Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung

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Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
Zugehende Beratung
der Alzheimer Zürich
Begleitstudie 2016–2020

Prof Dr. Romy Mahrer Imhof
Prof Dr. Lorenz Imhof
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
EINLEITUNG
                          INHALT
    ZUSAMMENFASSUNG                                                                                        5
1   EINLEITUNG
    1.1                   Das Begleitforschungsprojekt Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich             8
    1.2                   Begleitstudie                                                                     9
  		                      Themenschwerpunkte und Fragestellung dieser Begleitstudie                         9
		  1.3                   Methodisches Vorgehen                                                            10
		  1.4                   Aufbau des Begleitstudienberichtes                                               11

2   KONZEPT
    2.1 Entstehung und Projektverlauf                                                                     12

                                                                                                                           KONZEPT
			     Erste Idee                                                                                         12
			     Vision Zugehende Beratung durch Alzheimer Zürich                                                   14
		  2.2 Das Angebot der Zugehenden Beratung der Alzheimer Zürich                                           15
			     Zielsetzung                                                                                        15
			     Care- und Case-Management                                                                          16
			     Beratungsgespräche sowie die systematische Erfassung und Dokumentation                             17
  			        der Beratungssituationen
			     Umfang der Beratung                                                                                18
			     Finanzierung und Budgetierung                                                                      18

3   ERGEBNISSE
    3.1                   Werbemassnahmen und Akquisition                                                 20
			                       Persönliche Gespräche in den Gemeinden                                           21

                                                                                                                           ERGEBNISSE
			                       Aufwand für Werbemassnahmen                                                      21
			                       Schriftliche Unterlagen                                                          21
			                       Medien                                                                           22
		  3.2                   Leistungsvereinbarungen                                                          22
  		                      Verträge mit den Gemeinden                                                       22
  		                      Verträge mit Privatpersonen als Selbstzahler                                     23
  		                      Zuweisende Organisationen                                                        24
			                       Kostenträger                                                                     24
		  3.3                   Beratungen Situationen von Betroffenen und ihren Familien                        24
  		                      Persönliche Situation                                                            26

                                                                                                                           KRITISCHE WÜRDIGUNG
  		                      Informelles Unterstützungssystem                                                 27
		  3.4                   Zusätzliche Unterstützung zu Beginn der Beratung                                 27
    3.5                   Unterschiedliche Anspruchsgruppen in der Beratung                                28
  		                      Situation 1: Informationsbedarf decken und Entlastung organisieren               29
			                       Situation 2: Klärungen herbeiführen und ein Netzwerk zum Laufen bringen          30
			                       Situation 3: Organisation des laufenden Versorgungsnetzwerks                     31
			                       Situation 4: Koordination der Unterstützung – Kollaboration im Netzwerk          32
		  3.6                   Zeitaufwand und Kosten für die Beratung                                          34
  		                      Zeitaufwand für die Beratung                                                     34
			                       Zeitaufwand für die Unterstützung der Beraterinnen                               35
			                       Finanzierung des Angebotes                                                       35

4   KRITISCHE
   4.1                    Die Sicht der Projektleiterin Christina Krebs                                   38
    WÜRDIGUNG
   4.2                    Kritische Würdigung aus Sicht der Autorin und des Autors                         42
 		                       Beratungskompetenz und Ausrichtung auf das Unterstützungssystem Familie          42
                                                                                                                           REFERENZEN

			                       Beratung mit unterschiedlichen Bedingungen und Auftraggebern                     43
			                       Koordination oder Kollaboration mit anderen Anbietern                            45
 		                       Bilanz Demenzstrategie und deren Bezug zum Projekt Zugehende Beratung            47
 		                       Familienorientierte Interventionen                                               47
			                       Strukturelle Bedingungen für den Beratungsauftrag                                48
			                       Koordination und Kollaboration in Versorgungsstrukturen                          50

5   REFERENZEN       		                                                                                   52

                                                                                 Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich    3
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
IMPRESSUM

Auftraggeber                Alzheimer Zürich

Co-Projektverantwortliche   Christina Krebs
		                          Beatrice Gfeller

Schlussbericht              Prof Dr. Romy Mahrer Imhof
		                          Prof Dr. Lorenz Imhof
		                          Nursing Science & Care GmbH
		                          www.ns-c.ch
		                          052 213 65 65

		                          Ansprechperson für das Projekt: Christina Krebs

Lektorat                    Dore Wilken, dwilken@gmx.de

Gestaltung                  Simone Kuhn, sqn grafik, www.sqn.ch

Fotografien                 Adobe Stock: Titelbild, Seite 6, 10, 11, 17, 28, 30–36, 43, 45, 49
		                          Alamy: Seite 7, 25, 27, 29
		                          Selina Meier: Seite 39
		                          Alzheimer Zürich: Seite 20

Förderung                   Dieser Bericht dokumentiert ein Förderprojekt der Age-Stiftung.
                            Weitere Informationen dazu unter www-age-stiftung.ch. Die Age-Stiftung
                            legt ihren Fokus auf Wohnen und Älterwerden. Dazu fördert sie Wohn-
                            und Betreuungsangebote in der deutschsprachigen Schweiz mit finanziellen
                            Beiträgen. Sie engagiert sich für inspirierende zukunftsträchtige Lösungen
                            und informiert über gute Beispiele.

Zitation des Berichts       Mahrer Imhof Romy, Imhof Lorenz (2020). Zugehende Beratung der
                            Alzheimer Zürich: Begleitstudie von 2016–2020; Winterthur:
                            Nursing Science & Care GmbH.

		                          Juni 2020

                                                                  Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   4
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
ZUSAMMENFASSUNG

      Projektidee                                             Begleitstudie

       Im Rahmen der nationalen Demenzstrategie               Die Begleitstudie deckte den Zeitraum von
von 2014–2019 erfolgte im Jahr 2014 ein Aufruf der      Mitte 2016 bis zum Abschluss des Pilotprojekts Ende
Gesundheitsdirektion Zürich, sich an der kantonalen     2019 ab. Die Evaluation wurde durch die Firma Nur-
Demenzstrategie zu beteiligen. Im Rahmen der De-        sing Science & Care GmbH, Prof. Dr. Romy Mahrer
menzforen im Kanton Zürich konstatierte man, dass       Imhof und Prof. Dr. Lorenz Imhof, durchgeführt.
bereits ein gutes Versorgungsangebot vorhanden
sei, jedoch wurden Lücken im Bereich eines flächen-     Die Grundlage der Studie bildeten Interviews mit ver-
deckenden Angebots für aufsuchende Abklärung            schiedenen Akteuren und Akteurinnen: Leitungsmit-
und Beratung von sozial isolierten, demenzerkrank-      glieder, Vertreter politischer Gremien, Beraterinnen,
ten Personen zu Hause festgestellt 1. Es erfolgte ein   Mitglieder anderer Dienstleistungsorganisationen
Aufruf, für aufsuchende Dienstleistungen neue An-       sowie Klientinnen und Klienten der Zugehenden Be-
gebote zu entwickeln.                                   ratung.

Die Alzheimer Zürich, die ihre Leistungen im Kanton     Ergänzend wurden Daten aus den Dokumenta-
Zürich anbietet, entwickelte nach Diskussion im Vor-    tionen zu den Beratungssequenzen, die von den
stand ein Projekt einer aufsuchenden Beratung. Die      Beraterinnen erfasst wurden, Werbematerial der
Zugehende Beratung definiert, dass die Beratungen       Alzheimer Zürich und Berichte zur nationalen und
proaktiv, langfristig und mit hoher personeller Kon-    kantonalen Demenzstrategie beigezogen.
tinuität im häuslichen Umfeld angeboten werden 2.
Alzheimer Zürich versprach sich durch dieses Ange-      Auf dieser Datengrundlage beschreibt der vorlie-
bot eine Entlastung der erkrankten Person und der       gende Bericht die Aufwendungen zur Lancierung
Angehörigen, eine Förderung oder zumindest einen        und Implementierung der Zugehenden Beratung.
Erhalt der Selbstpflegefähigkeiten und damit die        Die Situationen, die die Beraterinnen bei ihrer Arbeit
Verzögerung eines Heimeintritts 3. Es war der Pro-      zu Hause angetroffen haben, werden in Fallvignet-
jektleitung wichtig, dass diese Zugehende Beratung      ten geschildert und Fragen zur Finanzierung der Zu-
nicht in erster Linie der Abklärung der möglichen       gehenden Beratung bearbeitet. Ein Rück- und Aus-
Demenz dient, sondern zur «Beratung und Beglei-         blick der Projektleiterin Christina Krebs erfolgt. Eine
tung pflegender Angehöriger sowie zur Koordina-         kritische Würdigung aus Sicht der Autorin und des
tion der notwendigen Leistungen» konzipiert ist.        Autors beinhaltet Überlegungen zu den Schwer-
In der Folge wurden Leistungsvereinbarungen mit         punkten der Zugehenden Beratung und stellt das
Gemeinden des Kantons Zürich gesucht, um die Be-        Projekt in Zusammenhang mit der Demenzstrategie.
ratungen im Umfang von fünf Hausbesuchen und            Empfehlungen für die Weiterführung und für die
unbeschränkten Telefonaten und Besprechungen            Lancierung neuer Projekte werden formuliert.
mit den Beraterinnen an der Geschäftsstelle der Alz-
heimer Zürich finanziell absichern zu können.

