Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München

Die Seite wird erstellt Hildegard-Juliane Henke
 
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Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Sommersemester 2019
                                       Auftakt         Ausgabe 25

    IM FOKUS: DIGITALISIERUNG
        Filmmusik – eine digitale Kunst?

Künstliche Intelligenz in Kunst und Musik
            Musikstudium: alles online?
DAAD-Gastprofessorin für jüdische Musik
      Meisterkurse: Von Erfahrung lernen

       ZEITSCHRIFT DER HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND THEATER MÜNCHEN
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Ausgewählte Höhepunkte im
                                               Sommersemester 2019
Mo. 1.4. bis Mi. 3.4., jeweils 19:00 Uhr   Liedforum 2019: »Prima le parole!«
Arcisstraße: Großer Konzertsaal            Künstlerische Leitung: Prof. Donald Sulzen
10 € / erm. 7 €, München Ticket
Fr. 12.4., 19:00 Uhr                       WERKSTATTkonzert: Mozarts Violinkonzerte
Arcisstraße: Großer Konzertsaal            Wolfgang Amadeus Mozart Violinkonzerte
Eintritt: 17 € / erm. 10 €                 Nr. 1 B-Dur KV 207 ⋅ Nr. 2 D-Dur KV 211 ⋅ Nr. 3 G-Dur KV 216 ⋅ Nr, 4 D-Dur KV 218 ⋅
München Ticket                             Nr. 5 A-Dur KV 219
                                           Studierende der künstlerischen Violinklassen ⋅ HSO München ⋅ Dirigentinnen und
                                           Dirigenten: Studierende der Dirigierklasse Prof. Marcus Bosch und Prof. Georg Fritzsch
Fr. 3.5., 19:00 Uhr                        ROMANTIKfenster: Sibelius-Porträt
Arcisstraße: Großer Konzertsaal            Jean Sibelius Finlandia op. 26 ⋅ Violinkonzerte d-Moll op. 47 ⋅ Sinfonie Nr. 2 D-Dur
Eintritt: 17 € / erm. 10 €                 Solist: Ingolf Turban (Violine) ⋅ HSO München ⋅ Dirigent: Marcus Bosch
München Ticket
Fr. 10.5. bis Sa. 11.5.,                   Barocktage 2019
verschiedene Zeiten                        Studierende und Lehrende des Instituts für Historische Aufführungspraxis präsentieren
Arcisstraße: verschiedene Säle             in vier Konzerten Werke der Alten Musik in verschiedenen Besetzungen. Dabei steht
Informationen zu Eintrittspreisen der      die Turnierkantate von Pietro Torri (Fr., 19:00 Uhr) ebenso auf dem Programm wie
einzelnen Konzerte finden Sie auf          verschiedene Werke für Consort (Fr., 20:30 Uhr), Kammermusik (Sa., 17:00 Uhr) oder
www.musikhochschule-muenchen.de            Werke für Barockorchester (Sa., 19:00 Uhr).
Mi. 15. bis Fr. 17.5., jeweils 19:00 Uhr   Tage der Kammermusik 2019
Arcisstraße: Großer Konzertsaal            Studierende der Kammermusikklassen, darunter mehrfach ausgezeichnete Ensembles
Eintritt: 10 € / erm. 7 €                  wie das Lux Trio, das Aoi Trio und das Yugen Trio
München Ticket                             Künstlerische Leitung: Prof. Dirk Mommertz
Fr. 31.5., 19:00 Uhr                       Chorkonzert: Der Madrigalchor singt Mendelssohn
Prinzregententheater                       Felix Mendelssohn Bartholdy »Ein Sommernachtstraum« op. 61, Sinfonie Nr. 2 B-Dur op. 52
17 € / erm. 10 €                           Anna-Lena Elbert (Sopran), Johanna Duscher (Sopran), Eric Price (Tenor)
München Ticket                             Madrigalchor Münchner Symphoniker ⋅ Dirigentinnen: Sonja Lachenmayr und
                                           Anna Sicklinger (Prüfungskonzert Master Chordirigieren, Klasse Prof. Michael Gläser)
Mi. 5.6., 19:00 Uhr                        Ballett-Akadamie on stage
Gasteig: Carl-Orff-Saal                    Studierende der Ballett-Akademie der HMTM
Eintritt: 20 € / erm. 10 €                 Leitung: Prof. Jan Broeckx
München Ticket
Di. 16.7., 20:00 Uhr                       Jazznacht der HMTM
Gasteig: Carl-Orff-Saal                    Studierende und Lehrende des Jazz Instituts der HMTM
Eintritt: 10 € / erm. 7 €                  Leitung: Prof. Claus Reichstaller
München Ticket

                                              Auftakt – Zeitschrift der Hochschule für      Druck: Panta rhei-CM, Martinsried
                                              Musik und Theater München                     Auflage: 4.000 ⋅ Erscheinungsweise:
                                              Herausgeber:                                  zweimal Mal jährlich zu Semesterbeginn
                                              Präsident Prof. Dr. Bernd Redmann             Bildnachweise: Titel: Kay Fretwurst;
                                              Arcisstraße 12 ⋅ 80333 München                U2: Gregory Giakis; S. 6: KSKME/Stefan
                                              Tel. +49 (0)89 / 289 -03                      Obermeier; S. 8: TimeRide VR; S. 15:
                                              E-Mail: verwaltung@hmtm.de                    Pryor Dodge; S. 17: Grafik v. Sophie
                                              www.musikhochschule-muenchen.de               Brand; S. 18: Grafik v. Jutta Drinda; S. 24
                                              Redaktion und nicht namentlich                oben: Karoline Wolf; S. 24 unten: Jonas
                                              gezeichnete Texte: Maren Rose (mr)            Becker; S. 25 Regler: Silke Rössner; S. 25
                                              Mitarbeit und Texte:                          Mlineritsch: privat; S. 25 Pongratz: privat;
                                              Max Horch (mh), Susanne Mlineritsch           S. 26: Dirk Mommertz; S. 27 unten: Ste-
                                              (sml), Katinka Welz (kw)                      fanos Notopoulos; S. 28: Gregory Giakis;
                                              Mit Namen gekennzeichnete Beiträge            S. 29: Lucas Jubl; S. 30 oben: Alexander
                                              erscheinen in der Verantwortung der           Maurer; S. 30 unten: Georgi Gialamas;
                                              jeweiligen Autorinnen und Autoren.            S. 31: Lucas Jubl/ Concours de Genève
                                              Grafische Gestaltung:                         Soweit nicht anders angegeben: HMTM
                                              Kay Fretwurst, Spreeau                        Redaktionsschluss: 25.02.2019

                                              www.musikhochschule-muenchen.de
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Im Fokus: Digitalisierung

Digitale Möglichkeiten
Digitale Prozesse sind aus unserem Alltag nicht mehr weg-                                  Auch in vielen anderen Bereichen werden digitale Mög-
zudenken: Kommunikation per E-Mail oder Social Media,                                      lichkeiten erprobt und in die Ausbildung integriert. Diese
das Nachschlagen von Wissen im Internet, Musik und Vi-                                     Ausgabe unseres Hochschulmagazins stellt viele dieser un-
deo im Online-Stream. Diese Liste ließe sich fast endlos                                   terschiedlichen Entwicklungen vor.
fortsetzen. Entwicklungen wie das »Internet of Things«                                     Wir als Hochschule für Musik und Theater München ste-
oder Künstliche Intelligenz drängen auf den Markt. Was                                     hen dabei für eine ausgewogene Verbindung von großer
aber bedeutet die alles durchdringende Digitalisierung für                                 Tradition und künstlerischer Innovation. Performative
uns als Hochschule für Musik und Theater München?                                          Künste wie Musik, Tanz und Theater werden auch weiter-
Natürlich nutzen unsere Studierenden und Lehrenden di-                                     hin vor allem im direkten Austausch mit dem Publikum
gitale Kommunikations- und Recherchewege. Programme                                        ihren besonderen Reiz entwickeln. Bisher und sicherlich
zum Notenschreiben, Möglichkeiten im Blended Learning                                      auch in Zukunft kann nichts die intensive Ausbildung
oder digitale Angebote der Bibliothek erleichtern auch im                                  im persönlichen Einzel- und Gruppenunterricht ersetzen.
Musikstudium zahlreiche Arbeiten. Auch viele Abläufe                                       Die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht zu erforschen
der Studienorganisation und der Verwaltung sind heute                                      und mit ihnen zu experimentieren, wäre jedoch verant-
digitalisiert. Besonders interessant wird die Frage nach                                   wortungslos. Unser Ziel ist es, die nächste Generation von
der Digitalisierung für uns aber immer dann, wenn neue                                     Künstlerinnen und Künstlern in den Bereichen Musik,
künstlerische und gestalterische Möglichkeiten entstehen.                                  Tanz und Theater so auszubilden, dass sie neue Entwick-
Unsere Studiengänge wie Komposition für Film und Me-                                       lungen kritisch begleiten und mitgestalten und diese be-
dien oder Kultur- und Musikmanagement setzen sich be-                                      wusst in ihre Arbeiten integrieren können, wenn es ihnen
reits heute intensiv mit digitalen Prozessen auseinander.                                  sinnvoll erscheint. Dafür setzen wir uns ein.

