Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021

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Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der
Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten
3. Amtsjahr April 2020 – April 2021
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021
Inhalt
Vorwort des Beauftragten                                                                     5
Lebenslauf von Prof. Dr. Bernd Fabritius, MdB                                                6
I. Die Arbeit des Beauftragten unter ­Pandemie-Bedingungen                                  7
II. Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler                                              10
    1. Politische Vertretung im Bereich der Aus­siedler und Spätaussiedler                 10
    2. Vorsitz im Beirat für Spätaussiedlerfragen                                           15
    3. A nsprechpartner für Selbstorganisationen der Vertriebenen und (Spät-)Aussiedler    16
    4. Vertriebenenpolitik                                                                  17
    5. Kriegsfolgenrecht                                                                    20

III. Deutsche Minderheiten im Ausland                                                       24
    1. Deutsche Minderheiten in Staaten der ehemaligen Sowjetunion                          26
         1.1. D
               eutsche Minderheit in der Russischen Föderation                             28
         1.2. D
               eutsche Minderheit in der Republik Kasachstan                               29
         1.3. Deutsche Minderheit in der Ukraine                                            31
         1.4. Deutsche Minderheit in der Kirgisischen Republik                             33
         1.5. Deutsche Minderheit in der Republik U
                                                   ­ sbekistan                              34
         1.6. Deutsche Minderheit im Baltikum                                               35
         1.7. Deutsche Minderheit in Georgien                                               36
    2. Deutsche Minderheiten in Europa                                                      36
         2.1. Deutsche Minderheit in Ungarn                                                 37
         2.2. Deutsche Minderheit in Polen                                                  37
         2.3. Deutsche Minderheit in Rumänien                                               39
         2.4. Deutsche Minderheit in anderen Staaten Mittelost- und Südosteuropas          42
         2.5. Königreich Dänemark                                                           44
IV. N
     ationale Minderheiten in Deutschland und Sprachgruppe Niederdeutsch                   46
    1. Dänische Minderheit                                                                  48
    2. Friesische Volksgruppe                                                               50
    3. Sorbisches Volk                                                                      52
    4. Deutsche Sinti und Roma                                                              55
    5. Regionalsprache Niederdeutsch                                                        59

Impressum                                                                                   62
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021
4   TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                        5

Vorwort des Beauftragten

Mit diesem Bericht informiere ich über meine Tätig-      ihrer deutschen Muttersprache und ihres tradierten
keit in meinem dritten Amtsjahr als Beauftragter der     Brauchtums gehört neben der zwischenstaatlichen
Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale       politischen Interessenvertretung zu meinen Haupt-
Minderheiten. Im gesamten Berichtszeitraum ist           aufgaben. Für die Minderheiten ist ein lebendiger
meine Tätigkeit als Bundesbeauftragter stark von der     Austausch untereinander unverzichtbar, um ihre kul-
weltweiten COVID-19-Pandemie geprägt.                    turelle Selbstverortung zu leben und an die nächste
                                                         Generation weiterzugeben. Die COVID-19-bedingten
Als Bundesbeauftragter bin ich für die Anliegen und      Einschränkungen, beispielsweise Reise- und Präsenz-
Politikbereiche von drei unterschiedlichen Personen-     veranstaltungsverbote, treffen die deutschen Minder-
kreisen zuständig: für die Vertriebenen, Aussiedler      heiten daher besonders hart. Als Beauftragter war es
und Spätaussiedler, für die deutschen Minderheiten       mir wichtig, die Minderheiten darin zu unterstützen,
im Ausland und für die vier anerkannten nationalen       ihre Projektarbeit auch unter COVID-19-Bedingun-
Minderheiten in Deutschland sowie die Sprecher-          gen aufrechtzuerhalten. Über das Ergebnis dieser
gruppe Niederdeutsch.                                    erfolgreichen Anstrengungen und über beispielhafte
                                                         Projekte informiere ich auf den nachfolgenden Seiten.
In der Aussiedler- und Vertriebenenpolitik konnte ich
den Abschluss der kriegsfolgenrechtlichen Anerken-       Ähnlich einschneidend ist die COVID-19-Situation
nungsleistung für die zivilen deutschen Zwangsarbei-     für die in Deutschland traditionell beheimateten
ter mit einer symbolischen Aushändigung der letzten      nationalen Minderheiten: für die dänische Minder-
beiden Bescheide an ein betroffenes Ehepaar mar-         heit, für die friesische Volksgruppe, für das sorbische
kieren. Damit wurde ein wesentliches Anliegen der        Volk und für die deutschen Sinti und Roma, aber auch
Vertriebenenverbände und Betroffenen erfolgreich         für die Sprecher der Regionalsprache Niederdeutsch.
zu Ende gebracht. Von großer aussiedlerpolitischer       Hier konnte die Minderheitenarbeit in den Beraten-
Dringlichkeit ist für mich auch im dritten Amtsjahr      den Ausschüssen, deren Vorsitz ich als Beauftragter
die Beendigung der personenkreisspezifischen Be-         führe, durch digitale Formate uneingeschränkt
nachteiligungen im Rentenrecht für Aussiedler und        fortgeführt werden. Zudem ist es den Minderheiten
Spätaussiedler. Als Beauftragter habe ich mich dafür     gelungen, durch vielfältige, z. B. digitale Projektideen,
eingesetzt, auch diese Personenkreise bei der Aus-       die ich mit Nachdruck unterstützt habe, ihre eigene
gestaltung der sog. Grundrente zu berücksichtigen.       sprachliche, kulturelle und geschichtliche Identität
Gleichwohl sind damit noch nicht alle rentenrecht-       zu befördern. Auch darüber möchte ich nachfolgend
lichen Benachteiligungen dieses Personenkreises          informieren.
beseitigt. Deshalb setze ich mich in allen politischen
Verhandlungen, bei denen ich als Beauftragter der        Es ist mein Wunsch, Sie mit meinem Bericht nicht nur
Bundesregierung für Aussiedlerfragen beteiligt bin,      über die vielfältige Aussiedler- und Minderheitenar-
für eine flankierende fremdrentenrechtliche Lösung       beit des Beauftragten zu informieren, sondern auch
ein. Bei den derzeit andauernden Ressortbesprechun-      Ihre Begeisterung für den unschätzbaren Reichtum
gen um einen sog. „Härtefallfonds“ trete ich dafür       zu wecken, der in der sprachlichen, geschichtlichen
ein, dass Aussiedler und Spätaussiedler angemessen       und kulturellen Identität der von mir als Vertreter der
berücksichtigt werden und die bestehende soziale         Bundesregierung betreuten Personenkreise liegt.
Ungerechtigkeit nicht durch eine schlechte Fonds-­
Lösung zementiert wird. Hier bleibt noch einiges bis
zum Ende der Legislaturperiode zu tun.                   Ihr

Als Beauftragter bin ich auch für die Anliegen der
deutschen Volkszugehörigen in den Staaten der ehe-
maligen Sowjetunion und in Europa, vor allem in den
Staaten Mittelost- und Südosteuropas, verantwortlich.
Die Förderung ihrer eigenen kulturellen Identität,       Prof. Dr. Bernd Fabritius
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Lebenslauf von Prof. Dr. Bernd Fabritius, MdB

Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für
Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

■   Prof. Dr. Bernd Fabritius wurde am 14. Mai 1965 im            ■   Von 2007 bis März 2014 war Prof. Dr. Bernd Fabriti-
    siebenbürgischen Agnetheln (Rumänisch: Agnita)                    us Bundesvorsitzender des Verbandes der Sieben­
    geboren und siedelte 1984 gemeinsam mit Eltern                    bürger Sachsen in Deutschland e. V. sowie Präsi-
    und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutsch-                   dent der weltweiten Föderation der Siebenbürger
    land aus.                                                         Sachsen. Seit 2010 Vi­ze­prä­si­dent des Bundes der
                                                                      Vertriebenen, wurde er 2014 zu dessen Präsident
■   Nach dem Studium der „Staatlichen Sozialwissen-                   gewählt.
    schaft“ an der Bayerischen Beamtenfachhoch-
    schule Hof wurde er als Beamter in den Dienst des             ■   Seit 2010 ist Prof. Dr. Bernd Fabritius stellvertreten-
    Freistaates Bayern übernommen und im Bereich                      der Landesvorsitzender der Union der Vertriebenen
    der Landesversicherungsanstalt Oberbayern (LVA)                   und Aussiedler der CSU und stellvertretender Vor-
    eingesetzt.                                                       sitzender des Bundesvorstands der Ost- und Mittel­
                                                                      deutsche Vereinigung von CDU und CSU. Von 2013
■   Neben dieser Tätigkeit studierte er Politikwissen-                bis 2017 gehörte er dem Deutschen Bundestag
    schaften an der Hochschule für Politik München.                   an. Am 11. April 2018 wurde er auf Vorschlag des
    Nach Abschluss dieses Studiums 1991 ließ er sich                  Bundes­m inisters des Innern vom Bundeskabinett
    als gerichtlich zugelassener Rentenberater (Sozial-               als Beauftragter der Bundesregierung für Aussied-
    rechtsbeistand) nieder.                                           lerfragen und natio­nale Minderheiten berufen.

