Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe

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Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
paraplegie
                                      Das Magazin der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung

September 2012 / Nr. 143 / Standard

Nur ein Ziel vor Augen: Gold!
Marcel Hug hat sich für die Paralympics hohe Ziele gesteckt
Ueli Maurer im Gespräch | Akutversorgung in Nottwil | Ein Tag mit Eveline Siegel
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
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Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
Editorial

Liebe Gönnerinnen und Gönner

i   n Goethes «Faust» findet sich der Satz: «Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb
    es, um es zu besitzen.» Geschrieben vor mehr als 200 Jahren, fasst diese Aussage auch
etwas ganz Wesentliches für die Mitarbeitenden der Schweizer Paraplegiker-Gruppe
zusammen: Die Aufgabe nämlich, ein Werk nie als vollendet zu betrachten, sondern
dessen kontinuierliche Weiterentwicklung aktiv anzugehen.
Unter dem Schirm der 1975 von Guido A. Zäch gegründeten Schweizer Paraplegiker-
Stiftung ist ein einzigartiges Leistungsnetz für die ganzheitliche Rehabilitation von
querschnittgelähmten Menschen entstanden. Es hat Tausenden von Betroffenen geholfen,
in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden. Die erfreulichen Erfolge zielgerichteter
Arbeit über bald vier Jahrzehnte sind Genugtuung; aber kein Anlass, sich mit dem bisher
Erreichten zu begnügen und dieses nur noch zu verwalten. Alle, die heute Verantwortung
tragen, sind vielmehr aufgefordert, die sich wandelnden Bedürfnisse der Patienten abzu-
holen und neue Antworten in einem sich ständig verändernden Umfeld zu finden. Beides
betrifft auch die Rekrutierung von neuen Mitgliedern der Gönner-Vereinigung. Um die
jungen Menschen zu erreichen und für einen Solidaritätspakt zu gewinnen, müssen wir
uns moderner Kommunikations-Instrumente bedienen.
Die Erkenntnis, einen gemeinsamen Auftrag den neuen Anforderungen entsprechend
weiterzuführen, bildet die Grundlage für die Zukunft. Wenn Innovationsgeist und Verän-
derungswille bestimmende Faktoren unserer Tätigkeit sind, lassen sich die bevorstehenden
Herausforderungen meistern. Gleichzeitig wissen die Gönner das «Ererbte» in guten
Händen. Ihr Vertrauen ist unser Kapital. In diesem Bewusstsein will ich meine neue
Aufgabe als Direktor der Schweizer Paraplegiker-Stiftung wahrnehmen.

Joseph Hofstetter
Direktor Schweizer Paraplegiker-Stiftung

IMPRESSUM: Paraplegie. Das Magazin der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, www.paraplegie.ch
36. Jahrgang. Ausgabe: September 2012 / Nr. 143, West | Erscheinungsweise: vierteljährlich in Deutsch, Französisch
und Italienisch | Gesamtauflage: 1‘018‘000 Exemplare | Auflage West: 232‘000 Exemplare | Copyright: Abdruck nur
mit Genehmigung der Herausgeberin und der Redaktion.
Herausgeberin: Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, 6207 Nottwil, sps@paraplegie.ch | Verantwortlich:
Schweizer Paraplegiker-Stiftung, Unternehmenskommunikation, 6207 Nottwil | Redaktion: Roland Spengler (Leitung),
Christine Zwygart. Bild: Walter Eggenberger, Beatrice Felder, Astrid Zimmermann-Boog, redaktion@paraplegie.ch | Layout:
Regina Lips, Karin Distel | Anzeigen: Fachmedien Axel Springer Schweiz AG, 8021 Zürich, info@fachmedien.ch | Vorstufe/
Druck: Swissprinters AG, 4800 Zofingen.

                                                                                            Paraplegie, September 2012   |3
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
LANGE LEBENSDAUER
                                                                              HOHE REICHWEITE
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         Spielend Steigungen und längere Strecken bewältigen                                                                      mehr
         Hilft auch beim Bremsen – für mehr Sicherheit bergab                                                                     Kraft

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Para_2012 – de
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
Inhalt

 7	News
	250 Hilfshunde hat der Verein «Le Copain» bisher ausgebildet und an
  Behinderte abgegeben. Jubiläumshund Inca begleitet neu SPS-Präsident
  Daniel Joggi.

12 Marcel Hug
	Er ist ein Modellathlet schlechthin – und momentan kaum zu schlagen.
  Der 26-jährige Thurgauer freut sich auf die Paralympics in London
  und hat ein klares Ziel: Gold holen.

18	Ueli Maurer
	Der Sportminister wird die Behindertensportler
  an den Paralympics besuchen. Im Gespräch
  erzählt der Zürcher, wie er seine Hemmungen
  gegenüber Rollstuhlfahrern überwunden hat.

22	
   Die ersten Stunden im SPZ
     as Leben kann sich von einer Sekunde auf die andere ändern. Ein
    D
    Unfall, der Transport ins Spital, diverse Untersuche – und dann
    die Diagnose: Querschnittlähmung. Die Akutversorgung eines Frisch­
    verletzten kann den weiteren Verlauf beeinflussen. Was geht
    in Betroffenen vor? Wie reagieren Angehörige? Und was passiert in
    den ersten Stunden im Schweizer Paraplegiker-Zentrum?

28 Zeit haben, zuhören, begleiten
	Im Schweizer Paraplegiker-Zentrum arbeiten zwei Seelsorgerinnen. Sie
  helfen Patienten wie auch Angehörigen bei Sinn- und Lebensfragen.

32 Mein Tag im Rollstuhl
	Eveline Siegel-Hegi schaut jeden Tag bei ihrem Pferd Bumby im Stall
  vorbei. Mit dem Irish Tinker geht die Aargauerin oft spazieren oder
  fährt Kutsche.

34 Finale
    Ansichten zum Thema Party- und Musik-Sommer von Martin Senn.

                                                        Paraplegie, September 2012   |5
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
Verkrampft und Rückenschmerzen?                                                                                                                                                                       Neu:
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                                                                                                                                                                                                      wirkung dank
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Seit jeher zählt die Massage zu einem der ältesten                                 Massageerlebnis. Der unterschiedliche Druck ent-
Heilmittel der Menschheit. Nicht ohne Grund. Die                                   lang den Meridianen, längs der Wirbelsäule, hilft
Muskulatur wird durch eine Massage gelockert und                                   Energieblockaden zu lösen, Nerven zu beruhigen        Shiatsu Knetmassage
besser durchblutet. Schmerzen, die durch Überlas-                                  und den Kreislauf anzuregen. Die zuschaltbare,        Rollmassage
tung oder Fehlhaltungen ausgelöst wurden, kön-                                     wohltuende Wärmefunktion intensiviert die Tiefen-     Swing-Massage
nen durch eine Rückenmassage positiv beeinflusst                                   wirkung der Massage noch zusätzlich. Schon fünf-      Wärmefunktion
werden. Das physische und geistige Befinden wird                                   zehn bis zwanzig Minuten täglich reichen aus, um
                                                                                                                                         Vibrationsmassage
                                                                                                                                           brationsmassage
gestärkt. Eine Massage kann die Lebensqualität ei-                                 den Energiefluss zu aktivieren. Das führt wiederum
nes Menschen steigern und auch die seelische und                                   zu einer wohltuenden Entspannung .
körperliche Konstitution nachhaltig fördern.
                                                                                   Über die Fernbedienung können die Massage-            Macht aus
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                                                                                                                                                                                          st

                           Werte, die erhalten bleiben
                                                                       „z‘chli für e Hoselupf“                                                                                                 im
                                                                                                                                                                                                    He
                                                                                                                                                                                                         rb
                                                                                                                                                                                                           st
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                        bitte die Nummer: 51528                                                                                                                                                                      fe
                                                                                          von der Künstlerin Sherry Rawn                                                                                                r   ba
                        Telefon: 041 768 58 58                                                                                                                                                                                r
                           www.bradford.ch                                                 Aus bestem Skulpturenguss
                                                                                                        •
        The Bradford Exchange, Ltd. • Jöchlerweg 2 • 6340 Baar
                   Tel. 041 768 58 58 • Fax 041 768 59 90
                                                                                               Von Hand bemalt
         e-mail: kundendienst@bradford.ch •Internet: www.bradford.ch                                    •
                                                                                              Mit Edelweisshemd
                       EXKLUSIV-BESTELLSCHEIN                                                           •
                   Reservierungsschluss 8. Oktober 2012                                          Schwingerhose
  q Ja, ich reserviere “z‘chli für e Hoselupf“!                                                         •
                                                                              51528

