Obdachlosen die Haare schneiden - 2,20 EUR - Hempels
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2,20 EUR davon 1,10 EUR # 274 für die Ver- Februar 2019 käufer/innen Das Straßenmagazin für Schleswig-Holstein WIE FRISEUR-ENGEL KOSTENLOS HELFEN Obdachlosen die Haare schneiden
Liebe Leserinnen, liebe Leser, für die meisten Menschen ist es selbstverständlicher Alltag, von Zeit zu Zeit ei- nen Friseur, eine Friseurin aufzusuchen. Ein schöner, individueller Haarschnitt kann helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken. Obdachlose und andere bedürftige Menschen haben diese Möglichkeit nicht; ihnen fehlt schlicht das Geld für einen Friseurbesuch. Die Barber Angels, ein Zusammenschluss von Friseurinnen und Friseuren, haben sich deshalb der Aufgabe verschrieben, diesen Menschen in ihrer Freizeit kostenlos die Haa- re zu schneiden. Wir waren bei einem Termin dabei. Lesen Sie ab Seite 10. Wer hat eigentlich nicht die eine oder andere Jeans im Kleiderschrank liegen? Bevor sie bei uns in den Geschäften gekauft werden können, haben die meisten eine Weltreise hinter sich durch Länder, in denen Arbeitskräfte billig und Produktionskos- ten gering sind – mit katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt. Denn nur die wenigsten Jeans werden umwelt- und sozialverträglich produziert. Wir zeichnen diesen Arbeitsprozess nach. Ab Seite 18. Und schließlich noch ein Tipp: Sie besitzen noch nicht unseren Jahreskalender 2019 mit tollen Fotos von Lesern, auf denen die ihren Lieblingsort festgehalten haben? Dann sollten Sie jetzt zugreifen: Unsere Verkäuferinnen und Verkäufer bieten die rest- lichen Exemplare jetzt für nur noch 2,20 Euro an! Ihre HEMPELS -Redaktion gewinnspiel sofarätsel Gewinne Auf welcher Seite dieser HEMPELS-Ausgabe versteckt 3 x je ein Buch der Ullstein Verlagsgruppe. Im Januar war das sich das kleine Sofa? Wenn Sie die Lösung wissen, dann kleine Sofa auf Seite 25 versteckt. Die Gewinner werden im März schicken Sie die Seitenzahl an: raetsel@hempels-sh.de veröffentlicht. oder: HEMPELS, Schaßstraße 4, 24103 Kiel. Teilnehmende erklären sich einverstanden, dass im Falle eines Gewinns Im Dezember haben gewonnen: ihr Name in HEMPELS veröffentlicht wird. Anke Grot (Kühsen), Bernd Kusche (Noer) und Margret Preuss (Stockelsdorf) je ein Buch der Ullstein Verlagsgruppe. Allen Gewinnern herzlichen Glückwunsch! Einsendeschluss ist der 28.2.2019. Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen. 2 | inh a lt Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Titel SchÖn gemacht Sie nennen sich Barber Angels, Friseur-Engel, und haben Titelfoto: Peter Werner sich einer besonderen Aufgabe verschrieben: In ihrer Frei- zeit schneiden sie Obdachlosen kostenlos die Haare. Wir ha- ben drei professionelle Friseurinnen dabei begleitet. se i t e 10 das Leben in zahlen auf dem sofa 4 Ein etwas anderer Blick 34 Verkäufer Rainer aus Flensburg auf den Alltag bild des monats Inhalt 6 Gefahrenabwehr 2 Editorial 31 rezept 32 CD-Tipp; Buchtipp; Kinotipp 33 Service: Mietrecht; Sozialrecht Schleswig-Holstein Sozial 36 Leserbriefe; Impressum 8 Meldungen 37 Verk äufer in anderen LÄNDERN; Meldung 9 Darf ich das? Gewissensfragen im Alltag 38 Sudoku; K arik atur 17 Liebe statt Hiebe 18 Die lange Reise einer Jeans 39 Satire: Scheibners Spot 24 Lydia Lohse hilft Waisen- kindern in Kenia 25 Hilfe für straffällige Geflüchtete 26 Obdachlose als Opfer rechter Gewalt 28 Kostenlose Arzttermine in SH Bitte kaufen Sie HEMPELS nur bei Verkäufern, die diesen Ausweis sichtbar tragen He mpel s # 2 74 2/2 0 19 inh a lt | 3
