Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020

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Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
Der Schwesternbrief
        der Johanniter-Schwesternschaft e.V.                                                           August 2020

Editorial
In den letzten Wochen und Monaten habe ich mit vielen            Achtsamkeit
Menschen gesprochen und von ihren Ängsten und Sorgen             In den letzten zehn Jahren haben zahlreiche Johanniter-
gehört, aber auch Berichte über ungeahnte Chancen und            schwestern und Gäste MBSR-Seminare (Mindfulness-Based
Kreativität in der Lösung von Problemen.                         Stress Reduction) oder das Seminar „Positive Gefühle kulti-
Wir haben im Büro der Schwesternschaft zusammengeses-            vieren“ bei Ellen Schepp-Winter absolviert. Allen Absolven-
sen und überlegt, wie wir euch Johanniterschwestern und          tinnen haben wir hierzu ein zehnwöchiges Online Medita-
Fördermitglieder trotz aller Begrenzungen unterstützen kön-      tionsprogramm angeboten. Die Resonanz darauf war so gut,
nen, Angebote anderer mit zu nutzen und Verbindungen über        dass die Referentin die Achtsamkeitsübungen und Medita-
digitale Medien zu ermöglichen.                                  tionsanleitungen noch einmal überarbeitet, damit sie für alle
Da es ein bunter Strauß von Ideen, Maßnahmen und Ent-            nutzbar werden und wir das Programm auf unserer Website
scheidungen ist, will ich den Informationen Begriffe zuord-      einstellen können.
nen, die mir am ehesten geeignet scheinen, die Vielfalt ab-
                                                                 Besonnenheit
zubilden.
                                                                 In angespannten und/oder emotionalen Situationen am Ar-
Glaube und Gottesdienst                                          beitsplatz wie auch zuhause, nicht unüberlegt oder allzu
Zu den kirchlichen Festen hat unser Ordensdekan jeweils          schnell zu handeln, sondern angemessen und in Ruhe zu re-
Grußworte an uns alle gerichtet, die der Orden oder die          agieren, ist Ausdruck von Besonnenheit und Resilienz.
Schwesternschaft im Netz eingestellt haben, sodass alle da-      Alle Führungskräfte haben in Zusammenarbeit mit der Jo-
von profitieren können. Pfarrer Fröhlich aus Nieder-Weisel hat   hanniter GmbH ein Resilienz-Coaching-Angebot erhalten.
Lesegottesdienste verfasst und über seinen E-Mail-Verteiler      Leitende aus den Altenpflegeeinrichtungen haben sehr pro-
verschickt. Über Anfragen von weiteren Interessierten freut      fitieren können; so deren Rückmeldungen. Die Mehrheit der
er sich bestimmt.                                                Führungskräfte glaubt, dass Coaching nach getaner Arbeit
Auf der Seite „nach-gedacht“ auf unserer Website finden sich     und großer Anstrengung sinnvoll sei; das Verständnis für prä-
wunderbare Texte von Mitschwestern, die „Abendgedanken“          ventive Maßnahmen ist regelhaft noch nicht vorhanden.
von Johanniterschwester Yvonne Emde bieten Euch allen            Für die Regionalschwestern übernimmt unser Förderverein
Nachdenkenswertes; sie sind unter „Aktuell“ zu finden.           sogar ein erweitertes Programm bestehend aus Coaching und

www.johanniter.de/die-johanniter/johanniter-schwesternschaft/
                                                                                      Aus Liebe zum Leben
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
Seminar mit Resilienz-Trainer Hugo Körbächer, sodass sie für     In einigen Videokonferenzrunden mit den Regionalschwestern
ihre Arbeit in den Regionen konstruktive Strategien entwi-       war der Austausch zur persönlichen Situation möglich und
ckeln können und diese effizient umsetzen.                       wurde von allen als so hilfreich empfunden, dass wir uns in
                                                                 regelmäßigen Abständen im virtuellen Raum treffen.
Verantwortung                                                    Die vom Förderverein finanzierten Angebote des kollegialen
In Absprache mit dem Vorsitzenden des Verwaltungsrates,          Coaching durch Johanniterschwestern und Resilienz-Coach
Dr. Tessen v. Heydebreck, habe ich die Mitglieder gebeten, ihr   Marita Neumann werden gerne angenommen. Ganz besonde-
Mandat um ein Jahr bis zur nächsten Mitgliederversammlung        ren Zuspruch erfährt das oben erwähnte Resilienz-Seminar
zu verlängern. Unsere Satzung sieht keine Briefwahl vor und      mit Hugo Körbächer, speziell zur Thematik der Krisenbewäl-
deshalb erschien uns diese Lösung für die ausgefallene Mit-      tigung.
gliederversammlung am sinnvollsten. Dankenswerterweise           Da wegen der Hygiene- und Abstandsregeln nicht alle in der
haben alle zugestimmt, sodass wir hoffentlich am 27. Mai         ersten Runde dabei sein können, ist ein zweites Seminar glei-
2021 mit Ihnen gemeinsam unsere Versammlung einschließ-          chen Inhaltes im Herbst geplant in das auch Unterstützerin-
lich der Wahlen durchführen können.                              nen der Regionalschwestern mit einbezogen werden.
Der Verwaltungsrat wird in der zweiten Oktoberhälfte 2020
tagen, je nach Situation gegebenenfalls in einer Videokonfe-     Haltung
renz, und unter anderem den Jahresabschluss 2019 entge-          Eine Krise zeigt auch die Lebenshaltung, die wir haben.
gennehmen sowie den Haushalt für das Jahr 2021 beraten.          Die bewährten Kontakte mit Verantwortlichen der Johanniter
Bis dahin haben die Regionalschwestern und ich erste Erfah-      Seniorenhäuser haben sich auch jetzt wieder als belastbare
rungen sammeln können, wie wir Fortbildung, Gemeinschaft         Verbindungen erwiesen, um Themen zu diskutieren und Lösun-
und die Sorge füreinander unter Corona-Bedingungen gestal-       gen für Fragestellungen zu finden. Zu den guten Erfahrungen
ten werden. Diese Berichte mit den Verwaltungsratsmitglie-       in der Krise gehört für mich im Bereich der Akutkliniken die
dern zu diskutieren und erste Auswertungen vorzunehmen,          Zusammenarbeit mit Dr. Thomas Krössin, dem Geschäftsführer
wird für die weitere Arbeit wichtig und hilfreich sein.          der Johanniter GmbH. Sehr schnelle unkomplizierte Abstim-
                                                                 mungen machen Problemlösungen leicht. Trotz angespannter
Freundschaft/ Fürsorge                                           Atmosphäre in der Startphase der Pandemie konnten wir bei-
Die Regionalschwestern organisieren das schwesternschaftli-      spielsweise in aller Sorgfalt über die möglicherweise entste-
che Leben vor Ort, halten Kontakt und kümmern sich darum,        henden ethischen Fragestellungen von Triage mit Prof. Ulrich
dass alle die wollen, auch Beziehungen und Freundschaften        Körtner (Leiter der Ethikkommission) in mehreren Telefonkon-
pflegen können.                                                  ferenzen diskutieren.
Das ist mit Beginn der Pandemie schwer, manchmal unmög-          Mein Vorstandskollege im Deutschen Evangelischen Kranken-
lich geworden. Viele hatten sehr anstrengende Dienste zu         hausverband (DEVK), Christoph Radbruch, brachte es auf den
leisten, waren zusätzlich in der Familie gefordert oder muss-    Punkt: „Corona ist ein Stresstest für das diakonische Profil.“
ten wegen besonderer Risiken Aktivitäten zurückstellen.          Wenn man in komplexen Situationen, ohne ausreichende In-

2 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
formationen, Entscheidungen treffen muss, ist ein wichtiges
Element der Entscheidungsfindung der eigene Wertekanon.
Helmut Schmidt äußerte als junger Hamburger Innensenator
während der schweren Sturmflut 1962 den Satz: „Charakter
zeigt sich in der Krise“.
Welche Werte uns wirklich wichtig sind, zeigte sich auch
jetzt in der Krise durch die Pandemie. Wir haben große Stär-
ken erkennen können, aber auch Schwachstellen.
Besonders in der Langzeitpflege sind Pflegende verstärkt da-
mit konfrontiert, dass sie den Anforderungen an eine profes-
sionelle Pflege und Beziehungsgestaltung nicht gerecht wer-
den können. Die Situation in den Einrichtungen war und ist
weitgehend durch die Priorisierung des Infektionsschutzes
geprägt. Pflegende laufen Gefahr in emotionellen Stress zu
geraten, viele fühlen sich erschöpft. Dabei ist „das Virus ge-
kommen, um zu bleiben“, wie Ulrich Körtner titelte.
Wir benötigen pflegeethische Reflexionen, um die weitere
Pflege zu gestalten. Dieses Thema werden wir sowohl in Fort-
bildungen bearbeiten wie auch am nächsten Schwesterntag.