                                                                                                Schweizer-Mütze
  Ich wünsche q eine Gesamtrechnung             q    Monatsraten                                        •
  q    Ich bezahle per MasterCard oder Visa                                                         Holzkuh
                                                                                                        •
                                                                                                   Echtheits-
  Gültig bis:                (MMJJ)                                                                 Zertifikat

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              Bitte absenden an: The Bradford Exchange, Ltd.                                   Preis: Fr. 139.95 oder 3 Raten à Fr. 46.65 (zzgl. Fr. 11.90 Versand und Service)
    Jöchlerweg 2 • 6340 Baar • Tél. 041 768 58 58 • Fax 041 768 59 90
       e-mail: kundendienst@bradford.ch • Internet: www.bradford.ch                            12-Monate-Rücknahme-Garantie
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
nEws

Mehr Autonomie. Acht

                                                           Ein Freund fürs leben
behinderte Menschen haben
vom Verein «Le Copain»
einen Hilfshund erhalten.

                                                           Der Verein «Le Copain» bildet seit 19 Jahren Hilfshunde für behinderte und kranke
                                                           Menschen aus. Die Vierbeiner verstehen bis zu 50 Befehle und sind in der Lage, unterschied-
                                                           lichste Aufgaben zu erledigen: beispielsweise Türen öffnen, Gegenstände vom Boden

Ambulatorium in                                            aufheben oder das Licht einschalten. An einer kleinen Feier in Nottwil überreichten die
                                                           Verantwortlichen des Vereins den 250. Begleithund an Daniel Joggi, Präsident der Schweizer
der Westschweiz                                            Paraplegiker-Stiftung (SPS). «Das ist ein phantastisches Geschenk», bedankte sich der
                                                           Tetraplegiker. Sein neuer Begleiter heisst Inca, ist ein Golden Retriever-Rüde und zweiein-
Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) und              halb Jahre alt. Insgesamt erhielten acht behinderte Menschen einen Hund.
die Institution de Lavigny spannen für ein Pilot-          Die SPS unterstützt «Le Copain» seit vielen Jahren. Der Verein übernimmt die Erziehung
projekt zusammen. In den Räumlichkeiten der                der Hunde, die in einer Gastfamilie aufwachsen. Mit 15 Monaten kommen die Vierbeiner
«Site Plein Soleil» in Lausanne wurde ein Am-              nach Granges VS ins Schweizerische Zentrum für die Ausbildung von Hilfshunden, wo sie
bulatorium für querschnittgelähmte Menschen                die verschiedenen Befehle und Aufgaben intensiv trainieren. «Unser Ziel ist es, behinderten
eröffnet. Hier können Rollstuhlfahrer aus der              Menschen dank des Hundes wieder eine gewisse Autonomie zu geben – und einen Freund
Westschweiz neu zur Jahreskontrolle kommen                 fürs Leben», sagt Präsident Charles-Albert Antille.
und erhalten wohnortsnah Hilfe bei gesund-
heitlichen Problemen. Betreut werden sie von
einem Team des Schweizer Paraplegiker-Zen-
trums (SPZ) Nottwil, bestehend aus einem Arzt                                                             splitter
und je einer Physio- sowie Ergotherapeutin. Sie
                                                                                                          Im Tessin gibt es einen neuen Rollstuhlclub.
sind an fünf Tagen pro Monat in der Aussen-
                                                                                                          Er heisst «Gruppo Carrozzella Insuperabili»
stelle tätig. Das Pilotprojekt läuft vorerst ein
                                                                                                          und wird von Walter Lisetto (Lugano) prä-
Jahr. Die SPS erhofft sich davon eine noch bes-
                                                                                                          sidiert. Schweizweit sind es nun 27 Rollstuhl-
sere Versorgung und Begleitung von Para- und
                                                                                                          clubs, die fast 11’000 Mitgliedern diverse
Tetraplegikern in der Romandie.
                                                                                                          Dienstleistungen offerieren.

                                                                                                          Ratten mit durchtrenntem Rückenmark
                                                                                                          können ihre Hinterbeine, dank Elektrostimu-
             Ausgezeichnete Forscher                                                                      lation und unterstütztem Lauftraining, wieder
                                                                                                          aus eigenem Antrieb bewegen. Dies ergaben
             Ein Team der Clinical Trial Unit des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) Nottwil
                                                                                                          neuste Studien unter der Leitung von Prof.
             wurde mit dem Forschungsförderpreis 2012 der DMGP (Deutschsprachige Medizi-
                                                                                                          Grégoire Courtine von der ETH Lausanne.
             nische Gesellschaft für Paraplegiologie) ausgezeichnet. Er gilt einer Studie, die den
                                                                                                          Die Forscher wollen die Methode nun für
             Verlauf des Knochenabbaus bei Menschen mit Querschnittlähmung untersucht.
                                                                                                          Menschen anwendbar machen.
             Entsprechende Erkenntnisse sind wichtig in der Entwicklung adäquater Therapien
             zur Reduktion der hohen Knochenbruchrate bei Querschnittgelähmten.
                                                                                                          Das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum
             Den Schellenberg Preis für Forschung in Paraplegiologie erhielten Prof. Volker
                                                                                                          des SPZ Nottwil wurde als erste Einrichtung
             Dietz und Prof. Armin Curt. Sie teilen sich das Preisgeld von CHF 150’000 und ver-
                                                                                                          der Schweiz von der deutschen Kontinenz-
             wenden dieses für weitere Forschungsprojekte. Dietz war bis 2009 Direktor und
                                                                                                          gesellschaft zertifiziert. Menschen mit Quer-
             Chefarzt des Zentrums für Paraplegie Balgrist in Zürich, Curt ist sein Nachfolger.
                                                                                                          schnittlähmung leiden oft unter Blasen- und
                                                                                                          Darmfunktionsstörungen, deren Therapie
                                                                                                          spezialisierte KompetenzParaplegie,
                                                                                                                                      erfordert.
                                                                                                                                              September 2012 | 7
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
LE TRIPLE
                                                                                                                             Neuheit
         Mobilität
         hat einen Namen
         8707 Uetikon:                                     044 920 05 04
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                                                                                                                             ● Trippelstuhl
                                                                                                                             ● Arbeitsstuhl
                                                                                        HERAG AG                             ● Sitzhöhenverstellung
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                oder per Fax: 044 - 865 70 85 · e-mail: service@srh-ltd.ch
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
namentlich                                                                                                                    nEws
Edison Kasumaj (Stein am Rhein SH) und
Patricia Keller (Waltenschwil AG) holten
bei ihrem Debüt an einer Leichtathletik-EM
der Elite-Behindertensportler gleich je
einen Titel in der Klasse Sitting. Dank zwei
weiteren Medaillen kam Kasumaj auf total
drei Auszeichnungen, desgleichen Alexan-

                                                Premiere wie im
dra Helbling (Ettiswil LU). Insgesamt holte
die Schweizer Delegation 10 Medaillen.

                                                Bilderbuch
Michelle Stillwell (Kanada) war die über-
ragende Athletin an den Offenen Schweizer
Rollstuhl-Leichtathletik-Meisterschaften. Sie
fuhr zwei von vier neuen Weltrekorden und
gewann, wie Shirley Reilly (USA) und Hannah
Cockroft (Grossbritannien), je drei Rennen.                                                         Buntes Fest. Kinder und Erwachsene,
Dominator im Feld der Männer war der                                                                Rollstuhlfahrer und Fussgänger waren
                                                                                                    bei der gelungenen Einweihung der
Schweizer Marcel Hug mit vier Erfolgen. Er                                                          neuen Sport Arena Nottwil dabei.
siegte, mit deutlichem Vorsprung, auch beim
Rollstuhl-Marathon in Schenkon LU. Edith
Wolf-Hunkeler (Dagmersellen LU) tat es ihm
bei den Frauen gleich.