■    Von 1991 bis 1994 studierte er Rechtswissenschaft            ■   Seit 22.März 2021 ist Bernd Fabritius Mitglied des
    an der Ludwig-Maximilians-Universität München                     Deutschen Bundestages.
    und legte das I. Staatsexamen ab, 1996 absolvierte
    er das II. Staatsexamen. 2003 wurde er in einem
    Kooperationsverfahren der Universitäten Tübin-
    gen und Hermannstadt (Sibiu) im Europäischen
    ­Verwaltungsprozessrecht promoviert. Seit 1997 ist
     er als Rechtsanwalt zugelassen.
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TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                         7

I. Die Arbeit des Beauftragten unter
   P
   ­ andemie-Bedingungen
Im Berichtszeitraum war die Tätigkeit des Beauftrag-      den durch den Beauftragten betreuten Personen­
ten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten       kreisen ihre A­ nliegen direkt und unkompliziert
sehr stark durch die weltweite COVID-19-Pandemie          vortragen konnten. Beispielsweise meldete sich aus
geprägt. Eine Vielzahl von Veranstaltungen ist aus-       dem westsibirischen Omsk, wo noch heute rund
gefallen oder wurde in den digitalen Raum verlegt;        50.000 Russlanddeutsche leben, eine Anruferin und
Reisen, insbesondere zu den deutschen Minderheiten        ­schilderte die besonderen Herausforderungen des
in Ost- und Mitteleuropa und den Staaten der ehe-          Lebens der Deutschen in der sibirischen Diaspora-
maligen Sowjetunion, waren aufgrund der allgemei-          situation in Zeiten der Pandemie und erkundigte sich
nen Reisebeschränkungen nur in Ausnahmefällen              danach, ob die sozialen Hilfen der Bundesregierung
möglich. Die Pflege der persönlichen Kontakte des          trotz der aktuellen Krisensituation weiter geleistet
Beauftragten zu den heimatverbliebenen Deutschen           werden können. Der Bundesbeauftragte versicherte,
und ihren Interessenvertretern ist von großer Wich-        dass die Maßnahmen der Bundesregierung für alle
tigkeit für die Arbeit des Beauftragten, der sich durch    in den Aussiedlungsgebieten verbliebenen Deutschen
seine Reisetätigkeit und persönliche Begegnungen ein       ohne Einschränkungen aufrechterhalten und auch
authentisches Bild vom Leben und der Situation der         künftig umgesetzt werden. Des Weiteren bekunde-
deutschen Minderheiten vor Ort machen kann und             ten mehrere hoch­be­tagte Anrufer ihre Dankbarkeit
dort als Ansprechpartner der Bundesregierung für           für die Anerkennung ihres kriegsfolgenbedingten
unsere Landsleute erreichbar ist.                          Schicksals durch die Leistung nach der sogenannten
                                                           „ADZ-Richtlinie“. Andere Anrufer stellten Fragen zur
Um den unmittelbaren Kontakt mit den Heimatver-            Bekämpfung des Antiziganismus, zur besonderen
bliebenen, aber auch mit Spätaussiedlern und Ange-         Situation der Altersversorgung von Aussiedlern und
hörigen der nationalen Minderheiten in Deutschland         Spätaussiedlern oder zu den derzeitigen Einreise-
trotz Reisebeschränkungen aufrechtzuerhalten, hat          möglichkeiten für Spätaussiedler, die bereits einen
Bundesbeauftragter Fabritius mehrere Telefon-              gültigen Aufnahmebescheid erhalten haben.
sprechstunden eingerichtet, in denen Bürger aus

Beauftragter Fabritius im Gespräch
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75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

Das Jahr 2020 ist im Zusammenhang mit dem                 Im neu geordneten Osteuropa litten die Heimat­
75. J­ ahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges für     verbliebenen noch Jahrzehnte nach dem Krieg unter
den Beauftragten der Bundesregierung für Aussied-         Stigmatisierung und Ausgrenzung. Der Vorwurf der
lerfragen und nationale Minderheiten von großer           Kollaboration und vielfache Ausgrenzungen zersetz-
erinnerungskultureller Bedeutung.                         ten die Beziehungen zu Angehörigen der jeweiligen
                                                          Mehrheitsgesellschaften, zu Nachbarn und vormali-
Beauftragter Fabritius erinnert zum 75. Jahrestag des     gen Freunden. In vielen Ländern wurde der Gebrauch
Kriegsendes an das Leid der Heimatvertriebenen und        der deutschen Sprache verboten oder anderweitig ein-
Heimatverbliebenen:                                       geschränkt. Die Folgen davon wirken auch heute noch
                                                          in den deutschen Gemeinschaften in Mittel- und Ost-
„Es ist nun 75 Jahre her, dass der furchtbringende Ter-   europa sowie den Staaten der früheren Sowjetunion
ror des nationalsozialistischen Regimes in Deutsch-       spürbar nach, kulturelle Identität ist in Bedrängnis.
land, Europa und der Welt beendet wurde. Unvorstell-      Beschädigte Sprachkompetenz muss mühsam wieder-
bare Verbrechen wurden sowohl an die im Namen             aufgebaut werden.
Deutschlands begangen. Die Erinnerung sowohl an
die Shoa als auch an die Verfolgung und Er­mordung        Erstaunlich und bemerkenswert ist, dass die Heimat-
anderer gesellschaftlicher Gruppen – ich erinnere         vertriebenen bereits 1950, von Anfang an, in ihrer
beispielsweise an die barbarische Verfolgung der          „Charta der Heimatvertriebenen“ den Kreislauf von
Sinti und Roma in ganz Europa mit geschätzt 500.000       Rache und Vergeltung unterbrochen und stattdessen
Todesopfern - muss fortwährende Bemühung von              den Blick nach vorn auf ein versöhntes und geeintes
Politik und Gesellschaft in Deutschland sein.             Europa richteten. Die „Charta der Heimatvertriebe-
                                                          nen“ ist eines der bedeutendsten Gründungsdoku-
Für die Millionen deutscher Vertriebenen, Flücht-         mente der jungen Bundesrepublik und ein beacht­
linge, Deportierten, aber auch für die Heimatverblie-     liches Manifest zukunftsweisender Friedensarbeit
benen bleibt das Ende des Zweiten Weltkrieges neben       und europäischer Verständigung.
seiner vielfach befreienden Wirkung leider auch im-
mer schmerzhaft mit der Erinnerung an Flucht und          Die Bundesregierung bekennt sich uneingeschränkt
Vertreibung, an Deportation und Zwangsumsiedlung,         zum besonderen Kriegsfolgenschicksal der deutschen
an Verfolgung, Entrechtung und Diskriminierung            Heimatvertriebenen und Heimatverbliebenen und
verbunden. Als Reaktion auf die Verbrechen des Hit-       zur Einstandspflicht Deutschlands dafür.
ler-Regimes wurden sie allein wegen ihrer ethnischen
Zugehörigkeit kollektiv in die Verantwortung für das      Bis heute kommt die Bundesrepublik Deutschland mit
begangene Unrecht der Nationalsozialisten genom-          der Aufnahme und Wiederbeheimatung von Aussied-
men. Menschheitsverbrechen folgte auf Menschheits-        lern und Spätaussiedlern, aber auch mittels der identi-
verbrechen. Unrecht folgte auf Unrecht.                   tätsstiftenden Förderung der in ihren traditionellen
                                                          Siedlungsgebieten verbliebenen deutschen Minder-
Millionen Deutsche verloren ihre Heimat und Vieles,       heiten ihrer Verantwortung für ihr besonderes Kriegs-
was Heimat ausmacht. Millionen Deutsche kamen             folgenschicksal nach. Ein besonderes Augenmerk liegt
während der ethnischen Säuberungen ums Leben.             hierbei auf der Sicherung muttersprachlicher Kompe-
                                                          tenz, auf einer zukunftsorientierten Jugend­arbeit sowie
                                                          auf einer Stärkung der Brückenfunktion.
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TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                        9