Solidarität                                                      Wertschätzung/ Dankbarkeit
Nur wir selbst gestalten, was Pflege zukünftig sein wird.        Schwachstellen der Gesellschaft sind deutlich geworden; wer
In der Krise haben alle Bürger gemerkt, Pflege ist systemrele-   in prekären Situationen leben und arbeiten muss, ist häufiger
vant. Damit es nicht bei den freundlich gemeinten Beifalls-      von Erkrankung betroffen.
bekundungen bleibt, sind wir aufgefordert, kritisch auf die      Nicht nur die im Gesundheitswesen Tätigen, einschließlich der
eigene Haltung zu schauen. Gerade im WHO-Jahr der pro-           vielen Reinigungskräfte in den Einrichtungen, haben Enormes
fessionell Pflegenden muss es jeder Johanniterschwester ein      geleistet, sondern auch die Beschäftigten im Einzelhandel, bei
Anliegen sein, sich für diesen wunderbaren Beruf einzusetzen.    der Abfallentsorgung sowie Post und Paketzusteller/-innen.
Das Aktionsprogramm 2030 des Berufsverbandes für Pflege-         Wir alle dürfen dankbar sein, dass die erste Welle der Corona-
berufe (DBfK) nimmt vier Bereiche der Weiterentwicklung in       Pandemie so gut bewältigt werden konnte.
den Blick:                                                       Wir werden aber Geduld und Disziplin benötigen, die Aufmerk-
• Profession                                                     samkeit auf die nötigen Hygieneregeln zu erhalten.
• Bildung                                                        Ich freue mich auf Begegnungen am Telefon, in Videokonfe-
• Organisation                                                   renzen und vielleicht auch wieder persönlich, denn auch mit
• Gesundheitssystem.                                             1,5 Meter Abstand ist ein intensives Gespräch möglich, um
Die beschriebenen Ziele werden wir nur erreichen, wenn           Erfahrungen auszutauschen.
wir bereit sind, strukturkritisch zu sein und interdisziplinär
                                                                 Bleiben Sie geduldig und behütet
zu denken und zu handeln. Ausführliche Informationen zum
Aktionsprogramm finden Sie auf unserer Website.                  Ihre Andrea Trenner

Erfahrungsberichte unserer Johanniterschwestern
Die Corona-Pandemie hat zu starken         Jahren kämpft. Wir haben unsere Johan-       sönlichen Rückmeldungen, die wir er-
Einschnitten in unser Leben geführt und    niterschwestern aus den verschiedens-        halten haben. Auf den nächsten Seiten
viele Berufe vor große Herausforderun-     ten pflegerischen Bereichen gebeten,          lesen Sie die Erfahrungsberichte. Die
gen gestellt. Insbesondere die Pflege ist   über ihre Erfahrungen, Erlebnisse und        ungekürzten Texte sind unter folgen-
in den Fokus gerückt und erfährt aktu-     Herausforderungen zu berichten. Wir          dem Link zu finden:
ell die Aufmerksamkeit, für die sie seit   bedanken uns für die zahlreichen per-

https://www.johanniter.de/die-johanniter/johanniter-schwesternschaft/aktuell/alle-meldungen/erfahrungsberichte-
unserer-johanniterschwestern-waehrend-der-covid-19-pandemie/

                                                                                       3 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
Aktuelles aus der Butiru Christian Schools in Mbale (Uganda)
 Das Leben in Uganda ist nach wie vor         dien sich dem Thema „Welthunger“ wid-
 nicht einfach. Viele Menschen, darunter      men würden, so wie jetzt und überall
 auch Mütter aus unseren Kleinkredit-         dem Corona-Virus, dann wäre das Hun-
 gruppen, mussten ihr ganzes Kapital auf-     gerproblem und das Sterben unzähliger
 brauchen und hungern trotzdem noch.          Kinder vielleicht schon gelöst.
 Kranke Menschen können sich keine Be-       „Wovor wir uns übermäßig fürchten, das
 handlung mehr leisten und gerade jetzt       ziehen wir an“. Wie bei einem Hund, der
 in der Regenzeit treten schwere Ma-          genau weiß wer Angst vor ihm hat, und
 lariaanfälle auf und überall die Angst       hinterher läuft. Auch in der Bibel steht
 vor dieser neuen Krankheit. Derzeit ster-    immer wieder: „Fürchtet Euch nicht“.
 ben in den Ländern Afrikas südlich der       Was wir fürchten und womit wir uns
 Sahara jeden Tag über 3.000 Kinder an        übermäßig beschäftigen, das machen
 Malaria. Durch den Lockdown mit Man-         wir groß, indem wir diesem Raum ge-
 gel an Behandlungsmöglichkeiten wird         ben. In aller Not herum, allen negativen
 befürchtet, dass sich diese Zahl verdop-     Berichten und Mutmaßungen (im Mo-
 peln wird.                                   ment wird verbreitet, dass Afrika in den
„[…] Unsere Gedanken, Worte und Ta-           nächsten Monaten schlimmer betroffen       mäßigen Händewaschens zu sein. So-
 ten basieren entweder auf Angst oder         sein könnte, als Europa) können wir        bald die Ausgangssperre aufgehoben
 auf Liebe. Da gibt es keine Wahl, weil                                                  ist, wollen wir diese Maßnahmen in den
 nichts anderes zu wählen ist. Aber wir                                                  Kleinkreditgruppen und auch durch die
 haben die Wahl, welches der beiden zu                                                   Arbeit der Community Health Worker
 wählen“.                                                                                fortsetzen. Oft liegt das Hauptaugen-
 Diese klugen Worte stammen aus einem                                                    merk nur auf Impfprogrammen, Fami-
 Buch: „Gespräche mit Gott“ von Neale                                                    lienplanung und Behandlungen von
 Donald Walsch. Krieg oder Frieden, Hass                                                 bereits bestehenden Krankheiten. Mit
 oder Vergebung, Raffen oder Helfen,                                                     Hilfe unseres Freundeskreises (www.
 Trennen oder Vereinen … das hängt al-                                                   butiru-freundeskreis.net) konnten wir
 les mit Zwischenstufen dieser beiden                                                    die Hospitalapotheke bereits einige Ma-
 Pole Angst und Liebe zusammen.                                                          le auffüllen und sind daher weiterhin
 Wir bekommen hier die Nachrichten-                                                      in der Lage alle Patienten zu versorgen,
 sender BBC, DW und Al Jazeera und                                                       denn die meisten Menschen haben in
 man hört den lieben langen Tag nur ein                                                  der Lockdown-Krise keine finanzielle
 Thema „Corona“ und das ist schlimm.                                                     Möglichkeit mehr zu den Behandlungs-
 Man hört nicht, das jeden Tag 25.000                                                    kosten etwas beizutragen.
 Menschen verhungern, die meisten da-                                                    Auch hier in Uganda wurden die Schu-
 runter Kinder. Medien haben eine gro-                                                   len Ende März geschlossen. Unsere Wai-
 ße Macht! Wenn die Mainstream-Me-           zwischen „Liebe“ und „Angst“ wählen.        senkinder versorgen wir nun zu Hause,
                                             Zu Beginn der Krise konnten wir mit         also da wo sie jetzt bei ihren Großel-
                                             einem Außeneinsatz-Team die umlie-          tern, Tanten oder Onkeln wohnen. Da es
                                             genden 94 Dörfer mit Wasserkanistern,       unmöglich ist, diese Kinder online zu
                                             Gesichtsmasken und Seife versorgen.         unterrichten, kopieren wir Lehrmateria-
                                             Und darüber hinaus die Menschen vor         lien und bringen es ihnen im Rahmen
                                             Ort in ihrer Muttersprache (Lumasa-         von wöchentlichen Besuchen unserer
                                             aba) über das neuartige Virus aufklären.    Lehrer nach Hause. Dies ist alles sehr
                                             Trotz der Nähe zu Kenia und den vielen      umständlich! Daher hoffen wir sehr,
                                             inoffiziellen Grenzübergängen, sind in       dass die Ausgangssperre bald ein Ende
                                             unserer Gegend bisher keine Corona-         hat und der geregelte Schulbetrieb so-
                                             Fälle aufgetreten sind. Erfreulicherwei-    wie das normale Leben an sich wieder
                                             se stellen wir auch fest, dass die Zahl     weitergehen können.
                                             der Typhuserkrankungen geringer ist als     Es grüßen herzlich
                                             in vorjährigen Regenzeiten, auch sehen      Elisabeth und Erasmus Mwaka
                                             wir bisher keine der gefährlichen Cho-
                                             lera-Ausbrüche. Darüber sind wir sehr       Butiru Freundeskreis
                                             dankbar!                                    Volksbank Hankensbüttel
                                             All diese Beobachtungen scheinen eine       IBAN: DE07 2579 1635 0061 8870 00
                                             weitere positive Auswirkung des regel-      BIC: GENODEF1HMN

