Erstmals Selbstaussage der Kirche
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Erstmals Selbstaussage der Kirche Zum ersten Mal hat sich die Kirche in der Konstitution Lumen Gentium die Aufgabe gesetzt, das Mysterium, das Geheimnis der Kirche zu verkünden; erstmals hat sie eine Selbstaussage getroffen und zwar weder verteidigend noch in Selbstabgrenzung. Damit hat sie die fragmentarische Lehre über die Kirche des Ersten Vatikanischen Konzils zu einer ganzheitlichen Sicht ergänzt. Ein neu erwachter Sinn für die Kirche führte dazu, dass sie ein zentrales Thema des II. Vatikanischen Konzils wurde. Die als Fragment hinterlassene Kirchenlehre des I. Vatikanums sollte in einen größeren Zu- sammenhang gestellt werden. Die Kirchen- lehre wurde neu auf Christus hin geordnet. Gemäß ihrem Wortsinn ‚die dem Herrn gehörende Versammlung’ wurde die Kirche zu Christus in Beziehung gesetzt. Mehrere Kirchenleitbilder wurden diskutiert; schließlich wurden – wie zuvor schon bei anderen Konzilien – unvermittelt verschiedene Modelle nebeneinander gestellt: vor allem Kirche als Mysterium bzw. Volk Gottes, Leib Christi, Communio. Die Kirche als Mysterium Bereits die 1943 erschienene Enzyklika » Mystici Corporis « hält fest, dass die Kirche mehr ist als ein soziologischer Zusammenschluss. Abgeleitet von der ursprünglichen Wortbedeutung ‚mysterion’ bzw. ‚sacramentum’, hat die Kirche gleich dem Sakrament eine innere Wirklichkeit und eine sie ausdrückende, sichtbare äußere Gestalt. Sie ist eine Einheit von Sichtbarem und Unsichtbarem, Erkennbarem und Verborgenem. Diese Deutung hat das Konzil übernommen und das erste der acht Kapitel unter die Überschrift ‚Kirche als Mysterium’, gestellt. In Christus ist sie „gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innerste Ver- einigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1). Sie schenkt die Verbindung mit Christus durch die Sakramente und bildet zugleich eine Einheit untereinander im mystischen Leib Christi. Weil Kirche zuallererst als Mysterium gesehen wird, wird zugleich aber ausgesagt, dass sie umfassend nur vom Glauben durch göttliche Offenbarung begreifbar ist. Universale Kirche: alles Licht kommt von Christus Bereits der erste Satz der Kirchenkonstitution bezeichnet den Begriff von Gesamtkirche, den das Konzil hat. Es sieht die Kirche nicht als eine in sich geschlos- sene Wirklichkeit, sondern universal und von Christus her: Da „Christus … das Licht
der Völker“ ist, möchte die „im Heiligen Geist versammelte Synode, alle Menschen durch“ Christi „Herrlichkeit erleuchten, die auf dem Antlitz der Kirche wider- scheint“ (LG 1). Dieses aus der Vätertheologie geschöpfte Bild, das in der Kirche den Mond sieht, der aus sich heraus kein eigenes Licht hat, sondern vielmehr das Licht der Sonne Christus weitergibt, leitet nicht nur den Text ein, sondern wurde zum Namen für die gesamte Kirchenkonstitution: Lumen Gentium – Licht der Völker (ab- gekürzt LG). Weil aber vom Sohn nicht ohne den Vater und den Heiligen Geist gesprochen werden kann, ist die Ekklesiologie notwendig trinitarisch. Demnach kann Kirche nur von Gott her gefasst werden und sie überschreitet sich daher stets selbst. Sooft das Kreuzesopfer auf dem Altar gefeiert wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung, das Reich Gottes ist schon sichtbar und wächst in die Welt hinein (LG 3). Der ewige Sinn: vollkommene Vereinigung Die Kirche ist zugleich Sammlung für das Reich Gottes und Aufbruch in es hinein. Alle, die an Christus glauben sammelt er zur heiligen, universalen Kirche (Ecclesia universalis), die bereits im Bund mit dem Volk Israel vorbereitet ist (Ecclesia ab Abel), mit Ausgießung des Heiligen Geistes offenbart wurde, aber erst am Ende der Welt vollendet werden wird (LG 2). Auch wenn sie hier auf Erden