Heinz Frei (Etziken SO) ist vom Internationa-
len Paralympischen Komitee (IPC) für einen
Sitz im Athletenrat nominiert worden. Er soll
in diesem Gremium die Interessen der Hand-
biker vertreten. Die Wahl findet demnächst
in London statt.

Karin Suter-Erath (Wettingen AG) und
Sonja Häsler (Basel) drückten der EM im
Rollstuhl-Badminton den Stempel auf. Die
Schweizerinnen waren in drei Wettbewerben
nie schlechter als Zweite. In Zahlen:           Die rundum modernisierte Sport Arena Nottwil hat ihre Feuertaufe bestanden.
Zweimal Gold und einmal Silber für Suter-       Offiziell eröffnet wurde sie mit den Offenen Schweizer-Meisterschaften der
Erath, dreimal Silber für Häsler.               Rollstuhl-Leichtathleten, umrahmt von diversen anderen Attraktionen. Bei guten
                                                Bedingungen verfolgten die Besucher an zwei Tagen rund 180 Athleten aus
Andreas Perez (Genf) bestritt als erster        25 Ländern aller Kontinente – und erlebten dabei spannende Wettkämpfe auf
Schweizer einen Ironman-Triathlon für           Topniveau. «Sport kann zu einem neuen, besseren Lebensgefühl verhelfen»,
Rollstuhlfahrer. In Brasilien brachte er den    sagte Daniel Joggi, Präsident der Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS), bei der
Wettkampf – 3,8 km Schwimmen, 180 km            stimmungsvollen Einweihungsfeier. Und Rollstuhlsportler Heinz Frei doppelte
Handbike-, 42 km Rollstuhlfahren – in           nach: «Ich appelliere an alle Athleten, mit gutem Beispiel voranzugehen und
16 Stunden und 35 Minuten hinter sich.          andere zu motivieren.» Prominentester unter zahlreichen Ehrengästen war Bun-
                                                desrat Ueli Maurer. Wie Aktive, Trainer und Funktionäre aus dem In- und Ausland
Ursula Schwaller (Düdingen FR), Handbike-       zeigte sich der Sportminister von der Infrastruktur begeistert: «Jede Eröffnung
Doppelweltmeisterin, und weitere Natio-         einer Sportanlage, die höchste internationale Standards erfüllt, ist ein grosses
nalkader-Mitglieder bekamen die seltene         Plus.» Denn die Schweiz verfüge über zu wenig davon. Abschliessend segnete
Gelegenheit zu ausgiebigen Tests im Wind-       Pfarrer Josef Hochstrasser (Oberentfelden AG) die multifunktionale Wettkampf-
kanal der RUAG (Emmen LU). Im Vorfeld           stätte – damit sie unter einem guten Stern stehe: «Kraft, Freude, Fairness und
der Paralympics wurden dort Materialien,        Gesundheit erfülle all jene, die sich hier sportlich messen.»
Ausrüstung sowie Position der Athleten auf
Aerodynamik geprüft. Vereinzelt ergab sich
eine Verbesserung der Windschlüpfrigkeit
von rund 10%, was fallweise bis zu einer
Minute an Zeitgewinn heissen kann.                                                                           Paraplegie, September 2012   |9
Paraplegie - Schweizer Paraplegiker-Gruppe
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                                   1 19.07.12 044 872
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                                                         1   97                   Gloor Rehab. & Co AG Mattenweg 5 4458 Eptingen
                                                                                      
                                                                                                           

                                                                                                               
                                                                                                                     

                                                                    Tel: 062 299 00 50 Fax: 062 299 00 53 www.gloorrehab.ch mail@gloorrehab.ch
                                                                                                                             

                                                        ... wir belohnen Sie mit einem strahlenden Lächeln!
                                                             Überzeugen Sie sich bei einem Besuch von der Kompetenz unserer qualifizierten
                                                             Zahnärztinnen/Zahnärzte und Dentalhygienikerinnen/Dentalhygieniker.
                                                             Melden Sie sich jetzt für eine Voruntersuchung in unserer Ausbildungsklinik an.
                                                             Careum Dentalhygiene – Prophylaxeklinik
                                                             Minervastrasse 99, 8032 Zürich, Telefon 043 311 35 00
                                                             www.careum-dentalhygiene.ch

                                                                                          careum Dentalhygiene
  Lassen Sie sich beraten ...

                                                                                            Sicher und einfach baden
                                                                                          Der Badewannenlifter Aquatec ® Orca ermöglicht
                                                                                          sicheres Baden, einfach und auf Knopfdruck!
                                                                                          - Schnelle und einfache Montage ohne Werkzeug
                                                                                          - Ergonomisches, schwimmfähiges Handbedienteil
                                                                                          - Absenkbare Rückenlehne für entspanntes Baden

                                                                                             … oder duschen.
                                                                                          Sie möchten lieber duschen? Kein Problem!
                                                                                          Mit dem Aquatec ® Ocean ist dies möglich.
                                                                                          - stabiler, rostfreier Rahmen aus Edelstahl
                                                                                          - individuell anpassbare Sitzhöhe, ohne Werkzeug
                                                                                          - einfach zerlegbar, für den Einsatz auf Reisen

                                                                                          Invacare® AG
                                                                                          Benkenstraße 260, 4108 Witterswil
                                                                                          Tel. 061 4877080, Fax 061 4877081
                                                                                          switzerland@invacare.com, www.invacare.ch

                                                                                          Gratis Information zum Orca / Ocean
                                                                                          Ich bitte um:
                                                                                              Vorführung           Infomaterial/Unterlagen

                                                                                          Name:
                                                                                          Straße
                                                                                          PLZ / Ort:
                                                                                          Tel.:

 AZ_190x129_Orca_Ocean.indd 1                                                                                                      26.01.12 09:34
Luftiges Abenteuer                                               agenda 2012
                                                                                                               Der neu eröffnete Swiss Seilpark in Fiesch VS bietet
                                                                                                               eine Attraktion für Menschen im Rollstuhl. Einer der             31. august – 2. september
                                                                                                               insgesamt sechs Parcours ist nämlich so konstruiert,             Schweizer Meisterschaft Rollstuhl-Tennis
                                                                                                               dass sie sich selber von Baum zu Baum hangeln                    Wohlen AG
                                                                                                               können. Möglich macht dies ein umgebauter Gleit-
                                                                                                               schirmsitz mit einer speziellen Beinpolsterung, die              15. September
                                                                                                               vor Verletzungen schützt. Eingehängt in die Seile                Swiss Handbike-Day
                                                                                                               können Para- und Tetraplegiker das Erlebnis eines                SPZ Nottwil
                                                                                                               Baumwipfel-Pfades ganz ohne Rollstuhl geniessen –
                                                                                                                                                                                Nationales Rollstuhlrennen
                                                                                                               dieser bleibt am Boden. Hinter der Idee steckt der
                                                                                                                                                                                Schweizer Meisterschaft Handbike
                                                                                                               Integrationsgedanke, dass Fussgänger und Rollstuhl-
                                                                                                                                                                                (Junioren)
                                                                                                               fahrer den Seilpark gemeinsam nutzen. Oder wie
                                                                                                                                                                                Steinen SZ
                                                                                                               Initiant Claudio Rossetti sagt: «Spass und Erlebnis
Foto: Christian Pfammatter