4 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
… und plötzlich ist alles anders
Das erste Mal hörte ich über die Coronavirus-Erkrankung
(Covid-19) im Dezember in den Nachrichten. Mein erster
Gedanke war, es ist weit weg in China, wie lange wird es
dauern, um in Deutschland anzukommen. Das Virus verbrei-
tete sich jedoch weltweit rasend schnell und der erste Fall für
Deutschland wurde im Januar 2020 in Bayern bestätigt. Es
mussten zeitnah, weltweit und bundesweit, Entscheidungen
getroffen und umgesetzt werden, die für alle Menschen
einen gravierenden Einschnitt in das gewohnte Leben be-
deuteten. Das Johanniter-Krankenhaus in Stendal reagierte
sehr schnell auf die neuen Herausforderungen durch sofort
eingeleitete strukturelle Maßnahmen und Eröffnung einer
Infektionsstation. Alle Maßnahmen erfolgten und erfolgen in
sehr enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung, der Hy-
giene, allen Fachabteilungen und dem Gesundheitsamt. Viele
Ängste und Unsicherheiten bei Patienten und Mitarbeitern
konnten dadurch minimiert werden. Dem hohen Engagement
der Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass die vielen Umstruk-
turierungen so reibungslos verliefen. Dafür kann auch ich nur
Danke sagen, auch den Patienten und Angehörigen, die trotz
der Beschränkungen unglaublich verständnisvoll und gedul-
dig waren. In diesen schwierigen Zeiten bin ich demütiger ge-
worden, weiß wieder zu schätzen, wie wertvoll nicht nur die
Gesundheit, sondern auch die Freiheit ist. Frei zu entscheiden,
wo, wann und mit wem ich mich treffe, zum Gottesdienst
gehe, wohin ich reise, Sport treibe, Vereinsarbeit leiste, im
Ehrenamt engagiert bin oder mich fortbilde. Ich bin sehr
dankbar darüber in einem Land, mit einem so guten Sozial-
und Gesundheitssystem, welches die gesamte Bevölkerung
gleichberechtigt versorgt, leben zu dürfen. Wenn ich mir et-
was wünschen dürfte, dann dass uns diese Pandemie wach-
gerüttelt hat. Gesundheit und ein gutes Gesundheitssystem
sind nicht selbstverständlich, daran darf nicht gespart wer-
den.
                 Regionalschwester Silke Wasmundt-Lembke

Corona im Johanniter-Stift Hannover-Ricklingen
Sowohl Einschränkungen als auch Herausforderungen sind            Stringenz der Einrichtungsleitung und den Mitarbeitenden
durch die Medien zu Genüge bekannt mit der Erkenntnis,            aus allen Bereichen des Stifts keinen einzigen Coronafall!
dass nun nichts mehr selbstverständlich sei. Wie die Krise all-   In den ersten Wochen haben sich die Bewohner meistens an
täglich bewältigt wurde, geschah meist im Verborgenen. Und        die freiheitsberaubenden Vorschriften gehalten; problemati-
das war irgendwie selbstverständlich.                             scher wurden jedoch die uneinsichtigen Angehörigen, als un-
Ich lebe im Johanniter-Stift Hannover-Ricklingen als Seelsor-     ser Haus abgeschottet werden musste.
gerin unter denselben Bedingungen, sprich Einschränkungen,        Das Abstandhalten und das Zuhausebleiben sind den demen-
                      wie die anderen 175 Bewohner auch.          ziell Erkrankten nicht zu vermitteln gewesen. Sie konnten die
                      Aufgrund der Mischung unter einem           Maßnahmen nicht nachvollziehen, sehnten sich vergeblich
                      Dach von Betreutem Wohnen und der           nach körperlichen Kontakt und dem vertrauten Gesicht ihrer
                      Pflege, unterlagen wir alle zusammen        Angehörigen. Manche zogen sich deshalb in ihre eigene Welt
                      den strengen Maßnahmen zum Schutz           zurück.
                      unserer besonders gefährdeten Mitbe-        Der Mundschutz ist eine Barriere bei der Kommunikation,
                      wohner.                                     wenn das Gegenüber nicht mehr gut sehen und nur noch
                      Wir haben bis heute dank des eng-           schwer hören kann. In solchen Situationen habe ich mich –
                      maschigen Hygienekonzepts und der           unter Herbeirufen aller Schutzengel – über das Kontaktverbot

                                                                                     5 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
hinweggesetzt, manchen Bewohner lieb in den Arm genom-             Der geduldigen täglichen Mediation der Damen an der Re-
men, die Wange gestreichelt und den Mundschutz abgenom-            zeption gilt besonderer Dank, denn diese dienen am Durch-
men. Der dankbare Blick hat mich immer wieder darin bestä-         reiche-Fenster als Brücke zur Außenwelt. Sie nehmen die
tigt. In der Sterbebegleitung gelten andere Kriterien, sodass      Einkäufe, die Geschenke, die Blumen an, achten am Eingang
ich, ohne Maske, die Hand gehalten, die Stirn zum Segen be-        konsequent auf Hygiene und weisen Eindringlinge resolut ab.
rührt und gesungen habe.                                           Dafür brauchen sie ein solides Nervenkostüm und viel Ein-
Auf den Fluren, in den Aufzügen, bei Zimmerbesuchen musste         fühlungsvermögen. Die Rezeption ist nicht nur die Visiten-
ich oft erklären, beruhigen, schlichten, trösten, denn mit der     karte, sondern auch das Herzstück unseres Hauses; das wurde
Zeit führten die ständig neuen Einschränkungen zu Missmut,         Vielen in dieser Coronazeit wieder bewusst.
Unruhe und verängstigtem Fehlverhalten bis hin zu Flucht-          Dass wir keine einzige Infektion zu verzeichnen haben, ver-
versuchen. Strukturierende und emotionale Elemente, wie Fes-       danken wir eindeutig dem guten Willen und dem Durchhalte-
te und Veranstaltungen, entfielen vielfach. Ostern, Muttertag,     vermögen der im Haus Tätigen. Sie haben sehr viel zusätzliche
Frühlingsfest usw. sind dabei irgendwie untergegangen, auch        Arbeit leisten und kreativ sein müssen. Bekanntlich offenbart
wenn der Sozialdienst punktuelle Highlights angeboten hat.         sich der wahre Charakter in Krisensituationen. Unsere Mit-
Aber abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, haben un-            arbeitenden haben bewiesen – ohne viel darüber zu reden –
sere Bewohner in allen Bereichen diese Zeit gut überstanden.       dass sie wissen, warum sie in einem Johanniter-Stift arbeiten.
Sie sagten mir häufig, wie gut sie sich aufgehoben fühlen, wie     Sie haben das Leitbild auf ihre Weise im Alltag einfach gelebt,
dankbar sie seien und dass es nicht wie im Krieg sei. Nur: es      weil es ihnen die Bewohner wert sind. Und so sind sie jeden
fehlen ihnen die Fußpflege, der Friseur, die Krankengymnastik      Tag wieder zur Arbeit gekommen, trotz Übermüdung und der
und Kontakte nach draußen. Die „Sprech-Viertelstunde“ am           Furcht, sich und ihre Familien anzustecken. Ihnen allen sei
Besucherfenster hinter einer Folie sei eben doch kein richtiger    dafür aufrichtig gedankt.
Ersatz für eine herzerwärmende Begegnung mit ihren Lieben.                                                     Soeur Ute Hampel

