Wachsendes Leben - Evangelisch-reformierte Landeskirche ...

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Wachsendes Leben - Evangelisch-reformierte Landeskirche ...
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                                                                                  Post CH AG
Kirchenblatt für die Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden beider Appenzell    AZB 9100 Herisau

                                                                          April 2022 Nr.4 109. Jahrgang

                                2
         -S o m m e rlager 202
     KiK
                  nmeldung
     Infos und A
                                                                        Wachsendes Leben
                                       ite 16
                          m ehr auf Se
      
Wachsendes Leben - Evangelisch-reformierte Landeskirche ...
Biblische Betrachtung

                                Es wächst von selbst!
                «Und Jesus erzählte ihnen ein Gleichnis: Mit dem                  Entscheidungen stehen an. Wie will ich leben? So wei-
                Reich Gottes ist es so, wie wenn einer Samen auf das              ter wie bisher? Oder will ich etwas ändern? Höre ich
                Land wirft; er schläft und steht auf, Nacht und Tag. Und          einen Ruf für mein Leben? Diesem Jesus hinterher sei-
                der Same sprosst und wächst empor, er weiss nicht wie.            nen Gott glauben?
                Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm,                  Gewohnheiten ändern sich. Vielleicht auch der Um-
                dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Wenn              gang mit Menschen. Ich werde nicht mit allen, mit de-
                aber die Frucht es zulässt, schickt er sogleich die Sichel,       nen ich vorher im Kreise der Spötter sass, weiterhin
                denn die Ernte ist da.» (Markus 4, 26-29)                         Kontakt haben.
                   Vergleichen wir. Wie wächst das Reich Gottes? Wer                 Und schliesslich wird Gott selbst auch aus mir he-
                geht da los und wirft Samen auf die Erde? Versuchen               raus wachsen und Frucht werden. Wenn sein Reich in
                wir es so: Der, der da geht, das ist Gott. Und die Erde,          mir Wirklichkeit wird, schwappt es über mich hinaus.
                das bin ich. Der Same ist das Wort, das Gott in mich,             Erfasst vielleicht auch andere Menschen. Halm. Ähre.
                in meine Seele, hinein fallen lässt. Bis auf den Grund.           Das volle Korn.
                Das Wort, das mich anspricht. Und das ich mir nicht
                selbst sagen kann.                                                Und dann kommen wir zur zweiten Ebene
                   Meistens braucht es Zeit, bis ich das Wort wirklich            des Gleichnisses:
                und wirksam aufnehmen kann. Bis ich es erfasse. Wie               Wenn Gott in mir Früchte trägt, werde ich selbst auch
Das Reich       das vor sich geht? Das muss ich nicht wissen. «Er weiss           zu einem Menschen, der Samen auf die Erde anderer
Gottes wächst
                [auch] nicht wie.» Das Wort schlägt Wurzeln. Und ich              Menschen wirft. Ich versuche in meinem Umfeld wei-
von selbst.
Und die         lasse wachsen, was Gott in mir angelegt hat. So wird              ter zu sagen, was ich selbst erfahren habe. Ich lebe die
Kirche?         das Reich Gottes in mir reifen. Mich verwandeln. Mir              Freiheit, zu der ich befreit worden bin.
Quelle: sy      neue Möglichkeiten für mein Leben zeigen.                            Und dann bleibt mir auch nicht viel mehr übrig, als
                                                                                  abzuwarten, ob die Frucht aufgeht. Es macht keinen
                                                                                  Sinn, wenn ich dienstags durchs Dorf gehe und gucke,
                                                                                  ob meine Predigt vom Sonntag schon Früchte trägt. Das
                                                                                  Gras wächst nicht schneller, wenn ich am Halm ziehe.
                                                                                     Der Samen, den wir stellvertretend für Gott in den
                                                                                  Acker eines anderen Menschen legen, braucht Zeit.
                                                                                  Wenn ich KonfirmandInnen einige Jahre später sehe,
                                                                                  merke ich, dass da der Same aufgeht. Das ist ganz
                                                                                  schön zu bemerken.
                                                                                     Und wenn die Zeit reif ist, kommt die Ernte. Dann
                                                                                  wächst das Reich Gottes unaufhörlich.
                                                                                     Dieses Gleichnis von der selbstwachsenden Saat ist
                                                                                  mir eines der liebsten. Voller Gelassenheit. Ein Mensch
                                                                                  tut, was zu tun ist. Und dann wartet er ab. Sein Tun
                                                                                  bleibt nicht ohne Wirkung. Die Frucht wird aufgehen.
                                                                                  Die Ernte rückt näher. Manchmal ist sie reich. Manch-
                                                                                  mal karg. Was soll’s! So ist das Leben. Das gilt es zu
                                                                                  akzeptieren.
                                                                                     Es liegt nicht alles in meiner Hand. Ehrlicherweise
                                                                                  eigentlich sogar nur sehr wenig. Und es liegt auch nur
                                                                                  sehr begrenzt an mir. Aktionismus führt nicht ans Ziel.
                Gott selbst ist in mir am Werk. Lässt mich dabei in                  Stattdessen lernen wir zu vertrauen. Gottes Samen
                Ruhe. Damit von alleine wächst, was Gott mit mir vor-             geht in uns auf. Wir tragen Früchte. Und die vollen
                hat. Gott vertraut der Wirkung des Samens. Er lässt mir           Körner der Ähre werden für andere zu Samenkörnern.
                Zeit, damit ich mein Potential entfalte. Kann ich bei             Sie sind nahrhaft. Wir backen daraus sattmachendes
                dem Ganzen mehr tun als abwarten, dass Gott, dass                 Brot. Oder süssen Kuchen.
                sein Reich in mir wächst?                                                                                     Lars Syring

MAGNET Nr.4/2022                                                              2
Wachsendes Leben - Evangelisch-reformierte Landeskirche ...
Editorial

          Impressum                Liebe Leser:innen
 Kirchenblatt für die Evan-
 gelisch-reformierten Kirch-       Es wird Fühling. Unaufhaltsam wandert die Sonne nordwärts,
 gemeinden beider Appenzell        nimmt das Licht zu und mit ihm die Wärme, welche dafür
 (erscheint monatlich)
 Herausgegeben im Auftrag
                                   sorgt, dass die Kleidung leichter wird. In diesen Tagen wach-
 der Synode der Evangelisch-       senden Lebens sitzt im kirchlichen Jahreslauf das Osterfest.
 reformierten Landeskirche
 beider Appenzell
                                   Der Magnet in Ihren Händen ist also die Osternummer. Wir
 Redaktionskommission              versuchen mit unseren Beiträgen so etwas wie Ostergeschichten
 Judith Husi­stein, Stein (jh);    zu erzählen. Es geht dabei um Wachstum, was im Frühling ja
 Isabelle Kür­steiner, Walzen-                                                                       Heinz Mauch-Züger, Mitglied
 hausen (iks); Heinz Mauch-        naheliegend ist.
                                                                                                     der Redaktionskommission
 Züger, Stein (hmz); Jonathan         Vom Umgang mit Holz als Gewachsenem aus der Natur
 Németh, St.Gallen (jn); Annette
 Spitzenberg, Präs., Reute-        bis hin zum Wachstum von dem, was wir Seele nennen. Wie
 Oberegg (as); Lars Syring,        bereits erwähnt sind es Ostergeschichten. Sie wollen Sie ein-
 Bühler (sy)
 Redaktion
                                   laden, die Ostermomente im eigenen Leben aufzuspüren. Wo
 Karin Steffen (ks)                brachte der Tod, das Loslassen, das Verlassen den notwendigen
 Oberer Rickenbach 3
 9411 Schachen b. Reute
                                   Neuanfang? Wo blieben Dunkelheit und Tod hängen als läh-
 Tel. 071 891 64 14                mende Last? Was könnte Neuanfang und damit Auferstehung
 magnet@ref-arai.ch
                                   werden? Mit der Coronapandemie und dem Krieg in der
 Magnet-Download
 www.ref-arai.ch                   Ukraine ist das Bewusstsein der Gefährdung auch bei uns
 Produktion                        wieder stärker geworden. Diese Gefährdung wird durch den
 Appenzeller Druckerei AG,         Klimawandel noch um einiges zunehmen. Karfreitag und
 9100 Herisau
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                                   Ostern sind ein entschiedenes Nein an das Gejammer und die
 Sie bitte direkt der örtlichen    hin und her geschobenen Schuldzuweisungen. Sie sind ein ent-
 Kirchgemeinde
                                   schiedenes Ja für Neuanfänge, für ein Lernen, das nicht darauf
 WEMF
 Beglaubigte Auflage 3300          basiert, dass wir das Leben einfach im Griff haben. Dass wir
 Magnet online                     um die Gefährdungen wissen und trotzdem darauf vertrauen,
 www.magnet.jetzt
 www.ref-arai.ch
                                   dass Leben möglich ist.
                                      Karfreitag und Ostern sind eine Zumutung – genau wie
                                   Weihnachten und Pfingsten. Man kann diese Erzählungen
                                   billig als unlogisch und veraltet abstempeln. Das ändert nichts
                                   an ihrer Intention unsere Wahrnehmung zu relativieren und
                                   uns einzuladen, mehr zu sehen als das, was die Wissens-
                                   industrie gerade portiert. Wachstum von Wahrnehmung über
                                   rationale Welterklärung hinaus. Frühling im Kopf und im
                                   Herzen ist ohne Winter nicht zu haben. Leere Gräber
                                   ermöglichen Neuanfänge. Na dann, nichts wie los!
                                   Das Redaktionsteam wünscht Ihnen frohe Ostertage!

