THEOLOGISCHES PROFIL 2019 - PFEIFFERSCHE STIFTUNGEN
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inhalt Vorwort 03 Vorwort Wenn man die Umsatzzahlen, die Angebote und die Anzahl der Mitarbeitenden betrachtet sind die Pfeifferschen Stiftungen im bundesweiten Vergleich ein mittelständisches Diakonieunternehmen 04 Theologisches Profil wie es viele gibt. Die Herausforderung, Diakonie in der wohl säkularisiertesten Landeshauptstadt der Bundesrepublik zu gestalten, macht die Stiftungen einzigartig. 07 Diakonische Bildung Wir stützen die Aussage desCDU-Politikers Christian Hirte, Ostbeauftragter der Bundesregierung, 11 Ethikarbeit „dass vieles von dem, was wir in den neuen Bundesländern erleben, nur ein Vorspiel gesamtdeut- scher Phänomene ist. Wir sind dem Westen 30 Jahre voraus – bei der Demografie oder bei gesell- 16 Predigten schaftlichen Prozessen wie in Kirchen, Gewerkschaften und Vereinen, bei denen wir sehen, dass die Bindekraft nachlässt.“1. Deswegen glauben wir, dass unser Beitrag zur aktuellen Debatte um das 24 Diakonisches Wirken durch Geschichten vermitteln diakonische Profil und die Identität eines Diakonischen Unternehmens weiterführend sein kann. Mit dieser kleinen Broschüre stellen wir daher das theologische Konzept der Pfeifferschen Stiftungen vor, das im Kontext deroben genannten Phänomeneentwickelt worden ist. In einer Stadt Magdeburg, in welcher der überwiegende Teil der Bevölkerung der Kirche einfach indifferent gegenübersteht, und in den Pfeifferschen Stiftungen als einer diakonischen Einrichtung, in der über die Hälfte der Mitarbeitenden – auch einige Leitungskräfte – keiner Kirche angehören, war es schon lange nicht mehr möglich, das diakonische Profil einfach an die Kirchenmitgliedschaft der Mitarbeitenden zu binden. Die Bemühungen von diakonischen Einrichtungen in ähnlichen Kontexten durch volksmissionarische Angebote, Beauftragte für geistliches Leben und Glaubenskurse die alten kirchlichen Zustände wie- derherzustellen, scheinen uns wenig erfolgsversprechend. Deswegen haben wir versucht, innerhalb der gegebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen das diakonische Profil inhaltlich zu be- schreiben und zu entdecken, inwieweit die praktische Liebestätigkeit der Stiftungen die Kontextuali- sierung des Evangeliums in der Sozialform eines diakonischen Unternehmens ist. Im Folgenden beschreiben wir zuerst unser theologisches Profil, das davon ausgeht, dass das Diako- nische im fachlichen Handeln des Mitarbeitenden durch Deutung als diakonisch identifiziert werden kann. Danach zeigen einige konkrete Beispiele unsere Versuche der Deutung in Unterricht, Seelsor- ge und Ethikarbeit, Predigten und der Öffentlichkeitsarbeit. Vorsteher Christoph Radbruch Vorstandsvorsitzender 1 Hannoversche Allgemeine, 07.02.2019. 03
Theologisches Profil der Pfeifferschen Stiftungen Vorsteher Christoph Radbruch, Vorstandsvor- Dem entspricht, dass auch die Pfeifferschen Stif- um das Wesentliche, das grundlegend für uns ist. Orientierung an der Grenze - Führen sitzender der Pfeifferschen Stiftungen tungen in ihren Möglichkeiten begrenzt sind: Das Seelsorge für ein diakonisches Krankenhaus mit Werten Geld, das wir für unsere Aufgaben ausgeben grundlegend wichtig. Ethische Reflexionen nicht können, wird immer begrenzt sein. Da können nur in der Medizin und Pflege, sondern auch in Die Durchsetzung von Unternehmenswerten wird Kirchlichkeit und Kirchenmitglied- wir noch so erfolgreich mit den Kostenträgern der Ökonomie, Kompetenz in Ritualen und Spi- in Unternehmen als ein Instrument verstanden, schaft verhandeln. ritualität sowie Zuwendung als Folge eines ganz- die Unternehmensziele zu erreichen. Werte ha- Die Bibel und das Leben Jesu von Nazareth zei- heitlichen Menschenbildes sind weitere Grund- ben dabei die Funktion, das Verhalten der Mit- Die Pfeifferschen Stiftungen sind ein diakonisches gen uns, dass an diesen Grenzen Gotteserfah- bausteine für ein evangelisches Profil. Natürlich arbeitenden am Arbeitsplatz in die gewünschte Sozialunternehmen in der entkirchlichsten Groß- rungen möglich sind. Die Antwort der Bibel auf auch gute Medizin, Pflege und Sozialarbeit. Für Richtung zu lenken. Ein von allen akzeptiertes stadt Deutschlands. 12 Prozent der Bevölkerung unsere Grenzerfahrungen ist kein Trostpflaster für das evangelische Profil ist es dabei uninteressant, Wertesystem soll Kontrolle ersetzen, und ein star- gehören einer christlichen Kirche an. Die übrigen unsere Seelen, sondern die Aufforderung, sich im dass es auch in privaten und öffentlich-rechtli- kes Wertesystem soll Selbstorganisation möglich 88 Prozent Nichtchristen stehen der Kirche gleich- Namen Gottes auf den Weg zu machen. Dieser chen Sozialunternehmen eventuell diese Ange- machen. Damit unterstützen sie die Arbeit der gültig gegenüber. Dem entspricht, dass in dem Glaube der Tat hat die Pfeifferschen Stiftungen bote gibt. Führungskräfte eines Unternehmens. Diese Wie- diakonischen Unternehmen Pfeiffersche Stiftun- von Beginn an geprägt. In der Satzung der Stif- Zwar gilt, dass die Pfeifferschen Stiftungen - als derentdeckung der Werte in den Unternehmens- gen weniger als 40 Prozent der Mitarbeitenden tungen wird programmatisch festgestellt, dass Praxistest für die Kirche - gelebter Glaube mitten führungen der Wirtschaft lässt manche hoffen, einer Kirche angehören. die „praktische Liebestätigkeit für Menschen …, im Alltag sind, aber damit ist diakonisches Han- dass in einem diakonischen Unternehme durch Deswegen kann die Kirchlichkeit der Stiftungen die der besonderen Hilfe, Förderung, Begleitung deln auch verwechselbar. die Definition und Implementierung von typisch nicht formal durch die Kirchenmitgliedschaft der und Pflege bedürfen, als Erfüllung des Auftrages Dies entspricht der Wirklichkeit Gottes. Gott be- christlichen Werten das Verhalten der Mitarbei- Mitarbeitenden begründet werden, sondern verstanden wird, „Gottes Liebe zur Welt in Jesus tritt in der Person Jesus von Nazareth Raum und tenden so beeinflusst werden kann, dass das muss inhaltlich dargestellt werden. Dabei verste- Christus allen Menschen zu bezeugen“. Dieses Zeit des Menschen. Er bedient sich menschlicher diakonische Profil des Unternehmens deutlich hen die Stiftungen die Arbeit ihrer Mitarbeiten- in der kirchlichen Sprache des 19. Jahrhunderts Sprache, kommt in den Alltag der Menschen sichtbar wird. den als eine Kontextualisierung des Evangeliums. formulierte Ziel könnte man auch in die Begriffe und macht sich dadurch selber verletzlich und Abgesehen von der Schwierigkeit, dass christli- Dabei werden Lebenswelt und göttliche Zuwen- der heutigen Unternehmenssprache überset- verwechselbar. Deswegen ist Gott in diesem che Werte dabei schnell mit bürgerlicher Moral dung ins Verhältnis gesetzt,einerlei ob dies beim zen: Es ist Aufgabe der Stiftungen, Gottes- und Jesus von Nazareth nur durch den Glauben er- gleichgesetzt werden, ist es auch unmöglich, aus Einzelnen aufgrund einer durch den christlichen Nächstenliebe in erfolgreiche Geschäftsmodel- kennbar. Gleichsam muss das Diakonische im der Bibel einen Satz von allgemeinen, für alle und Glauben motivierten Haltung geschieht oder le umzusetzen. Das diakonische Unternehmen fachlichen Handeln der Mitarbeitenden durch überall geltende Werte