                                                                                                                  1   Gesundheitsdirektion
                                                                                                                      Zürich, «Vernehmlassung
                                                                                                                      Konzept AIDA-Care»,
                                                                                                                      2015.
                                                                                                                  2   Baumert und Krebs,
                                                                                                                      «Konzept Zugehende
                                                                                                                      Beratung».
                                                                                                                  3   Vögeli, «Case Manage-
                                                                                                                      ment und ‹Zugehende
                                                                                                                      Beratung› bei Demenz».

                                                                                                    Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich     5
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
Ergebnisse                                        Absprachen unter den Leistungserbringern. In die-
                                                        sen Situationen kam es zu Spannungen und Konflik-
      Akquise und Werbung                               ten, wenn die Legitimation für Koordination nicht
      für Zugehende Beratung                            erteilt oder nicht geklärt wurde.
      Grosse Anstrengungen zur Bewerbung des
An­gebotes Zugehende Beratung mussten unter-
nommen werden, um die Zugehende Beratung
bekannt zu machen. Sie wurde im Rahmen aller
Angebote der Alzheimer Zürich auf dem Kantons-
gebiet mit dem Infomobil beworben und zahlreiche
persönliche Gespräche mit Gemeindevertreterin-
nen und -vertretern geführt. Auch ein Netzwerk
der Dienstleistungsanbieter, die ihre Leistungen
Menschen mit Demenz im Zürcher Oberland an-
bieten, wurde gegründet, um damit auch die Zu-
gehende Beratung den Klientinnen und Klienten
näherzubringen.

      Abschluss von Leistungsverträgen
      In der Projektlaufzeit von Mitte 2016 bis Ende
2019 konnten mit acht der 73 angesprochenen
Gemeinden Leistungsverträge abgeschlossen und
51 Klientinnen und Klienten respektive Familien
beraten werden. Die Mehrheit der Klientinnen und
Klienten finanzierte die Beratungen selbst, nur in
16 Fällen übernahmen die Gemeinde oder Stiftun-
gen die Kosten.
                                                        Der Aufwand pro Beratungsfall war sehr unter-
                                                        schiedlich und erschwerte eine Planung von Arbeits-
       Beratungssituationen                             pensen. Im Durschnitt machten die Beraterinnen
       Die Situationen, die die Beraterinnen zu Hau-    2.5 Hausbesuche (zwischen ein und sieben) bei den
se antrafen, zeigten unterschiedliche Belastungen       Klientinnen und Klienten. Damit lagen die Haus-
von Angehörigen und Menschen mit Demenz. Es             besuche im Schnitt unter dem, was im Beratungs-
konnten vier Situationen identifiziert werden. Wäh-     konzept vorgesehen war. Der zeitliche Aufwand für
rend die einen vor allem Informationen zu Demenz        Hausbesuche (4.4 h), telefonische Beratungen (3 h)
und Dienstleistungen brauchten, war bei anderen         und administrative Aufwendungen (3.9 h) pro Be-
eine Klärung der Belastungen und eine mögliche          ratungsfall lag bei durchschnittlich 11.3 Stunden.
Entlastung durch professionelle Dienstleister zu        Er variierte pro Fall und Tätigkeit zwischen 0.5 und
überlegen. Eine weitere Situation machte deutlich,      17.3 Stunden.
dass zwar Unterstützungsleistungen für das familia-
le System oder den Menschen mit Demenz vorhan-          Die Beraterinnen verfügen über grosses Wissen zu
den waren, aber neu organisiert oder ausgeweitet        Demenz und in familien-zentrierter Pflege. Für ihre
werden mussten, um wieder ein (labiles) Gleichge-       Tätigkeiten vor Ort wurde Inter- und Supervision an-
wicht herzustellen. Eine letzte Situation war geprägt   geboten und in regelmässigen Fallbesprechungen
durch die Anwesenheit vieler Dienstleister, aber        oder Gesprächen mit der Projektleitung das weitere
einer dringend notwendigen Koordination und von         Vorgehen besprochen.

                                                                                                  Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   6
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
Finanzierung und Entwicklung
      Die Entwicklung der Fallzahlen wie auch die
Zahl der Vertragsabschlüsse lag hinter den Erwar-
tungen zurück und gefährdete zwischenzeitlich die
Weiterführung des Projektes. Mit der finanziellen
Unterstützung durch die Age-Stiftung konnte das
Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen werden.
Anpassungen im Einsatz der Beraterinnen wurden
notwendig und Reallokation vorhandener Mittel
wurde vorgenommen, um das Projekt weiterführen
zu können.

      Kritische Würdigung

      Perspektiven für die Zugehende
      Beratung der Alzheimer Zürich – Sicht
      der Projektleiterin
      Die Projektleiterin Christina Krebs erläutert
im Interview die Hintergründe des Beratungskon-
zeptes der Zugehenden Beratung. Sie nimmt Stel-        damit verbundenen ungeklärten Rollen, hingewie-
lung zu den Erfahrungen, die die Alzheimer Zürich      sen. Der Anspruch der Übernahme von Koordination
mit dem Projekt der Zugehenden Beratung gemacht        des Versorgungsnetzes wird kritisch hinterfragt und
hat. Sie weist mögliche Interessenten, die ein Bera-   einem Ansatz der Kooperation gegenübergestellt.
tungskonzept wie die Zugehende Beratung umset-
zen, darauf hin, dass ein langer Atem notwendig ist,   Das Beratungskonzept der Zugehenden Beratung
um Verträge schliessen zu können, und Vertragsab-      wird im Rahmen der Demenzstrategie im Kanton Zü-
schlüsse noch kein Garant für Überweisungen sind.      rich mit anderen Projekten verglichen. Die Erkennt-
Während der Laufzeit der Demenzstrategie haben         nisse aus diesen Projekten werden mit denjenigen
kostenpflichtige Angebote stark zugenommen.            der Zugehenden Beratung verglichen. Empfehlun-
Damit ist die Konkurrenz unter den Anbietern ge-       gen für die Integration von neuen Dienstleistungen
stiegen, was ihrer Ansicht nach Folgen für die Wer-    in bestehende Versorgungsnetze werden formuliert.
bekonzepte hat. Die Projektleiterin erläutert ihren
Wunsch, dass das Projekt Zugehende Beratung wei-
tergeführt werden soll.

      Kritische Würdigung aus der Sicht
      der Autorin und des Autors
      Die Autorin und der Autor verbinden die Um-
setzung des Projektes Zugehende Beratung mit
verschiedenen Faktoren. Neben den inhaltlichen
Schwerpunktsetzungen auf eine familien-zentrierte
Beratungskompetenz und deren positive Auswir-
kungen wird auch auf kritische Aspekte des Konzep-
tes, wie die unterschiedlichen Auftraggeber und die

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1                           EINLEITUNG