                                                                                                                                Prof. Dr. Bernd Redmann
                                                                                                 Präsident der Hochschule für Musik und Theater München

Inhalt
Im Fokus: Digitalisierung                                                                  Qualitätsverständnis der HMTM:
                                                                                           Im Zentrum steht die Qualität der Lehre  . . . . . . . . . . . . . .            20
Filmmusik – eine digitale Kunst?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             4    #MeToo: Interne Diskussion und
Zukunftsvision: Digital Arts Center  . . . . . . . . . . . . . . . . . .              5    konsequentes Handeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21
Musikstudium: alles online?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .          6    Bauvorhaben als Geduldsprobe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       23
Digitale Disruption –
die digitale Realität unserer vernetzten Gesellschaft  . . . . .                       8   Menschen
Künstliche Intelligenz in Kunst und Musik  . . . . . . . . . . . .                     9
                                                                                           Neue Professoren im Gespräch:
Eine Plattform für digitale musikalische Bildung  . . . . . . . .                     10   Georg Arzberger und Lukas Maria Kuen  . . . . . . . . . . . . . .               24
Die Bibliothek – ein virtueller und realer Raum                                            Neue Gesichter in der Verwaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         25
in der digitalen Welt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    12
                                                                                           Neue Leitung des Career Center: Anita Pongratz  . . . . . . . .                 25
eCampus: Ein bayerisches Pilotprojekt für digitale
Studienverwaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    14
Digitales Bewerber-management  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              14   Berichte aus dem Hochschulleben
                                                                                           Meisterkurse: Von Erfahrung lernen  . . . . . . . . . . . . . . . . .           26
HMTM aktuell                                                                               Alumnus im Gespräch: Jonas Kaufmann . . . . . . . . . . . . .                   27
Expertin für jüdische Musik:                                                               Nachhaltiges Engagement für Neue Musik  . . . . . . . . . . . . .               28
Dr. Tina Frühauf als DAAD-Gastprofessorin  . . . . . . . . . .                        15   Premiere eines neuen Dreiklangs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        29
Musiktheater im Reaktor 2019  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             17   Volksmusik im Fernsehen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    30
Konferenz: Kreativität gemeinsam entwickeln  . . . . . . . . . .                      18   Kurt Maas Jazz Award 2019  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    30
Listening to China  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   19   Erfolg beim Wettbewerb »CAMPUS Dirigieren«  . . . . . . . .                     31

                                                                                                                                                Auftakt 25 | 2019 3
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
IM FOKUS: DIGITALISIERUNG

Filmmusik – eine digitale Kunst?
In kaum einem künstlerischen Studium an der Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) berühren
sich die analoge und die digitale Welt so intensiv wie im Bachelor-Studiengang Komposition für Film und Medien.

»Natürlich spielt Digitalisierung für die Filmmusik             sieren zu können. Der Umgang mit MIDI, also dem »Musi-
eine große Rolle! Ohne solche Techniken funktioniert            cal Instrument Digital Interface«, das die Kommunikation
Filmmusik heute eigentlich gar nicht mehr«, erklärt Teresa      zwischen einem Computer und verschiedenen Musikinst-
Henselmann, die nach erfolgreichem Abschluss eines              rumenten oder anderen Geräten ermöglicht, gehört für die
Bachelors in Musikwissenschaft seit dem Wintersemester          Studierenden zum Alltag. Aber der Fächerkanon der aktuell
2018/19 an der HMTM Komposition für Film und Medien             zwölf Filmmusik-Studierenden umfasst auch traditionellere
studiert. »Wir müssen unser Material letztlich ja auf jeden     Fächer: Filmmusikanalyse, Gehörbildung, filmspezifische
Fall digitalisieren, damit es für einen Film verwertbar ist.«   Instrumentenkunde, Jazz-Komposition und natürlich Ein-
In der Tat: Die Digitalisierung ist aus dem Bereich der         zel- und Gruppenunterricht im Fach Komposition.
Filmmusik heute nicht mehr wegzudenken. Egal ob es um           »Im Gruppenunterricht bekommen wir oft verschiedene
digitale Aufnahmetechniken geht, ob digitale Möglichkei-        gemeinsame Vorgaben oder Klänge, mit denen wir arbeiten
ten für die Klangerzeugung oder Klangbearbeitung genutzt        sollen, z.B. das Fallen von Münzen auf den Fußboden
werden oder ob das Material letztlich digital gespeichert       oder ein einzelner Ton vom Hackbrett. Es ist unglaublich
und mit einem Film zusammengeschnitten wird – immer             spannend, wie unterschiedlich die Ergebnisse am Ende
sind es digitale Prozesse, mit denen gerade Komponistinnen      sind. Jeder von uns macht etwas komplett Eigenes«, be-
und Komponisten von Filmmusik konfrontiert sind. Da-            schreibt Teresa Henselmann den Gruppenunterricht. Dabei
her spielt auch in der Ausbildung im Bachelor-Studiengang       betont sie insbesondere die gute Klassenatmosphäre: »Wenn
Komposition für Film und Medien an der HMTM das                 sich jemand mit einem Programm noch nicht so gut aus-
digitale Arbeiten eine große Rolle. Aufnahmetechniken           kennt, hilft ihm jemand. Zum Glück muss man zu Beginn
werden ebenso unterrichtet wie der Bereich Sampling und         des Studiums noch nicht alles können. Aber es ist natürlich
Synthese, in dem es um das Bearbeiten von Klangmateri-          hilfreich, wenn man vorher schon etwas gemacht hat. Ich
al geht. Natürlich arbeiten die jungen Komponistinnen           habe z.B. schon länger mit Geräuschen experimentiert und
und Komponisten auch mit zahlreichen Programmen, um             habe zu Hause einen Computer mit Keyboard und zwei Bo-
ihre Werke zu erstellen. Wichtig sind z.B. Logic, Ableton,      xen und auch ein Audio-Interface, das analogen Klang in
ProTools und Cubase, um Klänge bearbeiten und organi-           digitale Signale verwandelt.« Wenn Prof. Gerd Baumann,

4 Auftakt 25 | 2019
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
ImImFokus:
                                                                                                Fokus:Digitalisierung
                                                                                                       Experimente