                                                                                                               sollen keine Schranken kennen.» Entwickelt hat
                                                                                                                                                                                19. / 20. September
                                                                                                               er die Vorrichtung zusammen mit der Schweizer
                                                                                                                                                                                12. Kongress eHealthCare.ch
                                                                                                               Paraplegiker-Vereinigung (SPV), dem Dachverband
                                                                                                                                                                                GZI Nottwil
                                                                                                               der Rollstuhlfahrer.
                                                                                                               Mehr Infos unter www.sport-ferienresort.ch,
                                                                                                                                                                                8. November
                                                                                                               Bereich Sport.
                                                                                                                                                                                Pflegesymposium, SPZ Nottwil
                             Erlebnis pur. Der spezielle Sitz ermöglicht
                             Rollstuhlfahrern das Abheben.
                                                                                                                                                                                14. November
                                                                                                                                                                                Lesung von Felicitas Hoppe
                                                                         neuer direktor im amt                                                                                  Bibliothek, GZI Nottwil
                                                                         Joseph Hofstetter (Sursee LU) hat am 1. August das Amt des Direktors der
                                                                         Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) übernommen. Der 51-jährige Jurist                                15. November
                                                                         löste Daniel Joggi (Trélex VD) ab, der weiterhin Präsident des Stiftungsrates                          Vernissage Kunst-Ausstellung
                                                                         bleibt. In seiner neuen Funktion kann Hofstetter unter anderem auf die Erfah-                          (Bilder, Skulpturen usw.) von
                                                                         rung von 12 Jahren Tätigkeit für diverse Organisationen innerhalb der                                  Victor Bisquolm, SPZ Nottwil
                                                                         Schweizer Paraplegiker-Gruppe (SPG) bauen. Die Aufgaben des SPS-Direktors
                                                                         umfassen das Führen der Stiftung und der ihr zugewiesenen Supportbereiche,
                                                                                                                                                                                17. November
                                                                         die Koordination der Zusammenarbeit zwischen Stiftung, Tochter- und Part-
                                                                                                                                                                                Weihnachts-Markt, SPZ Nottwil
                                                                         nergesellschaften sowie die Leitung der Direktorenkonferenz. Zudem vertritt
                                                                         Hofstetter die Interessen der gemeinnützigen Institution nach aussen.

                                                                                                                                                    Avantgarde
                                                                                                                                                    So individuell wie Sie!
                             © Ottobock · OK2583-M_CH_DE-01-1201

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                                                                                                                                                    www.ottobock.ch · suisse@ottobock.com · T 041 455 61 71

                                                           OK2583_210x94,5-M_CH_DE-01-1201.indd 1                                                                                                             01.02.12 15:00
ParalyMPics

«Marcel hug ist ein
ausnahmetalent»
                                        Ein Thurgauer startet durch. Marcel Hug ist ein Schweizer Hoffnungsträger
                                        bei den Paralympics in London. Dem 26-Jährigen gelingt im Moment fast alles.
                                        Beste Voraussetzungen also, um sein Ziel zu erreichen: eine Gold-Medaille.

                                        Text: Christine Zwygart | Bilder: Walter Eggenberger, Thomas Studhalter, Astrid Zimmermann-Boog

s    ein Markenzeichen: der silberne Helm.
     Sein Spitzname: «Swiss Silver Bullet»,
was so viel bedeutet wie Schweizer Silber-
                                                      drei grösseren Brüdern auf dem Bauernhof
                                                      seiner Eltern in Pfyn TG. «Ich bin in der Natur
                                                      aufgewachsen und fühle mich draussen noch
                                                                                                         ersten Runden auf der Bahn drehte. Er fand
                                                                                                         schnell Freude an den Wettkämpfen, denn
                                                                                                         «die Sportart war mir bekannt, weil ich mal
Geschoss. Doch eigentlich müsste er anders            heute am wohlsten.» Ganz selbstverständlich        eine Geschichte in einem Heftli darüber gele-
heissen. Gold-Rakete vielleicht, oder Gold-           half er als Bub bei der Kartoffelernte mit, nahm   sen hatte».
junge. Denn eines ist gewiss – wenn Marcel            Eier aus und sammelte Äpfel vom Boden auf –        Als Marcel zehn Jahre alt war, lernte er Nach-
Hug mit seinem Rennrollstuhl über die Bahn            so gut das mit seiner Behinderung eben ging.       wuchstrainer Paul Odermatt kennen. Der
flitzt, fährt er nicht selten auf Goldkurs. So hält   Damit die Geschwister beim Spielen nicht           Coach erkannte früh, dass der Junge im Sport
der 26-jährige Thurgauer den Weltrekord über          immer im Vorteil waren, kauften die Eltern         weit kommen könnte: «Marcel war sehr auf-
800, 1500, 5000 und 10’000 Meter. «Ich mag            zusätzlich noch einen alten Rollstuhl. «Meine      merksam, interessierte sich und fragte viel.»
die Dynamik der Rennen und geniesse den               Brüder setzten sich dann da rein, und so           Bis heute sei seine Bereitschaft ungebrochen,
Rausch der Geschwindigkeit», sagt Hug. Mit            kämpften wir auf Augenhöhe gegeneinander»,         auch in härtesten Momenten alles zu geben.
über 30 Kilometern pro Stunde treibt er die           erzählt Marcel. Die zwei, drei Stufen im Schul-    Längst hat sich Hug zum Vorbild der Nach-
Räder im Wettkampf vorwärts, einzig ange-             haus waren anfangs, als der Bub noch mit           wuchsfahrer gemausert. Und Odermatt amtet
trieben durch die Kraft seiner Arme. Kein             Schienen und an Krücken gehen konnte, kein         heute als persönlicher Trainer, begleitet und
Wunder, imponiert sein Oberkörper mit ath-            Problem. «Doch mit der Zeit wurde das zu um-       berät ihn – und betont: «Marcel ist ein Ausnah-
letischen Formen, breiten Schultern und mus-          ständlich.» Später baute ihm der Schulhaus-        metalent.»
kelbepackten Oberarmen. Er ist parat für die          Abwart für den Rollstuhl eine Rampe. «Ich war
Paralympics in London: «Ich möchte eine               gut integriert und erwartete auch keine Son-       Pionier in der Sportschule
Gold-Medaille gewinnen. Und ich werde in              derbehandlung.»                                    Der Spitzenathlet wohnt dort, wo er trainiert:
jedem Rennen darum kämpfen.»                          Damit der Bub den Umgang mit dem Rollstuhl         in Nottwil. Hier lebt er gemeinsam mit Bruder
                                                      erlernen konnte, besuchte er in den Ferien ein     Patric und dessen Freundin in einer geräumi-
Ein alter Rollstuhl für die Brüder                    Lager. «Dabei lernte ich den Rollstuhlsport        gen Wohnung. «Das ist praktisch und erleich-
Marcel Hug kam mit offenem Rücken (Spina              kennen und durfte einen alten Rennrollstuhl        tert den Alltag», sagt der Rollstuhlfahrer. Vor-
bifida) zur Welt, seinen ersten Rollstuhl erhielt     ausprobieren.» Marcel Hug erinnert sich noch       mittags erledigt er meistens administrative
er mit sieben Jahren. Er erinnert sich gerne          genau an das eigenartige Gefährt – eine Art        Aufgaben, betreut seine Homepage oder
zurück an seine Kindheit, an die Zeit mit den         Kiste auf vier Rädern – mit dem er damals die      versendet bestellte Fan-Shirts. «Haushalten

12 | Paraplegie, September 2012
Fokussieren. Vor dem Rennen wärmt
sich Marcel auf der Rolle auf, hört
fetzigen Rock dazu (grosses Bild). Der
Athlet mit Coach Paul Odermatt (r.)
und Krafttrainer Peter de Regt (oben).
Bei den Zuschauern ist Hug der Star,
gibt Autogramme (Mitte) und nimmt
Gratulationen entgegen (unten).