1.1 Begleitforschungsprojekt
    Zugehende Beratung der
    Alzheimer Zürich

       Die Alzheimer Zürich ist eine der 21 kantonalen
                                                         ALZHEIMER ZÜRICH (ALZ ZH)
Sektionen, die unter der Dachorganisation Alzhei-
mer Schweiz organisiert sind. Alzheimer Schweiz ist        PORTRAIT
eine unabhängige, konfessionell und politisch neu-       – setzt sich aktiv für Menschen mit Demenz und deren Angehörige ein und
trale, gemeinnützige Organisation, die sich für eine       vertritt deren politische und gesellschaftliche Interessen. Sie informiert und
Gesellschaft einsetzt, in der die Menschen gleich-         sensibilisiert die Öffentlichkeit, unterstützt und berät Angehörige, Freiwillige
wertig und gleich geschätzt miteinander leben. Sie         und Fachpersonen aus der Betreuung, Ärzte und Ärztinnen sowie politische
ergreift Partei für Menschen mit einer Demenz.             Behörden auf allen Ebenen.
                                                         – ist als Verein organisiert (Gründung 1994).
Alzheimer Zürich engagiert sich – wie andere Sektio­     – hat rund 2000 Mitglieder.
nen auch – für vielfältige Angebote und Dienstleis-      – ALZ ZH ist eine von 21 Sektionen in der Schweiz, die unter dem Dach von
tungen vor Ort für die Inklusion und Lebensqualität        Alzheimer Schweiz organisiert sind.
von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen.
Die Alzheimer Zürich bietet an ihrem Standort in
Zürich durch ihre Beratungsstelle fachkundige, um-         TEAM                                        AUFGABE /ANGEBOTE
fassende Informationen zum Thema Demenz an.              – Interprofessionell (Medizin, Pflege,      – Information und Sensibilisierung
Die Beratungsstelle versteht sich als neutrale und         Sozialarbeit, Betriebswirtschaft,           der Öffentlichkeit zum Thema
unabhängige Drehscheibe, die einen Beitrag zur             Kommunikation)                              dementielle Erkrankungen
Entscheidungshilfe bietet und bei der Bewältigung        – 42 Mitarbeitende (inkl. ED und            – Weitgehendes Beratungsangebot:
von Krisen unterstützt. In den Beratungen werden           ALT-GT), rund 40 freiwillige              – Beratung und Unterstützung von
die Klienten bzw. Klientinnen als «Experten für das        Mitarbeitende, circa 4 Selbständig-         Betroffenen und Angehörigen, Frei-
eigene Leben» angesehen und anerkannt. In den              erwerbende im Mandatsverhältnis             willigen (inkl. Zugehende Beratung)
Beratungen werden die Möglichkeiten zur Erleich-                                                     – Beratung von Fachpersonen, Ärzten
terung der Alltagsgestaltung ebenso wie Hilfestel-                                                     und Ärztinnen
lungen zur Verbesserung der Selbststeuerung oder           VORSTAND                                  – Beratung von politischen Behörden
der eigenen Handlungskompetenz und des Selbst-           – Angehörige demenzkranker Men-               und Organisationen
vertrauens thematisiert.                                   schen                                     – Eigene Angebote
                                                         – betroffene Menschen mit Demenz            – Zugehende Beratung
Mit der Zugehenden Beratung bietet die Beratungs-        – Fachpersonen aus Medizin, Pflege,         – Entlastungsdienst
stelle seit Mitte 2016 Menschen mit Demenz und             Sozialarbeit und Gemeinden                – ALZ Gipfeltreffen
ihren An- und Zugehörigen im Kanton Zürich eine                                                      – Fachstelle Bildung
weitere Dienstleistung an, die ihnen – wenn immer                                                    – Angehörigen-Gesprächsgruppen
möglich – über den ganzen Verlauf der Krankheit              FINANZIERUNG                            – Musiktherapie, Philosophische
in ihrem häuslichen Umfeld zur Verfügung stehen          –   Spenden und Mitgliederbeiträge,           Gesprächsrunden
soll. Die Zugehende Beratung bietet Information,             Beiträge von Stiftungen, Kanton         – Alzheimer-Ferien
Begleitung und Beratung, aber auch Koordination              Zürich                                  – ALZ-Cafés
der Dienstleistungen an. Die Beratung wird immer         –   Legate und Erbschaften                  – Kulturelle Anlässe für Menschen
durch die gleiche Person durchgeführt, damit diese       –   Beiträge des Bundesamts für               mit Demenz
zu einer verlässlichen Bezugsperson werden kann.             Sozialversicherungen
                                                             (via Alzheimer Schweiz)
Um das neue Beratungsmodell zu etablieren, wur-          –   Erträge aus eigenen Dienst-
den viele Anstrengungen unternommen, um Leis-                leistungen
tungsverträge mit Gemeinden schliessen zu können         –   steuerbefreit

                                                                                                  Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich     8
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
EINLEITUNG
oder Privatpersonen auf das Angebot aufmerksam        Welcher Aufwand muss betrieben werden, um das
zu machen. Die Dienstleistung der Zugehenden Be-      Angebot der Zugehenden Beratung bekannt zu ma-
ratung wird durch Leistungsaufträge mit den Ge-       chen? Welche Verhandlungen müssen geführt wer-
meinden des Kantons Zürich finanziert oder durch      den und wie ist die Erfolgsquote? Wie fügt sich das
Privatpersonen selbst bezahlt. Eine Beraterin oder    Angebot in die Landschaft der Demenzversorgung
ein Berater besucht die Personen, die durch ver-      ein? Und entstehen dabei Widerstände respektive
schiedene Stellen der Gemeinde oder durch die         Synergien?
Kinder- und Erwachsenen-Schutz-Behörde (KESB)
übermittelt werden oder die sich persönlich an der    Ziel war es, die Besonderheiten zwischen den Ge-
Geschäftsstelle der Alzheimer Zürich melden.          meinden im Akquisitionsprozess darzustellen und
                                                      die Aufwendungen der Alzheimer Zürich zur Eta-
                                                      blierung des Angebotes festzuhalten. Ein weiteres
                                                      Ziel war es, die Einbindung des Angebotes in die
1.2 Begleitstudie                                     Versorgung von Demenzerkrankten im Kanton Zü-
                                                      rich zu beobachten.
       Diese Begleitstudie wurde durch die Nursing
Science & Care GmbH verfasst. Sie ist ein durch       2.
zwei Pflegewissenschaftler mit langjähriger For-      Zum Geschäftsmodell mit Vertragspartnern
schungserfahrung geleitetes Unternehmen. Das          und anderen Dienstleistern
Unternehmen ist auf die Evaluation von neuen Ver-     Welche und wie viele Gemeinden schliessen eine
sorgungsmodellen von älteren Menschen speziali-       Leistungsvereinbarung ab? Was sind die Beweg-
siert. Nursing Science & Care GmbH verfügt über ein   gründe für den Leistungsvertrag? Entstehen Schnitt-
grosses Know-how und ausgewiesene Erfahrung           stellen mit anderen Anbietern in den Gemeinden
in der Begleitung und Evaluation von innovativen      und wie wird die Zusammenarbeit ausgestaltet und
Integrationen von Betreuung und Pflege auf Ge-        erlebt?
meindeebene. Die finanzielle Unterstützung durch
die Age-Stiftung ermöglichte die Evaluation des Be-   Ziel war zu erfassen, welche Gemeinden einen Ver-
triebskonzepts der Zugehenden Beratung durch die      trag abschlossen und welche Anzahl Klientinnen
Firma Nursing Science & Care GmbH, Winterthur.        und Klienten pro Gemeinde überwiesen respektive
                                                      für die Beratung empfohlen wurde.

      Themenschwerpunkte und                          3.
      Fragestellung dieser Begleitstudie              Zur direkten Beratungstätigkeit bei
      Im Projekt Zugehende Beratung sollten die       Klientinnen und Klienten
Themenbereiche 1) der vertraglichen Vereinbarun-      Welche Personen die Zugehende Beratung in An-
gen, das Schnittstellenmanagement und die Pro-        spruch nehmen, sollte ebenso untersucht werden
zesse auf der Gemeindeebene und 2) die konkrete       wie die Frage, welche Beweggründe bei den Betrof-
Beratungstätigkeit und deren Auswirkungen auf         fenen für die Inanspruchnahme der Zugehenden
die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen          Beratung vorlagen. Zudem sollte erhoben werden,
untersucht werden.                                    wer die Zugehende Beratung initiiert hatte und
                                                      wer für die Kosten im Einzelfall aufkam (Gemeinde,
Die Fragestellungen wurden zu folgenden Punkten       Selbstzahler, Stiftungen oder andere Quellen).
formuliert.
                                                      Ziel war es, jene Personengruppe zu beschreiben,
1.                                                    die das Angebot in den Jahren 2016 bis Ende 2019
Zum Bekanntmachen und der Akquise von                 in Anspruch genommen hat. Ausgewertet wurden
Verträgen für Zugehende Beratung                      Daten zur Demografie, von zuweisenden Stellen

                                                                                               Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   9
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
EINLEITUNG
und zur finanziellen Unterstützung, zur Dauer des
Mandates und ob eine Diagnose vorlag oder nicht.
Gründe für die Inanspruchnahme der Zugehenden
Beratung und Beschreibungen der Beratungsinhalte
und Problemstellungen wurden analysiert.

1.3 Methodisches Vorgehen

     Die Durchführung der Datenanalyse folgte
den wissenschaftlichen Richtlinien quantitativer
und qualitativer Forschung.

