Haus der Geschichte Der Fotograf Andreas Mühe inszeniert im Bonner Kanzlerbungalow den Abschied von Angela Merkel - Andreas Mühe
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Nummer 26 | 2. Juli 2021 Haus der Geschichte Der Fotograf Andreas Mühe inszeniert im Bonner Kanzlerbungalow den Abschied von Angela Merkel
Wie in alten Zeiten Als Angela Merkels politische Karriere begann, war der Kanz- lerbungalow in Bonn das Zentrum der Macht in der BRD. Nun endet Merkels Amts- zeit. Der Fotograf Andreas Mühe insze- niert an diesem sehr westdeutschen Ort den Abschied der ersten ostdeutschen Kanzlerin – mit einer Doppelgängerin, und doch sehr real Fotos ANDREAS MÜHE Süddeutsche Zeitung Magazin 13
Fotos: Andreas Mühe © VG Bild-Kunst Bonn, 2021. Kostüm: Betty Sommer; Haare & Make-up: Arielle Troß; Produktion: Isabel Wolf; Beleuchtung: Jürgen Bosse; Assistenz: Thomas Krüger. Herzlichen Dank an Dr. Thorsten Smidt, Ausstellungsdirektor Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland E Die Bilder machen s gibt viel zu wenige Wörter für Spricht man mit Andreas Mühe, merkt man, Zeitgefühle. Doch wenn der Blick dass ihm der Abschied nicht leicht fällt. »Ich in den Kanzlerbungalow fällt, je- nen Meilenstein des deutschen deutlich, was für eine bin mit dieser Frau erwachsen geworden«, sagt er. Fast zumindest. »Ich bin 42, aber 16 »Midcentury Modern« in Bonn, dann ist die- se Sehnsucht sofort da nach einer Zeit, die ikonische Figur Jahre sind eine lange Zeit.« Angela Merkel war in seinen Fotografien eine zentrale Fi- rund die Hälfte der Deutschen nicht mehr, nur als Kind oder aus der Ferne des Ostens Merkel geworden ist gur. Nicht als Muse, nicht als Vertraute, oft nicht einmal als Person. Er hat sie selbst erlebten. Helmut Kohl war der letzte Bewoh- zwar oft fotografiert. In Berlin nennen sie ner der Bungalows, Kanzler der Einheit, ihn sogar den Kanzlerinnenfotografen, weil Mentor von Angela Merkel. Mit ihm ging und zu einem globalen Föderalismus, dann Merkel seine Bilder liebt, eines hängt im die Bonner Republik zu Ende, die im ver- muss man sich auch zur modernen Architek- Kanzleramt. klärten Blick zurück als Ära der goldenen tur bekennen«, stand in einem Bildband Die Merkel im Bungalow ist aber nur Jahre erscheint. über das Gebäude, der 1967 erschien. eine Doppelgängerin, und nicht einmal die- Es gibt einen Kunstbegriff für die Sehn- Wenn der Fotograf Andreas Mühe nun selbe, mit der er immer wieder mal auf Rei- sucht nach einer Zeit, die man selbst nicht also zum Ende der Ära Merkel die Figur der sen war, für seinen Foto-Essay A.M. – Eine erlebt hat: Anemoia, eine Ableitung der Kanzlerin in diese Welt und diese Zeit stellt, Deutschlandreise im Sommer vor acht Jahren Anemoi, der griechischen Götter der Winde. die nicht die ihren waren, spielt er voraus- etwa. Seine Bilder machen noch einmal Die Zeit des mittleren und späten 20. Jahr- eilend mit einer Melancholie, für die es im deutlich, was für eine ikonische Figur hunderts ist der häufigste Fluchtpunkt der Deutschen ebenfalls kein Wort gibt. Saudade Angela Merkel geworden ist. Es reicht schon, Anemoia. In den klaren Linien und offenen passt vielleicht am besten, das bittersüße einer Frau von ähnlicher Statur eine Kostüm- Glasflächen des Bungalow-Architekten Sep Gefühl des Bossa Nova, der zum Soundtrack jacke anzuziehen und eine Helmfrisur aufzu- Ruf, in den Schwüngen der Möbel aus dem jener Zeit wurde. Es ist die innere Ruhe, die setzen, schon wird die Figur Teil des men- California Cool der Herman Miller Collec- sich damit abfindet, dass etwas Geliebtes auf talen Pantheons. tion, die hier immer noch stehen, steckt der ewig verloren ist. Denn im Herbst geht auch Die Merkel im Bungalow ist allerdings kosmopolitische Geist und die Aufbruchs- diese Ära unausweichlich zu Ende, in denen keine Heldenfigur. Sie pusselt etwas verloren stimmung jener Zeit, als der Krieg vorbei es vielen Deutschen immer besser ging, in durch die Zeitkapsel ihres politischen Vaters. war und das Wirtschaftswunder begann. »Be- der sie ihr Land wieder lieben und ihrem »Sie schaut nach, ob beim deutschen Silber kennt man sich zur menschlichen Freiheit Staat wieder vertrauen durften. noch alles da ist«, sagt Mühe. »Sie putzt die 18 Süddeutsche Zeitung Magazin
