Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der

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Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
100 Jahre Lagerhaus Korneuburg

               Zug der
Zeit
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
» INHALT

                                              18                                                  34
 Ein Zug zum Menschen                         Menschen am Zug                                     Zug durch das
                                              Die SpartenleiterInnen des Raiffeisen Lagerhauses   G
                                                                                                  ­ enossenschaftsgebiet
  4    Das Lagerhaus 1920 bis 2020            ­Korneuburg im Porträt. Was sie über ihre
                                               ­Fachbereiche, Aufgaben und Pläne, über ihre       Per Bahn zu den Standorten an den Strecken
  6    Vorwort des Obmanns                                                                        Korneuburg-­Ernstbrunn und Gerasdorf-Schleinbach.
                                                ­KundInnen und MitarbeiterInnen erzählen.
  7    Interview Obmann und Geschäftsführer
 12    Unser Nachbar RWA                      20   Alfred Hödl                                    36   Korneuburg

 13    Grußwort RWA-Generaldirektor Wolf      22   Christian Wimmer                               39   Tresdorf

 14    Zeitzeugen im Gespräch                 24   Birgit Bauer-Schwanzer                         40   Rückersdorf

                                              26   Bernhard Buchegger                             44   Wetzleinsdorf

                                              28   Andreas Gahler                                 48   Ernstbrunn

                                              30	Franz Koy und                                   54   Gerasdorf
                                                   Georg Hatschka                                 60   Großengersdorf
                                              32	Anna Zausinger und                              64   Wolkersdorf
                                                   Tamas Nemeth
                                                                                                  68   Schleinbach
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
72                                                       90                                                96
Zug der Zeit                                             Zug um Zug                                        Making of
Wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Lagerhaus-­   Das Angebot, das Gebiet und die Funktionäre der   Schnappschüsse von den Arbeiten an der vorliegenden
Genossenschaft: Die einzelnen Standorte im Wandel        Genossenschaft im Überblick.                      Festschrift: Ein vielfältiges Unternehmen wie das
der Zeiten und Erinnerungen an frühere Filialen.                                                           Lagerhaus Korneuburg vorzustellen, braucht Zeit und
                                                                                                           viele mitarbeitenden Hände.
                                                         91   Die Sparten
73    Chronologie
                                                         92   Genossenschaftsgebiet
88    Erinnerungen
                                                         94   Funktionäre

                                                                                                            Impressum
                                                                                                           Herausgeber: RAIFFEISEN-LAGERHAUS
                                                                                                           KORNEUBURG u. Umg. eGen
                                                                                                           Kwizdastraße 15, A-2100 Korneuburg
                                                                                                           Inhaltliche Gestaltung und Redaktion:
                                                                                                           Dr. Stefan Galoppi (www.schnellschrift.at)
                                                                                                           Julia Karner BSc, Nicole Riedl BA,
                                                                                                           Karina Staribacher, Karoline Schweibar
                                                                                                           Fotografie: Karl Schrotter, Peter Buchgraber,
                                                                                                           Georges Schneider
                                                                                                           ­Grafik Management: Georg Möhrke
                                                                                                            Grafisches Konzept: Peter Kratzer
                                                                                                           Druck: W & H Media Druck + Verlag GmbH
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

                         1920 bis 2020 –
     immer neue Gründer­zeiten
     	Die Lagerhaus-Genossenschaft Korneuburg hat in 100 Jahren viele Veränderungen
       erlebt. Ihrem Gründungsauftrag ist sie aber immer treu geblieben.

     100 Jahre Raiffeisen Lagerhaus Korneuburg und                   Was folgte, ist eine lange Geschichte von couragier-
4    Umgebung stehen für 100 Jahre Mut zur Veränderung.          ten Investitionen und Gründungen – immer mit dem
     Schon die Gründung der Genossenschaft am 30. April         Ziel, den Mitgliedern nützlich zu sein: In Korneuburg
     1920 erforderte Idealismus, einen starken Willen und        und Stammersdorf wurden bald Mühlen in Betrieb
     enormes Engagement. Denn die Zeiten nach dem                ­genommen, die einen Großteil der Wiener Bäcker ver-
     Zusammenbruch der Monarchie und dem Ende des                 sorgten; um den Landwirten weite Wege zu ersparen,
     Ersten Weltkriegs waren extrem hart. Die Wirtschaft          entstand ein dichtes Filialnetz; auf die einsetzende
     lag am Boden, die staatliche Autorität war schwach,        ­Mechanisierung der Landwirtschaft reagierte die Ge-
     Willkür und Zinswucher belasteten auch die Land-            nossenschaft mit dem Ausbau von Tankstellen und
     wirtschaft schwer. Und die Idee von bäuerlicher Soli-       Reparatur­­werk­stätten; die immer schnellere Anliefe-
     darität und Selbsthilfe, wie sie 1898 erstmals in Öster-    rung immer größe­rer Mengen machte den Bau von Silos
     reich in Pöchlarn umgesetzt worden war, hatte viele         not­wendig. Ab den 80er-Jahren erlaubte eine Gewerbe-
     entschlossene Gegner.                                       rechtsnovelle den Genossenschaften das Konsumgüter-
                                                                                                                             Josef Haller                Anton Kaupa
        Dennoch wagten Gründungsobmann Josef Haller               geschäft, aus dem sich die Bau- & Gartenmärkte entwi-      Gründungs­obmann            erster Geschäftsführer
     und seine Mitstreiter diesen entscheidenden Schritt          ckelten.
     zur Selbstbestimmung. Am 29. Mai 1920 wurde das                 Mut zur Veränderung bedeutet manchmal aber auch         haus ist ein bedeutender Baustoffhändler und mit den
     Lagerhaus Korneuburg mit seinen damals etwa 500             Rückzug und das Treffen harter Entscheidungen: So           Marken Opel, Nissan, Peugeot, Subaru und Suzuki ei-
     Mitgliedern in das Genossenschaftsregister eingetra-        führten der EU-Binnenmarkt und der damit verbun-            ner der großen Autohändler in Niederösterreich.
     gen. Anfangs in einem Zimmer im 1. Stock der e­ he-          dene Schub im landwirtschaftlichen Strukturwandel             Zentrales Anliegen der Genossenschaft bleibt aber
     maligen Franz-Josefs-Kaserne untergebracht, kämpf-         1995 zur Schließung der Mühle in Stammersdorf.               die Partnerschaft mit den Landwirten, deren Versor-
     ten die Funktionäre der ersten Stunde vor allem um          Bereits 1992 erfolgte die Fusion mit dem Lagerhaus          gung mit Betriebsmitteln sowie die verlässliche Über-
     ein geeignetes Geschäftslokal. Im Jänner 1921 konnten      Wolkersdorf, vier Jahre später mit jenem in Ernstbrunn.      nahme und Vermarktung ihrer Produkte. Sie in allen
     sie das frühere Zeugsdepot des k.u.k. Eisenbahn­regi­       Filialen mussten gesperrt oder verkleinert werden. Im       großen Herausforderungen unserer Zeit wie Klima-
     ments in Korneuburg erwerben. Es wurde im Juli 1944         Gegenzug wurden neue Geschäftsfelder erschlossen            wandel, Digitalisierung und globalem Wettbewerb zu
     durch Bomben zerstört, auf dem Gelände ist aber bis         und Marktnischen besetzt.                                   unterstützen, erfordert das, was das Lagerhaus von
     heute die Zentrale unter­gebracht.                              Zu seinem 100. Geburtstag präsentiert sich das Lager­   Anfang an ausgezeichnet hat: Mut zur Veränderung.
                                                                 haus Korneuburg als modernes, breit aufgestelltes Un­ter­
                                                                 nehmen mit 253 Mitarbeitern und einem Jahres­umsatz
                                                                von ca. 83 Mio. Euro (2019). Es bietet den Kunden in der
                                                                 Region moderne Bau- und Gartenmärkte sowie Werk-
                                                                  stätten auf dem letzten Stand der Technik. Das Lager-
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
Der Bau- und Garten-
markt in Korneuburg
ist die jüngste Er­
rungenschaft. Für den
Standort Tresdorf
(unten) gibt es große
Pläne.
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

                             Sehr geehrte
                             Genossenschafts­mitglieder!

