HOFFNUNG FÜR DIE SÄUMIGEN - Photovoltaikforum
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72 MARKT | Beraten & Kaufen HOFFNUNG FÜR DIE SÄUMIGEN Marktstammdatenregister — Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich ein bürokratisches Monster. Dort muss jeder Betreiber seine Anlagen anmelden – auch Bestandsanlagen. RA Thomas Binder erläutert, welche Fristen einzuhalten sind. Ein Praxisreport photovoltaik 09 / 2019
73 D as Marktstammdatenregister hat lange gebraucht, bis es endlich an den Start ging, aber am 1. Februar dieses Jahres war es so weit. Seit diesem Zeitpunkt sind die alten Meldepflichten für Anlagenbetrei- ber passé. Die Meldung muss jetzt im neuen, elektronischen Marktstamm- datenregister erfolgen. Auch die Daten von Bestandsanlagen müssen mit Übergangsfristen ins Marktstammdatenregister überführt werden. Für EEG-Anlagen, die vor dem Am Anfang ist die Freude groß. Doch mit der Installation der An- 1. Juli 2017 in Betrieb genommen wurden, gilt eine Registrierungsfrist bis lage kommen auf die Betreiber teilweise sehr bürokratische und zum 31. Januar 2021. umständliche Meldepflichten zu. Seit dem 1. Juli 2017 neu in Betrieb genommene Anlagen müssen inner- halb eines Monats registriert werden. Für bereits registrierte Anlagen, die Foto: Eigensonne zwischen dem 1. Juli 2017 und dem 31. Januar 2019 in Betrieb gingen, müs- sen fehlende Daten bis 31. Januar 2021 im Webportal nachgetragen werden. Die Sanktionen bei Verstößen gegen die Meldepflichten richten sich nach Paragraf 52 des EEG. Absatz 3 dieser Regelung sieht vor, dass die EEG- Vergütung in der Regel um 20 Prozent sinkt. Nur dann, wenn der Anlagen- betreiber nicht nur die Meldung im Stammdatenregister versäumt hat, sondern auch die Jahresmeldung beim Netzbetreiber, droht ihm der voll- ständige Entzug der Einspeisevergütung. Rückwirkende Regelung der Sanktionen Die gesetzliche Neuregelung der EEG-Sanktionen wirkt sich auch auf die Vergangenheit aus – und zwar rückwirkend für alle Stromeinspeisungen ab dem 1. August 2014. Die Bestrafung von Meldeverstößen gegenüber der Bundesnetzagentur wurde nämlich vor Inkrafttreten des EEG 2017 wesent- lich härter geahndet. Als die Meldepflicht 2009 eingeführt wurde, wählte der Gesetzgeber ein scharfes Schwert zur Durchsetzung der Norm: die Nullvergütung. Wer ver- säumt hatte, seine Photovoltaikanlage zu melden, dessen Einspeisevergü- tung wurde gestrichen, bis die Meldung bei der Bundesnetzagentur ein- ging. Nach einer Zwischenphase, in der Anlagenbetreibern wenigstens der Marktwert des Solarstroms ausgezahlt wurde, kehrte der Gesetzgeber ab 1. August 2014 wieder zu der alten Sanktion der Nullvergütung zurück. Oft drohte ein Desaster Für EEG-Anlagenbetreiber konnten diese Regelungen ein wirtschaftliches Desaster bedeuten. Oftmals wurde erst nach Jahren bemerkt, dass bei der Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage die Meldung bei der Bundesnetz- agentur vergessen wurde. Erst Jahre später machte der Netzbetreiber den Anlagenbesitzer auf den Fauxpas aufmerksam und forderte gleichzeitig die noch nicht verjährte Einspeisevergütung rückwirkend ein. DER AUTOR Dr. Thomas Binder ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er Foto: privat kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe ei- ner Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netz- betreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen. G https://pv-recht.de/ G: Hier bietet das E-Paper der photovoltaik zusätzliche Informationen und Funktionen an. Infos zum E-Paper: www.photovoltaik.eu/epaper 09 / 2019 photovoltaik
