Thema: Werbewirkung - INNCH
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INFOMAIL 1 / 2018 Thema: Werbewirkung Auf zur Konsumentenjagd! In Sekundenbruchteilen erfasst die Kamera in der U-Bahn-Station einen Passanten, nennen wir ihn John, wäh- rend er an einem großen Werbedisplay vorbei geht. Das Gesicht einer attrakti- ven Frau taucht auf dem Bildschirm auf: „Hallo John“ haucht sie, „… wie wäre es mit einem leckeren Cappuccino für dich, so wie du ihn am liebsten magst? Folge einfach deinem Navigator und ich zeige dir den Weg zum Café.“ Eigent- lich trinkt John um diese Uhrzeit gerne einen Cappuccino. Jetzt aber ärgert er sich, dass er sich mal wieder so einfach hat scannen lassen. Eilig zieht er seine Kapuze mit dem Werbeschirm herunter und setzt unbeirrt seinen Weg fort. Was wie eine Szene aus dem Science Allerdings wurde bei diesem Projekt auf der Basis von Fiction Film „Minority Report“ klingt, Gesichtserkennung nur Geschlecht und ungefähres Al- könnte so oder so ähnlich schon 2010 ter der Personen ermittelt, nicht ihre vollständige Iden- in der Tokioter U-Bahn stattgefunden tität wie bei John. Auch hatten die Passanten kein Ge- haben. Ein Konsortium aus elf Bahn- genmittel wie den Werbeblocker in Johns Kapuze. gesellschaften testete dort in ihrem „Digital Signage Promotion Project“ Werbetreibende und Agenturen stürzen sich auf programmatic advertising in einer Off- jede Möglichkeit, Konsumenten mit Werbung zu er- line-Variante. reichen. Keine neue App ist sicher, kein Video ohne INNCH Infomail 2018 Seite 1
Werbe-Preroll, kaum eine Webseite ohne Seiten der Konsumenten kämpft meist auch Werbe-Popup. Den Blick beim Laufen nach eine Armee von Juristen und Datenschützern, unten zu senken, hilft auch nicht, denn auch die dafür sorgt, dass selbst Influencer – die der Fußboden ist längst mit Werbebotschaf- neueste und schärfste Waffe der Werbetrei- ten gepflastert. Gleichzeitig werden die Mög- benden – ihre gesponserten Fotos auf Insta- lichkeiten, Werbung gezielt auszuspielen, gram als „Anzeige“ kennzeichnen müssen. dank Big Data und künstlicher Intelligenz im- mer ausgefeilter. Microtargeting auf Basis de- Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier mografischer Merkmale, Gewohnheiten oder nicht selten eine self fulfilling prophecy am Ort ist online längst üblich. So haben bereits Werke ist: Werbetreibende glauben, dass verschiedene Unternehmen, z.B. Tchibo oder Konsumenten ihre Werbung nicht mögen, Nestlé, ihre Werbebotschaften nach Kaffee- also muss man sie ihnen möglichst laut und trink- oder Katzenliebhaber-Typen differen- geschickt unterjubeln und im Zweifel auf- ziert und spielen verschiedene Werbebot- zwingen. Konsumenten fühlen sich dadurch schaften aus, je nachdem welchen Typus der belästigt und wehren sich. Die Werbetreiben- Algorithmus identifiziert. den fühlen sich dadurch wiederum bestätigt in ihrem Glauben, dass Konsumenten keine Auf der anderen Seite entwickeln die von Werbung mögen und lassen sich noch laute- Werbung verfolgten Konsumenten ihre re und geschicktere Möglichkeiten einfallen. eigenen Werbe-Fluchtstrategien. Beim Konsumenten fühlen sich dadurch noch mehr Werbeblock im TV lenken die Zuschauer bedrängt... und so weiter. schon lange ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes und nutzen ihn z.B. als Toilettenpause. Dabei verstehen sich die