STUDIENAUFTRAG "STIIG-UM" - SYNTHESEBERICHT

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STUDIENAUFTRAG "STIIG-UM" - SYNTHESEBERICHT
BEURTEILUNGSGREMIUM STIIG-UM (Hrsg.)

STUDIENAUFTRAG
"STIIG-UM"
SYNTHESEBERICHT
Fachliche Basis für Umsetzungskonzept § 13 Umweltschutzgesetz

Basel, 23. April 2013

STIIG-UM_SYNTHESE_STUDIENAUFTRAG_FINAL.DOCX

                                                                INFRAS

                                                                MÜHLEMATTSTRASSE 45
                                                                CH-3007 BERN
                                                                t +41 31 370 19 19
                                                                f +41 31 370 19 10
                                                                BERN@INFRAS.CH

                                                                BINZSTRASSE 23
                                                                CH-8045 ZÜRICH

                                                                WWW.INFRAS.CH
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INHALT

Zusammenfassung ___________________________________________________ 4
1.        Einleitung ____________________________________________________ 7
1.1.      Ausgangslage und Ziele ___________________________________________ 7
1.2.      Projektorganisation und Stellenwert Synthesebericht _____________________ 8
1.3.      Studienauftrag___________________________________________________ 9
2.        Zielbeiträge geplante Massnahmen ______________________________ 12
2.1.      Team Basler&Hofmann / IRAP _____________________________________ 12
2.2.      Team ewp / Scholl+Signer ________________________________________ 15
2.3.      Team Metron___________________________________________________ 18
2.4.      Synopsis ______________________________________________________ 22
3.        Kohärenz der Basler Verkehrspolitik _____________________________ 24
4.        Zielbeiträge ergänzende Massnahmen____________________________ 26
4.1.      Team Basler&Hofmann / IRAP _____________________________________ 26
4.2.      Team ewp / Scholl+Signer ________________________________________ 27
4.3.      Team Metron___________________________________________________ 29
4.4.      Synopsis ______________________________________________________ 32
4.4.1. Wirkungsabschätzung ____________________________________________ 32
4.4.2. Massnahmenpriorisierung _________________________________________ 36
5.        Optimiertes Massnahmenpaket _________________________________ 40
5.1.      Strategische Grundsätze__________________________________________ 40
5.2.      Massnahmenpakete _____________________________________________ 41
6.        Würdigung und Ausblick _______________________________________ 49
6.1.      Würdigung geplanter Massnahmen _________________________________ 49
6.2.      Würdigung ergänzende Massnahmen _______________________________ 50
6.3.      Zielerreichung und Fazit __________________________________________ 52
6.4.      Ausblick Umsetzungskonzept ______________________________________ 54
Annex        ___________________________________________________________ 55
Anhang 1: Massnahmenkatalog Referenzentwicklung _________________________ 56
Anhang 2: Team Basler&Hofmann ________________________________________ 59
Anhang 3: Team ewp __________________________________________________ 61
Anhang 4: Team Metron ________________________________________________ 63
Glossar ___________________________________________________________ 65

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Inhalt
STUDIENAUFTRAG "STIIG-UM" - SYNTHESEBERICHT
STUDIENAUFTRAG                      "STIIG-UM"

SYNTHESEBERICHT

im Auftrag: Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt

Synthesebericht, Basel, 23. April 2013

Beurteilungsgremium (Hrsg.)
Auer Barbara                 Amt für Mobilität
Egeler Christian             Rapp Trans
Fellmann Andy                Tiefbauamt Stadt Zürich
Fischer Susanne              Planungsamt
Hammer Antje                 Amt für Mobilität
Jermann Jörg                 Tiefbauamt Basel-Landschaft
Kettner Simon                Amt für Mobilität (Projektleitung)
Vallée Dirk Prof. Dr.        Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr, RWTH Aachen

Begleitung und Synthese (INFRAS)
Roman Frick
Benjamin Belart

Teams Studienauftrag
Basler & Hofmann / IRAP HSR Hochschule Rapperswil (Leitung: Ulrike Huwer)
ewp / Scholl+Signer (Leitung: Stephan Erne)
Metron (Leitung: Peter Schoop)
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ZUSAMMENFASSUNG

Als Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, Fuss- und
Veloverkehrs (Städte-Initiative) wurde im November 2010 eine Änderung des Umweltschutzge-
setzes Basel-Stadt in einer Volksabstimmung gutgeheissen. Der neue Gesetzesartikel verlangt
insbesondere, dass die Gesamtverkehrsleistung des privaten Motorfahrzeugverkehrs auf dem
Kantonsgebiet gegenüber heute langfristig abnimmt, bis zum Jahr 2020 um mindestens 10%. Bis
im Herbst 2013 ist dazu ein Umsetzungskonzept zu erarbeiten (nachfolgend kurz „Stiig-um“:
Städteinitiative Gegenvorschlag - Umsetzungskonzept).
     Als Grundlage für ein Umsetzungskonzept „Stiig-um“ haben drei unabhängige Experten-
teams in einem Studienauftrag abgeschätzt, ob die bisher geplanten Massnahmen zur Zielerrei-
chung ausreichen und mit der Basler Verkehrspolitik kohärent sind. Gleichzeitig haben sie auf-
gezeigt, in welchen Bereichen weitergehende Massnahmen notwendig sind. Der Studienauftrag
wurde von Vertreterinnen und Vertretern der Verbände begleitet und vom Beurteilungsgremium
beurteilt. Der vorliegende Synthesebericht fasst die Team-Resultate zusammen, würdigt sie und
skizziert darauf basierend ein optimiertes Massnahmenpaket. Es handelt sich um einen Fachbe-
richt des Beurteilungsgremiums. Der Bericht der Verwaltung respektive das Umsetzungskonzept
wird nach einer Mitwirkungsphase von Frühsommer bis Ende 2013 erstellt.
     Die Teams kommen übereinstimmend zur Ansicht, dass mit den bisher geplanten Mass-
nahmen im Maximum das prognostizierte Referenzwachstum des motorisierten Individualver-
kehrs (MIV) bis 2020 unterdrückt werden kann. Die grössten Einzelbeiträge können in der Refe-
renzentwicklung vom ÖV-Ausbau erwartet werden (vor allem Tramnetzausbau). Ein weiterer
gewichtiger Wirkungsbeitrag wird in der geplanten Parkraumbewirtschaftung gesehen (Um-
wandlung von weissen in blaue Zonen sowie erhöhte Tarife für Kurzzeitparkieren).
     Auf der Basis von Potenzialanalysen machen die Teams Vorschläge für ergänzende Mass-
nahmen: Alle drei Teams kommen zum Schluss, dass eine Reduktion des bestehenden Verkehrs
und entsprechende Verhaltensänderungen direkt auf den MIV wirkende Massnahmen erfordern.
Entsprechend sehen die Teams im Verkehrsmanagement sowie der Parkraumpolitik den grössten
zusätzlichen Zielbeitrag. Bei den weiteren Massnahmenbereichen werden je nach Team unter-
schiedliche Akzente gesetzt (ÖV-Ausbau, Velo- und Fussverkehr, Mobilitätsmanagement, Stadt-
logistik und raumplanerische Massnahmen).
     Das Beurteilungsgremium hat darauf basierend ein optimiertes Bündel von 7 Massnahmen-
paketen geschnürt. Es sind dies:

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Einleitung
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     1. Städtisches und regionales Verkehrsmanagement
     2. Umfassende städtische und regionale Parkraumbewirtschaftung
     3. Optimierte grenzüberschreitende Information und Tarifierung im ÖV
     4. Breite Veloförderung und attraktives gesamtregionales Veloroutennetz
     5. Weitere Verkehrsberuhigung in den Quartieren und Aufwertung der Quartierzentren
     6. Aktive Mobilitätsberatung und –information
     7. Stadtlogistik – stadtverträgliche Abwicklung des Güterverkehrs

Das Massnahmenpaket wird hinsichtlich Kosten-Wirksamkeit, Umsetzungshemmnissen, regio-
naler Abstimmungsnotwendigkeit und weiteren Aspekten gewürdigt. Darauf basierend zieht das
Beurteilungsgremium folgende Schlussfolgerungen:

Zielhorizont 2020
› Mit einer konsequenten Umsetzung der bisher geplanten Massnahmen kann der sonst dro-
  hende Mehrverkehr zwischen 2010 und 2020 auf dem Niveau von 2010 stabilisiert werden.
  Bereits die Umsetzung der geplanten Massnahmen ist aber kein Selbstläufer. Insbesondere die
  Finanzierung der Tramausbauten und die planerische Umsetzung einzelner Verkehrsberuhi-
  gungsmassnahmen erfordern grosse Anstrengungen.
› Mit dem vorgeschlagenen Bündel von sieben ergänzenden Massnahmenpaketen ist eine
  10%-ige Reduktion gegenüber dem Niveau 2010 grundsätzlich erreichbar. Die Umsetzung ist
  aber sehr anspruchsvoll und nicht ohne spürbare Einschränkungen im motorisierten Individu-
  alverkehr zu erreichen.
› Die regionale Abstimmung der Massnahmenpakete ist zwingend, insbesondere bezüglich
  Verkehrsmanagement und Parkraumpolitik, aber auch beim Veloroutennetz und der Stadtlogis-
  tik. Infolge aufwändiger regionaler Prozesse muss Basel-Stadt mit Blick auf den ambitionier-
  ten „Stiig-um“-Zielhorizont daher auch den eigenen Handlungsspielraum konsequent nutzen.
› Die Umsetzung von „Stiig-um“ erfordert ein räumlich und fachlich abgestimmtes Gesamtpa-
  ket. Neben den direkt auf den MIV wirkenden Verkehrsmanagement- und Parkraummassnah-
  men sind auch die bisherigen Anstrengungen zur Verbesserung der alternativen Angebote im
  öffentlichen, Fuss- und Veloverkehr zu verstärken. Letztere alleine genügen aber klar nicht.

Längerfristig über 2020 hinaus
In einer längerfristigen Optik über den Zeithorizont 2020 hinaus ist insbesondere die Raumpla-
nung gefordert. Geplante Wohn- und Arbeitsplatzschwerpunkte mit sehr guter ÖV-

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Erschliessung sind konsequent umzusetzen und neue innovative Siedlungsformen für eine nach-
haltigere Mobilität der kurzen Wege sind zu unterstützen. Die seit längerem verfolgte Politik
von Entwicklungsschwerpunkten (Arbeiten und Wohnen) gilt es sowohl in Basel-Stadt als auch
in Abstimmung mit den entsprechenden Bemühungen des Agglomerationsprogramms konse-
quent weiterzuverfolgen.
     Mittel- bis längerfristig sehr wichtig ist der weitere Ausbau der Regio-S-Bahn Basel. Die
MIV-Verlagerungspotenziale sind im regionalen Verkehr bedeutend höher als im Basel-
Städtischen Binnenverkehr. Der bahnseitige Handlungsspielraum ist aber von übergeordneten
Planungen abhängig.
     Der städtische Güterverkehr dürfte bis 2020 kaum hinreichend zu verlagern sein, verfügt
aber über bedeutende Reduktionspotenziale. Dieses Handlungsfeld gilt es somit vor allem in
langfristiger Sicht anzugehen.
     Erst nach 2020 wird mutmasslich auch der „Stiig-um“-Gesetzespassus relevant, wonach
Aus- und Neubauten auf den Hochleistungsstrassen (HLS-Strassen, namentlich Osttangente
und Anschluss-City / Gundeli-Tunnel) auf dem übrigen Streckennetz zu kompensieren sind.
Falls diese Ausbauten mit geeigneten flankierenden Massnahmen begleitet werden (Kapazitäts-
abbau im umliegenden Stadtstrassennetz, Zugangsbeschränkungen in den Quartieren etc.), soll-
ten die Entlastungseffekte solcher Vorhaben für das untergeordnete Strassennetz deutlich grös-
ser sein als die induzierten (und zu kompensierenden) Neuverkehre. Letztere sind aber ebenfalls
zu erwarten.
     Und schliesslich bleibt auch Road-Pricing längerfristig ein Thema: Zum Erreichen der 10%
MIV-Reduktion sind teilweise einschränkende Massnahmen notwendig. Reduktionen von ähnli-
chem Ausmass lassen sich grundsätzlich über Road- respektive Mobility Pricing-Modelle eben-
falls erreichen. Sind solche Modelle national abgestimmt, sinken auch die dazu notwendigen
Kosten. Kurz- bis mittelfristig stellt Road-Pricing im basel-städtischen Alleingang aber keine
sinnvolle Option dar (Grenzlage von Basel-Stadt, Wettbewerbsnachteile, u.a.m.)

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1. EINLEITUNG

1.1. AUSGANGSLAGE UND ZIELE
Als Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, Fuss- und
Veloverkehrs (Städte-Initiative) wurde im November 2010 eine Änderung des Umweltschutz-
gesetzes Basel-Stadt in einer Volksabstimmung gutgeheissen, die unter anderem folgendes be-
stimmt (§ 13 Abs 2 USG BS):
     „Der Kanton sorgt dafür, dass die Gesamtverkehrsleistung des privaten Motorfahrzeugver-
kehrs auf dem Kantonsgebiet gegenüber heute langfristig abnimmt, bis zum Jahr 2020 um min-
destens 10%. Die Verkehrsleistung auf den Hochleistungsstrassen ist davon ausgenommen. Eine
Verkehrszunahme durch Aus- und Neubau von Hochleistungsstrassen muss auf dem übrigen
Streckennetz auch nach dem Jahr 2020 durch flankierende Massnahmen im gleichen Masse
kompensiert werden.“

Basis zur Konkretisierung ist ein Umsetzungskonzept, welches der Regierungsrat bis Ende 2013
in die Vernehmlassung schicken wird (nachfolgend kurz „Stiig-um“: Städteinitiative Gegenvor-
schlag - Umsetzungskonzept).
     Das 10%-MIV-Reduktionsziel von „Stiig-um“ ist nicht Selbstzweck, sondern soll die bishe-
rigen rechtlich verankerten Grundsätze für eine hohe Lebensqualität in Basel-Stadt unterstüt-
zen. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt richtet seine Verkehrspolitik an den folgenden
in der Kantonsverfassung festgeschriebenen Grundsätzen aus:
     § 30. Abs 1: Der Staat ermöglicht und koordiniert eine sichere, wirtschaftliche, umweltge-
rechte und energiesparende Mobilität. Der öffentliche Verkehr geniesst Vorrang.
     Abs. 2: Der Staat setzt sich für einen attraktiven Agglomerationsverkehr, für rasche Verbin-
dungen zu den schweizerischen Zentren und für den Anschluss an die internationalen Verkehrs-
achsen auf Schiene, Strasse sowie auf Luft- und Wasserwegen ein.

In weiteren Bestimmungen der Kantonsverfassung lassen sich indirekt Vorgaben für eine Ver-
kehrspolitik ableiten, so sorgt der Staat:
     › mit günstigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer leistungsfähigen und struk-
       turell ausgewogenen Wirtschaft. (§ 29)
     › für Massnahmen zur Reinhaltung von Erde, Luft und Wasser. (§ 33, Abs. 1)
     › für den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Lärm und sonstigen lästigen und schäd-
       lichen Einflüssen. (§ 33, Abs. 4)

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     › für die zweckmässige und umweltschonende Nutzung des Bodens im Rahmen einer auf
       die grenzüberschreitende Agglomeration abgestimmten Siedlungsentwicklung. Er wahrt
       und fördert die Wohnlichkeit wie auch die städtebauliche Qualität. (§ 34, Abs. 1)

1.2. PROJEKTORGANISATION UND STELLENWERT
     SYNTHESEBERICHT
Als Grundlage für ein Umsetzungskonzept „Stiig-um“ haben drei unabhängige Expertenteams in
einem Studienauftrag aufgrund ihres Fachwissens und ihrer Beurteilung der lokalen Situation
abgeschätzt, ob die bisher geplanten Massnahmen zur Zielerreichung ausreichen. Gleichzeitig
haben sie im Studienauftrag grob aufgezeigt, in welchen Bereichen weitergehende Massnahmen
denkbar respektive notwendig sind. Figur 1 zeigt die Projektorganisation des Studienauftrags.