nur „Keim und Anfang“ darstellt, streckt sie sich mit allen Kräften sehnsuchtsvoll aus „nach dem vollendeten Reich“ sowie der Vereinigung mit Christus in der Herrlichkeit (LG 5). Ihr ewiger Sinn ist die vollendete Gemeinschaft (Communio) mit Gott. Geschaffen und geleitet vom Heiligen Geist Der Heilige Geist wurde „gesandt, auf dass er die Kirche immerfort heilige und die Gläubigen so durch Christus“ Zugang zum Vater hätten (vgl. Eph 2,18; LG 4). Er „wohnt in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel (vgl. 1 Kor 3,16; 6,19), er betet in ihnen und legt Zeugnis ab“ (LG 4). Die Kirche ist kein Menschenwerk, sondern Frucht von Pfingsten und demnach Geschöpf des Heiligen Geistes. Mystischer Leib Christi Indem Jesus seinen Geist sandte, hat er alle „die er aus allen Völkern zusammenrief, in geheimnisvoller Weise gleichsam zu seinem Leib gemacht“ (LG 7). Aus dieser Verbindung „strömt Christi Leben auf die Gläubigen über, die durch die Sakramente auf geheimnisvolle und doch wirkliche Weise mit Christus, …vereint werden“ (LG 7). Durch die Taufe öffnet sich die Tür zur Kirche, wir werden „Christus gleich- gestaltet“ und in seinen Leib hinein genommen (LG 7). In der Eucharistie schenkt Christus seinen Leib, er macht uns zu seinem Leib und wir „werden zur Gemein- schaft mit ihm und untereinander erhoben“ (LG 7). So ist jeder Kommunionempfang Communio, Einswerden in der universalen Gemeinschaft, die Lebende und Tote, Himmel und Erde, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpft und auf die Ewigkeit hin öffnet.
Kirche: Institution und Geist Wie aber die menschliche und göttliche Natur in der Person Christi geeint sind, so wächst die Kirche zu einer einzigen komplexen Wirklichkeit „aus menschlichem und göttlichem Element“ zusammen (LG 8). Wie die angenommene Natur Christi dient, so hilft auch „auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16)“ (LG 8). Verwirklicht in der katholischen Kirche Diese aus sichtbaren und unsichtbaren, göttlichen Elementen verfasste Kirche ist die eine heilige, katholische und apostolische Kirche, die wir im Glaubensbekenntnis bekennen. Jesus hat sie gewollt, „sie ist die einzige Kirche Christi“, der Heilige Geist schafft sie entgegen allem menschlichen Versagen seit Pfingsten unablässig fort und erhält sie in ihrer Gestalt und Identität (LG 8). Indem das Konzil hier nicht mehr davon spricht, dass diese institutionell verfasste katholische Kirche identisch ist mit der Kirche des Glaubensbekenntnisses, sondern sich diese in ihr verwirklicht, wird eine ökumenische Öffnung des Kirchenverständnisses ermöglicht. Kirche der Armut und der Armen Schließlich wird die Verhältnisbeschreibung Kirche – Christus ganz konkret. Armut und karitativer Dienst werden von Christus her begründet: „Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche be- rufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzutei- len“ (LG 8). Jesus ist für uns „arm geworden, obgleich er doch reich war (2 Kor 8,9)“ (LG 8). In „den Armen und Leidenden erkennt“ die Kirche „das Bild dessen, der sie gegründet hat und selber ein Armer und Leidender war“; sie „müht sich, deren Not zu erleichtern und Christus in ihnen zu dienen“ (LG 8). Kirche als Volk Gottes Als Ausdruck der Kontinuität zwischen Alten und Neuen Testament hat das Konzil die Kirche im 2. Kapitel der Konstitution als ‚Volk Gottes’ gefasst. Hier bemüht es sich um ein eingehenderes Verständnis für die pilgernde Kirche in ihrer geschicht- lich-konkreten Gestalt und ihre Heilsnotwendigkeit. Da Gott „sich das Volk Israel zum Eigenvolk erwählt und … mit ihm einen Bund geschlossen“ hat, stellt diese Bezeichnung nicht nur die Verbindung zum Alten Testament her, sondern verweist auf eine unterschiedslose Erwählung sowie notwendige Ausrichtung auf Gott (LG 