vermeintlichen Adblocker sind weit verbreitet. Browser-Plugins Gegner doch eigentlich ganz gut. Mancher sollen vermeiden, dass die eigenen Online- hat schon in der Vergangenheit Eintritt für das Gewohnheiten ausspioniert und für Werbung Kino bezahlt, um sich die neuste Cannes-Rolle gegen einen verwendet werden. Wahrneh- – prämierte Werbespots – anzuschauen. Man- mungsroutinen sorgen dafür, dass die als che Werbung wird sogar viral verbreitet, weil „gesponsert“ gekennzeichneten Beiträge im man sie so lustig oder schräg findet, dass Newsfeed gleich ignoriert werden. man dieses unterhaltsame Erlebnis auch sei- nen Freunden gönnen möchte. Oft hört man von Konsumenten sogar, dass sie sich gerne über Werbung ins- pirieren oder Kauftipps geben lassen, manchmal auch, dass Werbung entschei- dend für den Kauf war. Werbung wirkt – das lässt sich nicht bestreiten. Gute Werbung muss man dem Konsumenten auch nicht aufdrängen. Aber was ist gute und wirksame Werbung? Es scheint so, als hätte man bei aller Werbewirkungs- forschung das alte Problem von Henry Ford immer noch nicht gelöst: Es findet ein regelrechtes Wettrüsten zwi- schen werbetreibenden Unternehmen und Konsumenten statt. Nicht selten werden „Ich weiß, die Hälfte meiner auch schwerere Geschütze aufgefahren, Werbung ist hinausgeworfe- wenn Webseiten-Besucher mit eingeschalte- nes Geld. Ich weiß nur nicht tem Werbeblocker ausgeschlossen werden. welche Hälfte.“ „Guck Werbung oder bleib draußen“. Das könnte man auch Erpressung nennen. Auf INNCH Infomail 2018 Seite 2
Was alles zur erfolgreichen Wirkung von Werbung gehört Das Ziel einer Werbestrategie kann also nicht Erfolgreiche Werbewirkung sein, den Konsumenten noch mehr zu belästi- Damit die Wirkung in die richtige Richtung gen. Sie sollte stattdessen danach fragen: Wie geht, müssen ein paar Dinge zusammenkom- macht man Produkt und Marke auf eine Art men. Notwendig aber noch nicht hinreichend bekannt, dass sich Konsumenten inspirie- ist es, dass die Gedanken, Gefühle oder ren oder Kauftipps geben lassen und die Erinnerungen, die Werbung auslöst, an ir- Chance erhöht wird, dass sie das Produkt gendwie bedeutsame Lebenserfahrungen schließlich kaufen? Dazu sollte man erst der Konsumenten andocken, sie also in einmal klären, was alles zu einer erfolgreichen ihrer Lebenswelt „abholen“. Eine nur auf- Werbewirkung gehört, und – einen Schritt zu- merksamkeitsstarke oder nur witzige oder nur rück gehen – was „Wirkung“ eigentlich ist und schöne Werbung nutzt gar nichts, wenn sie wie sie zustande kommt. keine bedeutungsvollen Lebenserfahrungen „im“ Konsumenten anspricht. Was Wirkung ist Zunächst einmal erzeugt alles und jedes „Wir- In unserem fiktiven Beispiel vom Anfang kung“, nicht nur Werbung. Menschen, Orte, spricht das Werbedisplay John direkt bei sei- Filme, Dinge, Ereignisse, denen wir in je- nem Wunsch nach einem Cappuccino an, ei- der Sekunde begegnen, wirken auf uns – oft nem für ihn in diesem Moment bedeutsamen müssen wir dazu etwas nicht einmal bewusst Wunsch. So einfach ist es meist leider (noch) wahrnehmen. Wirkung kann dabei viele For- nicht, zumindest nicht, solange der Werbetrei- men annehmen: Sie umfasst die Gesamtheit bende nicht jeden einzelnen „John“ individuell aller ausgelösten Gedanken, Gefühle, atmo- ansprechen kann, was zudem voraussetzen sphärischen Anmutungen, Erinnerungen, As- würden, die Vorlieben