                         Paraplegie, September 2012   | 13
gehört definitiv nicht zu seinen Lieblingsbe-     feraten. Durch die Auszeichnung «Behinder-
Entspannen. Daheim in Nottwil
kochen Marcel und Bruder Patric        schäftigungen», frotzelt Patric. Seinen kleinen   tensportler des Jahres 2011» ist der Thurgauer
ein paar Spiegeleier (l.). Seine       Bruder beschreibt er als zielstrebig. «Im Sport   nun zwar einem breiteren Publikum bekannt,
Fan-Shirts verschickt der Sportler     wohlverstanden, nicht im Kochen.» Über-           doch rein finanziell gesehen habe ihm dies
eigenhändig (r.). Auf dem Sofa
im Wohnzimmer lässt sich gut           haupt sei der Sport bei Marcel allgegenwärtig     nicht viel gebracht. «Ich bin immer noch auf
arbeiten – so betreut Hug beispiels-   und beherrsche seinen Lebensinhalt.               der Suche nach einem Auto-Sponsor.»
weise seine Homepage selber.           Hug war der erste Rollstuhlfahrer, der die Na-
                                       tionale Elite Sportschule Thurgau und später      Der 12-Jahres-Plan
                                       das Sportler-KV in Luzern besuchte. Bei seinen    Um 11.30 Uhr beginnt das erste von jeweils
                                       Mitschülern kam er gut an: «Sie zollten mir       drei Trainings pro Tag. In der Turnhalle des
                                       Respekt und anerkannten meine Leistungen.»        Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) Nott-
                                       Nach der Abschlussprüfung sammelte der aus-       wil absolviert Marcel Hug einen Parcours, flitzt
                                       gebildete Kaufmann während eines Jahres           im Slalom an Stangen vorbei, jongliert für
                                       erste Berufserfahrungen bei der Guezlifabrik      mehr Geschicklichkeit, stählt mit Medizin-
                                       Hug AG («Wir sind nicht miteinander ver-          bällen die Rumpfmuskulatur. «Pro Woche trai-
                                       wandt»), und im Januar 2010 machte Marcel         niere ich 25 bis 30 Stunden intensiv, dazu kom-
                                       seinen Traum wahr: Berufssportler. Seither        men fünf bis sechs Trainingslager pro Jahr»,
                                       konzentriert er sich voll und ganz auf seine      erzählt er. Am Nachmittag gehts draussen
                                                                                         weiter auf der Leichtathletikbahn, am Abend

  «Ich trainiere 25 bis                                                                  ebenso. «Wenn wir um 19.30 Uhr fertig sind,
                                                                                         folgen Besprechungen mit dem Trainer.»
                                                                                         Coach Odermatt räumt seinem Schützling

   30 Stunden pro Woche»                                                                 für die Paralympics gute Chancen ein, eine
                                                                                         Medaille zu gewinnen: «Marcel hat eine her-
                                                                                         ausragende Persönlichkeit, denkt in Rennen
                                       Karriere. Geht das finanziell? «Doch, doch, ich   taktisch mit, kann enorm gut fokussieren.»
                                       komme über die Runde», meint er und doppelt       Wenn am Tag X alles stimme, müsste er über
                                       nach: «Übrigens – ich beziehe keine IV-Rente.»    800, 1500, 5000 Meter oder im Marathon aufs
                                       Seinen Lebensunterhalt verdient sich der Ath-     Podest fahren. Seit zwölf Jahren arbeiten die
                                       let mit Beiträgen von persönlichen Sponsoren      beiden auf diesen Moment hin; mit dem Ziel,
                                       und dem Sportverband, Preisgeldern und Re-        in London Gold zu holen.

14 | Paraplegie, September 2012
ParalyMPics

In den letzten Monaten intensivierte Marcel       Wettkampfstimmung zu versetzen und mich          nicht zu sagen. Marcel will kein Aufsehen um
Hug sein Krafttraining von zwei auf drei Mal      zu konzentrieren.»                               sich machen, wirkt im Gespräch stets beschei-
pro Woche, dazu kommt ein mentaler Aufbau.        Die Fan-Gemeinde von Marcel Hug wächst mit       den. So gesehen passt der silberne Helm eben
«Im entscheidenden Moment ist es wichtig,         jedem öffentlichen Auftritt. Der junge Mann      doch perfekt zu ihm, mitsamt dem Spitz-
auch im Kopf parat zu sein.» Sein Vater wird      ist sympathisch, aufgeschlossen, ohne Staral-    namen «Swiss Silver Bullet». Ein bisschen tief-
ihn nach London begleiten, tageweise kom-         lüren. Sein Herzenswunsch: «Mal ohne Renn-       stapeln – aber im entscheidenden Moment
men die Brüder dazu. Mit im Gepäck hat der        rollstuhl in der Welt herumreisen.» Ans Meer     Vollgas geben und auf die Überholspur wech-
Athlet auf alle Fälle den MP3-Player mit seiner   oder durch die USA. Er ist kein Mann der gros-   seln. Und am Schluss doch als Goldjunge über
Musiksammlung. Rockig-fetzige Songs fürs          sen Worte, wirkt bisweilen gar zurückhaltend.    die Ziellinie fahren.
Training, meditative Stücke unmittelbar vor       Vor allem wenns um sein Privatleben geht. «Ja,
den Rennen. «Das hilft mir, mich ganz in          ich bin in festen Händen». Mehr gebe es dazu

                                                                                                                          Paraplegie, September 2012   | 15
ParalyMPics

Anekdoten über Zufall,
Zeremonie und Zeitnot
Edith wolF-hunkElEr
                                            Bild: Eddy Risch
                                                                                       25 schweizer dabei
Alter       40 Jahre                                                                   Die Paralympics 2012 finden vom 29. August bis 9.
                                                                                       September in London statt. Unter rund 4200 Teil-
Wohnort     Dagmersellen LU
                                                                                       nehmern aus 150 Nationen – neuer Rekord – wer-
Beruf       Sportlerin und Mutter
                                                                                       den in 20 Sportarten mehr als 500 Medaillensätze
Behinderung Paraplegikerin seit                                                        vergeben. Die Schweiz stellt 25 Athleten (davon
            einem Autounfall im
                                                                                       19 im Rollstuhl) in sieben Disziplinen. 2008 gab es
            Februar 1994
                                                                                       elf Medaillen.

Erfolge an Paralympics                                                                 Das Swiss Paralympic Team 2012
2004 in Athen: Silber über 1500 und                                                    Sitting. Bogenschiessen: Magali Comte (Onex GE),
5000 Meter
                                                                                       Philippe Horner (Archamps / F). – Leichtathletik:
2008 in Peking: Gold im Marathon                                                       Beat Bösch (Nottwil LU), Heinz Frei (Etziken
und Bronze über 1500 Meter                                                             SO), Sandra Graf (Gais AR), Alexandra Helbling
                                                                                       (Azmoos SG), Marcel Hug (Nottwil LU), Patricia Kel-
                                                                                       ler (Waltenschwil AG), Bojan Mitic (Hochdorf LU),
                                                                                       Manuela Schär (Kriens LU), Edith Wolf-Hunkeler
                 Von der Pechmarie zur goldmarie                                       (Dagmersellen LU). – Handbike: Jean-Marc Berset
                 «Mit Paralympics verbinde ich starke Emotionen – vor allem            (Bulle FR), Tobias Fankhauser (Hölstein BL), Heinz
                 mit den Wettkämpfen in Peking 2008. Damals stürzte ich im             Frei, Sandra Graf, Ursula Schwaller (Düdingen FR),
                                                                                       Lukas Weber (Zürich). – Schiessen: Paul Schnider
                 Rennen über 5000 Meter bei einer Massenkarambolage schwer.
                                                                                       (Mels SG). – Tennis: Yann Avanthey (Champéry VS),
                 Ich realisiert gar nicht, was da passierte, sondern lang einfach      Daniel Dalla Pellegrina (Ennenda GL). – Tischtennis:
                 plötzlich am Boden und dachte: NEIN! In mir war eine grosse           Silvio Keller (Wallbach AG).
                 Leere. Erst später merkte ich, dass ich Schürfungen und Quet-         Standing. Leichtathletik: Christoph Bausch (Pfäf-
                 schungen erlitten hatte. Mit Massagen, Salben und Medikamen-          fikon SZ), Philipp Handler (Embrach ZH), Chri-
                 ten versuchten die Betreuer ihr Bestes – und so startete ich ein      stoph Sommer (Utzenstorf BE). – Rad: Annina
                                                                                       Schillig (Steyr / Oe), Sara Tretola (Biberist SO).
                 paar Tage später am Marathon. Ich habe bei einem Rennen selten
                                                                                       Blinde. Schwimmen: Chantal Cavin (Bern).
                 so gelitten und mit mir gehadert. Doch ich gab nicht auf, kämpfte,    Delegationsleitung: Ruedi Spitzli (Chef), Christof
                 holte auf. Und überholt gar; am Schluss gings um Sekunden.            Baer, Roger Getzmann (Teamchefs), Matthias
                 Und ich fuhr als Erste über die Ziellinie. Bei mir brach das totale   Strupler (Arzt), Therese Müller (Administration),
                 Gefühlschaos aus, ich war geschockt und glücklich zugleich.           Urs Huwyler (Medien).
                 Und dann wollte ich nur noch heim.
                                                                                       Paralympics im TV: Diverse TV-Sender berichten re-
                 Diesen Sommer begleiten mich mein Mann Mark und unsere                gelmässig über die Wettkämpfe. Permanente Live-
                 Tochter Elin an die Paralympics, denn der Sport ist bei uns           Berichterstattung unter: http://www.youtube.com/
                 mittlerweile ein Familienprojekt. Und das haben wir vergangenen       user/ParalympicSportTV
                 Januar in Australiens Metropole Sydney geübt: Ich ging morgens
                                                                                       Starkes Engagement der SPS
                 ins Training, und irgendwo auf der fünf Kilometer langen Strecke
                                                                                       Die Schweizer Paraplegiker-Stiftung (SPS) för-
                 traf ich dann plötzlich auf Mark und Elin. Ich wusste nie, wann
                                                                                       dert den Breiten- und Spitzensport für Menschen
                 und wo. Das war so berührend. Den sportlichen Ehrgeiz habe ich        mit Behinderung seit Jahren. Sie unterstützt die
                 als Mami zwar nicht verloren, dennoch könnte ich mir nicht            Schweizer Paraplegiker-Vereinigung (SPV) bzw.
                 vorstellen, ohne die beiden nach London zu reisen.»                   deren Abteilung Rollstuhlsport Schweiz. Weiter ist
                                                                                       die SPS Premium Partner von Swiss Paralympic und
                                                                                       Mitglied der gleichnamigen Stiftung.