9). Kollegialität der Bischöfe Im dritten Kapitel ergänzt die Kirchenkonstitution die beim I. Vatikanum herausge- stellte Vorrangstellung des Papstes um eine Deutung des Bischofsamtes vom Begriff des Kollegiums her: Bischof ist man nicht als einzelner, sondern durch die Zugehö- rigkeit zu einem Kollegium, das seinerseits die historische Weiterführung des Apostelkollegiums bedeutet. Der Bischof vertritt in der Teilkirche die eine Kirche und baut sie auf, indem er ihre besonderen Gaben erweckt zum Nutzen des gesam- ten Leibes. Petrus steht an der Spitze des Apostelkollegiums als „ein immer- währendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (LG 18). Ihm obliegt eine besondere Verantwortung für die Einheit
der ganzen Kirche. Den Dienst an der Gemeinschaft haben alle Bischöfe „mit ihren Helfern, den Priestern und den Diakonen, übernommen“ (LG 20). Sie sind vorrangig Verkünder des Evangeliums; sie heiligen das Volk durch die Sakramente und üben den Dienst der Leitung aus (LG 20.25-27). Besondere Sendung der Laien: Zeugnis in der Welt Auch wenn alles, „was über das Volk Gottes gesagt wurde, in gleicher Weise an Laien, Ordensleute und Kleriker“ gerichtet ist, so gilt doch einiges „aufgrund ihrer Stellung und Sendung in besonderer Weise für die Laien, Männer und Frauen“ (LG 30). Die Laien haben eine besondere christliche Berufung und Sendung auf Grund ihres „Welt-stand-ortes“ (Congar). Sie sind in besonderer Weise „von Gott gerufen“ in ihrer je eigenen Aufgabe in „der Welt gewissermaßen von innen her“ zur Heili- gung der Welt beizutragen. Die Laien sollen „durch das Zeugnis ihres Lebens, … Christus den anderen kund zu machen“ (LG 31). Auch wenn hier bereits von einem ‚Apostolat der Laien’ (LG 33) gesprochen wird, hat das Konzil in der Folge noch ein eigenes Dekret zum Apostolat der Laien verfasst. Alle sind berufen zur Heiligkeit Joseph Ratzinger kommentierte, dass das Charakteristische der Kirchenlehre des Konzils in den Kapiteln 4-7 der Konstitution zu finden sei, in denen von den Laien, von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit, von den Religiosen und von der end- zeitlichen Bestimmtheit der Kirche die Rede ist. In diesen Kapiteln komme „noch einmal das innere Wozu der Kirche… zum Vorschein: Es geht um Heiligkeit, … darum, daß in der Welt Raum werde für Gott, daß er in ihr wohnen könne und so die Welt sein »Reich« werde.“ Wurde bisher vielfach nur Geweihten eine Berufung zur Heiligkeit zugesprochen, so sind nun alle dazu berufen und gerufen. Christus „hat die Kirche als seine Braut geliebt und sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen (vgl. Eph 5,25f)“; daher sind alle zur Heiligkeit berufen gemäß: »Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung« (1 Thess 4,3; LG 39). „Damit aber die Liebe wie ein guter Same in der Seele wachse und Frucht bringe, muß jeder Gläubige das Wort Gottes bereitwil- lig hören und seinen Willen mit Hilfe seiner Gnade in der Tat erfüllen, an den Sakramenten, vor allem der Eucharistie, und an den gottesdienstlichen Handlungen häufig teilnehmen und sich standhaft dem Gebet, der Selbstverleugnung, dem tat- kräftigen Bruderdienst und der Übung aller Tugenden widmen.“ Die Liebe aber führt die Heiligung zum Ziel (LG 42). Streben nach Vollendung Die „Liebe aber drängt uns, mehr für den zu leben, der für uns gestorben und aufer- standen ist (vgl. 2 Kor 5,15)“ (LG 48). Das Streben nach Heiligkeit entspricht dem Streben nach der endzeitlichen Vollendung. Allerdings wird die pilgernde Kirche „erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden“ (LG 48). Da alle, die zu Christus gehören, zu der einen Kirche zusammenwachsen, gehören zu ihr sowohl die Menschen auf der Erde, als auch die auferstandenen Toten und die Heiligen, die himmlische Wirklichkeit.