Lernen im digitalen Klassenzimmer

Die Corona-Pandemie hat auch den Be-         Stationen eingesetzt, denn in den Covid-     lich. Mittlerweile hat aber jeder wieder
reich Pflegebildung massiv beeinflusst.        Bereichen ist der Einsatz grundsätzlich     „sein Plätzchen“ gefunden.
Mit einem Erlass Mitte März wurde in         erst einmal nicht für die Schüler/-innen     Die Johanniter Bildungs-GmbH hat bin-
Nordrhein-Westfalen verfügt, dass zum        angedacht. Um sie dennoch auf einen          nen weniger Tage in Eigenregie die Lern-
einen, die Schulen keinen Präsenzunter-      möglichen Einsatz auf den Covid-Sta-         plattform „teams“ von Microsoft 365
richt anbieten dürfen und zum anderen        tionen gut vorzubereiten, erhielten Ober-    implementiert, um weiterhin Unterricht
die Schüler/-innen von Schulen im            kursschüler/-innen gezielten Unterricht      für die Auszubildenden anbieten zu kön-
Gesundheitswesen für den Dienst in der       zu den Themen „Umgang mit Patienten          nen. Die Kollegen haben spontan ihre
Praxis freizustellen sind.                   mit Luftnot“ und „Handhabung von             Lehrkompetenz ins digitale Klassenzim-
Für die Bonner Krankenpflegeschule be-        Schutzkleidung“ inklusive praktischer        mer transformiert. Dazu ein Beispiel:
deutete dies ad hoc 70 Schüler/-innen        Unterweisungen.                             „Normalerweise“ wurde das Säuglings-
aus der Schule in die Praxis umzuplanen.     Eine kontinuierliche, geplante, struktu-     bad als Unterrichtseinheit in Kleingrup-
Auch meldeten sich sämtliche Außen-          rierte und praktische Ausbildung war         pen demonstriert, wegen der Abstands-
einsatzstellen, wie beispielsweise die       in den ersten Wochen nur bedingt mög-        regeln zeichnete die unterrichtende
ambulanten Pflegedienste. Sie konnten
die praktische Ausbildung nicht mehr
gewährleisten, da große Angst der Kun-
den vor zu vielen fremden Menschen in
der eigenen Wohnung und fehlender
Schutzkleidung herrschten. Auch diese
Schüler/-innen waren kurzfristig und
sinnvoll in die eigenen Betriebsstätten
einzuplanen.
Auf den Stationen der Krankenhäuser be-
gann gleichzeitig die Umstrukturierung
in Infektionsbereiche und „sonstige, klas-
sische“ Bereiche. Hierbei halfen auch
die Schüler/-innen kräftig mit. In der
Folge wurden sie teilweise auf anderen

6 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
individuelle Rückmeldung erforderlich      „Fotoalbums“ konnten alle einen Ein-
                                               ist.                                        druck voneinander erhalten.
                                               Am 1. April 2020 startete, trotz Corona-    Auch Wiederholungsprüfungen (Exami-
                                               Pandemie, die mit Spannung erwartete        na) konnten ohne große Veränderun-
                                               generalistische Ausbildung. Bei „ge-        gen in Schule und Praxis durchgeführt
                                               schlossenen Schulen“ und „Kontakt-          werden. Das erforderte ein Umplanen,
                                               sperren“ war der Kursstart bis zum letz-    war aber vor allem für unsere Prüflinge
                                               ten Moment ungesichert. Schlussend-         enorm wichtig, denn so waren ihre Vor-
                                               lich stimmte die Bezirksregierung dem       bereitungen nicht „umsonst“ gewesen.
                                               vorgelegten Konzept zu und die Schü-        Für das gesamte Kollegium der Bildungs-
                                               ler/-innen konnten, unter Einhaltung        GmbH war und ist die Pandemie und
                                               der vorgegeben Hygienemaßnahmen,            die damit einhergehenden Einschrän-
Lehrkraft dies nun per Video auf und           persönlich zum Ausbildungsstart in der      kungen auch noch in anderer Hinsicht
stellte es den Schülern auf der Lern-          Schule begrüßt werden. Seitdem lernen       eine Herausforderung. Das Team be-
plattform zur Ansicht zur Verfügung.           sie vorrangig im digitalen Klassenzim-      steht zum Großteil aus Müttern jünge-
Anschließend wurden im Chat Fragen             mer. Zu Einzelunterweisungen oder Part-     rer Kinder, die Zuhause betreut werden
geklärt und Inhalte dazu besprochen.           nerübungen im Schulgebäude kommen           müssen. Daher ist ein Großteil der Kol-
Diese Art des Unterrichts wird von allen       sie mit Mund-Nasen-Maske. Natürlich         legen phasenweise im Homeoffice tätig,
gut angenommen und ist eine sehr in-           hindert diese Form des Unterrichts das      was daher das Arbeiten anspruchsvol-
tensive Interaktion zwischen Schüler/-in       Kennenlernen der anderen und ein            ler und spannender werden ließ.
und Lehrer. Gleichwohl ist aber die theo-     „Wir“-Gefühl konnte bis jetzt noch nicht     Der kollegiale Austausch und die regel-
retische Ausbildung im digitalen Raum          so ganz entstehen. Dennoch gab und          mäßig notwendigen Teambesprechun-
viel zeitintensiver, da jede einzelne Leis-    gibt es im Chat regen Austausch und         gen fanden auch per Videokonferenz
tung eines Schülers / einer Schülerin se-      dank eines von allen Auszubildenden         statt.
parat betrachtet werden muss und eine          und Lehrern gemeinsam gestalteten                     Schulleitung Christina Körner

Gemeinsam und mit viel Flexibilität durch diese Zeit
Ich arbeite in einem kleineren, stationären Hospiz mit acht
Betten. Wir begleiten, unterstützen und versorgen hier
Patienten, die unsere Gäste sind, in der letzten Lebensphase
bis zu ihrem Tod und kümmern uns um ihre Angehörigen. Die
Arbeit ist geprägt durch eine hohe individuelle Versorgung im
medizinischen, pflegerischen, aber vor allem psychosozialen
Bereich. Persönliches Miteinander, Fürsorge und Gespräche
bestimmen den Tag. In Zeiten von Corona hat sich im Hospiz,
genau wie in allen anderen Einrichtungen, das Leben verän-
dert.
In den letzten Wochen kamen immer wieder neue Vorgaben,
Einschränkungen, Ideen seitens der Aufsichtsbehörden und
Dachverbände. Vorgaben hinsichtlich Hygienemaßnahmen,
Aufnahmeregeln, Besucherregeln, Einsatz von Mitarbeitern,
was organisatorisch zu großen Herausforderungen führte.
Die größten Einschränkungen im Alltag unserer Arbeit stellt         alle haben unser „Päckchen“ zu tragen, aufgrund eigener
das ständige Arbeiten mit Mund-Nasen-Schutz dar. Die Ar-            gesundheitlicher Probleme oder weil wir zu Hause Angehöri-
beit mit unseren Gästen und deren Angehörigen ist geprägt           ge aus Risikogruppen pflegen. Wir erleben, dass uns diese
von verbaler aber auch in sehr großem Maße nonverbaler              Unsicherheiten vielleicht dazu bringen, mehr „Abstand“ zu
Kommunikation. Wie verändert sich das, wenn Mimik nicht             unseren Gästen aufzubauen. Gleichzeitig erleben wir, dass
oder nur sehr eingeschränkt sichtbar ist? Was macht es mit          gerade die Nähe der Großteil unserer Arbeit ist. Im Hospiz
uns und wie verändert es unsere Arbeit, wenn wir jemandem           leben wir den Tag, der gerade währt, dies hilft auch, oder
gegenüberstehen, der stark höreingeschränkt ist und größ-           gerade, in Corona-Zeiten. Kein Tag ist gleich, keine Pflege und
tenteils durch Lippenlesen „hört“?                                  kein Vorgehen ist klassisch planbar. Gemeinsam und mit viel
Zudem gibt es auch bei uns Pflegenden Ängste, Befürchtun-            Flexibilität ist auch diese Zeit eine gute Zeit.
gen und Unsicherheiten im Umgang mit der Pandemie. Wir                                            Johanniterschwester Judith Leiße