Leiter des Studiengangs Komposition für Film und Medi-           schen dran. Das entspricht manchmal mehr mir selbst, der
en und selbst Musiker, Komponist und Produzent, an die           Sound passt dann einfach zu mir. Ich weiß, woher er kommt,
heutigen technischen Möglichkeiten denkt, muss er lachen:        ich habe ihn erschaffen. Rein digitale Klänge sind für mich
»Ich fühle mich manchmal wie ein Dinosaurier: Ich selbst         manchmal nicht so pur, nicht so ehrlich.«
habe Gitarre studiert – in Deutschland konnte man An-            Gerd Baumann macht noch einmal deutlich: »Digital heißt
fang der 90er Jahre nirgendwo Filmkomposition studieren.         nicht zwangsläufig besser oder innovativer, ist also allein
Ich war dann in Los Angeles in einem Kurs, der ›Compo-           kein Qualitätsmerkmal. Wir in der Filmmusik arbeiten vor
sing and Conducting to Pictures‹ hieß. Wir hatten da noch        allem mit jeder Form von Klang. Dabei haben natürliche
handgeschriebene Cue-Sheets und haben mit Fernseher die          Klänge – also z.B. von realen Instrumenten oder Gegenstän-
Musiker dirigiert.«                                              den – andere Klangeigenschaften als rein digitale, synthe-
Kenntnisse über reale Instrumente und verschiedene Auf-          tische Klänge. Die Frage ist also: Nutzen wir synthetisches
nahmetechniken sind für die Studierenden auch in der             oder natürliches Klangmaterial – und wofür?« Grundsätz-
heutigen Zeit sehr wichtig. So nehmen die Komponistinnen         lich sieht der Leiter des Studiengangs noch großes Entwick-
und Komponisten regelmäßig verschiedene Instrumente auf.         lungspotential, um aktuelle Entwicklungen noch stärker
Zuletzt konnten sie mit Studierenden aus den Bratschen- und      aufzugreifen: »Ich würde unser Angebot gern noch in die
Celloklassen eine große Aufnahme realisieren. Die Klänge         Bereiche der Unterhaltungsmusik und Aspekte von DJing
wurden später weiter bearbeitet. Nils Wrasse, der im drit-       und VJing entwickeln. Die Grenzen unserer Arbeiten hin zu
ten Semester Komposition für Film und Medien studiert,           einer Intelligent Dance Music sind fließend.« Auch die Berei-
beschreibt das Verhältnis von ditigalen und analogen Kän-        che Gaming und Sounddesign spielen eine immer größere
gen wie folgt: »Es ist nicht nur so, dass echte Instrumente      Rolle bei möglichen Berufsbildern für Absolventinnen und
anders klingen als digitale Kopien. Mittlerweile gibt es auch    Absolventen. Hier erkennt Gerd Baumann Möglichkeiten
digitale Nachbildungen von Synthesizern und Hallgeräten.         für größere, auch interdisziplinäre Kooperationen. »Wenn
Auch hier ist es so, dass die ›echten‹ Geräte anders klingen     sich die Ideen eines Digital Arts Centers an der HMTM
und reagieren als ihre Kopien. Analoge Instrumente oder          realisieren, gibt es hier bestimmt viele Anknüpfungspunk-
Geräte klingen einfach alle immer ein wenig unterschied-         te für unseren Studiengang.« Für Nils Wrasse stehen solche
lich – das gibt es beim rein digitalen Material nicht.« Teresa   Perspektiven im Moment noch nicht im Vordergrund: »Mit
Henselmann ergänzt: »In der Kunst gibt es immer wieder           Blick auf Musik für Computerspiele käme es für mich sehr
neue Wege. Digitalisierung erleichtert vieles und lässt neue     auf das Spiel an. Ich persönlich bin kein großer Gamer. Was
Möglichkeiten entstehen. Dennoch finde ich es immer wie-         ich aber spannend finde, ist es, bei einer Filmmusik auch
der wichtig, vom Digitalen zurückzutreten und zu überlegen,      mit Sounddesignern zusammen zu arbeiten. Die Grenzen
was wirklich im Leben stattfindet. Oft gehe ich zurück zum       zwischen Sounddesign und Musik können leicht verschwim-
Instrument. Natürliche Klänge sind oft viel näher am Men-        men – dann wird es interessant.« // mr

Zukunftsvision: Digital Arts Center
Um digitale Entwicklungen für die künstlerische Ausbildung nutzbar zu machen, entwickelt die Hochschule für
Musik und Theater München die Zukunftsvision eines Digital Arts Center am Campus Arcisstraße.

»Viele unserer Studiengänge setzen sich mit den inhaltlichen     schulen, insbesondere mit der Hochschule für Fernsehen
Möglichkeiten der Digitalisierung auseinander. Als Kunst-        und Film, sollen in einem neuen »Digital Arts Center« digi-
hochschule sind wir ganz klar ein Ort, der für Kreativität und   tale Forschungs- und Ausbildungsansätze zusammengefasst
Innovation steht. Daher ist es mir ein großes Anliegen, dass     und interdisziplinär weiterentwickelt werden. Dies betrifft
unsere Studierenden auch mit Blick auf die Digitalisierung       z.B. Bereiche wie Sounddesign, Gaming, Einbeziehung von
den vollen Zugriff auf neueste Entwicklungen haben und           Künstlicher Intelligenz oder digitale Medien. Daneben soll
diese für ihre eigenen künstlerischen und wissenschaftli-        in einem »Inkubator« die Entwicklung von kultur- und krea-
chen Ideen nutzbar machen können«, fasst Prof. Dr. Bernd         tivwirtschaftlichen Start-up-Ideen ermöglicht werden. Durch
Redmann, Präsident der HMTM, die Relevanz von Digita-            enge Kooperationen zwischen den Hochschulen, aber auch
lisierung für die Münchner Musikhochschule zusammen.             zwischen verschiedenen Studienbereichen der HMTM sollen
Vor diesem Hintergrund hat die HMTM eine klare Vision:           dort Impulse der Digitalisierung aufgenommen und in eine
In enger Zusammenarbeit mit anderen Münchner Hoch-               zukunftsgerichtete Ausbildung integriert werden. // mr

                                                                                                       Auftakt 25 | 2019 5
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Im Fokus: Digitalisierung

Musikstudium: alles online?
Hochschulen sind heute dazu aufgerufen, die Digitalisierung für Innovation in Forschung und Lehre nutzbar zu
machen. Aber wie digital ist ein Musikstudium? Wo eröffnen sich neue Möglichkeiten durch digitale Prozesse? Einige
Studierende aus verschiedenen Fächern geben Antwort auf diese Fragen.

»Mein Studium an sich ist nicht digital«, erklärt Medine Mi-   ben mich diese Kompositionen jedoch nicht. Vielleicht liegt
jiti, die Komposition im Master bei Prof. Jan Müller-Wieland   es daran, dass ein Roboter kein Herz hat? Als Komponistin
studiert. Damit bringt sie den Alltag von vielen Musikstu-     schreibe ich das, was aus meinem Inneren kommt. Roboter
dierenden an der HMTM auf den Punkt. Selbstverständlich        sind natürlich klüger als Menschen, aber die Emotionen und
steht in der künstlerischen und künstlerisch-pädagogischen     der tiefe Ausdruck lassen sich im Moment in Kompositionen
Ausbildung auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung der      von Robotern noch nicht nachbilden.«
persönliche Einzel- und Gruppenunterricht im Zentrum der       Für Felix Kolb, der im vierten Semester Schlagzeug im Mas-
Musikausbildung. Das intensive Üben, oft viele Stunden am      ter bei Prof. Raymond Curfs studiert, gibt es schon einige
Tag, das genaue Zuhören und Erfahren von Musik und das         Entwicklungen, die auch künstlerisch nutzbar gemacht
öffentliche Auftreten bei Live-Konzerten vor Publikum sind     werden könnten: »Das Schlagzeugrepertoire entwickelt sich
nach wie vor wichtige, nicht-digitale Bereiche im Musikstu-    gerade rasant. Da gibt es auch einige interessante Stücke mit
dium. Aber natürlich gibt es viele Berührungspunkte eines      der Zuspielung von elektronischer Musik, also mit Tape,
Musikstudiums mit verschiedenen digitalen Entwicklun-          manchmal auch mit Live-Elektronik. Theoretisch gäbe es
gen – sei es nun das künstlerische Ausloten von digitalen      auch die Möglichkeit, dass ein Instrument z.B. über Mikro-
Prozessen und Techniken oder der Umgang mit Digitalisie-       sensoren eine Schnittstelle zu einem Computer wird – dann
rung bei Kommunikations- und Verwaltungsabläufen.              gäbe es eigentlich unbegrenzte künstlerische Möglichkei-
In diesem Zusammenhang konnte die Kompositionsstuden-          ten.« Auch ein elektronisches Marimba gibt es mittlerweile
tin Medine Mijiti im Februar 2019 inspirierende Eindrücke      in den Schlagzeugklassen. Bisher werde es vor allen Dingen
gewinnen. Ein Master-Student der TU München aus dem            benutzt, um bei Combo-Projekten einen Bass einzuspielen,
Fach Informatik stellte in einem Gastseminar neue Ent-         berichtet Felix Kolb. Gerade in der Kammermusik wird
wicklungen der Robotik vor. Mit einem Roboter zeigte er,       für ihn aber noch ein anderer Aspekt der Digitalisierung
wie dieser anhand von Kompositionsbeispielen ein eigenes       deutlich: »Ich spiele sehr viel Musik vom Tablet. Mittlerweile
Werk erschaffen konnte. Deutlich wurde auch, dass Roboter      nutze ich viel digitales Notenmaterial – z.B. über die Websi-
langfristig einige Instrumente werden spielen können und       te IMSLP oder über digitale Notenkäufe, die insbesondere
so Interpretinnen und Interpreten in Zukunft ergänzen bzw.     von kleinen oder Selbst-Verlagen angeboten werden. Kombi-
vielleicht sogar ersetzen könnten. Für Medine Mijiti war der   niert mit Hörbeispielen auf meinem Smartphone habe ich
Eindruck der aktuellen Möglichkeiten jedoch deutlich: »Der     dann eine ganze Musikbibliothek immer dabei! Mit Noten
Roboter kann vielleicht einen Stil nachahmen, berührt ha-      auf dem Tablet kann ich gerade auch bei Kammermusik toll