das leben in zahlen Je länger eine Ehe, umso älter das Rollenbild Ja, nee – ist schon klar: Die Arbeit im Haushalt wuppen aufgeklärte Paare heutzutage natürlich gemeinsam. Und Papi bringt die Lütten morgens auch in die Kita. Oder etwa doch nicht? Eine Studie der Konrad- Adenauer-Stiftung (KAS) hat jetzt die Lebenswirklichkeit im mittleren Erwachsenenalter untersucht, also bei den 35- bis 59-Jährigen. Rund zwei Drittel der Deutschen fallen in dieser Lebensphase demnach in alte Rollenmuster zurück, Familienarbeit ist für sie wieder Frauenarbeit. Immerhin: Zu Beginn einer Partnerschaft praktiziert fast die Hälfte (46 Prozent) eine partnerschaftliche Aufteilung. Pb Anfangs 46 % mit Rollenaufteilung Später Frauen zu 2/3 mit Hausarbeit 4 | das l ebe n in z a hl e n Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Glück für Jung und Alt, Frust in der Lebensmitte Man hatte sich das als glücklich im Berufsleben stehender Mensch fast schon gedacht: Am allerglücklichsten sind junge Menschen bis 20 und ältere ab 70 nach Renteneintritt bis zum 80. Lebensjahr. Laut Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung sinkt zwischendurch bis zum Alter von 45 bis 50 Jahren die Lebenszufriedenheit der Deutschen. Dass der Frust in dieser Lebensphase hoch ist, hat laut Forschern mit unerfüllten Hoffnungen zu tun und damit, dass viele Menschen sich durch langfristige Entscheidungen gefangen fühlen. pb Foto: Pixabay He mpel s # 2 74 2/2 0 19 das l ebe n in z a hl en | 5
Nein, das hier ist kein Elterntaxi, zu sehen sind eher gelangweilte Jugendliche beim Versuch, überschüssiges Testoste- ron aus den Knochen zu schütteln. Sollte man auf gar keinen Fall nachmachen, lie- be junge Racker unter den Lesern, nicht auf Kuba, nicht bei uns, nirgends. Womit wir – ja, der Übergang ist jetzt etwas hart – fast schon mitten im Thema wären. Denn es ist an der Zeit, dass sich auch diese kleine Zeitungsspalte endlich mal mit den wichtigen Dingen des Lebens befasst. Kommen wir also zu den soge- nannten Helikopter-Eltern, die den eige- nen Nachwuchs so gerne in Watte hüllen und beispielsweise mit ihren Elternta- xen die häufig schon gar nicht mehr so kleinen Kinder am liebsten sogar bis in die Schulräume hinein transportieren würden – der Alltag draußen auf den Straßen hält ja so viele Gefahren bereit. Gerade hat man wieder über eine wis- senschaftliche Studie lesen können, wie sehr Helikopter-Eltern ihre Brut benach- teiligen. Wobei, nebenbei bemerkt, diese Brut gelegentlich eh schon genug gestraft ist, wenn sie mit Vornamen ausgestattet wurde, die an französische Weichkä- sesorten oder Duftwassermarken den- ken lassen. Zusammengefasst lässt sich das wenig überraschende Ergebnis der Studie so zitieren: Wer seine Kinder auf Schritt und Tritt kontrolliert, wer stets Harmonie sucht, statt auch Konflikte zu- zulassen, darf sich nicht wundern, wenn aus den Kleinen später frustrierte Große ohne Eigenverantwortung werden, die ihre Emotionen nicht im Griff haben und Foto: REUTERS / Ivan Alvarado überfordert sind bei der Entwicklung ei- gener Bewältigungsstrategien. Eltern wollen, dass ihre Kinder glück- lich sind, klar. Wenn Eltern dieses Glück jedoch um fast jeden Preis zu fördern versuchen, weil sie glauben nur dann als kompetent wahrgenommen zu werden, dann leben sie lediglich ihren eigenen Narzissmus aus. Give a warm applause to the Nicht-Helikopter. PB He mpel s # 2 74 2/2 0 19 bil d de s mon at s | 7
