Versicherungsbarometer 2014 - Eine Studie von EY und der Universität St.Gallen über die Herausforderungen im Schweizer Versicherungsmarkt - EY ...
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Versicherungsbarometer 2014 Eine Studie von EY und der Universität St.Gallen über die Herausforderungen im Schweizer Versicherungsmarkt Institut für Accounting, Controlling und Auditing
Inhalt 1 Editorial 3 2 Einleitung 4 Aufbau der Studie 6 Der Schweizer Versicherungsmarkt 8 3 Die grössten Herausforderungen bis 2020 10 Herausforderung 1: Regulierung – kein Ende in Sicht! 13 Herausforderung 2: Niedrigzins- und Kapitalmarktumfeld oder: Wie sieht eine Versicherung ohne Rendite aus? 17 Herausforderung 3: Demographie – Chance oder Bedrohung? 22 Herausforderung 4: Technologie – Gefahr oder aktive Gestaltungsmöglichkeit? 25 Herausforderung 5: Kundenverhalten: Wie erreiche ich in Zukunft meine Kunden? 30 4 Zentrale Handlungsfelder 34 Geschäftsstrategie 36 Geschäftsprozesse 39 Neue Geschäftsmodelle 40 5 Fazit 44 6 Appendix 48 Befragte Versicherer 50 Endnoten 51 Autoren 53 2 | EY Versicherungsbarometer 2014
1 Editorial Das Versicherungsgeschäft gilt für den heimischen Markt Was sind die wesentlichen Erkenntnisse? Das makroökonomi- als stabil. Wir alle benötigen in unterschiedlichen Lebenslagen sche, gesellschaftliche und technologische Umfeld bleibt labil Versicherungen, von der Motorfahrzeug- über Haftpflicht- und wird die Geschäftsmodelle der Versicherer massiv und Kranken- bis hin zur Lebensversicherung. Doch die beeinflussen. Die Unternehmen sehen aber von weitreichenden Welt bewegt sich, durch technologische Neuerungen, Massnahmen ab, zumal sich die Folgen nicht zuverlässig verschärfte Regulierung, verändertes Kundenverhalten und vorhersagen lassen. Die weitere Regulierung führt zu erhöhte Preistransparenz. Zusammen mit den anhaltend steigenden Fixkosten, womit die kritische Grösse wichtiger tiefen Zinsen wächst der Handlungsbedarf. Dies wirft wird. Die Versicherungen konzentrieren sich auf den gesättig- Fragen nach der Zukunft des Schweizer Versicherungsge- ten Schweizer Markt, in dem jedoch Prämienerhöhungen schäfts auf, die wir in den Mittelpunkt dieser Studie stellen. schwierig durchzusetzen sind. Deshalb fokussieren sie sich alle auf Prozess- und Kostenoptimierung. Den Markt mit Um die Herausforderungen im Schweizer Versicherungsge- neuartigen Dienstleistungen aufzumischen ist derzeit kein schäft aus möglichst vielen Blickwinkeln zu beleuchten, hat Thema. Investitionen in neue Geschäftsfelder sind eher sich ein Team des Instituts für Accounting, Controlling und gering. Versicherungsgesellschaften haben alle eine ähnliche Auditing der Universität St. Gallen mit Versicherungsberatern Ausgangslage und halten sich gegenseitig in Schach. Eine und -prüfern von EY zusammengetan und einen Fragebogen Revolution der Geschäftsmodelle ist dadurch ausgeschlossen. entwickelt. Dieser soll im regelmässigen Turnus der jeweiligen Der Veränderungsdruck ist derzeit zu gering. Trotzdem Geschäftsleitung von Schweizer Versicherern vorgelegt müssen die Unternehmen den technologischen Wandel werden, um so ein Stimmungsbild, sprich Barometer, der vorantreiben, denn die IT-Systemlandschaft ist teilweise Schweizer Versicherungswirtschaft zu ermitteln. Da die veraltet: Die Eigenkapitalsituation wie auch die Margen sind Befragung dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt wurde, gegenwärtig noch komfortabel, womit die Schweizer Versiche- haben wir uns entschlossen, die Startbasis mit den Ge- rungsgesellschaften jetzt noch aus einer Position der Stärke schäftsleitungsmitgliedern der wichtigsten Versicherer zu agieren und die Geschäftsmodelle auf die Zukunft 2020 und verifizieren und in einer umfangreichen Studie zu präsentie- danach ausrichten können. ren. Diese Studie will Denkanstösse geben und aufzeigen, wie sich In angeregten Diskussionen wurden die Antworten und Versicherungsunternehmen auf die neue Realität einstellen Aussagen hinterfragt. Deshalb möchten wir uns bereits an können. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine spannende dieser Stelle für die Offenheit bedanken, die wir in den Lektüre und freuen uns auf angeregte Diskussionen. Vorher- Gesprächen erleben durften. Und auch dafür, dass sich so sagen können wir die Zukunft nicht – wohl aber mitgestalten. viele hochrangige Vertreter der Versicherungswirtschaft unserer Diskussion gestellt haben. Die befragten Unternehmen decken im Bereich Leben prämienmässig mehr als 90 % und im Bereich Schaden knapp 70 % des Schweizer Marktes ab. Prof. Dr. Hans-Jürgen Wolter Prof. Dr. Andreas Blumer Thomas Brotzer Ernst & Young AG, Partner Lehrbeauftragter an der Ernst & Young AG, Partner Leiter Aktuariat Schweiz Universität St.Gallen Leiter Versicherungen Schweiz EY Versicherungsbarometer 2014 | 3
2 Einleitung Das Versicherungsgeschäft galt lange Zeit als planbares Einnahmequellen, was den Druck auf die Steuerquote und Geschäft. Heute sind Wirtschaft und Gesellschaft aber von Steuertransparenz steigen lässt. Regulatorische Vorschriften nachhaltigen Veränderungen geprägt. Dies ändert die machen die in früheren Jahren erfolgte Deregulierung Rahmenbedingungen für die Versicherungsunternehmen rückgängig und schränken den Handlungsspielraum der fundamental: Versicherungen ein. Zudem hat die Tiefzinspolitik ein- schneidende Auswirkungen auf die Anlagemöglichkeiten Eine der stärksten Veränderungen dieses Jahrhunderts geht von Versicherern und die Attraktivität von Versicherungs- vom demographischen Wandel aus. Menschen werden älter, produkten, gerade mit Blick auf das Niveau von möglichen viele wichtige Industriestaaten, aber auch einige Schwellen- Zinsgarantien. Dadurch steigt der Anteil des Kostenblocks. länder verzeichnen einen Geburtenrückgang, zudem beginnt die Generation der Babyboomer das Rentenalter zu erreichen. Internet und soziale Medien bringen Menschen zusammen. Rentensysteme stossen an die Grenze ihrer Finanzierbarkeit Deutlich mehr Informationen sind rascher verfügbar, die und Diskussionen über die Solidarität zwischen Generationen Transparenz wächst, physische Kontakte werden durch gewinnen an Bedeutung. Zunehmende private Vorsorge, auch virtuelle ersetzt. Dies beeinflusst das Konsumverhalten. Die über Pflegeversicherungen und andere neue Lösungen, wird Preissensibilität wächst, der Druck auf die Margen steigt. unumgänglich sein. Kunden informieren sich vermehrt online, auch wenn Versi- cherungsgeschäfte mehrheitlich noch immer offline über die Wie lange die Folgen der Finanz- und Staatsschuldenkrise zu traditionellen Vertriebskanäle abgeschlossen werden. spüren sind und ob diese schon vollends ausgestanden ist, Dadurch werden die Beziehungen zwischen Versicherungen bleibt ungewiss. Zentralbanken halten derzeit an ihrer und ihren Kunden neu gestaltet. Tiefzinspolitik fest, Staaten suchen nach zusätzlichen 4 | EY Versicherungsbarometer 2014