6 Auftakt 25 | 2019
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
ImImFokus:
                                                                                                 Fokus:Digitalisierung
                                                                                                        Experimente

aus der Partitur spielen und habe so ein ganz anderes Ver-        Grafikprogramme waren für mich sehr wichtig. Ich denke,
ständnis für das Zusammenspiel. Insbesondere seit ich auch        dass ich gerade als Lehrer später auch Programme und Pla-
noch über ein Pedal die digitalen Noten umblättern kann,          kate für Schulveranstaltungen gestalten muss. Da ist es sehr
nutze ich das sehr viel.« Bei Konzerten spiele er trotzdem lie-   hilfreich, das im Studium zu lernen.« Solche Kompetenzen
ber auswendig oder aus Papiernoten. Auch für viele andere         sind aber nicht nur für angehende Lehrerinnen und Lehrer
Studierende sei die Unsicherheit immer noch zu groß, ob in        wichtig, auch Studierende der künstlerischen Fächer müss-
der Konzertsituation nicht doch das Tablet einmal versagt,        ten sich in ihrem späteren Beruf mit digitalen Kommuni-
sich das Programm aufhängt oder der Akku leer ist. »Im            kationstechniken auskennen, sieht Anita Pongratz, die seit
Studienalltag, also für Recherchen und dergleichen, ist die       Januar 2019 das Career Center der HMTM leitet: »Es gehört
Digitalisierung aber ein Segen!«                                  heute einfach dazu, dass bestimmte Textverarbeitungspro-
Das weiß auch Sophia Schambeck, Bachelor-Studentin im             gramme beherrscht werden. Zunehmend wird auch die ei-
Studiengang Historische Aufführungspraxis mit Hauptfach           gene Vermarktung in den Sozialen Medien wichtiger. Wie
Blockflöte: »Ich nutze sehr viele digitale Rechercheangebote      tiefgreifend sich die Studierenden mit solchen im weitesten
für mein Studium z.B. IMSLP, wo ich viel Renaissance- und         Sinne digitalen Fähigkeiten auskennen sollten, ist sicher von
Barockmusik finden kann, oder verschiedene Angebote von           Studiengang zu Studiengang verschieden. Aber ein Grund-
Bibliotheken oder Online-Portalen. Gerade im Bereich der          stock gehört für alle auf jeden Fall dazu.«
Alten Musik ist es unendlich wertvoll, dass viele historische     Der Studienalltag ist jedenfalls ohne digitale Prozesse auch
Notendrucke und Faksimile mittlerweile verfügbar sind. Da         an der HMTM nicht mehr zu denken. So werden die Kurse
kann ich oft die komplette Quelle mit Titel und Einband           mittlerweile komplett über die online-Plattform »eOffice«
einsehen.« Die kritische Auseinandersetzung mit Verlags-          gebucht. In diesem Portal können sich die Studierenden
ausgaben und Quellen ist in der Historischen Aufführungs-         auch darüber informieren, wie viele ECTS-Punkte sie in
praxis ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung: »Die          verschiedenen Bereichen noch benötigen. Dennoch lassen
Ausgaben von Verlagen sind oft an die Spielgewohnheiten           sich viele Rahmenbedingungen noch verbessern, findet
der heutigen Zeit angepasst. Dabei geht sehr vieles verloren,     Matthias Bertelshofer von der Studierendenvertretung. Im
wenn es nicht gerade eine kritische Urtextausgabe ist. Wir        neu formierten Studierenden-Konvent, der sich im Januar
sind es z.B. heute gewohnt, dass die Musik mit Taktstrichen       2019 konstituierte, treffen sich die gewählten Mitglieder
gegliedert ist – das war in der Renaissancemusik aber nicht       der Studierendenvertretung mit Vertreterinnen und Ver-
der Fall. Auch Vorzeichen wurden nicht überall notiert. Für       tretern der einzelnen Fachschaften der elf Institute. In der
das Zusammenspiel und das Verständnis für diese Musik ist         ersten Sitzung im Januar wurden auch wichtige Themen
daher die Quellenforschung unglaublich wichtig. Das wird          mit Bezug zur Digitalisierung des Studienalltags diskutiert.
durch digitalisierte Quellen wahnsinnig erleichtert. Auch         Matthias Bertelshofer berichtet: »Unter den Studierenden
für Programmrecherchen oder eine Sichtung von verschie-           herrscht ziemliches Unverständnis darüber, dass man an
denen Büchern ist das Internet unglaublich hilfreich.«            unserer Hochschule seine Immatrikulationsbescheinigun-
Diese Erfahrung hat auch Michael Haas gemacht, der im             gen immer noch nicht digital erhalten kann. Auch die
Wintersemester 2018/19 sein Schulmusikstudium mit                 Prüfungsanmeldung für die künstlerischen Studiengänge
Erstinstrument Posaune begonnen hat. Im ersten und                sollte endlich online möglich sein. Was wir uns außerdem
zweiten Semester haben die Studierenden der Schulmusik            wünschen würden, wäre die Möglichkeit, online Räume
Unterricht im Fach Multimedia, in dem ihnen Grundfä-              zu buchen. Das wäre eine riesige Erleichterung – gerade
higkeiten im Umgang mit digitaler Audio- und Videobe-             wegen unserer vielen verschiedenen Standorte.« Einige
arbeitung ebenso vermittelt werden wie das Arbeiten mit           dieser geforderten Funktionen stehen bereits kurz vor der
Grafikprogrammen oder das Erstellen einer Website. »Für           Einführung, an anderen wird noch gearbeitet. Eins ist je-
mich war das Programmieren einer Website und auch der             doch klar: Die HMTM wird sich auch weiterhin intensiv
Umgang mit Cubase zum Bearbeiten von Audio-Material               mit den verschiedenen Aspekten der Digitalisierung ausei-
total interessant«, berichtet Michael Haas. »Aber auch die        nandersetzen. // mr

                                                                                                        Auftakt 25 | 2019 7
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Im Fokus: Digitalisierung

Digitale Disruption –
die digitale Realität
unserer vernetzten
Gesellschaft
Das Institut für Kulturmanagement und Medien der
HMTM setzt sich intensiv mit der Frage auseinander,
wie sich die Digitalisierung auf mögliche Berufsbilder
für die Absolventinnen und Absolventen der Master-
Studiengänge »Kultur- und Musikmanagement« und
»Musikjournalismus im öffentlich-rechtlichen und
privaten Rundfunk« auswirkt.

