Predigt - Landeskirche Braunschweig

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Predigt
                  zum 1. Sonntag nach Epiphanias 2020 über Mt 3,13-17

                           Landesbischof Dr. Christoph Meyns

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde!

I.
Am 2. Juni 1953 wurde Königin Elisabeth II in London gekrönt. Die 8 km lange Strecke
vom Buckingham Palace bis zur Westminster Abbey legte sie in einer goldenen Kutsche zu-
rück. Den Rand der Straßen säumten 29.000 Soldaten aus dem gesamten Commonwealth.
Vor ihr befand sich ein 3 km langer Zug aus Marschkapellen, Infanterie, Kavallerie und Kut-
schen mit Ehrengästen. In einem festlichen Gottesdienst wurde sie in einer aufwendigen
Zeremonie zunächst präsentiert, vereidigt und gesalbt. Dann wurden ihr goldene Sporen,
ein Schwert, zwei Zepter und der Reichsapfel überreicht. Sie bekam königliche Armbänder
angelegt, eine königliche Stola und einen königlichen Mantel. Schließlich setzte ihr der Erz-
bischof von Canterbury die Krone auf, während die Menge dreimal „God save the queen“
sang. Es folgte ein Salut von 21 Schuss vom Tower of London. Danach erwiesen die Mitglie-
der des Hochadels ihr die Referenz und schworen ihre Treue. Schließlich rief die anwesende
Menge: „Gott schütze Königin Elisabeth. Lang lebe Königin Elisabeth. Möge sie ewig le-
ben.“ Diese Zeremonie muss man im Hinterkopf haben, wenn man das Evangelium des
heutigen Sonntags liest:

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13 Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. 14
Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst
zu mir? 15 Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt zu! Denn so gebührt es uns, alle
Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s ihm zu. 16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus
dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube
herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein
lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Mt 3,13-17

II.
Denn was der Evangelist Matthäus hier beschreibt, ist die Krönung Jesu von Nazareth. Der
Titel „Sohn Gottes“ wurde altorientalischen Herrschern verliehen. Die Pharaonen trugen
ihn und Alexander d. Gr., nicht zuletzt alle römischen Kaiser seit Augustus. „Sohn Gottes“,
das bringt das Gleiche zum Ausdruck wie andere Titel. Der bekannteste ist „Christus“, das
bedeutet übersetzt „der Gesalbte“, hebräisch „Messias“. Ein anderer lautet „Kyrios“, über-
setzt „Herr“. Allesamt proklamieren die verschiedenen Titulierungen Jesus von Nazareth
als König der Welt. Was im Vergleich zur Krönungsfeier für Elisabeth II auffällt, ist die
Schlichtheit des Rituals. Keine Prozession, keine Ehrengarde, keine Zeremonie, keine Kro-
ne, keine Stola, keine Robe, keiner Zeichen weltlicher Macht, sondern nur eine Taube und
die Stimme Gottes, die ihn zu seinem Sohn erklärt. Statt einer Salbung lässt sich Jesus von
Johannes taufen. Indem er im Jordan untergetaucht wird, stirbt symbolisch seine Sünde und
er wird ein neuer Mensch, dem seine Sünden vergeben sind.
In der Krönung Jesu begegnet uns also ein Paradox: Ein einfacher Zimmermann aus Naza-
reth ohne besondere Herkunft, Bildung oder Verdienste, ein junger Mann, der sich demütig
zu seinen Sünden bekennt und Buße tut, wird von Gott zum Herrscher über die Welt ein-
gesetzt.
Zu eben dieser göttlichen Proklamation im Blick auf Jesus von Nazareth bekennen wir uns
als Christinnen und Christen mit unserem Glauben. Für uns ist er nicht nur ein Zimmer-
mann. Er ist der König der Welt. Aber zu wem oder was bekennen wir uns damit? Wir
bekennen uns zu Jesus als dem Menschen, der Gottes barmherzige Liebe gepredigt hat, der
sich mit Zöllnern, Sündern und Huren an einen Tisch gesetzt hat, der immer wieder soziale
Regeln infrage gestellt hat, wenn sie Menschen ausgrenzten, der uns in der Bergpredigt und