Die Religiosen/ Gottgeweihten In einem eigenen Kapitel gehen die Konzilsväter auf die Religiosen ein. Die deutsche Übersetzung des Textes spricht von ‚Ordensleute’. Gemeint sind hier jedoch alle Gottgeweihten im kirchenrechtlichen Sinne, da auf „die vielfältigen Formen des eremitischen und gemeinschaftlichen Lebens“ verwiesen wird. Durch ihre Gelübde und diesen ähnlichen Bindungen verpflichten sie sich zu den drei evangelischen Räten „der Gott geweihten Keuschheit, der Armut und des Gehorsams“, die „in Wort und Beispiel“ Jesu begründet sind (LG 43f). Zwar sind bereits alle Gläubigen durch ihre Taufe Gott geweiht, durch die evangelischen Räte werden die Religiosen aber „dem göttlichen Dienst inniger geweiht“; sie geben sich „dem über alles gelieb- ten Gott vollständig zu eigen“ (LG 44). Maria im Geheimnis Christi und der Kirche Das achte und letzte Kapitel entfaltet die kirchliche Lehre über Maria und deutet den inneren Sinn ihrer Stellung. Christus kam durch Maria, von einer Frau geboren in die Welt, um uns zu erlösen und stiftete die Kirche, um dieses Heilsgeheimnis zu offen- baren und fortzusetzen (LG 1). Daher wird Maria als Mutter Gottes geehrt. In ihr ist das Verhältnis des erlösten Menschen zu den drei göttlichen Personen bereits in ein- zigartiger Weise verwirklicht. Zugleich aber ist sie mit allen erlösungsbedürftigen Menschen verbunden als „Mutter der Glieder (Christi)“ und als „Urbild im Glauben und in der Liebe“ (LG 53). Sie ging den „Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz“ (LG 58). Ihre mütterliche Aufgabe gegenüber den Menschen fließt aus den Verdiensten Christi und zeigt sich unauf- hörlich bis heute indem sie fortfährt „durch ihre vielfältige Fürbitte …, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken“ (LG 60.62). Diese Kirchenkonstitution hat die Grundlage geschaffen für ein neues Verständnis von Kirche. Aus ihr schöpfen viele der übrigen Dokumente (Ökumene, Laien- apostolat, Bischöfe, Priester). Joseph Ratzinger fasste es folgendermaßen zusammen: „Kirche ist da, damit Wohnen Gottes in der Welt werde und damit »Heiligkeit« sei: Darum müßte der Wettstreit in der Kirche gehen.“ ___________________________________________________________________________ Margarete Eirich, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Theologische Fakultät Trier Der vollständige Text der Kirchenkonstitution »Lumen Gentium« ist gut zugänglich z.B. in: Rahner/ Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium. Herder Verlag oder auch über die Internetseite von http://www.vatican.va.
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