Die Veränderungen sind Teil eines generellen Wertewandels. Komplexität. Unsicherheiten gepaart mit der erwähnten Der makro- und sozioökonomische Rahmen verändert sich. Volatilität erhöhen die Komplexität der versicherungstechni- Dabei verläuft der Übergang nicht geordnet; vielmehr handelt schen Modelle wie auch der gesamten Prozesskette. Die es sich um einen durch Instabilität gekennzeichneten Um- Komplexität erhöht sich auch durch die Notwendigkeit einer bruch. Diese Periode – die neue Realität – ist durch Volatilität, Multi-Channel-Vertriebsstrategie und massgeschneiderten Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUKA1) gekenn- Produkten. Die Regulierung verlangt zusätzliche Sicherheiten zeichnet: und Validierungen von Annahmen und fordert mehr Transpa- renz. Auch die produkt- und vertriebsseitigen Anpassungen Volatilität. Vordergründig ist das Versicherungsgeschäft an die neue Realität erhöhen die Komplexität der Geschäfts- stabil. Das Prämienvolumen entwickelt sich über die prozesse wie auch das immer grösser werdende Anlageuni- Zeit – mit einigen Ausnahmen, beispielsweise im Lebens- versum. versicherungsgeschäft – relativ stetig. Eine hohe Volatilität weisen hingegen das Finanzergebnis und die ökonomischen Ambiguität. Die Trends, die den Versicherungsmarkt in den Bilanzen auf, vor allem im Lebensversicherungsgeschäft. vergangenen Jahren in hoher Folge erfasst haben, wirken in Ursache dafür sind die Entwicklungen an den Kapital- unterschiedliche Richtungen. Eine eindeutige Projektion der märkten. Ein rascher Zinsanstieg oder eine weitere Zukunft ist unmöglich. Der Mehrdeutigkeit der neuen Realität Reduktion der aktuellen Zinsen (allenfalls sogar Negativ- begegnet die Versicherungswirtschaft mit Szenarien zur zinsen) haben einen erheblichen Einfluss auf die finanzielle finanziellen, strategischen und politischen Dimension. Situation der Versicherer. Auch Bewegungen an den Aktien- und Immobilienmärkten erhöhen die Volatilität der Ergebnisse der Versicherungsunternehmen. Unsicherheit. Die Versicherer übernehmen Risiken der gesamten Volkswirtschaft. In diesem Sinn gehören Unsicherheiten zum Kerngeschäft der Versicherungs- wirtschaft. Die aktuariellen Modelle zur Bewertung dieser Risiken basieren auf vielen Annahmen zu versicherungs- technischen Unsicherheiten. Zudem ist die Lebensversiche- rungswirtschaft mit zusätzlichen politischen Unsicherheiten konfrontiert. Entscheide zur steuerlichen Förderung von Einzellebensversicherungspolicen oder ein Umbau der 1. und 2. Säule hätten einschneidende Konsequenzen. Weiter beschäftigt sich die Versicherungswirtschaft mit Unsicherheiten, die in neuen Technologien und dem veränderten Kundenverhalten begründet sind. EY Versicherungsbarometer 2014 | 5
Aufbau der Studie Am Anfang der Studie stehen die Herausforderungen, mit welchen Versicherer bis 2020 rechnen. Diese werden in Ausgangspunkt der Studie bildet ein von EY und dem Institut Kapitel 3 diskutiert. Der Handlungsbedarf, der sich daraus auf für Accounting, Controlling und Auditing der Universität Unternehmensstufe ergibt, wird in Kapitel 4 erörtert. Im Fazit St.Gallen entwickelter Fragebogen. Repräsentanten von in Kapitel 5 werden die Aussagen der Versicherer überprüft. 11 verschiedenen Schweizer Versicherern haben an der Studie teilgenommen (siehe Kapitel 6). Mit Einbezug von Befragte Unternehmen Befragte Unternehmen Konzern- und Ländergesellschaften wurden 14 Gesellschaften befragt. Der Schwerpunkt dieser Unternehmen (Nicht-Leben 10 % oder Leben) ist relativ ausgewogen; Rückversicherer wurden in die Studie nicht mit einbezogen. Neun der zehn grössten Leben leben Versicherungsunternehmen konnten für die Studie gewonnen Überwiegend überwiegend Leben leben werden. Die befragten Unternehmen decken im Bereich 30 % 50 % Nicht-Leben Leben mehr als 90 %, im Bereich Schaden knapp 70 % des nicht-leben Marktes (ohne Krankenversicherer) ab. Dies zeigt auch die Überwiegend überwiegend Nicht-Leben nicht-leben hohe Konzentration, die der Schweizer Versicherungsmarkt aufweist. Die Studienergebnisse spiegeln damit die massge- 10 % benden Kräfte des Marktes sehr genau. Die Studie ist dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt Schaden- und Lebenprämien (in CHF Mrd.) worden; die Befragung fand im Frühling und Sommer 2014 statt. Deshalb wurden im Anschluss an die Auswertung des 40 schriftlichen Fragebogens persönliche Gespräche mit den 35 CEOs und anderen Mitgliedern der Geschäftsleitung durchge- 30 führt, um Themen zu vertiefen und die Zukunft der Versiche- rungswirtschaft zu erörtern. Der eher nahe Zeitpunkt 2020 25 wurde bewusst gewählt, um möglichst konkrete und realitäts- 20 nahe Entwicklungen im Versicherungsgeschäft aufzuspüren. 15 Die zahlreichen qualitativen Erkenntnisse aus den Gesprächen 10 begründen und ergänzen die quantitativen Ergebnisse. 5 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Einzel- und Kollektivprämien (in CHF Mrd.) 30 25 20 15 10 5 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 6 | EY Versicherungsbarometer 2014
Der Schweizer Versicherungsmarkt Für die Schweizer Volkswirtschaft ist die Versicherungs- gestiegen.5 Die Nicht-Lebenversicherungen erfahren branche von grosser Bedeutung. Die Bruttowertschöpfung typischerweise weniger Prämienschwankungen. Die Palette lag 2013 bei CHF 28,3 Mrd., rund 4,7 % des Bruttoinland- der offerierten Produkte im Retailgeschäft ist konstanter als produkts.2 Die Lebens- und Schadenversicherer nahmen im vergleichbaren (Einzel-)Lebengeschäft und unterliegt im letzten Jahr in der Schweiz CHF 79,7 Mrd. Prämien ein, weniger ökonomischen Schwankungen. Ausschläge auf der im Ausland erzielten die Unternehmen zusätzlich Schadenseite etwa durch Elementarschäden beeinflussen CHF 77,7 Mrd. Gemessen am Schweizer Prämienvolumen zwar das Ergebnis, haben aber kaum einen Einfluss auf die ist die AXA mit CHF 12,1 Mrd. das grösste Schweizer Prämien. Diese wachsen in etwa mit den versicherten Werten. Versicherungsunternehmen.Befragte 3 Unternehmen Der Schweizer Versiche- Ebenso ist der Preiswettbewerb derzeit noch weniger