                                                                                          7 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
Ambulante Pflege in Corona-Zeiten
Professionelle Pflegefachkräfte ambulanter Pflegedienste
übernehmen im Alltag einer pflegebedürftigen Person eine
Vielzahl verschiedener Aufgaben.
In pflegefachlichen Fragen stehen sie beratend zur Seite, sind
behilflich bei der Vermittlung von Dienstleistungen im Be-
reich der Pflege und Hauswirtschaft. Ziel der häuslichen Pfle-
ge ist es, dem Pflegebedürftigen noch so lange wie es geht, ein
selbstständiges Wohnen in der Häuslichkeit zu ermöglichen.
Die genannten Aufgaben und Refinanzierungen stellen einen         sind jetzt ausreichend vorhanden. Täglich gab es schriftliche
tarifgebundenen Pflegedienst schon zu „normalen“ Zeiten im-       Anweisungen zu Hygienemaßnahmen, die an Türen und Pinn-
mer wieder vor große Herausforderungen. Der Lockdown be-         wänden angebracht wurden.
reitete mir schlaflose Nächte aufgrund massiver Absagen der       In Niedersachsen wurden Pflegeheime, aufgrund der vielen
Leistungen durch unsere Kunden. Diese hatten Angst vor An-       Coronafälle in einem Heim in Wolfsburg, geschlossen. Das
steckung durch unsere Mitarbeiter/-innen, zumal persönliche      hieß Aufnahmestopps, keine Besuche etc. Unser Dienst ist
Schutzausrüstung anfangs für ambulante Dienste überhaupt         nun zum Aufnahmeort geworden. Hochgradig pflegebedürfti-
nicht verfügbar war. Krankenhäuser und Pflegeheime standen        ge Menschen werden von uns und ihren Angehörigen rund
hierbei im Fokus. Die uns zugesagten 1.000 Stück FFP2- bzw.      um die Uhr versorgt. Beratungsbesuche, Pflegevisiten und
FFP3-Masken sind bis heute nicht eingetroffen. Dennoch           Erstgespräche mussten gut überlegt und natürlich unter Be-
standen uns glücklicherweise in den ersten Wochen selbst-        achtung der Hygienevorschriften und Abstandsregelungen
genähte Schutzmasken durch eine Nähaktion meiner Schwä-          durchgeführt werden. Seit Bekanntwerden des Virus versor-
gerin zur Verfügung. Die Rede ist hier von professioneller       gen die 36 Mitarbeitenden unserer Diakoniestation weiterhin
Pflege mit Stoffmasken!                                           unauffällig aber mit großem persönlichen Risiko und Einsatz
In den folgenden Wochen trafen nach und nach Einmalschutz-       unsere Kunden.
masken und Kittel ein. Handschuhe, Schutzbrillen und Visiere                        Johanniterschwester Heike v. Knobelsdorff

Leben im Johanniter-Haus Köln-Porz in Zeiten der Corona-Pandemie
Seit Anfang März 2020 ist in unserem       Glück war in der ganzen Zeit das schö-     ein Konzert mit zwei Streicherinnen
Haus nichts mehr wie vorher. Nachdem       ne Wetter und unser großer Garten.         des Kölner Gürzenich-Orchesters.
wir zunächst unsere Eingangsbereiche       Wann immer möglich, sind wir mit un-       Die Besucher fehlen uns allen, nicht
mit zusätzlichen Desinfektionsmittel-      seren Bewohnern draußen. Alles was         nur unseren Bewohnern. Es ist stiller im
spendern ausstatteten und versucht ha-     sonst im Haus stattfindet, passiert nun     Haus und die neue Normalität ist auf-
ben noch schnell Mund-Nasen-Schutz         im Garten. Am 31. März begannen wir        wendig, weil wir alle ständig an unsere
und FFP2-Masken zu bestellen, um ge-       zum Beispiel eine schöne neue Tradition    Masken denken müssen und noch in-
wappnet zu sein, überschlugen sich kurz    mit unserem evangelischen Pastor An-       tensiver als sonst desinfizieren. Aber
danach die Ereignisse. Eine Verordnung     dreas Daniels. Weil er keinen Gottes-      wenn es so bleibt, haben wir großes
jagte die nächste und immer wenn wir       dienst mit unseren Bewohnern im Haus       Glück gehabt und hoffen darauf, dass
dachten, jetzt haben wir alles berück-     feiern kann, haben wir den Gottesdienst    es irgendwann wieder so sein wird, wie
sichtigt und erledigt, musste alles wie-   nach draußen verlegt. Pfarrer Daniels      vorher.
der über den Haufen geworfen werden.       steht im Garten vor den Balkonen und          Johanniterschwester Kathrin Jördens
Wir schlossen unsere Einrichtung für Be-   die Bewohner sitzen auf dem Balkon
sucher, richteten Quarantäne- und zeit-    ihres Wohnbereiches oder am offenen
weise auch Isolationsbereiche ein. Das     Zimmerfenster und feiern mit. Es ist
Restaurant wurde geschlossen und alle      sehr stimmungsvoll und besonders. Alle
Bewohner blieben zum Essen auf ihren       genießen die halbe Stunde und freuen
Etagen. Alle Mitarbeiter und Bewohner      sich auf die nächste Woche. Denn so-
werden täglich nicht nur nach ihrem        lange es keine regulären Gottesdienste
Befinden befragt, sondern gezielt auf       geben darf, wird diese Tradition wö-
Symptome für Sars-CoV-2 angespro-          chentlich immer dienstags fortgeführt.
chen. Und bei allem ist immer die Angst    Aber nicht nur Gottesdienst wird im
im Hintergrund, dass irgendwer das Vi-     Garten gefeiert. Wir hatten schon Schla-
rus ins Heim einschleppen könnte, Mit-     gerkonzerte mit Mr. Musik, Choräle vom
arbeiter und Bewohner erkranken oder       Posaunenchor der Evangelischen Kir-
in Quarantäne müssen. Unser großes         chengemeinde Porz-Wahn-Heide und

8 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
Mit Verbandsmaterial durch den Festsaal
Unterricht an der Pflegeschule des Johanniter-Krankenhauses in Treuenbrietzen

Seit März diesen Jahres ist der Unter-     im Festsaal. „Ausgestattet mit moder-      der Überschrift des Artikels. Um alle
richt an der Pflegeschule des Johanniter-   ner Technik habe der Unterricht etwas      Materialien im Rahmen der Unterrichts-
Krankenhauses Treuenbrietzen nicht wie     von einer Vorlesung im Hörsaal“, so        einheit „Wundbehandlung“ adäquat vor-
gewöhnlich. Bedingt durch die aktuel-      die Auszubildenden. Dankbar für diese      führen zu können, schiebt die Autorin
len Vorgaben für Brandenburger Pflege-      Möglichkeit wird aktuell noch immer        als Lehrende einen mit Wundbehand-
schulen, mussten schnellstmöglich ad-      im Festsaal gelehrt. Selbstverständlich    lungsmaterial bespickten Servicewagen
äquate Lösungen für den Erhalt eines       muss die Unterrichtsmethodik den Ge-       von Tisch zu Tisch durch den Festsaal.
qualitativen Schulbetriebes eruiert wer-   gebenheiten angepasst werden: Die Ab-      Als sie rückblickend auf ihren Unter-
den. Mehrere Präsenzunterrichtsmodel-      standsregeln eliminieren Gruppenar-        richt schaut, lächelt sie und denkt: „ver-
le wurden ausprobiert, da ausschließ-      beiten, der stets zu tragende Mund-        rückte Corona-Zeit – mit Verbandsma-
lich Homeschooling keine Option dar-       Nasen-Schutz erschwert Unterrichts-        terial auf einem Servicewagen durch
stellte. Während ein Jahrgang Aufträge     interaktionen und das Präsentieren be-     den Festsaal“.
erhielt, erfolgte die Wissensvermittlung   nötigter Unterrichtsmaterialien bedarf                           Verena Briese, M.A.
für den anderen Jahrgang vor Ort – ge-     Improvisation. Letzteres gibt Anlass zu                       Lehrerin Pflegeschule
teilt in zwei Klassenräumen, um die Ab-
standsvorgaben zu gewährleisten. Für
die Lehrenden bedeutete dies, den Un-
terrichtsstoff doppelt und zeitversetzt
zu vermitteln. Unser ländlich gelegenes
Krankenhaus ist geprägt von baulichen
Besonderheiten, wie eines historischen
Gutshofgeländes mit einem sich darauf
befindlichen Festsaalgebäude, das als
Seminar- und Konferenz-Center genutzt
wird. Auf Grund seiner Größe eröffnete
dies die Möglichkeit, einen gesamten
Kurs zu lehren. Da Homeschooling-Auf-
träge den wertvollen Austausch zwi-
schen Lehrenden und Lernenden nur
bedingt zulassen, entschieden wir uns
für den Präsenzunterricht – selbstver-
ständlich unter strengster Einhaltung
aller Hygienevorgaben. So wurden die
Schüler/-innen eines Kurses auf zwei
Klassenräume verteilt zeitversetzt un-
terrichtet und ein gesamter Jahrgang