                             2020 blicken wir nicht nur mit Stolz zurück auf das 100-jährige       Dazu braucht es eine Genossenschaft, die stark ist und stark
6                            Bestehen unserer Genossenschaft Korneuburg und Umgebung,           bleibt, die sich an neue Bedingungen anpassen und neue Mög-
                             sondern auch voller Tatendrang in die Zukunft: Nach der Eröff-     lichkeiten nutzen kann. Dass wir heute auch zu den größten Auto-
                             nung unseres modernen Mustermarkts in Korneuburg arbeiten          und Baustoffhändlern im Weinviertel gehören zeigt, wie breit
                             wir an Plänen für eine Verlegung der Zentrale und einen neuen      und gut wir mittlerweile aufgestellt sind.
                             Werkstatt-Standort.                                                   Als Obmann möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Mitar-
                                Beweglichkeit, unternehmerisches Denken, das Erkennen von       beiterinnen und Mitarbeitern für ihre Kompetenz, Freundlichkeit
                             Chancen, der Mut, Entscheidungen zu treffen und gegebenen-         und Kundennähe bedanken; bei den Funktionärinnen und Funk-
                             falls auch zu revidieren – diese Eigenschaften prägen die          tionären für das ehrliche und verständnisvolle Miteinander; bei
                             Geschichte unserer Genossenschaft seit ihrer Gründung. Welt-       den Mitgliedern und allen Landwirten, Kundinnen und Kunden,
                             krieg und Wirtschaftskrisen, Mechanisierung und Strukturwan-       bei unseren Geschäftspartnern, Lieferanten und Abnehmern für
                             del der Landwirtschaft, Österreichs EU-Beitritt und die Globali-   ihr Vertrauen und ihre Treue.
                             sierung haben immer wieder tiefgreifende Veränderungen                Leben bedeutet ständige Veränderung. Die Genossenschaft
                             notwendig gemacht.                                                 bündelt unsere Kräfte, um diese Veränderung auch in den kom-
                                Auch unsere Zeit stellt uns vor Herausforderungen: Die star-    menden Jahrzehnten gut und positiv zu gestalten. Deswegen bin
                             ken Jahrgänge der 1950er- und 60er-Jahre kommen in das Pensi-      ich überzeugt, dass sie noch viele Jubiläen wird feiern können.
                             onsalter und finden oft keine Nachfolger; in vielen Ortschaften
                             wird sich die Zahl der bäuerlichen Betriebe halbieren; die neue    Johann Hendler, Obmann
                             Periode der EU-Agrarförderungen ab 2021 wirft viele Fragen auf;
                             die vom Weltmarkt diktierten Getreidepreise erschweren das
                             Wirtschaften; und nicht zuletzt zwingt uns der Klimawandel, auf
                             vielen Feldern neue Wege zu gehen.
                                Es bleibt Kernauftrag und Herzensanliegen der Genossen-
                             schaft, die Landwirte in allen Phasen ihrer unentbehrlichen
                             Arbeit zu unterstützen. Darüber hinaus ist es unser Ziel, Wert-
                             schöpfung in der Region zu halten, möglichst vielen Menschen
                             Arbeit in ihrer unmittelbaren Heimat zu geben und die Ver­
                             sorgung der Bevölkerung in den ländlichen Gebieten sicher­
                             zustellen.
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
»Das Lagerhaus ist Tradition und
gehört einfach dazu.«
	Obmann Johann Hendler und Geschäftsführer Dir. Ing. Leopold Scheibböck über 100 Jahre
  Lagerhaus Korneuburg, über neue Projekte und Zukunftsvisionen.

                                                               Wir sitzen auf dem Freigelände des neuen Bau-
                                                               und Gartenmarkts in Korneuburg. Warum haben            7

                                                               Sie diesen Ort für das Interview ausgesucht?
                                                               Sch: Es ist unsere neueste Investition, modern und
                                                            innovativ. Der Markt ist ein emotionaler Ort zum
                                                            Wohlfühlen. Man kommt herein, alles ist schön und
                                                            übersichtlich, das Warenangebot groß. Es macht
                                                            Freude, hier einzukaufen.
                                                               Ist es auch ein Symbol dafür, dass neben dem tra-
                                                               ditionellen Agrargeschäft die anderen Sparten
                                                               immer wichtiger werden?
                                                               H: Ganz sicher. Die landwirtschaftliche Bevölke-
                                                            rung nimmt zahlenmäßig ab. Unsere Märkte sind ein
                                                            Angebot auch für alle anderen Menschen, die am
                                                            Land leben.
                                                               Was sind Ihre ersten persönlichen Erinnerungen
                                                               ans Lagerhaus?
                                                               H: Lange Schlangen von 20, 30 Traktoren mit klei-
                                                            nen Anhängern vor dem Lagerhaus Rückersdorf,
                                                            wohin ich als Kind mit dem Vater gefahren bin. Heute
                                                            dauert der Anlieferprozess etwa zehn Minuten. Dabei
                                                            passen auf moderne Anhänger statt 4000 Kilogramm
                                                            bis zu 20 Tonnen. Beim Warten wurde früher sicher
                                                            mehr geplaudert. Aber auch jetzt gibt es Getränke bei
                                                            der Waage und man kann mit den Kollegen ein wenig
                                                            reden.
                                                               Sch: Meine Eltern haben in Immendorf eine Land-
                                                            wirtschaft gehabt, die jetzt mein Bruder führt. Ich bin
                                                            als erstgeborener Sohn immer mit dem Vater mitge-
                                                            fahren und wir haben alles aus dem Lagerhaus Hetz-
                                                            mannsdorf geholt. Für mich waren diese Fahrten
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

     immer ein Höhepunkt. Später habe ich die Seite            Genossenschaft wie Ernstbrunn etwa hätte den Markt
8    gewechselt und beim Lagerhaus angefangen.                 alleine nicht errichten können. Anfangsverluste kann
         H: Auch bei uns war die Genossenschaft eine Selbst-   eine große Einheit leichter tragen. Auch Regionalität
     verständlichkeit. Mein Vater war lange Zeit Funktionär    spielt eine Rolle. Bei uns kann nur Mitglied sein, wer in
     und dann Obmann im Lagerhaus Korneuburg.                  der Region Grund und Boden hat. Auch die meisten
        Warum ist und bleibt man Genossenschafts­              unserer etwa 250 Mitarbeiter stammen aus der Umge-
         mitglied?                                             bung. Das bedeutet eine tiefe Verwurzelung. Und noch
         H: Das Lagerhaus ist Tradition und gehört einfach     etwas kommt dazu: Eigentümer der Genossenschaft
     dazu. Es steht für Verlässlichkeit und Sicherheit. Dass   sind die Landwirte und daher kann sie auch nie verkauft
     bei uns ein Landwirt um sein Geld umfällt, das hat es     werden. Kein Investor wäre in der Lage, das Lager­haus      bis zu den Endverbrauchern, zum Beispiel bei den
     noch nie gegeben. Von der Genossenschaft wird man         Korneuburg zu kaufen. Auch das bedeutet Stabilität.         Kartoffeln. Da spielt die Nähe zur Millionenstadt
     fair behandelt, das Gesamtpaket stimmt.                      Ihre Genossenschaft hat sich durch Fusionen              Wien natürlich eine entscheidende Rolle. Das bringt
         Sch: Wenn das Lagerhaus investiert, dann wird das        ­vergrößert. Hat das die Einstellung der Mitglieder      eine gute Wertschöpfung und der Landwirt hat mehr
     Geld für die Allgemeinheit ausgegeben und kommt               verändert?                                              Geld zum Investieren. Wir haben auch eine sehr
     allen Landwirten zugute. Es gibt keinen einzelnen            H: Der Landwirt identifiziert sich immer mit seiner      günstige Verkehrsinfrastruktur. Eine Runde durch alle
     Eigentümer, der profitiert.                               ersten Genossenschaft. Schließt sie sich einer anderen      Filialen schaffe ich in drei Stunden.
        Ausgerechnet zum 100-Jahre-Jubiläum erlebt             an, bleibt die Bindung zum alten Heimat-Standort be-           Wie wirkt sich die Nähe zu Wien aus?
        ­Korneuburg mit dem Markt und den Plänen für           stehen.                                                         H: Einerseits liegt ein großer Markt direkt vor der
         die Verlegung der Zentrale nach Tresdorf eine             Sch: Es ist Aufgabe des Managements, auch in grö-       Haustür. Andererseits ziehen viele Wiener ins
         neue Gründerzeit.                                     ßeren Einheiten ein Miteinander herzustellen. Nach          Umland. Dadurch steigen die Grundstückspreise und
         H: Der Markt war schon lange geplant. Der neue        einer Fusion wird anfangs misstrauisch beobachtet,          es gibt viele »Dorfschläfer«, die sich nicht leicht in die
     Standort für die Zentrale hat sich eher zufällig aus      wo Investitionen getätigt werden. Da gibt es so man-        Gemeinschaft integrieren.
     einem Gespräch heraus ergeben. Wir hatten die Gele-       che Scharmützel. Aber bei ausreichender Kommuni-                Sch: Die Wien-Nähe bringt uns mehr Kunden für
     genheit, neben dem Autohaus in Tresdorf einige            kation und einer transparenten Verteilung der Gelder        unsere nicht-agrarischen Produkte. Auf anderen Seite
     Nachbargrundstücke zu erwerben. Dort planen wir           entsteht bald ein neues Gemeinschaftsgefühl.                gibt es aber auch einen viel stärkeren Mitbewerb. Wer bei
     ein größeres Projekt in verkehrsgünstiger Lage. Der          Was unterscheidet das Lagerhaus Korneuburg               uns nicht auf Anhieb zufrieden ist, fährt nach Wien. Auch
     Spatenstich wird sich 2020 aber nicht ausgehen.               von anderen Genossenschaften?                           bei den Mitarbeitern gibt es eine stärkere Fluktuation.
        Warum liegt das Genossenschaftsmodell wieder              H: Weinbau haben nicht alle Lagerhäuser in Öster-           Was unterscheidet Ihre Genossenschaft von den
         im Trend?                                             reich, der ist typisch für das Weinviertel.                    ­Mitbewerbern?
         Sch: Die Genossenschaft bietet Stabilität und bün-        Sch: Wir haben eine besonders intensive Flächen-            H: Sicher unsere Mitarbeiter, ihr Engagement und
     delt die Kräfte für größere Investitionen. Eine kleine    bewirtschaftung und eine starke Direktvermarktung           ihr persönlicher Kontakt zum Kunden. Er soll bei uns
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
»    Bei uns wird jeder Kunde wie ein Stammkunde
                                                                  behandelt. Das gilt übergreifend für alle Sparten, weil
                                                                  er uns ja als ein Lagerhaus erlebt. Bei uns bleiben
                                                                  keine Reklamationen liegen, Probleme werden gelöst.
                                                                  Der Kunde soll rundum zufrieden sein. Leopold Scheibböck