Titelbild: Gemeinsam wachsen
Bild: Jonathan Németh

                                                             3                                                  MAGNET Nr.4/2022
Wachsendes Leben - Evangelisch-reformierte Landeskirche ...
Thema

         Wachsen und Reifen im Glauben
                  Kann man das, im Glauben wachsen? Ist Glaube                   Fowler untersucht, der sechs Stufen entwickelte und
                  nicht etwas, das man «hat» oder eben nicht? Of-                sich auf den amerikanischen Psychoanalytiker und
                  fensichtlich ging Paulus davon aus, dass man es                Entwicklungspsychologen Erik H. Erikson bezog. Die
                  kann.                                                          Idee, die Glaubensentwicklung eines Menschen in
                                                                                 Stufen einzuteilen, hat etwas Richtiges und etwas Be-
                  Offensichtlich ging Paulus davon aus, dass man es kann.        grenzendes. Stufenmodelle können dazu verleiten,
                  Nicht nur hätte er sonst keine Briefe geschrieben, viel-       von einer (vielleicht nur vermeintlich) höheren Stufe
                  mehr wendet er sich folgendermassen an die Korinther:          herunter zu schauen auf andere mit tieferer Stufe.
                  1 Doch, ihr Geschwister, ich konnte zu euch nicht als          Nicht zuletzt deswegen haben sich die Korinther ve-
                  Geistmenschen reden. Ihr wart Kinder eurer Zeit,               hement gegen die Belehrungen des Paulus gewehrt –
                  Säuglinge in Christus. 2 Muttermilch habe ich euch zu          was uns den zweiten Korintherbrief schenkte. Die
                  trinken gegeben, nicht feste Nahrung. Ihr wart noch            Entwicklung von Stufenmodellen geschieht ausser-
                  nicht so weit und seid es auch jetzt noch nicht. 3 Denn        dem nie losgelöst von derjenigen Person, die sie er-
                  ihr lebt noch gefangen in euren Begrenzungen.                  forscht und entwickelt. Ein Modell hat geschlechtsspe-
                  Das sind harte Worte. Und sie stiessen damals nicht auf        zifische, kulturspezifische und zeitbedingte Aspekte.
                  Zustimmung bei den Empfängern! Wenn ich meine ei-              Umgekehrt ist die Vorstellung einer Glaubensreifung
                  gene religiöse Biographie anschaue, nehme ich wahr,            mittels Stufen eine grosse Inspiration und Einladung,
                  wie viel sich verändert hat in der Art, wie ich heute          den Glauben nicht als etwas Statisches anzusehen,
                  glaube im Vergleich zur jungen Studentin oder zum              sondern darin zu wachsen. Ausserdem heisst echte
                  Kind. Da gibt es bleibende Wurzeln, die nähren und             Reife, vergangene Stufen zu integrieren, nicht abzu-
                  tragen. Doch anderes hat sich sehr verändert und wird          werten, weder bei sich noch bei anderen. Auf jeder
                  es weiterhin tun.                                              Stufe gibt es wichtige Gottesbilder.

                  Entwicklung und Reifung                                        Im Folgenden möchte ich Ihnen die Stufen kurz vor-
                  Dass unsere Spiritualität und unser Glaube Reifepro-           stellen.
                  zessen unterworfen ist, hat u.a. der Methodist James
                                                                                 Stufen des Glaubens
                                                                                 Stufe 0: Vorsprachlicher Glaube
                                                                                 Säugling. Vertrauen, Mut, Hoffnung, Liebe sind mitei-
                                                                                 nander verschmolzen. Hier wächst das, was wir als
                                                                                 Urvertrauen bezeichnen. Wenn es beeinträchtigt ist,
                                                                                 werden es auch die folgenden Stufen sein. Gottesbil-
                                                                                 der: Gott als nährend, als Urgrund, der mich trägt, als
                                                                                 mir fremdes Du, das mich liebevoll bejaht, als Objekt
                                                                                 meines Vertrauens, als Licht, als Wasser, als Mutter.

                                                                                 Stufe 1: Intuitiver Glaube
                                                                                 Kleinkind. Phase der Phantasie. Gott wird integriert in
                                                                                 die eigene Einbildungskraft und kann als Zauberer er-
                                                                                 scheinen. Wenn in diesem Alter angstmachende Got-
                                                                                 tesbilder vermittelt werden, wirkt sich dies fatal aus.
                                                                                 Gottesbilder: Gott als Schöpferin, als Wunscherfüller,
                                                                                 als Beschützerin, Gott im Himmel, Gott wie Luft.
Führen die
Stufen des
Glaubens in
                                                                                 Stufe 2: Wörtlicher Glaube
die Höhe oder                                                                    Schulkindalter. Auf dieser Stufe ist das Kind fähig, das
in die (eigene)                                                                  Wirkliche vom Scheinbaren zu trennen. Die ausglei-
Tiefe? Ist der                                                                   chende Gerechtigkeit ist wichtig. Übertragen auf den
Weg wirklich                                                                     Glauben: ich verspreche Gott eine Gegengabe, wenn
linear und
                                                                                 er mir dafür in einer bestimmten Aufgabe hilft. Men-
geht nur in
eine Rich-                                                                       schen übernehmen Glaubensinhalte und moralische
tung?                                                                            Regeln, die wörtlich interpretiert und nicht hinterfragt
Quelle: as                                                                       werden. Entwickelt sich der Glaube von dieser Stufe

MAGNET Nr.4/2022                                                             4
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Thema

aus nicht weiter, kann Fundamentalismus das Ergebnis              in jedem Mitmenschen, als Kraft, als Gerechtigkeit, der
sein. Gottesbilder: Gott als Heiliger, als Weltenherr-            Gott meiner Hingabe, Gott in der Natur, der Gott mei-
scher, als Vergebende, als derjenige, der das Beste tut           nes Nichtwissens, Gott als Schönheit, als Weisheit, als
und mein Bestes will, als Handelspartner, als Sinnstif-           Liebe, sowohl personal als auch apersonal, der Gott
terin, als Regelgeber (sorgt für eine gute Ordnung auf            meiner Kindheit, Gott in der Tiefe, Gott als Leere und
der Welt).                                                        Fülle.

Stufe 3: Konventioneller Glaube
Jugendliche. Auf dieser Stufe kann ich mehrere Perso-
nen betreffende Perspektiven übernehmen (Peer-
group). Es werden Wertesysteme der Gruppe über-
nommen, ohne sie selbst überprüft zu haben mit eigen-
ständigem Urteil (d.h. ich bin auch abhängig vom Wer-
tesystem meiner Gruppe oder Autorität). Man muss
nicht religiös sein, um auf dieser Stufe zu glauben. Ich
kann auf dieser Stufe ein Wertesystem übernehmen,
welches Religion als etwas für Heuchler und Frömmler
ansieht. Stufe 3 ist im Erwachsenenalter oft vertreten,
auch Gemeinschaften und Kirchen können solche Stu-
fenmodelle vertreten resp. vorleben. Gottesbilder:
Gott, die mich führt, begleitet, trägt, kennt, liebt, be-
jaht, der ich mein Herz ausschütten kann, als mein
(Weg)Gefährte und Freund, als meine oberste Autori-
tät, Gott als der Gott meiner Gruppe, Gemeinschaft
oder Nation.

Stufe 4: Reflektierender Glaube
Junge Erwachsene. Auf dieser Stufe ist eine neue Indi-
vidualität wichtig, man kann über die eigene Person
nachdenken und beginnt, der eigenen Urteilsfähigkeit
zu vertrauen. Der eigene Glaube wird kritisch reflek-
tiert. Er hängt nicht mehr davon ab, ob etwas genauso
historisch passiert ist oder nicht. Bewusstheit ist wich-
tig. In der kritischen Durchdringung und in der Ana-
lyse liegt die Stärke dieser Stufe. Hier gilt ein Entweder-
Oder. In diese Stufe gehört auch der atheistische
Glaube: entweder gibt es Gott (das verneint er), oder
es gibt ihn nicht. Gottesbilder: Gott, der sich in Frage
stellen lässt, als Vertraute, als Gesprächspartner, als
Objekt meiner Neugierde, meiner Kritik, als Triebkraft
zum eigenständigen Handeln, als unendliche Möglich-               Stufe 6: Universaler Glaube                                Im Frühling
keit des Entdeckens und Forschens.                                Stufe der Mystik und Erleuchtung. Hingabe an Gott          treibt das
                                                                                                                             Leben immer
                                                                  und Gerechtigkeit, frei von Angst um das eigene Wohl.
                                                                                                                             wieder neu
Stufe 5: Verbindender Glaube                                      Vollkommenes Vertrauen zum Ursprung des Seins.             aus, ein
Erwachsene. Auf dieser Stufe ist es möglich, über das             Freundschaft mit Menschen jeglicher Glaubensstufe          zyklisches
Entweder-Oder der Logik hinauszugehen. Der Physi-                 und Glaubens. Menschen mit Nahtoderfahrungen ent-          Verständnis
ker Niels Bohr fand heraus, dass sich Licht sowohl als            wickeln manchmal solche Form von Spiritualität. Got-       des Lebens
Teilchen als auch als Welle manifestiert, obwohl sich             tesbilder: Gott der Zukunft, als Urgrund des Seins, als    und Reifens.
                                                                                                                             Quelle: as
beides gegenseitig ausschliesst. Man kann ähnliche Wi-            radikale Liebe, als letzte, unergründliche Wahrheit, als
dersprüche in Gottesbildern und im eigenen Glauben                universale Kraft, als Kommende.
aushalten und etwas von verschiedenen Seiten zu-
gleich sehen. Es ist ein verbindender Glaube des so-              Es ist unser Leben inmitten unseres Alltags, welches
wohl-als auch. Der Glaube gibt dem Unterbewusstsein               uns zum Wachsen und Reifen einlädt, auch im Glauben.
Raum, da er weiss, dass das Bewusstsein nur einen                 Das geschieht nicht automatisch, mir hilft die Hingabe,
kleinen Teil ausmacht. Er ist empfangend, lässt Gott              damit sich meine Begrenzungen immer wieder weiten.
wirken und erfährt, dass ich auf die Welt wirke und sie
auf mich zurückwirkt. Gottesbilder: Gott in mir, Gott             	                                   Annette Spitzenberg