75 Jahre nach Kriegsende befinden wir uns in einer      Gelingt dies generationenübergreifend, liegt darin
Zeit des Übergangs. Es leben nur noch wenige Zeit-      auch ein Sieg über das damalige Nachkriegsunrecht:
zeugen, die uns von diesen historischen Ereignissen     Wo immer heute russlanddeutsches Plautdietsch
berichten können. Ohne persönlichen Bezug droht         oder siebenbürgisch-sächsischer Dialekt gespro-
Geschichte zu verblassen. Das Unrecht der Nach-         chen, L­ ieder aus Schlesien gesungen oder b­ öhmische
kriegsgeschichte, die ethnischen Säuberungen, Flucht    Spezia­litäten zubereitet werden, wird d
                                                                                               ­ ieser
und Vertreibung der Deutschen sowie ihre Entrech-       Unrechts­geschichte etwas entgegengehalten und an
tung, Ausgrenzung und Kollektivdiskriminierung in       einem Europa des Friedens, der Verständigung und
den Staaten des Ostblocks dürfen keine Randnotizen      der kulturellen Vielfalt gebaut. Und auch das Fort­
der Geschichte werden. Daher rufe ich dazu auf, die     bestehen der nationalen Minderheit der deutschen
Erinnerung daran mahnend und als Grundlage besse-       Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland,
rer Erkenntnis wachzuhalten. Kultur und Geschichte      für das ich sehr dankbar bin, zeigt, dass die ideolo­
der deutschen Heimatvertriebenen und der Heimat-        gischen Verbrechen des 20. Jahrhunderts nicht das
verbliebenen sind auch 75 Jahre nach Kriegsende         letzte Wort haben werden.“
identitätsstiftender Teil unserer Gesamtgesellschaft.

Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Jahr 1951
Tätigkeitsbericht des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten - Amtsjahr April 2020 - April 2021
10                                                                        TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021

II. Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler

1. Politische Vertretung im Bereich der Aus­            Im Berichtszeitraum stand die Aufnahme von Spät-
   siedler und Spätaussiedler                            aussiedlern unter den Bedingungen der weltweiten
                                                         COVID-19-Pandemie vor besonderen Herausfor-
Mehr als 4,5 Millionen (Spät-)Aussiedler sind seit den   derungen. Die Bundesregierung hat hierbei stets
1950er-Jahren nach dem Bundesvertriebenengesetz in       mit Blick auf die Verantwortung Deutschlands für
der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wor-          das Kriegsfolgenschicksal der Aussiedler und Spät-
den – davon ca. 2,1 Mio. aus den Staaten Osteuropas      aussiedler ihre uneingeschränkte Bereitschaft zur
und ca. 2,4 Mio. aus den Staaten der früheren Sowjet-    Fortsetzung der Aufnahme betont. Der Bundesbeauf-
union. Die Aufnahme und gesellschaftliche Wieder-        tragte konnte somit in gemeinsamer Anstrengung
beheimatung der Aussiedler und Spätaussiedler ist        mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und
Teil der besonderen Verantwortung Deutschlands           Heimat erwirken, dass der Zuzig von Spätaussiedlern
für den Zweiten Weltkrieg und seine unmittelbaren        durch Ausnahmeregelungen möglich blieb und der
Folgen. Dies umfasst auch die Solidarität mit den        Gesundheitsschutz von Spätaussiedlern und Bevölke-
verbliebenen Deutschen in den Aussiedlungsgebie-         rung durch eine gelungene Zusammenarbeit mit den
ten, deren leiderfülltes Schicksal im 20. Jahrhundert    Ländern und Kommunen vor Ort jederzeit gewähr-
durch den Zweiten Weltkrieg geprägt wurde. Nach          leistet war.
einer Hochphase von Zuzügen in den Jahren nach
dem Ende des Ost-West-Konflikts 1989/1990, in denen        Hierzu Beauftragter Fabritius: „Ich bin sehr erfreut,
jährlich Hunderttausende Aussiedler nach Deutsch-          dass es uns gemeinsam gelungen ist, in dieser an-
land zurückkehrten, hat sich die Zahl der zuziehen-        spruchsvollen Zeit das Tor für unsere Landsleute
den Spätaussiedler heute auf wenige Tausend pro Jahr     ­offenzuhalten. Dies hat noch einmal in eindrucks-
stabilisiert.                                            voller Weise gezeigt, dass die Bundesregierung zu
                                                          ­ihren Landsleuten steht und sie auch unter erschwer-
                                                           ten Bedingungen willkommen heißt. Gleichzeitig
                                                           möchte ich auch allen eingereisten und einreisenden
     AUFNAHME VON SPÄTAUSSIEDLERN 2020
                                                           Spätaussiedlern meinen Dank für ihr Verständnis
                                                           bezüglich der Maßnahmen des Gesundheitsschutzes
     Januar                                    418
                                                           aus­sprechen.“
     Februar                                   313
                                                         Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedler-
     März                                      363       fragen und nationale Minderheiten ist für die Aus-
                                                         siedlerpolitik der Bundesregierung zuständig und
     April                                       8
                                                         trägt somit die politische Verantwortung für die
     Mai                                        97       Aufnahme von Spätaussiedlern. Der Beauftragte ini-
                                                         tiiert, begleitet und koordiniert die Aussiedlerpolitik.
     Juni                                      105       Dabei werden vor allem die gesetzlichen Regelungen
     Juli                                      324       des Verfahrens zur Aufnahme von Spätaussiedlern
                                                         und ihrer Angehörigen sowie ihre Ausführung in
     August                                    388       der P
                                                             ­ raxis kontinuierlich evaluiert und gegebenen-
                                                         falls auf Vorschlag des Beauftragten angepasst. Dafür
     September                                 656
                                                         wirbt er im politisch-parlamentarischen Raum.
     Oktober                                   435
                                                         Der Koordination des Aussiedlerzuzugs während
     November                                  528       der COVID-19-Pandemie diente insbesondere die
                                                         gemeinsame Konferenz der Aussiedlerbeauftragten
     Dezember                                  674
                                                         von Bund und Ländern im Juli 2020 in Hannover, die
     Gesamt                                  4.309       auf gemeinsame Einladung des Bundesbeauftragten
                                                         und der Beauftragten des Landes Niedersachsen für
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                                         11

                                                                  stimmung mit den Verantwortlichen vor Ort. Die
                                                                  Einrichtungen zur Transitunterbringung werden als
                                                                 ­Quarantäne-Einrichtungen betrieben; ein Kontakt
                                                                  der eintreffenden P­ ersonen mit dem örtlichen Umfeld
                                                                  ist daher weitgehend ausgeschlossen. Nach Quarantä-
                                                                  ne und Negativtestung erfolgt dann eine Aufnahme
                                                                  im GDL Friedland, wo in wenigen Tagen die Aufnah-
                                                                  meverfahren abgeschlossen werden und die Weiter-
                                                                  reise zum neuen Wohnort in Deutschland möglich ist.
                                                                  Im w­ eiteren Verlauf der COVID-19-Pandemie wurde
                                                                  dieses Verfahren angepasst.