                                                            mussten wir improvisieren. Den 17. Entwurf haben wir         Hat es auch Rückschläge gegeben?
                                                            am Ende realisiert, aber der passt jetzt auch.               H: Manche Jahre waren wirtschaftlich nicht so          9

                                                                Sch: Für mich gab es in den rund 10 Jahren meiner     erfolgreich. Das stand aber immer im Zusammenhang
                                                            Tätigkeit eine Reihe von Meilensteinen: die Errichtung    mit großen Investitionen. Das ist eben so. Derzeit ist
                                                            des Bau- und Gartenmarkts in Ernstbrunn; die Instal-      die Stimmung in der Landwirtschaft schlecht, der Frust
                                                            lation von Bio-Getreideübernahmen in Korneuburg;          der Bauern groß. Die Preise sind niedrig, es schaut für
                                                            die Partnerschaft mit Kelly: Wir haben eine Kartoffel-    sie kaum noch etwas heraus. Für viele geht es ans Ein-
                                                            halle in Gerasdorf gebaut und jede dritte Chips-Pa-       gemachte.
                                                            ckung von Kelly wird von uns gelagert. Wichtig war           Sch: Ich habe die letzten Ernten als Rückschläge
kein anonymer Besucher sein, sondern sich gut auf-          auch der Zukauf von Opel in Tresdorf zu einem Zeit-       empfunden. Einzelne Missernten muss man hinnehmen,
gehoben und beraten fühlen.                                 punkt, als es der Autoindustrie nicht gut gegangen ist.   aber wenn drei in Folge passieren, schmerzt das. Durch
    Sch: Bei uns wird jeder Kunde wie ein Stammkunde        Der Marktanteil von Opel im Bezirk ist von zwei auf       die Trockenheit haben wir spürbare Einbußen im Agrar-
behandelt. Das gilt übergreifend für alle Sparten, weil     sieben Prozent gestiegen, die Werkstätte ist eine unse-   bereich. Da die Landwirte weniger Geld für Investitio-
er uns ja als ein Lagerhaus erlebt. Bei uns bleiben keine   rer besten. Das Lagerhaus Korneu­burg verkauft mitt-      nen haben, wirkt sich das auf alle Sparten negativ aus.
Reklamationen liegen, Probleme werden gelöst. Der           lerweile 1000 Autos pro Jahr. Die Stabi­lisierung der        Wie wichtig ist es in dieser Situation, dass die
Kunde soll rundum zufrieden sein. Wir legen großen          Technik-Sparte ist im Gange: Lkw und Land­maschinen          Genossenschaft breit aufgestellt ist?
Wert darauf, dass wir immer modernst ausgestattet           werden nach Tresdorf verlegt. Der jüngste Meilenstein        H: Überlebenswichtig. Auf vielen Beinen steht man
und auf dem letzten Stand sind, dass alles rechtens und     ist der Markt mitten in Korneuburg, der als Muster für    besser. Bei neuen Geschäftsfeldern sind wir aber vor-
korrekt abläuft. Eine Genossenschaft arbeitet redlich.      andere Lagerhaus-Märkte konzipiert wurde.                 sichtig und risikobewusst. Wir nehmen nur dazu, was
   Was waren für Sie die großen Meilensteine?                                                                         zu uns passt und wo wir uns auskennen. Wir sind
   H: Sicher die Fusionen mit Wolkersdorf 1992 und                                                                    gegenüber unseren Mitgliedern verantwortlich. Da
Ernstbrunn 1996. In der Folge das Zurückfahren der                                                                    macht man nichts Absurdes.
Filiale Wetzleinsdorf auf einen reinen Lagerbetrieb.                                                                     Sch: Wenn wir etwas Neues anfangen, dann nur
Das war eine massive Veränderung und für die                                                                          ganz klein und Schritt für Schritt. Außerdem erkundi-
Genossenschaft ein ganz schwieriger Prozess. Es gab                                                                   gen wir uns zuvor nach Erfahrungswerten im Verbund.
heftige Diskussionen, wobei selbst die größten Kriti-                                                                 Trotzdem gibt es auch Fehlschläge: Wir wollten zum
ker von damals den Schritt mittlerweile als richtig                                                                   Beispiel einen Dachdeckerbetrieb aufbauen, das hat
und notwendig bewerten. Einige trauern der alten                                                                      nicht geklappt. Dann trennt man sich eben wieder
Größe aber schon noch nach. Auch die Eröffnung des                                                                    davon. Da ist es wieder von Vorteil, dass die Genossen-
Weinbaucenters im Jänner 2017 war ein Meilenstein.                                                                    schaft Kraft hat, Neues zu probieren, und dass ein
Wein war für uns immer wichtig, aber lange Zeit                                                                       Scheitern nicht existenzbedrohend ist.
Zeit 100 Jahre Lagerhaus Korneuburg Zug der
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

                     »    Im Lagerhaus-Verbund hat jeder Landwirt die
                           Sicherheit, dass die Produkte gut vermarktet werden
                           und dass er sein Geld verlässlich bekommt. Allein hat
                           er vielleicht manchmal bessere Chancen, aber auch
                           ein höheres Risiko. Johann Hendler

           Werden sich die Umsätze aufgrund der abneh-               Was bedeutet die Ansiedlung der RWA-Zentrale in
10          menden Zahl der Landwirte verschieben?                   Korneuburg für Sie?
            Sch: 50 Prozent unserer Umsätze machen wir mit            H: Wir hoffen natürlich, die etwa 700 Mitarbeiter
       landwirtschaftlichen Kunden. Da erwarte ich keine          als Kunden für unseren Markt und unsere Werkstät-
        gravierenden Verschiebungen. Es wird in Zukunft           ten gewinnen zu können. Und die unmittelbare Nach-
       zwar weniger, aber dafür größere Betriebe geben.           barschaft macht es natürlich leichter, Dinge persön-
       Unsere Strategie lautet: Stärken stärken, Schwächen        lich zu besprechen.
        schwächen. Das heißt, wir forcieren alle Sparten, die        Was entgegnen sie der Kritik, das Lagerhaus zahle
        gut laufen, und fahren die schwächeren zurück.                keine guten Preise?
           Wie gehen Sie mit der Digitalisierung um?                  H: Jeder Landwirt entscheidet selbst, wann und wo
                                                                                                                                Zur Person Johann Hendler
            Sch: Im Unternehmen geht ohne Digitalisierung         er verkauft. Im Lagerhaus-Verbund hat er die Sicher-
        gar nichts mehr. Da müssen wir immer auf dem              heit, dass die Produkte gut vermarktet werden und             Ausbildung
       ­letzten Stand sein. Für unsere Kunden haben wir           dass er sein Geld verlässlich bekommt. Allein hat er       →→ Land- und forstwirtschaftlicher Meister 1984
       viele Angebote: den Onlineshop mit Einkaufsmög-            vielleicht manchmal bessere Chancen, aber auch ein
                                                                                                                                Berufliche Laufbahn
        lichkeit rund um die Uhr, das Landwirte-Portal            höheres Risiko. Die Tatsache, dass etwa 90 Prozent der
                                                                                                                             →→ Seit 2014 Obmann
        Onfarming, die Wetter App. Wir werden sie auch bei        Betriebe ihr Getreide über unseren Pool vermarkten,        →→ Seit 1996 Funktionär im Lagerhaus Korneuburg
        den Robotik-Lösungen, die sich bereits abzeichnen,        spricht für eine überwiegende Zufriedenheit.               →→ 1989 Übernahme des elterlichen Betriebes (Mais,
                                                                                                                                Weizen, Zuckerrübe, Speisekartoffeln in Direktver-
       unterstützen.                                                 Was entgegnen Sie Personen, die Ihre Genossen-
                                                                                                                                marktung)
           Welche Rolle spielt der Verbund für Ihr                    schaft generell ablehnen?
           ­Lagerhaus?                                                H: Kritiker wird es immer geben. Und natürlich läuft      Berufliches Ziel
            H: Der Verbund ist stark und kann in vielen Be­rei-   auch bei uns nicht immer alles perfekt. Damit muss            Den Betrieb in überschaubarer Größe zu erhalten und
                                                                                                                                die Hofübergabe möglichst zukunftstauglich vorzu-
        chen die Vorreiterrolle übernehmen. Das kommt             man sich auseinandersetzen. Aber unsere Marktan-
                                                                                                                                bereiten, indem der Nachfolger bereits jetzt seine
        allen zugute.                                             teile zeigen, dass wir gut unterwegs sind. Was wir ver-       Ideen einbringen und umsetzen kann.
            Sch: Vor 100 Jahren haben sich die Mitglieder         dienen, fließt wieder in das Unternehmen, in die Re-
       zusammengetan, um gemeinsam erfolgreich zu sein.           gion und kommt allen zugute. Bei uns bereichert sich          Privat
                                                                                                                             →→ Verheiratet, drei Töchter, ein Sohn
        Genauso haben sich die Lagerhäuser zusammenge-            jedenfalls niemand.
                                                                                                                             →→ Wohnhaft in Rückersdorf
       tan, um im Verbund mehr zu erreichen: Ein- und                 Sch: Wir investieren pro Jahr im Durchschnitt zwei     →→ Hobbys: Gesang- und Musikverein Harmannsdorf
      ­Verkauf von Betriebsmitteln, Schulungen von Mitar­         Millionen Euro in neue Projekte und stecken 1,3 bis 1,5       (Sänger und Obmann), Volkstanz, Theater, Konzerte,
                                                                                                                                Lesen, Schifahren
       beitern, rechtliche Informationen, das Erkennen von        Millionen in Wartungen und Reparaturen zur Auf-
       Trends, Unterstützung im Marketing – da muss nicht         rechterhaltung des Betriebs. Das muss erst verdient
       jeder für sich das Rad neu erfinden.                       werden. Wenn man immer der Billigste sein will, wird
es einen nicht lange geben. Und Leuten, die sagen, wir    nicht hinausgeworfen werden. Wir wollen aber nicht,
                                                           seien zu langsam und zu schwerfällig, halte ich entge-    dass ein aktiver Landwirt seine Anteile auf ein Mini-        11