zu destillieren, da christ- aufgrund einer beispielsweise eher humanistisch Pfeiffersche Stiftungen versteht sich somit als eine Deutung als diakonisch identifiziert werden. liche Werte immer abgeleitet werden aus dem motivierten Haltung. mögliche Kontextualisierung des Evangeliums. Deswegen muss es Menschen geben, die die jeweiligen Verständnis christlicher Ethik und im Die Stiftungen verkündigen das Evangelium in lange Geschichte der Diakonie und der sie tra- Sinne der Verantwortungsethik vom jeweiligen der Sozialform eines sozialen Unternehmens. genden christlichen Tradition in die heutige Zeit Kontext abhängig sind. Dieser Ansatz folgt der Die Grenze als Mitte der Pfeifferschen übersetzen und so die christliche Deutung unse- Logik des Evangeliums, das unverfügbar wächst Stiftungen2 rer Arbeit zur Sprache bringen können. Dies ge- und sich nicht durch den Vollzug bestimmter Grenzerfahrung – Deutung des Alltags schieht unter anderem in den Gottesdiensten, Werte und Normen durchsetzt. Menschen machen Grenzerfahrungen. Sie er- Andachten und Ritualen, durch religiöse Impulse Da im Leitbild der Stiftungen die Orientierung fahren existentielle Grenzen wie Krankheit, Äl- Es wird immer wieder gefragt, was denn das bei Sitzungen oder der Gestaltung von Festen, nicht durch „Werte“ im klassischen Sinn erfolgt, terwerden und Sterben oder erleben soziale besondere diakonische Profil der Stiftungen sei. Jubiläen und Einweihungen, durch diakonische sondern durch das Eingeständnis, gemeinsam Grenzen. Patienten, die nach einem Unfall oder Dabei ist die Frage nach der Unterscheidung ei- Bildung und ethische Fallarbeit. Aber auch die an Grenzen zu handeln und als fragmentarisch wegen einer Krankheit in eines unserer Kranken- gentlich eine Frage aus der Ökonomie und dem Ausgestaltung von Räumen oder der Umgang konstituierter Mensch Orientierung zu brau- häuser eingeliefert werden, erleben, wie ihnen Marketing. Sie fragt nach dem Alleinstellungs- mit den Mitarbeitenden gehört zu diesem Inter- chen, geht es im werteorientierten Manage- das Leben eine Grenze setzt. Plötzlich funktioniert merkmal, um dadurch ein Leistungsmerkmal zu pretationsrahmen. Dabei muss betont werden, ment vorrangig nicht um die Operationalisie- der Körper nicht mehr so, wie er soll. In unserer identifizieren, durch das sich ein Angebot deut- dass in all diesen Elementen Kirche erfahren wer- rung gesetzter Werte, sondern darum, in einem Einrichtung leben auch Menschen mit Behinde- lich vom Wettbewerber abhebt. Dem christli- den kann, aber sie dem geglaubten Kirche-Sein gelenkten Prozess gemeinsame Entdeckun- rungen. Sie wissen, dass sie in ihren Möglichkei- chen Glauben ist die Frage nach der Differenz der Stiftungen nichts hinzufügen. gen zu machen. Die beiden Stabsstellen „Di- ten begrenzt sind, und immer wieder werden sie wesensfremd. Bei der Frage nach dem theologi- akonie und Ethik“ und „Diakonie und Bildung“ auch gesellschaftlich ausgegrenzt. Zum mensch- schen Profil ist es deswegen hilfreicher zu fragen, unterstützen diesen Prozess. Was diese Werte lichen Leben gehört, dass es begrenzt ist. Am was für ein christliches Sozialunternehmen grund- wirklich wert sind, wird deutlich, wenn die je- Schluss ist unser Leben durch den Tod begrenzt. legend bestimmend ist. Es geht nicht um das Be- weiligen Unternehmenswerte miteinander in Die Ressourcen in der Welt sind nicht unendlich. sondere, das uns von anderen trennt, sondern Konflikt geraten. 2 Henning Luther. Religion um Alltag. „Grenze“ als Thema und Problem der Praktischen Theologie. Stuttgart 1992. „Die Mitte der Praktischen Theologie …ist nichts anderes … als die Bearbeitung der Erfahrung von Grenze oder von Grenzen. Ihre Mitte ist also die Grenze.“ 05
Diakonische Bildung Grenzüberschreitungen – der missio- Pfarrer Christoph Sterl, Stabsstelle Diakonie und che-Sein hängt nicht an bestimmten historisch narische Auftrag der Pfeifferschen Bildung der Pfeifferschen Stiftungen bedingten Kontextualisierungen des Evangeli- Stiftungen ums, und die Verkündigung des Evangeliums Kontext des Bildungsprozesses Jesu Christi ist nicht an einebestimmte Sozial- Die Grenze zwischen Glauben und Unglauben form gebunden. Die Pfeifferschen Stiftungen verläuft nicht zwischen Kirchenmitgliedern und Diakonische Bildung in den Pfeifferschen Stif- verkündigen das Evangelium in der Sozialform Konfessionslosen, sondern durch jeden Men- tungen leitet Mitarbeitende zu Entdeckun- eines sozialen Unternehmens. schen hindurch, wie schon die Reformatoren gen, wo das „Reich Gottes schon mitten un- Das nimmt Bildung in der Diakonie aus der betonten. In der Mission geht es deswegen ter euch“ ist. Dazu werden an den Orten, wo Pflicht, das Kirche-Sein der Unternehmensge- nicht um eine Methode, wie ich die Kommu- Teams sich beraten, Bildungsmaßnahmen ini- meinschaft beweisen zu müssen. Das profes- nikation oder die Werbung für das Evangelium tiiert. In den vergangenen Jahren wurde das sionelle Tun innerhalb der verschiedenen Be- verbessern kann. Es geht auch nicht um die Konzept weiterentwickelt. Bildung in den Stif- reiche orientiert sich nicht an theologischen Mitgliedschaftswerbung für die Ortsgemeinde. tungen besteht nun aus einem Grundmodul Reflexionsbegriffen wie „Nächstenliebe“, son- Sondern es geht um einen Kommunikations- und darauf aufbauenden Modulen. Ziel ist es, dern an den jeweils aktuellen, kritisch reflektier- prozess, der sich sowohl um das Verstehen des diese Module mit allen Mitarbeitenden der ten Handlungslogiken der Professionen. Das ist Evangeliums bemüht als auch um ein Verste- Stiftungen durchzuführen. Die aufbauenden jeweils operative Führungsaufgabe mit einer hen des Anderen, denn bei jedem guten Kom- Module sind biblische Geschichten, in denen bestimmten Fachlichkeit. Denn – pointiert ge- munikationsprozess erfolgt die Veränderung die Mitarbeitenden ihren Ort finden sollen. Da- sagt – es gibt kein christliches Pflegen, Verwal- nicht nur beim Empfänger, sondern auch beim neben gibt es noch ein Modul zum Kirchenjahr ten, Therapieren, Anleiten etc. Sender. So ist der Empfänger der Botschaft zu- und kirchlichen Traditionen. Das befreit die Diakonische Bildung für das, gleich Teil der Botschaft. Die Pfeifferschen Stif- In Diakonischer Bildung sollen sich die Mitarbei- was sie leisten kann. Theologie ist eine herme- tungenverstehen Mission als einen offenen Dia- tenden ihr Menschsein im Zusammenhang des neutische Disziplin, und ihre Aufgabe ist es, das log, der den anderen ernst nimmt. Das schließt großen Ganzen zusammen mit anderen an- Vorfindliche im Licht des Evangeliums von Je- die Bereitschaft ein, vom Anderen Neues zu schauen. In der Bildung wird also nicht über Re- sus Christus zu deuten. lernen. Dieser Verstehensprozess bleibt dabei ligion geredet, sondern sie ist religiöse Bildung. In dieser Gemeinschaft, die sich selbst als Kirche unabgeschlossen, weil die volle Wahrheit noch Es geht um den Ort, an dem Menschen im ih- versteht, braucht es Raum für den Austausch vor uns liegt und immer neue Verstehensmög- rem Herzen wissen: Ich verdanke mich nicht mir über die Erfahrung mit dem Heiligen und mit lichkeiten hinzukommen können. Basis für die- selbst – und bin gleichzeitig frei. Alle Menschen dem Menschsein. Dieser Austausch muss ver- sen missionarischen Dialog ist das gemeinsame ahnen etwas von dem großen Ganzen, dem bindlich sein, weil eine Kirche eine Verantwor- Arbeiten, Lernen und Feiern der Mitarbeiten- „HEILIGEN.