 ORGANISATION STUDIENAUFTRAG

                                             Projektsteuerung
                                             HP Wessels, DV BVD
                                             A. Groff, Leiter Mobilität
                                             M. Sandtner, Leiter Planungsamt
                                             R. Reinauer, Leiter Tiefbauamt

       Fachleute BS                          Gesamtprojektleitung
       (Startworkshop und Auskünfte)         :=Beurteilungsgremium                  Begleitgruppe
       M. Weibel, Mob-VT                     S. Kettner, Mob-S                      Fussverkehr Region Basel
       B. Jurt, Mob-P                        A. Hammer, Mob-S                       ProVelo beider Basel
       B. Heiniger, Mob-P                    B. Auer, Mob-P                         VCS beider Basel
       F. Mathys, Mob-P                      S. Fischer, S&A-P                      IGöV NWCH
       M. Dolleschel, Mob-S                                                         UmverkehR Region Basel
       P. Altherr, TBA                       J. Jermann, Leiter Mobilität TBA BL    ACS Sektion beider Basel
       B. Frey-Jäggi, JSD                    A. Fellmann, Leiter Mobilität Zürich   TCS Sektion beider Basel
       C. Heinzer, PD                        Prof. D. Vallée, Universität Aachen    Gewerbeverband Basel-Stadt
       J. Hahn, S&A-GSV                      Chr. Egeler, Rapp Trans                Handelskammer beider Basel
                                                                                    Verkehrskommission der NQV

                                                                                    Team Synthese/
       Kommunikation / Mitwirkung            Projektleitung                         Umsetzungskonzept
       J. Fürstenberger                      S. Kettner, Mob-S                      R. Frick, Infras
       evtl. ext. Unterstützung              R. Frick, Infras                       B. Belart, Infras
                                                                                    L. Ickert, Infras

       Testplanungsteam 1                    Testplanungsteam 2                     Testplanungsteam 3
       Basler&Hofmann                        ewp, Ingenieure                        Metron
       IRAP Hochschule Rapperswil            Scholl+Signer
       (U. Huwer)                            (St. Erne)                             (P. Schoop)

Figur 1

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Der vorliegende Synthesebericht fasst die Ergebnisse des Studienauftrags zusammen, würdigt
diese und präsentiert in groben Zügen ein optimiertes Massnahmenpaket. Der Bericht ist vom
„Stiig-um“ Beurteilungsgremium mit Unterstützung des prozessbegleitenden Büros INFRAS
verfasst worden. Er stellt somit eine Diskussionsgrundlage dar für den weiteren Prozess, einer-
seits extern mit den in der Begleitgruppe beteiligten Verbänden, andererseits intern für die Ver-
waltung (siehe Ausblick, Kapitel 6.4). Der eigentliche Verwaltungsbericht im Sinne des Umset-
zungskonzepts folgt im Herbst 2013.

1.3. STUDIENAUFTRAG
Mit dem Studienauftrag mussten die Teams Antworten auf die folgenden Teilfragen geben:

1. Beurteilung Kohärenz Verkehrspolitik
     › Ist die gegenwärtige Verkehrspolitik des Kantons Basel-Stadt geeignet, um eine hohe
       Wohnqualität bei einer guten Erreichbarkeit des Wohn- und Wirtschaftsstandortes zu ge-
       währleisten?
     › Wird die in der Kantonsverfassung, dem Umweltschutzgesetz und dem Richtplan festge-
       schriebene Verkehrspolitik mit den geplanten Massnahmen in die Realität umgesetzt oder
       besteht eine Diskrepanz zwischen Zielvorstellungen und konkreten Projekten?
2. Abschätzung Zielerreichung (geplante Massnahmen)
     › Wie gross fällt die Reduktion der Verkehrsleistung des motorisierten Individualverkehrs
       (MIV) mit den zurzeit geplanten Massnahmen bis zum Jahre 2020 aus bzw. wie gross ist
       die Differenz zwischen dem angestrebten Ziel und der erreichten Verkehrsreduktion?
     › Welchen der zurzeit geplanten Massnahmen bzw. Massnahmenpakete kommt für die Ziel-
       erreichung eine besonders grosse Bedeutung zu?
     › Auf welche der zurzeit geplanten Massnahmen bzw. Massnahmenpaketen könnte verzich-
       tet werden, ohne die Zielerreichung massgebend zu verringern?
3. Neue Massnahmen
     › Welche weiteren bis 2020 umsetzbaren Massnahmen bzw. Massnahmenpakete braucht es,
       um das Reduktionsziel wirklich zu erreichen?
     › Welche weiteren Massnahmen sind über den Zeitpunkt 2020 hinaus geeignet, zu einer we-
       sentlichen Reduktion des MIV beizutragen?

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Einleitung
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Die Teams konnten die Methodik zur Wirkungsanalyse grundsätzlich selber wählen. Um die
Vergleichbarkeit zu gewährleisten wurden jedoch einige Vorgaben gemacht:
› Für die Zielerreichung im Jahre 2020 wird eine quantitative Aussage erwartet1. Diese soll auf
  eigenen Abschätzungen und nicht auf detaillierten Modellberechnungen beruhen. Als Informa-
  tionsgrundlage erhielten die Teams Wunschlinienmatrizen aus dem Basler Gesamtverkehrs-
  modell (GVM), inklusive dahinter stehender Strukturdaten (Bevölkerung, Arbeitsplätze). Die
  GVM-Modellierung gilt aber nicht als feste Annahme, sondern kann kritisch hinterfragt wer-
  den.
› Hinsichtlich geplanter Massnahmen haben die kantonalen Fachleute Annahmen getroffen, was
  bis 2020 mutmasslich umgesetzt werden dürfte (siehe Anhang 1).
› Die Überlegungen zur Übertragbarkeit andernorts umgesetzter Massnahmen auf den Kanton
  Basel-Stadt sollen die politischen, topographischen, raumstrukturellen und kulturellen Beson-
  derheiten sowie das konkrete heute vorhandene Verkehrsgeschehen berücksichtigen.
› Die Wirkungsabschätzungen müssen pro Massnahmenbereich und Stossrichtung erfolgen (sie-
  he Anhang 1). Die weitergehende Paketbildung von Massnahmen ist aber grundsätzlich frei.
› Wechselwirkungen zwischen einzelnen Massnahmen sind bei der Abschätzung der Gesamt-
  wirkung zu berücksichtigen.
› Neben der Beurteilung der Zielerreichung 2020 gilt es auch einen qualitativen Blick darüber
  hinaus zu machen. Wie ist die Zielrichtung? Bis wann ist mit den geplanten Massnahmen eine
  Zielerreichung denkbar?
› Für alle Massnahmen werden zudem qualitative Aussagen zu den relevanten Auswirkungen im
  Umland erwartet. Entstehen dort Probleme aufgrund von Massnahmen, die rein aus Sicht Ba-
  sel-Stadt günstig bewertet werden?
› Road-Pricing wird als Massnahme im Studienauftrag explizit ausgeklammert. Vorabklärungen
  und politische Beschlüsse haben gezeigt, dass sich der Kanton Basel-Stadt aufgrund seiner
  Grenzlage nicht für entsprechende Pilotversuche eignet. Langfristig bleibt eine Umsetzung
  aber denkbar (vgl. auch Kapitel 6.3).

Basisgerüst sind folgende Kennziffern zur Verkehrsleistung aus dem Gesamtverkehrsmodell.
Um das „Stiig-um“ Ziel von 10% Verkehrsreduktion bis 2020 gegenüber 2010 zu erreichen,
muss unter der Annahme eines (modellierten) Mehrverkehrs zwischen 2010 und 2020 von 7%
eine Reduktion von insgesamt rund 16% erzielt werden. Feste Rahmengrösse ist aber lediglich

1 Zielgrösse ist die Reduktion der Verkehrsleistung im MIV [Fahrzeugkilometer] auf dem Gebiet des Kantons Basel-
    Stadt gegenüber 2010 (ausserhalb der Hochleistungsstrassen).

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Einleitung
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die Verkehrsleistung 2010 und das 10% Reduktionsziel davon. Das modellierte Referenzwachs-
tum bis 2020 konnten die Teams kritisch hinterfragen.2

 REFERENZENTWICKLUNG UND ZIELGRÖSSE STIIG-UM
                           FzKm

                          1’306’000        Ref-Zustand 2020

                                           Zustand 2010
                          1’216’000

                                                                     -10%   -16%

                                           Ziel 2020
                          1’094’400

Figur 2 Trend- resp. Referenzentwicklung und Zielgrösse als Grundlage für die Teamschätzungen (Zahlenge-
rüst: GVM Basel).