                                                           gen: Gute Entscheidungen brauchen gründliche Über-        mum reduziert.
                                                           legung. Den umfassenden Nutzen einer Genossen-               Wie kommt die Verbundenheit Ihrer Genossen-
                                                           schaft erkennt man erst, wenn es sie nicht mehr gibt.        schaft zur Region zum Ausdruck?
                                                              Wie erleben Sie die Entscheidungsfindung in Ihrer         Sch: Die Standorte, die Silos, Werkstätten, Märkte
                                                              Genossenschaft?                                        werden aufrechterhalten, solange es wirtschaftlich ver-
                                                              Sch: Die Regeln sind seit 100 Jahren dieselben: Die    tretbar ist. Wir unterstützen Blaulichtorganisationen
                                                           Generalsversammlung wählt den Obmann und die              überall, wo wir Filialen haben, aber auch Sportvereine,
                                                           Funktionäre, diese wählen den Geschäftsführer. Das ist    Weinverkostungen, Kellerfeste etc. So bleibt man im
     Zur Person Leopold Scheibböck
                                                           das demokratische Grundgerüst. Strategische Ent-          Kontakt mit der Bevölkerung. Wir gehen auch zu vielen
     Ausbildung                                            scheidungen werden vom Obmann, vom Geschäfts-             Veranstaltungen und versuchen im ganzen Gebiet prä-
→→   Landwirtschaftliche Fachschule Hollabrunn             führer und vom geschäftsführenden Ausschuss vorbe-        sent zu sein.
→→   Ing.-Prüfung Klosterneuburg und Wieselburg
                                                           reitet. Am Ende kommt es zu einer Abstimmung. Es ist         Wie wird die Genossenschaft 2045 dastehen?
→→   Universitätslehrgang Agrar-Marketing
→→   RWA-Ausbildungen                                      eine der Stärken der Genossenschaft, dass nur gut vor-       H: Die Landwirtschaft wird sich drastisch verändern,
                                                           bereitete Entscheidungen eine Chance haben. Man           weil die Zahl der Betriebe stark sinkt. Es werden nur ein
     Berufliche Laufbahn                                   muss die Leute intern überzeugen und kann daher nur       bis zwei Bauern pro Ortschaft übrigbleiben. Die Betriebe
→→ seit 2010 GF Korneuburg
                                                           ausgereifte Pläne vorlegen.                               werden dafür wesentlich größer werden. Das stellt auch
→→ 2007-2010 GF Lagerhaus Mattersburg-Eisenstadt
→→ 1985-2007 RLH Hollabrunn (Kassier, Filial-, Standort-      H: Wir stellen uns jeder Diskussion, haben aber        die Genossenschaft vor große Aufgaben.
   leiter)                                                 auch immer wieder Gegenstimmen und Enthaltun-                Sch: Wir werden auch 2045 der starke und verlässliche
→→ 1982-1985 Kevenhüller-Metsches Weingut Leodagger
                                                           gen. Das ist demokratiepolitisch völlig in Ordnung,       Partner der Landwirtschaft sein. Dazu müssen wir noch
→→ 1979-1981 Gutsverwaltung Hardegg
                                                           wenn nicht alle 40 Funktionäre stets einer Meinung        schneller und flexibler werden, Synergien im Verbund
     Berufliches Ziel                                      sind. Wichtig ist es aber, die Interessen des gesamten    nutzen, den Digitalisierungsprozess begleiten. Sollten
     »Eine nachhaltige Entwicklung des Lagerhauses Kor-    Genossenschaftsgebiets im Auge zu behalten.               Herausforderungen etwa durch den Klimawandel ent-
     neuburg zum Wohle der Mitglieder und Kunden.«
                                                              Ist die Mitgliederzahl stabil?                         stehen, die wir nicht alleine bewältigen, werden wir – in
                                                              H: Die Tendenz ist leicht fallend. So wie die Zahl     bester Raiffeisen-Tradition – darüber nachdenken müs-
     Privat
→→ Verheiratet, zwei Töchter, ein Sohn                     der Betriebe abnimmt, sinkt die Zahl der Mitglieder.      sen, ob wir sie nicht besser gemeinsam schaffen. Wenn es
→→ Wohnhaft in Immendorf                                   Viele behalten sich aber einige Anteile, um weiter Mit-   für die Mitglieder notwendig und vorteilhaft ist, wird man
→→ Hobbys: Schifahren, EDV, Fotografieren, Singen im
                                                           glied sein zu können.                                     auch in unserer Genossenschaft über eine Fusion reden
   Kirchenchor
                                                              Sch: Wer sein Lebtag in der Genossenschaft war,        müssen. Derzeit ist das nicht absehbar und ich strebe es
                                                           soll als Pensionist oder nach der Betriebsübergabe        nicht an, ausgeschlossen ist es aber auch nicht.
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

                                      Bio-Saatgutwerk
                                                                                   RWA-Zentrale

      Unser
      Nachbar

                                                        Saatgut-Zentrallager
      RWA

12

                                             LLT

      Das LTC ist National Dealer
      für den Weltmarktführer
      John Deere in Österreich und
      Generalimporteur für weitere,
      hochwertige Marken.

                                                    LTC
                                                                               1
Grußwort

                             Seit Jahrzehnten sind wichtige Einrichtungen der RWA Raiffeisen
                             Ware Austria in unmittelbarer Nachbarschaft zur Lagerhaus-­           13

                             Genossenschaft Korneuburg angesiedelt. Für jeden, der die Auto­
                             bahnanschlussstelle Korneuburg Ost nutzt, sind unser Technik-­
                             Center mit der Ausstellung landwirtschaftlicher Maschinen, das
                             Zentrallager für Ersatzteile, das Saatgutwerk und der Firmensitz
                             des Gefahrgutexperten LLT ein vertrauter Anblick.
                                Mit der Übersiedlung der RWA-Zentrale auf das Gelände in Kor-
                             neuburg im Herbst 2020 beginnt eine neue Ära dieser Nachbarschaft.
                             Im Südosten der Stadt entsteht ein wahrer RWA/Lagerhaus-Bezirk.
                             Dass dieser Aufbruch mit dem 100-Jahr-Jubiläum des Lagerhauses
                             Korneuburg zusammenfällt, ist ein doppelter Grund zur Freude.
                                Die RWA erfüllt sich den lange gehegten Wunsch, auf eigenem
                             Grund und – den eigenen Wurzeln entsprechend – näher am länd-
                             lichen Raum ihr Hauptquartier aufzuschlagen. Sie rückt damit
                             auch räumlich näher an die Genossenschaften heran, deren Erfolg
                             im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht.
                                Die Eröffnung des völlig neu konzipierten Formatmarkts und
                             unseres Biosaatgutwerks in Korneuburg im Jahr 2019 haben wieder
                             einmal gezeigt, wie wichtig und fruchtbringend die enge Zusam-
                             menarbeit im Verbund ist.
                                Als Generaldirektor der RWA gratuliere ich Obmann Johann
                             Hendler, Geschäftsführer Dir. Ing. Leopold Scheibböck, dem Auf-
                             sichtsratsvorsitzenden Johann Maißer, allen Funktionären und
                             Mitgliedern herzlichst zum 100-jährigen Jubiläum ihrer Genossen-
Alles auf Schiene: Im        schaft. Sie haben in der Vergangenheit großartige Arbeit geleistet,
Herbst 2020 übersiedelt      wichtige und kluge Entscheidungen getroffen, Chancen erkannt
die RWA in ihr neu errich-   und genutzt. Ich wünsche ihnen weiter größtmöglichen Erfolg und
tetes Hauptquartier in
Korneuburg. Das Biosaat-     freue mich auf unsere intensivierte Nachbarschaft.
gutwerk samt Lagerhalle
wurde im Vorjahr eröffnet.   DI Reinhard Wolf, Generaldirektor RWA
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