jeden „Johns“ ganz ge- soziationen, Handlungen, bewusst oder un- nau zu kennen. Werbung richtet sich heute terschwellig, kurzfristig oder langfristig, heftig – trotz aller Fortschritte beim Microtargeting oder subtil, impulsiv oder erst nach intensiver – immer noch an eine mehr oder minder gro- Auseinandersetzung. Werbung bedeutet im- ße Gruppe an Konsumenten, deren Wünsche mer, dass vielschichtige Erlebensprozesse und Lebenserfahrungen man – trotz aller Da- ausgelöst werden, die im besten Fall in einer ten, die sich über Zielgruppen heute sammeln Handlung, dem Kauf, münden. lassen – nicht ganz genau kennt. Wirkung entsteht also immer und Agentur: Jung von Matt, Quelle: Vodafone zwangsläufig – sie muss nur nicht immer produktiv sein. Auch Gefüh- le von Langeweile, Ärger, Befremden oder Reaktanz sind Wirkungen. Auf einem Werbeplakat für Vodafone sieht man eine Katze, die ein Toastbrot um den Hals trägt, und den Spruch „Wir investieren in deine Katzenfotos“. Wie wirkt das Plakat auf Sie? Nicht weni- ge fühlen sich ertappt. Das Motiv löst Gedanken und Erinnerungen daran aus, wieviel Zeit man damit verbringt, sinnlose Katzenbildchen auf face- book zu posten. Es verstärkt dann eher den Wunsch, sich bei facebook abzumelden, und weniger, einen Tarif bei Vodafone abzuschließen. INNCH Infomail 2018 Seite 3
Fünf Dimensionen der Werbewirkung Themen auf der Kulturebene Dennoch lässt sich sehr gut systematisieren Im nächstkleineren Wirkradius, der Kultur- und und damit auch steuern, wie und mit welchen Zeitgeist-Dimension, liegen Lebenserfahrun- Themen Konsumenten an ihren Lebenserfah- gen, die für einen bestimmten Kulturkreis rungen abgeholt werden können. Hierbei ist zu einer bestimmten Zeit relevant sind. In es hilfreich, nach dem „Radius“ der Wirkung einer aktuellen Kampagne wirbt Stabilo für zu unterscheiden: seine Leuchtstifte mit historischen schwarz-weiß Fotografien, auf denen Männer im Vordergrund stehen. Mit dem Leuchtstift wurde jeweils eine einzelne Frau im Hintergrund markiert. Ein de- zenter Text klärt auf, welch wichtige Rolle diese Frau für die Menschheit spielte. Passend zum aktuellen Zeitgeist – die Diskussion und Neu- justierung der gesellschaftlichen Bedeutung der Geschlechter, die sich z.B. auch in der Frauenquoten-Debatte äußert – wird die oft übersehene Leistung von Frauen mit dem Marker hervorgehoben. Allgemeingültige menschliche Themen Es gibt Themen, die alle Menschen glei- chermaßen ansprechen, weil sie zu den ur- menschlichen Lebenserfahrungen gehö- ren. Schwingen in der Werbung Themen wie Leben, Tod, Liebe, Hass, Macht oder Ohn- macht mit, docken sie bei allen Menschen an relevante Lebenserfahrungen an. In einem gelungenen Werbefilm aus dem Jahr 1990 für Mercedes lobt der Fahrer die Sicherheit des Wagens durch seinen Airbag in höchs- ten Tönen und wird dann gefragt, was denn mit seiner Frau sei, die neben ihm sitzt. Der Film endet mit dem verdutzten und sichtlich ins Nachdenken gekommenen Protagonisten und dem Hinweis, dass Mercedes jetzt seri- enmäßig Beifahrerairbags bietet. Der Spot wirkt, weil urmenschliche Themen wie Leben und Tod angesprochen werden und zielt zu- dem auf das schlechte Gewissen, egoistisch an das eigene Leben und nicht an das der Ehefrau gedacht zu haben. Agentur: DDB, Quelle: W&V Quelle: mbslk.de Agentur: Jung von Matt Noch spezifischer und mit engerem Wirkradi- us sind Lebenserfahrungen auf der Zielgrup- pen-Dimension. Wenn man weiß, welche Themen Jugendliche, Senioren, Hausmänner oder Hippster bewegt, lassen sie sich gezielt an ihren Wünschen, Erinnerungen und Sor- gen abholen. INNCH Infomail 2018 Seite 4