                                                                 Die Beauftragtenkonferenz forderte alle Verantwor-
                                                                 tungsträger in Bund und Ländern auf, bei der Durch-
                                                                 führung der Spätaussiedleraufnahme konstruktiv
                                                                 mitzuwirken.
Beauftragter Fabritius mit den Landesbeauftragten Editha West-
mann (Niedersachsen), Heiko Hendriks (Nordrhein-Westfalen),      Im Oktober 2020 besuchte Beauftragter Fabritius das
Margarete Ziegler-Raschdorf (Hessen) und Mitarbeitern des BMI    GDL Friedland sowie die Transitunterkunft des Bun-
                                                                 des im Hotel „Rosenthaler Hof“ in Duderstadt, über-
                                                                 zeugte sich vor Ort von der Wirksamkeit der Hygie-
Aussiedler und Vertriebene, Editha Westmann, MdL,                nekonzepte und informierte sich über die ­a ktuellen
stattfand. Die Beauftragten dankten den Mitarbeitern             Abläufe im Registrier- und Verteilungs­verfahren für
im Grenzdurchgangslager (GDL) Friedland und allen                ankommende Spätaussiedler.
Verantwortungsträgern von Bund und Ländern, die
notwendige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des
Aussiedlerzuzugs unterstützt haben.

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und
Heimat berichtete in der Konferenz über das Konzept
zur Aufnahme von Spätaussiedlern unter COVID-19-­
Bedingungen. Demnach begeben sich ankommende
Spätaussiedler unmittelbar nach ihrer Einreise in
eine Quarantäne, die nach den Landes-Corona-Ver-
ordnungen generell für Einreisende aus Drittstaa-
ten vorgesehen ist. Aufgrund seiner aus § 8 BVFG
resultierenden Verpflichtung zur Unterbringung
bis zur Registrierung und Verteilung auf die Länder
stellt der Bund eine Transit-Unterbringung (TU)
zur Verfügung, in der in aller Regel eine Testung                Beauftragter Fabritius mit Mitarbeitern des BVA im Grenzdurch-
der eintreffenden Spätaussiedler erfolgt. Zusätzlich             gangslager Friedland
wird eine Testung am Flughafen Frankfurt, an dem
der Großteil der Spätaussiedler in Deutschland an-
kommt, eingerichtet. Für die Unterbringung wurden                Der Bundesbeauftragte stellte hierzu fest: „Die
TU-Plätze in unmittel­barer Nähe des Flughafens                  wenigen Tage in dieser Einrichtung sowie die ersten
Frankfurt, in Braunschweig, in Bad Kissingen, in                 Erfahrungen mit dem sie aufnehmenden Staat prägen
Duderstadt und in Ahrweiler geschaffen. Hierzu                   den gesamten Prozess der Wiederbeheimatung unse-
sind BMI und Bundesverwaltungsamt in enger Ab-                   rer Landsleute. Daraus erwächst allen Beteiligten in
12                                                                                      TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021

Bund und Land eine nicht hoch genug einzuschätzen-                  Spätaussiedler durchzusetzen. Der Bundesbeauftragte
de Verantwortung. Ich danke allen konstruktiv und                   bekräftigte, dass es neben der Berücksichtigung des
mit viel Verständnis für diese gesamtgesellschaftliche              besonderen Kriegsfolgenschicksals auch ein Anliegen
Aufgabe mitwirkenden Entscheidungsträgern für                       der Generationengerechtigkeit sei, die personengrup-
ihren unermüdlichen Einsatz.“                                       penspezifischen Benachteiligungen im Rentenrecht
                                                                    für Spätaussiedler weitgehend zu beseitigen. Dafür
                                                                    seien auch flankierende Anpassungen im Rentenrecht
                                                                    erforderlich.

                                                                    Beauftragter Fabritius dankte dem Bayerischen
                                                                    ­ inisterpräsidenten auch für die verlässliche För-
                                                                    M
                                                                    derung der Kultureinrichtungen der Vertriebenen,
                                                                    Aussiedler und Spätaussiedler im Freistaat Bayern.
                                                                    Jüngstes Beispiel ist hierbei die Eröffnung des Su-
                                                                    detendeutschen Museums in München, das durch
                                                                    seine besonders gelungene Ausgestaltung kultur- und
                                                                    erinnerungspolitische Wirkung weit über die Landes-
                                                                    grenzen hinaus entfaltet.

                                                                    In enger Abstimmung ist Beauftragter Fabritius u. a.
                                                                    mit der Arbeitsgruppe der Vertriebenen, Aussiedler
                                                                    und deutschen Minderheiten der Unionsfraktion im
                                                                    Deutschen Bundestag. Er berichtet regelmäßig in
Beauftragter Fabritius bei der Besichtigung der Transitunterkunft   ihren Sitzungen über aktuelle Themen aus seinem
in Duderstadt                                                       Tätigkeitsbereich. Mit Vertretern der anderen Fraktio-
                                                                    nen im Deutschen Bundestag befindet sich der Beauf-
                                                                    tragte ebenfalls in stetigem Austausch.
Zur Abstimmung und Fortentwicklung der politi-
schen Vorhaben im Bereich Vertriebene, Aussiedler
und Spätaussiedler ist Beauftragter Fabritius mit
hochrangigen Verantwortungsträgern aus Bund,
­Ländern und Kommunen im stetigen Austausch.

So hat im Januar 2021 ein intensiver Austausch
mit dem Ministerpräsidenten des Freistaat Bayern,
Dr. Markus Söder, MdL, stattgefunden. Fabritius
dankte dem Bayerischen Ministerpräsidenten für die
Unterstützung seiner Bemühungen zur Verbesserung
der Rentensituation deutscher Aussiedler und Spät-
aussiedler.

Fabritius berichtete dem Ministerpräsidenten, dass
mit der deutlichen Einbeziehung der Aussiedler
und Spätaussiedler in die ab 1. Januar 2021 geltende
Grundrente ein wichtiger Schritt zur Abschaffung der
Altersarmut unter Spätaussiedlern erfolgt sei. Bei der
derzeit in Ausgestaltung befindlichen Härtefalllösung               Beauftragter Fabritius mit dem Ministerpräsidenten Bayerns,
gelte es, die gerechte Einbeziehung der Aussiedler und              Dr. Markus Söder, MdL
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                                                13

Beauftragter Fabritius mit dem Vorsitzenden der Gruppe der Vertriebenen, Spätaussiedler und deutschen Minderheiten, Eckhard Pols, MdB,
dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, Peter Weiß, MdB, sowie Christoph de Vries, MdB

Soziale Gerechtigkeit
für Aussiedler und Spätaussiedler

In den 1990er-Jahren hatten gesetzliche Änderungen
zu erheblichen Kürzungen von Renten und Renten-
ansprüchen bei Spätaussiedlern geführt. Begründet
wurden diese u. a. durch unterschiedliche Renten-
höhen in Ost- und Westdeutschland. Ihre Anpassung
ist seither zwar erfolgt, die niedrigere Bewertung
der Aussiedlerrenten wurde jedoch beibehalten.
Drohende Altersarmut sowie das Gefühl der Un-
gleichbehandlung und Nichtanerkennung von
Lebensleistung und Kriegsfolgenschicksal rufen im
Personenkreis erhebliches Unrechtsempfinden und
Unverständnis hervor.
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Wichtiger Teilerfolg für Aussiedler und Spätaussiedler im Rentenrecht