Für die Erhebung von qualitativen Daten wurden
Interviews vor Ort und Telefoninterviews mit Be-
troffenen und Familienmitgliedern geführt, bei
denen sie nach ihrer Motivation für die Inanspruch-
nahme der Zugehenden Beratung und ihren Erfah-
rungen damit befragt wurden. Interviews mit den
Beratenden gaben Einblick in ihre Erfahrungen,
Haltungen und Erlebnisse. Vertreterinnen und Ver-
treter verschiedener Organisationen in den Ge-
meinden (Pflegefachpersonen der Spitex, Verant-
wortliche der Altersversorgung etc.), die mit den
Beraterinnen der Zugehenden Beratung direkt zu-
sammengearbeitet hatten, wurden zu ihren Erfah-
rungen befragt. Gemeindevertreter äusserten sich
zu ihren Beweggründen, eine Leistungsvereinba-
rung mit der Alzheimer Zürich zu treffen. Vertretern
von Organisationen im Feld der Demenzversorgung
sprachen über die Bedeutung von Serviceangebo-
ten wie die Zugehende Beratung. Es fand ein regel-
mässiger Austausch mit der Projektleitung im Laufe
des Projektes statt.

Zudem wurden die Dokumente der Beraterinnen
zu den einzelnen Klientinnen und Klienten in an-
onymisierter Form gesichtet und inhaltsanalytisch
ausgewertet. Für quantitative Analysen wurden die
Daten der Alzheimer Zürich zum zeitlichen Umfang
der Beratungstätigkeit und der Anzahl beratener
Personen analysiert. Die Kontakte mit Vertretern
der Gemeinden und Marketingaufwendungen zur
Bekanntmachung des Angebotes der Zugehenden
Beratung wurden erfasst.

                                                       Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   10
Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich - Begleitstudie 2016-2020 - Prof Dr. Romy Mahrer Imhof Prof Dr. Lorenz Imhof - Age-Stiftung
EINLEITUNG
1.4 Aufbau des Begleitstudien-                            Im Kapitel vier erfolgt eine kritische Würdigung des
    berichtes                                             Projekts. Ausserdem werden Empfehlungen aufge-
                                                          führt, die sich aus der Begleitstudie ergeben und in
      Nach der Einleitung werden im Kapitel zwei          der Planung vergleichbarer Projekte dienen können.
die Entstehungsgeschichte und die Entwicklung des         Ein Ausblick auf die Weiterführung der Demenzstra-
Konzeptes geschildert.                                    tegie des Kantons Zürich ist dabei eingeschlossen.

Kapitel drei betrifft die Ergebnisse der Begleitstudie.
Es zeigt in Unterkapiteln die Anstrengungen in den
Marketingbemühungen, die Angebote der Alzhei-
mer Zürich und insbesondere auch die Zugehende
Beratung sichtbar zu machen. Ein Unterkapitel ist
den Verträgen mit den Gemeinden für die Zuge-
hende Beratung gewidmet. Im Kapitel werden die
Beratungen aufgezeigt und typische Beratungssitu-
ationen exemplarisch beschrieben. Weiter werden
die Kompetenzen der Beratenden geschildert und
die Anforderungen an die Beratenden dargestellt.
Die Rückmeldungen zur Zusammenarbeit mit an-
deren Anbietern in der Demenzversorgung werden
aufgezeigt.

                                                                                                    Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   11
2                                KONZEPT

2.1 Entstehung und                                                   Die Alzheimer Zürich beteiligte sich an der Umset-
    Projektverlauf                                                   zung der nationalen Demenzstrategie 2014–2019
                                                                     im Kanton Zürich.
       In der nationalen Demenzstrategie von 2014–
2019 legten Bund und Kantone Ziele fest, die Le-                     Im Rahmen der Demenzforen, die zur Umsetzung
bensqualität der Betroffenen zu verbessern, Be-                      der Demenzstrategie im Kanton Zürich einberufen
lastungen zu verringern und die Qualität der Ver-                    wurden, konstatierte man, dass bereits ein gutes
sorgung zu garantieren. Die Strategie bot den                        Versorgungsangebot vorhanden sei. Bestehende
beteiligten Akteurinnen und Akteuren einen wich-                     Lücken wurden im Bereich eines flächendeckenden
tigen nationalen Rahmen für ihre Aktivitäten. Viele                  Angebots für aufsuchende Abklärung und Beratung
Impulse konnten ausgelöst werden und zahlreiche                      von sozial isolierten, demenzerkrankten Personen
Projekte und Produkte wurden lanciert. Mehrere                       zu Hause festgestellt 4. Es erfolgte ein Aufruf, für
Kantone, darunter auch der Kanton Zürich, haben                      aufsuchende Dienstleistungen neue Angebote zu
Bestrebungen für kantonale Demenzstrategien und                      entwickeln. Im Kanton Zürich war in der Stadt Zü-
Aktionspläne in Gang gesetzt und sich dabei teil-                    rich zu diesem Zeitpunkt die aufsuchende Beratung
weise an den Schwerpunkten der nationalen Stra-                      SIL zur frühen Abklärung von Demenz seit 2008 be-
tegie ausgerichtet.                                                  kannt. Ein Projekt, das das Konzept von SIL auf den
                                                                     Kanton Zürich ausdehnen sollte, wurde mit AIDA-
In der nationalen Strategie sollten die Leistungser-                 Care lanciert.
bringer motiviert werden, ihre Angebote zu optimie-
ren, zudem die Fachkompetenz von Fachpersonen
erhöht und das Bewusstsein einer breiten Öffent-                           Erste Idee
lichkeit zu Thema und Problemstellung Demenz ge-                           Die Alzheimer Zürich, die ihre Leistungen im        4   Gesundheitsdirektion
                                                                                                                                   Zürich, «Vernehmlassung
stärkt werden. Es wurden vier Handlungsfelder und                    Kanton Zürich anbietet, entwickelte nach Diskus-              Konzept AIDA-Care»,
neun Ziele festgelegt. ABB 1                                         sion im Vorstand 2015 das vorliegende Projekt einer           2015.

Abbildung 1: Nationale Demenzstrategie 2014–2019: vier Handlungsfelder, neun Ziele

        Gesundheitskompetenz, Information und                                                                    Bedarfsgerechte Angebote

                                                                         1
        Partizipation Gesamtbevölkerung                                                                      –   Bereitstellung flexibler, qualitativ hoch-
   –    Erhöhung der Sensibilität und Abbau von                                                                  stehender und bedarfsgerechter Angebote
        Vorurteilen                                                                                          –   Sicherstellung der Finanzierung von

                                                                                                       2
   –    Stärkung Partizipation und umfassende                                                                     bedarfsgerechten Leistungen
        Information für Betroffene

                                                                                NDS

   –
        Daten und Wissensvermittlung
        Bereitstellung von Informationen zur
                                                            4                                                –
                                                                                                                 Qualität und Fachkompetenz
                                                                                                                 Qualitätssicherung entlang des gesamten
        aktuellen und zukünftigen Versorgungs-                                                                   Krankheitsverlaufs

   –
        situation
        Förderung des Austauschs zwischen Forschung
        und Praxis
                                                                                        3                    –
                                                                                                             –
                                                                                                                 Berücksichtigung ethischer Aspeckte
                                                                                                                 Förderung und Stärkung von Handlungs-
                                                                                                                 kompetenzen

Quelle: Nationale Demenzstrategie 2014–2019: Erreichte Resultate 2014–2016 und Prioritäten 2017–2019

                                                                                                               Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich        12
aufsuchenden Beratung. Es war der Projektleitung                nanzen für die Betroffenen und ihre Angehörigen
wichtig, dass diese Zugehende Beratung nicht der                vorhanden sind. Laut Alzheimer Zürich können
Abklärung der möglichen Demenz vor Ort dienen,                  Menschen mit Demenz, die frühzeitig begleitet und
sondern zur «Beratung und Begleitung betreuender                therapiert werden, ihre Angelegenheiten regeln