                                                              5                                                       MAGNET Nr.4/2022
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Thema

                           Das leise eigene Herz
                           wieder hören lernen
                                   Beratungsstelle für Einzelpersonen, Paare und Familien

             Für Andrea Imper Kessler, Psychotherapeutin FSP
             der Evangelisch-reformierten Einzel-, Paar- und Fa-
             milienberatung, bedeutet das Leben Veränderung, in
             einem selbst, in seinem Gegenüber und daraus
             schliessend auch in seinen Interaktionen: Das Ich,
             das Du und das Dazwischen entwickeln sich und
             wachsen.

             Auch aus der sozialen Umgebung kommen Impulse /
             Wachstumsanreize, die Reaktionen erfordern. Das
             bringt mit sich, dass von Zeit zu Zeit Anpassungspro-
             zesse nötig sind. Diese können erfreulich und rei-
             bungslos verlaufen oder als Krisen oder Krisenzeiten
             erlebt werden. Die mit einer Krise verbundenen Ver-
             änderungen belasten die Beteiligten und gehen meist
             mit existentiellen Verunsicherungen und Ängsten ein-
             her.

             Sich wert sein
             In die Beratung zu Andrea Imper Kessler kommen in
             der Regel Personen, die in einem dieser Anpassungs-
             prozesse stecken und sich selbst als in einer Krise ste-
             hend beschreiben. «Wenn diese Personen in meinem
             Beratungsraum sitzen, haben sie einen zentralen, äus-

              Es gilt, eine Ausgewogenheit
              zwischen geben und nehmen
              zu finden.

             serst wichtigen Schritt bereits geleistet: Sich selbst
             wahrnehmen, sich ernst nehmen und sich wert sein»,
             weiss Imper Kessler. Diese Menschen sind auf dem
             Weg, sich mit einer Veränderung auseinanderzusetzen,
             eine Veränderung anzustreben und sich dabei Hilfe              Beratungsstelle bietet passende Werkzeuge an              Jene Men-
             und Unterstützung zu holen. Die Psychotherapeutin              Auf diesen ersten Schritt folgen weitere Schritte. Es     schen sind im
                                                                                                                                      Vorteil, die
             hat gegenüber diesem Schritt höchste Achtung. Oft sei          wird Momente des Stolperns, des Wiederaufrappelns
                                                                                                                                      das eigene
             den Personen gar nicht bewusst, was sie bis zu diesem          und des Zweifelns geben. Für diesen Prozess steht der     Herz wieder
             Punkt bereits geleistet haben. Als umso wichtiger be-          Beratungsraum und die fachlichen sowie persönlichen       hören lernen.
             urteilt sie, die Menschen auf diese in ihnen liegende          Kompetenzen der Beratungsstelle zur Verfügung. In         Quelle: Nick
                                                                                                                                      Fewings,
             Ressource hinzuweisen, diese zu betonen und zu wür-            welche Richtung jemand sich verändern will, wird von
                                                                                                                                      unsplash.com
             digen, um die Personen zu stärken und dadurch bereits          jeder der Personen selbst definiert. Die Arbeit von An-
             wirksam zu sein.                                               drea Imper Kessler besteht darin, Unterstützung und

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Thema

Werkzeuge anzubieten und den Prozess zu begleiten.
Häufig steht am Anfang eine Standortbestimmung. Wer
und wo bin ich? Was sind meine Werte? Woraus
schöpfe ich Kraft? Anschliessend folgt ein in die Zu-
kunft schauen. Wo will ich hin? Was sind meine Wün-
sche? Was sind meine Vorstellungen? Dabei steht die
Aufgabe im Zentrum, sich wieder seiner selbst bewusst
zu werden. Da das Leben einem immer wieder Verän-
derungen bietet oder dazu zwingt, teils bewusst, teils
auch unbewusst, ist es wichtig, sich immer wieder neu
anzusehen, Zeit mit sich selbst zu verbringen und die
eigene Entwicklung zu beobachten. Aus der Sicht von

 Akzeptanz bedeutet ein
 grosses, inneres Wachstum.

Andrea Imper Kessler sind deutlich jene Personen im
Vorteil, die das vergleichbar leise eigene Herz in einem
Durcheinander von hektischem Stimmengewirr aus
Ratschlägen, Angeboten und Anforderungen wieder
hören lernen.

In einer Krise steht Wachstum bzw. Veränderung an                  Andrea Imper Kessler ist eidgenössisch aner-
Auf der Beratungsstelle melden sich häufig Paare. Das              kannte Psychotherapeutin FSP und zusammen
macht die Beratung insofern anspruchsvoll, da in einer             mit Achim Menges Teil des Teams der Evange-
Krise sowohl beim Paar (in der Beziehung, im Dazwi-                lisch-reformierten Einzel-, Paar- und Familienbe-
schen) wie auch bei jeder einzelnen Partnerin und je-              ratung in St. Gallen. Die Beratungsstelle wird ge-
dem einzelnen Partner Wachstum bzw. Veränderung                    tragen von Evangelisch-reformierten Kirchge-
ansteht. Es gilt aus dem Schema «aber du musst … »                 meinden und der Evangelisch-reformierten Kir-
rauszufinden und den Blick auf das Ich, Du und Wir zu              che des Kantons St. Gallen sowie von der Evange-
                                                                   lisch-reformierten Landeskirche beider Appen-
                                                                   zell. Das erste Gespräch ist für die Bewohnerin-
 Sich selbst wahrnehmen,                                           nen und Bewohner aus diesen Gebieten kosten-
                                                                   los. Für weitere Gespräche wird eine dem Ein-
 sich selbst ernst nehmen                                          kommen und der familiären Situation angepasste
                                                                   Kostenbeteiligung verrechnet. Weitere Informa-
 und sich wert sein.                                               tionen auf: www.miteinander-leben.ch

lenken, sich seiner eigenen Gefühle und Bedürfnisse            dass ich mich nicht genug angestrengt habe, dass ich
bewusst zu werden, sich diese in einer respektvollen,          nicht hart genug für meine Ziele gearbeitet habe. In
sorgfältigen Kommunikation mitzuteilen sowie für die           den Beratungen stehen Personen häufig an Punkten,
Beteiligten eine Ausgewogenheit zwischen Geben und             wo es nicht mehr um das Optimieren im Aussen geht,
Nehmen zu finden.                                              sondern im Finden einer Akzeptanz, etwas nicht mehr
                                                               verändern/beeinflussen zu können (z.B. Krankheit,
Akzeptanz aufbauen                                             Verlust, Trennung). In den Beratungen ist es wichtig
Beim Thema Wachstum schwingt auch eine Art von                 aufzuzeigen, dass das Aufbauen einer Akzeptanz einer
(Selbst-)Optimierung mit – besser, höher, schneller.           unveränderbaren Situation ein sehr grosses, inneres
Wenn es keine Grenzen mehr gäbe und ich alles schaf-           Wachstum bedeutet.
fen könnte, würde das bedeuten, dass ich versagt habe,                                              Andrea Imper Kessler

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                                          Auf dem Holzweg
                    Wälder als hochkomplexe Lebensräume oder ganz                trieb der Firma Hostetter, Zimmerei und Bauschreine-
                    einfach als Ressourcen für Rohstoffe. Das aufkom-            rei, mit vier Mitarbeitern übernehmen. Mittlerweile
                    mende industrielle Denken im 19. Jahrhundert hat             arbeiten über hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
                    die Erde in einen blossen Ressourcenlieferanten ver-         ter im Betrieb.
                    wandelt. Da Zeit Geld ist, wurden solche Ressourcen             Die Frage nach seiner Beziehung zum Baustoff Holz
                    bevorzugt, die rasch verfügbar waren. Das war auch           beantwortet Hannes Nägeli mit dem Blick zurück in
                    bei der Ressource Wald und damit beim Holz bis in            seine Kindheit: «Schon als Bub bin ich sehr gern im
                    die jüngste Zeit nicht anders. Doch allmählich greift        Wald gewesen. Mir hat die Atmosphäre dort immer
                    ein neues Denken um sich, das andere Zusammen-               sehr gefallen. Hütten bauen, beobachten, auf die Ge-
                    hänge in den Vordergrund stellt. Auch im Appenzel-           räusche des Waldes hören.» Die Verbundenheit mit der
                    lerland.                                                     Natur, im Besonderen mit dem Lebensraum Wald ist
                                                                                 geblieben.
                    Mir gegenüber sitzt Hannes Nägeli, 59-jährig, Inhaber           Die Art, wie Hannes Nägeli über den Wald und die
                    und Geschäftsführer der Nägeli AG, Holz- und Innen-          Bäume spricht, überrascht. Als Holzverarbeitungs-
                    ausbau mit Betrieben in Gais und Speicher. Als gelern-       betrieb könnte er vor allem daran interessiert sein, den
                    ter Schreiner Meister konnte er im Jahr 1988 den Be-         Werkstoff Holz möglichst günstig zu erwerben und kos-
                                                                                 tensparend zu verarbeiten. Natürlich gibt es unterneh-
                                                                                 merische Rahmenbedingungen, diese ordnen sich je-
                                                                                 doch den grundlegenden Werten der Firma unter.