meldungen +++ +++ Sozialverband: Zahl Kältetoter & Wohnungsloser steigt Tafeln kämpfen mit personellen Engpässen Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) Die Tafeln in Deutschland haben immer wieder mit personel- warnt vor einer steigenden Zahl mutmaßlicher Kältetoter len Engpässen zu kämpfen. Der Betrieb ist zwar meist nicht unter Obdachlosen. »Wir wissen von neun Menschen, die bis gefährdet, wie aus einer Umfrage des Evangelischen Presse- Ende 2018 nachts ohne Fremdverschulden gestorben sind«, dienstes (EPD) hervorgeht. »Doch die Helfer kommen an ihre sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbandes, Werena Ro- Belastungsgrenzen«, sagt Sprecherin Johanna Matuzak vom senke. Im Vorjahreszeitraum seien mindestens drei Menschen Dachverband der deutschen Tafeln. Vielerorts fehlten Ehren- an Kälte gestorben. Nach den Schätzungen der BAGW waren amtliche, »insbesondere jüngere, in den Leitungsfunktionen, 2016 etwa 860.000 Menschen in Deutschland ohne eigene als Fahrer oder bei der Lebensmittelausgabe«. Vor allem kleine Wohnung, davon 52.000 Menschen ohne jegliches Obdach. Tafeln in ländlichen Regionen hätten es meist schwer. In Flens- Die Zahl könne bald auf 1,2 Millionen steigen. epd burg ist aktuell die Suppenküche geschlossen. »Wir haben 40 Helfer, bräuchten aber mindestens 60«, so Tafelleiter Klaus +++ Grebbin. epd Erstmals Kältebus für Hamburger Obdachlose +++ In Hamburg ist seit Jahresanfang erstmals ein Kältebus für Obdachlose unterwegs. Das Gefährt der katholischen Tages- Verdopplung der Anzahl Obdachloser in Hamburg aufenthaltsstätte »Alimaus« kreuzt jeden Abend von 19 bis In Hamburg ist die Zahl der obdachlosen Menschen deutlich 24 Uhr durch die Stadt, um Obdachlosen in Not zu helfen. gestiegen. Nach einer Zählung im Auftrag der Sozialbehörde Das Team der Fahrer ist ehrenamtlich im Einsatz, der Wagen lebten im März vorigen Jahres 1.910 Menschen auf der Straße, wurde von einem Autohaus günstig gemietet. Zuvor waren wie die Sozialbehörde mitteilte. Bei der vorangegangenen in Hamburg innerhalb eines Monats vier Menschen auf der Zählung 2009 waren es nur 1.029, eine Steigerung um 86 Straße erfroren. Als einzige Stadt in Schleswig-Holstein ist vor Prozent. epD kurzem auch in Lübeck ein Kältebus beschlossen worden. epd +++ +++ Gut gebildete Migranten im Niedriglohnsektor Mehr Geld für Wohnungslosenhilfe in SH In Deutschland arbeiten im internationalen Vergleich beson- Die Diakonie und das Sozialministerium haben den Beschluss ders viele Migranten im Niedriglohnbereich in Jobs für gering des Schleswig-Holsteinischen Landtages begrüßt, die Bera- Qualifizierte. Während in Deutschland 40 Prozent dieser Jobs tungsangebote der Wohnungslosenhilfe finanziell besser aus- von Migranten ausgeübt werden, sind es im Durchschnitt der zustatten. Demnach werden die Landeszuschüsse ab diesem Europäischen Union und der Staaten der Organisation für Jahr auf eine Million Euro aufgestockt. Das entspricht einem wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) nur etwa ein Viertel. Plus von 60 Prozent. In den vergangenen Jahren war auch im Viele gut gebildete Migranten arbeiten in Berufen, für die sie nördlichsten Bundesland die Zahl der von Wohnungslosigkeit eigentlich überqualifiziert sind. pb betroffenen und bedrohten Menschen kontinuierlich gestie- gen. pb +++ HEMPELS IM RADIO Jeden ersten Montag im Monat ist im Offenen Kanal Lübeck das HEMPELS-Radio zu hören. Nächster Sendetermin ist am 4. Februar ab 17.05 bis 18 Uhr. Wiederholt wird die Sendung am darauf folgenden Dienstag ab 10 Uhr. Das HEMPELS-Radio bietet einen Überblick über einige wichtige Themen des aktuellen Heftes und will zugleich Einblicke in weitere soziale Themen aus der Hansestadt ermöglichen. Zu empfangen ist der Offene Kanal im Großraum Lübeck über UKW Frequenz 98,8. Oder Online über den Link »Livestream« auf www.okluebeck.de 8 | me l dunge n Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