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anstandsdame für rasierklinge
                                                   «Ich habe vor gut zehn Jahren mit einem Ritual begonnen: Vor grossen
                                                   Sport-Events lasse ich mir einen kleinen Kinnbart wachsen. Abrasiert
                                                   wird die Haarpracht immer unmittelbar nach dem letzten Einsatz, noch
                                                   in den Garderoben des Stadions. Als abergläubisch würde ich mich nicht
                                                   bezeichnen, dennoch gehört diese Prozedur mittlerweile fix dazu. So auch
                                                   an den Paralympics 2008 in Peking. Mein letztes Rennen stand kurz bevor,
                                                   und ich machte mich auf den Weg in die Katakomben des Stadions. Mit
                                                   dabei hatte ich eine Tasche mit Schuhen, Kleidern und einer Rasierklinge.
  christoPh soMMEr
                                                   Wie bei einer Flughafenkontrolle durchleuchteten uniformierte Beamte
  Alter       39 Jahre
  Wohnort     Utzenstorf BE                        mein Gepäck, entdeckten das ‹Messerli› – und dann ging’s los! Aufgeregtes
  Beruf       Betriebsdisponent                    Geschrei, grimmige Gesichter, immer mehr Beamte formierten sich um
  Behinderung Linker Unterarm                      meine Tasche. Ich sprach Englisch, sie nur Chinesisch.
              amputiert seit einem                 Ein einheimischer Athlet half mir schliesslich beim Übersetzen. Doch so
              Unfall 1979                          leicht liessen sich die Kontrolleure nicht überzeugen. Die Rasierklinge
                                                   wurde konfisziert, in eine Tüte gesteckt, diese versiegelt und einer Dame
  Erfolge an Paralympics
  2000 in Sydney: 6. Rang über                     zum Aufbewahren überreicht. Ich bekam das Messerli tatsächlich erst nach
  5000 Meter (Diplom)                              dem Rennen wieder, als ich die Arena mit ihren 90’000 Zuschauern bereits
  2004 in Athen: Neuer Schweizer Rekord            verlassen hatte und in der Garderobe stand. Dort rasierte ich mir dann
  über 5000 Meter, 6. Rang (Diplom)                genüsslich den Bart ab – und freute mich über meine Saisonbestzeit über
  2008 in Peking: Saisonbestleistung über          5000 Meter.»
  5000 Meter, 7. Rang (Diplom)

Eine Militärübung mit umwegen                                        Heinz Frei 1984
                                                                                                       hEinZ FrEi
«Wir haben an den Paralympics auf und neben der Rennbahn                                               Alter           54 Jahre
immer wieder witzige, nervige und auch aussergewöhnliche                                               Wohnort         Etziken SO
Sachen erlebt. Zum Beispiel 1984 in England: Als der Startschuss                                       Beruf           Sportreferent und Coach
für die 4-mal-100-Meter-Staffel fiel, spurteten alle vier Sportler                                     Behinderung     Seit einem Unfall bei
aus Jordanien gemeinsam los. Das gab ein Durcheinander! Oder                                                           einem Berglauf im Jahr
                                                                                                                       1978 Paraplegiker
1988 in Seoul, wo im 14-stöckigen Hochhaus nur ein einziger
Lift zur Verfügung stand. Dafür war aussen an der Fassade eine                                         Erfolge an Paralympics
steile Rampe angebracht, über die wir auch in unsere Zimmer                                            14 Gold-Medaillen sowie 18 mal Silber
im 12. Stock gelangen konnten. So gab es vor dem Zubettgehen                                           und Bronze an 13 Paralympics
                                                                                                       (7 mal im Sommer, 6 mal im Winter).
hie und da ein Extra-Training. In guter Erinnerung sind mir die
Spiele in Barcelona 1992, wo ich den Marathon gewinnen
konnte. Damals unterschätzten mich meine Gegner und liessen
mich zwei Kilometer vor dem Ziel davonziehen – ich hielt das Tempo durch. Wenn wir uns
heute an einem Wettkampf sehen, lachen wir herzhaft über diese Überrumpelungs-Aktion.
Als anstrengend empfand ich die Paralympics in Atlanta 1996, denn die Wertschätzung
gegenüber Behindertensportlern war kaum da. Die Männer, die uns vom Hotel ins Stadion
fahren sollten, waren vom Militär und absolvierten eine Art Übung. Blöd nur, dass der
halbstündige Weg volle drei Stunden dauerte, da sie das Stadion nicht fanden. Einige Athleten
bangten, ob sie es überhaupt rechtzeitig an die Rennen schaffen würden.
Alles in allem erlebte ich vor vier Jahren in Peking mein persönliches Highlight. Mit 50 Jahren
noch immer vorne mitfahren zu können, war ein Privileg. Ich verletzte mich während
meiner Karriere nie schwer und habe zu meinem Körper stets Sorge getragen. Das hat viel
mit Disziplin und Selbstverantwortung zu tun – und das hat mich der Sport gelehrt.»

                                                                                                                   Paraplegie, September 2012   | 17
«der behindertensport
fristet ein Mauerblümchen-
dasein – zu unrecht»
Sein Besuch an der Eröffnung der Sport Arena in Nottwil ist typisch: Ueli Maurer
steht regelmässig bei Wettkämpfen in den Zuschauerreihen und feuert Rollstuhl-
sportler an. Der 61-jährige Bundesrat über abgebaute Hemmschwellen, alpine
Sommerträume und politische Fouls.

Interview: Christine Zwygart | Bilder: Astrid Zimmermann-Boog

d     ie Paralympics beginnen bald. Sind
      Sie in London mit dabei?
Natürlich! Sogar mehrere Bundesräte werden
den Athleten einen Besuch abstatten. Schein-
bar hat es sich herumgesprochen, dass da gute
Wettkämpfe zu sehen sind.

Für welche Sportart interessieren Sie sich
besonders?
Leider fallen die Paralympics in die Vorberei-
tungszeit der Herbstsession. Somit kann ich
keine einzelnen Rennen oder Wettkämpfe
aussuchen, sondern muss dann nach London
reisen, wenn es die Agenda zulässt.