stark rungsmarkt zeichnet sich durch die höchste Versicherungs- ausgeprägt. dichte weltweit aus: Im10Jahr % 2013 beliefen sich die Prämien Anders das Lebengeschäft: Hier übertrafen die Prämien 2013 pro Einwohner auf rund CHF 7‘330, vor den Niederlanden mit CHF 32,7 Mrd. gerade das Niveau vom Jahr 2000. Die und Dänemark mit weniger als CHF 6‘000.4 leben Gesamtergebnisse in diesem Bereich sind in den vergangenen überwiegend leben Der Schweizer Versicherungsmarkt 30 % gilt 50 %grösstenteils als Jahren zum grossen Teil durch das gute Kollektivlebengeschäft nicht-leben gesättigt und wird daher als anspruchsvoll bezeichnet. getrieben, das allein im Jahr 2013 um 7,9 % wuchs, vor allem In der Nicht-Lebenversicherung sind die insgesamtüberwiegend verein- nicht-leben aufgrund von Vollversicherungslösungen. In der Schweiz nahmten Prämien über die letzten 15 Jahre kontinuierlich entscheidet sich nach wie vor jeder zweite Arbeitgeber für die 10 % Nicht-Leben- und Lebenprämien (in CHF Mrd.) Schaden- und Lebenprämien (in CHF Mrd.) 40 35 30 25 20 Nicht-Lebenprämien schadenprämie 15 Lebenprämien lebenprämien 10 5 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: FINMA Einzel- und Kollektivprämien (in CHF Mrd.) 30 25 8 20 Versicherungsbarometer 2014 | EY 15 einzelleben
Befragte Unternehmen 10 % leben überwiegend leben 30 % 50 % nicht-leben überwiegend nicht-leben Sicherheiten des Vollversicherungsmodells. Allerdings angesichts herrschender Unsicherheiten und tiefer Zinsen handelt es sich hierbei 10 weniger % um eigentliches Wachstum, gefragt, was allerdings aus Sicht der Versicherungsgesell- sondern vielmehr um eine Umschichtung von den autonomen schaften sehr kapitalintensiv ist. Bei den Einzellebensver- Pensionskassen der 2. Säule zum Versicherungssektor. sicherungen wächst das Geschäft im Moment nur noch im Die Entwicklung im Kollektivlebengeschäft kompensiert Schaden- Bereich und Lebenprämien der traditionellen Kapitalversicherungen. Alle (in CHF Mrd.) das eher40schwache Einzellebengeschäft, das von den anderen Bereiche sind rückläufig – obwohl die Versiche- tiefen Zinsen und einer geringeren Sparquote der jünge- rungswirtschaft innovative hybride Produkte offeriert. 35 ren Generation betroffen ist. Einmalprämien bei Einzelle- Diese bestehen aus einer Kombination von traditionellen bensversicherungen 30 gingen im Vergleich zum Vorjahr um und fondsgebundenen Produkten und verlangen weniger 7,5 % zurück. 25 Zwar herrschen in der Schweiz noch keine Eigenkapitalunterlegung. Verhältnisse wie in Deutschland, wo 7 von 90 Lebensversi- 20 schadenprämie cherern das Neugeschäft einstellen oder stark einschrän- 15 6 lebenprämien ken wollen. Die Einzellebensversicherung ist mit rund CHF 5,49 10 Mrd. Bruttoprämieneinnahmen im Jahr 2013 jedoch auf 5 dem tiefsten Stand seit über 15 Jahren. Allgemein ist die Lage im Lebensversicherungsgeschäft 0 kritisch: Implizite und explizite Garantien sind von Kunden 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Einzel- undund Einzel- Kollektivprämien (in CHF(in Kollektivlebenprämien Mrd.) CHF Mrd.) 30 25 20 15 Einzellebenprämien einzelleben Kollektivlebenprämien kollektivleben 10 5 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: FINMA 1 EY Versicherungsbarometer 2014 | 9
3 Die grössten Heraus- forderungen bis 2020 EY Versicherungsbarometer 2014 | 11
Auf die Frage nach den grössten Herausforderungen aufgrund DieDie grössten Herausforderungen bis 2020 grössten Herausforderungen bis 2020 externer Veränderungen bis 2020 nennen alle Befragten das Thema Regulierung. Auch das Zinsumfeld und die demogra- phische Entwicklung werden jeweils von mindestens der Hälfte Regulierung regulierung 100 % der Befragten als massgebend betrachtet. Deutlich weniger dringend werden Technologie und Kundenverhalten einge- Niedrigzinsumfeld niedrigzinsumfeld 64 % stuft, was aufgrund der zunehmenden Digitalisierung erstaunt. Das Leben- und Nicht-Lebengeschäft wird von den Verände- demographische Entwicklung Demographische entwicklung 50 % rungen unterschiedlich beeinflusst. Die drei grössten Herausforderungen betreffen vor allem Lebensversicherer. Technologie und Kundenverhalten stehen im Nicht-Leben technologie Technologie 21 % im Vordergrund. Dies schlägt sich in der Diskussion nieder. Werden einzelne Herausforderungen nicht explizit für das kundenverhalten Kundenverhalten 14 % Leben- oder Nicht-Lebengeschäft genannt, heisst dies allerdings nicht, dass sie in diesem Bereich keine Rolle spielen. Die Finanz- und Staatsschuldenkrise wird noch mehr Regulierung zur Folge haben und die Handlungsfreiheit Versicherungen einschränken 29 % 71 % 12 | EY Versicherungsbarometer 2014
«Man hat sich in der Schweiz schon sehr früh mit der Regulierung auseinandergesetzt. Das hat der ganzen Branche geholfen.» Herausforderung 1: Regulierung – kein Ende in Sicht! HINTERGRUND «Altersvorsorge 2020». Die garantierten Vorsorgeleistungen zu finanzieren stellt die Vorsorgewerke und die Lebensversi- Als Teil des Finanzsektors sind auch die Versicherer nach der cherer vor grosse Herausforderungen. Die Mindestzinsen für Finanz- und Staatsschuldenkrise von einer beispiellosen die Verzinsung der Altersguthaben und der Umwandlungssatz Regulierungswelle erfasst worden. Aus regulatorischer Sicht im obligatorischen Bereich sind stark politisch getrieben und stehen dabei die Stärkung der Eigenmittel, die Verbesserung vollumfänglich von der steigenden Lebenserwartung und dem des Konsumentenschutzes sowie die Sicherung der Altersvor- aktuellen Tiefzinsumfeld entkoppelt. In der Konsequenz sorge im Fokus. werden heute insbesondere die Rentenleistungen durch Eigenmittel. Was die Verbesserung der Eigenkapitalfinanzie- überhöhte Risikobeiträge der aktiven Generation quersubven- rung betrifft, so sind im Versicherungssektor wesentliche tioniert. Die Umverteilung wirft bis jetzt keine hohen Wellen, Gesetzesänderungen und Regulierungen bereits Jahre vor gemäss einer aktuellen EY-Studie zur beruflichen Vorsorge in der letzten Finanzkrise im Jahr 2008 in Angriff genommen der Schweiz äussern die Mitarbeitenden kaum Kritik an dieser worden. In der Schweiz unter anderem mit der Revision des Quersubventionierung.7 Mit der grossen Rentenreform will der Versicherungsaufsichtsgesetzes, das per 1. Januar 2006 in Bund die Finanzierung der Altersvorsorge in der Schweiz lang- Kraft getreten ist, in Europa mit EU Solvency II. Der Schweizer fristig sichern. Die Vernehmlassung des Entwurfs ist abge- Solvenztest (SST) ist seit 2011 in