gewissensfragen im alltag Darf ich das? Foto: Luitgardis Parsie Foto: Dirk Sander Foto: NDR Klaus Hampe Luitgardis Parasie Sabine Hornbostel Frage eines Mannes: Ich bin ein Dutzend Jahre nach Ende rea und den USA: Menschen erklären andere Menschen zu des Zweiten Weltkriegs geboren. Es ärgert mich, dass ich Unmenschen. Weil sie anders denken, anders glauben, anders mich mitschuldig fühlen soll an Krieg und Holocaust. Ich aussehen. Und dann fallen Menschen über Menschen her. kann kein schlechtes Gewissen haben, wegen der »Sünden Zuerst beschimpfen und bespitzeln sie sich und dann töten der Väter«. Bin ich gewissenlos? sie einander. Und wir wissen es: Jede liebevolle Mutter, jeder treusorgende Vater kann Mittäter dieses Unrechts werden. Klaus Hampe: Nein, sind Sie nicht. Der Friedensnobelpreis- Nein, Sie sind nicht gewissenlos, wenn Sie sich nicht schul- träger Elie Wiesel, selbst Überlebender des Holocaust, sagt: Die dig fühlen. Aber: Sie und ich, wir sind das Gewissen der Welt, Kinder von Mördern sind keine Mörder. Also: Sie und ich, die das dafür sorgen muss, dass wir nicht wieder schuldig werden, wir das Glück hatten, nach dem Nazi-Unrechtsregime geboren weil wir menschenverachtende Hetze einfach geschehen las- zu werden, sind keine Täter, sind nicht schuldig. sen. Wir wissen noch aus erster Hand, dass Mord und Gewalt Aber wir sind die entscheidenden Zeugen. Denn wir wissen: in der Gestalt des freundlich-friedlichen netten Nachbarn Unsere Großeltern, die Menschen, die damals die Machthaber daher kommt. gewählt und bejubelt haben, die zu Versammlungen der Nazis Wenn wir mit diesem Wissen nicht zum Gewissen der Ge- gegangen sind, die als Soldaten oder in Munitionsfabriken sellschaft werden, dann wird die Welt tatsächlich gewissenlos. oder in der Verwaltung die Unrechts- und Todesmaschine am Laufen hielten, diese Menschen haben wir kennengelernt als liebevolle Großväter und Großmütter. Sie schenkten uns Ge- borgenheit und zu Weihnachten einen Teddy. Es waren ganz normale Menschen. Sie und ich, wir hätten an ihrer Stelle ste- hen können, wären wir ein paar Jahre früher geboren worden. Das ist unsere Rolle als Nachkommen. Wir sind die Wäch- ter! Denn es passiert schon wieder. In Syrien und im Irak. In der Ukraine und auf Pegida-Demonstrationen. In Nordko- »Darf ich das ? Gewissensfragen im Alltag« ist ein Nachdruck einer R adio-Rubrik der E vangelischen K irche im NDR. Im regelmäS Sigen Wechsel beantworten K l aus Hampe, L eiter der Öffentlichkeitsarbeit des E vangelisch- lutherischen Missionswerks in Niedersachsen, Luitg ardis Par asie, Pastorin und Buchautorin, sowie Sabine Hornbos tel , L ektorin und T herapeutin, F ragen zur Alltagsethik . Mehr dazu unter www.radiokirche.de He mpe l s # 2 74 2/2 0 19 ge wis sensf r agen im A l ltag | 9
titel Schön gemacht Sie nennen sich Barber Angels, Friseur-Engel, und haben sich einer besonderen Aufgabe verschrieben: In ihrer Freizeit schneiden die Profis Obdachlosen kostenlos die Haare. Wir waren dabei Carola Konetzny stutzt den Bart von Werner. »Es tut auch mir gut, wenn ich helfen kann«, sagt die Friseurmeisterin aus Elmshorn. 10 | TIT E L Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