“ Und der Satz, den sie in der Diako- tung hat für das Bedürfnis der Menschen, darü- den der Pfeifferschen Stiftungen.3 nischen Bildung finden, ist wie ein Symbol für ber zu sprechen. Deshalb sind die Termine der dieses HEILIGE, dem sie sich jeweils verdanken. Diakonischen Bildung mit den Führungskräften Christen wiederum sehen sich von dem Gott der Bereiche verbindlich verabredet. Mit der der Bibel an diesen Ort gestellt. Aber auch Stabsstelle für Diakonie ist zudem vermittelt der Christen finden ihre ganz eigenen Worte für Vorstand zu Gast im Team. den Ort; auch sie drücken es nicht in traditio- Und der Raum braucht eine Freiheit, weil es nellen Formeln aus. Denn Gott lässt sich nicht sich um ein Geschehen des Heiligen Geistes in bestimmten Sprachformeln festlegen. SEIN handelt, der Raum braucht, um zu wirken. Des- Name ist unaussprechlich, seine Taten sind halb ist das Team der Gastgeber und gestaltet in Geschichten erzählt, und auch in seiner den Rahmen des Austausches. Menschwerdung bleibt dieser Gott letztlich Es entsteht dadurch eine spannungsgeladene verborgen. Situation. Diese Spannung zwischen der offe- Der Kontext des Bildungsprozesses sind die nen, freien Begegnung und den verbindlichen Pfeifferschen Stiftungen als ein soziales Unter- Rahmenbedingungen ist ein Teil der Energie, nehmen. Zugehörigkeit entsteht über arbeits- die notwendig ist. Denn nur wo es Spannun- rechtliche Vertragsbeziehungen. Aber diese gen, Widersprüche, Widerstände gibt, kann Gemeinschaft wird als Kirche geglaubt, denn ernsthafte, relevante Resonanz entstehen. An- Kirche ist dort, wo Evangelium verkündigt und sonsten werden alle in dem bestätigt, was sie die Sakramente recht verwaltet werden. Kir- eh schon wussten. 3 Im Hintergrund dieses Missionsverständnisses steht das Konzept der „Konvivenz“, dass das Zusammenleben als Grundlage für Mission und Dialog sieht. Der Heidelberger Missionstheologe und Religionswissenschaftler Theo Sundermeier hat den Begriff vor über 30 Jahren in die deutschsprachige Theologie eingeführt. 07
Aufgabe der Diakonischen Bildung beitenden mit diesem Satz verbinden. Als Bei- Welches Satzzeichen? Ausrufezeichen? passiert nicht einfach nur das gleich, sondern spiel im folgenden die Gesprächsverläufe, die „Mmmh…“ es … verbessertsich auch.Es gibt immer Impul- Die Diakonische Bildung in den Stiftungen geht zu diesen Sätzen führten: se, und man entwickelt sich ja auch.“ davon aus, dass die Fragen „Was ist gutes, Punkt. kompetentes, zeitgemäßes Pflegen, Führen, Mitarbeiter A: „Ich kämpfe jeden Tag für meine „Punkt!“ Mir fällt gerade auf – Sie haben sich gerade pädagogisch Arbeiten, medizinisch Arbeiten, Genesung! Diese Karte hier [ein Zweig mit Reif; Karten ausgesucht, die keine Natur zeigen. Dienstleistungen erbringen?“ etc. durch die Anm d Red] habe ich mir ausgesucht, weil mei- Ein großer Punkt? „Das fällt mir gerade auch auf… [nimmt sich verschiedenen Professionen selbst beantwor- ne Spiritualität gerade auf Eis liegt. Aber da ist [zögert; Anm d Red…] „Ein Ausrufezeichen!“ eine Karte mit einem Wald, die vor ihr liegt; tet werden. ein Licht. Und [zeigt auf der Karte umher; Anm [Lachen aus dem Team; Anm d Red] Anm d Red]die hätte ich auch nehmen kön- In der Diakonischen Bildung wird die Frage aus d Red] diese Jahreszeit, wenn die Natur so aus- nen.“ Psalm 8 verhandelt: „Was ist der Mensch, dass sieht, ist meine Lieblingsjahreszeit.“ Groß? du seiner gedenkst?“ „Nein, normal.“ Haben Sie aber nicht… Sie haben sich diese Es ist unsere Aufgabe als Kirche, in Form eines Was wärmt Sie denn? drei Karten ausgesucht. Die ja eher abstrakt Unternehmens diese Frage zu stellen, ohne „Ein Mantel…[ lacht; Anm d Red].“ sind. Kräfte zeigen. Den Wind, eine Spirale – eine einfache und eindeutige Antwort zu er- Mitarbeiterin B: „Ich lasse mich treiben… .Also und der Mond ist ja auch nur halb zu sehen. warten. Es ist diese Frage, die wir mitten in den Wenn das Ihre Lieblingsjahreszeit ist, dann ich hätte mir eigentlich alle Karten aussuchen „Ja…“ verschiedenen Diensten stellen – und da ste- möchte man vielleicht gar nicht, dass das auf- können. Ich finde in jeder Karte etwas wieder hen die über 250 Gottesdienste im Jahr neben taut und gewärmt wird… .Wo sind Sie denn in von mir[schiebt Karten mit Motiv Planet Erde, Da ist etwas – so wie Musik, aber man kann es den täglichen und nächtlichen Diensten der dem Bild? Wendeltreppe wie eine Spirale; verblühte nicht sehen, aber den Bass kann man spüren Altenhilfe, der Behindertenhilfe, des Palliativ- „Ich bin eher der Ast. Und ich das steht für mich Baumwollpflanze im Wind vor sich hin und her; zum Beispiel. und Hospizzentrums, den Zentralen Diensten, für Hoffnung.“ Anm d Red].“ Es gibt so viel, was wir nicht sehen können. Also der Dienstleistungsgesellschaft, den Diensten ich bin da so ein Gefühlsmensch, der Herr C im Bereich Gesundheit und Bildung. Und auf was hoffen Sie? Aber Sie haben sich für diese drei entschie- [zeigt auf ihren Kollegen; Anm d Red] ist ja eher Es ist diese zutiefst christliche Frage, die wir un- „Das alles gut wird. Also ich hoffe auf das den… ein Kopfmensch.“ [beide lachen; Anm d Red]. ter anderem in Diakonischer Bildung, Ethik-Au- Gute.“ „Der Mond ist mir wichtig. Die deutsche Spra- dits und in Seelsorge wach halten. Und dieses che ist die einzige, in der der Mond männlich Aber es ist so wichtig, den Kopf mal auszu- Wächteramt ist eine Aufgabe aller Führungs- Und wie sieht das aus, das Gute, woran merken ist. Mit dem Mond fühle ich mich verbunden. schalten. gremien und -kräfte und aller derer, die sich Sie das? Das ist was Ganzes. Also verbunden mit mir und selbst als Christen und Christinnen verstehen. [Strafft sich; Anm d Red] „Ich war lange krank, meiner…. Weiblichkeit auch.Und das hier, das und ich merke die Symptome.“ steht für mich, dass bewegt werde. Also nicht, Mitarbeiter C: „Es braucht Regeln, einen Rah- dass ich nichts tue oder so. Aber das man sich men… Aber das sagt eben der Kopf.“ Sie kennen sich gut… auch mal bewegen lässt.“ Methoden Diakonischer Bildung „Letztes Jahr habe ich mit aller Gewalt …[ballt Was wäre denn Ihr Satz? Ich werde bewegt…? die Fäuste; Anm d Red…] für meine Gesund- Sie erfahren da Resonanz. Also da schwingt et- „Mmh…. „Ich lasse mich treiben… in ein rah- Grundmodul heit gekämpft.“ was. menloses, freies Leben“ [schaut ihren Kollegen Der erste Impuls sind Bildkarten, die auf dem „Ja, genau.Und hier die Karte … das ist so eine Herrn C an;Anm d Red]. Tisch ausgelegt werden. Die Mitarbeitenden Das ist so wie auf dem Bild, wo man weiß, dass Spirale. Also es passiert immer wieder - wie so sollen sich eine Karte zu „Religion, Spiritualität, da eine Kraft in dem Ast ist. Und irgendwann im Kreis.“ Oh, jetzt habe ich das schon angefangen auf- Kirche“ aussuchen. Die Bildkarten zeigen at- wird es Frühling. zuschreiben. Wollten Sie das, mit dem rahmen- mosphärische Fotos. Danach findet reihum ein „Ja.“ Und wohin bewegt sich die Spirale? Nach oben losen freien Leben? Gespräch statt: Die Mitarbeitenden stellen sich oder eher auf einer Ebene. „Das ist mir nur aufgefallen, dass das so gut vor, sagen, wie lange sie schon bei „Pfeiffers“ Wäre das so ein Satz: „Ich kämpfe für Gesund- [schiebt Karten, lächelt; Anm d Red] „Das ist passt.“ arbeiten und wozu sie sich diese Karte ausge- heit“ – oder „ich hoffe auf das Gute?“ eine gute Frage… also eher nach oben.“ wählt haben. Am Ende des Gespräches steht „… Eher: Ich kämpfe jeden Tag für das Gene- Aber Ihr Satz ist „Ich lasse mich treiben…“? ein Satz und ein Satzzeichen, zum Beispiel „Ich sen.“ Und was ist oben? „Ja, mit Punkt, Punkt, Punkt.“ kämpfe jeden Tag für meine Genesung!“ und „Ich lasse mich treiben…“. Das Satzzeichen ist [lächelt wieder; Anm d Red] „Mmh. Weiß ich wichtig – es zeigt an, welche Gefühle die Mitar- nicht. Aber es gibt eine Entwicklung. Also es 09