Kraft, das europäische schlossen, bis Ende 2014 will der Bundesrat dem Parlament System EU Solvency II wird als risikobasierte Versicherungs- die Botschaft vorlegen. Einige der vorgeschlagenen Massnah- aufsicht nach wiederholten Verschiebungen voraussichtlich men, unter anderem die Anpassung des Mindestumwand- zum 1. Januar 2016 eingeführt. Seit 2011 ist die Berechnung lungssatzes in der obligatorischen beruflichen Vorsorge oder der Eigenmittelanforderungen gemäss dem SST für die die Erhöhung der Überschussquote, beeinflussen unmittelbar Schweizer Versicherer verbindlich. Die FINMA überwacht das Geschäftsmodell der Versicherer. Dies kann die Rendite diese Berechnung, bis heute werden aber nur Informationen auf dem unterlegten Eigenkapital so weit schmälern, dass der auf Markt- und nicht auf Unternehmensstufe publiziert. Die eine oder andere Anbieter aus diesem Geschäft aussteigen einzigen Angaben auf der Stufe einzelner Unternehmen könnte. stammen von den Versicherern selbst. Konsumentenschutz. Die Regulierung fokussiert zunehmend auf den Konsumentenschutz. Mit der EU-Gesetzgebung zur Finanzmarktrichtlinie MiFID II stärkt die Europäische Union dieses Anliegen; wesentlich sind zudem die Neufassung der Richtlinie über die Versicherungsvermittlung (IMD II) sowie die neue Verordnung über Basisinformationsblätter für Anlage- produkte (Packaged Retail Investment Products – PRIPs). Die Schweiz geht mit dem geplanten Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG), das in die Vernehmlassung geschickt wurde, in eine ähnliche Richtung. Zudem ist damit zu rechnen, dass das Versicherungsvertragsgesetz angepasst wird; es stammt aus dem Jahr 1908 und entspricht nicht den heutigen Bedürfnis- sen. Diese Revision wurde 2012 an den Bundesrat zurückge- wiesen, der nun an einer (weiteren) Teilrevision arbeitet. EY Versicherungsbarometer 2014 | 13
«Das ideale Kapital gibt es nicht.» Die grössten Herausforderungen bis 2020 regulierung 100 % niedrigzinsumfeld 64 % raphische entwicklung 50 % MARKTEINSCHÄTZUNG Eigenmittel. Für rund die Hälfte der Versicherer ist der Prozess des Eigenmittelaufbaus noch nicht abgeschlossen. technologie Alle Befragten sehen 21 % in der Regulierung die grösste Heraus- Nur 21 % der Befragten sehen definitiv keinen Bedarf mehr. forderung. Die Diskussion zeigt, dass es sich dabei weniger Diese Aussage hat Gewicht, zumal die Ergebnisse des um ein Zukunftsthema handelt als um eine aus der Vergan- kundenverhalten 14 % Aufgabe. Im Vordergrund stehen dabei Solvenztests bis dato nicht pro Versicherer veröffentlicht genheit resultierende werden. Darüber, wie die betroffenen Unternehmen ihre bestehende und geplante Vorschriften hinsichtlich Eigenmittel, eigenen Mittel aufstocken wollen, legen sich die Befragten Konsumentenschutz und Altersvorsorge, weiter die Relevanz nicht fest. Grundsätzlich kommt eine Kapitalerhöhung durch von Systemrisiken im Versicherungsmarkt sowie der Umgang Einbehaltung von Gewinnen oder durch Kapitalzufluss von der Versicherer mit den wachsenden Regulierungskosten. aussen infrage; die Unternehmen bauen auch das Geschäfts- modell um und reduzieren die Bilanzrisiken, oder sie kaufen Die Finanz- und Staatsschuldenkrise Die Finanz- und Staatsschuldenkrisewird wird noch mehr noch mehr eine zusätzliche Rückversicherungsdeckung ein. Bereits Regulierung zur Folge Regulierung haben zur Folge undund haben diedie Handlungsfreiheit für Handlungsfreiheit für 2011 hatte eine EY-Umfrage gezeigt, dass die Einführung Versicherungen einschränken Versicherungen einschränken. des Solvenztests zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Unser Unternehmen ist aufgrund der neuen Regulierung zu einem Rückversicherungskapazität führen wird.8 Eigenmittelaufbau gezwungen Stimme voll zu Unser Unternehmen ist aufgrund der neuen Regulierung zu 29 % Stimme eher zu einem zusätzlichen Eigenmittelaufbau gezwungen. stimme voll zu stimme eher zu 21 % Stimme voll zu 36 % Stimme eher zu stimme voll zu 71 % Stimme eher nicht zu stimme eher zu Stimme überhaupt stimme eher nicht z nicht zu stimme überhaupt n 29 % 14 % Die Experten sind sich einig, dass die Regulierungswelle weiter rollt und zusätzliche Vorschriften erlassen werden. Vor allem wegen des sich verschärfenden Niedrigzinsumfelds, der Zunahme des Konsumentenschutzes und der Konsequenzen aus der Reform der «Altersvorsorge 2020» befürchten sie Konsumentenschutz. Die Befragten sind sich einig, dass die weitere Vorschriften. Auf längere Sicht erachten sie aber auch Regulierung hinsichtlich des Konsumentenschutzes im eine Deregulierung als möglich – sie hoffen, dass sich das Finanzsektor in den kommenden Jahren verschärft wird. Die Pendel der Regulierung irgendwann wieder zurückbewegt. Europäische Union hat die neuen Vorschriften zum Konsu- Ist das realistisch oder basiert dies auf dem Prinzip Hoffnung? mentenschutz im Finanzsektor mit der Richtlinie über Märkte Obwohl die Regulierung die meistgenannte Herausforderung für Finanzinstrumente (MiFID II) bereits verabschiedet. Die ist, wird die Umsetzung der immer neuen Regulierungen Experten stehen einer ausufernden Dokumentationspflicht bereits als «business as usual» wahrgenommen. (z.B. einem verpflichtenden Beratungsprotokoll MiFID II) und einer Informationspflicht (dem Erstellen eines Key Investor Documents wie in der PRIPs-Verordnung) kritisch gegenüber. 2 14 | EY Versicherungsbarometer 2014
Sie begründen dies damit, dass sich Versicherungsprodukte «Altersvorsorge 2020». Die Experten sehen das grundlegende grundlegend von anderen Anlageprodukten unterscheiden. Problem im Bereich der Vorsorgeleistungen weniger im Die Europäische Union trägt dieser Tatsache Rechnung und Geschäft selbst, als vielmehr im politischen Umfeld und in den nimmt die Versicherungsprodukte von MiFID II aus; der Erwartungen der Kunden. Politik wie auch Kunden müssen Konsumentenschutz wird durch eine Anpassung der sich den Realitäten des Finanzmarktes stellen. Als Beispiel EU-Richtlinie über die Versicherungsvermittlung (IMD) wird häufig der BVG-Umwandlungssatz genannt. Dieser liegt verbessert. «ökonomisch grundlegend falsch». Der Bevölkerung muss klargemacht werden, dass eine Senkung unumgänglich ist. Der Bundesrat hat im Frühsommer das Pendant – das Eine umfassende Reform der Altersvorsorge halten die Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) – in die Vernehm- Befragten für richtig. Die Aussagen decken sich mit jenen des lassung geschickt. Im Unterschied zum EU-Konzept sind SVV, der es als