                                                                                                                                                               KONZEPT
und pflegender Angehöriger sowie zur Koordinati-                und länger ein selbstbestimmtes und selbständiges
on der notwendigen Leistungen» konzipiert werden                Leben führen.
sollte.
                                                                Mit fortschreitender Erkrankung nimmt der Unter-
Zusätzlich war für die Projektleitenden Frau Christina          stützungs- und Betreuungsbedarf sukzessive zu bis
Krebs und Frau Beatrice Gfeller wichtig, dass die Be-           zu einer Betreuung und Pflege rund um die Uhr. Die
ratung in einem sehr frühen Stadium von Demenz                  Projektleitung ging davon aus, dass die Betreuung
einsetzen, nicht nur sozial isolierten Betroffenen              und Pflege bedarfsgerecht und individuell zu orga-
und ihren Angehörigen zugänglich sein und eine                  nisieren ist, und dazu Koordination von Anbietern
langfristige Begleitung durch möglichst die gleiche             notwendig wird.
Beraterin oder den gleichen Berater erfolgen soll.
                                                                Eine Finanzierung der Beratung in erster Linie über
Im Beratungsmodell sollten die Stadien der Demenz,              die Krankenversicherungen, z. B. durch Abrechnung
die von der Alzheimer Schweiz beschrieben werden,               ärztlicher Leistungen über TARMED, oder durch pfle-
berücksichtigt werden. ABB 2                                    gerische Leistungen der Spitex wurde diskutiert. Die
                                                                Projektleitung befürchtete, dass mit diesen Abrech-
Man ging davon aus, dass in einer Phase vor oder                nungsmodi zu viele Auflagen verbunden gewesen
kurz nach einer Demenzdiagnose der Bedarf nach                  wären, die zu Einschränkungen in der Zugehenden
Unterstützungsleistungen noch gering ist, aber                  Beratung geführt und wichtige Elemente, wie z. B.
viele Fragen zur sozialen Teilhabe, zu zukünftigem              die Sozialberatung, ausgeschlossen würden. Früh
Bedarf an Unterstützung und zur Sicherung der Fi-               entstand deshalb die Idee, dass die Gemeinden den

Abbildung 2: Bedürfnisverlauf

                           Abklärung und Diagnose

                                                         Medikamentöse Behandlung und psychologische Betreuung

                                               Therapie und Aktivitäten, um den Tag zu strukturieren

                                                                                                       Hilfe und Pflege zu Hause oder im Heim

                                                                          Informationen und Ausbildung für die Angehörigen

                                                                                   Soziales Netz für die Angehörigen

                                                                           Entlastung Zuhause

                                                                        Wochenweise Entlastung

                                                                                                                  Tages- und Nachtbetreuung

            Erste Anzeichen                    Beginnende Demenz                       Mittelschwere Demenz                         Schwere Demenz

Quelle: Alzheimer Zürich

                                                                                                                     Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   13
Abbildung 3: Menschen mit Demenz im Kanton Zürich (Schätzung)

                Männer                                                    Frauen             Männer                                                        Frauen
                  Total                                                   Total                Total                                                       Total

                                                                                                                                                                       KONZEPT
                  mit Demenz        8700    24 800    16100         mit Demenz                 mit Demenz       16 000      51 900    25 900         mit Demenz
 100                                                                                   100

 80                                                                                    80

 65                                                                                    65
 60                                                                                    60
Altersklassen

 40                                                                                    40

 20
                                           2016                                        20
                                                                                                                        2035
 0                                                                                     0
                60 000   40 000   20 000    0        20 000    40 000      60 000            60 000   40 000   20 000        0       20 000     40 000     60 000

 Quelle: web.statistik.zh.ch/cms_vis/Bevoelkerung_Demenzkranke_vis/index_smallO.html

 Leistungsauftrag erteilen und sich an den Kosten für                   viele Betroffene daher erst spät eine Beratung, The-
 eine Zugehende Beratung beteiligen könnten. Laut                       rapie und Unterstützung erhalten.
 der Projektleitung wurden schon früh Anstrengun-
 gen unternommen, um eine Anschubfinanzierung                           In zwei Drittel der Fälle übernehmen Angehörige die
 für die Zugehende Beratung oder einen Einschluss                       Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz.
 der Zugehenden Beratung in die Leistungsvereinba-                      Das familiale System ist durch die dementielle Er-
                                                                                                                                      5   Alzheimer Zürich, «Fact­
 rung mit dem Kanton Zürich zu erhalten, die jedoch                     krankung häufig stark belastet 6. Eine Untersuchung               sheet_Zuerich_2019_
 nicht von Erfolg gekrönt waren.                                        der Alzheimer Schweiz im Jahr 2012 zeigte, dass                   aktualisiert.pdf».
                                                                        betreuende und pflegende Angehörige diverse He-               6   Chiao, Wu, und Hsiao,
                                                                                                                                          «Caregiver Burden for
                                                                        rausforderungen in der Organisation des täglichen
                                                                                                                                          Informal Caregivers of
        Vision Zugehende Beratung                                       Lebens und der Alltagsgestaltung erleben 7. Ange-                 Patients with Dementia».
        durch Alzheimer Zürich                                          hörige sind von zunehmender Erschöpfung durch                 7   Alzheimer Schweiz,
        Zu Beginn des Projektes Zugehende Beratung                      die ständigen An- und Überforderungen durch die                   «Angehörige von
                                                                                                                                          Menschen mit Demenz
 für Menschen mit Demenz im Jahr 2016 lebten                            Betreuung und Pflege ihres an Demenz erkrankten                   geben Auskunft».
 laut Gesundheitsdepartements des Kantons Zürich                        Nächsten betroffen. Sie leiden unter dem veränder-            8   Kraft und Bachmann,
 schätzungsweise 24 800, laut Alzheimer Zürich rund                     ten Verhalten der erkrankten Person. Sie brauchen                 «Grundlagen für eine
                                                                                                                                          Nationale Demenz­
 25 100 Menschen mit Demenz im Kanton Zürich.                           viel Zeit und Energie zur Organisation von Unter-                 strategie».
 Geschätzt wurde, dass rund 16 000 von ihnen zu                         stützung und Hilfe und sie erleben veränderte Bezie-          9   Brodaty, Mittelman, und
 Hause leben. Die Prognosen der Gesundheitsdirekti-                     hungen innerhalb der Familie 8. Es hat sich gezeigt,              Gibson, «The Effects
                                                                                                                                          of Counseling Spouse
 on Zürich bis 2035 gehen, bedingt durch die demo-                      dass eine frühzeitige, gute ambulante Versorgung
                                                                                                                                          Caregivers of People with
 grafische Entwicklung, von einer Zunahme auf rund                      den Heimeintritt von Menschen mit Demenz hinaus-                  Alzheimer’s Disease Taking
 42 000 Betroffene aus. Alzheimer Schweiz schätzt,                      zögern kann und bei Angehörigen das Risiko ver-                   Donepezil and of Country
                                                                                                                                          of Residence on Rates
 dass bis 2045 in der Schweiz rund 268 600 Men-                         mindert, selbst zu erkranken 9. Beratungen zu Hause               of Admission to Nursing
 schen von Demenz betroffen sein werden 5. A3                           scheinen für Demenzbetroffene und Angehörige                      Homes and Mortality».

                                                                        eine effektive Form von Unterstützungsleistung zu             10 Bundesamt für Gesundheit
                                                                                                                                         BAG, «Förderprogramm
 Es wird angenommen, dass nur etwa bei der Hälfte                       sein10.                                                          Entlastungsangebote für
 der Demenzerkrankten eine Diagnose vorliegt und                                                                                         pflegende Angehörige».

                                                                                                                        Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich        14
Abbildung 4: Vergleich Beratungsangebote

Angebote                  Zugehende                  Hausbesuche            Mobidem (Mobile     Aufsuchede Alten­    Mobile Demenz­­                  Agil
                          Beratung (ALZ AG)          SiL                    Demenzberatung)     arbeit – Hausbesuche beratung Pinzgau

                                                                                                                                                                          KONZEPT
Demenzabklärung           –                                                 –                   –                         –
Aufsuchend                                                                  –
Art der Begleitung        längerfristig              weiterleitend          einmalig            weiterleitend             weiterleitend               längerfristig
Netzwerkarbeit                                                              teilweise                                     teilweise
Erstberatung durch        Ja und Freiwillige                                teilweise           Ja und Freiwillige
Fachperson
Koordination von Ent-                                                       teilweise
lastungsangeboten
Informationen über                                                                                                        P                           Ja, auch im Sinne
Demenz                                                                                                                                                von Schulungen
Sonstiges                 Bieten psychosoziale       Führen als einzige     Beratung in einem   Erstberatung versteht     Demenzkoordinatorin         Ganzheitliches
                          Betreuung an               Demenzabklärung        lokalen Bus         sich als Bedarfsanalyse   verfolgt ein ausgefeiltes   Angebot
                                                     druch                                                                Case-Management
Quelle: Ugolini (2015): Konzept AIDA-Care, Zürich: Universität Zürich