Neben dem ‚harten‘ „Stiig-um“ Ziel der 10%-igen Reduktion bis 2020 ist auch die weiche For-
mulierung zu beachten wonach „der Kanton für eine langfristig abnehmende Gesamtverkehrs-
leistung des MIV sorgt“. Das Verkehrsreduktionsziel ist nicht Selbstzweck, sondern dient der
generellen Verbesserung der städtischen Lebensqualität. „Stiig-um“ zielt somit auf ein breites
politisches Zielsystem mit allen drei Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung (Umwelt,
Gesellschaft, Wirtschaft).

2 Die hinterlegten Verkehrsinfrastrukturen und ÖV-Angebote in der Referenzmodellierung entsprechen in grosser
   Annäherung den Annahmen zu den geplanten Massnahmen gemäss Anhang 1. Diese gehen bei den ‚weichen‘
   Massnahmen jedoch weiter.

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Einleitung
12|

2. ZIELBEITRÄGE GEPLANTE MASSNAHMEN

2.1. TEAM BASLER&HOFMANN / IRAP

Methodik und Mengengerüste
Die aktuellen Verkehrsleistungen werden auf der Datengrundlage des Gesamtverkehrsmodells
(GVM Basel) sowie des Mikrozensus Verkehrsverhalten 2010 nach Verkehrstyp (Binnen-, Ziel-
/Quell-, Transitverkehr), Verkehrszweck (Pendler-, Freizeit-, Einkaufs-, Geschäftsverkehr) so-
wie verhaltensspezifischen Gruppen (Erwerbstätige, Rentner, Jugendliche, Familien) segmen-
tiert. Das Team schätzt sodann die Wirkungen jedes Massnahmenpaketes pro Verkehrssegment.
Dies ergibt drei unabhängige Schätzungen, welche verglichen, plausibilisiert und letztlich zu
einer Gesamtschätzung aggregiert werden. Bei dieser werden Wechselwirkungen zwischen den
Massnahmen berücksichtigt, d.h. die jeweiligen Totale sind nicht additiv zu den Einzelwirkun-
gen! Die spezifische Wirkungsabschätzung erfolgt auf Basis von Referenzliteratur (v.a. Studien
anderer Städte) sowie qualitativer Einschätzung des internen Expertenteams. Die differenzierten
Verkehrsmengengerüste zeigen auf, wo die grössten Reduktionspotenziale liegen. Diese Grund-
lage ist vor allem auch für die Herleitung der ergänzenden Massnahmen entscheidend (Kapi-
tel 3).
› Auffallend bei der Kilometerleistung der verschiedenen Verkehrstypen ist namentlich der hohe
 Anteil des Güterverkehrs (26%).
› Der Quell-/Zielverkehr ist mit 38% deutlich höher als der Binnenverkehr mit 29%. Der Durch-
 gangsverkehr (exkl. Autobahnnetz) ist mit 5% klein.
› Bei den Leistungen der städtischen Bewohner fällt auf, dass der Freizeitverkehr einen grossen
 Anteil hat. Aber auch beim Pendeln fallen noch viele Kilometer an. Die mengenmässig zwar
 geringe Anzahl Begleitwege (von Kindern, Betagten, etc.) scheinen jedoch vorwiegend mit
 dem Auto gemacht zu werden und erzeugen so ebenfalls einen nennenswerten Anteil an der
 MIV-Kilometerleistung.

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Zielbeiträge geplante Massnahmen
|13

 SEGMENTIERUNG DER FAHRLEISTUNGEN 2020
                                          gefahrene Km in der Stadt                                                                   gefahrene Km der Einwohner der Stadt
                                          Verkehrstyp                                                                                 Verkehrszweck (nur EW BS)

                                                                                                        Durchgangsverkehr
                                                                             Quell-/Zielverkehr

                                                                                                                                                                              Geschäftsfahrten
                                                                                                                                         Pendlerverkehr
                                            Binnenverkehr

                                                              Güterverkehr

                                                                                                                                                                                                                              Begleitwege
                                                                                                                                                               Ausbildung
                                            Personen

                                                                                                                                                                                                 Freizeit

                                                                                                                                                                                                                Einkauf
                                                                                                                            Sum me:                                                                                                         Sum me:
                   Leistung (MIV km)
                   2020 absolut            391'425 346'546 500'000                                    68'029                 1'306'000 150'000                59'400         29'700 232'300                    97'900     84'500             653'800

                        Verkehrstyp                                                                                                                       Verkehrszw eck
                                                              Durch-
                                                              gangs-
                                                              verkehr                                                                                                       Begleit-
                                                                5%                                     Binnen-                                                               wege                           Pendler
                                                                                                       verkehr
                                                                                                                                                                                                            -verkehr
                                                                                                        29%
                                       Quell-/                                                                                                               Einkauf
                                        Ziel-               Personenverkehr
                                       verkehr                                                                                                                                                                       Aus-
                                        38%                                                                                                                                                                         bildung

                                                                                                                                                                                                                  Ge-
                                                                                                                                                                                                                schäfts-
                                                                                                   Güter-                                                                   Freizeit                            fahrten
                                                                                                  verkehr
                                                                                                   28%

Figur 3 Segmentierung der Fahrleistungen 2020 (Quelle: B&H / IRAP 2012, S. 6).

Zielerreichung
Im Anhang sind die nach Verkehrssegmenten differenzierten Wirkungsabschätzungen abgebil-
det. Die Übersicht nach den Massnahmenbereichen gemäss Arbeitsprogramm zeigt Figur 4.
     Der Abgleich der nach Segmenten differenzierten Verlagerungseffekte führt zu der Ein-
schätzung, dass die geplanten Massnahmen die Fahrleistung auf dem städtischen Strassennetz
um insgesamt rund 6% reduzieren. Die geplanten Massnahmen vermögen somit nur knapp den
prognostizierten Mehrverkehr bis 2020 aufzufangen. Die Analyse zeigt die Begrenztheit der
Massnahmen auf das Stadtgebiet und die fehlende Beeinflussung des Verkehrs aus der Agglo-
meration. Im Zusammenspiel der Massnahmen auf die verschiedenen Verkehrssegmente zeigen
sich die folgenden Erkenntnisse:
› In Basel ist ein gutes Alternativangebot zum MIV vorhanden, aber der Druck für einen Um-
 stieg ist zu wenig stark: Push-Massnahmen3 fehlen.
› Der Umbau des HVS-Netzes bietet erste Ansätze, aber Steuerung und Lenkung sind noch zu
 schwach (konsequente Priorisierung ÖV, Grünangebot und Wartezeit für Fussgänger, Dosie-
 rung etc.).

3 Push-Massnahmen zielen direkt auf die Beeinflussung des MIV, wohingegen Pull-Massnahmen alternative Ver-
   kehrsmittel fördern (ÖV, Fuss- und Veloverkehr) oder anderweitige Anreize zur Verkehrsverlagerung oder –
   reduktion setzen.

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Zielbeiträge geplante Massnahmen
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› Das Parkraummanagement (Angebot und Kosten) wirkt noch zu schwach.
› Der Güterverkehr hat einen sehr hohen Anteil am Gesamtverkehr und wird durch Massnahmen
 nicht tangiert.
› Auch Basel hat einen hohen Anteil Freizeitverkehr, welcher mit den geplanten Massnahmen
 kaum tangiert wird.

