Digital Services Act - Der richtige Weg zur Regulierung von Online-Diensten?

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Abiramie Kumarasamy                                                  Hamburg, April 2021

Digital Services Act – Der richtige Weg zur Regulierung von Online-
Diensten?

      1. Einleitung: Ein lang ersehnter Gesetzesentwurf
      2. Bisherige Gesetzeslage
      3. Probleme und Risiken
      4. Der Digital-Services-Act im Überblick
      5. Fazit

      1. Einleitung: Ein lang ersehnter Gesetzesentwurf
Bereits seit längerer Zeit erfolgten sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher
Ebene Rufe nach einer Erneuerung des Regelungsrahmens für die Erbringung digitaler
Dienstleistungen, um so Plattformbetreiber mit zunehmender Marktmacht in die
Verantwortung zu ziehen und einen Wettbewerb zu gewährleisten. Während immer
stärker wachsende Dienste-Anbieter zahlreiche Privilegien genießen, seien die Rechte
der Nutzer nur unzureichend geschützt.1
Am 15.12.2020 folgte die Reaktion der Europäischen Kommission, die zwei
Gesetzesentwürfe veröffentlichte, mit denen digitale Dienste und digitale Märkte reguliert
werden sollen – den Digital Services Act (DSA-E) und den Digital Markets Act (DMA-E).
Nachfolgend wird der Entwurf des Digital Services Act mit der aktuellen Gesetzeslage
verglichen und die Vorteile und Risiken, die mit dem Gesetzesentwurf einhergehen,
erarbeitet.

      2. Bisherige Gesetzlage
Der Digital Services Act dient als Erneuerung der aus dem Jahr 2000 stammenden e-
Commerce-Richtlinie.
Zudem schufen einige Mitgliedsstaaten nationale Regelungen für Plattformbetreiber,
Deutschland beispielsweise das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG).

      a. eCommerce-Richtlinie2
Die Haftung von Plattformbetreibern nach der eCommerce-Richtlinie ist von der Kenntnis
des Plattformbetreibers abhängig. Somit müssen Anbieter erst reagieren, wenn sie zum

1
    Holznagel, CR 2021, 123 (124).

2
    Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr

                                                                                         1
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Beispiel von Nutzern auf rechtswidrige Inhalte aufmerksam gemacht werden. Dieses
sogenannte „Notice and take down“-Prinzip ermöglichte das rasante Wachstum von
Plattformen wie Facebook, Instagram und YouTube.3
Im Oktober 2019 bestätigte der Europäische Gerichtshof das „Notice and take down“-
Prinzip, dehnte die Pflichten des Plattformbetreibers jedoch aus.4
Hierbei handelte es sich um den Fall der österreichischen Grünen-Politikerin Eva
Glawischnig-Piescek, die nach ihrer Äußerung, die Mindestsicherung für Flüchtlinge
beibehalten zu wollen, auf Facebook unter anderem als „miese Volksverräterin“
bezeichnet wurde.5 Daraufhin verlangte die Politikerin vor den nationalen Gerichten eine
Sperrung der Aussagen durch den Plattformbetreiber Facebook. Facebook sperrte
jedoch lediglich die konkret beanstandeten Äußerungen, die im österreichischen Raum
getroffen wurden.
Sodann befasste sich nach Vorlage durch den Österreichischen Obersten Gerichtshof
(OGH) der EuGH mit der Frage, ob die Verpflichtung des Plattformbetreibers auf die
konkret beanstandeten Inhalte sowie regional begrenzt ist.
Dies lehnte der EuGH ab. Vielmehr seien die Plattformbetreiber auch verpflichtet, wort-
und sinnesgleiche Inhalte zu suchen und zu löschen.

      b. Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG
Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (kurz:
Netzwerkdurchsetzungsgesetz - NetzDG), das am 1. Oktober 2017 in Kraft getreten ist,
soll die Pflichten der Betreiber sozialer Netzwerke erweitern, um Hassreden, strafbare
Falschnachrichten und sonstige rechtswidrige Inhalte in sozialen Netzwerken effektiver
bekämpfen zu können.
Die Regelungen des NetzDG finden ausschließlich für Anbieter sozialer Netzwerke
Anwendung.
Unter anderem verpflichtet das Gesetz Anbieter sozialer Netzwerke, ein unkompliziertes
und leicht erkennbares Beschwerdeverfahren für Nutzer anzubieten. Beschwerden von
Nutzern sollen so unverzüglich wahrgenommen, geprüft und strafbare Inhalte innerhalb
von 24 Stunden gelöscht oder gesperrt werden. Zudem wird Anbietern großer sozialer
Netzwerke eine halbjährliche Berichtspflicht über den Umgang mit Beschwerden
auferlegt.