Die Analyse der vorhandenen Angebote, wie sie                             soziale Beratungsstellen, die KESB, Beauftragte in
im Rahmen der Demenzstrategie im Kanton Zürich                            Alters- und Gesundheitsfragen der Gemeinden und
vorgelegt wurde11, und die Kenntnis über andere                           Info-Stellen zur Pflege in den Wohngemeinden er-
Angebote in verschiedenen Kantonen (z. B. im Kan-                         folgen. Als eine interne Zuweisungsstelle für Betrof-
ton Thurgau oder Kanton Luzern) bestärkten den                            fene und Angehörige werden das Beratungstelefon
Vorstand und die Geschäftsleitung der Alzheimer                           der Alzheimer Zürich und andere Kontaktmöglich-
Zürich in der Idee, eine Zugehende Beratung nach                          keiten mit Alzheimer Zürich genutzt. Weitere Zu-
dem Vorbild des Angebots im Kanton Aargau auf-                            weisungen erfolgen durch das Netzwerk Demenz
zubauen12. ABB 4                                                          Zürcher Oberland, «NeDeZO», in dem sich Alzhei-
                                                                          mer Zürich, die Stiftung Sonnweid und die Clienia
                                                                          Gruppe im Zürcher Oberland gemeinsam organi-
                                                                          siert haben.
2.2 Das Angebot der
    Zugehenden Beratung der
    Alzheimer Zürich                                                             Zielsetzung                                               11 Ugolini, «Konzept
                                                                                 Die Beratung hat als «unique selling proper-                 AIDA-Care: Aufsuchende
                                                                                                                                              Abklärung und Beratung
      In der Folge wurde das Konzept für das Be-                          ty» festgelegt, dass sie proaktiv, langfristig und mit              sozialisolierter Menschen
ratungsmodell entwickelt. Laut dem Konzeptbe-                             hoher personeller Kontinuität im häuslichen Um-                     mit Demenz».
schrieb wendet sich die Zugehende Beratung allen                          feld stattfindet und die verschiedenen involvierten              12 Vögeli, «Zugehende
                                                                                                                                              Beratung für Menschen
Belangen der lebensweltlichen Veränderungen bei                           Dienste koordiniert14. Alzheimer Zürich verspricht
                                                                                                                                              mit Demenz und ihre
Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen zu                              sich durch die auf Dauer angelegte Begleitung eine                  Angehörigen».
und wird im ganzen Kanton Zürich erkrankten Per-                          Entlastung der erkrankten Person, und durch die                  13 Baumert und Krebs,
sonen und ihren Angehörigen angeboten13.                                  Förderung oder zumindest den Erhalt der Selbst-                     «Konzept Zugehende
                                                                                                                                              Beratung».
                                                                          pflegefähigkeiten eine Verzögerung eines Heim-
                                                                                                                                           14 Baumert und Krebs.
Die Zuweisung von Klienten und Klientinnen zur                            eintritts15. Die Belastungen von Angehörigen sollen
                                                                                                                                           15 Vögeli, «Case Manage-
Zugehenden Beratung soll extern durch Hausärz-                            minimiert werden, Erschöpfungszustände bei ihnen                    ment und ‹Zugehende
tinnen und Hausärzte, Spitäler, Memory-Kliniken,                          verhindert und verfrühte Heimeinweisungen des                       Beratung› bei Demenz».

                                                                                                                          Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich         15
Erkrankten vermieden werden. Die Verbesserung
                                                        Abbildung 5: Elemente Zugehende Beratung
der Lebensqualität aller Beteiligten steht im Vorder-
grund.

                                                                                                                                                KONZEPT
Im Verlaufe des Projektes wurden diese Zielsetzun-                       Koordination
gen beibehalten. Das Konzept wurde in den Jahren
2017, 2018 und 2019 jeweils geprüft und die einzel-
nen Elemente des Begleitens, Beratens, Unterstüt-                                                 Begleitung
zens und Koordinierens detaillierter beschrieben.
                                                                                 Ansprech-
                                                                                  person
                                                         Unterstützung
Immer die gleiche Beratungs­
person sollte Menschen zu Hause,
in ihrem häuslichen Umfeld
                                                                                       Beratung
aufsuchen und sie regelmässig und
proaktiv durch den ganzen
Prozess der Erkrankung begleiten.
                                                        Quelle: Nursing Science & Care GmbH

     Care- und Case-Management                          Begleitung
     Die Beratung soll im Sinne von Care-Manage-        Unter Begleitung wird neben dem Zuhören und
ment direkt nach Diagnosestellung, oder – wenn          Ernstnehmen der Sorgen, Ängste und Anliegen die
möglich – schon in der Phase der ersten krankheits-     Hilfestellung bei finanziellen Fragen (Ergänzungs-
bedingten Einschränkung beginnen und die Betrof-        leistungen, Hilflosen-Entschädigungen, mögliche
fenen und ihre Angehörigen unterstützen, beraten        Beiträge von Gemeinden an der Betreuung) an-
und begleiten. Die Beraterinnen sollen:                 gesehen. Die erkrankten Personen und deren An-
                                                        gehörige werden ermutigt, an lokalen/regionalen
1.                                                      Angeboten von Pro Senectute, Kirchen, Alzheimer-
Information und Beratung zur Krankheit                  vereinigung u. a. m. teilzunehmen.
anbieten,
                                                        Beratung
2.                                                      Die Beratung richtet sich primär an die Angehöri-
Hilfe zur Selbsthilfe bieten,                           gen, die für ihre Leistungen als pflegende und be-
                                                        treuende Person anerkannt und gewürdigt werden.
3.                                                      Ziel ist es, die Situation der erkrankten Person und
Entlastung und Erholung für Angehörige                  der Angehörigen anzusprechen. Mit den Angehöri-
organisieren,                                           gen wird die Situation erörtert und sie werden über
                                                        die Demenzerkrankung sowie deren Auswirkungen
4.                                                      informiert. Das Expertenwissen, das sich viele Ange-
Navigationshilfen zu den Angeboten geben.               hörige über die Zeit im Umgang mit den Erkrankten
                                                        aneignen, soll Wertschätzung erfahren. Strategien
Im Sinne von Case-Management wurde die Koordi-          für die Alltagsbewältigung werden aufgezeigt und
nation als die Betreuung von Schnittstellen zu ande-    deren Umsetzung geplant, Belastungen werden
ren Anbietern im Versorgungsnetz als Aufgabe der        thematisiert und – wo nötig – Massnahmen zur Ent-
Beraterinnen definiert. ABB 5                           lastung eingeleitet.

                                                                                                      Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   16
KONZEPT
Unterstützung                                                  Beratungsgespräche sowie die
Der Unterstützungsbedarf von Betroffenen und An-               systematische Erfassung und Dokumen-
gehörigen wird thematisiert und – wenn nötig – Un-             tation der Beratungssituationen
terstützung oder Entlastungen organisiert oder Hilfe           Als theoretische Grundlagen für die Bera-
zur Selbsthilfe geboten. Die Beraterinnen bieten sich   tungsgespräche wurde das Calgary Assessment-
für Gespräche mit weiteren betreuenden Personen         und Interventionsmodell von Wright und Leahey16
oder nicht-pflegenden Angehörigen der Familie als       für familienzentrierte Pflege verwendet. Von Beginn
Moderatorinnen an.                                      an nahmen die Beraterinnen eine systematische
                                                        Situationseinschätzung im persönlichen Gespräch
Koordination                                            vor, ermittelten die Belastung der Menschen mit
Um eine effiziente und effektive Betreuung, Bera-       Demenz und deren Bezugspersonen. Für die erste
tung und Entlastung der Erkrankten und ihrer An-        Phase des Beziehungsaufbaus mit Familienkontakt,
gehörigen gewährleisten zu können, bieten die           des Assessments, die darauffolgenden Interventio-
Beraterinnen die gesamte Organisation und Koordi-       nen und des Abschlusses wurden spezielle Einschät-
nation der gewählten Unterstützungsdienstleistun-       zungsinstrumente zur Verfügung gestellt.
gen an. Sie verstehen sich als Ansprechpersonen,
die als Drehscheibe die gesamte Organisation und        Die Beraterinnen erstellen in der Phase des Bezie-
Koordination übernehmen und damit die betroffe-         hungsaufbaus ein Geno- und Ecogramm der Famili-
nen Familiensysteme wesentlich entlasten können.        ensituation. Zur Einschätzung der Belastungssituati-
Sie sind zuverlässig und langfristig involviert und     onen von Angehörigen verwenden sie das «Berliner
vernetzen die Fachbereiche Medizin, Soziales und        Inventar zur Angehörigenbelastung BIZA-D»; ein Ins-    16 UWright und Leahey,
                                                                                                                  Familienzentrierte Pflege.
Pflege sinnvoll. Doppelspurigkeiten und Versor-         trument, das die objektiven und subjektiven Belas-        Assessment und familien-
gungslücken sollen so verhindert werden.                tungen durch die Übernahme von Pflege bei Men-            bezogene Interventionen.