Zum 1. Januar 2021 trat das „Gesetz zur Einführung       2022 hinziehen werden. Es ist aber sichergestellt,
der Grundrente für langjährige Versicherte in der        dass die erhöhte Leistung automatisch gezahlt wird,
gesetzlichen Rentenversicherung mit unterdurch-          ohne dass ein eigener Antrag nötig wäre, und dass die
schnittlichen Einkommen und für weitere Maßnah-          Leistung rückwirkend zum Rentenbeginn, frühestens
men zur Erhöhung der Alterseinkommen“ (Grund­            aber zum 1. Januar 2021, nachgezahlt wird.
rentengesetz) in Kraft.
                                                         Rentner, die mindestens 33 Jahre an „Grundrenten-
Mit einem Gesamtpaket an Maßnahmen sollen                zeiten“ (mit mind. 30 % des Durchschnittsverdienstes
Alters­einkünfte langjährig Rentenversicherter ver­      im jeweiligen Jahr) haben, können künftig einen
bessert werden.                                          individuellen Zuschlag zu ihrer Rente erhalten. Hier-
                                                         bei fließen auch die nach dem Fremdrentengesetz
Dadurch werden auch deutliche Verbesserungen im          berücksichtigten Zeiten ein. Im Durchschnitt beträgt
Rentenrecht, in der Grundsicherung und beim Wohn-        der Zuschlag etwa 75 Euro im Monat. Der maximale
geld eingeführt, von denen auch deutsche Aussiedler      Zuschlag zur Rente kann rund 418 Euro monatlich
und Spätaussiedler profitieren können. Dadurch wer-      betragen.
den zum Teil die in den 1990er-Jahren beschlossenen
Rentenkürzungen ausgeglichen.                            Es ist sichergestellt, dass die meisten Aussiedler und
                                                         Spätaussiedler, deren Renten durch die Kürzungen der
Ziel dieses Gesetzes ist es, die Lebensleistung von      1990er-Jahre (40-%-Kürzung, Deckelung auf 25/40 Ent-
Menschen anzuerkennen, die jahrzehntelang mit            geltpunkte) häufig geringer ausfallen, von den Rege-
geringem Verdienst gearbeitet und Pflichtbeiträge        lungen der neuen Grundrente erfasst werden.
zur Rentenversicherung gezahlt haben, wobei die
Arbeitszeiten der Aussiedler und Spätaussiedler in den   Um sicherzustellen, dass nur von Altersarmut
Herkunftsgebieten ausdrücklich in die Regelungen         ­ edrohte Rentner von der Grundrente profitieren,
                                                         b
einbezogen werden. Auch die Erziehung von Kindern        wird eine automatische Einkommensprüfung durch-
und die Pflege von Angehörigen wird berücksichtigt.      geführt, jedoch keine Vermögensprüfung.
Der Koalition ist es ein Anliegen, dass dabei auch die
besonderen Lebenslagen in den neuen Bundeslän-           Ergänzend zu den oben genannten Regelungen sollen
dern sowie der deutschen Aussiedler und Spätaus-         Aussiedler und Spätaussiedler auch in die derzeit in
siedler berücksichtigt werden. Die Grundrente wird       Ausgestaltung befindliche Fondslösung für Härte-
für Bestands- und Neurentner zum 1. Januar 2021          fälle mit Rente in Grundsicherungsnähe einbezogen
eingeführt. Die Umsetzung der neuen Berechnungs-         werden.
programme und die Erteilung der neuen Bescheide
an Berechtigte (geschätzt 1,3 Millionen begünstigte      Mit der Grundrente ist ein wichtiger Teilschritt zur
Personen) stellen die Rentenversicherungsträger vor      Rentengerechtigkeit für Aussiedler und Spätaussiedler
große Herausforderungen, sodass die Erteilung der        getan – auch wenn die punktuelle Rücknahme der
Bescheide und die Auszahlungen ab Sommer 2021            Kürzungen durch eine Änderung des Fremdrenten-
beginnen und sich voraussichtlich bis Ende des Jahres    rechts weiterhin vorrangiges politisches Ziel bleibt.
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                                  15

Gesellschaftliche Wiederbeheimatung und                            Gegenstand des Gesprächs war auch die gewichtige
christliche Selbstverortung                                        Rolle des Deutschen Ordens für die Geschichte der
                                                                   Deutschen in Ost- und Südosteuropa sowie die Wie-
Neben der sozialen Gerechtigkeit liegt dem Aussied-                derbeheimatung der deutschen Heimatvertriebenen.
lerbeauftragten insbesondere die gesellschaftliche                 In Deutschland - nach der Säkularisation existierte
Wiederbeheimatung der Spätaussiedler am Herzen.                    der Orden hier nicht mehr - ist der Deutsche Orden
Das Amtsverständnis ist überkonfessionell, der Beauf-              seit 1945 wieder tätig: So waren es Ordenspriester
tragte unterstützt gleichwohl die religiöse Selbstver-             aus dem Sudetenland, die mit den Vertriebenen nach
ortung der überwiegenden Mehrheit der Spätaussie-                  Deutschland zogen und diese während der ersten
der im Christentum.                                                Jahre in Lagern und mit mobilen Kapellenwagen seel-
                                                                   sorgerisch betreuten.
So empfing Beauftragter Fabritius den Hochmeister
des Deutschen Ordens, Generalabt Frank Bayard, im                  Im Anschluss an das Gespräch besuchten Beauftrag-
September 2020 in Berlin.                                          ter Fabritius und Hochmeister Bayard gemeinsam
                                                                   das im Aufbau befindliche Ausstellungs- und Doku-
                                                                   mentationszentrum der Stiftung Flucht, Vertreibung,
                                                                   Versöhnung im Deutschlandhaus.

                                                                   2. Vorsitz im Beirat für Spätaussiedlerfragen

                                                                   Zentrales Organ der politischen Vertretung in aus-
                                                                   siedlerpolitischen Angelegenheiten ist der Beirat für
                                                                   Spätaussiedlerfragen, der im Jahr 2005 beim Bundes-
                                                                   innenministerium eingerichtet wurde, 16 Mit­glieder
                                                                   aus den Bundesländern sowie gesellschaftliche
                                                                   Organisationen umfasst und die Aufgabe erfüllt, die
                                                                   Bundesregierung sachverständig zu beraten. Der
                                                                   Beirat tagt mindestens einmal jährlich unter Vor-
                                                                   sitz des Bundesbeauftragten. Zu den regelmäßig im
                                                                   Beirat diskutierten Themen gehören beispielsweise
Beauftragter Fabritius mit Hochmeister Frank Bayard, Abteilungs-   Probleme im Aufnahmeverfahren für Spätaussiedler,
leiter Dr. Michael Frehse (BMI) und Dr. Gundula Bavendamm,         die eine Änderung des Bundesvertriebenengesetzes
Direktorin der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung            erfordern, oder Fragen der gesellschaftlichen Wieder-
                                                                   beheimatung der Spätaussiedler.

Im konstruktiven und in freundschaftlicher Atmos­
phäre geführten Gespräch erörterten Fabritius und
Hochmeister Bayard die große Bedeutung des
seel­sorgerischen Engagements der Kirchen für die
Wiederbeheimatung der Vertriebenen, Aussiedler und
Spätaussiedler in Deutschland. Der Bundesbeauftrag-
te dankte den christlichen Kirchen für die Vertriebe-
nenseelsorge der letzten Jahrzehnte und betonte die
bleibende Bedeutung der personenkreisbezogenen
seelsorgerischen Betreuung für das Heimatgefühl und
die kulturelle Verortung der deutschen Heimatver-
bliebenen, die in Zeiten der Entwurzelung „Heimat in
der Kirche“ erlebt und dort Halt gefunden hätten.                  Digitale Sitzung des Beirats für Spätaussiedlerfragen
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Im Dezember 2020 fand unter Leitung des Beauf-                 tragter Fabritius zeigte sich erfreut über die sehr gute
tragten Fabritius die dritte Sitzung in der vierjährigen       Zusammenarbeit mit dem Suchdienst: „Auch mehr
Amtsperiode des Beirates für Spätaussiedlerfragen              als 75 Jahre nach Kriegsende spielt der Suchdienst des
statt. Der Bundesbeauftragte informierte den Beirat            Deutschen Roten Kreuzes bei der Schicksalsklärung
über die Herausforderungen zur Sicherung einer un-             von Angehörigen, die kriegs- oder kriegsfolgen-
beschränkten Zuzugsmöglichkeit für Spätaussiedler              bedingt gesucht werden, noch immer eine wichtige
unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie                    Rolle und ist zudem ein verlässlicher Partner.“
und skizzierte die zum besonderen Schutz der Spät­
aussiedler geschaffenen Quarantäneeinrichtungen.               Bei der Verschleppung der Rumäniendeutschen in
Alle Beiratsmitglieder zeigten sich erfreut, dass die          die Sowjetunion wurden vom Januar 1945 bis zum
Möglichkeit der Einreise für Spätaussiedler dank               Dezember 1949 zwischen 70.000 und 80.000 Men-
­großer Anstrengungen des Bundes, der Länder und der           schen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in die
 Kommunen trotz der COVID-19-Pandemie aufrecht-                Sowjetunion verschleppt, wo sie zu schwerer Zwangs-
 erhalten bleibt. Der Beauftragte betonte ebenfalls bei        arbeit, überwiegend in Bergwerken und in Schwer-
 dieser Gelegenheit, dass sich die Bundesregierung auch        industriebetrieben, gezwungen wurden. Vor Kurzem
 in Pandemiezeiten uneingeschränkt zu ihrer besonde-           hat Rumänien seine Entschädigungszahlungen auch
 ren kriegsfolgenrechtlichen Verantwortung für Spät-           u. a. auf die Kinder der Betroffenen ausgeweitet.
 aussiedler bekennt. Vertreter des BVA betonten, dass
 auch die Erteilung von Aufnahmebescheiden ohne                3. Ansprechpartner für Selbstorganisationen
 Einschränkung fortgesetzt werden konnte.                         der Vertriebenen und (Spät-)Aussiedler

                                                               Schließlich ist der Beauftragte für Aussiedlerfragen
                                                               Ansprechpartner für sämtliche Selbstorganisationen
                                                               der Vertriebenen und (Spät-)Aussiedler. Insbesondere
                                                               steht er mit dem Bund der Vertriebenen, den Aus-
                                                               siedlerverbänden und Landsmannschaften und ihren
                                                               jeweiligen Orts-, Kreis- und Landesgruppen sowie
                                                               ihren Jugend- und Studentenvertretungen in engem
                                                               Austausch.