      »Das Genossenschaftsleben
       		           ist des Bauern rechte Hand.«
      		Drei ehemalige Funktionäre und Zeitzeugen halten gemeinsam Rückschau
         auf turbulente Jahrzehnte des Wandels in der Landwirtschaft.

14

                                                                                                                            Johann Hirsch:
                                                                 Josef Berthold:                                           »Ich wurde vom
                                                                »Ich bin ja fast im                                        ­Bauernbundobmann
                                                                ­Lagerhaus geboren.                                         als Funktionär aus­
                                                                 Mein Vater war Be-                                         gesucht. Das war eine
                                                                triebsleiter bis 1951.«                                     große Ehre.«

                              Die drei Herren nehmen auf Holzstühlen vor dem                 »Ich bin schon als kleiner Bub mit dem Vater zum
                              dunkelgrünen Kachelofen Platz. Beheizt wurde der            Lagerhaus gefahren, zuerst mit den Pferden, ab 1952
                              zwar schon lange nicht mehr, aber er befindet sich im       dann mit dem Traktor«, erinnert sich Franz Berthold,
                              ehemaligen Kassaraum des Lagerhauses Wetzleins-             der mit seinem Gesprächspartner trotz der Namens-
                              dorf, wo in den 1950er-Jahren die legendäre Gusti           gleichheit nicht verwandt ist. »In der Erntezeit sind
                              Dittler ihren Dienst versah – es ist ein idealer Ort, um    die Bauern mit ihren Gespannen bis in den Ort hinein
                              Erinnerungen an alte Zeiten aufzuwärmen.                    angestanden.«
                                 »Ich bin ja fast im Lagerhaus geboren«, erzählt             1963, im Alter von 23 Jahren, heiratete Franz Bert­
                              Josef Berthold, Jahrgang 1941. »Meine Familie hat           hold, übernahm den elterlichen Betrieb und wurde –
                              damals neben dem Gasthaus Grabler gewohnt, wo               wie sein Vater – überzeugter Genossenschafter. »Für
                              die Genossenschaft vor dem Bau des eigenen Lager-           uns hat es nie etwas anderes gegeben. Das Genossen-
                              hauses 1949/50 eingemietet war. Mein Vater war              schaftsleben ist des Bauern rechte Hand.« Berthold
                              Betriebsleiter bis 1951 und ich daher immer mitten-         engagierte sich von 1977 bis 1982 im Aufsichtsrat,
                              drin. Die Bauern haben schroten lassen und sind             danach bis 1996 im Vorstand, war für eine Periode
                              währenddessen im Wirtshaus gesessen. Da war                 auch Obmann-Stellvertreter. »Bei unseren vielen klei-
                              immer viel los.« Josef Bert­hold schlug später den glei-    nen Ortschaften mit früher vielleicht einmal 10 oder 15
                              chen Berufsweg ein wie sein Vater, war von 1977 bis         Bauern hat sich das einfach so ergeben. Da hat es
                              1999 ebenfalls Betriebsleiter in Wetzleinsdorf und von      geheißen: Du machst das.«
                              1999 bis 2001 in Ernstbrunn.
Jahrzehnt der Umbrüche
                                                            Die großen Umbrüche der Genossenschaft in den                                             15

                                                         1990er-Jahren gestalteten die drei Herren aktiv mit:
                                                         »1992 fusionierten wir mit dem Lagerhaus Wolkers-
                                                         dorf,« erzählt Johann Hirsch. Er gehörte zu den insge-
                                                         samt drei Personen, die damals alles vorbereiteten.
                                   Franz Berthold:       »Im  Vorfeld haben wir endlos lange diskutiert und
                                  »In der Erntezeit      gefeilscht. Das war schon sehr interessant.«
                                   sind die Bauern mit      Das gut gestellte Lagerhaus Ernstbrunn schloss
                                   ihren Gespannen
                                   bis in den Ort hinein sich erst vier Jahre später, im Jahr 1996, an, nach hefti-
                                   angestanden.«         gem Taktieren und zwei Kampfabstimmungen. Für
                                                         Wetzleinsdorf, früher das landwirtschaftliche Herz der
   Franz Berthold hat die dramatischen Veränderun-       Genossenschaft Korneuburg, bedeutete das in der
gen in der Landwirtschaft der vergangenen Jahrzehnte Folge ein Zurückfahren auf einen reinen Lager­betrieb,
miterlebt: »Früher wurde ja noch mit der Sense gemäht, was viel Kritik in der lokalen Bauernschaft auslöste.
dann eingelagert und erst im Winter gedroschen. Am          Trotzdem sind die ehemaligen Funktionäre über-
Ende hat man dann 500 oder 600 kg ins Lagerhaus ge-      zeugt, dass die Fusionen damals die richtige Antwort
bracht. Ab Mitte der 50er-Jahre kamen bei uns dann       auf die Veränderungen in der Landwirtschaft und auf          Schauplatz des Treffens:
                                                                                                                      der ehemalige Kassaraum des
die ersten Mähdrescher auf, mit einer Schnittbreite      den EU-Beitritt waren. Die vielen Standorte und              Lagerhauses Wetzleinsdorf mit
von 1 Meter 50. Da hat die Arbeit bis 2 Uhr in der Früh  Abgabestellen seien nicht aufrechtzuerhalten gewe-           dem dunkelgrünen Kachelofen
gedauert.« Aber die Erträge nahmen zu.                   sen. »Für mich waren die Fusionen die Meilensteine
   Johann Hirsch, Jahrgang 1939, ist der Dritte in der   meiner Zeit als Funktionär«, erklärt Hirsch. »Sogar
Runde der Zeitzeugen. Der Erdäpfelbauer, der noch        einer der schärfsten Gegner ist zwei Jahre später zu
heute im Direktvertrieb mitarbeitet, saß von 1975 bis    mir gekommen und hat zugegeben: ›Hans, recht
2016 im Aufsichtsrat der Genossenschaft, war 12 Jahre    habt’s g’habt.‹ «
lang dessen Vorsitzender. »Ich wurde damals vom
Bauern­bundobmann ausgesucht. Das war eine große
Ehre. Ich war immer sehr gerne Funktionär.« Auch in
seiner Familie wurden alle Betriebsmittel selbstver-
ständlich vom Lagerhaus bezogen – »das war ein-
fach so«.
» EIN ZUG ZUM MENSCHEN

16

                                                                                   Geballte Erfahrung:
                                                                                  Die drei Alt-Funktionäre
                                                                                  ­lassen die vergangenen
                                                                                 ­Jahrzehnte Revue passieren.

         Aufregung im Kassaraum                                                                                             »Der Wandel ist da«
         Josef Berthold ist stolz auf die unter seiner Ägide in                                                             Die aktuellen Entwicklungen der Genossenschaft
      Wetzleinsdorf errichtete Lagerhalle für losen Dünger:                                                              sehen die drei erfahrenen Alt-Funktionäre positiv:
      »Der war günstiger und hat den Landwirten viel Geld                                                                »Der Wandel in der Landwirtschaft ist da. Die Zeiten
      erspart.« Nicht jeder hat das gleich verstanden: Eines                                                             des Kontraktweizens mit den fixen Abnahmepreisen
      Tages stürmte ein Landwirt in den Kassaraum, brüllte                                                               sind vorbei, die Geschäfte unsicherer geworden«,
      »Ihr seid’s olle Pülcher« und rannte grußlos davon.                                                                resümiert Josef Berthold: »Man muss die Betriebe und
      Berthold fuhr ihm bis zu seinem Hof nach und                                                                       Arbeitsplätze erhalten und geht mit den Haus- und
      brauchte mehrere Anläufe und die Unterstützung des                                                                 Gartenmärkten, den Werkstätten und anderen
      Jungbauern, um den Mann zu überzeugen, dass er                                                                     Dienstleistungen auch neue Wege. Was ist dagegen
      angesichts des weitaus höheren Wirkungsgrads einen                                                                 einzuwenden?« Franz Berthold und Johann Hirsch
      sehr preiswerten Dünger erstanden hatte.                       »Es hätte gut gepasst«                              nicken zustimmend: »Das sind schon gute Ent­
                                                                     Natürlich gab es auch Rückschläge: 1995 musste      wicklungen.«
                                                                  die erfolgreiche Mühle in Stammersdorf geschlossen
                                                                  werden, weil der größte Kunde nach dem EU-Beitritt
                                                                  plötzlich andere Bezugsquellen für seine Backwaren
                                                                  fand. Um die Mühle und die damals ebenfalls aufge-
                                                                  lassene Abgabestelle Klosterneuburg und den
                                                                  Agrar-Standort Korneuburg tut es den überzeugten
                                                                  Genossenschaftern heute noch leid. Auch dass die
                                                                  geplante Fusion mit dem Lagerhaus Stockerau nicht
                                                                  zustande kam, bedauern sie: »Es hätte von der Struk-
                                                                  tur gut zu uns gepasst.«
Erntegeld und eine Dürre
als gerechter Lohn