Corona-Sprechstunde in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete
Rund 850 Geflüchtete leben derzeit in       kung beantwortet. Auch wer nur den         getestet. Er wurde sofort in einer leer-
der Gemeinschaftsunterkunft (GU) auf       Verdacht einer COVID-19-Erkrankung         stehenden Wohnung in Quarantäne
dem ehemaligen US-Kasernengelände          hat, kann sich hierher wenden. Zusätz-     versetzt, die Mitbewohner und weitere
Sportsfield Housing im Hanauer Stadt-       lich informieren Aushänge in verschie-     Kontaktpersonen in häusliche Absonde-
teil Wolfgang. Zur Vorbereitung auf mög-   denen Sprachen in den Treppenhäusern       rung. Einige Tage später wurden zwei
liche Infektionen wurde der Regional-      der Flüchtlingsunterkünfte über das        weitere Personen positiv getestet und
verband Hanau & Main-Kinzig der Jo-        Corona-Virus, mögliche Schutzmaßnah-       ebenfalls in Quarantäne versetzt. Wir
hanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH) – mein    men und Verhaltensregeln. Die Sprech-      haben als JUH eine Notfall-Hotline ge-
Arbeitgeber – zum 1. April 2020 von der    stunde startete im April täglich von 15    schaltet, bei der sich Bewohner/-innen,
Stadt Hanau beauftragt, eine Corona-       bis 17 Uhr. Da bis Ende April keine In-    die Symptome entwickeln, rund um die
Sprechstunde für die Sportsfield-Bewoh-     fektionen in der GU vorlagen, wurde        Uhr an sieben Tagen in der Woche mel-
ner einzurichten. In dieser Sprechstun-    die Sprechstunde auf zwei Termine wö-      den können. Vor diesem Hintergrund
de werden gesundheitliche Fragen zum       chentlich reduziert. Ende Mai wurde        wurden die Sprechstunden wieder täg-
Corona-Virus und der COVID-19-Erkran-      ein Bewohner positiv auf COVID-19          lich durchgeführt. Als JUH hatten wir

                                                                                     9 Der Schwesternbrief | August 2020
Der Schwesternbrief der Johanniter-Schwesternschaft e.V. August 2020
die Aufgabe, die positiv getesteten        rantänemaßnahmen beendet. Mit der
                                           Personen sowie die Kontaktpersonen,        Stadt Hanau stehen wir in regelmäßi-
                                           die ihre Wohnungen nicht verlassen         gem Austausch, seit dem 22. Juni ha-
                                           durften, mit Lebensmitteln zu versorgen    ben wir die Sprechstunde wieder auf
                                           und übernahmen die Wäschereinigung         einmal wöchentlich reduziert. Bei Be-
                                           sowie die Müllentsorgung. Die Infizier-     darf kann die Versorgung von uns wie-
                                           ten waren symptomlos und die Krankheit     der hochgefahren werden.
                                           hat sich – durch das disziplinierte Ver-
                                           halten aller Beteiligten – nicht weiter-       Regionalschwester Karin Schnaudt
                                           verbreitet. Mittlerweile sind alle Qua-

Durch die Corona-Pandemie erfährt die Pflege endlich
die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt
Die Corona-Pandemie beschäftigt die Menschen auf der gan-        samt 120 COVID-19-Verdachts-
zen Welt. Am 27. Februar 2020 war die Corona-Krise auch in       fälle betreut. Außerdem wurden
unserem Bundesland, Schleswig-Holstein, angekommen. Wir          hier 30 bestätigte COVID-19-
leiteten Maßnahmen ein, um das Virus so lange wie mög-           Patienten behandelt, von denen
lich vom Krankenhaus fernzuhalten. So wurde umgehend ein         7 Patienten in unserem Kran-
Zelt vor der Klinik aufgebaut, um bei Patienten mit COVID-       kenhaus verstarben. Alle ver-
19-Verdacht einen entsprechenden Abstrich außerhalb der          storbenen Patienten waren aus
Klinik vornehmen zu können. Es wurden Urlaubssperren ver-        regionalen Pflegeheimen in das
hängt und Besuchsverbote – mit Ausnahmeregelungen für            Krankenhaus eingewiesen wor-
Angehörige – ausgesprochen. Die Kommunikation musste             den und alle hatten sich gegen
ebenfalls der Bedrohungslage angepasst werden; virologisch       eine intensivmedizinische Be-
unproblematische Video- und Telefonkonferenzen gewannen          handlung entschieden. Seit dem
an Bedeutung.                                                    14. Mai befindet sich kein Pa-
Die Notaufnahme wurde in zwei Bereiche aufgeteilt. Eine          tient mit nachgewiesener COVID-19-Infektion mehr in un-
Sektion betreut die COVID-19-Verdachtsfälle; der andere          serem Haus. Es werden allerdings weiterhin Patienten mit
Abschnitt ist den nicht mit COVID-19 infizierten Patienten        einem Verdacht auf COVID-19 auf unserer Infektionsstation
vorbehalten. Ein weiterer wichtiger organisatorischer Schritt    betreut. Das Fazit kann also lauten: Die erste Phase ist
war die Implementierung einer eigenständigen COVID-19-           überwunden, die Krise ist aber noch nicht vorbei.
Station in unserem Haus. Im Ergebnis konnte die Anzahl der       Zu verdanken haben wir den vergleichsweise glimpflichen
Beatmungsplätze von zunächst sechs auf zehn und später           Verlauf der Corona-Pandemie in Deutschland vor allem den
nach einem Stufenplan auf 18 Plätze erhöht werden.               Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den unterschiedlichen
Seit dem 11. März wurden dann kontinuierlich Patienten mit       Berufsgruppen in den Krankenhäusern und Altenheimen, in
einem positivem COVID-19-Befund im Johanniter-Kranken-           erster Linie den Pflegefachkräften und Ärzten, die Patienten
haus Geesthacht behandelt. Immer wieder sind Pflegekräfte         betreuten und sich dabei täglich der Gefahr ausgesetzt ha-
und Ärzte dabei mit Patienten konfrontiert, denen es anfäng-     ben, sich mit COVID-19 anzustecken. Viele machten bereit-
lich relativ gut geht, bevor sie um den 8. bis 10. Tag sehr      willig Überstunden, übernahmen neue Aufgaben und stell-
schnell schwer erkranken und „intensivpflichtig“ werden.          ten ihre familiären Verpflichtungen hinter die beruflichen
Die größte Herausforderung war deshalb, unser Personal zu        Erfordernisse zurück.
schützen. Infektionsschutzkleidung und Mund-Nasen-Schutz         Traurig, aber wahr: Erst durch die Corona-Pandemie erfährt
sowie FFP2-Masken waren stets ausreichend vorhanden.             die Pflege endlich die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt und
Ferner musste sich unsere Krankenpflegeschule den durch           wird als systemrelevanter Beruf „entdeckt“. Aber Beifall
COVID-19 ausgelösten Herausforderungen stellen. Ab dem           und Einmalzahlung – wenn sie denn kommt – reichen bei
16. März fand für unsere Krankenpflegeschüler der Theorie-        weitem nicht aus, um die Attraktivität des Pflegeberufes
Unterricht im Home-Office statt. Die praktische Einsatzpla-       zu steigern. Der Gesetzgeber ist dringend dazu aufgefor-
nung wurde angepasst, indem die Schüler aus den COVID-           dert zügig Grundlagen zu schaffen, um ein deutlich verbes-
19-Bereichen auf andere Stationen wechselten. Seit dem 18.       sertes Vergütungssystem, bessere Arbeitsbedingungen sowie
Mai sind nach einem Erlass des Gesundheitsministeriums           einen adäquaten Personalschlüssel für die Pflege in den Kran-
Praxisbegleitungen im Krankenhaus wieder zulässig und der        kenhäusern, Altenheimen und ambulanten Pflegediensten zu
Ausbildungsbetrieb normalisiert sich wieder. Seit dem 11. März   etablieren.
2020 wurden im Johanniter-Krankenhaus Geesthacht insge-                                            Oberin Carmen Schönberg