74 MARKT | Beraten & Kaufen Foto: Eigensonne Die Meldepflichten sind vor allem unübersichtlich, wenn es sich um Bestandsanlagen handelt. Denn sie müssen im Internet nachgemeldet werden. Für Anlagenbetreiber konnten bei entsprechender Anlagengröße so auf ei- müssen. Die Richter des BGH lehnten selbst eine Entschädigung in Höhe nen Schlag sechsstellige Beträge verloren gehen. Nicht selten konnten Kre- des Marktwerts für den eingespeisten Strom ab: Wenn das EEG als Strafe dite, die aus der Einspeisevergütung zurückgezahlt werden mussten, nicht Nullvergütung vorsehe, so dürfe der säumige Anlagenbetreiber auch kei- mehr bedient werden. nen Cent für seinen Strom sehen. Kurz gesagt: Es schien so, dass Anlagenbetreiber, die vor Inkrafttreten Der BGH blieb hart des EEG 2017 versäumt hatten, die Photovoltaikanlage bei der Bundesnetz- Das Vorgehen der Netzbetreiber sorgte zwar für Empörung bis in den Bun- agentur anzumelden, in den sauren Apfel beißen und die Einspeisevergü- destag hinein. Die Rechtsprechung aber billigte über lange Jahre hinweg tung bis zu ihrer Meldung zurückzahlen müssen. die Rückforderungspraxis der Netzbetreiber. Noch mit Urteil vom 5. Juli 2017 (Aktenzeichen VIII ZR 147/16) und Be- Der Wind hat sich gedreht schluss vom 20. März 2018 (VIII ZR 71/17) wies der Bundesgerichtshof alle Ar- Aber der Wind hat sich dank des EEG 2017 und nachfolgender Gesetzesän- gumente zurück, die sich gegen die vollständige Rückforderung der Ein- derungen wieder gedreht: Wer Rückzahlungsforderungen von Netzbetrei- speisevergütung richteten. bern ausgesetzt war oder ist, kann wieder Hoffnung schöpfen. Die Rückforderung sei weder unverhältnismäßig, noch hätte der Netz- Zunächst trug der Gesetzgeber selbst zu dieser Situation bei. Die in Para- betreiber den Anlagenbetreiber auf die Meldepflicht aufmerksam machen graf 52 Absatz 3 des EEG 2017 vorgesehene Milderung der Sanktion, wonach Inserentenverzeichnis photovoltaik 09/2019 ABB Solar GmbH U4 Meteotest 51 Aixam Deutschland 23 Mounting Systems GmbH 59 Alfons W. Gentner Verlag GmbH & Co. KG U2, U3 My-PV GmbH 25 Axsun Solar GmbH & Co.KG 43 Powertrust GmbH 39 BSW Bundesverband Solarwirtschaft e.V. 29 Rees Schneefangsysteme GmbH & Co. KG 57 Conexio GmbH 11 Sifatec GmbH & Co. KG 13 Dafi GmbH 17 Sonnen GmbH 9 Jiangsu GoodWe Power Supply Technology Co. Ltd. 7 Troostwijk Veilingen B.V. 41 K2 Systems GmbH 5 Zimmermann PV-Stahlbau GmbH & Co. KG 45 photovoltaik 09 / 2019
75 meldesäumige Anlagenbetreiber im Regelfall nur 20 Prozent der Einspeise- Foto: Eigensonne vergütung zurückzahlen müssen, wurde auf Altfälle ausgedehnt. Wer ohne die Meldung der Anlage an die Bundesnetzagentur nach dem 31. Juli 2014 Strom eingespeist hat, sollte von der Milderung ebenfalls pro- fitieren. Ausgenommen wurden nur Fälle, in denen ein Gericht bereits vor dem 1. Januar 2017 über die Ansprüche entschieden hat. Rückwirkende Teilamnestie Die gesetzgeberische Umsetzung dieser rückwirkenden Teilamnestie war allerdings so mangelhaft, dass der BGH diese Regelung nicht auf Anlagen anwendete, die vor dem 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden. Der Gesetzgeber besserte nochmals nach und stellte im Energiesammelgesetz von Dezember 2018 klar: Auf die mildere Sanktion können sich auch Betrei- ber von Anlagen berufen, die vor dem 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden. Aber wieder sorgte der Gesetzgeber für Verwirrung: Im neu eingeführ- ten Paragrafen 100 Absatz 11 des EEG 2017 steht, dass für Photovoltaikan- lagen, die vor dem 1. Februar 2019 in Betrieb gingen, die Änderungen des Energiesammelgesetzes nicht gelten sollen. Dies steht im Widerspruch zum Zweck der eben eingeführten Klarstellung. Die Clearingstelle EEG/KWKG vertritt mit Schiedsspruch 2009/11 vom 13. Mai 2019 die Auffassung, dass diese Regelung