Ethikarbeit der Pfeifferschen Stiftungen Diakonische Bildung und Supervision Mitarbeiter C: „… also ich würde ja das mit Pfarrer Hans Bartosch, Stabsstelle Diakonie und Zwischen 60 und 100 Fachleute diskutieren an Das Vorgehen ähnelt den Methoden, die in Zuversicht nehmen. Wir verbreiten Zuversicht. Ethik der Pfeifferschen Stiftungen Hand eines Fachvortrages, meist im Francke- supervisorischen und organisationsentwickleri- Aber das mit der Burg… Also die Menschen sol- saal des Rathauses. schen Prozessen benutzt werden. Anhand des len ja nicht in einer Burg sein.“ Entwicklung interdisziplinärer Ethik- Das siebte Ethikforum im März 2017 bestritt PD Abschlusses des Grundmoduls soll dargestellt arbeit Dr. iur. Christoph Mandla (Halle und Hamburg) werden, was die Unterschiede sind. Vielleicht kann man das so sehen – Sie hier zum Thema „Patientenrechte“. Es ging um Am Ende des Grundmoduls stehen die Sätze sind zeitweise eine Burg, ein Schutz. Und es ist Im gesamten Gesundheits- und Sozialwesen eine breite Darstellung des juristischen und ge- auf dem Flipchart. Die Mitarbeitenden sollen gut, wenn Sie da sind. hat in den letzten 20 Jahren eine verstärkte sellschaftlichen „stateoftheart“, wie Patienten- nun aus sechs Psalmversen eine Überschrift Mitarbeiter C: „Ja, wir sind im Hintergrund da.“ Reflexion ethischer Fragen eingesetzt. Für alle rechte in Einrichtungen des Gesundheitswe- finden. Die Sprachbilder sind aus Schöpfungs- diese neuen Entwicklungen von interdisziplinä- sens gestärkt und geklärt werden können. und Lobpsalmen genommen. Sie sind so ver- Ergebnis Team 2: rer Ethikarbeit haben sich die Pfeifferschen Stif- Im achten Ethikforum im November 2017 grif- ändert, dass sie alle eine Anrede in der 2. Per- Team 2 dagegen wird keine Überschrift für sich tungen nachdrücklich geöffnet. fen wir erstmalig sozial- und arbeitsethische son („Du bist“) darstellen und das „Du“ offen finden – die Mitarbeitenden sagen: „Wir sind Das gesamte Spektrum ethischer Methoden Themen auf, im Vorfeld der zu erwartenden bleibt: doch gar kein Team.“ Die Psalmverse hängen wurde in den Stiftungen ins Leben gerufen neuen Entwicklungen durch das Bundesteil- neben dem Flipchart mit den Sätzen. Sie sind und in vier jährlichen Ethikberichten der inter- habegesetz und an Hand der modellhaften Licht ist das Kleid, was du anhast. Ausdruck für ein Ziel, vielleicht auch für eine nen wie externen Öffentlichkeit dargestellt. Erfahrungen der Stiftungen mit ihrer Arbeitsam- Hoffnung. Damit ist etwas ausgesprochen, Es waren die ersten diesbezüglichen Berichte bulanz. Du bist eine Zuversicht und eine Burg. aber nicht automatisch ein Veränderungsim- in Sachsen-Anhalt. Diese Berichte stehen vor „Ich will arbeiten!“ Es referierten Marc Fesca, puls gesetzt. dem Hintergrund von Mission und Vision der Geschäftsführer der Integrationsgesellschaft Du bist Sonne und Schild. Dieser Veränderungsimpuls unterscheidet die Pfeifferschen Stiftungen. Nüchtern betrachtet und der Werkstatt für behinderte Menschen Diakonische Bildung von Supervision/Organisa- dient ein solches Ethikberichtswesen auch als der Pfeifferschen Stiftungen, Thomas Hoppe Du bist mein Helfer, und unter dem Schatten tionsentwicklungsprozessen. Beide setzen bei Risikomanagement: Wir wollen und wir dürfen aus der Arbeitsambulanz (als Genesungsbe- Deiner Flügel frohlocke ich. einem Veränderungswillen an. Das Team selbst nicht ethische Probleme verschlafen, die für gleiter und Ex-In-Fachmann) sowie Ministerial- oder die Leitung will bestimmte Strukturen ver- unseren Bestand gefährlich werden könnten. dirigentin Dr. Gabriele Theren vom Ministerium Du bist der Hirte. bessern, und die Beratung steuert den Prozess Damit zählen die Pfeifferschen Stiftungen zu für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen- der Veränderung wie ein Lotse mit. den innerhalb der Diakonie Deutschland aner- Anhalt. Du bist eine Burg und ein starker Helfer. In der Diakonischen Bildung dagegen betrach- kannten Trägern, welche von Ethik nicht abs- Im neunten Ethikforum im März 2018 sprach ten sich die Mitarbeitenden wie in einem Spie- trakt und postulierend sprechen, sondern Ethik Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Heinemann (Val- Ergebnis Team 1: gel. Es ist eine Standortbestimmung, und indem gezielt aus der Mitte der klinischen und päd- lendar und Bonn) als ehemaliges Mitglied des In Team 1 finden die Mitarbeitenden drei Über- etwas sichtbar wird, steht es nicht mehr un- agogischen Bezüge heraus entwickeln und le- Deutschen Ethikrates und Mitglied zahlreicher schriften: ausgesprochen im Raum. In funktionierenden ben. Ethikkomitees katholischer Sozialunternehmen Mitarbeiter A: „Wir sind hier wie Sonne und Teams ist das Feedback nach den Modulen Die Ethikarbeit der Stiftungen geschieht weit- zum Thema „Gesundheitliche Vorsorgepla- Schild. Wir sind wie eine Sonne, und wir be- fast durchgängig: „Wir arbeiten hier am rich- gehend im Rahmen der Qualitätskriterien der nung“, welche häufig unter advanced care schützen dann auch die Klienten, die zu uns tigen Ort.“ / „Wir machen schon viel richtig.“ / Bundesärztekammer und deren medizinisch- firmiert. kommen.“ „Wir sind diakonischer, als ich dachte.“ pflegerischer Fachgesellschaft „Akademie für Kritisch reflektierte Heinemann die diffizilen Fra- Mitarbeiterin B: „Ich würde „Licht ist das Kleid, An dieser Stelle berührt sich die Diakonische Bil- Ethik in der Medizin“. gen, was ein Mensch proaktiv festlegen solle was du anhast“ nehmen. Die Klienten machen dung mit den Ethik-Audits, die durch die Stabs- über seine Sterbewünsche, wie diese persön- sich hier nackt. Sonst geht das nicht mit dem stelle Ethik der Pfeifferschen Stiftungen beglei- lichen Willensbekundungen erhoben, aktua- Weg, den sie vor sich haben. Und wir, wir klei- tet werden. Ethikforum lisiert, aufbewahrt und dann jeweils von Not- den sie neu ein. Geben ihnen was mit auf den ärzten und Notärztinnen oder Pflegenden in Weg.“ Im Ethikforum geht es um brisante, dilemma- Akutsituationen aufgegriffen werden sollten. tische ethische Themen, die sowohl die Stif- Kern dieses Fragenkomplexes: Wer denn ei- Also nicht eine neue Rolle einfach, sondern et- tungen als auch die Öffentlichkeit, zumal die gentlich heute Fachfrau und Fachmann ist, um was, was dann strahlt. Fachöffentlichkeit, aktuell bewegen. Der Vor- solche Gespräche zu führen, jenseits der Fami- „Ja.“ steher der Pfeifferschen Stiftungen lädt zweimal lien. Heinemann wies, was wir für die Stiftungen jährlich die interne und externe Fachöffentlich- nur bestätigen können, auf die oft unterschätz- Sind Sie mit den Überschriften einverstanden?[zu keitein zu aktuellen und teils brisanten Themen te diesbezügliche Kompetenz professioneller Mitarbeiter C; Anm d Red] aus der Medizin- und Gesundheitsethik. Altenpflege hin. 11