Wirkung mit Bezug zu Produkt / Marke Gelungen ist der Produktbezug jedoch in der McDonalds Werbung. Das Bild des in typisches Besonders wichtig ist die Dimension für den McDonalds-Papier eingepackten Pausenbrots Produktbereich. So spielen beim Autofahren an- erzeugt zunächst Irritation: Ein neues Produkt dere Motive, Wünsche, Erinnerungen oder Sor- von McDonalds? Schnell wird dann die Story gen eine zentrale Rolle als beim Kaffeetrinken erkannt, die in einem einzelnen Bild erzählt oder Katzenfutter oder der Nutzung eines Mo- wird. Sie ruft jede Menge Gedanken und Erin- biltelefons. Eine Werbung kann etwas Bedeu- nerungen auf den Plan und provoziert die ei- tungsvolles auf der menschlichen Ebene an- gene emotionale Auseinandersetzung mit der sprechen, wirkt dann jedoch trotzdem nicht Frage: Muss es immer vernünftig-gesunde verkaufsfördernd für ein Produkt, wenn sie Ernährung sein, die dann aber auch asketisch nicht die spezifische Motivlage im Produkt- karg wie ein trockenes Pausen-Graubrot da- bereich anspricht. Zusätzlich zum Andocken her kommt? Oder darf man sich auch mal der an bedeutungsvolle Lebensthemen muss es genussvollen Lebenslust mit einem Biss in also gelingen, die menschlichen Themen so einen saftigen Burger hingeben? Wenn etwa geschickt mit Produkt und Marke zu verbinden, diese Botschaft hängen bleibt, wird ein Prob- dass sie beim Konsumenten die gewünschte lem gelöst, das direkt mit dem Produktbereich Botschaft hinterlassen oder gleich einen Kauf- und der Marke zu tun hat. impuls auslösen. Die eigene Oma hat man auch schon länger nicht besucht. Sieht man dann den Weihnachtsspot „Heimkommen“ von EDEKA mit dem traurigen Opa, der seinen eigenen Tod simuliert, damit ihn die Verwandtschaft endlich mal wieder besuchen kommt, fühlt man sich bei seinem schlechten Gewissen ertappt. Menschliche Themen wie Leben und Tod, die Vergänglichkeit des Lebens, Einsamkeit, der Wert von Familie und Heimat wurden hier angesprochen und sorgten für eine große Reichweite: Agentur: Heye, Quelle: adsoftheworld.com Der Spot verbreitete sich sogar viral im Netz. Schließlich kann Werbung auch Lebenser- Nur, wieso sollte man, bevor man die Oma be- fahrungen aufgreifen, die mit einer konkreten sucht, ausgerechnet bei EDEKA einkaufen? Situation, einem Ereignis oder der Saison Blumenladen oder Pralinenkonfiserie bieten zusammenhängen, z.B. während eines Fußball- sich eher an. Der Spot zahlt wenig auf das Turniers, im Sommer oder zur Weihnachtszeit. Produkt und die Marke EDEKA ein. Aufmerksamkeit Agentur: Jung von Matt, Quelle: horizont.net Natürlich muss Werbung wahrgenommen wer- den. Aufmerksamkeit zu erregen, ist aber kein Selbstzweck. Wenn es gelingt, die richtigen Themen aufzugreifen und diese in einen sinn- vollen Zusammenhang mit Produkt und Marke zu bringen, ist es meist gar nicht notwendig, besonders laut, schrill oder schräg zu wer- den, oder die Werbung möglichst oft zu wie- derholen, und dem Verbraucher in möglichst vielen Kanälen aufzulauern. Gute Werbung braucht manchmal nur einen Kontakt, um wirksam zu werden. Aufmerksamkeit zu errei- INNCH Infomail 2018 Seite 5