Fensterscheiben.« Sie nimmt an jenem gangenheit. 225 Quadratmeter Wohnfläche Für das Geflecht aus Zeitgefühlen, Erinne- Schreibtisch Platz, vor dem noch der leere sind nicht viel für einen Staatschef. Ein bieder- rungen und Ahnungen in Mühes Arbeit fand und hierarchisch deutlich kleinere Ledersessel deutsches Gartenidyll liegt davor. Die Decken die Kuratorin ein Zitat von Angela Merkel, steht, auf dem sie als Aufsteigerin sitzen scheinen niedrig, die Räume düster. Andreas das auch der Titel der Schau ist: »Alles, was musste. »Man ist irgendwie auf der Suche Mühe hat sie im Kontrast zu den sonnen- noch nicht gewesen ist, ist Zukunft, wenn es nicht nach dem, was wird aus Frau Merkel«, sagt durchfluteten Fotografien ausgeleuchtet, die gerade jetzt ist«. 2012 sagte sie das, als sie ihr Mühe. »Niemand kann sich vorstellen, was man sonst aus solchen Bungalows und auch Buch Dialog über Deutschlands Zukunft vor- es heißt, 16 Jahre lang Kanzlerin zu sein und aus diesem kennt. Der majestätische Blick auf stellte. Eine Zukunft, die nun zur Vergangen- jetzt diesen Posten zu räumen.« Das hat ihn den Rhein taucht nur kläglich karg am Ran- heit wird, und für Merkel eine Zukunft, für beim Fotografieren sichtbar umgetrieben. de auf, wenn die Merkelfigur aus dem etwas die Andreas Mühe doch noch eine konkrete »Man wünscht, dass sie es abstreifen lässt.« modrigen Pool steigt. Hoffnung hat. »Bei ihr hofft man, dass sie Und klar, in diesen Bildern steckt auch der Allzu viel will Andreas Mühe aber nicht sich nicht kaufen lässt. Dass sie keine win- Beginn ihrer Karriere. »Da ist der große Vater hineindeuten in seine Bilder. Das soll alles in digen Geschäfte macht, nicht in irgendwel- Rhein und die Frau aus dem Osten, der Vater- den Köpfen derer entstehen, die sich die an- chen Aufsichtsräten auftaucht.« Da ist wieder mord. Alles ein bisschen Wagner-mäßig.« sehen auf diesen Seiten oder ab Juli in der eines dieser Zeitgefühle, für die es kein Mühe hat sich bis ins Detail Gedanken ge- Kunsthalle im Lipsiusbau in Dresden. Ar- Wort gibt. Die melancholische Hoffnung auf macht. Das Bild im Garten unter der Tanne beiten aus den Jahren von 2007 bis jetzt wird einen Blick aus der Zukunft in eine Vergan- ist zum Beispiel ein Selbstzitat. »2008 haben er dort zeigen. Der Abschied von Merkel ist genheit, die gerade noch Gegenwart ist. wir so ein Bild im botanischen Garten von nur einer von vielen Blicken, die Mühe auf Andrian Kreye Berlin gemacht. Im Gegensatz zu damals seine eigene Arbeit wirft. »Ich stelle mir wirft sie nun einen Schatten auf den Baum.« schon immer auch die Frage, was möchte ANDREAS MÜHE Es steckt aber auch etwas Beklemmendes uns Fotografie noch sagen? Was ist geküns- in diesen Bildern. Der Blick aus den Panora- telt, was echt? Dürfen wir unseren Augen wurde im heutigen Chemnitz geboren. Seine Fotoausstellung mascheiben fällt eben nicht auf die Hügel noch trauen?« 96 Fotografien werden in der »Alles, was noch nicht gewesen ist, Südkaliforniens, wie in den Case Study Ausstellung zu sehen sein. Welche Bilder ist Zukunft, wenn es nicht gerade Houses der Modernisten aus dieser Zeit. Es die echte Kanzlerin, welche die inszenierte jetzt ist« wird von 9. Juli bis zum 29. August in der war ja kein Palast, sondern Ausdruck einer Doppelgängerin zeigen, wird nicht gekenn- Kunsthalle im Lipsiusbau Dresden gezeigt. Abkehr von den Großmachtgesten der Ver- zeichnet sein. „GLÜCKSMOMENTE DAUERN BEI UNS IM SPA & RESORT BACHMAIR WEISSACH AM TEGERNSEE EINFACH EIN BISSCHEN LÄNGER.“ – Ihr Korbinian Kohler – RESERVIERUNG@BACHMAIR-WEISSACH.COM | T +49 (0) 8022/278-570 | BACHMAIR-WEISSACH.COM
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