                                                                                                 Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich       17
schen mit Demenz dokumentiert17. Sie erfassen die      Der Umfang der Unterstützungsleistungen durch
subjektive Lebensqualität und verwenden die Anlei-     die Zugehende Beratung ist auf fünf Besuche bei
tungen zur biografischen Arbeit nach DEMIAN, die       den betroffenen Familien oder alleinstehenden Per-
auf bedeutsame positive Momente im Leben und           sonen zu Hause innerhalb eines jeden Jahres festge-

                                                                                                                                                  KONZEPT
auf die Ressourcen der betroffenen Personen fokus-     legt. Ebenfalls inbegriffen bei der Zugehenden Be-
siert18. Zudem werden die Einschränkungen in den       ratung sind eine unbeschränkte Anzahl Beratungen
Aktivitäten des täglichen Lebens bei den Menschen      am Telefon oder an der Geschäftsstelle der Alzhei-
mit Demenz erfasst.                                    mer Zürich.

Die Gesprächsführung beruht auf Gesprächstechni-
ken der integrativen Validation nach Richard 19, die         Finanzierung und Budgetierung
sich an den Gefühlen und Ressourcen des Erkrank-             Es wurde geplant, mit den Gemeinden im
ten orientiert. Die Beraterinnen wurden in den         Kanton Zürich Leistungsverträge abzuschliessen
Techniken der «motivierenden Gesprächsführung»         und eine fallspezifische Finanzierung zugesichert
ausgebildet. Damit können sie den Klientinnen und      zu bekommen. Es wurde davon ausgegangen, dass
Klienten helfen, ihre Ziele und Möglichkeiten zu       Gemeinden interessiert sein könnten, wenn mit der
formulieren und Veränderung selbst herbeizufüh-        Zugehenden Beratung Heimeintritte verzögert wer-
ren 20.                                                den könnten. Die Gemeindebudgets werden jähr-
                                                       lich mit bis zu CHF 35 000.– pro Fall belastet (Zahlen
Für die Beratungen wird eine übersichtliche Doku-      2017, Gemeinde Pfäffikon). Eine Kostenbeteiligung
mentation erstellt, die den Verlauf abbildet und       der Gemeinde an der Zugehenden Beratung wurde
die Beraterinnen auf den jeweils nächsten Termin       von der Projektleitung als eine vergleichsweise ge-
vorbereiten hilft. Die Beraterinnen haben Informa-     ringe Belastung des Gemeindebudgets angesehen.
tionsmaterialien zur Demenz, zur Anpassung der
häuslichen Umgebung und zu den Bedürfnissen            Der Preis für das Unterstützungsangebot wurde pro
der Menschen mit Demenz in den verschiedenen           Familiensystem und Jahr auf CHF 1200.– festgelegt.
Stadien der Krankheit für die Abgabe an die Ange­      Das Angebot steht auch Selbstzahlern zum selben
hörigen und Betroffenen zur Verfügung. Unterlagen      Preis offen.
zur formellen Vorsorge wie Doku-Pass, Patienten-
verfügung, Anträge für die Hilflosenentschädigung      Durch die Projektleitung wurden Vertragsvorlagen
oder die Ergänzungsleistungen sind ebenfalls vor-      für die Gemeinden und Selbstzahler zu Beginn des
handen.                                                Projektes vorbereitet. Für Personen, die durch das
                                                       Netzwerk NeDeZO zugewiesen wurden, war vor-
                                                       gesehen, dass die Stiftung Sonnweid den jährlichen
                                                                                                                 17 Schacke und Zank, Das
       Umfang der Beratung                             Beitrag übernehmen würde.                                    Berliner Inventar zur
       Studien haben gezeigt, dass Menschen, bei                                                                    Angehörigenbelastung –
                                                                                                                    Demenz (BIZA-D).
denen Anzeichen der Demenz vor dem 65. Lebens-
                                                                                                                 18 Bär, Berendonk, und
jahr eintreten, noch eine Lebenserwartung von acht     Verträge Gemeinden                                           Hoben, «DEMIAN – Pfle-
bis zehn Jahren haben. Tritt eine Demenz im Alter      Der Vertrag hält fest, dass die Gemeinde die Alz-            gekonzept zur Förderung
                                                                                                                    der Lebensqualität».
zwischen 65 und 75 auf, so verkürzt sich die ver-      heimer Zürich beauftragt, mit der Zugehenden Be-
bleibende Lebenserwartung statistisch auf weni-        ratung die Beratung und das Care- und Case-Ma-            19 Richard und Richard, Die
                                                                                                                    Integrative Validation nach
ger als fünf Jahre. Erkrankt ein Mensch nach dem       nagement für die demenziell erkrankte Person und             Richard.
85. Lebensjahr an einer Demenz, so verringert sich     deren Angehörige im beschriebenen Umfang zu               20 Miller und Rollnick,
die restliche Lebenserwartung auf weniger als drei     übernehmen. Die Alzheimer Zürich verpflichtet sich,          Motivierende Gesprächs-
                                                                                                                    führung.
Jahre 21. In der Zugehenden Beratung wurde daher       für diese Aufgabe die lokalen Ressourcen der Ge-
                                                                                                                 21 Brodaty, Seeher, und
davon ausgegangen, dass der Beratungsprozess bis       meinde zu nutzen, ein jährliches Reporting an die            Gibson, «Dementia Time
zu acht Jahre oder länger dauern könnte.               Gemeinde respektive deren eingesetzten Vertreter             to Death».

                                                                                                  Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich         18
oder der Vertreterin zu leisten und für die Dienst-    Die Aufnahme des Angebotes der Zugehenden Be-
leistung qualifiziertes Fachpersonal wie z. B. So-     ratung in die Leistungsvereinbarung der Alzheimer
zialarbeiterinnen und -arbeiter, Pflegefachpersonen    Zürich mit dem Kanton Zürich wurde als mögliche
oder Gerontologinnen bzw. Gerontologen einzuset-       Lösung gesehen. Für weitere Finanzierung wurden

                                                                                                                                               KONZEPT
zen. Benötigte Arbeitsmaterialien werden durch die     bei Stiftungen (Age-Stiftung etc.) Anträge einge-
Alzheimer Zürich zur Verfügung gestellt. Ein Kosten-   reicht.
dach wird vereinbart, in dem die Zahl der Klientin-
nen und Klienten zum Preis von CHF 1200.– aus der      Es wurde angenommen, dass die Zahl der Beratun-
Gemeinde festgehalten wird. Weitere Kosten, wie        gen ansteigen und bei steigendem Bedarf und damit
z. B. Lebensmittelkäufe etc., müssen der erkrankten    Erhöhung der Anstellungsprozente in den nächsten
Person belastet oder eine Kostengutsprache der Ge-     Jahren eine moderate Preisanpassung notwendig
meinde muss eingeholt werden.                          werden könnte, um die Zugehende Beratung letzt-
                                                       lich kostendeckend anbieten zu können.

Verträge Selbstzahler
Die Verträge mit den Klientinnen und Klienten als
Selbstzahler enthalten neben dem Umfang der Be-
ratungsleistungen die Kosten und die Vertragsauf-
lösungsbestimmungen. Die Verträge haben eine
Laufzeit von einem Jahr, die Vertragsnehmer kön-
nen nach sechs Monaten auf eine Dreimonatsfrist
künden. Bei Unterzeichnung des Vertrages werden
die Klientinnen und Klienten gebeten, eine Zustim-           ECKPUNKTE
mung zu geben, die ihre Hausärzte und -ärztinnen
vom ärztlichen Berufsgeheimnis entbindet und die             BERATUNG
Beratenden über Diagnose und Therapie Auskunft           –   Pro-aktiv, langfristig für Betroffene
erhalten können.                                             und ihre Familien
                                                         –   1 Beratende/r pro Familie
                                                         –   5 Hausbesuche
Budget                                                   –   unbeschränkte Telefonkontakte oder
Es wurde nicht damit gerechnet, dass die Zugehen-            Beratungen in der Geschäftsstelle
de Beratung nach drei Jahren Projektphase kosten-
deckend sein würde. Die ersten Budgetierungen              EINZUGSGEBIET
gingen aber davon aus, dass das Defizit deutlich         – Kanton Zürich
reduziert werden könnte, aber trotzdem ein unge-
deckter Aufwand von CHF 180 000.– über dreiein-            KOSTEN
halb Jahre Projektzeit entstünde. Diese Schätzung        – CHF 1200.– pro Jahr
beruhte auf einem prognostizierten Anstieg der
Klientinnen und Klienten auf 50 Fälle pro Jahr (45         GELDGEBER
mit Leistungsvereinbarung der Gemeinden und fünf         – Gemeinden
Selbstzahler) und auf Aufwendungen für steigende         – Stiftungen
Teilzeitpensen der Beraterinnen oder IT-Lösungen         – Selbstzahler
zur Dokumentation der Beratungen sowie Öffent-
lichkeitsarbeit.