notwendig und dringend erachtet, die ökono- gemäss dem Vernehmlassungsentwurf die rückkaufsfähigen mischen Rahmenbedingungen anzupassen. Auch die Garantie Versicherungen ebenfalls dem FIDLEG unterstellt. Diese der Versicherer im Vollversicherungsmodell ist entsprechend Unterstellung wird durch die Experten kritisch betrachtet. zu entschädigen. Eine Erhöhung der Legal Quote (Anteil der Diese Kritik am FIDLEG deckt sich mit der Haltung des in der beruflichen Vorsorge erwirtschafteten Überschüsse, Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV). Dieser die den Versicherten gutgeschrieben werden müssen) von sieht keinen Bedarf, die Versicherungsbranche (Versi- heute 90 auf bspw. 92 % wäre in diesem Sinne falsch.10 cherer und Versicherungsvermittler) dem FIDLEG zu Dadurch werden die Versicherer noch stärker belastet, indem unterstellen.9 Allfällige Anpassungen müssten mittels die Verzinsung des Eigenkapitals übermässig reduziert wird. einer Revision des über 100 Jahre alten Versicherungs- Einige Unternehmen gehen noch weiter und sagen, dass sie vertragsgesetzes (VVG) erfolgen. Durch das Versiche- bei einer Änderung der Legal Quote aus dem BVG-Geschäft rungsaufsichtsgesetz (VAG) mit dazugehöriger Verord- aussteigen müssten. nung und das VVG bestehe bereits heute ein hoher Kundenschutz, sowohl seitens der Produktgestaltung als Bei anhaltend tiefen Zinsen könnten die Versicherer ihre auch im Vertrieb, weshalb grundsätzlich kein hoher Anlagestrategie überdenken und sich überlegen, zusätzliche Anpassungsdruck vorhanden sei. Risiken einzugehen. Wegen der zusätzlichen Solvenzan- forderungen, die damit verbunden wären, sind die ökono- mischen Anreize für die Versicherer allerdings begrenzt. Zudem bestehen bei gewissen Anlagekategorien wesentliche Einschränkungen. So sind etwa Anlagen in langfristige Infrastrukturprojekte geradezu ideal für Versicherungsge- sellschaften, sie werden aber u.a. durch die Anforderun- gen an das gebundene Vermögen stark eingeschränkt. EY Versicherungsbarometer 2014 | 15
Im klassischen Versicherungsgeschäft kann ich kein syste Risiko erkennen, das mit dem des Bankgeschäfts vergle wäre «Korrelationen kommen meistens nie so, wie man gemeint hat.» 14 % st 43 % st Systemische Risiken. Im Juli 2013 haben das Financial Regulierungskosten. Die Regulierung stellt nicht nur inhaltlich, st Stability Board (FSB) und die International Association of sondern auch aus Kostensicht weiterhin eine Herausforderung Insurance Supervisors (IAIS) eine Liste von neun Global dar. Die Befragten bestätigen 43 % einen Mehraufwand, allerdings Systemically Important Insurers (G-SII) veröffentlicht. ist dieser nicht exorbitant. Wie reagieren die Versicherer Zwei der weltweit grössten Versicherungsunternehmen, darauf? Werden die Kosten etwa durch Prämienerhöhungen die zudem potenziell als systemrelevant eingestuft werden, auf die Kunden abgewälzt? haben ihren Sitz in der Schweiz.11 Diese Einstufung erach- ten die meisten Experten als ungerechtfertigt. 86 % Die Verschärfung der Regulierung Die Verschärfung der Regulierung verursacht verursacht höhere Kosten. Wie höhere Kosten. reagieren sehen auch im klassischen Versicherungsgeschäft keine Wie reagieren Sie? Sie? mit dem Bankgeschäft vergleichbaren systemischen Risiken. Die Ansteckungsgefahr (contagion risk) ist Prozessoptimierung prozessoptimierungen 86 % zwischen Versicherungsunternehmen deutlich geringer, anders als bei Banken, die durch das Interbankgeschäft Personalreduzierung personalreduzierungen 57 % viel stärker vernetzt sind. Ausserdem verfügt die Versiche- rungsbranche über deutlich mehr Liquidität und eine höhere Volumenwachstum volumenwachstum 36 % Diversifikation. Allenfalls könnten Grossereignisse wie Naturkatastrophen einen makroökonomischen Schock Outsourcing outsourcing 29 % auslösen und zu Solvenzproblemen für einzelne Versiche- Eröffnung neuer eröffnung neuer rer führen. Die Risikostreuung mittels Rückversicherungs- geschäftsfelder Geschäftsfelder 29 % netzwerk reduziert eine systemische Konzentration. Selbstverständlich hätte der Ausfall eines grossen prämienerhöhungen Prämienerhöhungen 14 % Versicherers erhebliche Folgen für die Schweizer Volks- wirtschaft, allein schon im BVG-Geschäft. Dies wird jedoch nicht unter Systemrisiko im engeren Sinne Ein langfristiges Prämienerhöhungen sind im UrteilNiedrigzinsumfeld wäre der Befragten so gut wie für unser verstanden. Geschäft bedrohlich ausgeschlossen. Gerade im Lebengeschäft sind diese am Im klassischen Versicherungsgeschäft kann ich kein systemisches Markt nicht durchsetzbar. Stattdessen versuchen die Versi- RisikoIm erkennen, klassischendas mit dem des Bankgeschäfts Versicherungsgeschäft vergleichbar cherer mit Prozessanpassungen und Personalreduktionen die kann ich kein systemi- wäre sches Risiko erkennen, das mit dem des Bankgeschäfts vergleichbar wäre. Kosten zu senken. Potenzial besteht, weil in diesem Bereich der Handlungsdruck über 14 %Jahre verhältnismässig gering war: 22 % Hinsichtlich Industrialisierung hinken die Versicherer anderen 14 % Branchen hinterher (siehe Kapitel 4: Zentrale Handlungsfel- stimme voll zu der). Die Verbesserungen möchten die Unternehmen aber möglichst Stimme voll zu stimme voll zu selbst in die Hand nehmen. Outsourcing wird eher stimme eher zu 43 % kritisch Stimme eher zu stimme eher zu betrachtet. Die Geschäftsmodelle werden nicht stimme eher nic Stimme eher nicht zu grundlegend neu überdacht. stimme eher nicht zu 64 % Trotz der allgemeinen Sättigung des Schweizer Marktes sehen 43 % einige Teilnehmer auch Möglichkeiten des Volumenwachs- tums. Dies insbesondere im Lebensversicherungsbereich, wo einerseits Vermögenswerte vom Bankensektor in den Versicherungssektor umgeschichtet werden können und DieRisiken Verschärfung der aufgrund Regulierung andererseits der Versicherungssektor weiterhin von Um- werden auch einer Kanalisierung im Anlage- verursacht höhere Kosten. Wie reagieren schichtungen im BVG-Geschäft profitieren kann. Klar ist aber bereich erkannt: Zusammen mit den Anlagerichtlinien läuft Sie? auch, dass profitables Wachstum in ansonsten gesättigten die Regulierung (v.a. SST) Gefahr, die Anlagestrategien der Märkten nur durch Differenzierung von den Konkurrenten einzelnen Unternehmen zu stark zu vereinheitlichen, was die zessoptimierungen 86 % möglich ist. Zudem besteht Potenzial in versicherungsnahen Blasenbildung verstärkt und die Diversifikationsmöglichkeiten Dienstleistungen. einschränkt . 12 onalreduzierungen 57 % Grundsätzlich wird befürchtet, dass im Zeichen der volumenwachstum 36 % Finanzkrise, insbesondere in den Bereichen systemische Risiken und Konsumentenschutz, die Unterschiede zwischen outsourcing 29 % Versicherungsbranche und Bankensektor nicht gebührend eröffnungberücksichtigt neuer werden. Zudem droht die Verhältnismässig- 29 % geschäftsfelder keit zwischen Kosten und Nutzen der Regulierung in den Hintergrund rämienerhöhungen 14 %zu rücken. 16 | EY Versicherungsbarometer 2014 Ein langfristiges Niedrigzinsumfeld wäre für unser Geschäft bedrohlich