Im zehnten Ethikforum im November 2018 hat- Zwischen dem 1. 1. 2017 und dem 31. 8. 2018 Ethik-Audits erwachsenen behinderten Kindern diätetisch Prof. Dr. med. theol. Fred.Salomonpensionier- fanden in den Stiftungen 16 ethische Fallbe- kontraindizierte Nahrung auf den Wochenend- ter langjähriger Anästhesie-Chefarzt aus Lem- sprechungen statt, eine im Erwachsenenhos- Ethik-Audits, vormals: Ethikvisiten sind regelmä- besuchen mitgeben - zur anschließenden mas- go, einen Überblick gegeben über „20 Jahre piz, eine in der Spezialisierten Ambulanten Palli- ßige Gesprächsrunden einzelner (auch inter- siven gastroenterologischen als auch psycho- ethische Fallbesprechung in Deutschland“. Er ativversorgung (SAPV), zwei in der Lungenklinik professioneller Fachteams) mit der Stabsstelle dynamischen Irritation des Bewohner als auch selbst ist von Anfang an bei der Etablierung Lostau, drei im Kinderhospiz und neun im Klini- Ethik und Seelsorge. Sie finden bewusst in den des Gruppenlebens. Zukünftig können sich just jener „Königsdisziplin“ ethischer Willensbildung kum der Pfeifferschen Stiftungen in Cracau. Aufenthaltsräumen der Teams während der hier, im Edelgard-Horn-Haus, Dilemmata über dabei und hat bundesweit zahlreiche Ethikko- Diese Zahl bildet einen sehr guten oberen Wert mittäglichen Übergabezeit statt. Essen ereignen. Sie markieren durchgängig mitees begleitet und geschult. ab, selbst im Vergleich zu großen diakonischen 2017 fanden 17 Ethik-Audits statt, bis 31. 8. 2018 grundlegende ethische Konflikte, so dass es Trägern mit anerkannter ethischer Arbeit (Be- weitere 14 Ethik-Audits. lohnt, dieses Thema in Zukunft erheblich syste- thel, Kaiserswerth, Kreuznach). Die Grundthemen haben sich im Laufe von matischer und schärfer in den Blick zu nehmen. Ethikkomitee Es gab erstmalig drei bemerkenswerte Fall- mittlerweile über 125 Ethik-Audits nicht substan- besprechungen an der Schnittstelle zwischen tiell verändert. Dazugehören Das Klinische Ethikkomitee der Pfeifferschen dem Klinikum und dem Bereich Behinderten- In Fragen der Inklusion gehört das Thema „Da- Stiftungen bündelt und kontrolliert die Ethikar- hilfe Wohnen. Diese Schnittstellen zeigen auf, zugehören“ zu den Hauptthemen. Mitarbeiten- beit im Bereich „Gesundheit“ und wird dezi- dass unser im Aufbau befindliches „Medizi- Themen ethischer Fragestellung de des Förderbereichs berichten von aggressi- diert von leitenden Mitarbeitenden gebildet nisches Zentrum für Erwachsene Behinderte ven Äußerungenvon fremden Menschen („Ab als Teil von deren Führungsaufgaben. Menschen“ von Anfang an ethisch gut flankiert Gewalt in die Gaskammer“), vor allem der älteren Ge- Das 2016 erstmalig berufene Komitee tagte im arbeiten kann. Erschreckend (allerdings im Grunde: logisch) neration, gegenüber den Klienten. Akut hatten Dezember 2017 satzungsgemäß, es nahm den Ansonsten kann beispielsweise aus der Inten- häufig wird berichtet von ethischen Dilemmata sich Mitarbeitendeprimär um die Beschäftigten Bericht aus den ethischen Fallbesprechungen sivstation der Lungenklinik Lostau berichtet zwischen aggressiv-übergriffigem Verhalten des Förderbereiches gekümmert und nicht so- sowie den Moderationsausbildungen entge- werden, dass ethisch diffizile Fragen sowohl mit von Bewohnern und Patienten einerseits und fort die Polizei gerufen, was pädagogisch klug gen und gab die satzungsgemäß geforderte dem klassischen regelhaften Mittel der ethi- entsprechenden Gewalt einhegenden Reakti- war. Aber – unter anderem auch durchdiesem Entlastung. schen Fallbesprechung als auch mit gut re- onen andererseits. Solche einhegenden Reak- Bericht – ist den Stiftungen mit auf den Weg ge- Das Komitee wurde bis zu seinemAusscheide- flektierten intensivmedizinischen und intensiv- tionen wirken von der Natur der Sache her oft geben, sehr deutlich die Option der Strafanzei- nim Jahr 2018 von Oberarzt Dr. Tobias Leis, Pul- pflegerischen Diskussionskulturen begleitet und freiheitseingrenzend. Sehr scharf stellen sich fol- ge präsent zu haben. mologe aus der Lungenklinik Lostau, geleitet. entschieden werden. Oft reicht es, das Mittel gende Fragen: Ebenso: Wenn demenzerkrankte Menschen Es zeichnet sich eine Nachfolge mit einem an- der Fallbesprechung im Hinterkopf zu wissen, Was heißt hier – real Kundenorientierung? Wo nicht weggesperrt gehören (weil sie dazuge- deren leitenden Lostauer Mediziner ab. um täglich grundsätzlich die ethische Sorgfalts- wird sie womöglich pervertiert? hören zu unserer Stadt!) und in den jeweili- Der Bereich Hospiz ist Teil des Ambulanten Ethik- pflicht gemeinsam zu pflegen. Muss ich mir alles gefallen lassen? gen Einzelfällen kein Gericht eine Fremd- und beratungsnetzes Sachsen-Anhalt. Dessen Koor- Ebenfalls geschieht ein immer selbstverständ- Darf ich „empfindlich“ sein? durchgängige Eigengefährdung unterstellt dination liegt bei Tabea Friedersdorf, Bereichs- licher werdender Austausch über ethische hat, dann laufen Altenheimbewohner „schon leiterin Hospiz der Pfeifferschen Stiftungen. Fragestellungen im Rahmen des Hospiz-und Essen mal weg“ – und dann gilt es, dies trotz bes- Palliativnetzwerkes der Stiftungen. Einige Mo- Das Spektrum der ethischen Fragen rund ums ter Prophylaxe und Aufsicht auszuhalten und deratorinnen des Hospizes sind innerhalb der Essen ist immens: Im demenzkompetenten proaktiv in der familiären und sozialen Umge- Ethische Fallbesprechungen Klinik selbstverständlich für diese Funktion an- Hedwig-Pfeiffer-Haus wird regelmäßig abge- bung zu vertreten. Das Team vom Haus Betha- erkannt – organisationsentwicklerischein be- wogen, zwischen Sonde einerseits und kauen- nien hat diese massiv dilemmatische Situation Die ethische Fallbesprechung gilt als die „Kö- merkenswerter Erfolg, der in dieser Form auch dem Essen andererseits; und bis auf eine ein- mehrmals zu gestalten gehabt. nigsdisziplin“. Entscheidend ist hier das Recht bundesweit fast einzigartig ist. zige, hausarztindizierte Ausnahme wird sich für einer jeden Mitarbeitenden, eine solche zu Erfreulich ist, dass die Koordination der ethi- die für alle mühsame Arbeit des täglich kau- Abgrenzen beantragen. Nach Anfrage-Prüfung von drei schen Fallbesprechungen hervorragend funkti- enden und schluckenden Essens entschieden. Die Fixierung zählt nicht nur in den Pfeifferschen Koordiantoren werden eigenständig ausgebil- oniert. Hier gab es keinerlei Irritationen und Be- Auch die onkologisch-palliativ-medizinische Stiftungen zu den ethischen (und juristischen) dete Moderatoren (dezidiert: ohne Fallkenntnis anstandungen, was auf eine hohe Akzeptanz Station in der Lungenklinik Lostau hat lang- Zentralthemen. Neben dem eindeutigen Ge- und Teammitgliedsschaft) beauftragt, gemein- hinweist. jährige differenzierte und tendenziell hochde- waltaspekt hat sie einen Abgrenzungsaspekt. sam mit dem interprofessionellen, den jeweili- Die Pfeifferschen Stiftungen verfügen aktuell fensive Erfahrungen im Umfeld der Sondener- Ein Pflegeteam der Orthopädie kann den ärzt- gen Fall kennendes Team zu einer ethischen über einen Pool von 11 ausgebildeten und von nährung, und dies oft unter der das Dilemma lichen Anordnungen ausdrücklich temporärer Dilemma-Beschreibung und zu einer Empfeh- den jeweiligen Geschäftsführungen berufenen verstärkenden Drucksituation von Angehöri- Bettgitter fast durchweg problemlos folgen lung zu kommen, welche im Übrigen nie bin- Moderatoren. Einige Moderatoren sind jährlich gen, die sich unverständig mit dem vermeint- – eine wichtige Aussage. Die sich „beißt“ mit dend sein darf für die ärztlich-situative Einzel- in Fort- und Weiterbildungen, etwa beim Zen- lichen Hungernlassen zeigen. langjährigen nachhaltig positiven Erfahrungen entscheidung. trum für Medizinethik, dem „Primus“ der ethi- Im Edelgard-Horn-Haus wird das ethische Di- der durchgängigen Ersetzung von Bettgittern schen Fachfortbildung. lemma thematisiert zwischen Eltern, die ihren durch Niederflurbetten samt Bodenmatten 13