                                                               Der Beauftragte versteht sich hierbei als Bindeglied
                                                               zwischen Politik und den gesellschaftlichen Orga-
                                                               nisationen, welche die Interessen der Vertriebenen
                                                               und (Spät-)Aussiedler vertreten. Zur Wahrung dieser
Unterlagen des DRK-Suchdienstes zur Dokumentation der Depor-
                                                               Funktion steht der Beauftragte in ständigem Kontakt
tation Deutscher                                               mit Vertretern der genannten Verbände; sie tragen
                                                               ihre Anliegen dem Beauftragten vor und werden in
                                                               die Entwicklung der Aussiedlerpolitik einbezogen.
Der Spätaussiedlerbeirat begrüßte die Bereitschaft des
Deutschen Roten Kreuzes (DRK), bei der Nachweis-               Von großer Wichtigkeit sind die Beziehungen des
führung für Entschädigungszahlungen des rumäni-                Bundesbeauftragten zu den Selbstorganisationen der
schen Staates an Nachkommen der verschleppten Ru-              Aussiedler und Spätaussiedler.
mäniendeutschen mit seiner Expertise behilflich zu
sein. Um Unterstützung hatten die Selbstorganisatio-           Das ist zum einen die Landsmannschaft der Deutschen
nen der Deutschen aus Rumänien gebeten. Der Such-              aus Russland e.V. (LmDR), welche die Interessen von
dienst des DRK hat im Februar 2021 ein Formular zur            2,4 Mio. Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion
Verfügung gestellt, das als Suchauftrag an das DRK             vertritt, die in der Bundesrepublik Deutschland leben.
nach München geschickt werden kann. Bundesbeauf-               Aber auch zum Verband der Siebenbürger Sachsen e. V.,
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                            17

                                                               Die Jugendarbeit der Verbände ist für den Beauftrag-
                                                               ten von herausragender Bedeutung. So war Fabritius
                                                               u. a. Teilnehmer der ersten Internationalen Online-­
                                                               Jugendkonferenz der Jugend-LmDR mit Jugendver-
                                                               tretern aus der Russischen Föderation, der Ukraine,
                                                               Georgien, Usbekistan, Kirgisistan und der Republik
                                                               Moldau. Auch am Forum des Jugend- und Studenten-
                                                               rings der Deutschen aus Russland e.V. (JSDR) nahm
                                                               der Beauftragte teil.

                                                               In beiden Veranstaltungen würdigte der Beauftragte
                                                               den Beitrag der Jugend zur gegenseitigen Verständi-
                                                               gung der Völker sowie zum Friedensdialog und forder-
                                                               te die Jugendvertreter dazu auf, sich gesellschaftlich
                                                               einzubringen. Fabritius: „Es geht darum, Bedingungen
Digitales Grußwort des Beauftragten an das Forum des Jugend-   zu schaffen, die eine gleichberechtigte Teilhabe am
und Studentenrings der Deutschen aus Russland e.V.             wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben erlau-
                                                               ben, das Bewusstsein für die eigene kulturelle Identität
                                                               stärken sowie die politische Partizipation in Deutsch-
zur Landsmannschaft der Banater Schwaben sowie                 land ermöglichen: Aussiedlerpolitik ist Heimatpolitik.“
kleineren Selbstorganisationen unterhält Beauftragter
Fabritius enge Beziehungen.                                    In mehreren Multiplikatorengesprächen, u. a. in
                                                               ­München, in Nürnberg und in Geretsried, informierte
So sprach der Bundesbeauftragte auf Einladung der               der Bundesbeauftragte aktive Mitglieder der Aussied-
LmDR aus Anlass des Jahrestages des sogenannten                 lerverbände zu aktuellen Entwicklungen und beant-
„Stalin-Erlasses“ vom 30.08.1941. Der Bundesbeauf-              wortete Fragen, insbesondere zur Rententhematik.
tragte erinnerte an die Inhumanität der damaligen
staatlichen Repressionen seitens der UdSSR mit                 4. Vertriebenenpolitik
Depor­tationen und harter Zwangsarbeit in sogenann-
 ten „Arbeitsarmeen“, die geschätzt 700.000 Tote zur           Einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeit des Beauf­
 Folge hatten und noch heute im kollektiven Gedächt-           tragten stellt die Vertriebenenpolitik der Bundes­
 nis der Familien nachwirken. Gleichzeitig bekannte            regierung und die Vertretung der Anliegen der Selbst-
er sich ­namens der Bundesregierung zur bleibenden             organisationen der deutschen Heimatvertriebenen
­A nerkennung des besonderen Kriegsfolgenschicksals            dar. Schätzungsweise 14 Millionen Deutsche wurden
 der Russlanddeutschen und forderte die Mehrheits-             kriegs- bzw. kriegsfolgenbedingt Opfer von Flucht,
 gesellschaft dazu auf, sich mit diesem oft vernach­           Vertreibung und Zwangsumsiedlung. In Deutschland
 lässigten Aspekt der deutschen Geschichte auseinan-           haben sich die Heimatvertriebenen nach dem Krieg
 derzusetzen.                                                  in Landsmannschaften und landsmannschaftlichen
                                                               Organisationen zusammengeschlossen, um somit
Die Landsmannschaften sind zum Großteil regional               ein Sprachrohr in die deutsche Politik zu haben und
gegliedert und somit vor Ort verankert. Im Oktober             die Erinnerung an die verlorene Heimat, das Brauch-
2020 sprach Beauftragter Fabritius mit dem Landes-             tum und die Identität zu wahren. Ihre Kultur geben
vorsitzenden der LmDR in Schleswig-Holstein, Viktor            sie fortwährend an ihre Nachkommen weiter, die
Pretzer, und der schleswig-holsteinischen Ministerin           sich weiterhin zur angestammten Heimat bekennen
für Inneres, ländliche Räume und Inte­g ration, Sabine         (sogenannte Bekenntnisgeneration). Die Landsmann-
Sütterlin-Waack, über verstärkte Bemühungen zur                schaften sind heute zudem wichtige Brückenbauer zu
gesellschaftlichen Wiederbehei­matung der Russland-            den außerhalb Deutschlands verbliebenen deutschen
deutschen in ihren neuen Heimatregionen.                       Minderheiten.
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Beflaggung des Bundeskanzleramtes am 70. Jahrestag der Unter­zeichnung der Charta der Heimatvertriebenen

Von herausragender vertriebenenpolitischer Bedeu-                      in Stuttgart-Bad Cannstatt verkündet. Die Charta
tung war im Berichtszeitraum der 70. Jahrestag der                     benennt „Pflichten und Rechte“ der Flüchtlinge und
Unterzeichnung der Charta der Heimatvertriebenen                       Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1949
am 5. August 1950.                                                     die deutschen Ostgebiete und andere Länder Ost- und
                                                                       Südosteuropas verlassen mussten. Zu diesen Pflichten
Aus diesem besonderen Anlass hat Bundesinnen­                          und Rechten zählen vor allem der Verzicht auf Rache
minister Horst Seehofer auf Anregung des Bundes­                       und Vergeltung für die Vertreibung, die Verwirkli-
beauftragten angeordnet, dass bundesweit die                           chung eines geeinten Europas und die Beteiligung am
obersten Bundesbehörden, Behörden ihrer Geschäfts-                     Wiederaufbau Deutschlands und Europas. Darüber
bereiche sowie Körperschaften, Anstalten und Stif-                     hinaus wird ein „Recht auf Heimat“ p
                                                                                                          ­ ostuliert, das als
tungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht von                   ein von „Gott geschenktes Grundrecht der Menschheit“
Bundesbehörden unterstehen, beflaggt werden.                           verstanden wird.