Unsere digitale Gesellschaft befindet sich heute mitten in     noch nie gegeben hat. Als Mahnung vor der Macht, die diese
einem Post-Privacy Prozess zwischen grenzenloser Offenheit     großen Unternehmen haben, wurde der Begriff GAFA (als Ab-
und totalem Verlust der Privatsphäre sowie der Entwick-        kürzung für Google, Apple, Facebook und Amazon) von der
lung des Web 3.0 mit einem explosionsartig wachsenden          Europäischen Union eingeführt, die ein großes Risiko darin
Internet of Things (kurz: IoT). Im Internet der Dinge sind     sieht, wenn diese Konzerne ihr Monopol noch weiter ausbau-
bereits heute über 12 Mrd. Gegenstände vernetzt, bis 2021      en (was jedoch sehr wahrscheinlich erscheint, betrachtet man
soll die Anzahl der IoT-Devices auf voraussichtlich 25 Mrd.    die riesigen Investitionen von GAFA in KI, Datenexploration,
ansteigen. Darüber hinaus erleben wir eine rasch anwach-       Zahlungssysteme, Smart Home oder Sprachsteuerung).
sende sprachgesteuerte Digitalwelt (Amazon Alexa, Google       Der Digitalisierung begegnen, das bedeutet am Institut für
Home etc.) sowie den Einsatz von maschinenunterstütztem        Kulturmanagement und Medien Verständnis der digital-
Inhalte-Marketing und Künstlichen Intelligenzen (KI) in        disruptiven Prozesse und der digitalen Geschäftsmodelle in
Produktion und Distribution von Musik- und Medieninhal-        Musik, Medien und Kreativwirtschaft. Drei Bereiche stehen
ten. Individualisiertes Echtzeit-Marketing für Musikinhalte    hier besonders im Fokus: 1. die Forschung und der Kom-
wird von den digitalen Plattformen selbst übernommen –         petenzaufbau zu Künstlichen Intelligenzen (KI) im Musik-,
rein auf Basis von Algorithmen und automatisierten Prozes-     Medien- und Kulturbetrieb sowie das Mitgestalten der Dis-
sen und ohne musik- und kulturwissenschaftlich erfahrene       kussion um Digitalkultur, digitale Regulierung und digitale
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Agenturen, PR-Büros       Ethik; 2. die kontinuierliche und international konkurrenz-
oder Managements. Der Arbeitsmarkt hat sich durch diese        fähige Weiterentwicklung der Studienangebote mit dem
disruptiven Prozesse der Digitalisierung dramatisch verän-     Ziel, die Studierenden auf einen hoch komplexen digitalen
dert – auch in Kulturmanagement und Journalismus.              Arbeitsmarkt vorzubereiten und das damit verbundene
Von der Auswertung unserer Daten getrieben, die jede           Know-how zu vermitteln; 3. die Stärkung des musikalischen
und jeder von uns täglich bewusst oder unbewusst in der        und kulturellen Unternehmertums in der digitalen Welt
digitalen Welt hinterlässt, sind disruptive Geschäftsmo-       inkl. Anbindung an digitale Gründerzentren.
delle ein Multi-Milliardenmarkt, den im Wesentlichen           Am Institut für Kulturmanagement und Medien der
vier US-Konzerne mit ihren Firmennetzwerken dominie-           HMTM sollte das erfolgreiche »Cultural Entrepreneur-
ren und diktieren: Google/Alphabet (u.a. durch Android,        ship Lab«, in dem Studierende eigene Geschäftsideen von
Youtube, Gmail, Chrome, Maps, Google Home, Google-             der Ideen bis zum Businessplan erarbeiten, zukünftig um
MyBusiness, Google Ads), Apple (u.a. durch iTunes, Apple       einen »Cultural Entrepreneurship Incubator« ergänzt wer-
Music, Apple TV, Shazam, Apple Pay), Facebook Inc. (u.a.       den, damit auch ganz real kulturelle Start-ups an der Hoch-
durch WhatsApp, Oculus VR, Instagram, Business Mana-           schule gegründet werden können.
ger, Social Login) und Amazon (u.a. durch Marketplace,         Ein Beispiel für neue Geschäftsideen, wie sie am Institut
Kindle, Amazon Music, Audible, Prime Video, Alexa).            für Kultur- und Medienmanagement entstehen, ist etwa
Bei den digitalen Geschäftsmodellen der Konzerne handelt es    die Gründung der Firma TimeRide (s. Foto) von Jonas Ro-
sich wirtschaftlich um »Winner-Takes-All«–Modelle, bei denen   the, einem Alumnus des Instituts. Diese Firma entwickelt
die Konkurrenz übernommen oder zerstört wird. Die Folge        Unterhaltungs- und Bildungsangebote im Bereich der vir-
sind Gate-Keeper mit einer globalen Dominanz, wie es sie so    tuellen Realität (kurz: VR), unterhält heute VR-Angebote

8 Auftakt 25 | 2019
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Im Fokus: Digitalisierung

in Köln, Dresden und Nanchang (China) und wurde mit                fig als eigenständig handelnde Akteure, Mechanismen und
dem Bayerischen Gründerpreis ausgezeichnet.                        Prozesse dargestellt. Richtig ist jedoch, dass die eigentlich
Neue Wege zu finden, um Relevantes aus Musik und Kul-              Handelnden die Designer und Trainer der Algorithmen
tur in die digitale Gesellschaft zu tragen, heißt in der Praxis:   und Künstlichen Intelligenzen sind. In der Ausbildung
nicht für, sondern von der jeweiligen digitalen Plattform aus-     muss deshalb Kompetenz aufgebaut werden, Künstliche In-
gehend und unter Einbeziehung der Möglichkeiten, welche            telligenzen verstehen und selbst trainieren zu können, etwa
eine Plattform bietet, zu arbeiten. Es geht um neue Formate,       um das IoT inhaltlich zu erschließen.
Vermittlungsformen und Geschäftsmodelle, wie sie im Zuge           Die Schnittstelle Mensch-Maschine als etwas zu erken-
der Digitalisierung bereits entstanden sind oder zukünftig         nen, das es wechselseitig im kontrapunktischen Zusam-
noch entstehen werden. Die digitale Kommunikation ist              menspiel zu gestalten gilt, sollte im Zentrum stehen.
dabei geprägt von der Interaktion, die entweder zwar digital       Das Zusammenspiel von Mensch und Maschine klug,
gestaltet ist, sich jedoch an Menschen richtet (also von der       reflektiert und mit Tiefgang zu einer neuartigen Textur
Zielgruppe visuell oder akustisch rezipierbare und emotions-       zu verweben, ist die Aufgabe von Innovatoren und Me-
auslösende Botschaften und Interaktionen), oder digitale           dienschaffenden. Diese Herausforderung erfolgreich zu
Kommunikation, die für Maschinen oder eine voneinander             meistern und für Kunst und Kultur attraktive Inseln im
abhängige Mensch-Maschine-Interaktion entwickelt wird –            reißenden Strom der digitalen Disruption zu errichten,
etwa für Algorithmen und Künstliche Intelligenzen.                 sollte in einem kreativen Biotop, in dem Musik schon oft
In der öffentlichen Debatte im deutschsprachigen Raum              ein zentraler Treiber für die Evolution digitaler Produkte
werden dabei Algorithmen und KI bedauerlicherweise häu-            war, gut möglich sein. // Frizz Lauterbach

Künstliche Intelligenz in Kunst und Musik
Prof. Dr. Frizz Lauterbach (Institut für Kulturmanagement und Medien), Experte für Digitalisierung und digitale
Transformation beim Bayerischen Rundfunk, zu drei zentralen Fragen zur Künstlichen Intelligenz (KI).

Ist Künstliche Intelligenz eine Bedrohung für die Kunst?           digitalisierten Gehirnen verwendet werden. Zum anderen
Aus heutiger Sicht für die von Menschen geschaffene Kunst          an der sogenannten Computertheorie des Geistes, welche
an sich nicht, jedoch für deren Reproduktion oder Adapti-          den Standpunkt vertritt, dass sich nicht nur zielgerichtete
on. Künstliche Intelligenzen kann man z.B. mit Blick auf           und ergebnisorientierte Denkprozesse per Software abbil-
Musik so trainieren, dass das Ergebnis im Sound kaum von           den lassen, sondern auch Gefühle und Emotionen. Es ist
der Musikwelt der Vorlage zu unterscheiden ist. Bereits 2016       jedoch offen, ob man per Software echtes Bewusstsein,
stellte das Sony Computer Science Laboratory einen Song            echtes Verstehen und die vielen unterschiedlichen Zustän-
im Stil der Beatles vor – komponiert von einer KI. Doch            de des Geistes darstellen kann, die unser menschliches
es geht den Entwicklern von KI nicht darum, die traditio-          Denken ausmachen und die unser Geist neben dem zielge-
nelle Musikproduktion zu ersetzen oder Künstler und Pro-           richteten und lösungsorientierten Denken kennt.
duzenten überflüssig zu machen. Ein Ziel kann es aber z.B.         Sind wir Künstlichen Intelligenzen in der Zukunft ausgeliefert?
sein, Musik für jeden Nutzer in Echtzeit zu individualisieren      Wenn wir uns in den inhaltlichen und ethischen Diskurs
(etwa für Gaming-Szenarien) oder Handlungen des Nutzers            um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz einbringen,
über Predictive Analytics zu antizipieren und direkt in eine       erst einmal nicht. Wir müssen nur erkennen, dass wir als
Komposition einfließen zu lassen. Im Zentrum steht des-            Menschen die Handelnden sind, die diese Intelligenzen
halb die Frage, welche neuen Formen von Performance und            für bestimmte Aufgaben erschaffen und damit auch in
Kunst mit dem Einsatz von KI entwickelt werden können.             der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und Regeln zu
Wird KI unsere menschliche Kreativität ersetzen?                   definieren. Es ist wie so oft nicht die Frage, ob diese Tech-
Diese Frage meint häufig: Funktioniert KI wie ein mensch-          nologien unsere Welt verändern werden, sondern wie. Un-
liches Gehirn und kann sie dieses theoretisch ersetzen?            ternehmen und Organisationen, die das Entwickeln von
Wichtig hierbei: Unser menschliches Gehirn funktioniert            KI vorantreiben, haben begonnen, Prinzipien zu erarbei-
grundsätzlich anders als ein Computer. Dass der Vergleich          ten, um gemeinsame Leitlinien für dieses Zukunftsthema
Gehirn = Hardware und Geist = Software häufig auftaucht,           festschreiben zu können. Für uns gilt es jetzt, diese neue
liegt zum einen an der visuellen Kommunikation des The-            digitale Welt aktiv und nach unseren Vorstellungen positiv
mas KI in den Medien, wo oft Bilder und Grafiken von               mitzugestalten.

