Beim Versorgungswerk erhält das Mitglied
rungslasten für Beitrags- und Steuerzahler        der Ansparphase wirksam werden. Das sind           – aufgrund der eingerechneten Mindestver-
weiter erhöhen.                                   die sogenannten Anwartschaftsdynamisierun-         zinsung – schon zum Renteneintritt eine Ver-
    Bei Experten, die sich mit der Zukunft der    gen. Diese Form der Gewinnbeteiligung am           sorgungsleistung, die in der Regel deutlich
gesetzlichen Rentenversicherung wissen-           Unternehmenserfolg verbessert die Anwart-          besser ist, als eine DRV-Rente. Abhängig von
schaftlich befassen, ist deshalb seit langem      schaften der aktiven Mitglieder, ohne dass da-     den Geschäftsergebnissen kommen Dynami-
unstrittig, dass einschneidende Reformen bei      für Einzahlungen zu leisten sind.                  sierungen hinzu. Die DRV gewährt Leistungen
der DRV unvermeidbar sind, um das Alterssi-           Hinzukommen – ebenfalls abhängig von           auf einem zumeist niedrigeren Ausgangs-
cherungssystem dauerhaft finanzierbar zu           den Ergebnissen im jeweiligen Geschäftsjahr        niveau. Deren Leistungen verbessern sich im
halten. Aktuelle Berechnungen der Bundes-         – Rentendynamisierungen. Diese Leistungs-          Zeitverlauf, über Rentenerhöhungen.
bank haben ergeben, dass ein deutlicher An-       verbesserungen addieren sich zum obligato-
stieg der Rentenversicherungsbeiträge auf bis     rischen Rechnungszins. Die Gleichung heißt         14. Wo ist das Versorgungswerk
zu 25 % und ein weiter steigender Bundeszu-       dann: Rechnungszins + Dynamisierungsfaktor.        sonst noch besser?
schuss, in der Größenordnung einer um vier        Rentendynamisierungen, die das Versor-             Die bloße Draufsicht auf die Rentenerhöhun-
Prozentpunkte höheren Mehrwertsteuer erfor-       gungswerk vornimmt, verbessern die Leistun-        gen der letzten Jahre mag den Eindruck er-
derlich wären, wenn man das aktuelle Renten-      gen – wohlgemerkt – zusätzlich, über die Min-      zeugen, dass sich der Abstand der DRV zu
niveau bis zum Jahr 2070 erhalten will.           destverzinsung hinaus.                             den Leistungen des Versorgungswerks ten-

14                                                                                                                                         DAB 10·22
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