 WIRKUNG GEPLANTER MASSNAHMEN (B&H / IRAP)
                                                                               Strassenverkehr                                                           Verkehrs-                                         Öffentlicher                                                              Fuss- und                                                                                                                 Mobilitäts-                                                                                    Gesamttotal
                                                                                                                                                         management                                        Verkehr                                                                   Veloverkehr                                                                                                               management

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Gesamttotal (keine Summe!)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Mobilitätsmanagement MIV

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Kampagnen MobVerhalten
                                                                                                                                                                                                                                                           Ausbau Fussverkehrsnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Velo und öV / Bike & Ride

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Finanzpolit. Massnahmen
                                                                                          Parkraumbewirtschaftung

                                                                                                                                                                                                                                                                                      Ausbau Veloroutennetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Velo-Dienstleistungen
                                                                                                                    Verkehrsberuhigung

                                                                                                                                                          Verkehrssteuerung
                                                                        Aus-/ Umbau HVS

                                                                                                                                                                                         Ausbau Tramnetz

                                                                                                                                                                                                                              Ausbau Bahnnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Betriebliches MM
                                                                                                                                                                                                             Ausbau Busnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Total Fuss/Velo
                                                                                                                                         Total Strasse

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Total MM
                                                                                                                                                                              Total VM

                                                                                                                                                                                                                                                Total ÖV

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Referenz 2020
                                                                  0%
   Reduktion der Verkehrsleistung 2020 auf dem Strassennetz BS

                                                                 -2%

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  -16%
                                                                 -4%

                                                                 -6%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Zustand 2010

                                                                 -8%

                                                                 -10%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           -10%

                                                                 -12%

                                                                 -14%

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Ziel 2020
                                                                 -16%

Figur 4 Wirkungen geplanter Massnahmen (Quelle: B&H / IRAP 2012, S. 20). Zu beachten: Es dürfen keine
Summen der Einzel-Wirkungen vorgenommen werden. Eine Aggregation der Wirkung findet einerseits inner-
halb der einzelnen Massnahmenbereiche statt, andererseits als Gesamtwirkung unter Berücksichtigung von
Wechselbeziehungen.

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Zielbeiträge geplante Massnahmen
|15

2.2. TEAM EWP / SCHOLL+SIGNER

Methodik und Mengengerüste
Für die Analyse der Wirkungen hat das Team ewp die Nachfragematrizen aus dem kantonalen
Verkehrsmodell nach verschiedenen Segmenten differenziert. Darauf basierend wurden die mas-
snahmenspezifischen Wirkungen geschätzt, anhand von Referenzliteratur, Pivot-Point-
Analysen4 sowie eigenen qualitativen Expertenschätzungen.
     Als weitere Grundlagen hat das Team Potenzialanalysen vorgenommen, einerseits bezüglich
Ausgangslage im Städtevergleich, andererseits indem das Gesamt-Reduktionsziel ins Verhältnis
gesetzt wird zu einzelnen Verkehrssegmenten in Basel-Stadt. Folgende Verkehrspotenziale wer-
den ausgewiesen:
› Die Agglomeration Basel (Schweizer Teil) weist bereits heute mit 17.4 km pro Person und Tag
 die geringste MIV-Verkehrsleistung aller schweizerischen Agglomerationen auf.
› Insbesondere der Binnenpendlerverkehr weist heute einen sehr tiefen MIV-Anteil auf, dadurch
 ist das Reduktionsvolumen begrenzt.
› Beim regionalen Pendlerverkehr sind Volumen und heutiger MIV-Anteil höher. Die Qualität
 der ÖV-Verbindungen ist dank der S-Bahn heute aber auch auf einem hohen Niveau.
› Der Freizeit- und Einkaufsverkehr bewegt sich sowohl innerhalb des Kantons Basel-Stadt als
 auch von und in die Nachbarkantone sowohl bezüglich Volumen als auch bezüglich heutigem
 MIV-Anteil im mittleren Bereich. Potenzial besteht insbesondere bei der Steuerung und Be-
 wirtschaftung des Parkraums.
› Im (landes-) grenzquerenden Verkehr ist das Potenzial angesichts des heute hohen MIV-
 Anteils bei allen Verkehrszwecken gross.

Aus nachfolgender Darstellung ist ersichtlich, wie stark die Veränderung an verschiedenen
Stellschrauben ceteris paribus sein müsste, um das 10% Ziel abzudecken. So müsste beispiels-
weise der heutige MIV-Binnenverkehr um mehr als einen Drittel reduziert werden. Der MIV-
Pendlerverkehr müsste halbiert werden. Soll die gesamte Reduktion durch Verlagerung auf den
ÖV erreicht werden, müsste das Fahrgastaufkommen des ÖV um knapp ein Drittel erhöht wer-
den. Die Übersicht zeigt, dass die Anstrengung bei Betätigung einer einzigen Stellschraube er-
heblich ist. Die Konzentration auf einen einzelnen Ansatz wäre nicht effizient, da die Grenznut-

4 Modellunterstützte Analyse der Nachfragewirkung ausgewählter Infrastrukturmassnahmen (unter Verwendung
   ausgewählter Parameter aus Verkehrsmodellen sowie Elastizitäten).

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Zielbeiträge geplante Massnahmen
16|

zen bei so grossen Verschiebungen abnehmen. Zudem wäre mit unerwünschten Nebenwirkun-
gen (z.B. abnehmende Standortattraktivität) zu rechnen.

 REDUKTIONSZIEL BEZOGEN AUF EINZELSEGMENTE

Figur 5 Illustration, was das 10%-ige Reduktionspotenzial bezogen auf Einzelsegmente bedeuten würde (Quel-
le: ewp / Scholl+Signer 2012, S. 9).

Zielerreichung
Im Anhang sind die nach Verkehrssegmenten differenzierten Wirkungsabschätzungen abgebil-
det. Die Übersicht nach den Massnahmenbereichen gemäss Arbeitsprogramm zeigt Figur 6.
     Das Team ewp kommt zum Ergebnis, dass die geplanten Massnahmen die Fahrleistung auf
dem städtischen Strassennetz um insgesamt rund 7.4% reduzieren. Die vorgeschlagenen Mass-
nahmen vermögen also in etwa den prognostizierten Mehrverkehr bis 2020 aufzufangen.
     Zu beachten: Das Team ewp betont die Verbundoptik der Wirkungszusammenhänge. Sie
weisen als einziges Team die Gesamtwirkungen additiv aus! D.h. die Gesamtwirkung ist metho-
disch vergleichbar mit den anderen Teams, die ausgewiesenen Einzelwirkungen hingegen sind
konservativer eingeschätzt.
     Die grössten Wirkungen werden folgenden Stossrichtungen zugewiesen:
› Ausbau des Tramnetzes: Insbesondere aufgrund der geplanten grenzüberschreitenden Relatio-
 nen resp. Linienverlängerungen (Weil a.R., Saint-Louis) mit heute noch hohen MIV-Anteilen.
› Parkraumbewirtschaftung: relativ grosses Wirkungspotenzial, weil 12‘000 Parkplätze (12%)
 heute noch nicht bewirtschaftet sind und bei den Kurzzeitparkplätzen beträchtliches Gebüh-
 renerhöhungspotenzial besteht (Annahme 50%).
› Individuelles und betriebliche Mobilitätsmanagement: Zeigt mittlere Wirkung, insbesondere
 die Informationsmassnahmen für Neuzuzüger und das betriebliche Mobilitätsmanagement. Bei
 letzterem wird angenommen, dass über die nächsten 10 Jahre 40 Unternehmen (oder jedes

Studienauftrag „Stiig-Um“ - Synthese | 23. April 2013 | Zielbeiträge geplante Massnahmen
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 Fünfte mit mehr als 100 Mitarbeitenden) angesprochen werden können, womit sich knapp 10%
 der Beschäftigten mit ihrer Mobilität auseinandersetzen.
› Verkehrsmanagement: Zeigt ebenfalls nur eine mittlere Wirkung unter der Annahme, dass mit
 der geplanten LSA-(Lichtsignalanlage)Strategie bis 2020 erst bei einem Drittel der Anlagen
 jeweils nur ein Drittel der MIV-Beziehungen längere Verlustzeiten in Kauf nehmen müssen.