3
    Günther, DSA – und worum geht es?
4
    EuGH Urt. v. 04.10.2019, Az. C-18/18
5
    LTO, EuGH zu Löschpflichten im Internet: Mehr als bloßes "Notice and take down"

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Abiramie Kumarasamy                                              Hamburg, April 2021

Zur besseren Rechtsdurchsetzung müssen Anbieter unabhängig von ihrem Sitz einen
inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennen.
Zudem wurde die Durchsetzung des zivilrechtlichen Auskunftsanspruches durch
Regelungen im NetzDG vereinfacht.

      3. Probleme und Risiken
Die bisherige Gesetzeslage bietet jedoch keinen ausreichenden Rechtsrahmen für die
derzeitigen Online-Angebote, insbesondere für große Online-Plattformen.6
Die aus dem Jahr 2000 stammende e-Commerce-Richtlinie enthält lediglich
Regelungen, die für alle Internet-Dienste-Anbieter Anwendung finden sollen. Diese sind
jedoch aufgrund der rasanten Entwicklung der Internet-Dienste nicht mehr zeitgemäß.
Des Weiteren werden Besonderheiten bestimmter Anbieter wie Plattformbetreiber nicht
hinreichend berücksichtigt.
Die teilweise zusätzlich vorhandenen nationalen Regelungen wie das NetzDG mögen
die Pflichten der Betreiber ausdehnen. Jedoch verhindert ein so entstehender
„Flickenteppich“ ein schnelles Wachstum besonders von kleineren Betreibern und macht
die Bereitstellung der Dienste in der EU für Betreiber aufgrund der komplizierteren,
individuellen Regelungen unattraktiver.
Zudem entsteht durch die weitergehenden Handlungspflichten des NetzDG auch die
Gefahr des Overblockings. So könnten Anbieter teilweise legale Inhalte und Profile
löschen oder sperren, um das Risiko einer Haftung zu vermeiden. Overblocking stellt
somit eine Gefährdung der in Art. 5 GG niedergeschriebenen Meinungsfreiheit dar und
könnte eine zensurähnliche Wirkung entfalten.7

      4. Digital Services Act im Überblick
Der Digital Services Act betrifft alle Online-Vermittlungsdienste, Hosting-Dienste und
Online-Plattformen. Die Regelungen sollen auch für Plattformen gelten, die ihren Sitz
außerhalb der EU haben, wenn diese sich mit ihren Diensten gezielt an EU-Bürger*innen
richten.
Die allgemeinen Haftungsregelungen bleiben in der aus der e-Commerce-Richtlinie
bekannten Form bestehen. So sind Intermediäre grundsätzlich nicht für fremde Inhalte
verantwortlich. Auch das in der e-Commerce-Richtlinie niedergeschriebene Verbot
allgemeiner Überwachungspflichten wurde in den Digital Services Act übernommen.

6
    Günther, DSA – und worum geht es?
7
    Kühl, Was Sie über das NetzDG wissen müssen.

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Abiramie Kumarasamy                                                      Hamburg, April 2021

Die Grundsätze zur Haftung für fremde Inhalte bleiben weitestgehend in der bekannten
Form bestehen. So haftet ein Diensteanbieter nicht für fremde Inhalte, wenn er keine
Kenntnis von rechtswidrigen Tätigkeiten oder Inhalte hat und ihm keine Umstände
bekannt sind, aus denen rechtswidrige Tätigkeiten oder Inhalte offensichtlich werden
und er nach Kenntniserlangung zügig mit einer Sperrung oder Entfernung der Inhalte
reagiert (Art. 5). Klarstellend wurde ergänzt, dass das festgeschriebene Haftungsprivileg
auch bei der Durchführung freiwilliger Inhaltskontrollen zugunsten der Diensteanbieter
greift (Art. 6).