chen, ist jedoch oft einfacher, z.B. mit Irritation, Provokation, Vampire-Effekt: Sex, durch eine schräge Story, Der Nachteil von solchen Auffälligkeitsmagneten wie Sex, ein schrä- Prominente, Witz und Humor, ger Witz oder Provokation ist, dass sie das Falsche in den Vorder- oder einfach durch das Beach- grund heben und die Aufmerksamkeit vom beworbenen Produkt ten einfacher Regeln wie Wie- oder der Marke eher ablenken. Die Aufmerksamkeit der Betrach- derholungen, starke Kontraste, ter ist dann bereits durch den Witz oder den erotischen Reize so auffällige Farben, etc. stark gebunden, dass keine Verarbeitungsressourcen mehr für die eigentliche Werbebotschaft vorhanden sind. Ob ein Motiv aufmerksamkeits- stark ist, lässt sich auch eher einfach ermitteln, indem man z.B. nach Werbeerinnerung fragt. Alleine auf Aufmerksam- keit zu schielen, kann auch un- erwünschte Folgen haben und z.B. zum Vampire Effekt führen (siehe Kasten). Aufmerksamkeit heißt zunächst nur, dass sich der Konsument dem Werbe- mittel zuwendet. Die Wirkung aber hängt davon ab, ob die Werbung an den richtigen Le- benserfahrungen andockt und mit einer produktiven Produkt- und Markenbotschaft verbindet. Die EDEKA-Geschichte „Heimkommen“ anders interpretiert Werbewirkung erforschen Messdaten sind eine wichtige Währung samkeit der Betrachter nicht beim erotischen für die Platzierung von Werbung. Wie vie- Reiz hängen bleibt, sondern vor allem das le Personen der anvisierten Zielgruppe einer Produkt und das Markenlogo beachtet wird. Werbebotschaft eine Zeitschrift lesen, eine Auch Emotionen lassen sich messen, ebenso TV-Sendung schauen oder eine Webseite be- die Frage beantworten, wie sehr Konsumen- suchen, ist ausschlaggebend dafür, an wel- ten eine Marke mögen. Das sagt jedoch we- cher Stelle eine Werbebotschaft auftauchen niger über den Verkaufserfolg aus, als man sollte, damit sie von den passenden Konsu- glaubt. So sind die emotionalen Markenwerte menten gesehen oder gehört wird. Mithilfe von von Amazon eher schlecht, die Kunden kau- Eye-Tracking und anderen Messverfahren fen aber dennoch bevorzugt dort. kann man zudem feststellen, ob die Aufmerk- INNCH Infomail 2018 Seite 6
Für Abverkaufs-Aktionen ist es sehr sinn- passende Lösung eines Problems, die genau voll, genau zu wissen, welche Menschen richtige Art der Bedürfnisbefriedigung oder eine nach welchen Produkten suchen. Die ge- besonders verheißungsvolle Wunscherfüllung. zielte Einblendung von Werbebannern mithilfe von Microtargeting – so wie bei John in unse- Zur Erforschung der gesamten Werbewirkung rem Anfangsbeispiel – ist vor allem für Spon- reicht es also nicht, die Aufmerksamkeit zu tankäufe wirksam. Einen Vorteil hat dann das messen oder zu eruieren wie gut sich die Kon- Angebot, das im richtigen Moment zuerst oder sumenten an die Marke erinnern können, ob sie gar als einziges zur Stelle ist – sofern es sich die Marke mögen und wie oft sie auf einen Wer- um ein Produkt oder eine Dienstleitung han- bebanner klicken. Man muss auch wissen, delt, die man unmittelbar kauft und man dann welche die Lebenserfahrungen sind, an die am besten sofort mit einem Klick in den On- man mit der Werbebotschaft passend zum line-Shop springen kann. Dies hat aber auch Produkt andocken kann. Ebenso ist Kenntnis den Nachteil, dass womöglich die Marke spä- und Gespür dazu nötig, wie man den Zeitgeist