 WIRKUNG GEPLANTER MASSNAHMEN (EWP)
                                                                               Strassenverkehr                                                           Verkehrs-                                         Öffentlicher                                                              Fuss- und                                                                                                                 Mobilitäts-                                                                             Gesamttotal
                                                                                                                                                         management                                        Verkehr                                                                   Veloverkehr                                                                                                               management

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Mobilitätsmanagement MIV

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Kampagnen MobVerhalten
                                                                                                                                                                                                                                                           Ausbau Fussverkehrsnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Velo und öV / Bike & Ride

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    Finanzpolit. Massnahmen
                                                                                          Parkraumbewirtschaftung

                                                                                                                                                                                                                                                                                      Ausbau Veloroutennetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Velo-Dienstleistungen
                                                                                                                    Verkehrsberuhigung

                                                                                                                                                          Verkehrssteuerung
                                                                        Aus-/ Umbau HVS

                                                                                                                                                                                         Ausbau Tramnetz

                                                                                                                                                                                                                              Ausbau Bahnnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Betriebliches MM
                                                                                                                                                                                                             Ausbau Busnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Total Fuss/Velo
                                                                                                                                         Total Strasse

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Gesamttotal
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Total MM
                                                                                                                                                                              Total VM

                                                                                                                                                                                                                                                Total ÖV

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Referenz 2020
                                                                  0%
   Reduktion der Verkehrsleistung 2020 auf dem Strassennetz BS

                                                                 -2%

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   -16%
                                                                 -4%

                                                                 -6%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Zustand 2010

                                                                 -8%

                                                                 -10%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            -10%

                                                                 -12%

                                                                 -14%

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Ziel 2020
                                                                 -16%

Figur 6 Wirkungen geplanter Massnahmen (Quelle: ewp 2012, S. 13). Zu beachten: Im Gegensatz zu den
anderen Teams sind die Totale pro Massnahmenbereich sowie die Gesamtsumme beim Team ewp kumulativ.
D.h. umgekehrt, dass die Einzel-Wirkungen (als Teil der Verbundwirkung pro Massnahmenbereich) etwas
zurückhaltender geschätzt wurden.

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18|

2.3. TEAM METRON

Methodik und Mengengerüste
Das Team Metron macht zunächst Analysen zur aktuellen Verkehrszusammensetzung und zu
den Dynamiken. Folgende Erkenntnisse mit Blick auf die Reduktionspotenziale werden daraus
gezogen:
› Beinahe die Hälfte des Basler Verkehrs ist Freizeitverkehr. Dieser weist mit Abstand den
 grössten MIV-Anteil auf.
› Innerhalb einzelner Verkehrssegmente dominiert der MIV im Durchgangsverkehr (90%), ge-
 folgt vom Quell-/Zielverkehr (60%). Der ÖV dominiert einzig innerhalb des Binnenverkehrs
 (60%).
› Der Motorisierungsgrad ist in Frankreich deutlich höher als im schweizerischen und deutschen
 Teil der Agglomeration Basel. In Basel-Stadt stagniert der Motorisierungsgrad seit ca. 2004
 (Figur 7Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.).
› Die Verkehrsmengen auf dem Hauptverkehrsstrassen-Netz stagnieren in Basel-Stadt seit rund
 10 Jahren oder nehmen tendenziell sogar leicht ab (Figur 8).

Figur 7 Motorisierungsgrad im Dreiländereck (Metron 2012: Quelle: Statistisches Amt Kanton Basel-Stadt
2010).

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Figur 8 Verkehrsbelastung (DTV) auf wichtigen Hauptachsen (Quelle: Metron 2012 S.14; Datenquelle: Ver-
kehrszählungen Kt. BS).

Auf dem Hintergrund der stagnierenden Verkehrsentwicklung der vergangenen 5-10 Jahre und
der Tatsache, dass vielerorts die Kapazitätsgrenzen erreicht sind, hinterfragt Metron das im
GVM modellierte Strassenverkehrswachstum von +7% zwischen 2010 und 2020. Zusammen mit
der Annahme eines konsequenten Ausbaustopps (HLS und HVS) wird ein Nullwachstum ange-
nommen, womit sich das Reduktionsziel auf die 10% gegenüber dem Verkehr 2010 beschränkt.
     Basierend auf dieser Annahme und den untersuchten Mengengerüsten nimmt das Team
Metron für die Wirkungsbeurteilung qualitative Expertenschätzungen vor, teilweise gestützt auf
Referenzliteratur, teilweise in eigener Einschätzung. Bei ausgewählten Massnahmen (v.a. Dosie-
rungsmassnahmen) werden allgemeine Kapazitätsfunktionen verwendet. Bei der qualitativen
Wirkungsbeurteilung differenziert das Team nach den funktionalen Mechanismen ‚verzichten‘,
‚dosieren‘, ‚beheben‘ und ‚anbieten‘.

Am Schluss der Analysearbeiten formuliert das Team die folgenden sechs Thesen:
1. Der Stau bleibt immer gleich: Gewonnene Reisezeiten durch Strassenausbau führen zu län-
     geren Wegen, die Verkehrsleistung insgesamt nimmt zu.
2. Die Erreichbarkeit muss im Ganzen verbessert werden: Reduzierte MIV-Erreichbarkeit führt
     nicht zu einer Attraktivitätsminderung des Stadtzentrums. ÖV und Langsamverkehr gewähr-
     leisten die Erreichbarkeit.
3. Eine Reduktion der Verkehrsleistungen muss primär mit MIV-Massnahmen erreicht wer-
     den: Vor allem über Kapazitätsreduktion des MIV-Netzes (Verkehrssteuerung, Spurabbau)
     und Geschwindigkeitsbeschränkungen..

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4. Lücken und Mängel im ÖV und Fussgänger-/Veloverkehr stehen einer stärkeren Nutzung
     im Weg: Die schwächste Stelle auf einer Verbindung entscheidet über die Verkehrsmittel-
     wahl.
5. Verkehr ist kein statisches System: Nachfragebeeinflussung ist möglich.
6. Es braucht nicht nur Ausbauten, sondern auch Entscheide, etwas nicht zu tun: insbesondere
     konsequenter Verzicht auf Ausbau der MIV-Kapazitäten.

Zielerreichung
Im Anhang sind die nach Verkehrssegmenten differenzierten Wirkungsabschätzungen abgebil-
det. Die Übersicht nach den Massnahmenbereichen gemäss Arbeitsprogramm zeigt Figur 9.
     Metron geht davon aus, dass nur die Wirkungen von Massnahmen quantifiziert werden dür-
fen, die nachhaltig den MIV reduzieren, d.h. die MIV-Kapazitäten vermindern („Push-
Massnahmen“). Ausbaumassnahmen bei den alternativen Verkehrsträgern und übrige „Pull-
Massnahmen“ (z.B. Mobilitätsmanagement) führen nicht zu einer nennenswerten MIV-
Reduktion (sondern zu zeitlichen und räumlichen Verlagerungen sowie zu Neuverkehr).
     Wie oben erläutert setzt Metron die Reduktionspotenziale in Bezug zur Verkehrsmenge
2010 (und nicht zum modellierten Referenzzustand 2020 wie die beiden anderen Teams), da
gemäss Metron infolge des konsequenten Verzichts auf Kapazitätsausbauten beim MIV bis da-
hin die Verkehrsleistung nicht mehr weiter wachsen würde.
     Nachhaltige Wirkung bei den geplanten Massnahmen haben gemäss Metron:
› Einschränkungen des Strassenverkehrs (z.B. Sperrung Elisabethenstrasse)
› Parkraumbewirtschaftung
› Verkehrssteuerung/-lenkung (LSA-Strategie)
› Verkehrsberuhigung (Konzept Innenstadt)
› Tram-/Busnetzausbau (nur soweit damit auch die Strassenkapazität reduziert wird, d.h. durch
 LSA-Priorisierung, Spurabbau, etc.)

Mit den bisher geplanten Massnahmen kann auch gemäss Metron das Reduktionsziel 2020 nicht
erreicht werden. Die Gesamtwirkung mit Bezug auf den Zustand 2010 beträgt 2.5% bis 3%.
Ergänzende Massnahmen sind somit unabdingbar.

Als einziges Team gibt Metron auch Hinweise, welche der bereits geplanten Massnahmen nicht
zielführend sind. Dazu zählen insbesondere die Anwohner-Parkkarte (zu tiefer Preis) und die

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Pendler-Parkkarte (trotz höherem Preis besteht das Risiko, dass Wirkung der übrigen Parkraum-
bewirtschaftung abgeschwächt wird).