                                                                                 Wertschöpfung
                                                                                 Diese Werte lauten: Wertschätzung, Respekt, Liebe
                                                                                 und Achtsamkeit. Und diese Werte beginnen bei den
                                                                                 Bäumen nicht erst in der Verarbeitung des Holzes. Sie
                                                                                 beginnen dort, wo der Baum steht. «Wenn ein Baum
                                                                                 zum Fällen gekennzeichnet wird», so Hannes Nägeli,
                                                                                 «dann ist das eine Annäherung an ein Lebewesen. Es
                                                                                 ist eine Wahl, die mit Respekt getroffen wird.» Diese
                                                                                 Haltung findet ihre Fortsetzung im Umgang miteinan-
                                                                                 der im Betrieb und im Umgang mit den Kunden.
                                                                                    Die Firma Nägeli verarbeitet zum grössten Teil
                                                                                 Fichte (Rottanne) und für den Innenausbau kommt die
                                                                                 Weisstanne zum Zug. Die Bäume werden in der Region
                                                                                 geschlagen und nicht von weit her herangekarrt. «Das
Hannes
Nägeli,               *Mondholz
Inhaber und
Geschäftsfüh-
                      Der Begriff Mondholz meint, dass die Bäume nur
                      zu gewissen Zeiten, das ist jeweils kurz vor dem                   Der Wald lehrt uns viel
rer der Nägeli
AG in Gais
                      Neumond vor Weihnachten und Anfang März ge-
                      schlagen werden. Mit der aufkommenden Wis-
                                                                                         über das Leben.
und Speicher.
                      senschaft wurde diese Vorstellung in den Volks-
Quelle: Nägeli AG
                      glauben verwiesen, da keine eindeutigen Unter-             war doch früher auch schon so. Man hat die Materia-
                      schiede zu anderem Holz festgestellt werden                lien verwendet, die in nützlicher Reichweite lagen»,
                      konnten. In jüngerer Zeit haben Untersuchungen             sagt Nägeli. Daran orientiert er sich. Über die regionale
                      jedoch gezeigt, dass der Termin und die Art,               Nähe des Materials hinaus, achtet die Firma Nägeli da-
                      wann und wie der Baum geschlagen wird, tat-                rauf, dass das Holz nur zu den Zeiten geschlagen wird,
                      sächlich einen Einfluss auf die Beständigkeit des          wo es für das Holz am besten ist. Dieses sogenannte
                      Holzes haben können. Beim Schlagen achtet man
                                                                                 Mondholz* zeichnet sich aus durch bessere Beständig-
                      darauf, dass die Baumspitze talwärts zeigt und
                                                                                 keit. «Die Bäume auf unserer Höhe wachsen langsamer.
                      lässt den Baum mit den Ästen liegen. Nach gut 2
                      Monaten wird der Baum dann entastet und aus                Die Jahrringe liegen im Verhältnis zu Bäumen aus tie-
                      dem Wald geholt. Das Holz ist dann bereits recht           feren Lagen näher beieinander, was die Stabilität er-
                      trocken, da der Saft für die Ausreifung der Zapfen         höht», sagt Hannes Nägeli, «es ist eine Qualität, die
                      noch in die Äste transportiert wurde.                      jedoch ihre Zeit braucht». Er meint, dass sich Geduld
                                                                                 hier lohnt, wie in anderen Lebensbereichen auch.

MAGNET Nr.4/2022                                                             8
Wachsendes Leben - Evangelisch-reformierte Landeskirche ...
Thema

                Arbeit und Lebensphilosophie
                Die unternehmerische Einstellung verbindet sich bei
                Hannes Nägeli mit seiner Art der Weltanschauung. «Es
                ist ganz einfach», meint er. Einfachheit ist ein Stich-
                wort, das im Gespräch immer wieder auftaucht. Ein-
                fachheit verlangt jedoch eine Einstellung, die sich ein-                                                                  Modernste
                lässt mit den Gegebenheiten und dem Willen, genau zu                                                                      Technologie
                                                                                                                                          im Einsatz für
                beobachten. «Der Wald lehrt uns viel über das Leben.
                                                                                                                                          eine hochwer-
                Auch dort braucht es Vielfalt, damit die Schädlinge                                                                       tige Verarbei-
                nicht überhandnehmen. Einfalt mit Blick nur auf die                                                                       tung.
                Quantität und die Geschwindigkeit rächt sich. Effizi-                                                                     Quelle: Nägeli AG
                enz lohnt sich erst dann, wenn die Qualität stimmt.
                Deshalb kann weniger mehr sein», meint Hannes Nä-              Modernste Verarbeitungstechnik
                geli mit leichtem Schmunzeln.                                  Der Betrieb der Nägeli AG arbeitet mit modernsten
                   Als im 19. Jahrhundert das Holz mit der zunehmen-           Fertigungsmaschinen. Das Holz wird im Betrieb ge-
                den Industrialisierung und dem Bevölkerungswachs-              trocknet. Die Wärme entsteht durch die Verbrennung
                tum knapp geworden war, wurden vorwiegend Fichten              von Abfällen aus dem Betrieb und wird über die Firma
                angepflanzt. Harthölzer verschwanden in die unzu-              hinaus in umliegenden Gebäuden genutzt. Der Betrieb
                gänglicheren Tobel und steileren Hänge. In der zweiten         in Gais ist somit ein Energieversorger für Dritte.
                Hälfte des vergangenen Jahrhunderts setzte dann ein               Bei der Betriebsbesichtigung wird deutlich, dass die
                Umdenken ein, das mittlerweile in unseren Wäldern              Fertigungsabläufe mit Maschinen erfolgt, die den ho-
                mehr und mehr sichtbar wird. Nicht nur die Tanne,              hen Anforderungen an den zeitgemässen Holzbau ge-
                sondern auch Laubbäume sind häufig anzutreffen.                recht werden. Die Vorfertigung der Elemente auf der
                                                                               Basis von Detailplänen, die betriebsintern erstellt wer-
                                                                               den, garantiert hochwertige Bauteile. Nichts wird ver-
                                                                               leimt, zum Einsatz kommt nur Holz. In verschieden
                                                                               angeordneten Lagen werden die Fichtenelemente mit
                                                                               Buchendübel verbunden und lieferbereit verarbeitet.
                                                                               Auf den Baustellen werden sie dann von Nägeli oder
                                                                               hie und da auch von örtlichen Holzbauern zusammen-
                                                                               gefügt und sind bereit für den Innenausbau. Alle An-
                                                                               schlüsse sind erfasst und vorbereitet.