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im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter zur Nächstenliebe ermahnt, der Gewalt verab-
scheute und sich nicht wehrte, sondern sich verleumden, verraten, verhaften, verurteilen
und hinrichten ließ und der durch den Tod hindurchdrang ins ewige Leben.
Was hat das mit uns zu tun? Wir sind mit ihm verbunden durch unsere Taufe. Wir haben
uns auf diese Weise verbunden mit seinem Leben, mit den Werten, für die er stand, mit
seinem Tod und seiner Auferstehung. Damit ist auch uns zugesprochen, Kinder Gottes
zu sein: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“, „du bist meine liebe
Tochter, an der ich Wohlgefallen habe“. Dieser Zuspruch gilt seit der Taufe einem jeden
und einer jeden von uns. Wir sind von Gott angenommen, geliebt und gehalten im Leben
wie im Sterben. Paulus spricht in diesem Sinne davon, Christus sei der „Erstgeborene vieler
Brüder“ (Röm 8,29) Wir sind im Bild der Familie gesprochen also gewissermaßen Gottes
adoptierte Kinder in der Nachfolge von Jesus als unserem großen Bruder. Zugleich folgt
daraus auch eine ethische Verpflichtung. Wir sollen als seine Nachfolger leben, uns an der
Liebe Gottes als Maßstab für unser Leben und unser alltägliches Verhalten ausrichten.

III.
Nun wissen wir aus dem Schicksal Jesu von Nazareth, dass seine Proklamation als König
alles andere als die Zusage eines langen, glücklichen und zufriedenen Lebens war. Und wenn
wir auf die Regierungszeit von Elisabeth II zurückblicken, dann ist es schön und gut, zur
Königin gekrönt zu werden, tolle Kleider, viele Ehren, Paläste, viel Personal usw., aber es ist
zugleich nicht so einfach, in dieser Rolle zu leben, den Aufgaben gerecht zu werden und die
Familie zusammenzuhalten. Man ist eingebunden in mancherlei unangenehme Pflichten,
muss nach der Pfeife des Premierministers Regierungserklärungen vorlesen, erdulden, dass
die Presse über einen herzieht, dass Söhne fremdgehen, Kinder sich scheiden lassen, Enkel
sich von der Familie abwenden, und man muss Schicksalsschläge verkraften.
So ist es das eine, als Christ getauft zu sein. Es ist eine ganz andere Herausforderung, aus der
Taufe zu leben. Denn wir bleiben ja fehlbare, sterbliche Menschen. Immer wieder müssen
wir Brüche, Scheitern, Einsamkeit, Konflikte, Krankheiten, Unfälle und Todesfälle bewälti-
gen, stoßen an Grenzen, begehen Dummheiten, geraten in zerstörerische und selbstzerstö-
rerische Dynamiken. Wir fühlen uns eben nicht jederzeit von Gott geliebt, sondern erleben
ihn zuzeiten als weit weg. Keine Stimme, die uns Mut zuspricht, sondern nur eine inne-
re Leere oder andere Stimme, die anderes sagen, die uns beurteilen oder verurteilen. Was