Dennoch wird das „Notice and take down“-Prinzip weiterentwickelt und die Pflichten
der Anbieter erweitert.8
Dienste-Anbieter müssen einfache, leicht zugängliche Meldeverfahren einrichten, um
Privaten begründete Meldungen illegaler Inhalte zu ermöglichen. Der Eingang der
Meldungen muss bestätigt und zeitnah bearbeitet werden. Zudem muss eine begründete
Rückmeldung erfolgen (Art. 14). Sollte eine Sperrung oder Entfernung erfolgen, muss
der Uploader über das Vorgehen informiert werden (Art. 15).
Wie bereits nach dem NetzDG in Deutschland müssen Nicht-EU-Anbieter nach dem
DSA auch einen rechtlichen Vertreter in der EU benennen, der für Verstöße im
europäischen Raum haftet (Art. 11).

Der Digital Services Act legt größeren und sehr großen Plattformen weitergehende
Pflichten auf.
Online-Plattformen, die nicht Kleinst- oder Kleinunternehmen im Sinne des DSA-E sind,
müssen ein elektronisches, für den Nutzer kostenloses Beschwerdemanagement
schaffen. Die Beschwerden selbst dürfen jedoch nicht rein automatisch bearbeitet
werden (Art. 17).
Mitteilungen       von   „vertrauenswürdigen     Hinweisgebern“      sollen   bevorzugt   und
unverzüglich bearbeitet werden. Hierzu zählen unabhängige Stellen mit besonderer
Sachkenntnis, die kollektive Interessen vertreten und rechtzeitig, sorgfältig und objektiv
Meldungen übermitteln (Art. 19).
Personen oder Stellen, die häufig illegale Inhalte veröffentlichen oder regelmäßig
offensichtlich unbegründete Meldungen oder Beschwerden einreichen und so Online-
Plattformen        missbrauchen,    sollen    zeitweise   gesperrt    werden,     wobei   die
Beurteilungsmaßstäbe in den allgemeinen Geschäftsbedingungen veröffentlicht werden
sollen (Art. 20).

8
    Berberich/ Seip, GRUR-Prax 2021, 4 (5).

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Abiramie Kumarasamy                                                Hamburg, April 2021

Online Marketplaces müssen zur Ermittlung der Identität der Händler von diesen Daten
wie Kontaktdaten, Kopien der Identitätsdokumente und Bankverbindungen erheben und
zudem die Angaben der Händler überprüfen sowie diese gegebenenfalls sperren (Art
22).9

Darüber hinaus werden besonders großen Plattformen, die mindestens 45 Millionen
aktive Nutzer*innen in Europa haben, weitergehende Pflichten auferlegt (Art. 25-33).
Diese müssen ein System zur Risikobewertung errichten und zudem Maßnahmen zur
Risikominimierung ergreifen. Die für größere Anbieter geltende jährlichen Berichtspflicht
wird für sehr besonders große Plattformen auf eine halbjährliche Berichtspflicht
erweitert. Zudem ist eine jährliche Prüfung durch unabhängige Expert*innen
vorzunehmen.
Der Digital Services Act enthält auch Sanktionen, insbesondere Bußgelder, bei
Nichteinhaltung der Regelungen. Grundsätzlich gilt hierbei das aus der DSGVO
bekannte und häufig kritisiere Herkunftslandprinzip.10 Lediglich bei sehr großen
Plattformen besteht die Möglichkeit des Eingriffs durch die EU-Kommission.