                                                                               Auf dem Holzweg
                                                                               Der Ausspruch «Auf dem Holzweg» taucht im späten
                                                                               Mittelalter auf und meint, sich auf einem Irrweg zu be-
                                                                               finden. Holzwege verbanden nicht zwei Ortschaften
                                                                               miteinander, sondern führten zu den Plätzen, wo Holz
                                                                               geschlagen und abtransportiert wurde. In diesem nega-
                                                                               tiven Sinn hat sich das Sprichwort bis heute erhalten.
                                                                               Wenn man einer Persönlichkeit wie Hannes Nägeli zu-
                                                                               hört, bekommt der Ausspruch jedoch eine etwas an-
                                                                               dere Bedeutung. Der Holzweg könnte ein Weg sein,
                                                                               wo verantwortungsvoll mit Ressourcen umgegangen
                                                                               wird. Der Wandel könnte so fundamental sein, dass das
                                                                               Sprichwort «Auf dem Holzweg sein» vielleicht zu einer
                                                                               grundlegend positiven Aussage wird und ersetzt wer-
                                                                               den muss durch «Auf dem Atomweg sein» oder «Auf
                                                                               dem Plastikweg sein». Und auch diese Sprichworte
                                                                               müssten nicht in alle Ewigkeit nur negativ behaftet
Die Unterneh-                                                                  sein, wie dasjenige mit dem «Holzweg» in unseren Ta-
menswerte                                                                      gen beweist. Die Nägeli AG steht für einen bewussten
in einer                                                                       Umgang mit der Ressource Holz. So braucht es für ein
Stuhllehne
                                                                               Einfamilienhaus im System «Appenzellerholz» gerade
im Eingangs-
bereich der                                                                    mal 10 Minuten, bis das dafür benötigte Holz nach-
Firma.                                                                         gewachsen ist.
Quelle: hmz                                                                                                          Heinz Mauch-Züger

                                                                           9                                                      MAGNET Nr.4/2022
Thema

    Gemeinsam mit Kindern wachsen
             Nun, was habe ich als Lehrer zum Thema «Wachsen»               meine Biologie-Skills hatten in etwa dasselbe beschei-
             überhaupt zu sagen? Sind Lehrer*Innen denn über-               dene Niveau.
             haupt die richtigen Leute, um übers Wachsen zu re-
             ferieren, wenn die meiste Zeit nur Lerninhalte behan-          Das fehlende innere Feuer
             delt werden?                                                   Meine kurze Auflistung zeigt, dass trotz aller Mühen
                                                                            meines Lehrers eigentlich nur das hängen blieb, was
             Viele Fragen rund ums Wachsen beschäftigen mich                von mir aktiv gemacht wurde. Da die ganze Theorie
             und begleiten mich im Alltag. Klar, Kinder wachsen,            meine persönlichen Interessen fast gar nicht tangierte,
             sie sind wie wir Teil der Natur. Auch das Gehirn               wurde Vieles verschüttet und ist oft früher als später
             wächst stetig. Erstaunlicherweise kommen mir trotz-            wieder in die unendlichen Weiten meines Unterbe-
             dem immer wieder nur Pflanzen in den Sinn, obwohl              wusstseins verschwunden. Von wachsen kann da keine
             das Thema eigentlich so vielschichtig ist. Am Schluss          Rede sein, es fehlte einfach das innere Feuer. Diese
             kreisen meine Gedanken um meine eigene Schulzeit,              Mechanismen zogen sich praktisch durch alle Fächer
             mein ErWachsen werden im Schosse der Bildungsins-              und über all die Jahren hin. Meine Lernstrategie war
             titutionen.                                                    so doof wie simpel: kurzfristig reinpauken und wie ge-
                                                                            wünscht abliefern. Viel zu selten lernte ich aus Lust
                                                                            und Freude, wenig wuchs in mir zu einer stattlichen
              Nicht formen sollen wir sie,                                  Pflanze, sondern war nur Mittel zum Zweck. Meine
                                                                            eigene Schulkarriere verlief jedoch problemlos und ei-
              sondern ihnen Vorbild sein.                                   nigermassen erfolgreich, schaffte ich es ohne viel Auf-
                                                                            wand immerhin zum Primarlehrer. Eigentlich mehr
                                                                            aus Zufall und doch wurde aus einem Beruf für mich
             Lerninhalte pauken                                             eine Berufung.
             Ich beginne mit dem Fach Biologie, passt ja einfach zu
             gut. Es wurde uns während des Studiums, neben all              «Müssen» verhindert das «Wachsen»
             den anderen Fächern, auch vier Jahre lang unterrichtet,        Kinder lernen grundsätzlich gerne, doch beschleichen
             und da und dort hat es ein Wissens-Brocken auch in die         mich immer wieder Zweifel, ob das ganze «Müssen»
             vertieften Regionen meines Gehirns geschafft. Wir ha-          nicht bei vielen Kindern das «Wachsen» verhindert.
             ben Mauseknochen aus Eulengewöllen herausgelöst,               Die Selektion hängt am Schluss über allem und läuft es
             Pflanzen aus Bohnen gezogen (oder war das doch in der          nicht wie gewünscht, wird die Situation für alle Betei-
             Primarschule?), ein Herbarium einheimischer Bäume              ligten schwierig. Bildung wird immer von oben nach
             angelegt (mit der freundlichen Hilfe eines Gärtners im         unten gedacht und nur ganz selten von unten nach          Kinder halten
             botanischen Garten und nicht wie vorgeschrieben mit            oben, von den Kindern her. Politik, Wirtschaft und Bil-   uns den
             dem Selbstbestimmungsbuch) und Komposthaufen                   dungswissenschaft geben den Pfad vor, für Nischen,        Spiegel vor,
                                                                                                                                      nützen wir
             umgegraben. Auch meine mit Bleistift skizzierte Wal-           Lücken und spezielle Interessen bleibt wenig Platz. Be-
                                                                                                                                      diese Chance.
             nuss, ein wahres Meisterwerk der Moderne, sehe ich             gabungen und Bedürfnisse spielen zu selten eine Rolle,    Quelle: Barnabas
             noch heute vor meinem inneren Auge. Das Bild und               ein aktives Miteinander ist oft nicht gefragt.            Németh

MAGNET Nr.4/2022                                                       10
Thema                                                                          Weitblick

Barnabas
Németh,
Jahrgang
1980, Primar-
lehrer, Kultur-
schaffender,
Vater zweier
Kinder.
Quelle: Barnabas
Németh

                   Auf Augenhöhe begegnen                                                                        Freitag, 22. April 2022
                   Ich hatte ein Schlüsselerlebnis in meiner Oberstufen-                                         19.30 Uhr
                   zeit und das hat mich in meiner Arbeit mit                                                    Frühlingshafte Stücke mit
                   Schüler*Innen, wie auch als Vater von zwei wunderba-                                          Heidi und Edith Meier, Orgel
                   ren Kindern geprägt. In der Oberstufe fühlte ich mich                                         und Saxophon
                   von meiner Klassenlehrerin zu fest bevormundet, Prü-
                                                                                                                 Dauer ca. 40 Minuten | Eintritt frei
                   fungen liefen immer nach demselben Schema ab. Ich
                   war unzufrieden, fühlte mich eingeengt und habe Zu-
                   hause oft Dampf abgelassen. Meine Mutter reagierte
                   und zwang mich, gemeinsam mit ihr, in einem Eltern-
                   gespräch direkt Stellung zu beziehen und meinen Frust
                                                                                                                 Freundlich lädt ein:
                   zu schildern. Ich war im Vorfeld sehr nervös, musste                                          Kirchgemeinde Schwellbrunn
                   oder durfte ich vorher noch nie mit einer Lehrperson                                          Die Kirchenvorsteherschaft
                   auf so persönlicher Ebene reden. Meine Lehrerin hat
                   sehr gut reagiert und hat mich ernst genommen. Wir
                   sind uns in diesem Moment auf Augenhöhe begegnet
                   und haben gemeinsam eine für beide Seiten stimmige
                   Lösung gefunden. Unser Verhältnis hat sich danach
                   stark zum Positiven verändert.

                   Kinder brauchen Klarheit
                   Meine Erfahrung aus dem Schulalltag und auch Zu-
                   hause zeigen mir immer wieder, dass Kinder dann am
                   besten «wachsen und gedeihen», wenn sie sich wohl
                   fühlen und ernst genommen werden. Kinder brauchen                          Energieverschwendung führt
                   Halt, Verständnis, Liebe, aber auch Grenzen, Klarheit                        zu Überschwemmungen.
                   und Herausforderungen. Sie halten uns den Spiegel vor,
                   bringen uns an unsere Grenzen. Sehen wir das doch
                   als Chance und suchen einen Ausweg, der ihnen und
                   uns die Würde lässt. Einen gemeinsamen Weg finden
                   bedeutet nicht, ihnen alle Wünsche zu erfüllen, oder
                   alles durchgehen zu lassen, sondern herauszufinden
                   was ihre Bedürfnisse sind. Wir sollten versuchen, sie
                   zu verstehen, ihre Wahrheit zu respektieren. Nicht for-
                   men sollen wir sie, sondern ihnen Vorbild sein und
                   gemeinsam wachsen. So werden aus all den verschie-
                   denen Bohnen Menschen mit viel Menschlichkeit. Ein-
                   fühlsam, selbstbewusst und unabhängig.                                  KlimaGerechtigkeit-jetzt.ch
                                                                                           Jetzt spenden
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                                                         Barnabas Németh

                                                                            RZ_Klima_OEK22_105x143_ZS_COATED_D.indd 1                                   16.12.21 10:44

                                                                              11                                                                        MAGNET Nr.4/2022
Thema

                          Vertrauen in die Zeichen
                                des Himmels
                 Vor 13 Jahren erklärte mir der Arzt, dass ich ohne              Wieder erbat ich mir Führung. In der Praxis angekom-
                 Chemotherapie noch ein halbes Jahr zu leben hätte.              men, begannen Sehstörungen und als mir die Ärztin
                 Für mich aber stand fest, dass mir die medizinisch              die Praxis zeigte, hatte ich eine starke Migräne mit
                 übliche Nachbehandlung des operativ entfernten Tu-              Sehverlust. Meine Entscheidung stand. Keine Chemo-
                 mors mehr schaden als helfen würde. Ich vertraute               therapie. Ich informierte die Ärztin und die Sehstärke
                 meinem Bauchgefühl und ging einen unkonventionel-               normalisierte sich.
                 len Weg.
                                                                                 Nach Operation heilende Vision
                 Nach dem Schock der Diagnose sagte mir mein Bauch-              Kurz vor der Operation bat ich meine Erzengel, Gane-
Ein Besuch       gefühl, oder soll ich sie die Stimme des Himmels nen-           sha und Jesus, meine Meditationsbegleiter, sowie
in Indien be-    nen, dass die Operation richtig sei, nicht aber die Che-        meine verstorbenen Arbeitgeber um die nötige Hilfe
stätigte noch-
                 motherapie. Mein Arzt war erstaunt, solches von einer           für das Operations-Team. In der Aufwachphase lief ein
mals Isabelle
Kürsteiners      medizinischen Praxisassistentin zu hören. Er schlug vor,        Film vor meinen Augen ab. Die beiden verstorbenen
Bauchgefühl.     die Chemotherapie-Station mindestens zu besichtigen.            Ärzte bemühten sich nach Kräften, die Operations-
Quelle: iks      Zu Hause konzentrierte ich mich auf mein Bauchgefühl.           instrumente an zwei bestimmte Orte zu führen, wo
                                                                                 noch Tumormaterial entnommen werden musste. Es
                                                                                 gelang und die beiden klatschten sich gegenseitig mit
                                                                                 den Händen ab, freuten sich über ihren Erfolg.