                                                                                                          Auftakt 25 | 2019 9
Auftakt - Hochschule für Musik und Theater München
Im Fokus: Digitalisierung

Eine Plattform für digitale musikalische Bildung
Im Verbund mit verschiedenen Partnern und unterstützt von der Hochschule für Musik und Theater München
entwickelt Prof. Dr. Ulrich Kaiser, der an der HMTM Musiktheorie und Medienkunde lehrt, eine einzigartige
digitale Plattform. Im Interview stellt er dieses »Open Educational Resources«-Projekt vor.

Was ist »elmu« und an wen richtet sich das Projekt?            ermöglicht hätten, was ihnen aufgrund der Kosten sonst
»elmu« ist eine freie eLearning-Plattform für »Open Edu-       nicht möglich gewesen wäre. Seit vielen Jahren program-
cational Resources«. Die Plattform richtet sich an alle, die   miere und unterhalte ich Webseiten mit Lernmaterialien,
sich für Musik interessieren und über Musik etwas lernen       die ich kostenlos und unter einer kulturell freien Lizenz
möchten, z.B. in der Vorbereitung auf ein Studium oder auf     zur Verfügung stelle. Tutorials sowie Materialen für Stu-
eine Prüfung. Darüber hinaus sollen auf »elmu« Musiklehre-     dierende finden Sie z.B. auf meiner Domain musikanalyse.
rinnen und Musiklehrer Anregungen und Materialien zur          net, Unterrichtseinheiten für allgemeinbildende Schulen
Gestaltung ihres Musikunterrichts finden und Schülerin-        und Musikschulen stelle ich auf der Domain oer-musik.de
nen und Schüler Lerneinheiten z.B. für den Unterricht mit      zur Verfügung. Im Laufe der Jahre ist dort eine Menge Ma-
Tablets. Die auf »elmu« bereitgestellten Inhalte sind grund-   terial zusammengekommen und die positiven Rückmel-
sätzlich kostenfrei und allgemein zugänglich, sie werden von   dungen aus ganz Deutschland und darüber hinaus sind
einer Community gemeinsam erarbeitet und sollen gleich-        für mich Motivation, meine Arbeit in diesem Bereich zu
zeitig höchsten Qualitätsansprüchen genügen.                   intensivieren. Das, was meine Webseiten bisher für einen
                                                               kleinen Bereich leisten konnten, soll »elmu« zukünftig für
Was verbirgt sich hinter dem Namen?                            alle Bereiche des Musiklernens leisten, also für den Be-
»elmu« ist ein Fantasiename, der sich leicht merken lässt.     reich der allgemeinbildenden Schulen, der Musikschulen,
Als Assoziationen für die Plattform kamen mir natür-           der Musikhochschulen und des lebenslangen Lernens.
lich eLearning und music in den Sinn, und wenn man
dann die jeweils ersten beiden Buchstaben dieser Begriffe      Wie kamen Sie auf die Idee, so eine Plattform zu entwickeln?
nimmt, ist man schon bei »elmu«. Mir war auch wichtig,         Vor ein paar Jahren fragte mich meine Frau einmal beim
dass der potentielle Name noch nicht im Web verbreitet         Frühstück quasi nebenbei: »Was mache ich eigentlich mit
ist, damit man die Plattform schnell finden kann.              deinen ganzen Webseiten, wenn du einmal vor mir sterben
                                                               solltest?« Das hat mich mit Blick auf die Nachhaltigkeit mei-
Warum ist ein Projekt wie »elmu« wichtig?                      ner Arbeit sehr nachdenklich gemacht. Dazu gesellte sich eine
Ich glaube an freie Bildung und daran, dass freie Bil-         weitere Einsicht: Aus dem künstlerischen Bereich kennen wir
dung die Welt etwas besser machen kann. In der Musik           eher den traditionellen Personenkult, bei dem der geniale
ist leider aufgrund eines aus den Fugen geratenen Urhe-        Kunstschaffende im Mittelpunkt steht. Dass die Entwicklung
berrechts fast nichts mehr frei (die Lehre jedenfalls nicht,   von Webtechnologien im Moment geradezu explodiert, ba-
die Forschung erfreulicher Weise noch). Dass es für das        siert jedoch nicht auf dem Kult um Personen und Firmen,
Musiklernen eine Leerstelle gibt, dafür sprechen auch die      sondern auf dem Community-Gedanken. Selbst Firmen
zahlreiche Rückmeldungen von jüngeren und älteren Men-         wie Microsoft, Apple oder Google haben erkannt, dass eine
schen, die sich bei mir dafür bedankt haben, dass meine        Open-Source-Community flexibler und leistungsfähiger ist
bisherigen »Open Educational Resources« ihnen etwas            als hochbezahlte Programmierabteilungen. Deshalb wollte

10 Auftakt 25 | 2019
Im Fokus: Digitalisierung

ich ein Projekt, das sowohl technisch als auch inhaltlich auf   und das Potential von »elmu«. Nach einem Vortrag auf dem
einer Community basiert, offen ist und zur Mitarbeit einlädt.   letzten Kongress der Gesellschaft für Musiktheorie wurde
Seit wann arbeiten Sie an diesem Projekt?                       ich von Mitgliedern der Hochschulleitungen aus Dresden
Das Projekt wurde eigentlich durch Probleme initiiert. Von      und Weimar angesprochen, die spontan eine finanzielle
1998 bis 2007 habe ich fünf Bücher im Bärenreiter-Verlag        und personelle Beteiligung in Aussicht gestellt haben.
und zwei Hefte im Klett-Schulbuchverlag publiziert. Die         Ist »elmu« schon online?
Produktionszeiten großer Verlage sind jedoch einfach un-        Ja, unter der Toplevel-Domain elmu.online ist die Seite
glaublich langsam. Zusätzlich kam ich mir im Unterricht         öffentlich erreichbar und wenn man sich anmeldet, kann
manchmal wie ein Heizdeckenverkäufer vor (»wenn Sie             man auch schon recht komfortabel Tutorials einstellen oder
möchten, können Sie zu diesem Thema ein Buch von mir            eingestellte Tutorials verbessern. Darüber soll für elmu zu-
kaufen«). Nach und nach konnte ich mich durch immer             künftig nicht nur der Inhalt, sondern auch die Funktiona-
mehr technisches Wissen und die Auseinandersetzung mit          lität der Website communitybasiert entwickelt werden. Der
Webtechnologien, bei der mich Andreas Helmberger (ein           Quellcode ist hierzu auf GitHub unter freier Lizenz verfüg-
ehemaliger Student der HMTM und mittlerweile hochge-            bar (https://github.com/elmu/elmu-web) und wir hoffen
fragter Softwareingenieur) unterstützte, von Verlagen unab-     natürlich auch, dass sich auf Dauer viele Programmierer
hängig machen. Im Jahr 2015 habe ich dann die Idee einer        an der Entwicklung beteiligen werden. Was als nächstes ge-
freien eLearning-Plattform zum ersten Mal im bayerischen        macht wird, lässt sich übrigens auch auf GitHub verfolgen
Staatsministerium für Unterricht und Kultus vorgestellt.        (https://github.com/elmu/elmu-web/projects/1).
Die Idee wurde positiv aufgenommen, fördern wollte man
                                                                Was kann man mit »elmu« schon machen?
sie jedoch nicht, um eigenen potentiellen Projekten keine
Konkurrenz zu machen. 2017 habe ich dann das Projekt der        Derzeit haben wir Module, die Text und Bilder anzeigen kön-
Hochschulleitung der HMTM vorgestellt. Die Hochschule           nen, »elmu« kann Audio und Videos abspielen, es lassen sich
hat einer Förderung zugestimmt und mir innerhalb kurzer         interaktive H5P-Videos integrieren und es gibt auch Möglich-
Zeit erste Fördergelder vermittelt. Bald danach ist die Cast-   keiten der Lernzielkontrolle über Frage-Antwort-Spiele. Vor
ringius Kinder & Jugend Stiftung München mit einer groß-        einigen Wochen haben wir auch die erste Klaviertastatur mit
zügigen Spende in die Förderung des Projekts eingestiegen       Sound online stellen können, womit sich derzeit Intervalle
und aktuell haben wir Gelder von der Franz Josef Reinl-Stif-    üben lassen. Natürlich sind noch viele weitere Ideen vorhan-
tung erhalten. Diese Entwicklung ist sehr vielversprechend.     den, die Frage ist, wann wir sie realisieren können.
Wer ist alles am Projekt beteiligt?                             Wie geht es weiter?
Zuerst wurde es nur von der HMTM getragen. In der Folge         Für die Programmierung des ersten Prototyps haben
haben mir zahlreiche Kolleginnen und Kollegen unserer           wir 30.000 EUR veranschlagt, von denen bisher 24.000
Hochschule, aber auch von außerhalb zugesagt, sich für          EUR investiert worden sind. Mit den noch fehlenden Gel-
die Redaktion von Beiträgen zur Verfügung zu stellen,           dern wollen wir die Benutzung der Seite optimieren so-
denn anders als bei Wikipedia wird es für »elmu« eine Re-       wie eine einfache Infrastruktur für die Mitarbeiterinnen
daktionsschicht geben, die für das Qualitätsmanagement          und Mitarbeiter der Redaktion bereitstellen. Dann habe
verantwortlich zeichnet. Nicht zuletzt konnte ich namhaf-       ich natürlich die Hoffnung, dass es auch mit der ehren-
te Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler z.B. aus der        amtlichen Eingabe von Content besser vorangehen wird.
Mediendidaktik, Musikpädagogik, Musikwissenschaft,              Um die langfristige Förderung des Projekts zu sichern,
Popularmusikforschung, Musiktheorie und Gehörbildung            wurden in den letzten Monaten der gemeinnützige Verein
gewinnen, die in Form eines wissenschaftlichen Beirats          ELMU Education e.V. gegründet, mit dem Präsidenten der
»elmu« professionell begleiten werden.                          HMTM als stellvertretendem Vorsitzenden.
Welchen Mehrwert kann »elmu« für eine Musikhochschule haben?    Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mehrsprachige Tutorials zu den schriftlichen Eignungsprü-       Als kurzfristiges Ziel wünsche ich mir, dass der »elmu«-Pro-
fungsklausuren könnten auf »elmu« angeboten werden und          totyp bald fertiggestellt werden kann. Mittelfristiges Ziel
so die Chancengleichheit für Personen vor Ort und aus dem       wäre es, dass es viele Nutzerinnen und Nutzer und genü-
Ausland erhöhen. Ich kann mir zudem sehr gut ein Video-         gend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die inhaltliche
angebot zur Korrepetition für Sängerinnen und Sängern           Arbeit gibt und dass die Qualitätssicherung funktioniert.
vorstellen sowie Playback-Videos zum Üben von Repertoire-       Langfristig wünsche ich mir, dass Musikhochschulen im
stellen. Natürlich lassen sich auch viele Inhalte der Gehör-    allgemeinen und die Hochschule für Musik und Theater
bildung, Musiktheorie und Instrumentation hervorragend          München im Besonderen in der Öffentlichkeit nicht nur
abbilden und mit klassischem Unterricht kombinieren.            als Ort der Ausbildung einer musikalischen Elite wahrge-
Hierzu sammle ich bereits wertvolle Erfahrungen in meinen       nommen werden. Denn das Ziel von »elmu« ist klar: Der
eigenen Lehrveranstaltungen an der HMTM. Auch andere            Zugang zu musischer Bildung soll allen gleichermaßen er-
Musikhochschulen erkennen mittlerweile den Bedarf an            möglicht werden.