      5. Fazit
Bei Betrachtung der neuen Regelungen fällt auf, dass viele Regelungen, die in
Deutschland bereits aus dem NetzDG bekannt sind, übernommen wurden oder
vergleichbare Regelungsinhalte aufweisen und somit aus nationaler Perspektive nur
wenige Neuerungen zu sehen sind.
Dennoch schafft der Digital Services Act einen einheitlichen Standard für die
Europäische Union mit Regelungen, die konkret auf Digitale Dienste und Plattformen
zugeschnitten sind und kann so einen europaweiten „Flickenteppich“ verhindern.
Richtig ist weiterhin, dass der Umfang der Pflichten der Dienste-Anbieter abhängig von
der Größe und Marktmacht der Plattformen ist. So werden große Plattformen strenger
in die Verantwortung genommen, während das Wachstum kleiner Unternehmen nicht
durch zu starker Regulierung erschwert wird. Nur so kann langfristig ein Wettbewerb
gewährleistet werden. Dennoch wird auch die Umsetzung der milderen Regelungen für
kleinere Unternehmen diese vor eine Herausforderung stellen. Der Marktzutritt für neue
Anbieter wird somit nur bedingt erleichtert.

9
    EU-Kommission, Gesetz über digitale Dienste
10
     Berberich/ Seip, GRUR-Prax 2021, 4 (6).

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Abiramie Kumarasamy                                                        Hamburg, April 2021

Weiterhin muss auch die Umsetzung der Regelungen durch die großen Dienste-Anbieter
beobachtet werden, um ein „Overblocking“ zu verhindern.
Der Digital Services Act bietet somit einen wichtigen Grundpfeiler für die Regulierung
Digitaler Dienste. Eine große Revolution bleibt jedoch aus.

Literaturverzeichnis:
   -   Berberich, Matthias/ Seip, Fabian, Der Entwurf des Digital Services Act, GRUR-
       Prax 2021, 4-7.
   -   Bundesministerium            der       Justiz       und      für     Verbraucherschutz,
       Netzwerkdurchsetzungsgesetz,            Regeln      gegen    Hass    im   Netz    –     das
       Netzwerkdurchsetzungsgesetz
       https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/NetzDG/NetzDG_node.html
       (abgerufen am: 05.05.2021).
   -   EuGH zu Löschpflichten im Internet: Mehr als bloßes "Notice and take down".
       In: Legal Tribune Online, 04.10.2019, https://www.lto.de/persistent/a_id/37999/
       (abgerufen am: 15.04.2021), zit.: LTO, EuGH zu Löschpflichten im Internet:
       Mehr als bloßes "Notice and take down".
   -   Europäische Kommission: Gesetz über digitale Dienste: mehr Sicherheit und
       Verantwortung         im           Online-Umfeld,         online     abrufbar         unter:
       https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europe-fit-digital-
       age/digital-services-act-ensuring-safe-and-accountable-online-environment_de,
       (abgerufen am: 15.04.2021), zit.: EU-Kommission, Gesetz über digitale Dienste.
   -   Günther, Juliane, Teil 1 von 3: Was ist der "Digital Services Act" – kurz: DSA –
       und worum geht es?, online abrufbar unter: https://www.digitalagentur-
       thueringen.de/aktuelles/e-commerce-richtlinie-wird-aktualisiert/ (abgerufen am:
       05.05.2021), zit.: Günther, DSA – und worum geht es?
   -   Holznagel, Daniel, Chapter II des Vorschlags der EU-Kommission für einen
       Digital Services Act - Versteckte Weichenstellungen und ausstehende
       Reparaturen bei den Regelungen zu Privilegierung, Haftung &
       Herkunftslandprinzip für Provider und Online-Plattformen, CR 2021, 123-132.
   -   Kühl, Eike, Netzwerkdurchsetzungsgesetz - Was Sie über das NetzDG wissen
       müssen.    In:    Zeit.de,    04.01.2018,       https://www.zeit.de/digital/internet/2018-
       01/netzwerkdurchsetzungsgesetz-netzdg-maas-meinungsfreiheit-
       faq/komplettansicht (abgerufen am: 15.04.2021), zit.: Kühl, Was Sie über das
       NetzDG wissen müssen.

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Abiramie Kumarasamy                                              Hamburg, April 2021

   -   Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.
       Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der
       Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs,
       im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"), online
       abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-
       content/DE/ALL/?uri=celex%3A32000L0031
   -   Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
       über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und
       zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG, online abrufbar unter: https://eur-
       lex.europa.eu/legal-
       content/de/TXT/?qid=1608117147218&uri=COM%3A2020%3A825%3AFIN

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