ter nicht mehr erinnert wird, wenn man nicht oder die spezielle Motivlage einer bestimmten sofort klickt. Zielgruppe so anspricht, dass der Konsument an genau diese Marke denkt, wenn er ein be- Nach einer Befragung des Forsa Instituts be- stimmtes Problem hat, ein bestimmtes Bedürf- klagen neun von zehn Usern, dass die Mas- nis oder einen bestimmten Wunsch verspürt. se an Werbung im Internet zugenommen hat. Wenn immerhin 22 Prozent aller Internet-User sich von sehr kreativer Werbung nicht ganz so schlimm gestört fühlen, heißt das jedoch noch nicht, dass sie davon begeistert sind. Es heißt auch nicht, dass die Werbung wirkt, sondern der Witz vielleicht unterhaltsam war. Setzen also Werbetreibende vornehmlich darauf, möglichst oft im richtigen Moment zur Stel- le zu sein, wird das Wettrüsten, bei dem Konsumenten sich durch Werbung zuneh- mend belästigt fühlen, nicht weniger. Die Konsumenten fahren immer mehr Geschütze auf, um sich zu wehren oder üben sich immer besser im Ignorieren. Nachhaltige Wirkung Nachhaltiger wirkt Werbung dann, wenn sie nicht nur darauf abzielt, im richtigen Moment an der richtigen Stelle aufzutauchen, sondern möglichst viele Menschen dazu bringt, an Kunst der Kreation eine ganz bestimmte Marke zu denken, wenn diese sich Kaffee kaufen wollen, einen Das ist nicht so einfach, denn es handelt sich um Autokauf planen, Katzenfutter oder einen Jo- ein komplexes Zusammenspiel an Lebens- ghurt brauchen. Für Werbung, die Kaufinteres- erfahrungen, verwoben mit momentanen se erzeugen und langfristig auf die positive Er- Stimmungen. John verbindet mit Cappuccino innerung an die Marke einzahlen soll, sollte das vielleicht das Lebensgefühl eines kulturbeflis- Augenmerk vor allem auf die Botschaft gelenkt senen Großstädters, als der er sich gerne selbst werden: Gelingt es, etwas Bedeutungsvolles sieht. Italienisches Urlaubsflair trägt zusätzlich aus den Lebenserfahrungen der Konsumenten zur Vorliebe für Cappuccino bei. Auf dem Weg anzusprechen, das zudem an die spezifische zum Zahnarzt – und er ist auch spät dran – ist Motivlage im Produktbereich andockt? Am bes- er dennoch nicht in der richtigen Cappuccino- ten inszeniert sich die Marke bzw. das Produkt Stimmung. Hinzu kommt, dass der Designer dieser Marke im Produktbereich als die genau für die passende Kreation der Werbung auch INNCH Infomail 2018 Seite 7
eigentlich in Johns Vorstellungswelt blicken Möglich ist es dennoch, Kreativen besse- können müsste, um zu wissen, welche Bild- re Hinweise zu geben, wie sie ihre Kreation motive, Stories, Claims, Farben und Formen gestalten sollten. Hier handelt es sich je- etc. John mit dem Lebensgefühl eines kultur- doch nicht um klassische Werbewirkungs- beflissenen Großstädters verbindet und wie es forschung, die nachträglich misst wie Konsu- gelingt, dass die Werbung das richtige Maß an menten auf eine Werbeeinblendung reagiert italienischem Flair ausstrahlt. haben, sondern um Forschung, die der Kre- ation vorgelagert ist. Man kann schon – Man kann nur hoffen, dass der Kreative – wo- bevor der Kreative mit ersten Entwürfen her auch immer – irgendwie weiß, was rich- anfängt – erkunden, welche Lebenserfah- tig ist, und erstaunlicher Weise gelingt das ja rungen und welches Lebensgefühl im ak- nicht selten. Die Werbewirkungsforschung tuellen Zeitgeist Konsumenten mit einer hilft ihm dabei jedoch nur