                                                                                 Verschobenes nachgeholt
                                                                                 Nach zwei Tagen erklärte mir der Arzt sehr betrübt,
                                                                                 dass ich die Chemotherapie bräuchte, denn zwei Pro-
                                                                                 ben hätten Tumormaterial beinhaltet. Ich aber freute
                                                                                 mich riesig. Das hatte mir die Vision gezeigt, damit war
                                                                                 alles Notwendige entfernt. Das Gröbste war überstan-
                                                                                 den. Nun galt es, wie bei der Grippe, Körper, Seele und
                                                                                 Geist zu stärken. Per «Zufall» besuchte ich eine Frau.
                                                                                 Im Gespräch erzählte sie mir von einer reinigenden
                                                                                 Diät. Für mich war es Fügung. Ich absolvierte diese
                                                                                 Diät, auch wenn es das Schwierigste war, was ich er-
                                                                                 nährungsmässig je gemacht habe. Und, es ging mir im-
                                                                                 mer besser. Den Abschluss meiner «Grippe» bildete
                 Weiter suchte ich mir ein positives Bild, wie ich mit           der Palmblatt-Bibliotheken-Besuch in Indien. Schon
                 dem Krebs umgehen könnte. Mein Kraftbild war eine               seit dreissig Jahren verschoben, flatterte ein entspre-
                 vor Jahren durchgemachte Grippe. Ich wusste, ich hatte          chender Reiseprospekt in meine Hand. Ich flog. Nach
                 sie überlebt. Zuerst war es mir sehr schlecht gegangen,         Indien. Der Astrologe erwähnte neben vielen Lebens-
                 dann immer besser. Die Grippe hatte somit einen An-             tipps, dass sich meine Gesundheit weiter verbessern
                 fang und ein gutes Ende! Dieses Bild führte ich mir täg-        würde. Ich wertete das als ein weiteres Zeichen, dass
                 lich bei meinen intensiven Meditationen vor Augen.              das Hören auf mein Bauchgefühl trotz aller Wieder-
                 Gleichzeitig meditierte ich in einer Gruppe.                    stände das Richtige für mich gewesen war.
                                                                                    Und heute? Immer wieder muss ich mich an der
                 Entstressen und Ernährung umstellen                             Nase nehmen und mein Bauchgefühl oder anders aus-
                 Noch bevor ich operiert wurde, stellte ich mir mein             gedrückt die Zeichen des Himmels beachten. Es gilt,
                 Gesundheits-Team zusammen, indem ich mich in mei-               bequemeren oder eingeübten, aber auch erlernten
                 nen Meditationen stets darauf konzentrierte, dass ich           Mustern Widerstand zu leisten. Befolge ich gefühlsmäs-
                 die richtigen Menschen finden würde. Und so formte              sig auch Unlogisches, ist das Resultat eine tiefe Stim-
                 sich meine Gruppe mit Hausarzt, Operationsarzt, Me-             migkeit.
                 ditationslehrerin, Heilpraktiker sowie Ernährungsbera-
                 terin. Dann besuchte ich die Chemotherapie-Station.                                                   Isabelle Kürsteiner

MAGNET Nr.4/2022                                                            12
Weitblick

                                                Ein Zeichen setzen!
                                                           Beten für den Frieden in der Ukraine

                 «Die Kirche muss ein Ort sein, an           In aller Ohnmacht ist eine sehr grosse
                 dem geklagt, gehofft, geweint und ge-       Solidarität spürbar. Derzeit liegt der
                 betet wird. Sie darf zum Krieg in der       Schwerpunkt auf der Spende von medi-
                 Ukraine nicht schweigen!». Mit die-         zinischen Hilfsgütern sowie Geldspen-
                 sen Worten rief die Kirchenratspräsi-       den. Auf der eigens eingerichteten Sei-
                 dentin Martina Tapernoux auf, am            te des Kantons www.ar.ch/ukraine fin-
                 Mittwoch, 2. März für den Frieden zu        det sich eine Auswahl von Organisatio-
                 beten.                                      nen, bei denen gespendet werden kann.
                                                                                                                                                   Solidaritäts-
                                                             Wer lokale und regionale Sammelaktio-
                                                                                                                                                   bekundung
                 Viele sind dem Aufruf gefolgt und ha-       nen organisiert oder freiwillige Über-
                                                                                                                                                   in Heiden
                 ben in der Gegenwart Gottes ihren Sor-      setzerinnen und Übersetzer (Ukrai-
                                                                                                                                                   mit Friedens-
                 gen und Hoffnungen Ausdruck verlie-         nisch/Deutsch) kennt sowie weitere                                                    gebet.
                 hen und viele beten weiter – für den        Hilfsangebote initiiert, kann auf der                                                 Quelle: Miriam
                 Frieden und gegen den Krieg. Die Kir-       kantonalen Infoseite aufgelistet werden.                                              Sieber
                 che schweigt nicht! Sie ruft dazu auf,      Meldungen dazu nimmt die Infoline
                 den Krieg zu verurteilen und an jene zu     entgegen. Sie ist erreichbar per Mail
                 denken, welche in Furcht und Panik          unter ukraine@ar.ch und per Telefon
                 flüchten oder in Angst ausharren – in       unter 071 353 66 66.
                 den Städten der Ukraine, die im Bom-           Das nationale Kirchengeläut vom                                                    Unter der
                 benhagel zerstört werden.                   9. März ist als Zeichen des Protests ge-                                              Linde in
                                                             gen den Krieg zu verstehen. Die                                                       Walzenhau-
                                                             Schweizer Bischofskonferenz, die evan-                                                sen haben
Beim Frie-                                                   gelisch-reformierte Kirche Schweiz und                                                viele in der
densgebet                                                    die Christkatholische Kirche der                                                      Gegenwart
in Rehetobel                                                                                                                                       Gottes ihren
                                                             Schweiz luden damit zum Gebet und
gedenken die                                                                                                                                       Sorgen und
                                                             Innehalten. Es sei ein Zeichen der Ver-
Kerzen der                                                                                                                                         Hoffnungen
Opfer in der
                                                             bundenheit und Solidarität mit allen                                                  Ausdruck
Ukraine.                                                     Aktionen, die dem Frieden, der Nothilfe                                               verliehen.
Quelle: Andrea                                               vor Ort und der Aufnahme von Geflüch-                                                 Quelle: Monika
Rechsteiner                                                  teten dienen. pd/ks                                                                   Traber

                          Gottesdienst in der Spitalkapelle
                                                              Freiwillige begleiten Patienten

                 Jeden Sonntag findet in der Spitalka-       Die Freiwilligen treffen sich um           dauert meist eine knappe Stunde, nach-
                 pelle im Kantonsspital St. Gallen ein       9.00 Uhr bei der Spitalkapelle auf dem     her bringen sie die Patientinnen und
                 Gottesdienst für die Patienten statt.       Spitalareal, bis 10.00 Uhr werden die      Patienten wieder in ihr Zimmer, was
                 Für die Begleitung der Patienten wer-       Patienten abgeholt, die sich am Vortag     meist nicht mehr als eine Viertelstunde
                 den weitere Freiwillge gesucht.             angemeldet haben. Der Gottesdienst         dauert. Als kleine Entschädigung erhal-
                                                                                                        ten die Freiwilligen einen Gutschein
                 Freiwillige fahren die Patientinnen und                                                für ein Getränk mit Gebäck. Die Frei-
                 Patienten mit ihrem Spitalbett oder ei-                                                willigen bestimmen selbst, an welchen
                 nem Rollstuhl in die Spitalkirche, oder                                                Sonntagen sie mitmachen wollen.
                 sie begleiten sie zu Fuss, was jeweils
                 sehr geschätzt wird. Wegen Corona,                                                     Auskunft und Anmeldung an:
                 Krankheit, Alter und aus anderen Grün-                                                 Maja Franziska Friedrich, Spitalseelsor-
                 den sind viele Freiwillige von ihrem                                                   gerin, majafranziska.friedrich@kssg.ch
                 Dienst zurückgetreten. Deshalb freuen                                                  oder an Urs Lanz, Dierauerstrasse 2,
                 wir uns über weitere Begleitpersonen                                                   9000 St. Gallen, urs.a.lanz@bluewin.ch,
                 für den Sonntagsgottesdienst.                                                          Tel. 071 277 57 51 / 079 465 97 51