Fabritius würdigt die Charta als Gründungsdokument                     Mit dem 75. Jahrestag der Potsdamer Konferenz jährt
der jungen Bundesrepublik, mit dem sich die rund                       sich ein weiteres wichtiges vertriebenenpolitisches
14 Millionen deutschen Heimatvertriebenen bereits                      Ereignis. Aus diesem Anlass nahm Beauftragter
fünf Jahre nach Kriegsende zu einem friedlichen                        Fabritius an der wissenschaftlichen Tagung „75 Jahre
Europa bekennen und auf jede Rache und Vergeltung                      Potsdamer Konferenz – Friedens-Ordnungen und
für den schmerzlichen Heimatverlust verzichten: „Es                    ethnische Säuberungen in Vergangenheit und Gegen-
freut mich, dass heute mit der bundesweiten Beflag-                    wart“ teil. Veranstalter der Online-Tagung war die
gung die besondere historische Bedeutung der Charta                    Deutsche Gesellschaft e.V. in Projektpartnerschaft mit
der deutschen Heimatvertriebenen vor 70 Jahren und                     dem Bund der Vertriebenen und der Bundesstiftung
ihr wichtiger Beitrag für Deutschland und Europa an-                   zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
erkennend zum Ausdruck gebracht werden.“
                                                                       Fabritius hob in seiner Rede die Auswirkungen her-
Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen wurde                      vor, welche die Potsdamer Konferenz für die deut-
von den Sprechern der Vertriebenenverbände am                          schen Heimatvertriebenen und –verbliebenen, aber
5. August 1950 unterzeichnet und am folgenden Tag                      auch für die gesamte deutsche und europäische Ge-
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                                                 19

sellschaft hatte: „Die Potsdamer Konferenz steht für                    thematisiert. Ihre Zahl nahm nach der Konferenz
denjenigen Aspekt der Neuordnung, der die Welt für                      verstärkt zu. Die Protokolle der Konferenz wurden
viele Jahre tief prägen sollte - den Aspekt der Teilung!                vielfach als Legitimierung des folgenden Vertrei-
Die Potsdamer Beschlüsse besiegelten auf Jahrzehnte                     bungsunrechts kritisiert.
die deutsche Teilung und die Blockkonfrontation in
West und Ost. Für Millionen Menschen führten sie                         Die Kultur der Vertriebenen und (Spät-)Aussiedler
zum Verlust der Heimat und zu einem erzwungenen                          wird auch in den dafür zuständigen und gemäß
Neuanfang in der Fremde. Auch für die Menschen in                        § 96 BVFG im Verantwortungsbereich der Beauf-
der sowjetischen Besatzungszone und Osteuropa gab                        tragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
es einen Neuanfang – allerdings ohne Freiheit und                        geförderten Institutionen erforscht, gepflegt und
Demokratie.“                                                             einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Im
                                                                         Dezember 2020 besuchte Beauftragter Fabritius die
Nach den Konferenzen in Jalta und Teheran kamen                          Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in Bonn,
die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges im Juli 1945                    deren Arbeit zur Förderung der Kultur deutscher
letztmalig auf der Potsdamer Konferenz zusammen,                         Heimatvertriebener, Aussiedler und Spätaussiedler
bevor der Ost-West-Konflikt begann. Das Protokoll                        gemäß Koalitionsvertrag unterstützt wird. Diese
der Konferenz beinhaltet in Artikel XIII die „Überfüh-                  ­Förderung dient dem Erhalt und der Weiterentwick-
rung“ von Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei                      lung dieses wichtigen Teils des gesamtdeutschen
und Ungarn; diese sollte „in ordnungsgemäßer und                         kulturellen Erbes.
humaner Weise“ erfolgen. Der tragischen Lebens-
wirklichkeit entsprach das nicht. Dass längst „wilde                    Im Juli 2020 hat Beauftragter Fabritius an der Eröff-
Vertreibungen“ mit gröbsten Menschenrechtsver­                          nung des Siebenbürgischen Kulturzentrums Schloss
brechen an der Tagesordnung waren, wurde nicht                          Horneck in Gundelsheim am Neckar teilgenommen.

Beauftragter Fabritius u. a. mit Rainer Lehni und Herta Daniel, Bundesvorsitzender und Ehrenvorsitzende der Siebenbürger Sachsen, Hon.-
Prof. Dr. Konrad Gündisch, Vorsitzender des Siebenbürgischen Kultur- und Begegnungszentrums Schloss Horneck, Generalabt Frank Bayard,
Superintendent Wolfgang Rehner, Prof. Andreas Otto Weber, Unterstaatssekretär Thomas Şindilariu sowie Bürgermeisterin Heike Schokatz
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Vor Ort würdigte Bundesbeauftragter Fabritius in An-                   stabs des Sudetendeutschen Museums, sowie Raoul
wesenheit des Hochmeisters des Deutschen Ordens,                       Wirbals, Verwaltungsleiter der Sudetendeutschen
Generalabt Frank Bayard, des Superintendenten der                      Stiftung, besichtigte der Bundesbeauftragte das neu
Steirischen Landeskirche, Mag. Wolfgang Rehner,                        errichtete Museumsgebäude und ließ sich das Kon-
sowie weiterer Ehrengäste und Verantwortungsträ-                       zept für die zukünftige Ausstellung erläutern. Der
ger der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft                        Beauftragte erklärte: „Durch moderne Architektur
in Deutschland, Österreich und Siebenbürgen die                        und ansprechende Museumsgestaltung entsteht mit
besondere Leistung der Siebenbürger Sachsen in aller                   dem Sudetendeutschen Museum ein zentraler Punkt
Welt, die durch ausgeprägten Gemeinschaftssinn und                     sudetendeutschen Lebens in Deutschland, das in der
hohe Spendenbereitschaft den Erwerb des Schlosses                      deutschen und europäischen Museumslandschaft als
Horneck sowie seinen Aus- und Umbau durch den                          Referenz dienen wird. Ich gratuliere zu dem gelunge-
Verein „Siebenbürgisches Kulturzentrum Schloss                         nen Museumskonzept.“
Horneck e.V.“ erst möglich gemacht haben. Beauftrag-
ter Fabritius verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass                   Am 11. Oktober 2020 nahm Beauftragter Fabritius
durch die Erweiterung um das Kultur- und Begeg-                        in Hannover als Vertreter der Bundesregierung am
nungszentrum auf Schloss Horneck bereits vorhande-                     Jahresempfang der Landsmannschaft Schlesien teil.
ne Kultureinrichtungen das immaterielle Kulturgut                      Er überbrachte dem Bundesvorsitzenden der Lands-
der Siebenbürger Sachsen noch wirkungsvoller und                       mannschaft Stephan Rauhut Glückwünsche zum
grenzüberschreitend pflegen und im Bewusstsein der                     70-jährigen Bestehen der Landsmannschaft und
Gesellschaft verankern können. Schloss Horneck solle                   erinnerte an das große Engagement der Schlesier für
so zu einer Stätte der Kulturgutsicherung in all ihren                 den demokratischen und wirtschaftlichen Aufbau des
Dimensionen, der gelebten Tradition und des Dialoges                   Nachkriegsdeutschlands, an ihre eigene landsmann-
werden.                                                                schaftliche Identität und ihre wichtige Brückenfunk-
                                                                       tion zum Nachbarland Polen.
Im Juni 2020 besuchte Beauftragter Fabritius das
kurz vor der Eröffnung stehende Sudetendeutsche                        Im Rahmen seiner Zuständigkeit für Vertriebenen-
Museum in München. Gemeinsam mit Dr. Ortfried                          politik nimmt der Bundesbeauftragte regelmäßig
Kotzian, Vorstandsvorsitzender der Sudetendeut-                        an wissenschaftlichen Tagungen zur Geschichte der
schen Stiftung e.V., Steffen Hörtler, stellvertretender                Heimatvertriebenen teil und verfasst Namensartikel
Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Lands-                         im Rahmen wissenschaftlicher Studien oder anderer
mannschaft, Dr. Michael Henker, Leiter des Planungs-                   Fachpublikationen. Beispielhaft erschien sein Beitrag
                                                                       „Weh dem, der keine Heimat hat“ in „Politische Stu-
                                                                       dien – Band 493/2020“ der Hanns-Seidel-Stiftung.