(und anderer nichtabgrenzender Interventio- gen rund um Untersuchungseinwilligung, DNR- Das ethische Engagement junger Schülerinnen nen) im Bereich der Geriatrischen Abteilung. Vermerke (Reanimation) etc. bei einem immer und Schüler darf als eindrücklich bezeichnet Im Bereich der Werkstatt für Menschen mit psy- vulnerableren Patientenstamm. werden. chischen Behinderungen stellt sich immer wie- Ebenfalls kann die hohe Aufmerksamkeit der der die pädagogische, aber auch ethische Altenhilfe-Mitarbeitenden besonders heraus- Frage multipler Grenzziehung: Darf ich politisch gestellt werden, die in allen oben genannten Ethik und Seelsorge extremistische Äußerungen dulden, oder gibt Themenfeldern über eine langjährig gewach- es Grenzen? Darf ich Menschen unbegrenzt sene, gut fortgebildete und klug kommunizierte Nach 20 Jahren eigener Erfahrung mit ethi- mittragen, die – krankheitsbedingt – keine ethische Kompetenz verfügen. Diese Kompe- scher Arbeit, die wesentlich aus der Kranken- Grenzen der Provokationen kennen, um sich tenz spricht sich bis zu Vormundschaftsrichtern hausseelsorge heraus geschah, bleibt mir der tragischerweise täglich autoaggressiv verprü- herum. Hinweis wichtig, dass Krankenhausseelsorge in geln zu lassen? Darf ich massiv inkontinente einem diakonischen Haus (inklusive Hospizseel- Menschen ohne Krankheitseinsicht unbegrenzt sorge, Behindertenseelsorge etc.) eine enorm mittragen – oder gibt es hygienische und ethi- Ethische Bildung Ethik erschließende Wirkung hat, weil das Seel- sche Grenzen? Nicht zufällig macht gerade sorgegeheimnis als erster Schutzraum der nicht die Pfeiffersche Reha-Werkstatt (PRW) eine ty- „Ethische Bildung“ ist der Sammelbegriff der immer leichten Äußerungen zu ethischen The- pische Schwierigkeit konfessioneller Einrichtun- Fachgesellschaft „Akademie für Ethik in der men, Konflikten und Dilemmata nicht zu unter- gen deutlich: schweren, aber klaren Herzens, Medizin“ für sämtliche Fort-, Weiter-, und Aus- schätzen ist, selbst wenn es nie explizit so beim „Nein“ sagen zu dürfen. bildungsmodule und -maßnahmen in einem Namen genannt zu werden braucht. Unternehmen des Gesundheitswesens. Für den Weil in den Häusern der Pfeifferschen Stiftun- Sterben Bereich der Medizin wegweisend ist die An- gen die Seelsorge eine hohe Tagespräsenz, In der Wachkoma-Station des Martin-Ulbrich- erkennung weitgehend personenbezogener Namenskenntnis und verlässliche Erreichbar- Hauses (Bereich Altenhilfe) geht es etwa um Lerninhalte gegenüber reinem Faktenwissen. keit aufweist, kann sie entscheidend zum Auf- diffizile ethische Dilemmata rund um die Um- In allen von der Stabsstelle Diakonische Bildung bau ethischer Arbeit beitragen und das ethi- stellung von Nahrungszufuhr auf reduzierte der Stiftungen verantworteten Maßnahmen di- sche Thema täglich wachhalten. Flüssigkeitszufuhr, den Umgang mit multipel akonischer Bildung stellt die Ethik eine wesentli- Die Seelsorge und selbst die Theologie können deutbarer „Wehrigkeit“ bei einer Trachealka- che Dimension dar, selbst wenn sie nicht immer und dürfen allerdings auch bei Unternehmen nüle etc. Betont wird die durchweg hervorra- expliziert werden muss. Jedenfalls weisen die- der Diakonie nicht die Leitdisziplin für klinisch- gende Zusammenarbeit mit der Hausärztin, mit se Maßnahmen eine starke Kompatibilität zu pädagogische Ethik werden. Solche Zuschrei- der fast durchweg große Einigkeit in der Versor- jenen fachgesellschaftlichen Anforderungen bungen sind aktiv zurückzugeben an Medizin, gungsführung besteht. auf. Pflege, Pädagogik und soziale Arbeit, deren Auf der Intensivstation der Lungenklinik Lostau In vielen weiteren fachbezogenen Fortbil- eigene professionsbezogene Ethik, gerade in wird von der Schwierigkeit berichtet, in extre- dungsmaßnahmen der Stiftungen, etwa zu der Diakonie, gezielt zu fördern ist. So sollte die men Beatmungssituationen eine vertretbare „Herausforderndem Verhalten und Gewalt- Leitung eines Klinischen Ethik-Komitees sinn- Verlegung in die Palliativstation des Hauses prävention“, wird selbstverständlich ausführlich vollerweise durch einen Mediziner statt eines vorzunehmen. über Ethik reflektiert. Unter Gesichtspunkten Theologen wahrgenommen werden. Offensichtlich wird aber, dass auch auf Inten- der Personalentwicklung wird Kompetenz für sivstationen würdig, friedlich – und ohnehin ethische Themen zunehmend gesehen und ethisch konzise – gestorben werden darf und gewichtet. Die 13 Mitarbeiter der Stiftungen mit auch kann. zertifizierter ethischer Moderationskompetenz Im Pflegeteam der chirurgischen Station wird werden mit bereichsübergreifenden Fachfort- berichtet von ethischen Dilemmata durch den bildungen begleitet. massiven Druck von Angehörigen, für hochbe- Auch die Tatsache, dass das gemeinsam mit tagte Patienten keinesfalls die Eventualität des dem Städtischen Klinikum Magdeburg getra- Todes nur schon in Erwähnung zu ziehen. gene Bildungszentrum in seiner Pflegeausbil- Erfreulich ist das hohe Engagement der inter- dung souverän und strukturiert die Ethik in allen nistisch-gastroenterologischen Station 1 B im Curricula durchführt und sowohl auf Reflexion Klinikum der Pfeifferschen Stiftungen, die inter- als auch auf Praxisnähe hohen Wert liegt, kann disziplinär sehr fundiert arbeitet an den Klärun- nicht oft genug betont werden. 15