bedingt. „Krea- Produktgruppe und einer Marke verbinden. tion und Marken-Positionierung sind viel grö- Es lässt sich bereits vorher ermitteln, welche ßere Hebel für den Geschäftserfolg als eine Motivlagen, Bedürfnisse und Wünsche eine neue DNP oder SSP. Und deshalb braucht es wichtige Rolle spielen oder welche Probleme auch weiterhin kompetente Forscher, die uns gelöst werden sollen. Man kann Konsumen- zu verstehen helfen, was in den Köpfen der ten auch bitten, Geschichten zu erzählen, die Menschen wirklich passiert und wie Werbe- ihnen zum Produkt oder zur Marke einfallen. wirkung entsteht“ schreibt Tino Meitz, Kom- Auch konkrete Vorstellungsbilder, Farben und munikations- und Medienpsychologe an der Formen etc. lassen sich ermitteln. So kann Uni Jena im August 2018 in der HORIZONT. man im Vorfeld das Suchfeld für die Kreation Aktuell scheint sich die Ansicht zu verstär- kartographieren. ken, dass man der Kreation mehr Aufmerk- samkeit vonseiten der Werbewirkungsfor- Das nimmt den Kreativen nicht die schöpfe- schung schenken sollte. Diese wird bisher rische Arbeit ab, soll es auch nicht. Es sorgt gegenüber Media oft maßlos unterschätzt! aber dafür, dass eine größere Klarheit darü- ber herrscht, welche Botschaft eine Werbung Forschung für die Kreation über die Gestaltung wie vermitteln muss, um zu wirken. Die Messung für die Platzierung Mit der Messung der Klickraten lässt sich das der Werbebotschaft an der richtigen Stel- Interesse an einem Angebot im Nachhinein le wird dadurch nicht überflüssig, aber bestimmen (wenn man Bots und Fake-Views um den wichtigen und bisher vernachläs- ausschließen kann). Es lässt sich aber nur sigten Faktor der Wirkung der Kreation schwer beurteilen, welchen Anteil die Bot- erweitert. schaft und Gestaltung der Werbung daran hatte. Man müsste mit Versuch und Irrtum alle möglichen Varianten von möglichen Bildmoti- ven, Stories, Claims, Farben und Formen etc. in ihrer Wirkung auf das Kaufverhalten testen, Moodboard aus Konsumentenstudie am besten in Labortest, damit die Ergebnisse für Deutschen Squash-Verband vergleichbar sind. Bei allein etwa 20 Millionen Farben, die ein Mensch voneinander unterscheiden kann und deren vielfachen Kombinati- onsmöglichkeiten, ungeachtet der vie- len Formen und Bildmotive etc., die sich ebenfalls nahezu beliebig kombinieren lassen, wäre dies jedoch ein nicht zu be- wältigendes Unterfangen. Durch nach- trägliche Tests bekommt man also nicht heraus, wie eine Werbung genau gestaltet sein muss, um zu wirken. INNCH Infomail 2018 Seite 8
Das Buch zu Werbewirkung und Gestaltung „Design und Psychologie – ein Duo, das oft unter- schätzt wird. Aber um eine Markenkommunikation zu entwerfen, die wirklich berührt, müssen Sie wissen, wie Menschen sehen, empfinden und entscheiden – und was im Gedächtnis bleibt. Erst dann wird Ihr De- sign überzeugend“ Monika Heimann und Michael Schütz „Wie Design wirkt: Psychologische Prinzipien erfolgreicher Gestaltung“ Rheinwerk Design, 2016 Werbische Grüße senden Ihnen Monika Heimann und Michael Schütz Lust auf mehr? Unsere letzten Infomails liegen hier zum Abruf bereit: https://innchinfomail.de INNCH GbR Monika Heimann, Michael Schütz Quartier am Hafen Poller Kirchweg 78-90, 51105 Köln Tel: 0221 1699 6356, info@innch.de https://innch.de/ INNCH Infomail 3 / 2014 Seite 6
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