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Rubrik titel Text: GEORG MEGGERS FOTOS: PETER WERNER Der Mann zieht ein Portemonnaie aus seiner Hosentasche. »Darf ich dir zehn Euro geben?« Darf er nicht; Friseurin Kristina Tewes möchte kein Geld. Dann umarmt sie den Mann, dem sie eben die Haare geschnitten hat – »als Bezahlung akzeptiere ich nur eine Umarmung«. Tränen sammeln sich an seinen unteren Augenrändern, drohen herabzufallen. »Danke«, sagt er, ganz oft, während er den Raum verlässt, der eigentlich ein Speisesaal ist – und kein Friseursalon. »Ich habe Glück im Leben, Ina Peterson im Einsatz: »Schon als Kind wollte ich Menschen schön machen – und zwar davon möchte ich etwas alle; nicht nur die, die es sich leisten können«, sagt die Friseurmeisterin aus Borgstedt. weitergeben«, sagt Barber mensch in der Kieler Innenstadt be- Haarschnitt, denn zu Besuch sind drei Angel Kristina Tewes treibt. Auch wir von HEMPELS haben Barber Angels, auf Deutsch: Friseur- in dem Haus unsere Räume; viele unse- Engel. So nennen sich Friseurinnen rer Verkäufer besuchen regelmäßig den und Friseure aus ganz Deutschland und TaKo und können dort wie andere woh- anderen europäischen Ländern, die Be- Der Speisesaal gehört zum TaKo. So nungslose oder arme Menschen essen dürftigen kostenlos Kopf- und Barthaa- wird der Tagestreff und Kontaktladen und erhalten Unterstützung. Heute be- re schneiden. kurz genannt, den die stadt.mission. kommen sie im TaKo auch einen neuen In Schleswig-Holstein laden die Bar- ber Angels etwa einmal im Monat zu ihren »Aktionen« ein, wie sie sie nen- nen. Diese finden wie heute oft in den Räumen sozialer Einrichtungen statt. Schnell rücken die Friseurinnen die Tische beiseite, an denen vorher noch gegessen wurde, dann packen sie Hand- spiegel und Rasierer aus, zücken Kamm und Schere – und legen los. Bald finden sich überall im TaKo abgeschnittene Haare auf dem Fußboden: Insgesamt zwanzig Männer und Frauen frisieren die Barber Angels an diesem Tag. Zu ihnen gehört Katherina. Die 47-Jährge isst oft zu Mittag im TaKo; meist zusammen mit ihrem Freund, ei- nem HEMPELS-Verkäufer. 2018 war sie für ein halbes Jahr wohnungslos, schlief während dieser Zeit in Notunterkünf- ten. Nun setzt sie sich auf einen der frei- Dennis besucht fast täglich den TaKo – heute auch, um sich die Haare schneiden zu lassen. en Stühle – und Barber Angel Kristina Die Barber Angels kennt er bereits von einer »Aktion« am Kieler Hauptbahnhof. Tewes hüllt sie bis zum Hals in einen 12 | t i t el Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Insgesamt zwanzig Menschen frisieren die Barber Angels an diesem Tag; zu ihnen gehört auch Stephanie, der Ina Peterson die Haare schneidet. He mpel s # 2 74 2/2 0 19 t i t e l | 13
titel Auch Thomas lässt sich im TaKo von Barber Angel Kristina Tewes die Haare schneiden. Kittel. Weil sie sich keinen professionel- dann steht Katherina lächelnd auf: »Sehr und oben längeren Haaren. »Ich bin voll len Friseur leisten kann, schneidet sich schön – ich fühle mich so viel wohler!« zufrieden – und werde gleich auf der Katherina ihre Haare meist selbst. Das Auch der 27-jährige Dennis besucht Straße hoffentlich von vielen freundlich muss sie heute nicht; mit schnellen und fast täglich den TaKo. Die Barber Angels angeschaut!