                                                                       5. Kriegsfolgenrecht

                                                                       Im Bereich der Vertriebenenpolitik gehört die soge-
                                                                       nannte kriegsfolgenrechtliche Anerkennungsleistung
                                                                       für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter (ADZ) zu den
                                                                       wichtigsten vertriebenenpolitischen Erfolgen der ver-
                                                                       gangenen Jahre.

                                                                       Im November 2015 hatte der Deutsche Bundestag
Beauftragter Fabritius beim Rundgang durch das Museum mit              beschlossen, das persönliche Schicksal derjenigen
(v. l. n. r.) Raoul Wirbals, Verwaltungsleiter der Sudeten­deutschen
                                                                       Deutschen, die als Zivilisten aufgrund ihrer deut-
Stiftung, Dr. Michael Henker, Leiter des Planungsstabs des
­Sudetendeutschen Museums, Steffen Hörtler, stv. Bundesvorsit-         schen Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit
zender der Sudetendeutschen Landsmannschaft, sowie Dr. Ortfried        während oder nach dem Zweiten Weltkrieg für eine
Kotzian, Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung           ausländische Macht Zwangsarbeit leisten mussten,
TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021                                                                                             21

Beauftragter Fabritius mit dem ADZ-Beirat und Abteilungsleiter Frehse (BMI) bei der symbolischen Übergabe des letzten Anerkennungs­
bescheides an betroffene Zwangsarbeiter im September 2020

mit einer einmaligen symbolischen Anerkennungs-                         Insgesamt wurden 83 % der Anträge positiv beschie-
leistung in Höhe von 2.500 Euro zu würdigen. Im                         den. Die meisten Ablehnungen mussten wegen Über-
Bundesinnenministerium wurde in enger Koopera-                          schreiten der zweijährigen Antragsfrist ausgespro-
tion mit Vertriebenenverbänden und Fachhistorikern                      chen werden. Die Mehrzahl der Antragsteller lebt im
die sogenannte ADZ-Richtlinie entworfen, die nach                       heutigen Bundesgebiet; die Zahl der Frauen überwiegt
Zustimmung durch den Haushaltsausschuss des                             deutlich. Insgesamt wurden Anerkennungsleistungen
Deutschen Bundestages zum 1. August 2016 in Kraft                       in Höhe von 97 Millionen Euro gewährt.
trat.
                                                                        Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedler-
Mit großer Empathie für das besonders schwere                           fragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd
Schicksal der Betroffenen hat das für die Bearbei-                      Fabritius, war in seinem Ehrenamt als Präsident des
tung der Anträge zuständige Bundesverwaltungsamt                        Bundes der Vertriebenen und als Abgeordneter des
(BVA) die rund 47.000 Anträge innerhalb von etwa                        Deutschen Bundestages politischer Mitinitiator der
vier Jahren bearbeitet. Besondere Eile bei der Antrags­                 Zwangsarbeiterentschädigung und hat nach seinem
bearbeitung war aufgrund des hohen Alters der An-                       Amtsantritt als Bundesbeauftragter den Vollzug der
tragsteller geboten: Etwa 90 % der Antragsteller waren                  Richtlinie und das Anerkennungsverfahren intensiv
80 Jahre und älter. Es wurden über 54.000 Anfragen                      politisch begleitet.
und Ersuchen nach Hilfe bei der Antragsstellung
im zuständigen BVA verzeichnet. Am 14. September                        Beauftragter Fabritius: „Die Entschädigung für zivile
2020 konnten letztlich symbolisch die beiden letzten                    Zwangsarbeiter war niemals als Kompensation des
Anerkennungsbescheide an ein betroffenes Ehepaar                        schweren Schicksals der zivilen Zwangsarbeiter
ausgehändigt werden.                                                    ­gedacht. Die Kompensation eines solchen Bio­gra­fie­­-
22                                                                                     TÄT IGKEI TSBER ICHT | APR IL 2020 – 2021

                                                                    erleben mussten. Auch in meiner Familie gab es solche
                                                                    Fälle und mir ist bewusst, wie bleischwer sich solche
                                                                    Erfahrungen auf das weitere Leben legen können. Für
                                                                    die unermessliche Geduld aller Betroffenen – die Ent-
                                                                    schädigungsleistung wurde teilweise mehr als 75 ­Jahre
                                                                    nach den anzuerkennenden Verfolgungen g­ ewährt
                                                                    – möchte ich diesen im Namen der Bundesregierung
                                                                    meinen tief empfundenen Dank au­ssprechen!

                                                                     Ich setze mich künftig dafür ein, dass die vielen ein-
                                                                     gereichten Dokumente und Schilderungen der zivilen
                                                                     Zwangsarbeit, die in den Akten des BVA enthalten
Prof. Dr. Fabritius bei der Übergabe des ersten symbolischen An-     sind, als Zeitzeugendokumente in angemessener
erkennungsbescheides an Elisabeth Till im September 2016 mit dem
                                                                     ­Weise aufbewahrt und für Wissenschaft und For-
damaligen Beauftragten Hartmut Koschyk, MdB, dem Vorsitzenden
der Gruppe der Aussiedler, Vertriebenen und deutschen Minder-         schung zugänglich gemacht werden. So soll dieses
heiten der Unionsfraktion, Klaus Brähmig, MdB, sowie Mitarbeitern     dokumentarische Vermächtnis kommenden Gene-
des BVA und des BMI                                                   rationen als mahnendes Zeugnis für das Unrecht der
                                                                      Zwangsarbeit dienen und hoffentlich einen B ­ eitrag
bruchs wäre gar nicht möglich gewesen. Vielmehr                       dazu leisten, dass sich Derartiges in Zukunft nie
sollte sie eine Anerkennung des Sonderopfers seitens                ­w ieder ereignet.“
der Bundesrepublik Deutschland und somit einen Bei-
trag zur Versöhnung der Betroffenen mit dem eigenen
Schicksal darstellen. Vielen war diese A
                                       ­ nerkennung
wichtiger als der bescheidene Betrag der Anerken-
nungsleistung. Die unerwartet hohe Zahl der An­
trag­stel­lungen und bewilligten Anträge belegt, dass
derartige zivile Zwangsarbeit leider ein verbreitetes
Phänomen war und es dieser Anerkennungsleistung
eindeutig bedurfte. Dadurch wurde dieser Opferkreis
auch in den Blickpunkt unserer Gesellschaft gerückt.

Es gebührt all jenen Dank, die mit langem Atem und
viel Engagement an der Entstehung der sogenannten
ADZ-Richtlinie beteiligt waren, darunter insbeson-
dere den Vertriebenenverbänden, der Gruppe der
Vertriebenen, Aussiedler und deutsche Minderheiten
in der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
und den fachkundigen Mitarbeitern des Bundesmi-
nisteriums des Innern für Bau und Heimat. Auch den
Mitarbeitern des BVA, die mit außergewöhnlich hoher
Empathie und Ressourceneinsatz die vielen Anträge,
Anrufe und Fragen hoch­be­tagter Menschen ent-
gegengenommen haben, gebührt mein großer Dank.

Am meisten jedoch möchte ich mich bei den vielen
Betroffenen bedanken: Sie haben teilweise nach Jahr-                ADZ-Projektgruppenleiterin Maria Dierkes erläutert dem Bundes-
zehnten erstmals über das sprechen können, was sie                  beauftragten vor Ort den Antragseingang eines Monats bei einem
alleine aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit                     Besuch der Projektgruppe ADZ im Juli 2018
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