                                                                                                     Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   19
3                          ERGEBNISSE

Ein genauer Blick auf die Projektentwicklung gibt      ein potentieller Klient bei der Alzheimer Zürich mel-
Auskunft darüber, ob die Ziele erreicht wurden.        dete. In diesem Falle waren die Gemeinden bereit,
Dazu werden konkret die Aufwendungen für PR,           über eine Kostengutsprache für die betreffende Per-
Marketing und Akquisition mit der Anzahl der ab-       son nachzudenken. Laut Projektleitung handelte es
geschlossenen Verträge und den erbrachten Unter-       sich um Personen mit Ergänzungs- oder Sozialhilfe-
stützungsleistungen in Zusammenhang gesetzt.           leistungen.
Zudem werden die Situationen der Klientinnen und
Klienten, die das Angebot in Anspruch nahmen be-       Die Akquise von Leistungsvereinbarungen war für
schrieben. Die zeitlichen und finanziellen Aufwen-     die Projektleitung sehr aufwändig. Total wurden in
dungen werden dargelegt.                               den vier Jahren des Projektes 614 Arbeitsstunden
                                                       von der Projektleitung für Gespräche mit Gemeinde-
                                                       vertreterinnen und -vertretern und die Akquisition
                                                       aufgewendet. ABB 6
3.1 Werbemassnahmen und
    Akquisition                                        Abbildung 6: Zeitaufwand der Projektleitung
                                                       pro Jahr
       Das Angebot der Zugehenden Beratung war
neu. Entsprechend mussten Anstrengungen zum            2016                                 151
Aufbau der Zugehenden Beratung durchgeführt            2017                                           225
werden. Mit dem Start des Projektes wurde inten-       2018                          129
siv das Gespräch mit den Gemeindevertretern und        2019                  82
-vertreterinnen gesucht, um Leistungsverträge ab-             0         50        100         150   200     250
schliessen zu können. Ergänzt wurden diese briefli-    Gespräche mit Gemeinden in Stunden
chen und persönlichen Kontakte durch ein gezieltes
und umfangreiches Marketing. Über die gesamte
Projektdauer wurden entsprechende personelle           Für Gemeinden mit einem Leistungsvertrag wurden
Ressourcen für persönliche Kontakte und Werbe-         gemeindespezifische Einführungsmassnahmen de-
material in Form der Infomappe zu allen Angeboten      finiert und von der verantwortlichen Person in der
inklusive der Zugehenden Beratung der Alzheimer        Gemeinde umgesetzt. Die Einführungsmassnahmen
Zürich verwendet.                                      hielten fest, welche Informationen über das Ange-

      Persönliche Gespräche in den Gemeinden
      Die Projektleitung führte zahlreiche persönli-
che Gespräche mit Ressortverantwortlichen in den
Gemeinden. Von den ursprünglich 73 Gemeinden,
die eine Informationsmappe erhielten, erfolgte von
20 Gemeinden eine Einladung zum Gespräch. Zehn
Gemeinden sahen von einem Vertragsabschluss un-
mittelbar ab, da bereits ein Angebot von aufsuchen-
den Dienstleistungen in ihrem Bezirk zur Verfügung
stand oder sie die Beratungen als Aufgabengebiet
der verantwortlichen Altersbeauftragen des Bezirks
oder der Spitex ansahen. Letztlich kam es mit acht
Gemeinden zu einem Vertragsabschluss. Die Ge-
meinden wurden jeweils wieder um Finanzierung
angefragt, wenn sich eine potentielle Klientin oder

                                                                                                    Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich   20
bot an potentielle Zuweisende wie die Spitex, die
                                                        Abbildung 7: Anzahl Werbemassnahmen pro Jahr
Altersbeauftragen, die KESB oder andere von der
Gemeinde definierte Instanzen abgegeben werden
                                                        2013               6
sollten. Die Projektleitenden planten Besuche mit
                                                        2014                                    15
dem «Infomobil» in der Gemeinde und erklärten
                                                        2015                                      16 1        3                   8
sich bereit, Artikel in den entsprechenden lokalen      2016                                    15     3               5                    9
Zeitungen zu verfassen. Die Umsetzung respektive        2017           4       3            5                 8
die Einforderung z. B. von Artikeln lag bei den Ge-     2018       2       4                6                     10
meinden. Im Verlaufe des Projektes wurden nur ver-      2019                       8        4   2                                                         28
einzelt Artikel angefordert und in lokalen Zeitungen           0           5           10           15         20          25          30        35     40        45
publiziert.                                               Infomobil / Auftritte in Gemeinden             Messeauftritte         Weiterbildung Spitex   Präsentation

Genutzt wurde das Auslegen von Flyern an ausge-
wählten Standorten in den Gemeinden und das An-
gebot für Vorträge zum Thema Demenz. Trotzdem           Mittels einem speziell ausgerüsteten Kleinbus, dem
konnte die Anzahl Verträge mit den Gemeinden            Infomobil, wurden der Bevölkerung in verschiede-

                                                                                                                                                                       ERGEBNISSE
nicht im gewünschten Umfang gesteigert werden.          nen Gemeinden Informationen zu dementiellen
Die Projektleitung intensivierte ihre Anstrengungen     Erkrankungen und zu den Unterstützungsangebo-
im Verlaufe des Projektes mit der Erwartung, zu-        ten der Alzheimer Zürich nahegebracht. Gleichzei-
sätzliche Leistungsverträge abschliessen zu können.     tig wurden neben der Zugehenden Beratung z. B.
Diese Erwartungen wurden über die dreijährige Pro-      auch die «Alz-Gipfeltreffen» vorgestellt, bei denen
jektphase nicht im gewünschten Umfang erfüllt.          sich Menschen mit Gedächtnisschwierigkeiten mit
                                                        Gleichgesinnten in sechs Gemeinden des Kantons
                                                        jeweils einmal wöchentlich unter fachkundiger Lei-
       Aufwand für Werbemassnahmen                      tung austauschen.
       Der Anstieg der Massnahmen, wie Präsenta-
tionen durch Fachpersonen der Alzheimer Zürich,
Informationsveranstaltungen in Gemeinden und Be-              Schriftliche Unterlagen
suche auf öffentlichen Plätzen mit dem Infomobil              Der Kontakt zu Institutionen und Gemeinde-
etc., war vor allem in der Vorbereitungsphase und       vertretern und -vertreterinnen wurde auch durch
im ersten Projektjahr deutlich sichtbar. Ziele dieser   den Versand von Werbematerial unterstützt. Neben
Massnahmen waren es, dass Gemeinden von dem             den Flyern für die Zugehende Beratung wurden
Angebot erfahren, die breite Öffentlichkeit zu De-      auch die anderen Angebote der Alzheimer Zürich
menz informiert wird und direkte Kontakte mit po-       vorgestellt.
tentiellen Klientinnen und Klienten der Zugehenden
Beratung hergestellt werden konnten. ABB 7              Die Flyer zum Angebot der Zugehenden Beratung
                                                        wurden an potentiell zuweisende Stellen wie z. B.
Die Auftritte beinhalteten ein breites Spektrum von     die Memory-Kliniken, die KESB, Ärztinnen und
Themen und richteten sich an unterschiedliche Per-      Ärzten u. a. versandt, mit der Bitte, diese in ihren
sonengruppen. So wurde an Messeauftritten wie           Büros oder Warteräumen aufzulegen. Es wurde um
z. B. der Expo 50 Plus im Zürcher Hauptbahnhof, der     Empfehlung des Angebotes an ihre Kunden und
Ustermesse oder der Winti Mäss die Zugehende Be-        Kundinnen oder Patientinnen bzw. Patienten ge-
ratung einem Fachpublikum und der breiteren Öf-         beten.
fentlichkeit vorgestellt. An Fachveranstaltungen gab
es Präsentationen zur Demenzerkrankung und dem
Konzept der Zugehenden Beratung.
                                                                       

                                                                                                                       Zugehende Beratung der Alzheimer Zürich         21
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