Welchen Stellenwert besitzt der Behin-
dertensport heute in der Schweiz?
Wenn wir ehrlich sind: Er fristet ein Mauer-
blümchen-Dasein – zu Unrecht. Der Behin-
dertensport verfügt zwar über eine grosse
Insider-Familie, aber von aussen nimmt man
ihn zu wenig wahr. Es fehlt die Publizität. Ge-
winnt ein Rollstuhlfahrer eine Medaille, ist
das den meisten Medien höchstens eine Kurz-
meldung wert. Dabei sind die Leistungen,
die da vollbracht werden, aussergewöhnlich.
Deshalb nehme ich auch immer wieder an
Veranstaltungen teil und versuche so, Hemm-
schwellen abzubauen.

                                                  Zu Besuch in Nottwil. Anlässlich der Sport Arena-Eröffnung
                                                  unterhält sich Ueli Maurer mit Rollstuhlsportler Heinz Frei
                                                  (ganz oben), probiert einen Segway aus (oben) und besichtigt
                                                  das Klinik-Areal (rechts).

18 | Paraplegie, September 2012
ParalyMPics

Hatten Sie selber Berührungsängste?               Klettern. Ich kenne die Thematik dadurch       hats viele Junge, die mit Enthusiasmus mit-
Am Anfang war auch ich gehemmt im Um-             ein bisschen. Und im Schweizer Paraplegiker-   machen. Alles in allem ist da ein tolles Team
gang mit Behinderten. Was soll ich sagen?         Zentrum war ich schon mehrmals als Besu-       am Start.
Was soll ich machen? Muss ich irgendwie hel-      cher.
fen? Da gab es sehr viele Fragezeichen. Doch                                                     Was tut Ihr Departement für den
je öfter man sich trifft, desto unkomplizierter   Wer ist Ihr Lieblings-Athlet im Behinder-      Behindertensport?
und lockerer wird der Umgang.                     tensport?                                      Der Behindertensport ist nicht bei uns, son-
                                                  Heinz Frei hat die Szene geprägt und reisst    dern im Bundesamt für Sozialversicherungen
Gibt es in Ihrem persönlichen Umfeld              mich auch heute noch mit. Bei den Frauen       angegliedert; aber natürlich pflegen wir durch
auch Rollstuhlfahrer?                             ist Edith Hunkeler das Aushängeschild.         das Bundesamt für Sport einen engen Kon-
Ja, in meinem Bekanntenkreis passierten ein       Marcel Hug erkenne ich bei den Rennen im-      takt. In den letzten Jahren haben wir uns be-
paar tragische Unfälle beim Skifahren und         mer an seinem silbernen Helm. Und dann         müht, den Behindertensport auf die gleiche

                                                                                                  Persönlich
                                                                                                  Ueli Maurer wurde am 1. Dezember 1950
                                                                                                  in Wetzikon ZH geboren. Er absolvierte
                                                                                                  eine Kaufmännische Lehre und übernahm
                                                                                                  mit 23 Jahren die Geschäftsleitung der
                                                                                                  Landi Hinwil-Bauma. Von 1994 bis 2008
                                                                                                  führte Maurer den Zürcher Bauernver-
                                                                                                  band. Seine politische Laufbahn startete in
                                                                                                  den 70er-Jahren als SVP-Gemeinderat in
                                                                                                  Hinwil. 1983 wurde er in den Zürcher Kan-
                                                                                                  tonsrat, 1991 in den Nationalrat gewählt.
                                                                                                  Von 1996 bis 2008 amtete er als Präsident
                                                                                                  der SVP Schweiz. Am 10. Dezember 2008
                                                                                                  wählte ihn die Vereinigte Bundesversamm-
                                                                                                  lung in den Bundesrat. Maurer ist verhei-
                                                                                                  ratet und Vater von sechs Kindern.

                                                                                                                        Paraplegie, September 2012   | 19
Verheerende Folgen:
                                                                                      Eisenmangel bei Schulkindern

                                             Heute                                                    Endlich wieder gute Noten für Nora
                                                   lt –
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                                                     n
                                             Morge
                                                      rt!
                                                                         Badewannen-Lifte
                                                    e
                                             gelief
                                                               lay01_para_drduenner.indd 1                                                             20.07.12 10:40
                                                                                                                             Endlich wieder
SITZLIFT                                                                                                         Freude beim
                                                                                                                      Baden!
Rigert kennt keine Hindernisse                                                                                          - Mietkauf zinslos möglich
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                                                                                                               - Schnelle und saubere Installation
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Im Zeitmessturm.
             Bundesrat Maurer mit Ruedi Spitzli,
              Leiter Rollstuhlsport Schweiz, und
             Thomas Troger, Direktor Schweizer
                 Paraplegiker-Vereinigung (v. l.).

Stufe wie den «Fussgänger-Sport» zu stellen.
Und zwar so unkompliziert wie möglich,
indem wir im Sportzentrum Magglingen ver-
mehrt Trainingsmöglichkeiten für Behin-
derte anbieten.

Sie sind immer wieder an Handbike-                   Was für Parallelen gibt es zwischen Sport        sich bringen. Und zwar punkto Emotionen,
Rennen anzutreffen. Politische Pflicht oder          und Politik?                                     Fairness und Gesundheit.
persönliches Interesse?                              Sieg und Niederlage gehören bei beiden dazu.
Beides. Ich besuche nicht nur die grossen, po-       Wer verliert, muss die Situation analysieren,    Können das die Schweizer – sich präsen-
pulären Veranstaltungen, sondern schaue mir          Änderungen vornehmen und es beim nächs-          tieren? Wir machen uns doch eher klein.
auch Randsportarten an – dazu gehört bei-            ten Mal besser machen. Das funktioniert im       Diese Frage stelle ich mir fast jeden Tag – und
spielsweise ein Match der Schweizer Fussbal-         Sport wie auch in der Politik. Und: In der Po-   ich schwanke. Der Funke ist definitiv noch
lerinnen, aber auch ein Handbike-Rennen.             litik fährt besser, wer Niederlagen sportlich    nicht auf die Schweizer übergesprungen. Und
Wie die Rollstuhlfahrer da agieren, ist hoch         statt persönlich nimmt.                          wenn er dies nicht tut, dann müssen wir
faszinierend und spannend. Die fahren mit                                                             in ein, zwei Jahren die Gnade haben, die
einem Affenzahn und mit nur fünf Zentimeter          Fairness?                                        Übung abzubrechen. Aber es wäre eine riesige
Abstand hintereinander her. Als passionierter        In der Politik sind die Fouls nicht so offen-    Chance, wenn wir das hinbekämen.
Velofahrer weiss ich, was das bedeutet …             sichtlich, Intrigen laufen im Geheimen. Und
                                                     ganz entscheidend: Im Sport verhängt ein         Was wünschen Sie sich für den
Sind Sie selber schon mal mit einem                  Schiedsrichter wenn nötig Strafen bis hin        Schweizer Sport?
Handbike gefahren?                                   zu Sperren. In der Politik spielen die Medien    Wir brauchen eine möglichst breite Sportbe-
Ja, ich habe das mal ausprobiert. Ich wäre mit       manchmal Schiedsrichter – aber da gehts          wegung in der Bevölkerung und vor allem bei
diesem Gefährt aber keine fünf Kilometer             alles andere als unparteiisch zu und her.        der Jugend. Jeder, der Sport treibt, hat dabei
weit gekommen. Die Position der Arme war                                                              positive Erlebnisse. Man gehört zu einem
sehr ungewöhnlich, und ich brauchte Mus-             Ihre Sportbegeisterung zeigt sich auch           Team, man hat sich bewegt, der Kopf ist frei.
keln, die sonst nie im Einsatz sind. Da merkte       im persönlichen Engagement für die               Und je mehr Menschen diese Erfahrung ma-
ich erst richtig, welche Leistung dahinter-          Olympiakandidatur 2022 in Davos und              chen, desto mehr greift das Phänomen um
steckt.                                              St. Moritz. Haben wir eine Chance?               sich. Es braucht dazu den Spitzensport, der die
                                                     Ja. Aber da steht nicht der Sportgedanke im      breite Masse mobilisiert. Im Gegenzug sind
Wie steht es um Ihre persönliche Fitness?            Vordergrund. Die kleine Schweiz muss sich        wir auf den Breitensport angewiesen, weil dar-
Danke, nicht schlecht. Ich nehme pro Jahr an         wieder mal als leistungsstarkes Land zeigen.     aus Spitzensportler hervorgehen. Ich wünsche
zwei bis drei Grossanlässen teil. Auf dem Pro-       Olympische Spiele sind eine gute Gelegenheit,    mir einfach viele Leute, die sich bewegen.
gramm sind heuer der Gigathlon sowie der             um sich zu präsentieren. Und zwar mit einem
Wasalauf. Ich möchte aufs Finsteraarhorn –           kreativen, zukunftsorientierten Projekt. Ich     Ein Tipp für alle Stubenhocker?
eine hochalpine Tour auf über 4000 Meter ist         bin überzeugt, dass sich der Wintersport         Ein Beispiel: Ich konnte meinen Chauffeur
für mich auch eine sportliche Leistung. Viel-        durch die Klimaerwärmung verändern wird.         motivieren, gemeinsam mit mir auf die Lang-
leicht kommt noch ein Bike-Rennen dazu. Ich          Die Schweiz könnte zum Beispiel aufzeigen,       lauf-Loipe zu kommen, statt auf mich zu war-
brauch den Druck, an einem Anlass teilzuneh-         wie das Leben im Gebirge in 30 Jahren aus-       ten. Oder anders gesagt: Am besten gehts,
men. Nur so schaffe ich es, zu trainieren statt      sieht, wie die Leute mit der neuen Situation     wenn man nicht alleine trainiert. Wichtig ist,
immer im Büro zu sitzen. Der Ehrgeiz treibt          umgehen. Erst an zweiter Stelle stehen für       sich nicht zu überschätzen. Klein beginnen
mich dann an; wenn ich mitmache, möchte ich          mich dann der Sport und die Spiele, die          und sich stetig steigern. Dann machts Spass
nicht als Letzter über die Ziellinie.                positive Impulse für die Gesellschaft mit        und kommts gut.