10 Der Schwesternbrief | August 2020
COVID-19 - eine Pandemie, die die Welt erschüttert
Bedingt durch die Nähe zum Hotspot im Kreis Heinsberg war         der Stadt getroffen. Wichtig war
das Evangelische Krankenhaus Bethesda Mönchengladbach             es, neben den Leitlinien der Jo-
bereits am 28. Februar 2020 mit der COVID-19 Erkrankung           hanniter GmbH, ein einheitliches
konfrontiert. Rückblickend kann gesagt werden, dass dieser        Vorgehen aller Gladbacher Kran
Umstand Fluch und Segen zugleich war. Fluch, weil wir in          kenhäuser abzustimmen, um den
Mönchengladbach 28 Mitarbeiter in häusliche Quarantäne            Bewohnern der Stadt Sicherheit
schicken mussten, weit vor dem Termin, an dem der offi-            und Vertrauen in dieser Krise zu
zielle Lockdown die anderen Kliniken traf. Segen an diesem        vermitteln.
Ereignis war, dass wir früh eingestiegen sind mit einer in-       Was hat die COVID-19-Pandemie
ternen Task Force, die sich mit den wichtigsten Themen be-        mit uns hier vor Ort gemacht?
fasst hat, bevor der erste positiv getestete Patient bei uns      Unsere Erkenntnis: Wir sitzen als
aufgenommen wurde. Wieviel Schutzausrüstung, Arznei- und          Mannschaft in einem Boot, die
Desinfektionsmittel stehen uns zur Verfügung und wie kön-         alle gemeinsam in dieselbe Rich-
nen wir die Materialien kontingentieren und verteilen, damit      tung rudern und zupacken müssen. Wir sind noch enger zu-
das betroffene Personal geschützt ist? Wer kann Schutz-           sammengeschweißt und Kommunikation sowie Interdiszipli-
masken nähen und woher bekommen wir die Materialien?              narität haben noch höhere Stellenwerte bekommen.
Wie können wir Intensivkapazitäten ausbauen, welches Per-         Abschließend lässt sich sagen, dass alle Bereiche im Gesund-
sonal ist bereit sich einarbeiten zu lassen und wie stellen       heitswesen bislang bereits eine aufreibende und intensive
wir eine zeitnahe Einarbeitung sicher? Wie fangen wir unse-       Zeit hinter sich gebracht haben. Fallzahlen und Todesrate in
re Mitarbeiter auf, wenn junge Menschen kurz nach der             Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern können uns
Aufnahme an die Beatmungsgeräte angeschlossen werden              zuversichtlich stimmen und zeigen, dass sich jede einzelne
müssen und dann womöglich sogar sterben? Welche Station           Anstrengung mehr als gelohnt hat. Sollten wir erneut ein
wird zur Isolierungseinheit umgewandelt, wer schult das           größeres Aufkommen an COVID-19-Erkrankten verzeichnen,
Personal im Umgang mit COVID-19-Patienten und, ganz               glaube ich, dass wir bei den Johannitern sagen können: „Wir
wichtig, wie kommunizieren wir wichtige Dinge in unserem          sind vorbereitet und gut aufgestellt!“
Krankenhaus? Neben den täglichen Task-Force-Sitzungen             Vielen Dank an alle, die jeden Tag ihr Bestes gegeben haben
haben wir uns zu Anfang wöchentlich auf Stadtebene mit            und weiterhin geben und dadurch das Johanniter-Boot durch
Vertretern der anderen Gladbacher Krankenhäusern, der Feu-        die Corona-Pandemie gesteuert haben!
erwehr, dem Gesundheitsamt und dem Oberbürgermeister                                                 Oberin Michaela Lammich

Lose Fäden des Lebens aufnehmen und zusammen führen
Eine DIN-A4-Seite habe ich zur Verfü-                                                    sehen von Johanniterschwestern, die ich
gung, um mich vorzustellen. Also star-                                                   aus anderen Zusammenhängen kannte
te ich mit den nackten Fakten. Ich bin                                                   und die unnachahmliche Atmosphäre,
Brigitte Scharmach, 66 Jahre alt, Kran-                                                  leiteten einen tief in meine Vergangen-
kenschwester und Diplom-Volkswirtin                                                      heit und meine Seele führenden Ent-
und seit März 2020 im Ruhestand. Seit                                                    wicklungsprozess ein. Wenn irgendwie
1993 leitete ich Krankenhäuser in unter-                                                 möglich, besuchte ich die nachfolgen-
schiedlicher Trägerschaft, zuletzt 13 Jah-                                               den Schwesterntage.
re das Johanniter-Krankenhaus in Treu-                                                   Ich komme aus einem sehr christlichen
enbrietzen. Zweimal war ich verheira-                                                    Elternhaus. In Bonn geboren, wuchs ich
tet, habe keine Kinder und lebe heute                                                    in einem beschaulichen Dorf am Rhein
als glücklicher Single mit meiner Katze                                                  auf und machte an der dortigen Ursu-
Cappucchina in einer Dachgeschosswoh-                                                    linenschule Abitur. An der Bonner Uni-
nung mit Terrasse in Berlin-Steglitz.                                                    versitätsklinik absolvierte ich die Rot-
Den Lockdown konnte ich also komfor-                                                     kreuz-Schwesternschule und fast auto-
tabel zum Abschalten und „Runterkom-                                                     matisch wurde ich Rotkreuzschwester
men“ nutzen. Nur meine Katze prakti-         Es war ein weiter Weg aus dem oft           mit Haube und Brosche. Diese habe
zierte anfangs strenge soziale Distanz       spröden Krankenhausmanagement in            ich während meiner Zeit als Stations-
da ich zu viel Zeit in „ihrer“ Wohnung       die Johanniter-Schwesternschaft. 2007       schwester in Köln-Kalk durchgehend
verbrachte. Das hat sich Gott sei Dank       war ich zum ersten Mal Gast auf dem         mit erhobenem Haupt gegen alle Spöt-
gelegt und langsam kehren auch meine         Schwesterntag in Nieder-Weisel. Die gu-     teleien getragen. Dennoch gab es auch
gesunden Lebensgeister zurück.               ten Gespräche, das unerwartete Wieder-      Zweifel, über den von mir eingeschla-

                                                                                       11 Der Schwesternbrief | August 2020
genen Weg. Beispielsweise die erste Ge-    Die innere Entfremdung von meinen           fielen alle Zweifel von mir ab. Am Er-
 haltsabrechnung nach meinem Examen         christlichen Wurzeln und meinem so-         nennungsgottesdienst zur Johanniter-
 und die unüberwindliche Abneigung ge-      zialen Kern jedoch verschärfte sich. Wer    schwester 2019 hat meine rheinische
 gen das dunkelblaue Festkleid mit den      bin ich und wohin gehe ich?                 Familie teilgenommen und mit mir ge-
„Biesen am Busen“.                          Da kam Treuenbrietzen, das Haus mit         feiert.
 Es kam, wie es kommen musste, ich          den schwarzen Zahlen, den guten me-         Zu Beginn der Corona-Pandemie haben
 studierte Volkswirtschaftslehre an der     dizinisch-pflegerischen Inhalten und         Pflegende als „Alltagshelden“ viel Zu-
 Universität zu Köln mit dem Abschluss      der hervorragenden Mitarbeiterschaft.       spruch erhalten, untermalt durch Klat-
„Diplom-Volkswirtin“. Das Studium fi-        Und es kam die unbekannte Welt der          schen und Singen der Bürger von den
 nanzierte ich mit unzähligen Nacht-        Johanniter. Tauwetter setzte in meiner      Balkonen.
 wachen in unterschiedlichen Kranken-       Seele ein, die Freude an den wunder-        Die Politik kündigte eine Extrazahlung
 häusern, aus denen ich immer flüchtete,     baren Andachten und Gottesdiensten          für die Pflegenden an. Der Corona-be-
 wenn die Anwerbungen durch die Obe-        wuchs.                                      dingte Pflegebonus – 1.000 Euro vom
 rinnen zu drängend wurden. Ich wollte      Die Schwesterntage brachten mich zu-        Bund und je nach Bundesland Aufsto-
 mich einfach noch nicht fest binden.       rück in die Zeit mit Haube und Brosche.     ckung um 500 Euro – gibt es nun nur
1986 begann die Lebensphase „Kran-          Es war nicht zu Ende, die losen Fäden       für die Altenpflege.
 kenhausmanagement“ in Berlin. Mit 39       meines Lebens wollten verbunden wer-        Zukünftig möchte ich mich aktiv in
 Jahren übernahm ich als Verwaltungs-       den. Meine Fördermitgliedschaft in der      die Johanniter-Schwesternschaft als
 chefin die Leitung eines großen kom-        Schwesternschaft reichte nicht. Denn        Regionalschwester der Region Berlin/
 munalen Krankenhauses in Berlin und        es gab immer noch das abgelehnte            Sachsen einbringen und meinen Bei-
 dann in Salzgitter. Diese Jahre waren      dunkelblaue Kleid der Vergangenheit         trag leisten, dass es nicht beim Klat-
 von Sanierungen, Bettenabbau, Stand-       und das noch nicht akzeptierte schwar-      schen, Singen und einmaligen Pflege-
 ortschließungen und massivem Stellen-      ze Kleid der Zukunft. Ich habe die Hür-     bonus bleibt.
 abbau geprägt. Meine Karriere stimmte      de gemeistert. Bei der Anprobe im An-
 und meine Arbeit wurde wertgeschätzt.      wärterinnenseminar in Nieder-Weisel          Regionalschwester Brigitte Scharmach