                                                                                                    Auftakt 25 | 2019 11
Im Fokus: Digitalisierung

Die Bibliothek – ein virtueller und realer Raum
in der digitalen Welt
Bibliotheken waren schon immer dafür verantwortlich, Publikationen aller Art zu sammeln, zu ordnen und
verfügbar zu halten – das gilt auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung. Die Musikbibliothek der HMTM
stellt den Studierenden und Lehrenden eine Vielzahl von digitalen Angeboten zur Verfügung und setzt sich für
einen offenen Zugang zu Publikationen und Digitalisaten ein.

Ursprünglich umfasste der Begriff »Digitalisierung« nur      Die Digitalisierung betrifft Bibliotheken, reicht heute aber
die Umwandlung von analogen, physisch vorliegenden In-       deutlich weiter über die Technisierung ihrer Organisa-
formationen in digitale Daten. Als erste »Digitale Biblio-   tions- und Kommunikationsabläufe hinaus. Sogenannte
thek« gilt das 1971 gegründete »Projekt Gutenberg«. Hier     Digitalisate sind Teil ihres Sammlungsgutes geworden. Ge-
wurde zum ersten Mal versucht, Bücher in digitalen For-      sammelt und zugänglich gemacht werden nicht mehr nur
maten anzubieten. Die sogenannte »Digitale Revolution«       gedruckte Noten und Bücher, sondern zunehmend auch
umfasst inzwischen jedoch nahezu alle Lebensbereiche.        digital erschienene Bücher, Texte, Noten, Audio- oder Vi-
Kommunikation, Information und Zahlungsverkehr lau-          deodaten. Digitale Informationsangebote werden entwe-
fen weitgehend digital.                                      der für den Zugriff auf fremden, meist privaten Plattfor-
So wurde auch in der Bibliothek der HMTM bereits im          men lizenziert oder von Bibliotheken selbst als eContent
Jahre 2005 ein Bibliotheksverwaltungssystem eingeführt,      publiziert sowie dauerhaft zitierfähig archiviert.
das die Kommunikation mit den Nutzerinnen und Nut-
zern um ein Vielfaches vereinfachte: Das handschriftliche    Lizenzierte digitale Angebote
Ausfüllen von Leihscheinen konnte entfallen und das Be-      Die Bibliothek der HMTM hat z.B. den Streamingdienst
stellen von Büchern sowie weitere Selbstverwaltungsfunk-     »Naxos Music Library«, die Fachenzyklopädie »Musik
tionen sind nun zeit-, orts- und personalunabhängig über     in Geschichte und Gegenwart« oder die Datenbanken
das Internet möglich. Auch können im Online-Katalog          »Daniels’ Orchestral Music Online« und »Music Online«
(webOPAC) sehr viel differenziertere Recherchen durch-       lizenziert. Lizenzpflichtige wie auch empfehlenswerte freie
geführt werden als dies mit den früheren Zettelkatalogen     Netzangebote werden über die Webseite der Bibliothek im
möglich war. Insbesondere die in den webOPAC integrier-      webPORTAL FiRM zugänglich gemacht, an dessen Pflege
te Systematik ermöglicht sowohl das ungezielte Stöbern im    sich auch das Career Center der Hochschule angeschlos-
Bestand der Bibliothek als auch die gezielte Eingrenzung     sen hat. Mit der Aufnahme der von der DFG für alle
von Trefferergebnissen.                                      Hochschulen finanzierten Nationallizenzen in das digitale

12 Auftakt 25 | 2019
NEUE

                                                                    KLAVIERAUSZÜGE: JOHANNES UMBREIT
                                                                                                       URTEXTAUSGABEN
                                                                                                       Manuel de Falla
                                                                                                       Nächte in spanischen Gärten
                                                                                                       für Klavier und Orchester
                                                                                                       Ed.: U. Scheideler · Klavierauszug: J. Umbreit ·
                                                                                                       Fing.: Y. Wang
Angebot der Hochschulbibliothek, stieg die Masse der zu                                                Orchestermaterial bei Breitkopf & Härtel
                                                                                                       HN 1450 € 24,50
verwaltenden eRessourcen in so großem Umfang, dass                                                      impressionistische Komposition Fallas
zusätzlich zum webOPAC und zur Webseite auch der An-                                                    Fingersätze der Star-Pianistin Yuja Wang

schluss an das Datenbank-Infosystem (DBIS) und die Elek-                                               Camille Saint-Saëns
                                                                                                       Klavierkonzert Nr. 5 F-dur op. 103
tronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) notwendig wurde.                                               (Ägyptisches)
Ein weiterer Meilenstein für die Bibliothek der HMTM                                                   Ed.: P. Jost · Klavierauszug: J. Umbreit ·
                                                                                                       Fing.: P. Rogé
bezüglich der Zugänglichmachung lizenzpflichtiger Inhal-                                               HN 1144 € 29,—
te war die Einführung einer Authentifizierungssoftware                                                  letztes Klavierkonzert von Saint-Saëns
                                                                                                        Berücksichtigung aller relevanten
(EZproxy) im Jahre 2016, welche es allen Hochschulange-                                                  Quellen
hörigen ermöglicht, lizenzpflichtige Inhalte nicht nur an
                                                                                                       Carl Maria von Weber
den Computern innerhalb der Hochschule, sondern auch                                                   Concertino op. 45 für Horn und Orchester
von Zuhause aus oder an mobilen Endgeräten zu nutzen.                                                  Ed.: D. Rahmer · Klavierauszug: J. Umbreit
                                                                                                       für Horn in E und F
                                                                                                       HN 1179 € 15,—
Open Educational Resources                                                                              wirkungsvolles Virtuosenstück
                                                                                                        erstmals mit biographischen Details
Der Freistaat Bayern war das erste Bundesland, welches                                                   zum Auftraggeber
seinen wissenschaftlichen Bibliotheken Mitte der 2000er
Jahre kostenfrei eine Multimediaarchivierungssoftware
zur Verfügung stellte. Die Bibliothek der HMTM nutzt
dieses System seit 2008 zur Archivierung und Veröffent-
lichung hochschuleigener Digitalisate in einer »Digitalen
Sammlung«. In diesem Zusammenhang versteht sich die
Bibliothek der HMTM zunehmend als Produzent von
digitalem Content: Zum einen ist sie Teil eines global
vernetzten Bibliotheksystems. In diesem Zusammenhang
                                                                                                       PETER HÖRMA
                                                                                              Finest Urtext Editions