Im klassischen Versicherungsgeschäft kann ich kein systemische Risiko erkennen, das mit dem des Bankgeschäfts vergleichbar wäre «Die Margen in vielen Versicherungsprodukten 14 % sind noch immer komfortabel.» stimme vol 43 % stimme ehe Herausforderung 2: Niedrigzins- und Kapitalmarktumfeld oder: Wie sieht eine Versicherung stimme ehe ohne Rendite aus? 43 % HINTERGRUND MARKTEINSCHÄTZUNG Die Nachwirkung der Finanzkrise in Form von Tiefstzinsen Zwei Drittel der Experten sehen das Zinsumfeld als eine der stellt für das Lebengeschäft nach wie vor eine Bedrohung dar. grössten Herausforderungen. Die Verschärfung In der Diskussion wird die der Regulierung Schon vor Jahren wiesen Marktbeobachter darauf hin, dass Diskrepanz deutlich verursacht höhere zwischen Kosten. Wieden reagieren veränderten Kundenbe- anhaltende Zinsen auf rekordtiefem Niveau «das Ende der dürfnissen und den Sie? Optionen der Anbieter, auf die tiefen eingesetzten Geschäftsmodelle in der Lebensversicherung» Zinsen zu reagieren. bedeuten könnten.13 Bei anhaltenden Niedrigzinsen besteht prozessoptimierungen 86 %stellen für die Herausforderungen. Die niedrigen Zinsen die Gefahr für die Lebensversicherer insbesondere darin, dass Versicherer nach wie vor eine Gefahr dar. Keiner der Befrag- die durchschnittliche Rendite schneller sinkt als die Garantien personalreduzierungen 57 % ten schliesst aus, dass dadurch das bisherige Lebensversi- im Bestand. Es gilt zu berücksichtigen, dass die Lebensversi- cherungsmodell langfristig bedroht sein könnte. Noch sind cherer rund die Hälfte ihres Portfolios (53 %) in festverzinsli- volumenwachstum 36 % die realisierten Renditen nicht unter die zu leistenden che Anlagen investiert haben.14 Garantien gefallen, outsourcing weil 29 % die Versicherer von höher verzins- Das Zinsniveau beeinflusst auch die Attraktivität von ten Altanlagen profitieren. Die Gefahr beginnt sich aber eröffnung neuer Kapitalschutzprodukten. Die Eigenmittelvorschriften des teilweise zu materialisieren, geschäftsfelder 29 % wenn die Aktiven wieder und Schweizer Solvenztests führen dazu, dass der Eigenmittel- neu angelegt werden müssen. Einige Befragte weisen auch bedarf bei tiefen Zinsen überproportional zum Garantielevel prämienerhöhungen darauf hin, dass14 % Lebensversicherungen als Finanzprodukt steigt. Dies kontrastiert mit den Bedürfnissen der Kunden, angesehen werden und das Sparen in einem Niedrigzinsum- die nach der Finanzkrise sichere Anlagen bevorzugen. feld generell an Attraktivität verliert. Weiter erschwert das Zinsumfeld, die in der Vergangenheit Ein langfristiges Niedrigzinsumfeld wäre für unser geweckten Renditeerwartungen der Kunden zu erfüllen. In Geschäft bedrohlich Ein langfristiges Niedrigzinsumfeld wäre für unser den 1990er-Jahren begannen die Versicherer damit, das Geschäft bedrohlich. Finanzmarktumfeld für die Lancierung renditegetriebener Sparprodukte zu nutzen. Diese Angebote haben das Bewusst- sein verankert, dass Versicherer zu den biometrischen 14 % Risiken (u.a. Langlebigkeit, Invalidität und Tod) auch 22 % Stimme voll zu Zinsgarantien übernehmen. Das Tiefzinsumfeld zwingt nun Stimme eher zu die Versicherer zu einem Spagat, den Versicherungsgedan- stimme voll zu Stimme eher nicht zu ken aufrechtzuerhalten und gleichzeitig eine angemessene stimme eher zu Rendite zu erzielen. stimme eher nicht zu Das Nicht-Lebengeschäft ist von Tiefzinsen und den damit verbundenen Herausforderungen weniger stark betroffen. 64 % Anders als in den 1980er- und 1990er-Jahren hat das Finanzergebnis an Bedeutung verloren, dies aufgrund der verbesserten Schaden-Kosten-Quote (combined ratio). Allerdings sind die Erträge auf das Finanzanlagevermögen Als Ausweg sehen die Experten vor allem die Anpassung immer noch ein wesentlicher Ertragspfeiler. der Produkte – wobei sowohl die Angebotspalette als auch das Pricing zu überdenken sind. Die Versicherer räumen ein, dass in der Branche über Jahre das sogenannte «cost plus»-Pricing angewendet wurde, wobei die Margen tech- nisch bestimmt wurden. Gerade jüngere und preissensitive Kunden akzeptieren dieses Vorgehen nicht mehr; sie sind besser informiert, stellen vermehrt Vergleiche an. Neu sollten sich der Preis und damit der Kostenzuschlag an der Zahlungsbereitschaft der Kunden orientieren. Falls dies bei Produkten zu einem Verlust führt, müssen diese angepasst werden. Wie gross der Anpassungsbedarf für die Branche ist, zeigt sich etwa darin, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden – in anderen Branchen zentral für die Preisfestset- zung – in vielen Segmenten nur im Ansatz bekannt ist.15 EY Versicherungsbarometer 2014 | 17
«Ist auch der Kunde volatil?» Attraktivität aus Kundensicht kapitalschutz 100 % tax benefits 43 % biometrische risiken 29 % Was Kunden wollen. Welche Faktoren halten die Versicherer Teurer Kapitalschutz. Im Niedrigzinsumfeld sind garantierte aus Kundensicht für besonders attraktiv? Alle Befragten Leistungen immer schwieriger zu finanzieren. Für neue mindestrendite 29 % gehen davon aus, dass die Kunden den Fokus auf den Verträge müssen Garantieniveaus im Vergleich zur Vergan- Kapitalschutz legen. Seit der Finanzkrise wird upside kundenseitig potential genheit 21 % niedriger angesetzt oder ganz aufgegeben werden. grundsätzlich mehr Sicherheit gefordert. Im Gegenzug Kann der Versicherer anbieten, was der Kunde verlangt? Wo schwindet das Interesse an Produkten mit Mindestrendite sehen Versicherer das optimale Level an Kapitalschutz? oder solchen mit Upside. Die biometrischen Risiken spielen für den Kunden eine untergeordnete Rolle. Dies zeigt, dassGegeben sind tiefe Zinssätze; welcher Level an Kapitalschutz Gegeben sind tiefe Zinssätze. Welcher Leveldie anoptimale Kapitalschutz- Lebensversicherungen primär als Kapitalanlagen mit garantiert aus Sicht der Versicherungsgesellschaften garantiert aus Sicht der Versicherungsgesellschaften Attraktivität eines Versicherungsprodukts mit 10-jähriger Laufzeit?die attraktiver steuerlicher Privilegierung betrachtet werden. optimale Attraktivität eines Versicherungsprodukts mit Die Befragten weisen auf erhebliche Vorteile hin: Werden 10-jähriger Laufzeit? zum Beispiel Obligationenportfolios in einer fondsgebunde- 7% nen Lebensversicherung verpackt, spare der Kunde die Einkommenssteuern. 