 WIRKUNG GEPLANTER MASSNAHMEN (METRON)
                                                                                                               Strassenverkehr                                                                      Verkehrs-                                                      Öffentlicher                                                           Fuss- und                                                                                                  Mobilitäts-                                                                         Gesamttotal
                                                                                                                                                                                                    management                                                     Verkehr                                                                Veloverkehr                                                                                                management

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Ausbau Veloabstellplätze inkl B&R
                                                                            Verzicht MIV-Infrastrukturausbau

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Finanzpolitische Massnahmen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Mobilitätsmanagement MIV
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Kampagnen MobVerhalten
                                                                                                                                                     Parkraumbewirtschaftung

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Ausbau Fussverkehrsnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Ausbau Veloroutennetz
                                                                                                                                                                                                                        Total Strassenverkehr
                                                                                                                                                                               Verkehrsberuhigung

                                                                                                                                                                                                    Verkehrssteuerung
                                                                                                                                   Aus-/ Umbau HVS

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Betriebliches MM
                                                                                                                 Aus-/ Umbau HLS

                                                                                                                                                                                                                                                Ausbau Bahnnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                  Ausbau Tramnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                    Ausbau Busnetz

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Gesamtwirkung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Total Fuss/Velo

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Total MM
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Total ÖV
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Referenz 2020
                                                                    0.0%
     Reduktion der Verkehrsleistung 2020 auf dem Strassennetz BS

                                                                    -2.0%                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      -16%

                                                                    -4.0%

                                                                    -6.0%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Zustand 2010

                                                                    -8.0%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        -10%

                                                                   -10.0%

                                                                   -12.0%

                                                                   -14.0%

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Ziel 2020
                                                                   -16.0%

Figur 9 Wirkungen geplanter Massnahmen (Quelle: Metron 2012, S. 25). Zu beachten: Metron hat eine zu den
anderen Teams leicht abweichende Skalierung vorgenommen. Die Wirkungsabschätzungen der Einzelmass-
nahmen erfolgen bezüglich dem Zustand 2010. Dies in der Annahme dass durch Ausbaustopp im Strassennetz
kein Verkehrswachstum bis 2020 erfolgt.

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2.4. SYNOPSIS
Die Ergebnisse zur Wirksamkeit der geplanten Massnahmen lassen sich folgendermassen zu-
sammenfassen:
› Die Teams kommen überstimmend zur Ansicht, dass mit den geplanten Massnahmen das
 prognostizierte MIV-Referenzwachstum bis 2020 unterdrückt werden kann. Eine Reduktion
 des bestehenden Verkehrs und entsprechende Verhaltensänderungen erfordern jedoch weiter-
 gehende, direkt auf den MIV wirkende Massnahmen (Push-Massnahmen). Demgegenüber ha-
 ben die geplanten Massnahmen eher Pull-Charakter, d.h. bieten zum MIV alternative Angebo-
 te oder setzen Anreize.
› Die Höhe der Einzelbeträge variiert teilweise beträchtlich. Das ist einerseits auf methodische
 Unterschiede zurückzuführen (z.B. hat ewp eine additive Wirkungsschätzung vorgenommen),
 andererseits auf unterschiedliche Experteneinschätzungen.
› Die grössten Einzelbeiträge können in der Referenzentwicklung vom ÖV-Ausbau erwartet
 werden, zumindest gemäss Einschätzungen von zwei Teams (ewp und B&H). Der Tramnetz-
 ausbau liefert dabei den weitaus grössten Teilbeitrag. Ein substanzieller Bahn-seitiger Beitrag
 kann hingegen infolge aktueller Kapazitätsengpässe erst nach 2020 erwartet werden (Ausbau
 Ostkopf Basel SBB, ¼h-Takt Regio S-Bahn im inneren Agglomerationsperimeter sowie Herz-
 stück).
› Ein weiterer gewichtiger Wirkungsbeitrag wird (von allen Teams) in der geplanten Park-
 raumbewirtschaftung gesehen (v.a. Umwandlung von weissen in blaue Zonen sowie erhöhte
 Tarife für Kurzzeitparkieren).
› Die bisher geplanten Verkehrssteuerungsmassnahmen (LSA-Strategie) wirken gemäss Ein-
 schätzungen der Teams noch zu wenig, vor allem weil diese noch nicht flächendeckend anset-
 zen und an den Einfallsachen den Verkehr zu wenig konsequent dosieren (nur punktuelle
 räumlich-zeitliche Verlagerungen).
› Bei den Wirkungen der bisher geplanten Massnahmen im Fuss- und Veloverkehr sind sich
 die Teams nicht einig: Zwei von drei Teams sind sehr zurückhaltend (ewp und Metron), wo-
 hingegen B&H einen bedeutenden Zielbeitrag von knapp -4% postulieren.
› Schliesslich sind die Teams bei den (auf Information und Sensibilisierung ausgerichteten)
 Wirkungen im Bereich Mobilitätsmanagement etwas zurückhaltend, trotz geplanter zahlrei-
 cher neuer Initiativen. Dies vor allem auf dem Hintergrund, dass das bestehende Basler Ver-
 kehrsangebot im ÖV, Fuss- und Veloverkehr und deren Nutzung (Modal Split) grundsätzlich
 bereits auf einem hohen Niveau ist.

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› Hinsichtlich Verkehrssegmenten liegen die höchsten MIV-Anteile und grössten Reduktionspo-
 tenzial beim (regionalen) Ziel-/Quellverkehr sowie beim städtischen Güterverkehr. Das
 macht deutlich, dass die Massnahmen des Kantons Basel-Stadt im Kontext „Stiig-um“ gesamt-
 regional abgestimmt sein müssen.
› Grösste Herausforderung bei den Verkehrszwecken ist der im Vergleich zum Pendlerverkehr
 schlecht kanalisierbare Freizeitverkehr mit sehr hohen MIV-Anteilen. Beim Pendlerverkehr
 liegen primär noch im grenzquerenden Verkehr mit Frankreich bedeutende Potenziale.

                 Würdigung Beurteilungsgremium:
                 Die Gesamteinschätzung wird geteilt, wonach mit den geplanten Mass-
                 nahmen der Verkehr insgesamt stabilisiert resp. der zusätzliche Verkehr
                 auf ÖV und Fuss-/Veloverkehr gelenkt, nicht aber der bestehende Stras-
                 senverkehr merklich gesenkt werden kann. Als Schlüsselmassnahmen der
                 Referenzentwicklung sieht auch das Beurteilungsgremium den geplanten
                 Tramausbau und die Parkraumpolitik. Subsidiär wirken Verkehrsberuhi-
                 gung / Strassengestaltung, Velonetzausbau und die Ansätze des Mobili-
                 tätsmanagement. Letztere sind vergleichsweise kostengünstige Mass-
                 nahmen und in Basel noch nicht ausgeschöpft. Die sehr grossen Wir-
                 kungsbeiträge des Teams B&H in den Bereichen öffentlicher, Fuss- und
                 Velo-Verkehr werden kritisch hinterfragt.
                 Die Annahme von Metron eines rigorosen Ausbaustopps im Strassennetz
                 gilt es zu relativieren: Zumindest in den Referenzannahmen gemäss Ar-
                 beitsprogramm sind in Basel-Stadt keine MIV-Ausbauten bis 2020 unter-
                 stellt (weder auf dem HLS- noch auf dem untergeordneten Strassennetz).
                 Dass die in den Verkehrsmodellen prognostizierte Verkehrszunahme zwi-
                 schen 2010 und 2020 geringer ausfallen wird, ist denkbar. Dies ist aber
                 nicht ausschliesslich auf mangelnde Kapazitäten zurückzuführen, sondern
                 bei konsequenter Umsetzung auch den bereits geplanten Massnahmen
                 zuzuschreiben. Die Stagnation der letzten Jahre auf dem untergeordneten
                 Netz ist zudem auch darauf zurückzuführen, dass auf dem HLS-Netz Ka-
                 pazitäten geschaffen wurden (v.a. mit der Nordtangente). Die HLS-
                 Kapazitäten werden aber immer knapper (insbesondere auf der Osttan-
                 gente) und der Druck auf das untergeordnete Netz wird dadurch grösser.