« geübten Handgriffen kämmt, schnei- kennt er bereits von einer »Aktion« am Immer nur wenige Sekunden bleibt det und stylt Kristina Tewes ihr Haar. Kieler Hauptbahnhof. Den TaKo ver- ein Stuhl frei, dann setzt sich schon der Noch ein Blick in deren Handspiegel, lässt er heute mit kurzrasierten Seiten nächste Gast. Trotzdem wirken die drei 14 | t i t el Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Brotjobs frei. Trotzdem machen sie auch heute das, wofür sie an Arbeitstagen be- zahlt werden – bloß ehrenamtlich. War- um sie das tun? Die drei Frauen wirken nicht so, als würden sie sich aufopfern – als müssten sie sich zu einer guten Sache zwingen, die ihnen keinen Spaß macht. Sie wirken wie Freundinnen; lachen laut, schnacken untereinander und mit den Gästen, umarmen sich und sie, klopfen auf Schultern. Und zwischendurch fegen sie die abgeschnittenen Haare auf dem Fußboden zusammen – zu einem Haufen in Herzform. »Ich habe Glück: eine Familie, ein Haus, eine Arbeit – von diesem Glück möchte ich etwas weitergeben«, sagt die 35-jährige Kristina Tewes. Die gelern- Die Barber Angels Brotherhood auf Deutsch: die Bruderschaft der Fri- seur-Engel, wurde 2016 von Friseurm- eister Claus Niedermaier in Biberach an der Riß in Baden-Württemberg gegründet. Inzwischen gibt es Barber Angels in allen deutschen Bundeslän- dern sowie in Österreich, der Schweiz, der Niederlande und Spanien. Mitglie- der des Vereins zahlen 15 Euro pro Mo- nat. Durch die Mitgliedsbeiträge sowie Spenden und den Verkauf von Lizen- zen zugunsten von Produkten, die dann das Label »Barber Angels« tragen dürfen, finanzieren sie etwa ihre Ar- beitsmaterialien und ihre Verwaltung. Weitere Information zu den Barber Angels unter: www.b-a-b.club MGG Frauen der Barber Angels nie gestresst; ihn. Also griff der 34-Jährige oft selbst te Friseurin arbeitet als selbstständige sie begrüßen jeden Gast, fragen nach zu Schere und Rasierer. »Das ist dann Visagistin und Kosmetikerin in Otten- dessen Wünschen und geben Tipps – ein nicht so schön – aber die Haare müs- dorf. Auch Ina Peterson frisiert heute als Prozedere, wie es viele Menschen von sen halt runter.« Runter kommen seine Friseur-Engel im TaKo. Mit ihrem Ein- ihren Friseurbesuchen kennen. Auch für Kopf- und Barthaare auch heute; aber satz für die Barber Angels erfüllt sich die den gelernten Lokführer Florian war es mit einem anderen Ergebnis: »Sieht echt 44-jährige Friseurmeisterin aus Borgs- früher selbstverständlich, einfach zum gut aus!« tedt einen Kindheitstraum: »Schon als Friseur zu gehen. Doch seit er wegen psy- Es ist ein Montag: Wie in vielen Fri- Kind wollte ich Menschen schön machen chischer Probleme nicht mehr arbeiten seursalons üblich, haben die Barber – und zwar alle; nicht nur die, die es sich kann, sind solche Besuche zu teuer für Angels an diesem Wochentag in ihren leisten können.« He mpel s # 2 74 2/2 0 19 t i t el | 15
titel Der dritte Barber Angel bei der »Ak- fen nicht alle frisieren: Hat jemand etwa was sie von ihren Gästen erfahren ha- tion« im TaKo ist Carola Konetzny, Ungeziefer im Haar oder eine offene ben. »Das hilft uns, damit umzugehen«, Friseurmeisterin aus Elmshorn. Für ihr Wunde am Kopf, müssen die Friseurin- sagt Kristina Tewes. Ehrenamt hat die 38-Jährige zwei Grün- nen ihn zurückweisen – so verlangen es Anderthalb Stunden und zwanzig de: Zunächst, natürlich, um den Bedürf- die Hygiene-Vorschriften. Das erklären Haarschnitte später stecken die drei tigen zu helfen; dafür zu sorgen, dass sie sie der Person dann ganz leise, sodass Barber Angels ihre Scheren und Kämme sich mit neuem Haarschnitt wohler füh- es niemand anderes mitbekommt, sagt wieder in die Gürteltaschen, ein TaKo- len. »Aber es tut auch mir gut, wenn ich Carola Konetzny: »Das können unsere Mitarbeiter serviert ihnen Kaffee – für helfen kann.« Gäste nachvollziehen – und natürlich heute haben sie Feierabend. Oder doch Bei ihren »Aktionen« tragen die Fri- dürfen sie wiederkommen.