21 % 80 % 80% Die Attraktivität dieser Produkte hängt massgeblich vom 90 % 90% gesetzlichen Rahmen ab. Einige Befragte betonen, das 100 % Geschäft würde in kürzester Zeit wegbrechen, falls der 43 % 100% 110 % Bundesrat die 3. Säule nicht mehr steuerlich privilegiert 110% 29 % behandeln würde. Weltweit halten es Marktbeobachter für möglich, dass finanziell angeschlagene Staaten die Abschaf- fung bzw. die Reduktion der steuerlichen Begünstigung von Lebensversicherungen als einfaches Mittel nutzen könnten, um Steuereinnahmen zu steigern. Für die Schweiz scheint Aus Angebotsperspektive ist ein möglichst niedriger Kapital- dies allerdings noch kein Thema zu sein. schutz ideal. Dies deshalb, weil SST bzw. EU Solvency II deutlich mehr Eigenkapital für langfristige Risiken verlan- Attraktivität aus Attraktivität ausKundensicht Kundensicht gen. So ist zu erklären, weshalb die Hälfte der Befragten ein Kapitalschutzlevel von weniger als 100 % als optimal Kapitalschutz kapitalschutz 100 % betrachtet. Interesse an einem geringen Kapitalschutz wird in erster Linie bei grösseren, vermögenderen Kunden Tax benefits tax benefits 43 % für denkbar gehalten, die über grösseres Fachwissen in Finanzfragen verfügen. Ob dies am Markt letztlich Biometrische biometrischeRisiken risiken 29 % durchsetzbar ist, wird allerdings kritisch beurteilt. Aus psychologischen Gründen dürfe der Kapitalschutz im Mindestrendite mindestrendite 29 % Massenmarkt aus einer Nachfrageperspektive nicht unter 100 % liegen, halten einige Interviewpartner fest. Dies Upside-Potenzial upside potential 21 % lässt sich auch aus dem Wort «Versicherung» schliessen – der Kunde geht davon aus, dass er zumindest sein Geld mit Sicherheit zurückerhält. Einige Experten weisen Gegeben sind tiefe Zinssätze; welcher Level andarauf hin, dass Versicherungen mit klassischen Sparpro- Kapitalschutz 5 garantiert aus Sicht der Versicherungsgesellschaften dieim dukten Wettbewerb stehen und daher eine Mindestren- optimale dite anbieten Attraktivität eines Versicherungsprodukts mit 10-jähriger müssen –‒ womit nicht nur das Kapital, sondern Laufzeit? auch eine Mindestverzinsung gefordert wird und der von Kunden verlangte Kapitalschutz auf über 100 % steigt. 7% 21 % 80% 90% 43 % 100% 18 | EY Versicherungsbarometer 2014 110% 29 %
«Ohne Garantie ist es schwierig, ein Versicherungsprodukt zu verkaufen.» Potenziale von Produktklassen. Was die Wachstums- In welchen Produktklassen sehen Sie in der Zukunft vor allem möglichkeiten betrifft, so stehen aus Sicht der Experten Wachstumspotenziale? zwei unterschiedliche Lebensversicherungsprodukte im Vordergrund: die reine Risikoversicherung, die keinen Sparanteil enthält, sowie fondsgebundene Produkte mit Klassische Kapitalversicherung 29 % Kapitalgarantie. Für beide Produkte sehen jeweils zwei Drittel der Befragten am meisten Potenzial. Einige Fondsgebundene Produkte 64 % weisen darauf hin, dass reine Risikoversicherungen in der mit Garantie Schweiz im Widerspruch zum BVG-Rahmenwerk stehen, weil dieses für die versicherten Ereignisse Tod und Fondsgebundene Produkte ohne Garantie 14 % Invalidität bereits einen guten Schutz bietet. Die gesell- schaftlichen Veränderungen können das Bedürfnis nach Risikodeckung aber dennoch erhöhen: Erwähnt werden Reine Risikoversicherung 64 % beispielsweise die Reduktion des Arbeitspensums (Teil- zeitarbeitsmodelle reduzieren den BVG-Schutz) und die Bezüge von Altersguthaben für die Wohneigentumsför- derung, die ebenfalls einen negativen Effekt auf den Die Befragten sind sich nicht einig darüber, wie gut die Versicherungsschutz haben können. Was die Attraktivi- Kunden über Versicherungsprodukte informiert sind. Mehr- tät fondsgebundener Produkte mit Garantie betrifft, so fach geäussert wird die Ansicht, die Mehrheit der Kunden haben viele der Befragten scheinbar neue Garantiekon- wisse gar nicht, welche Art von Versicherung und Garantie- zepte mit Drittgarantieanbietern im Auge; diese waren stellung sie abgeschlossen hat. Noch schwieriger fällt ihnen bis 2007 und 2008 stark gefragt. Die Versicherer sind die Entscheidung darüber, welche Versicherung sie in Zukunft sich einig, dass zumindest ein Teil des Risikos dem benötigen. Klar ist, dass in der klassischen Kapitalversicherung Versicherten übergeben werden muss. Aber lässt sich als Versicherungsprodukt mit biometrischem Schutz wenig das im heutigen Marktumfeld wirklich durchsetzen? Wachstumspotenzial gesehen wird. Nur fondsgebundene Produkte ohne Garantie (dem Kunden Upside, aber keine Garantie zu bieten) werden noch seltener genannt. Dies deckt sich mit den Bedürfnissen der Kunden, die nach einer Finanzkrise tendenziell sichere Produkte nachfragen. «Viele Kunden wissen gar nicht genau, welche Art von Versicherung sie abgeschlossen haben.» EY Versicherungsbarometer 2014 | 19
Wachstumspotentiale? fondsgebundene produkte mit 64 % garantie reine risikoversicherung 64 % klassische 29 % kapitalversicherung fondsgebundene produkte 14 % ohne garantie In welchen Produkteklassen sehen Sie in Institut, relativ zum Finanzmarkt der Zukunft vor allem Wachstumspotentiale? sgebundene produkte mit 14 % 64 % garantie gestärkt reine risikoversicherung 64 % 50 % eher gestärkt Kapitalmarktumfeld. Die Finanzkrise hat bei allen Unterneh- Die Risiken auf der Anlageseite setzen sich aus dem Kredit- klassische gleich bleibend men am Finanzmarkt deutliche 29 % Spuren hinterlassen. Im und Marktrisiko, vorwiegend auf den Obligationen-, Darlehen-, kapitalversicherung 36 % Vergleich zum gesamten Finanzmarkt sieht die Mehrheit der Aktien- und Hypotheken-Portefolios zusammen. Die Befragten ihr Unternehmen aber gestärkt. Tatsächlich waren Befragten stufen beide Risiken als bedeutend ein. Es zeigt ondsgebundene produkte 14 % die Banken deutlich stärker von den Verwerfungen an den sich aber, dass das Kreditrisiko trotz der Staatsschuldenkrise ohne garantie Finanzmärkten betroffen. Die Versicherer haben schon früh keine übergeordnete Rolle spielt, vor allem deshalb nicht, weil Massnahmen zur Risikoreduktion getroffen. einige Gesellschaften gezielt aus Bonds mit niedrigem Rating ausgestiegen bzw. ihnen ferngeblieben sind. Institut, relativ zum Finanzmarkt Marktrisiko Institut, relativ zum Finanzmarkt Marktrisiko 14 % Gestärkt gestärkt sehr bedeuten 50 % 50 % 50 % Eher gestärkt eher gestärkt eher bedeuten Gleich bleibend gleich bleibend 36 % KreditrisikoSehr bedeutend Eher bedeutend Kreditrisiko Eher nicht bedeutend Marktrisiko 36 % 36 % sehr bedeutend eher bedeutend eher nicht bedeut sehr bedeutend 50 % 50 % eher bedeutend 28 % Attraktivität der Versicherungsaktien relativ zu anderen 20 | EY Versicherungsbarometer 2014 6 Finanztiteln