                                                                               13                                                          MAGNET Nr.4/2022
Weitblick

                                                     Zäune und Lager
                                                        Moderne Literatur und christlicher Glaube

                  Literatur und christlicher Glaube ha-      Nähe zur Macht, ihrer Doppelmoral,
                  ben sich seit der Aufklärung, also seit    aber auch an ihrem Heilsegoismus. Ich
                  der beginnenden Auseinanderset-            nenne hier, stellvertretend für viele an-
                  zung zwischen Wissen und Glauben           dere, moderne Autoren wie Bertolt
                  im 18. Jahrhundert, zunehmend aus-         Brecht, Heinrich Böll, Arno Schmidt,
                  einandergelebt.                            Thomas Bernhard, Rolf Hochhuth und
                                                             nicht zuletzt den Schriftsteller und
                  Zwar haben die Dichter der Romantik        Theologen Kurt Marti.
                  und teilweise auch des Realismus –             Eine eigentliche christliche Dich-
                  man denke etwa an Adalbert Stifter und     tung gibt es in der literarischen Moder-
                  Jeremias Gotthelf – nochmals versucht,     ne so gut wie nicht mehr. Ihr Verstum-
                  in ihren Werken eine christlich geform-    men hängt letztlich mit der Univerein-
                  te Welt darzustellen. Spätestens seit      barkeit des Glaubens an einen von
                  dem Naturalismus, seit dem ausgehen-       Gott geordneten Kosmos, auf dem jede
                  den 19. Jahrhundert also, verschwin-       wirklich christliche Dichtung ruht,
                  den typisch christliche Themen, sieht      und der modernen Grunderfahrung ei-
                  man einmal von den bewusst christli-       ner in sich heillos zerrissenen, ge-
                  chen Dichtern ab, fast ganz aus der Li-    sichtslosen Welt zusammen. Zwar ste-
                  teratur.                                   hen die grossen Themen der religiösen
                      Freilich wirken christliche Vorstel-   Dichtung unserer Zeit, wie etwa die
                  lungen punktuell gerade auch in der        Bewährung des Menschen in den An-             Mario Andreotti, Prof. Dr., geb.
                  modernen Literatur des 20. und             fechtungen der Welt, das Ausgesetzt-          1947, ist Literaturwissenschaftler
                  21. Jahrhunderts weiter. So etwa, wenn     sein des Christen ohne Heilsgewiss-           und war u.a. als Lehrbeauftragter
                  Kafka in seinen Romanen und Erzählun-      heit, menschliches Dasein zwischen            für Sprach- und Literaturwissen-
                  gen die Pervertierung göttlicher Gnade     Freiheit und Schuld dem modernen              schaft an der Universität St. Gal-
                  zeigt oder wenn Dürrenmatt in seiner       existentiellen Denken nahe, doch zu           len tätig. Er wirkt heute noch als
                                                             einer     gegenseitigen      Befruchtung      Fachreferent in der Fortbildung
                                                             kommt es kaum. Kein Zweifel: Unsere           der Lehrkräfte an höheren Schu-
                                                             Epoche kennt, freilich neben zahlrei-         len und leitet Literaturseminare.
                                                             chen eher provinziellen Schreibern, ei-       Daneben ist er Mitglied der Jury
                                                             ne ganze Reihe wirklich bedeutender           für den Bodensee-Literaturpreis
                                                             christlicher Autorinnen und Autoren,          und Sachbuchautor. Von ihm er-
                                                             von denen ich hier nur einige nenne:          schien bei Haupt u.a. der UTB
                                                             Gertrud von Le Fort, Luise Rinser, Eli-       Band «Die Struktur der modernen
                                                             sabeth Langgässer, Werner Bergen-             Literatur. Neue Formen und Tech-
                                                             gruen, Reinhold Schneider, Edzard             niken des Schreibens», ein Stan-
                                                             Schaper, Silja Walter und neuerdings          dardwerk der literarischen Mo-
                                                             Martin Mosebach.                              derne, das neuerdings bereits in
                                                                 Moderne Autorinnen und Autoren            der 6., stark erweiterten und ak-
                                                             bekunden aus ihrem Wissen um die              tualisierten Auflage vorliegt. Der
                                                             Not des Daseins und die Fragwürdigkeit        Autor wohnt in Eggersriet SG
                                                             des Menschlichen heraus mit der Idee          (mario.andreotti@hispeed.ch).
                                                             einer göttlichen Heilszusage, wie sie zu
                                                             christlichen Dichtungen gehört, grosse
Kurt Marti,       Tragikomödie «Der Meteor» den christ-      Mühe. Dazu kommt, dass das Christli-        halb kaum ernst genommen wird. Es
Dichterpfar-      lichen Auferstehungsglauben verfrem-       che heute, soweit es noch vorhanden         wird eine der Hauptaufgaben der reli-
rer, trat für     det oder wenn gar eine Elfriede Jelinek    ist, häufig Domäne einer traditionalis-     giös engagierten zeitgenössischen Au-
den Dialog        in ihren Theaterstücken und Romanen        tisch-provinziellen Dichtung ist, wel-      torinnen und Autoren sein, sich auf die
zwischen
                  eine bewusst religiöse Formelsprache       che die geschichtliche Wirklichkeit zu      Möglichkeiten des Christlichen in ei-
moderner
                  verwendet. Der Beispiele wären noch        verschleiern sucht, indem sie sich stän-    ner modernen Literatur neu zu besin-
Literatur und
                  viele. Wo das «Christliche» in der mo-     dig auf einen das Leben angeblich si-       nen.
christlichem
Glauben ein.      dernen Literatur noch auftaucht, da er-    chernden Ordo zurückzieht. Christli-
Quelle: Edouard   scheint es fast durchwegs als negatives    che Dichtung dieser provinziellen Art,                            Mario Andreotti
Rieben            Element: als Religions- und Gesell-        meist auch literarisch mittelmässig, ist
                  schaftskritik an den Christen, z.B. an     weitgehend eine Heile Welt-Dichtung,
                  ihrem unpolitischen Verhalten, ihrer       die von der Literaturkritik schon des-

MAGNET Nr.4/2022                                                               14
Weitblick

             Fremd sein ohne fremd zu sein
                                     Ein persönliches Buch zum Thema «Heimat»

 In den letzten Jahren haben Matthias      gen Phänomen unserer Zeit geworden.
 Messmer und Hsin-Mei Chuang ver-          In diesem Projekt haben sich die beiden
 sucht, den Begriff «Heimat» persön-       Kulturforscher diesem Gefühl des Da-
 lich zu interpretieren. Diese Beschäf-    zwischen-Seins auf eine persönliche
 tigung hat sie zu einem neuen Projekt     Weise angenähert. Sie verankern, mit
 inspiriert, in dem sie sich mit den       literarischer Nahrung in Form von Mini-
 Gefühlen von «Fremdsein» und «Da-         Stories angereichert, ihre inneren
 zwischensein» auseinandersetzten.         Landschaften in der äusseren Welt: Mit
 Entstanden ist das Buch «Fremd sein       der Kamera in der Hand und mit einem
 ohne fremd zu sein» (ISBN 978-3-          seidenen Cheongsam im Koffer suchten
 03878-058-8) mit inszenierten Foto-       sie Orte auf, die ihre Sehnsüchte wider-
 graphien und Mini-Stories, die sich an    spiegeln.
 Romane und Erzählungen der Weltli-
 teratur anlehnen.                         Die Autoren
                                           Matthias Messmer ist Autor, Fotograf
 Die moderne Welt gibt vor, ein globales   und promovierter Soziologe. Hsin-Mei       «fremd ohne fremd zu sein»: inszenierte Fotographien
 Dorf zu sein. Viele Menschen sehen        Chuang ist Autorin, Kulturforscherin       und Mini-Stories, die sich an Romane und Erzählungen
 sich als Weltenbürger, und trotzdem       und Übersetzerin. Messmer und Chu-         der Weltliteratur anlehnen.
 sind wir noch immer mehrheitlich          ang haben an unterschiedlichen Orten       Quelle: zVg.
 Fremde, fast überall auf der Welt. Emp-   der Welt gelebt. Zentrale Bedeutung ih-
 findungen von Heimatlosigkeit und Da-     res Schaffens nahmen dabei dokumen-        clam, 2019). Seit einiger Zeit beschäf-
 zwischen-Sein verfolgen uns an den un-    tarische und gesellschaftskritische Ar-    tigt sich das Duo vermehrt mit den we-
 terschiedlichsten Orten. Selbst dort,     beiten ein. Ihre Zusammenarbeit fruch-     niger sichtbaren Schichten des Lebens.
 wo wir meinen, zu Hause zu sein. Die      tete u.a. in den Büchern «China’s Va-
 Sehnsucht, irgendwann irgendwo anzu-      nishing Worlds» (MIT Press, 2013) so-      Weitere Informationen unter:
 kommen, ist zu einem allgegenwärti-       wie «China an seinen Grenzen» (Re-         www.duomamei.com