« nicht; denn ein Mann mit langen grauen seurinnen stets schwarze Kutten, wie Einige Gäste lächeln still, während Haaren und fast ebenso langem grauen man sie sonst eher von Biker-Clubs ihnen die Haare geschnitten werden. Bart kommt auf sie zu. »Darf ich noch?« kennt. Der Grund: So gekleidet sind sie Manche führen Smalltalk. Und wieder Darf er. Kristina Tewes stellt ihre Kaf- leicht als Barber Angels zu erkennen. andere erzählen den Friseurinnen von feetasse beiseite, rückt den Stuhl wie- Und: »In unseren Kutten können wir sich und ihrem Leben. Diese Lebensge- der hin, zückt Schere und Kamm und besser Kontakt aufbauen zu Menschen schichten sind oft tragisch: Es geht dar- schneidet los. Seit vierzig Jahren war der von der Straße – das wäre wohl anders um, was schief gelaufen ist – und warum Mann nicht mehr beim Friseur, erzählt in den schicken Klamotten, die wir sonst ein Mensch abkam vom Weg, den er ei- er; all die Jahre hat er sich die Haare im- in unseren Studios tragen«, sagt Kristi- gentlich gehen wollte. Viele Geschichten mer selbst geschnitten. na Tewes. lassen die Barber Angels auch nach ih- »Es ist mir eine Ehre!«, sagt Kristina Alle Menschen sollen bei den Barber ren »Aktionen« nicht los. Sie setzen sich Tewes, während sie seinen Bart stutzt. Angels willkommen sein; doch sie dür- dann zusammen und sprechen darüber, Ina Peterson, Carola Konetzny und Kristina Tewes (v.l.n.r.) im TaKo: Sie wirken nicht so, als würden sie sich aufopfern – als müssten sie sich zu einer guten Sache zwingen, die ihnen keinen Spaß macht. 16 | t i t el Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Liebe statt Hiebe In den 1970er Jahren wurden immer noch bis zu 75 Prozent der Kinder von ihren Eltern geschlagen und jedes fünfte dabei regelrecht verprügelt. Nur ein knappes Drittel erlebte damals vonsseiten der Eltern viel Zuwendung und Liebe in Form von häufigem Schmusen, Loben und Trösten. Seitdem hat sich die elterliche Erziehungskultur stark gewandelt. Heute zeigen Forschungsdaten: Die in der Kindheit viel Geschlagenen sind nach eigenen Angaben im Vergleich zu den viel Geliebten im vergangenen Jahr 4,5-mal so häufig selbst gewalttätig geworden. Sie haben außerdem 6,5-mal so oft ernsthaft über Suizid nachgedacht. Im Gegensatz berichtete die gewaltfrei erzogene Gruppe sechsmal häufiger von einer sehr hohen Lebenszufriedenheit. Eine gewaltfreie und liebevolle Erziehung fördert den aufrechten Gang und die Empathie. Sie vermittelt positive Erfahrungen der Selbstwirksamkeit und schützt vor der Flucht in Suizid oder Drogen. CHRISTIAN PFEIFFER, 74, K RIMINO - LOGE , LEITE TE VON 1985 BIS 2015 DAS K RIMINOLOGISCHE FORSCHUNGS - INSTITUT NIEDERSACHSEN UND WAR JUSTIZMINISTER IN HANNOVER. Zitiert aus: Süddeutsche Zeitung Foto: © Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons) He mpel s # 2 74 2/2 0 19 s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 17
schleswig-holstein sozial Die lange Reise einer Jeans Sie gehört zu den beliebtesten Kleidungsstücken überhaupt. Rund zwei Milliarden Jeans gehen jährlich weltweit über die Ladentheken. Nur die wenigsten werden umwelt- und sozialverträglich produziert. Bevor sie bei uns in den Geschäften liegen, haben die meisten eine Weltreise hinter sich durch Länder, in denen Arbeitskräfte billig und Produktionskosten gering sind – mit katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt TEXT: HANS PETER HEINRICH Die Nachfrage ist gigantisch, die Überflüssig zu erwähnen, dass Taiwan, wo aus diesem Baumwollgarn Preisspanne ebenfalls. So kostet die Kleidung zu solchen Preisen nicht im in Webereien der Jeansstoff entsteht. Fertigung einer in den USA hergestell- Land produziert