Kreditrisiko Vertrauen in Versicherungstitel. Über zwei Drittel der Seit 2012 steigen die P/E-Durchschnittswerte der Schweizer Experten beurteilen den Ausblick für Versicherungsaktien, Versicherer wieder an. Einige der Befragten weisen darauf verglichen mit anderen Finanztiteln, als positiv. Neue Heraus- hin, dass das Bewertungsniveau gestiegen sei, ohne dass sich forderungen 36 % sind bereits in 36den % Kursen enthalten, weshalb die Gewinne merklich erhöht hätten. Den Anstieg dürfte der der Versicherungssektor als unterbewertet betrachtetsehr wirdbedeutend Umstand begünstigt haben, dass einige Versicherer Angaben (Notierungen unter dem Embedded Value). In Zukunft eher wirdbedeutend zum Ergebnis des Solvenztests publizieren, was zu einer mit einer Bewertungsanpassung beim Price-Earnings Ratio Stärkung des Vertrauens geführt hat. Eine andere Erklärung eher nicht bedeutend (P/E) und Kursgewinnen gerechnet. Die Befragten sind der liegt darin, dass Anleger innerhalb der Finanzbranche vermehrt Meinung, die Versicherer seien in der Finanzkrise zu Unrecht zwischen Banken und Versicherungen unterscheiden, gerade abgestraft worden. 28 % Die Unternehmen beweisen ihre Solidität was die operationellen und Compliance-Risiken betrifft. durch eine stabile und hohe Dividende. Grundsätzlich sind Dividendenrendite und Combined Ratio die zwei wichtigsten Indikatoren, welche die Kapitalmarktbewertung beeinflussen. Einige Befragte räumen allerdings ein, dass sie eine Versiche- Price-Earnings Ratio rungsaktie mit Fokus Nicht-Leben derjenigen mit Fokus Leben 14 vorziehen würden. 12 Attraktivität der Versicherungsaktien relativ zu anderen Attraktivität der Versicherungsaktien relativ Finanztiteln 10 zu anderen Finanztiteln 8 7% 6 13 % 4 Sehr attraktiv sehr attraktiv Attraktiv 2 20 % attraktiv Gleich bleibend 0 gleich bleibend Weniger attraktiv 06 07 08 09 10 11 12 13 14 weniger attraktiv 60 % P/E-Durchschnittswerte P/E Durchschnittswerte dervon Allianz, Axa, börsenkotierten Baloise, Gesellschaften, Generali, Helvetia, die an der Studie Swisslife und teilgenommen habenVaudoise (Allianz, AXA, Baloise, Generali, Helvetia, Swiss Life und Vaudoise) Die Demographie erfordert grundlegende Anpassun Geschäftsmodells 22 % 57 % 21 % EY Versicherungsbarometer 2014 | 21
«Als Arbeitgeber haben wir sicher davon profitiert, dass Banken ein Imageproblem hatten und Stellen abgebaut haben.» Herausforderung 3: Demographie – Chance oder Bedrohung? HINTERGRUND Bevölkerungsanstieg und Urbanisierung. Der zweite grosse Treiber der demographischen Entwicklung liegt im Bevölke- Die demographische Entwicklung in der Schweiz zeichnet rungswachstum. In den letzten 50 Jahren ist die Schweizer sich durch zwei Bewegungen aus: Die Überalterung der Bevölkerung so stark gewachsen wie noch nie: Seit 1960 ist Gesellschaft nimmt zu, gleichzeitig wächst die Bevölke- die Einwohnerzahl um 30 Prozent gestiegen und hat 2012 die rung, verstärkt in urbanen Gebieten. Grenze von 8 Millionen überschritten. Zwei Drittel des Überalterung der Gesellschaft. Von 1960 bis 2010 ist die konstant starken Bevölkerungsanstiegs in der Schweiz sind Lebenserwartung der 65-Jährigen stark gestiegen, bei eine Folge der Zuwanderung, ein Drittel ist auf den Geburten- Frauen von 15,2 auf 22,2 Jahre, bei Männern von 12,9 überschuss zurückzuführen. auf 18,9 Jahre.16 Diese Entwicklung wirkt sich vor allem Parallel zum Bevölkerungswachstum ist in der Schweiz auf das Lebengeschäft aus. Aufgrund der steigenden eine vermehrte Urbanisierung zu beobachten. Seit Ende Lebenserwartung müssen Renten länger ausbezahlt der 1990er-Jahre steigt die Einwohnerzahl in städtischen werden, zudem beginnt nun die Generation der Babyboo- Gebieten stärker als in ländlichen.18 Die Stadtflucht, die ab mer das Rentenalter zu erreichen – beides mit direkten 1960 zu einer deutlichen Bevölkerungsabnahme in den Folgen für die Altersvorsorge. Die Überalterung gefährdet Zentren geführt hatte, kehrt sich nun wieder um. Dies die drei Säulen der Altersvorsorge, die berufliche und zeigt sich exemplarisch in Zürich, wo die Wohnbevölke- private Vorsorge wie auch die AHV. In der beruflichen rung seit 1997 wieder kontinuierlich zunimmt und Ende Vorsorge werden die Berufstätigen aufgrund des hohen 2013 knapp 400‘000 Einwohner erreicht hat, so viele wie Umwandlungssatzes heute gezwungen, die Rentenleistun- seit 1974 nicht mehr.19 Die Urbanisierung führt zu einer gen mitzufinanzieren. Bei den Einzellebensversicherungen erhöhten Konzentration von Vermögenswerten in den verrechnen Versicherer aufgrund der höheren Lebenser- Zentren. Aus einer Risikoperspektive ist dies vor allem bei wartung zusätzliche Prämien, was die Attraktivität der grossen Schadenereignissen relevant; im Vordergrund Produkte senkt. Die demographischen Verschiebungen stehen dabei Naturkatastrophen wie Erdbeben oder bedrohen auch die AHV. Bereits ab dem Jahr 2020 Stürme. Angesichts aktueller Klimaszenarien, die eine werden die Finanzen der AHV voraussichtlich aus dem Zunahme extremer Wetterereignisse voraussagen, kann Gleichgewicht geraten.17 Mit der «Altersvorsorge 2020» dies im Schadengeschäft Chancen eröffnen. Veränderun- versucht der Bundesrat, die in den letzten 15 Jahren gen zeichnen sich auch bei Motorfahrzeugversicherungen blockierte Sanierung von AHV, beruflicher und privater ab: Vor allem in den Städten werden in privaten Motor- Vorsorge voranzubringen (siehe Herausforderung 1: fahrzeugen weniger Kilometer zurückgelegt und auch die Regulierung). Zulassungen gehen zurück. Diese Entwicklung, «Peak Car» genannt, deuten Fachleute als Beleg, dass der Individualverkehr etwa in Deutschland, Österreich und der Schweiz seine Wachstumsspitze erreicht hat. Carsharing Angebote setzen sich durch, weshalb Versicherer ver- mehrt über neue (mobil buchbare) Kurzzeitversicherun- gen nachdenken sollten. 20 «Durch die starke Zuwanderung ist der demographische Wandel momentan noch kein Problem.» 22 | EY Versicherungsbarometer 2014
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