75 Jahre für Frauen in Kirche und Politik
                          Aktion «Bike for EFS» macht auf Freiwilligenarbeit aufmerksam

 Die Evangelischen Frauen Schweiz          Das Jubiläum werden die EFS nutzen,        «Mit dem Crowdfunding gehen wir
 EFS feiern 2022 ihr 75-jähriges Jubilä-   um auf die Freiwilligenarbeit aufmerk-     neue Wege», sagt Gabriela Allemann,
 um. Im Mai und Juni nutzen die EFS        sam zu machen, die von vielen Frauen       Präsidentin der EFS. «Wir möchten da-
 das Jubiläum, um auf die kirchliche       in Frauenvereinen und Kirchgemeinden       mit auch neue Kreise ansprechen und
 Freiwilligenarbeit aufmerksam zu          geleistet wird. Dazu lancieren sie im      hoffen, die benötigte Summe zu errei-
 machen. Zur Finanzierung der Jubilä-      Mai die Aktion «Bike for EFS». Dabei le-   chen.» Für die «Belohnungen» haben
 umsaktivitäten setzen sie auf ein         gen die Mitglieder der EFS mit dem Velo    die EFS lokale Herstellerinnen gewin-
 Crowdfunding.                             möglichst viele Kilometer für die EFS      nen können, beispielsweise eine Cho-
                                           zurück. Mit einem Sattelüberzug wird       colaterie aus Neuenburg, eine Seifen-
 Die Delegiertenversammlung der EFS        das Engagement für die EFS und die         herstellerin aus dem Jura oder eine
 am 14. Mai wird ganz im Zeichen des       kirchliche Freiwilligenarbeit sichtbar.    Genfer Winzerin.
 Jubiläums stehen. In fünf Stationen          Angesichts der knappen Finanzen
 werden sie ihre Geschichte, Gegenwart     haben die EFS entschieden, zum Jubilä-
 und Zukunft feiern. Mehrere Gäste aus     um auf ein neues Instrument zu setzen:        Die Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) sind der Dachver-
 Kirche und Politik werden ihre Sicht      Am 8. März, dem internationalen Tag           band der reformierten sowie von ökumenischen Frauenver-
 auf die Arbeit der EFS der letzten 75     der Frau, starten die EFS ein Crowdfun-       bänden und Einzelmitgliedern. Sie vertreten die Interessen
 Jahre teilen. Dazu publizieren die EFS    ding. In den 40 Tagen bis Ostern wollen       von rund 37 000 Frauen. Die EFS fördern Frauen in Gesell-
 als Jubiläumsschrift einen Standpunkt     sie CHF 25 000 sammeln. Dazu haben            schaft, Kirche und Politik. Die EFS nehmen aus Sicht evange-
 mit einem Rückblick und Ausblick auf      sie das Projekt «75 Jahre EFS» auf der        lischer Frauen Stellung zu aktuellen Fragen. www.efs.ch
 ihr Engagement.                           Plattform «we make it» angemeldet.

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Weitblick

                             roundabout since 2000 – Tanzen ist Prävention
                                                             Tanzen ist Prävention

             Als nationales mädchenspezifisches        menarbeit klappt enorm gut.» Als Rahel     weil sie so viel Interesse und Engage-
             Gesundheitsförderungs- und Präven-        Schwarz die roundabout-Leitung vor         ment zeigen, immer wieder nachfragen
             tionsangebot wurde roundabout im          bald sechs Jahren übernahm, gab es         und spannende Feedbacks geben.»
             Jahr 2000 gegründet und ist seither       rund zehn Tanzgruppen. Inzwischen
             für viele Mädchen und junge Frauen        sind 16 Gruppen aktiv. Neben den nati-     Porträt roundabout
             aus ihrem Alltag nicht mehr wegzu-        onalen Schulungen habe sie auch im         roundabout ist ein niederschwelliges
             denken. Lokal ist das Angebot gut         Kanton St. Gallen die roundabase-Trai-     Streetdance-Netzwerk für Mädchen
             verankert – nicht zuletzt dank der        nings aufgebaut als ergänzendes kanto-     und junge Frauen zwischen acht und 20
             Partnerschaft mit den Evangelisch-re-     nales Angebot. Die Leiterinnen werden      Jahren. Die Gruppen sind unterteilt in
             formierten Kirchgemeinden.                dazu motiviert, Nachwuchsleiterinnen       zwei verschiedene Alterskategorien:
                                                       zu rekrutieren und zu fördern, womit       kids für acht bis elfjährige Mädchen
             In den letzten Jahren ist roundabout in   sie zusätzlich Verantwortung überneh-      und youth zwölf bis 20-jährige. Sie tref-
             den Kantonen St. Gallen und Appenzell     men dürfen. Auch dies trägt dazu bei,      fen sich zu wöchentlichen Trainings
             stark gewachsen und immer professio-      dass sie über längere Zeit bei rounda-     und studieren Choreografien ein. Das
             neller geworden. Möglich wurde dieses     bout bleiben und so eine Konstanz und      Angebot stärkt Körper und Psyche,
             Wachstum auch aufgrund der Mitfinan-      Stabilität innerhalb ihrer Gruppen ge-     weckt bei den Tänzerinnen die Freude
             zierung durch die Evangelisch-refor-      währleisten. Damit bleibt mehr Zeit,       an der Bewegung und fördert die Inte-
             mierte Kirche des Kantons St. Gallen      die in den Aufbau neuer Gruppen und        gration in eine Gruppe. Regelmässig
             und die partnerschaftliche Zusammen-      in die Zusammenarbeit mit Partneror-       finden Events, Tanzlager und Schulun-
             arbeit mit lokalen Kirchgemeinden.        ganisationen für die Vernetzungsarbeit     gen statt. Im gemütlichen Teil anschlies-
             Diese schätzt auch Roman Köhle, Mit-      investiert werden kann. Durch den en-      send an die Trainings pflegen die Mäd-
             glied der Kirchenvorsteherschaft der      gen Kontakt mit Jugendarbeiterinnen        chen und Frauen die Beziehung unter-
             Evangelisch-reformierten Kirchgemein-     und -arbeitern der Kirchen konnten         einander sowie zu den Leiterinnen und
             de St. Margrethen. «Das grosse freiwil-   wiederum neue Gruppen aufgebaut            haben Gelegenheit, aktuelle Themen
             lige Engagement würdige ich sehr und      werden. «Die Zusammenarbeit mit            zu besprechen. 2021 wurde beispiels-
             versuche zusammen mit anderen Ver-        Kirchgemeinden und anderen Partnern        weise die Kampagne roundabout@
             antwortlichen aus den Kirchgemeinden      Landeskirchen ist für uns sehr wert-       bodytalk zur Förderung der psychi-
             entsprechend Unterstützung zu bieten.     voll», erklärt auch Rahel Schwarz,         schen Gesundheit lanciert. Die The-
             Man spürt sehr den Spirit, etwas Ge-      «Nicht nur aufgrund der Mitfinanzie-       men bestimmen die Tanzleiterinnen zu-
             meinsames zu bewegen und die Zusam-       rung von roundabout, sondern auch,         sammen mit den Mädchen mit.

                                    KIK-Sommerlager 2022
                                                 9. bis 16. Juli in Pany GR oder in Flond GR

             Die Kommission «Kinder, Jugend, Fa-       Lager A:                                   Aus dem Lagerleben
             milie» der Evangelisch-reformierten       Ferienheim Lasaris, 7243 Pany / Grau-      Durch das Lager führt uns dieses Jahr
             Landeskirche beider Appenzell bietet      bünden, Leitung: Eveline Bruderer,         das Thema «David». Wir geniessen das
             in den Sommerferien die folgenden         Heiden und Barbara Bruderer, Herisau       Lagerleben mit verschiedenen Aktivitä-
             zwei Lager an:                                                                       ten drinnen und draussen, wie Ausflüge,
                                                       Lager B:                                   Workshops, Spiele, Grillen am Lagerfeu-
                                                       Ferienhaus Camelc, 7137 Flond /            er, einen bunten Abend, Baden, Basteln,
                                                       Graubünden, Leitung: Gaby Bürgi            Geschichten hören etc. Wichtig ist uns,
                                                       Gsell und Christian Gsell, Herisau         dass sich jedes Kind willkommen fühlt,
                                                                                                  Zugehörigkeit erlebt und sich innerhalb
                                                       Beide Lager finden in der ersten Ferien-   der Gruppe zurechtfindet. Anmeldefor-
                                                       woche, 9. bis 16. Juli 2022, statt und     mulare werden ab Anfang April in Kin-
                                                       stehen allen Kindern beider Appenzell      der- und Familienfeiern und im Religi-
                                                       offen, welche nach den Sommerferien        onsunterricht verteilt oder sind erhält-
                                                       die zweite bis sechste Klasse besuchen     lich bei: Fachstelle Kinder Jugend Fami-
                                                       (7 – 12 Jahre). Die Kosten betragen        lie, Gaby Bürgi Gsell, Oberdorfstr. 49,
                                                       CHF 200 für das 1. Kind, für jedes wei-    9100 Herisau, Tel. 071 277 54 21 oder
                                                       tere Kind CHF 170.                         gaby.buergi@ref-arai.ch

MAGNET Nr.4/2022                                                         16
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