Predigten Vorsteher Christoph Radbruch Menschen um dich herum einigermaßen das nur darauf an, die Verpackung möglichst ver- Einladen: Kommt und seht in den Pfeifferschen geben, was du zu brauchen glaubst? Bist zu- kaufsfördernd zu gestalten. Glaube ist kein Pro- Stiftungen! Kommt und seht – hier könnt ihr frieden mit dem bisher gefundenen? Wir sind dukt, das man verkaufen kann, sondern muss Antworten finden auf die Grundfragen des Le- Predigt im Gottesdienst zur Ein- heute so unterschiedliche Menschen in diesem in die alltägliche Lebensführung umgesetzt bens! führung als Vorstandsvorsitzender Gottesdienst. Mit unterschiedlichen Gefühlen werden. Kirchliche Angebote sind allenfalls In- Kommt und seht - am Beginn des Lebens. Die 2006 und Motiven. Aus persönlicher Verbundenheit puts für die Ausbildung von Glauben. Der ei- pränatale Diagnostik macht es leichter, Behin- sind die einen gekommen, weil es zu ihrer Funk- gentliche Produzent von Glauben ist der Nach- derungen vor der Geburt zu erkennen und wird Kommt und seht tion gehört, aus dienstlichen Gründen andere, frager kirchlicher Angebote. Und wir können dann zu einem Test auf Leben und Tod, solan- Predigttext aus Johannes 1, 35 – 42 bei manchem wird sich beides mischen. Des- Menschen nur anregen und begleiten in ihrer ge Abnormalitäten erkennbar, aber nicht heil- wegen wird es eine für alle gültigen Antwort Suche nach Antworten auf die Grundfragen bar sind. Wir können den Menschen die Last 35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals auf die Frage „was suchst du?“ nicht geben. des Lebens. nicht abnehmen, aber helfen zu tragen. Und da und zwei seiner Jünger; 36 und als er Jesus vo- Aber was Menschen suchen, das kann man jeder einzelne Bewohner unserer Heime und rübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes zumindest allgemein beschreiben. Es geht um KOMMT UND SEHT jeder Beschäftigte der Werkstatt für behinder- Lamm! 37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden den Grund unseres Seins. Die Suche nach der Mancher Kritiker in der Kirche meint, die großen te Menschen macht deutlich: Menschen mit und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte Antwort auf die Grundfragen des Lebens. Wo- diakonischen Einrichtungen könnten in diesem Behinderungen sind Ebenbild Gottes und sind sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu her komme ich? Wer bin ich? Wohin gehe ich Prozess keine Hilfe mehr sein. Da gäbe es nichts auch so zu behandeln. Kommt und lernt sie ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: am Ende? Kurze klare Fragen. Die Versuche, zu entdecken und zu sehen, was als Antwort kennen! Und ihr findet eine Antwort auf die Fra- Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo ist dei- sie zu beantworten, haben theologisch-phi- auf diese Lebensfragen tauglich wäre. Die Ein- ge, wieso soll man behinderte Kinder auf die ne Herberge? 39 Er sprach zu ihnen: Kommt und losophische Bibliotheken gefüllt. Gewichtige richtungen wären dem Marktgeschehen im Welt verhelfen. seht! Sie kamen und sahen‘s und blieben diesen und wichtige Antwortversuche. Aber die Men- Sozial- und Gesundheitsbereich zu sehr ausge- Kommt und seht - am Ende des Lebens. Aus- Tag bei ihm. schen suchen nicht eine abstrakte Antwort auf liefert. Sie verweisen darauf, dass viele Mitar- therapiert. Wir können nichts mehr tun. Was die Frage nach dem Sinn des Lebens, sondern beiterinnen oder Mitarbeiter nicht in der Kirche nun? Die Euthanasie-Gesetzgebung im Nach- EINE GUTE FRAGE konkrete auf ihr Leben bezogene Antworten sind. Und so wird von manchem Vertreter einer barland Holland wird auch in der Diskussion Jesus aber wandte sich um und sah sie nach- auf die Frage: Wer bin ich? Woher komme ich? armutsorientierten gemeindenahen Diakonie hierzulande von den einen als Freiheitsgewinn folgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Was Wohin gehe ich?Wer bin ich bei der Konfirmati- gefragt: „Ist denn ein Krankenhaus in diakoni- gefeiert, die anderen lehrt es das Fürchten. für eine gute Frage. Ich kann mir die Szene vor- on an der Schwelle zum Erwachsenen? Wohin scher Trägerschaft noch wünschenswert?“ Sol- Die Pfeifferschen Stiftungen mit ihren Pflege- stellen, diese beiden neuen Jünger, den Blick gehe ich bei der Bestattung am Ende des Le- len wir nicht nur Diakonie in enger Anbindung heimen, dem Hospiz und der Palliativstation gesenkt. Sich gegenseitig anstoßen. Komm, bens? an die Kirchengemeinde oder exemplarisch des Krankenhauses steht für die Ehrfurcht vor beantworte du die Frage. Endlich sagt einer An diesen Wendepunkten des Lebens bei Ge- orientierte Diakonie betreiben? Raus aus ge- jedem Leben, zu jeder Zeit. Für das Leben und der Beiden: burt, Trauung oder Tod tauchen diese Fragen wachsenen Arbeitsbereichen? das Arbeiten mit dem Tod als Teil des Lebens. Lehrer, wo wohnst du? Der andere muss die auf - oder in Lebenskrisen, in Situationen, in de- Sie werden sich nicht wundern, wenn ich als Kommt und seht - in den Krisen des Lebens, Hände vors Gesicht schlagen. Mein Gott, was nen es sich verdichtet zeigt, ob Leben gelingt Vorsteher einer großen diakonischen Einrich- wenn das Leben beschädigt ist, wenn man für eine dumme Antwort. Warum konnte er oder scheitert. Da suchen die Menschen Ant- tung diese Frage verneine. Ich will es aber Krank ist! Bei den vielen Gesprächen, die ich nicht sagen, wir suchen die Wahrheit, oder viel- worten auf diese Grundfragen des Lebens. auch begründen: Wenn die Kirche in der Dis- als Neu-Magdeburger in den letzten Wochen leicht wir suchen das Reich Gottes. Um ehrlich kussion um die Grundfragen des Lebens mit- und Monaten geführt habe, habe ich sehr zu sein, die meisten Fragen, die ich Gott frage, WIR HABEN KEINE FERTIGE ANTWORTEN reden will, wird sie in den Arbeitsgebieten ak- positive Rückmeldungen zu unserem Kran- sind auch nicht sehr tiefsinnig. Ich würde Gott ja Jesus gibt den beiden Jüngern keine direkte tiv sein müssen, wo diese Fragen auftauchen. kenhaus erhalten. Eine typische Aussage war: liebend gerne mit meinen Spekulationen über Antwort. Er verkauft den beiden neuen Jün- Wenn die Stimme der Christen in der Diskussion „Bei ihnen haben die Schwestern mehr Zeit für die innere Dynamik der Trinität beeindrucken, gern, von denen unser Predigttext erzählt, kei- um die Würde des Menschen am Anfang und einen Patienten.“ Das stimmt objektiv nicht, aber das ist keine Frage, die mich nachts um ne fertigen Wahrheiten oder keinen fertigen am Ende des Lebens noch gehört werden will, denn wenn das so wäre, wären wir nicht kon- den Schlaf bringt. Die Dinge, die mich nachts Glauben. Schon gar keine dogmatischen Lehr- werden wir diakonische Einrichtungen brau- kurrenzfähig. Aber was diese ehemalige Pati- wach halten, sind sehr viel alltäglicher und dre- sätze. Er erzählt noch nicht einmal ein Gleich- chen, wo diese Würde erfahrbar wird. Und wir entin an diesem Begriff Zeit festmachte, war hen sich zurzeit zum Beispiel darum, wie ich mich nis. „Kommt und seht“, lädt er sie ein, sich auf werden evangelische Krankenhäuser benö- ihr Gefühl, dass in diesem Krankenhaus ein an- im noch nicht fertig eingerichteten Vorsteher- eine Entdeckungsreise zu machen. Kommt und tigen, wenn wir in der Frage nach der Ratio- derer Geist herrscht. Und auf meine Rückfrage Büro organisiere. Aber was wäre ihre Antwort seht, findet selber Antworten auf eure Fragen. nierung von Medizin – die auf uns zukommt – hin beschrieb sie diesen anderen Geist mit den auf die Frage gewesen? Was suchst du? Mehr Kommt und seht! mitreden wollen: Wie viel Medizin kommt dem Formulierungen Zuwendung, Freundlichkeit Anerkennung, mehr Achtung und Ruhm? Mehr Es geht nicht darum, christliche Wahrheiten zu Menschen, dessen Leben uns heilig ist, gerech- und „... ich wurde wahrgenommen“. Auch un- Ruhe oder Zerstreuung? Mehr Geld? Oder bist verkaufen. Wir haben ja nicht die Wahrheit wie terweise zu? Wo werden wir dem Anspruch des ser Krankenhaus muss heute als Unternehmen du angekommen, wo dir die Arbeit und die einen Keks in der Keksschachtel, und es kommt Einzelnen zugunsten des Gemeinwohls Gren- gemanagt werden, aber wir versuchen den zen setzen müssen? kranken Menschen als Ganzes im Blick zu ha- 17