                                                                                                                             Paraplegie, September 2012   | 21
Reportage

Erwachen. Die ersten lichten
Momente auf einer Intensivpflege-
station können ganz schön
verwirrend sein. Wo bin ich?
Was ist passiert? Wer sind diese
Menschen?

22 | Paraplegie, September 2012
Reportage

Zurück ins
    Leben
   Das Schicksal schlägt plötzlich zu. Jedes Jahr erleiden in
   der Schweiz rund 200 Menschen nach einem Unfall eine
    Querschnittlähmung. Die ersten Stunden und Minuten
    sind entscheidend: Wird das Richtige getan, lassen sich
  weitere Schäden vermeiden. Dazu brauchts Spezialisten –
                 bei Rettung, Behandlung und Betreuung.

                                             Paraplegie, September 2012 |   23
Reportage
                                                                                                        Die Rettungskette.
                                                                                                        1		Bei Verdacht auf Rückenverletzung überlässt man
                                                                                                            die Rettung besser den Profis.
                                                                                                        2		Im SPZ warten bereits Spezialisten aller Disziplinen
                                                                                                            und nehmen den Patienten in Empfang.
                                                                                                        3		 Im Schockraum erfolgt die Übergabe des Patienten.
                                                                                                        4		Ein CT-Bild zeigt, dass Wirbel gebrochen sind.
                                                                                                        5		Ein Patient wird im Computertomographen (CT)
Text: Christine Zwygart | Bilder: Walter Eggenberger, Astrid Zimmermann-Boog                                untersucht.

T   öne, die sich langsam zu Buchstaben und
    Worten formieren. Lichtstrahlen, die das
Bewusstsein kitzeln. Berührungen, die den
                                                      Durch das Absaugen von Luft schmiegt sich
                                                      das Material an den Körper des Verletzten. «Er
                                                      ist dann wie einbetoniert und kann sich nicht
                                                                                                          1

Körper ins Hier und Jetzt zurückholen wollen.         mehr bewegen.»
«Wo bin ich? Was mache ich hier? Was wird             Ivo Breitenmoser nimmt Anteil am Schicksal
mit mir gemacht?» Der Moment des Erwa­                seiner Patienten: «Häufig sind junge Men­
chens auf der Intensivstation einer Klinik ist        schen betroffen. Gleitschirmflieger, Kletterer,
ein einschneidendes Erlebnis. Vielleicht weiss        Snowboarder.» Sie erzählen dem Notarzt ihre
der Patient, wieso er hier liegt. Vielleicht fehlen   Geschichte, schildern, wie es zum Unfall kam.
diese Erinnerungen – Ärzte und Angehörige             «Querschnittgelähmte haben bei der Bergung
müssen ihm die Ereignisse schildern, bis der          oft einen wachen Geist und glasklaren Ver­
Betroffene weiss: «Ich bin in Nottwil, im             stand.» Mit dem Helikopter bringt der Notarzt      Foto: Rega
Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Mit Diag­             seine Patienten in eine der schweizweit elf
nose Querschnittlähmung.»                             Kliniken, die für die Aufnahme von frisch­          2
Manchmal genügt ein Ausrutscher auf einer             verletzten Querschnittgelähmten ausgerüs­
Treppe. Ein missglückter Sprung mit dem               tet sind.
Snowboard. Oder eine Unachtsamkeit beim
Autofahren. Und plötzlich sind da Rettungs­           Von der Bahre in den Operationssaal
sanitäter, Helikopter, Ärzte, Untersuchungen,         Oberarzt Hans Georg Koch arbeitet seit über 20
Ergebnisse, Eingriffe. Der Betroffene kämpft          Jahren im Schweizer Paraplegiker-Zentrum
mit tausend Fragen und sucht nach Antworten:          (SPZ) Nottwil. Ist er auf Pikett, trägt er ein
Da ist die Angst vor der Zukunft. Die Hoffnung        Diensttelefon mit sich. Notärzte, die einen
auf Besserung. Die Verzweiflung ob der Diag­          Frischverletzten einliefern wollen, werden di­
nose.                                                 rekt mit ihm verbunden. «Wir müssen wissen,
                                                      ob nebst der Querschnittlähmung noch andere
Vom Unfallort in die Spezialklinik                    Verletzungen vorhanden sind», erklärt Koch.         5
Eine korrekte Rettung ist für den weiteren Ver­       Derweilen kommt im SPZ eine Notrufkette in
lauf einer Querschnittlähmung entscheidend.           Gang: Die Zentrale bietet Radiologen, Paraple­
Ivo Breitenmoser ist Notarzt bei der Schweize­        giologen und Anästhesisten auf, alarmiert Mit­
rischen Rettungsflugwacht Rega und weiss,             arbeitende des Labors, der Operationssäle so­
worauf es ankommt. «Wichtig ist, dass wir die         wie der Intensivpflegestation. Wenn der Pati­
Wirbelsäule nicht drehen oder stauchen.» Die          ent eintrifft, stehen alle Fachpersonen parat.
Bergung erfordert Fachwissen und das richtige         Gemeinsam mit den Rega-Leuten bringt das
Material. Noch vor dem Umlagern überprüft             SPZ-Team den Patienten in den so genannten
der Arzt die Atmung des Patienten. «Das Herz          Schockraum. Hier erfolgt der mündliche Rap­
eines Tetraplegikers schlägt oft langsamer, und       port des Notarztes, von jetzt an übernehmen
sein Kreislauf ist unbeständig», erklärt Brei­        die Klinikärzte die Verantwortung. «Nebst den
tenmoser. Er verabreicht Medikamente, um              Vitalwerten überprüfen wir als erstes Sensi­
den Patienten zu stabilisieren und Schmerzen          bilität und Motorik, um die Lähmungshöhe zu
zu lindern. Erst dann wird der Verunfallte mit        ermitteln», erklärt Koch. Wichtig ist dem
einer speziellen Trage und Griffen, die die           Oberarzt, dass der Patient weiss, wer die
Wirbelsäule fixieren, angehoben und auf eine          Spezialisten um ihn herum sind und was sie
Vakuummatratze umgebettet. Deren Vorteil:             machen. «Das schafft Vertrauen.»

24 | Paraplegie, September 2012
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