                                                                                                       GEIGENBAUMEIS
sichert sie Retro-Digitalisate von unikalen Handschrif-                                                         www.henle.de
ten oder seltenen Drucken und macht sie im Netz frei
zugänglich. Als Zulieferer für die Produktion von Open
Educational Resources (OER) archiviert sie nachnutzbare
Audio- oder Videodateien und macht diese ebenfalls öf-      HfM_Muc_AuftaktMagazin_19-03.indd 1                                                           29.01

                                                                                      PETER HÖRMANN
fentlich zugänglich. Als Dienstleister für die Hochschule
insgesamt stellt sie außerdem ein Repositorium zur Ver-
öffentlichung von Open Access Publikationen (darunter
auch Dissertationen) der Hochschule und ihrer Angehö-
rigen zur Verfügung.
Für die weltweite Auffindbarkeit der lokal publizierten
                                                                                      GEIGENBAUMEISTER
Dateien spielt dabei weniger die lokale Weboberfläche der
Digitalen Sammlung (http://digital.bib-bvb.de) eine Rolle, als
vielmehr die Verknüpfung der Plattform über standardi-
sierte Schnittstellen und Normdaten an andere semanti-
sche Kulturdatennetze und Suchmaschinen (derzeit: KVK,
Gateway Bayern, ZDB, webOPAC, Google, DDB/Europea-
na in Vorbereitung).
Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Netzpublikationen
auch im Bereich der Musik zunehmen wird. Die Zukunfts-
fähigkeit der Bibliotheken ist jedoch nicht abhängig da-
von, in welcher Form Wissen und Werke verbreitet wer-
den, denn schon immer waren sie verantwortlich dafür,
Publikationen zu sammeln, zu ordnen und verfügbar zu
halten, völlig unabhängig davon, in welchem Aggregatszu-
                                                                                                            Englschalkingerstraße 2
                                                                                       Englschalkingerstraße 257,
stand sie veröffentlicht wurden (ob Tontafel, Handschrift,
Druckschrift, Magnetband oder Bits und Bytes). Die Zu-                                             81927 München, 81927 München,
kunft der Bibliothek hängt eher ab von der Art und dem
Umfang der Präsenz, die ihr auch zukünftig im virtuellen                                                         Tel.: 089/93 76 24
                                                                                                Tel.: 089/93 76 24
und realen Raum zugestanden wird oder zugestanden wer-                            Email: p-hoermann@t-online.de
den kann. // Susanne Frintrop                                                                            Email: p-hoermann@t-onli
                                                                                                        www.hoermann-geigenbau.de
                                                                                                          www.hoermann-geigenba
                                                                                                                   Auftakt 25 | 2019 13
Im Fokus: Digitalisierung

eCampus: Ein bayerisches Pilotprojekt für
digitale Studienverwaltung
Das System »eCampus« ist mittlerweile aus dem Alltag an der HMTM nicht mehr wegzudenken:
Die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen, Raumbuchungen und viele weitere Anwendungen laufen über das
System, das im Verbund der bayerischen Musikhochschulen entwickelt wurde.

Seit dem Bologna-Prozess sind Hochschulen dazu verpflich-        haben auch die beiden Kunstakademien in Nürnberg und
tet, ihren Studierenden jederzeit Auskunft darüber zu ge-        München sowie die Hochschule für Fernsehen und Film das
ben, welche Lehrveranstaltungen sie besucht bzw. welche          System adaptiert, sodass heute alle sechs bayerischen Kunst-
Prüfungen sie abgelegt haben. Um dieser Herausforderung          hochschulen dasselbe Campusmanagementsystem nutzen.
gerecht zu werden, arbeitete die HMTM gemeinsam mit den          Seit der Einführung erster Module im Wintersemester
Musikhochschulen Nürnberg und Würzburg sowie der CAS             2011/2012 hat sich eCampus stetig weiterentwickelt. Seit Ja-
Software AG an einem Campusmanagementsystem, das auf             nuar 2018 läuft auch das komplette Raummanagement der
die spezifischen Erfordernisse von Musikhochschulen abge-        HMTM über das System. In Zukunft werden noch weitere
stimmt ist. Besonderheiten wie etwa die sehr individualisierte   Features hinzukommen: Prüfungsanmeldung und -verwal-
Planung von Einzelunterricht wurden in enger Abstimmung          tung sollen schon bald für alle Studiengänge über das Por-
mit den Projektleitungen der bayerischen Musikhochschu-          tal für Studierende »eOffice« organisiert werden. Auch das
len ausgearbeitet. Auch wurden die verschiedenen Einzel-         Angebot an Selbstbedienfunktionen wird erweitert, sodass
systeme, die an den Musikhochschulen bisher im Einsatz           Studierende in Zukunft Übezimmer selbst buchen oder Be-
waren, konsolidiert, sodass Lehrenden, Studierenden und          scheinigungen zu Hause ausdrucken können. Zudem ent-
zukünftig auch Alumni ein noch besserer Service geboten          steht ein neues Portal für Lehrende, bei dem die HMTM
werden kann. Von diesem bayerischen Pilotprojekt, das sich       als Designpartnerin der Softwarefirma CAS eng in die
nur durch das große Engagement des beteiligten Teams ver-        Entwicklung eingebunden ist. Auch ein Bewerbungs- und
wirklichen ließ, profitieren mittlerweile viele: In jedem Jahr   Zulassungsportal für Studieninteressierte steht vor der Ein-
kommen weitere Musikhochschulen hinzu, die diese Adap-           führung und wird den Bewerbungsprozess an Musikhoch-
tion auch in ihrer Studienverwaltung einsetzen. In Bayern        schulen modernisieren und vereinfachen. // sml

                                                                 Lehrkräfte für besondere Aufgaben, künstlerische oder wis-

Digitales Bewerber-                                              senschaftliche Mitarbeiter*innen, nichtwissenschaftliches
                                                                 Personal oder die Vergabe von Lehraufträgen geht – alle Ver-

management                                                       fahren werden nun digital in einem System verwaltet. Bewer-
                                                                 berinnen und Bewerber geben ihre Daten in digitaler Form
                                                                 ein, die Auswahlgremien haben dann in sehr übersichtlicher
An der HMTM finden jedes Jahr zahlreiche Bewerbungs-             Form schnellen Zugriff, um die eingegangenen Bewerbun-
verfahren statt – sei es nun für Professuren, nicht-wissen-      gen zu sichten und dann geeignete Kandidatinnen und Kan-
schaftliches Personal oder Lehraufträge. Die Einführung          didaten zu einem persönlichen Gespräch einzuladen. Gera-
des digitalen Bewerbermanagements »BITE« erleichtert             de an einer Hochschule ist die Anzahl der Personen, die z.B.
seit 2018 die Verfahren.                                         bei der Besetzung einer Professur mitbestimmt, sehr groß.
                                                                 Die Mitglieder einer solchen Berufungskommission werden
                                                                 durch das digitale Bewerbermanagement nun stark entlas-
Immer mehr Institutionen stellen ihre Bewerbungsverfahren        tet und können sich leichter koordinieren. Da immer mehr
um und führen digitale Bewerbermanagements ein. Auch             Verfahren gleichzeitig durchgeführt werden müssen, ist diese
die HMTM hat diesen Schritt im Jahr 2018 vollzogen und           Übersichtlichkeit eine große Erleichterung, auch für die Be-
das System »BITE« eingeführt. Egal ob es um Professuren,         schäftigten in der Verwaltung. // mr

14   Auftakt 25 | 2019
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