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können wir tun?
Meine Frau und ich haben den letzten Urlaub in einem Dorf in den Alpen verbracht. An
einem Morgen lag Nebel im Tal. Der Ort war wie in Watte gepackt. Wenn man durch die
Straßen ging, sah alles grau und düster aus. Wer jedoch den Fernseher anmachte und sich
die Bilder von den Kameras ansah, die oben auf den Bergspitzen installiert waren, musste
überrascht feststellen, dass dort die Sonne schien und man über verschiedene Bergketten
hinweg bis in große Ferne sehen konnte. Nur unten lag noch der Nebel wie ein weißes Tuch
über dem Tal. Aber es war klar: Am späteren Vormittag würde sich der Nebel lichten.
So ähnlich ist ja unsere Grundsituation als Christen. Auf den Bergen, vor Gott, in der Ewig-
keit, ist bereits alles geklärt, wir sind geliebt, gehalten und versöhnt mit Gott. Aber im Tal
unserer Lebenssituationen, im Alltag der Welt, kann es zuweilen noch grau und düster zu-
gehen. Es ist dann gut, sich klar zu machen: Das alles hat nicht das letzte Wort. Es wird
vergehen, so wie der Nebel vergeht, wenn die Sonne ins Tal scheint.
Unsere geistliche Kamera, mit der wir die Gesamtwetterlage erkunden, ist das Gebet. Mit
ihm nehmen wir Abstand vom Alltag. Wir treten vor Gott und besinnen uns auf die Grund-
situation unseres Lebens. Liebe Gemeinde, nutzen Sie diese Kamera in die Ewigkeit, um
sich zu stärken. Denn im Gebet finden wir Kraft und Hoffnung, um zu ertragen, was uns
bedrückt und uns in der Gewissheit bestärken zu lassen, dass das alles nicht so wichtig ist.
Wie der Apostel Paulus im Römerbrief schreibt: „Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit
Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden
soll.“ (Röm 8,18)
Meine Frau und ich haben an einem solchen nebeligen Morgen beschlossen, nach dem
Frühstück unsere Wandersachen zu packen, aufzubrechen und in einer etwas anstrengen-
den Tour durch den Nebel hindurch bergauf zu steigen. Und tatsächlich, nach anderthalb
Stunden stießen wir durch die Nebeldecke hindurch und konnten die Sonne und den Aus-
blick genießen.
Geistlich übertragen heißt das für mich: Wir sollen uns in unserem Handeln nicht irritie-
ren lassen von dem, was uns zu schaffen macht. Wir sollen uns von unseren Problemen
nicht wie das Kaninchen von der Schlange bannen lassen, uns einigeln oder in die Passi-
vität drängen lassen. Wir sollen vielmehr die Anstrengung auf uns nehmen, dass alles zu
ignorieren und gegen alles Graue und Dunkle in unserem Leben gegenan in Richtung des
Lichts gehen. So kann es etwa hilfreich sein, den Blick auf das zu richten, was andere von

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einem brauchen und sich für eine gute Sache zu engagieren Denn eben das führt einen über
die eigenen Lebenssituation hinaus in die Weite. Kirchengemeinden, soziale und kulturelle
Einrichtungen, Verbände, Vereine oder auch die Kommunalpolitik bieten vielfältige Mög-
lichkeiten, in diesem Sinne anderen Menschen Gutes zu tun.

IV.
Der Bonner Künstler und Theologe Ralf Knoblauch schnitzt aus alten Eichenholzbalken
kleine Könige. Die Figuren sind nicht im klassischen Sinne schön. Sie sind schlicht, ihre
Gesichtszüge grob, die Arme angelegt, mit weißen Gewändern, die Augen geschlossen.
Einige tragen eine goldene Krone als Zeichen ihrer Würde auf dem Kopf, bei manchen
ist sie verrutscht, andere halten die Krone in der Hand oder sie liegt sie neben ihnen. Der
Bildhauer sagt dazu: „Ich denke dabei an die vielen Menschen, denen ich in meiner täglichen
Arbeit in sozialen Brennpunkten begegne. Ihnen deutlich zu machen, dass jeder Einzelne
eine Würde hat, die unverletzlich ist und die ihm von Gott zugesprochen ist, will ich mit
meinen Königen zum Ausdruck bringen“
Im Mai wird es dazu eine Ausstellung im Marienstift geben. Dort sind Fotos mit Menschen
zu sehen, die eine dieser Königsskulpturen in der Hand halten: Menschen wie du und ich,
aber auch Alte, Kranke, Obdachlose, Menschen mit Behinderungen. Die Bilder berühren
einen, weil im Kontrast zwischen dem Schicksal dieser Menschen und der Figur etwas da-
von deutlich wird, worum es geht, wenn wir Jesus als Christus, als Gesalbten, als König
bekennen. Es ist ein König, der menschlich ist, der uns nahe kommt. Sein Glanz strahlt auf
uns ab und verleiht uns eine Würde, die uns durch alle Höhen und Tiefen des Lebens trägt.
Und er lässt uns erkennen, dass dieser Glanz Menschen in Not besonders nahe ist und wir
in ihnen Gott selbst begegnen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus. Amen.

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