ben, Körper und Seele. Der Kranke soll nicht nur Predigt zum ZDF-Fernsehgottesdienst Die Zeit, die unsere Krankenschwestern für die Pa- regelmäßig Sport zu machen. gesund werden, er soll geheilt werden. Kommt im Jubiläumsjahr der Pfeifferschen tienten haben, ist nicht unbegrenzt, der Tag hat und erlebt es! Stiftungen 2014 nur 24 Stunden. Und zu unserem menschlichen Wir glauben ja oft, dass es Gottes Aufgabe ist, Wir kommen zum Ende der Geschichte. Wie in Leben gehört, dass es begrenzt ist, die Grenzen uns zu trösten, ein Trostpflaster auf unsere See- vielen guten Filmen wird am Ende ausgeblen- Jesus und 10 Aussätzige lassen sich manchmal ein bisschen nach hinten len klebt. Aber er erfüllt uns diesen Wunsch nicht det und nur angedeutet, wie es weitergeht. Predigttext aus Lukas 17,11-19 verschieben, aber wir müssen letztendlich Gren- immer. Manchmal ist Gottes Antwort auf unse- „Und sie kamen und sahen und blieben bei zen akzeptieren. Am Schluss ist unser Leben durch re Klagen ein klarer Befehl. Mach dich auf den ihm.“ Wie gerne würde ich wissen, was sie ge- 1. Gnade sei mit Euch und Friede von Gott un- den Tod begrenzt, das erleben wir nicht nur im Weg! So wie bei den Aussätzigen, sie riefen bei sehen haben? Aber das wird der Phantasie der serm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Hospiz und den Pflegeheimen unserer Stiftungen. Jesus um Hilfe. Und was bekamen sie als Ant- Zuhörer überlassen und nicht erzählt. Amen. Der Tod isteine große Unverschämtheit und ein wort? Jesus drehte sich um und sagte: Geht! Aber wie beim Ende eines Films, jedenfalls bei Können Sie sich die Szene vorstellen? Jesus und erbarmungsloser Zerstörer. Er zerstört den Leib. Er Geht und zeigt euch den Priestern! Er gab einen einem guten Film, gibt es an anderer Stelle der 10 Aussätzige? Da stehen sie am Rande eines schneidet die Fäden durch, die Menschen mitei- Befehl: Macht euch auf den Weg! Geschichte genügend Hinweise, wie es nach Dorfes, ausgegrenzt. Die Aussätzigen in ihren nander verbunden sind. Die letztendliche Gren- dem Ausblenden weitergeht. An anderer Stelle Lumpen. Und Jesus steht da und schaut sie an ze des Lebens. 3. Die Aussätzigen machten sich auf den Weg des Neuen Testamentes lesen wir das Johannes und bemerkt ihre blutige Haut und ihre Lumpen. und taten, was Jesus Christus ihnen befohlen über das Wirken Jesu folgendes berichtet wird: So beginnt unsere Geschichte. Und die 10 Aus- Wenn wir so an unsere Grenzen kommen – was hatte. Was für ein Glauben! Glaube, der tut, was Lahme gehen, Aussätzige werden rein Taube sätzigen erheben ihre Stimme: Jesus, lieber Meis- dann? Wie gehen wir damit um? Einfach so ihm befohlen ist. Die Aussätzigen gehorchten hören und Armen wird das Evangelium gepre- ter, erbarme dich unser! Wir können das verste- weitermachen, solange es nur irgendwie geht. dem Wort Jesu. Sie glaubten ihm. Ja, es geht hier digt. Dass die Menschen dies sehen, wenn sie hen oder nicht. Es gibt in jedem Leben Zeiten, in Sich möglichst nichts anmerken lassen – das um Glauben. Glauben ist dem Wort Jesu gehor- zu uns kommen, das hoffe ich, das gebe Gott. denen wir mit unserem Latein am Ende sind und versuchen viele. Und manche geben sich auch chen. nur noch um Hilfe rufen können. Es gibt Punkte im auf. Die zehn Aussätzigen in unserer Geschichte Wir meinen ja oft, Glauben wäre etwas, für wahr AMEN Leben, da wissen wir, dass unsere Not groß ist und machen etwas anderes. Sie rufen: Jesus, lieber zu halten. Also zum Beispiel etwas, das man mit unsere eigene Kraft zu schwach, und dann rufen Meister, erbarme dich unser! An der Front unseres dem Verstand nicht erklären kann und deswe- wir um Hilfe. Das muss gar nicht so lautstark und Krankenhauses ist dieser Ruf zu lesen. Manchmal, gen eben nur glauben kann. Und dann kommt dramatisch sein, wie bei den zehn Aussätzigen: wenn‘s einem die Sprache verschlagen hat, ist es eben zu Missverständnissen, dass Glauben Ich hatte vor einigen Monaten Schmerzen im dieses Rufen auch nur ein Seufzer. Vielleicht eher verstanden wird als das Fürwahrhalten der Tat- Oberschenkel. Am Freitag denke ich noch, dass ein leiser zögerlicher Gedanke. Gar nicht so sicht- sache, dass Jesus über Wasser gehen kann oder wird schon wieder. Aber am Samstag werden bar, wie die Inschrift über dem Eingang unseres Maria eine Jungfrau war. die Schmerzen immer stärker. Ich weiß nicht wei- Krankenhauses oder so unüberhörbar laut wie Oder wir halten Glauben für ein Gefühl, das un- ter und google mal: Schmerzen – Oberschenkel. bei den zehn Aussätzigen, die Jesus gegenüber- sere Herzen erfüllt. So ein frommes Gefühl von Da kommt das Stichwort Thrombose. Ich denke, stehen, die sich nicht schämen, laut um Hilfe zu Gott, das uns ganz erfüllt. Aber das ist nicht der jetzt fragst du doch besser einmal einen Arzt um rufen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Glaube in dieser Geschichte aus der Bibel. Dieser Hilfe. Ich gehe in die Notaufnahme hier im Kran- Glaube, der hat Hände und Füße. Dieser Glau- kenhaus. Da wird Blut abgenommen, eine Ultra- 2. Und was antwortet Jesus? Man kann sich vie- ben ist Tun und Gehorchen. Glauben ist nichts schalluntersuchung gemacht. Thrombose ist es les vorstellen, aber völlig überraschend gibt er weniger, als sich auf Gottes Wort hin auf den nicht. Ischias. Gut Schmerztabletten und Physio- einen Befehl: Geht! Wir stellen uns Jesu ja immer Weg machen. therapie haben dafür gesorgt, dass ich nach ein als einen mitfühlenden und einfühlsamen Mann So wie sich zum Beispiel Gustav Adolf Pfeiffer, der paar Tagen wieder fit war. Aber irgendwie war vor. Der die Sorgen der Menschen aufnimmt. Gründer unserer Stiftungen auf den Weg mach- ich auch beleidigt, mein Körper hat zu funktio- Aber nein, hier gibt er einen Befehl: Geh! Immer te, um Geld zu sammeln für die Versorgung von nieren, dass mein Körper mir Grenzen setzt, das wieder kommen Menschen zu Gott, völlig ge- Krüppeln, wie man damals behinderte Men- gehört sich nicht. fangengenommen von unseren Problemen. Voll schen nannte. Als er 1881 als Pfarrer und Super- Und ich habe dies Erlebnis auch als einen Schuss mit unserer Klage über unsere Nöte. Und was intendent nach Cracau kam, einem Vorort für vor den Bug empfunden. Du musst jetzt akzeptie- bekommen wir von Gott als Antwort? Einen Auf- Industriearbeiter am Rande Magdeburgs, sah er ren, dass du in das Alter kommst, wo dein Körper trag: Geh, mach dich auf den Weg! Meine Rü- sehr schnell, dass die meisten Einwohner – Män- nicht mehr so will, wie du willst. Und auch in ei- ckenschmerzen vor einigen Monaten habe ich ner wie Frauen –, wollten sie überleben, in den nem diakonischen Unternehmen wie die Pfeiffer- als die Aufforderung verstanden, mich auf den großen Magdeburger Fabriken auf der anderen schen Stiftungen erleben wir Grenzen: Das Geld, Weg zu machen, indem ich mich mit dem Älter- Seite der Elbe arbeiteten mussten. Er erkannte das wir für unsere Aufgaben ausgeben können, werden auseinandersetze, darüber nachdenke, sehr schnell, dass sich niemand um diejenigen wird immer begrenzt sein. Da können wir noch was es heißt, dass meine Vergangenheit größer kümmerte, die nicht arbeiten konnten: die Kin- so erfolgreich mit den Kostenträgern verhandeln. ist als meine Zukunft und als den Auftrag, wieder der, Kranken und Alten. Diese Situation verstand 19
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