                                                                                                                            17

             Die Dürre ist in ganz gleichmäßige Scheiben               »Ehrliche Anerkennung«
             geschnitten und auf einem alten Steingutteller schön      Maißer und sein Bruder haben schon früh im elter-
             angerichtet. Ein Tupfen Senf, frisches Brot und ein    lichen Betrieb mitgearbeitet. Einmal waren sie im
             Kracherl ergänzen die zünftige Jause. Der aktuelle     Alter von 10 bzw. 12 Jahren verbotenerweise mit
             Aufsichtsratsvorsitzende Johann Maißer, Jahrgang       einem Pferdegespann unterwegs, als sie ein Gendarm
             1952, hat sie heute nach Wetzleinsdorf mitgebracht,    aufhielt. Sie stotterten, sie müssten mit der Fuhr
             um seine frühesten Lagerhaus-Erinnerungen zum          Gerste ins Lagerhaus – der Beamte ließ sie zu ihrem
             Leben zu erwecken. Begleitet wird er von seinem        Erstaunen weiterfahren. Das Erntegeld, das sie vom
             neunjährigen Enkel Fabian.                             Vater bekamen, und den traditionellen »Erntehahn«
                »Als ich in dem Alter war, bin ich zur Erntezeit    der Mutter, ein Backhendl zum Abschluss der Arbei-
             gegen 20.30 Uhr mit dem Vater und meinem älteren       ten, sahen die Brüder als »ehrliche Anerkennung. Wir
             Bruder zum Lagerhaus gefahren. Es gab lange Warte-     haben uns gefreut.«
             schlangen. Dann konnten wir das Getreide in Säcken        Seit 1985 engagiert sich Maißer in der Genossen-
             abliefern und haben die Grundreinigung abgewartet.     schaft. Damals wurde er von Franz Berthold vorge-
             Zur Belohnung hat uns der Vater auf eine Dürre und     schlagen. »Ich wollte immer den eigenen Betrieb mit
             ein Kracherl ins Gasthaus Woditschka eingeladen«,      dem Lagerhaus verbinden und für alle Bauern etwas
             erzählt Maißer und die jugendliche Begeisterung        erreichen. Das ist wahrscheinlich angeboren«, sagt er
             blitzt noch heute in seinen Augen auf. »Das Kracherl   und schaut zu seinem Enkel. Fabian hört zu und hat
             war das Um und Auf.« Da nahm er auch in Kauf, dass     auch die Bemerkung über das Erntegeld aufmerksam
             die Teller nicht immer so blitzblank angerichtet       registriert.
             waren.
» MENSCHEN AM ZUG

18

      Menschen
                         am Zug
19
» MENSCHEN AM ZUG

               »Kein Landwirt fährt bei uns
      weiter als 20 Kilometer.«
      	Agrar-Spartenleiter Alfred Hödl kennt die Bedürfnisse der Landwirte und organisiert im
         Lagerhaus ein umfassendes Angebot von der Saat bis zur Ernte.

                                                                                                                              befall und einem deutlichen Rückgang des Anbaus
20                                                                                                                            geführt«, erzählt er.
                                                                                                                                 Wenn die neuen EU-Agrarförderungen so ungüns-
                                                                                                                              tig ausfallen wie befürchtet, erwartet Hödl, dass in
                                                                                                                              den nächsten Jahren bis zu 25 Prozent der 450 meist
                                                                                                                              kleinstrukturierten Betriebe im Genossenschaftsge-
                                                                                                                              biet aufgeben werden.
                                                                                                                                 Trotzdem bleibt der energiegeladene Mann mit den
                                                                                                                              grauen Haaren und dem hellwachen Blick zuversicht-
                                                                                                                              lich: »Jede Generation hat schwierige Zeiten erlebt
                                                                                                                              und sie mit Familienzusammenhalt und verlässlichen
                                                                                                                              Partnern wie dem Lagerhaus überstanden.« Vom gu-
      Alfred Hödl steht in einem Getreidefeld bei Rück-                                                                       ten Angebot seiner Genossenschaft ist Hödl felsenfest
      ersdorf. Das unvermeidliche Tablet unter den rechten                                                                    überzeugt: »Der Lagerhaus-Verbund ist Marktführer
      Arm geklemmt, lässt er die Finger prüfend über eine                                                                     und dank seiner Größe auch international konkur-
      Ähre gleiten. Ein schneller Blick verrät ihm, dass die                                                                  renzfähig. Es werden alle Produkte zu fairen Preisen
      Erntemenge bei den Landwirten auch diesmal keinen                                                                       übernommen, und die Bezahlung ist sicher.«
      Jubel auslösen wird.                                                                                                        Die Zufriedenheit der Landwirte sehe man auch
         Hödl, Jahrgang 1968, begann mit 20 als Kassier in                                                                    daran, dass zwei Drittel Jahr für Jahr auf das Vertrags-
      Rückersdorf, durchlief Stationen in Schleinbach und                                                                     system setzen. Der fix vereinbarte Anbau und Aufkauf
      Ernstbrunn, ehe er 2014 Spartenleiter Agrar wurde. Er                                                                   bestimmter Kulturen schaffe Planungssicherheit auf
      verantwortet damit den traditionellen Lagerhaus-­                                                                       beiden Seiten.
      Kernbereich mit 23 Mitarbeitern an sieben Standorten.                                                                       Ein weiterer Vorteil sei das dichte Versorgungsnetz
         Der Absolvent der Landwirtschaftlichen Fach-                                                                         des Lagerhauses. »Kein Landwirt fährt bei uns weiter
      schule Hollabrunn kennt die Probleme der Bauern                                                                         als 20 Kilometer bis zum nächsten Standort«, sagt der
      genau. Mit Sorge schaut Hödl etwa auf die geplanten                                                                     Spartenleiter. »Er bekommt dort ein regional abge­
      Handelsabkommen, die den heimischen Landwirten                                                                          stimm­tes Sortiment und kann sich darauf verlassen,
      zusätzliche Konkurrenz bescheren könnten, auf die                                                                       dass alle wichtigen Betriebsmittel saisongerecht auf
      niedrigen Preise für Massenprodukte und die immer                                                                       Lager sind.« Die Einkaufsexperten des Verbunds sorg-
      strengeren Regularien: »Das Pestizid-Verbot bei den      Als Agrar-Spartenleiter muss Hödl landwirtschaftliche Trends   ten durch genaue Marktbeobachtung für gute Markt-
      Erdäpfeln hat bei uns zu einem starken Schädlings­       ­erkennen und Ernten einschätzen können.                       preise.
Den eigenen Betrieb hat Hödl
bereits an den Sohn überge-
ben, er hilft aber weiter leiden-
schaftlich gerne mit.