Andere Länder - andere Pflege
Auslandsaufenthalte unserer Schüler/-innen aus der Johanniter Bildungs-GmbH Bonn
Die Schwesternschaft e.V. ist Gesellschafter der Johanniter       zur Essensversorgung die den Patienten zum Beispiel auch
Bildungs-GmbH Bonn. Seit Jahren bietet die Bildungs-GmbH          mal eine zweite Tasse Kaffee holten, Sekretärinnen für den
ihren Schülerinnen und Schülern Auslandseinsätze an, die          Papierkram, Pflegehelferinnen sowie OP- und Laborboten.
sich großer Beliebtheit erfreuen. Zu Beginn dieses Jahres ab-     Die Stationen haben uns alle sehr freundlich aufgenommen
solvierten acht Auszubildende vier Wochen einen Auslands-         und gut eingearbeitet. Wir durften entsprechend unseres
einsatz in Österreich und in der Schweiz. Die Schülerinnen        Ausbildungsstandes arbeiten und sogar Verbände und die
und Schüler wurden in verschiedenen Pflegebereichen der           ein oder andere Blutentnahme machen. Das ist etwas, das
Häuser unter der fachlichen Leitung der Pflegedirektionen
eingesetzt. Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Praktikums
liegen im fachlichen und kulturellen Bereich. Hier berichten
sie wie es war:

Grüß Gott aus Wien
Am 2. Februar 2020 starteten wir mit vollgepackten Koffern
nach Wien. Wir, zwei Mädels aus dem Oberkurs und zwei
Jungs aus dem Mittelkurs freuten uns schon auf unser kleines
Abenteuer. Ein Monat arbeiten in Wien lag vor uns, und wir
waren neugierig auf die Unterschiede und die Mentalität der
Österreicher. Unterschiede gab es einige, die uns aber sehr gut
gefielen. Wir arbeiteten 12 Stunden am Tag, aber niemals mehr
als drei Tage am Stück. Anfangs zogen sich die 12 Stunden
ein wenig hin, klar wir sind ja nur 7,5 Stunden gewohnt. Der
zweite große Unterschied besteht darin, dass viele Hilfskräfte
und Arbeitsgruppen den Schwestern zuarbeiteten. So war es         V.l.n.r.: KMelina Verhaert, Ann-Christin Euler, Nick Fabry,
immer ein sehr angenehmes Arbeiten. Es gab Servicekräfte          Latifa Sonntag, Kira Floßbach vor Schloss Schönbrun

12 Der Schwesternbrief | August 2020
hier auf Normalstation leider weniger der Fall ist. Unser nicht   natologischen Intensivstation eingesetzt wurde. Auch hier
vorhandener Wiener Dialekt enttarnte uns schnell bei unseren      wurde im 12-Stunden-Schichtsystem gearbeitet. Die Struktur
Patienten, sorgte aber auch für viel lustigen Austausch und       lässt Spielraum und Entscheidungsfreiheit zur Ausübung der
Insider-Tipps. Interessant war auch das Bestellen unseres         pflegerischen Tätigkeiten und bietet mehr Zeit für und mit
Mittagessens, denn das war gar nicht so leicht. Wer weiß          den Patienten.
schon, was Risipisi oder Melanzani ist? Aber es gab natürlich     Die größte Herausforderung war die Sprache. Wir mussten
auch die Klassiker wie Germknödel.                                erst alltägliche Begriffe neu erlernen, wie zum Beispiel den
Untergebracht waren wir bei der Johanniter-Unfall-Hilfe und       peripheren Venenkatheter, den wir als „Viggo“ kennen,
teilten uns jeweils zu zweit ein kleines Zimmer mit Bad. An       welcher hier als „Venflon“ bezeichnet wird oder das „Etikett“,
unseren freien Tagen frühstückten wir zusammen und kochten        das hier „Pickerl“ heißt.
im Gemeinschaftsraum der Sanitäter. Obwohl unsere Unter-          Das moderne Universitätsklinikum Sankt Pölten hat uns mit
kunft etwas außerhalb vom Stadtzentrum lag, war man durch         seiner Vielfältigkeit, top Ausstattung und Größe sehr beein-
die wirklich tollen, zuverlässigen Bahnverbindungen, schnell      druckt.
dort wo man hin wollte. Unsere freien Tage verbrachten wir        Die besonderen Arbeitszeiten, gaben uns an vielen freien Ta-
im Wiener Zentrum, besuchten den Stephansdom, die berühm-         gen die Möglichkeit für Freizeitaktivitäten. Wir lernten das
te Benediktinerabtei „Stift Melk“ und Schloss Schönbrunn,         schöne Niederösterreich kennen, besuchten die grandiose Aus-
die Sissi-Ausstellung und probierten Kaffee Melange.              stellung „Körperwelten“, besichtigten das prunkvolle Schloss
Unsere Zeit in Wien war eine tolle Erfahrung. Es war interes-     Schönbrunn, die Benediktinerabtei „Stift Melk“ und haben im
sant zu sehen, wie „Pflege“ in anderen Ländern organisiert        Skigebiet „Hochkar“ die Pisten unsicher gemacht.
wird und wie unterschiedlich das Arbeiten sein kann. Wir
                                                                                          Ann-Christin Euler und Kira Floßbach
haben uns von der guten Laune der Wiener anstecken lassen
und nehmen viele positive Eindrücke mit nach Hause.
                                                                  Grüezi aus Basel
                              Latifa Sonntag, Melina Verhaert,    Am 3. Februar 2020 startete unser erster Dienst. Obwohl vieles
                              Andreas Fankhauser, Nick Fabry      unserem System glich, gab es dennoch deutliche Unterschiede.
                                                                  Einer besteht darin, dass die Dienste in der Schweiz länger
Grüß Gott aus Sankt Pölten                                        sind als in Deutschland. Man kann sich wirklich Zeit für die
Bereits am Tag nach unserer Anreise traten wir unsere Arbeit      Patienten nehmen und eine individuell angepasste, professio-
auf den jeweiligen Stationen an. Ann-Christin aus der Erwach-     nelle Pflege durchführen. Das machte uns deutlich, je besser
senenpflege hat ihren Einsatz auf der Unfallchirurgie absol-      die Pflege, desto schneller wurden die Patienten wieder fit.
viert, während Kira aus der Kinderkrankenpflege auf der neo-      Die Zeit zwischen den Diensten nutzten wir zur Besichtigung
                                                                  von Basel und Umgebung. So verging die Zeit wie im Flug.
                                                                  Der Einsatz in Basel war eine tolle Erfahrung. Dieser Austausch
                                                                  hat uns in der Liebe zu unserer Arbeit bestärkt.
                                                                                             Hande Kizilkan und Donjeta Gashi

                                                                  Im Baseler Münster ist Erasmus von Rotterdam begraben.
                                                                  Der humanistische Gelehrte war einer der Wegbereiter der
                                                                  Reformation. Er hat 1514–1529 sowie 1535 bis zu seinem
V.l.n.r.: Kira Floßbach und Ann-Christin Euler im                 Tod 1536 in Basel gelebt und ließ hier seine Schriften
Universitätsklinikum St. Pölten                                   drucken.

                                                                                     13 Der Schwesternbrief | August 2020
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