so zu lesen ist, dass sie nur Anlagen betrifft, die ab dem 1. Januar 2017 in Betrieb genommen wurden. Nach Überzeugung der Clearingstelle ist das EEG daher so zu lesen, dass versäumte Meldungen bei der Bundesnetzagentur nur zu 20-prozentiger Vergütungskürzung führen, wenn die Jahresmeldung beim Netzbetreiber rechtzeitig abgegeben wurde. Dies gelte auch für Photovoltaikanlagen, die vor 1. August 2014 in Betrieb genommen wurden. Hin und Her der Behörden Als ob das Hin und Her zwischen Bundesgerichtshof, Clearingstelle und Ge- setzgeber nicht schon schwierig genug wäre, hat ein Urteil des Oberlandes- gerichts Hamm vom 10. Mai 2019 (30 U 425/18) die Lage noch komplizier- Immerhin: Das elektronische Marktstammdatenregister steht. Allerdings ist die ter gemacht. Anmeldung einer Anlage nicht ganz einfach. Nachdem sich das Gericht durch die Übergangsregelungen verschie- dener Ausführungen des EEG gekämpft hatte, stellte es lapidar fest, dass Betreiber von Photovoltaikanlagen, die vor dem 1. Januar 2012 in Betrieb gen können. Voraussetzung ist, dass sich die Rückzahlung auf den Zeitraum genommen wurden, für Einspeisungen ab dem 1. August 2014 bei Melde- ab dem 1. August 2014 erstreckte. Betroffene Anlagenbetreiber sollten nicht verstößen nicht mehr belangt werden könnten. darauf vertrauen, dass der Netzbetreiber automatisch die Rückzahlungen Bereits das Landgericht Memmingen hatte so entschieden (Urteil vom korrigiert, sondern selbst aktiv werden. 1. Februar 2019, 33 O 732/18). Der Gesetzgeber hat es nach Ansicht der Rich- ter versäumt, für diese Photovoltaikanlagen eine Übergangsbestimmung Möglicherweise Geld zurückfordern zu schaffen, die versäumte Meldungen bei der Bundesnetzagentur sankti- Noch besser könnte es für Anlagenbetreiber mit Anlagen stehen, die vor oniert. Die Konsequenz nach Auffassung der Richter: volle Einspeisevergü- dem 1. Januar 2012 in Betrieb gingen. Haben sie Einspeisevergütung zurück- tung auch ohne Meldung an die Bundesnetzagentur. Zu den Übergangs- gezahlt, weil die Anlage nicht bei der Bundesnetzagentur gemeldet wurde, regelungen im EEG hat das Gericht nicht Stellung genommen. Das OLG so ist es sogar möglich, über die Argumentation des OLG Hamm aus dem Hamm hat allerdings die Revision gegen sein Urteil vor dem Bundesge- Urteil vom 10. Mai 2019 die vollständige Zahlung der Einspeisevergütung zu richtshof zugelassen. erreichen. Voraussetzung ist auch hier, dass es um die Vergütung von Ein- speisung geht, die nach dem 1. August 2014 erfolgte. Den Schaden minimieren Für betroffene Investoren ist das alles kaum mehr nachzuvollziehen. Ent- Die Lage bleibt zwar undurchsichtig, aber die betroffenen Solarstromer- scheidend aber ist, dass es gelingen könnte, die unverhältnismäßige Strei- zeuger können zumindest Hoffnung schöpfen, ihren Schaden zu minimie- chung der Einspeisevergütung für eine einzige Meldepflichtverletzung in ren. Alle Betreiber von Photovoltaikanlagen, die vor dem 1. Januar 2017 in manchen Fällen zu korrigieren. Da die Sachverhalte der Rückzahlung teil- Betrieb genommen wurden und aufgrund einer versäumten Meldung ih- weise schon Jahre zurückliegen, ist allerdings schnelles Handeln zu emp- rer Photovoltaikanlage bei der Bundesnetzagentur die volle Einspeisever- fehlen, um eine Verjährung bestehender Ansprüche zu verhindern. • gütung an den Netzbetreiber zurückbezahlt haben, sollten prüfen, ob sie ihre Einspeisevergütung im Umfang von 80 Prozent wieder zurückverlan- G www.marktstammdatenregister.de G: Hier bietet das E-Paper der photovoltaik zusätzliche Informationen und Funktionen an. Infos zum E-Paper: www.photovoltaik.eu/epaper 09 / 2019 photovoltaik
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