      Auch die Bio-Übernahmestellen in Schleinbach
   und Großengersdorf seien ein Service, den kleinere                                                                 21

   Mitbewerber nicht immer anbieten: »Wir dividieren
   konventionelle und Bio-Landwirte nicht auseinander.
   Beide sichern die Versorgung und gehen verantwor-
   tungsvoll mit Betriebsmitteln um.«
      Als Spartenleiter müsse er ein halbes Jahr im Vor-
   aus planen, Trends erkennen und die Ernte einschät-
   zen können. »Vor allem Nassmais ist eine riesige Her-
   ausforderung«, erzählt Hödl. Die Menge wurde in den
   letzten Jahren von 6.000 auf mehr als 20.000 Tonnen
   gesteigert. Um sie zu bewältigen, braucht es genau-
   este Planung. Reservelager- und Trocknungskapazitä-      bearbeitung; das für sie optimale Saatgut; Misch- statt
   ten müssen bereitgestellt werden, falls Schlechtwetter   Monokulturen; und mutig Nischen besetzen.« Es gebe
   die Erntezeit stark einschränkt. »Da arbeiten wir am     immer wieder aussichtsreiche Kulturen wie gestreifte
   Limit und wenn es geschafft ist, gehe ich mit meinen     Sonnenblume, Gelbhirse, Ölkürbis, Spargel oder Erd-
   Leuten zum Heurigen.«                                    beeren. Eines sei aber klar: »Nischen sind immer
      Die Berater seien für die Kunden überhaupt der        arbeitsintensiv.«
   entscheidende Vorteil: »Sie kennen die Region, sind         Auch Hödls Sohn hat den Betrieb im Zuge der
   topausgebildet, immer auf dem letzten Stand und          Übernahme 2018 auf eine breitere Basis gestellt:
   hoch motiviert«, lobt Hödl seine Truppe. Er legt größ-   Neben Sonnenblume, Zuckerrübe, Weizen und Mais
   ten Wert darauf, seine Mitarbeiter zu fördern und mit    züchtet er die seltene Rinderrasse Murbodner. Seine
   ihnen in engem Kontakt zu stehen. »Wir gehen offen       Eltern übernehmen noch immer gerne Stalldienste:
   und fair miteinander um. Wenn sie sich wohlfühlen,       »Wenn man mit Tieren gut umgehen kann, bekommt
   spüren das auch die Kunden.« Hödl schwört auf            man bei dieser Arbeit den Kopf frei.«
   Teamgeist: »Ich bin so etwas wie ein Spielertrainer.
   Wenn hinten einer einen Fehler macht, steht der Hödl
   im Tor und putzt aus.«
      Was rät er den Landwirten in diesen schwierigen
   Zeiten: »Zuallererst eine gesunde Fruchtfolge gegen
   Unkräuter und Schädlinge; eine ausreichende Boden-
» MENSCHEN AM ZUG

      Auf ein Gläschen
               im Weinbaucenter
      Christian Wimmer ist als Spartenleiter für Wein- und Obstbau zuständig.
      Für die Winzer des Weinviertels ist er damit ein unentbehrlicher Partner.

                                                               Verschlüsse bis zu den Etiketten.« Ein Blick durch die
22                                                             sonnenhelle Halle und über die Maschinen am Vor-
                                                               platz zeigt, dass das nicht übertrieben ist.
                                                                  Nicht nur Weingartentechnik unterscheidet das
                                                               WBC Wolkersdorf von den regionalen Mitbewerbern,
                                                               die Winzer bekommen hier auch die notwendigen
                                                               Pflanzenschutzmittel und Dünger. Ein mobiles Service-­
                                                               Team unterstützt sie bei der Inbetriebnahme und War-
                                                               tung der Kellereitechnik und der Kühlungsanlagen mit
                                                               ihren komplexen Leitungssystemen und Steuerungen.
                                                                  Ein wichtiges Thema sind Weinbehandlungsmittel
                                                               wie Gelatine, Bentonit, Enzyme, Hefen, Tannine etc.
      Der kühle Weiße ist eingefüllt, Christian Wimmer         Sie werden bei der Bereitung von Wein dazu verwen-
      hält das blitzblank polierte Glas schräg gegen das       det, eine reintönige Gärung und den bakteriellen
      Licht und prüft den Inhalt mit Kennerblick und           Säure­abbau zu gewährleisten und unterstützen die
      Genießermiene. Seit Jahrzehnten befasst sich der         Reifung und Klärung.
      Spartenleiter Wein- und Obstbau mit dem Genuss-             Vor ihrem Einsatz ist das modern ausgestattete
      mittel, das dem Weinviertel seinen Namen und gan-        Labor gefragt. »Ohne Labor wären wir kein Weinbau­
      zen Landstrichen ihre typische Prägung verliehen hat.    center«, sagt Wimmer. »Es ist das Herzstück.« Hier
      Wein ist ein besonders hoch kultiviertes landwirt-
      schaftliches Produkt und für viele eine Leidenschaft.
         Wein war für das Lagerhaus Korneuburg schon
      immer ein großes Thema. Im Jänner 2017 wurde ihm
      mit dem Wein- & Obstbaucenter Wolkersdorf ein
      eigener Standort mit sieben Mitarbeitern gewidmet.
      »Wir sind ein echter Komplettanbieter«, erzählt Chris-
      tian Wimmer während eines Rundgangs. »Der Winzer
      bekommt bei uns alles, was er braucht – vom Setzling
      über die Steher und Stecken bis zur Weingartentech-
      nik, vom Rebler über die Weinpresse, Kühlgeräte und
      Tanks bis zur Füllanlage; von den Flaschen über die
Der Spartenleiter ist stolz
auf »sein« modernes
Weinbau­center in Wolkersdorf
und das Komplettangebot
für die ­Winzer.

                                                            wegen ins Lagerhaus Korneuburg, wo er sich am Stand-
                                                            ort Stammersdorf von Anfang an mit Wein befasste.          23

                                                            Als Stammersdorf Ende der 1990er-Jahre geschlossen
                                                            wurde, übersiedelte Wimmer nach Wolkersdorf und
                                                            nahm seinen Kundenstock mit. Die meisten von ihnen
                                                            sind mittlerweile Vollwinzer, nur »zwei bis drei Prozent
                                                            machen es noch im Nebenerwerb«.
                                                                Wimmer hat schon viele Innovationen im Weinbe-
                                                            reich erlebt und vorangetrieben – die Einführung des
                                                            Drehverschlusses, den individualisierbaren Etiketten-
                                                            druck in Kleinserien, die Einführung der Leichtflasche
                                                            durch die RWA, die 15 Prozent weniger wiegt und damit
   werden die frischen Weine auf Alkoholgehalt, Schwe-      Transportkosten verringert. Der größte Meilenstein für
   fel, Säure, Eiweißstabilität und Sensorik hin unter-     Wimmer war aber die Errichtung des neuen Wein-
   sucht. Das erfordert aufwändige Technik und feinsten     baucenters um 1,8 Millionen Euro. »Und stolz bin ich
   Geschmackssinn. »Für viele kleinere Winzer sind          darauf, dass ich seit meinem Wechsel nach Wolkers-
   diese Anlagen zu teuer, aber auch große Winzer kom-      dorf 1999 jedes Jahr positive Zahlen schreiben konnte.«
   men zu uns, um eine zweite Meinung zu hören«,                Für die Zukunft sieht Wimmer einige Herausforde-
   erzählt der Spartenleiter, der sich persönlich vor       rungen: Die Zahl der Kleinwinzer nimmt ab, die
   allem um Kellereitechnik kümmert. »Wir begleiten         Ansprüche der Großen steigen; die Rekordernte von
   den Wein wirklich von der Rebe bis ins Glas.«            2018 liegt noch in vielen Tanks, was die Preise drückt;
       Das »Ausverkosten« im Labor sei eine sehr heraus-    der Klimawandel sorgt für frühere Lesezeitpunkte mit
   fordernde und vertrauensvolle Aufgabe. Denn jeder        höheren Temperaturen, was eine raschere Kühlung
   Winzer hat eine genaue Vorstellung von der Stilistik     erfordert. Und nicht zuletzt hat der Wein weniger
   seines Weins, möchte ihm aber mit Unterstützung der      Säure, die ihm in Österreich laut EU-Regeln nicht
   Lagerhaus-Weintester noch das letzte Glanzlicht auf-     zugesetzt werden darf.
   setzen. Dass hier strengste Geheimhaltung Pflicht ist,       Trotzdem strahlt Wimmer Zuversicht und große
   versteht sich von selbst.                                Freude an seiner Arbeit aus: »Meine liebste Aufgabe
       Christian Wimmer ist Jahrgang 1964. Bereits mit 15   ist das Weinverkosten mit Kunden. Da geht es um den
   Jahren trat der Waldviertler ins Lagerhaus Gmünd ein     Genuss, aber vor allem um die Kontaktpflege mit den
   und lernte Bürokaufmann. 1988 wechselte er der Liebe     Winzern. Denn nur das Persönliche zählt.«
» MENSCHEN AM ZUG

        Die Power-Frau
      		      von der Tankstelle
       irgit Bauer-Schwanzer verantwortet im Lagerhaus Korneuburg den Bereich Energie –
      B
      ein hart umkämpftes Geschäft, in dem sie auf Qualität und Verlässlichkeit setzt.