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3. KOHÄRENZ DER BASLER VERKEHRSPOLITIK

Die Vorgaben für die Basler Verkehrspolitik lassen sich in erster Linie aus Artikel 30 der Kan-
tonsverfassung ableiten, wonach „Der Staat eine sichere, wirtschaftliche, umweltgerechte und
energiesparende Mobilität ermöglicht und koordiniert. Der öffentliche Verkehr geniesst Vor-
rang. Der Staat setzt sich für einen attraktiven Agglomerationsverkehr, für rasche Verbindungen
zu den schweizerischen Zentren und für den Anschluss an die internationalen Verkehrsachsen
auf Schiene, Strasse sowie auf Luft- und Wasserwegen ein.“
     In weiteren Verfassungsartikeln sind indirekte Bezüge zur Verkehrspolitik ableitbar (insbe-
sondere Art. 29, 33 und 34). Die verfassungsrechtlichen Grundsätze werden in verschiedenen
Gesetzesartikeln konkretisiert, insbesondere im Gesetz über den öffentlichen Verkehr und im
Umweltschutzgesetz. Hinzu kommen Leitsätze des Kantonalen Richtplans. Mit dem Gegenvor-
schlag zur Städteinitiative wird nun erstmalig eine quantitative Zielgrösse im Umweltschutzge-
setz verankert.
     Die Teams haben die Kohärenz zwischen den geplanten Massnahmen und den verkehrspoli-
tischen Grundlagen (inklusiver neuer quantitativer Zielvorstellungen von „Stiig-um“) unter-
sucht. Sie kommen zu folgenden Schlüssen:
› Die Förderung des öffentlichen, Fuss- und Veloverkehr (Verkehrsmittel des Umweltverbun-
  des) ist aus sämtlichen Grundlagen direkt oder indirekt ableitbar und deckt sich mit den Zielen
  von „Stiig-um“.
› Im MIV (HLS- und städtisches Netz) sind bis 2020 grundsätzlich keine Netzausbauten resp. –
  ergänzungen vorgesehen. Das Ziel ist die Sicherstellung der heutigen Kapazitäten. Auch dies
  ist grundsätzlich kohärent zu den verkehrspolitischen Grundsätzen.
› Die weiteren Massnahmen, vor allem Umgestaltungsmassnahmen zur Aufwertung der Wohn-
  und Arbeitsqualität (namentlich im Bereich Verkehrsberuhigung), sind kohärent mit der Basler
  Verkehrspolitik.
› Alle Teams betonen, dass die bisherigen Massnahmen primär Pull-Charakter aufweisen, d.h.
  neue Angebote oder Anreize beim ÖV und Fuss-/Veloverkehr setzen zur Verlagerung des
  MIV.
› Hingegen fehlen stärker restriktive, direkt auf eine MIV-Reduktion zielende Massnahmen.
  Nur damit lässt sich der neue Umweltgesetzesartikel gemäss „Stiig-um“ hinreichend umsetzen.
› Metron weist zudem darauf hin, dass im Kantonalen Richtplan Massnahmen zum Kapazitäts-
  ausbau auf dem HLS-Netz hohe Priorität geniessen und umgekehrt die flankierenden Mass-

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  nahmen auf dem untergeordneten Netz nur vage formuliert sind. Letzteres ist aber absolut ent-
  scheidend, um das Reduktionziel von „Stiig-um“ zu erreichen.
› Im gleichen Sinne werden einzelne der geplanten Massnahmen zwar nicht als inkohärent, aber
  ungenügend beurteilt mit Blick auf das „Stiig-um“ Reduktionsziel: Insbesondere die bisherige
  LSA-Praxis, weil sie die Maximierung der Leistungsfähigkeit für den MIV postuliert und nicht
  den Kapazitätsabbau, aber auch die Parkraumpolitik (zu niedrige Tarife von Anwohner- und
  Pendlerparkkarten) oder die fehlende Zonierung des Umweltschutz-Abonnements.

                 Würdigung Beurteilungsgremium:
                 Auch das Beurteilungsgremium kommt zum Schluss, dass die bisherige
                 Basler Verkehrspolitik insgesamt sehr kohärent ist. Die neue Rechts-
                 grundlage mit dem quantitativen MIV-Reduktionsziel von „Stiig-um“ erfor-
                 dert aber zusätzliche Massnahmen.
                 Es genügt folglich nicht, Alternativen zum MIV in Form verbesserter An-
                 gebote im öffentlichen, Fuss- und Veloverkehr zu schaffen. Vielmehr gilt,
                 mit gezielten Massnahmen auch den MIV direkt zu beeinflussen, entwe-
                 der in Richtung Verlagerung auf alternative Verkehrsmittel oder in Rich-
                 tung Fahrtenverzicht. Eine rein zeitliche Verlagerung ist nicht zielführend.
                 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Mehrverkehr durch Aus-
                 oder Neubau von Hochleistungsstrassen auf dem übrigen Strassennetz
                 kompensiert werden muss. Dies dürfte nach heutigem Planungsstand
                 zwar erst nach 2020 eintreten, erfordert aber grosse Anstrengungen hin-
                 sichtlich flankierender Massnahmen (zusätzlich zu einem kurzfristigen
                 „Stiig-um“-Massnahmenpaket).
                 Zur Umsetzung von „Stiig-um“ braucht es ein Gesamtpaket, das wirksam,
                 kosteneffizient und vor allem regional abgestimmt ist, um Ziel- und Quell-
                 verkehre beeinflussen zu können.

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4. ZIELBEITRÄGE ERGÄNZENDE MASSNAHMEN

4.1. TEAM BASLER&HOFMANN / IRAP
Auf Basis der nach Verkehrssegmenten differenzierten Potenzialanalyse konstatiert das Team
B&H, dass die bisherigen Massnahmen sich hauptsächlich auf die Bereiche Infrastruktur und
Angebot wie auch ergänzende Pull-Massnahmen beziehen. Sehr schwach wirken bisher die
Push-Massnahmen. Ergänzende Massnahmen müssen daher vor allem aus diesem Bereich
kommen. Das Team leitet sechs prioritäre Stossrichtungen ab:
     › Verkehrsmanagement – umfassende Dosierung und Steuerung des MIV
     › Parkierung – Parkraumbewirtschaftung ausweiten
     › Fuss- und Veloverkehr – gewonnene Freiräume nutzen
     › ÖV – Tramnetzausbauten nutzen für Angebotsverbesserungen
     › Mobilitätskultur – Umstieg thematisieren & kommunizieren
     › Stadtlogistik – stadtverträgliche Abwicklung des Güterverkehrs
Die folgende Tabelle fasst die damit verbundenen Massnahmenpakete und deren Wirkungsab-
schätzung zusammen.

 ERGÄNZENDE MASSNAHMEN (B&H / IRAP)
 Stossrichtung              Teilmassnahmen                                                          Wirkung
                                                                                                    Red.[FzKm]
 1. Verkehrsmanage-         › Verkehrssteuerung und Verkehrslenkung: Zufahrtsdosierungen                   5.5%
 ment                         sowie Koordination der Lenkungsmassnahmen im Rahmen und er-
                              gänzend zur LSA-Strategie. Abstimmung der Pförtneranlagen mit
                              den Gemeinden des Agglomerationsgürtel, insbesondere in Richtung
                              Allschwil und Birstal
                            › Verkehrsberuhigung in Quartieren: Weitere Ausdehnung der Tempo-              0.9%
                              30-Zonen (als Übergangslösung nur nachts) sowie temporäre Sper-
                              rungen von Abschnitten, die von Schleichverkehren (infolge der VM-
                              Massnahmen) besonders betroffen sind
                            › Umbau von Hauptverkehrsstrassen: Weitere Umverteilung von Flä-               1.3%
                              chen (Fahrstreifenreduktion) zugunsten des ÖV, Fuss- und Velover-
                              kehrs
                            › Zeitliche Bewirtschaftung von Strassen: Tageszeitliche Nachfrage-             k.A.
                              steuerung (Sonntags-Fahrverbote, Parkierungsregeln, Signalpro-
                              gramme, Nachtverbot Schwerverkehr, Anlieferungen, etc.)
 2. Parkierung              › Weitere Anpassungen Parkplatzverordnung: Reduktion Parkplätze                5.8%
                              bei Neunutzungen, Preiserhöhung Anwohner-Parkkarten, Abschaf-
                              fung Pendler-Parkkarte, Preiserhöhung öffentlicher Parkplätze (min-
                              destens aufs Niveau anderer Schweizer Städte)
                            › Reduktion öffentlicher Parkplätze (zG von Velospuren resp. –
                              abstellplätzen) sowie Umsetzung Quartierparkhäuser (gemäss Pend-
                              lerfonds).

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