                                                                                                                          gelegentlich noch »Ölprinzessin« gerufen wird,
24                                                                                                                        nimmt die junge Frau mit Humor.
                                                                                                                             »Ich bin stolz darauf, dass ich die Sparte aufbauen
                                                                                                                          durfte.« Sie legte die bis dahin auf alle Standorte ver-
                                                                                                                          streuten Energie-Kompetenzen zusammen, führte das
                                                                                                                          Kunden-Management-System CRM ein, 2018 konnte
                                                                                                                          ein zweiter Tankwagen in Betrieb genommen werden.
                                                                                                                          Das Zustellgeschäft macht im Lagerhaus zwei Drittel
                                                                                                                          des Energie-Umsatzes aus: Landwirte und Großkunden
                                                                                                                          lassen sich ihre Hoftanks befüllen, Hausbesitzer ihre
                                                                                                                          Öllager. Auch Pellets und Scheitholz werden geliefert.
                                                                                                                             Hier sieht Bauer-Schwanzer die Stärke des Lager-
      Birgit Bauer-Schwanzer steht vor den Zapfsäulen          kaum findet.« Nach ihrer Matura an der Handelsaka-         hauses: »Unsere beiden Fahrer, die Herren Schierer
      der Genol-Tankstelle in Ernstbrunn und erklärt die       demie bewarb sie sich folgerichtig im Lagerhaus. Lei-      und Zimmermann, arbeiten extrem sauber und ver-
      Vorzüge des neuen Treibstoff-Trends Protect Diesel:      der sei keine Stelle frei, man werde ihre Bewerbung        lässlich. Sie kennen ganze Familiengeschichten und
      »Die Landwirte schätzen ihn, weil er konstant winter-    aber in Evidenz halten, wurde ihr mitgeteilt.              die Heizungsanlagen. Wenn bei der Einstellung etwas
      fest bis −30° ist und sie nicht überlegen müssen, wann      Zu ihrer eigenen Überraschung meldete sich das          nicht passt, helfen sie auch schon einmal mit.« Dieses
      sie welche Maschine mit welchem Diesel betankt           Lagerhaus fünf Jahre später tatsächlich und bot der        Nahe- und Vertrauensverhältnis sei typischer Lager-
      haben. Die Privatkunden wählen ihn gerne wegen der       damals 25-Jährigen den Energie-Bereich an. 2010 trat       hausstil: »Man kennt uns und weiß, wir sind pünkt-
      größeren Reichweite und der reineren Verbrennung,        sie den Job an, ein Jahr später war sie Leiterin der neu
      die den Motor schützt.«                                  geschaffenen Sparte Energie. »Jung und Frau – das
         Bauer-Schwanzer ist seit 2011 Spartenleiterin Ener-   war am Anfang nicht ganz einfach«, lacht Bauer-­
      gie im Lagerhaus Korneuburg. Ihr Büro ist zwar in        Schwanzer, mittlerweile Mutter eines Sohnes und in
      Rückersdorf, für das Gespräch hat sie aber Ernstbrunn    einem landwirtschaftlichen Betrieb in Stetteldorf am
      vorgeschlagen wegen der modernen und besonders           Wagram beheimatet. »Beim ersten Treffen der Spar-
      gut ausgestatteten Tankstelle.                           tenleiter in St. Pölten war ich die einzige Frau.« Und
         Als Tochter einer bäuerlichen Familie aus Tresdorf    auch einige Kunden wären anfangs automatisch mit
      war die zierliche junge Frau schon immer mit dem La-     ihren Energie-Fragen zum Standortleiter in Rückers-
      gerhaus verbunden. »Es ist einfach ein sicherer Hafen,   dorf gegangen. »Da braucht man Durchhaltevermö-
      wo ich alles bekomme, wo es persönliche Ansprech-        gen und muss beweisen, dass man es kann.« Mittler-
      partner gibt und einen Service, wie man ihn sonst        weile bestehen daran keine Zweifel mehr. Dass sie
Manche nennen sie »Ölprinzessin«:
                                     Die junge Sparten­leiterin
                               ­Bauer-Schwanzer kann darüber
                                              ­herzhaft lachen

lich, die Eichung ist korrekt, die Qualität passt.«
   Als Lagerhaus dürfe man sich nichts erlauben. Feh-             25

ler einer Sparte färben sofort auf alle anderen ab: »Ich
habe einmal einen Kunden gefragt, warum er bei uns
keinen Diesel kauft. Die Antwort: Vor zehn Jahren
habe irgendetwas mit einer Zustellung nicht geklappt.«
    Sie selbst ist für Ein- und Verkauf zuständig, für
Kalkulation und betriebswirtschaftliche Planung, für
Auswertungen und Analysen. Dabei müsse sie genau
auf die Kosten und auf eine konstante Auslastung
achten. Denn trotz eindrucksvoller Umsatzzahlen,
seien die Margen im Energie-Geschäft gering: »Da
geht es um jeden Cent.« Drei 100.000 Liter-Tanks in
Rückersdorf bzw. Wetzleinsdorf lassen ihr wenig
Spielraum für Bevorratung. Da ist vor allem Verhand-
lungsgeschick im Alltagsgeschäft gefragt.
   Der Blick in die Zukunft wirft für Bauer-Schwanzer
viele Fragen auf: Ihr Hauptprodukt, der Diesel, ist ins
Gerede gekommen, eine Abschaffung des Steuerprivi-
legs wird gefordert. »Dann muss man erst sehen, wo-
hin sich die Landwirte und Transportunternehmen
orientieren.« Die Neuinstallation von Ölheizungen
wurde verboten, auch dieses Geschäft läuft einmal aus.
Auf dem Pelletsmarkt gibt es viele Mitbewerber. Nicht
zuletzt erhöht der Strukturwandel in der Landwirt-
schaft den Konkurrenzdruck. »Diese Ungewissheit
macht uns zu schaffen.«
   Trotzdem ist Bauer-Schwanzer vom Lagerhaus und
seinen Vorzügen überzeugt: »Bei uns bekommen die
Kunden verlässliche Qualität, es geht familiärer und
persönlicher zu. Das ist ein Wert, der bleibt.«
» MENSCHEN AM ZUG

              Ehemaliger Verkaufs­trainee
      als Technik-Chef
      	Bernhard Buchegger ist als Technik-Spartenleiter Herr über vier Autohäuser und
         elf Werkstätten an vier Standorten. Er führt ein Team von 120 Mitarbeitern.

                                                                                                                                        Warum er zum Lagerhaus Korneuburg gewechselt
26                                                                                                                                   ist? »Das Angebot, die gesamte Technik-Sparte zu
                                                                                                                                     übernehmen, war eine reizvolle Herausforderung.
                                                                                                                                     Da musste ich nicht lange überlegen«, sagt der zwei-
                                                                                                                                     fache Vater, der nach wie vor in Kirnberg an der
                                                                                                                                     Mank lebt. »Das Lagerhaus hat einen familiären
                                                                                                                                     Charme – vom Geschäftsführer bis zum Lehrling.
                                                                                                                                     Hier wird jeder wie ein Mensch behandelt.« Der neue
                                                                                                                                     Spartenleiter investiert jedenfalls viel Zeit, um alle
                                                                                                                                     seine 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persön-
                                                                                                                                     lich kennenzulernen.
                                                                                                                                        Bernhard Buchegger ist neben Personalführung
       Bernhard Buchegger hat im funkelnagelneuen                                                                                    zuständig für die Werkstätten an den Standorten Kor-
       Peugeot Platz genommen und hört aufmerksam zu,                                                                                neuburg, Tresdorf, Wolkersdorf und Ernstbrunn – vier
       als ihm Verkaufsberater Thomas Stingl das moderne                                                                             für Pkw, drei für Landmaschinen, eine für Lkw- und
       Navigationsgerät erklärt. Nötig hätte er es nicht, denn                                                                       drei für Kleinmotoristik. In den Autohäusern werden
       der smarte 33-Jährige, der seit November 2019 die                                                                             die Marken Peugeot, Opel, Suzuki, Nissan und Subaru
       Sparte Technik im Lagerhaus Korneuburg managt, hat                                                                            verkauft.
       den Verkauf von der Pike auf gelernt.                                                                                            Bucheggers Auftrag ist es, den erfolgreichen Kurs
          Buchegger stammt aus einer Landwirte-Familie,                                                                              der vergangenen Jahre weiter zu entwickeln. Dazu
       begann nach der Handelsschule aber als Verkaufs­                                                                              will der betont freundlich auftretende junge Mann vor
       trainee im Lagerhaus Mostviertel Mitte. Dort hatte                                                                            allem die filialübergreifende Zusammenarbeit aus-
       der gebürtige Scheibbser zuvor schon mehrere Feri-                                                                            bauen. Einheitliche IT-Systeme, verbesserte Kommu-
       alpraktika absolviert. »Die Entwicklungschancen im                                                                            nikation und Teambuilding sollen Reibungsverluste
       Lagerhaus sind großartig«, sagt Buchegger. Er selbst                                                                          reduzieren und den Kunden ein noch schnelleres Ser-
       durchlief alle Stationen im Technik-Bereich, wurde                                                                            vice bieten. »Es gehört zu den größten Vorteilen einer
       zuerst stellvertretender und dann für fünf Jahre Leiter                                                                       Genossenschaft, dass wir keinen Aktionären ver-
       eines Autohaus-Standorts. Nebenbei absolvierte er                                                                             pflichtet sind und das Kapital zugunsten unserer Kun-
       ein Management-Studium an der FH Wien und war                                                                                 den und Mitglieder investieren können.«
      Teil des Talentepools der RWA Raiffeisen Ware              Buchegger hat Autohandel von der Pike auf gelernt und freut sich,      Mitarbeiterführung und -motivation ist Bucheg-
      ­Austria.                                                  den Kunden fünf Marken anbieten zu können.                          ger ein großes Anliegen: »Denn sie setzen um, was
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