werden kann. Auch in Polen produziert die chemische Indigo- ten Luxusjeans des Labels True Religion Deutschland nicht, wo neun von zehn farbe zum Einfärben. Der Jeansstoff aus 72,06 Dollar. Der Ladenpreis für den Kleidungsstücken aus Billiglohnländern Taiwan landet anschließend in Tunesien Verbraucher beträgt am Ende 310 Dol- wie China, Bangladesch, Indien, Pakis- und wird dort mit der Indigofarbe aus lar. Die Kosten für die Herstellung einer tan oder Indonesien stammen. Welchen Polen eingefärbt. Der fertige Stoff kann Billigjeans in Bangladesch für den US- Produktionsweg eine für den deutschen nun veredelt, das heißt weich und knit- amerikanischen Handelskonzern Wal- Markt bestimmte Billigjeans nimmt, terarm gemacht werden. Das geschieht mart belaufen sich auf lediglich 11,17 zeichnet die Grafik auf Seite 20 nach. in Bulgarien. In China wird die Jeans Dollar, obwohl dort noch die Verschif- Der Rohstoff für die Jeans, die Baum- zusammengenäht sowie mit Knöpfen fung und Kosten wie Hafengebühren wolle, stammt aus Kasachstan, wo sie und Nieten aus Italien und Futterstoff hinzukommen. Verkauft wird sie für – mit Hilfe großer Mengen Pestizide – aus der Schweiz versehen. Ihren letzten 22,10 Euro – und das in Masse. (Zah- angebaut und von Hand oder maschi- Schliff bekommt die Jeans in Frank- len aus 2016; Quellen: Friedrich Ebert nell geerntet wird. Von dort aus geht die reich, den Stone-washed-Effekt bei- Stiftung, Greenpeace, Forum Umwelt- Baumwolle in die Türkei, wo sie zu Garn spielsweise, der durch das Waschen mit bildung.) gesponnen wird. Die nächste Etappe ist Bimsstein entsteht. 18 | s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Fotos: Pixabay (2), pexels (2) Rund zwei Milliarden Jeans gehen weltweit jährlich über die Ladentheken – teure, billige, blaue, schwarze. Und wenn heutzutage viele Hosen auch Löcher aufweisen, dann ist das kein Qualitätsmangel, sondern Ausweis modischer Qualität. He mpel s # 2 74 2/2 0 19 s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 19
schleswig-holstein sozial Grafik: Lisa Heinrich Der lange Weg einer Jeans: Der Rohstoff Baumwolle stammt aus Kasachstan (1). In der Türkei (2) wird der zu Garn gesponnen, in Taiwan (3) entsteht daraus der Jeansstoff. In Polen (4) wird die chemische Indigofarbe zum Einfärben produziert. Der Jeansstoff aus Tai- wan wird dann in Tunesien (5) mit der Indigofarbe aus Polen eingefärbt. In Bulgarien (6) wird der fertige Stoff veredelt, also weich und knitterfrei gemacht, in China (7) dann zusammengenäht sowie mit Knöpfen und Nieten aus Italien versehen. Den letzten Schliff, den Stone-washed-Effekt, erhält die Hose schließlich in Frankreich (8), bevor in Deutschland (9) das Firmenlabel eingenäht wird. Die fertigen Jeans landen schließlich angebot an Arbeitskräften gibt, laxe Ar- preises gehen als Lohn an die Arbei- in Deutschland. Hier wird nur noch beitsschutzbedingungen herrschen und ter. Elf Prozent kosten Transport und das Firmen-Label eingenäht – und der Gewerkschaften so gut wie unbekannt Steuern, 13 Prozent sind Fabrikkosten, größte Gewinn gemacht. Rund 60.000 sind. Die Nichtregierungsorganisa- 25 Prozent fallen für Werbung an. 50 Kilometer hat die Jeans für ihre Pro- tion Clean Clothes Campaign (CCC), Prozent aber, den Löwenanteil, kassiert duktion bis hierhin zurückgelegt. Ganz die sich für eine Verbesserung der Ar- der Einzelhandel. Möglich wird das nur zu Ende ist ihre Reise damit immer beitsbedingungen und die Rechte von durch massive Verstöße gegen Sozial- noch nicht. Aus der Altkleidersamm- ArbeiterInnen in der internationalen standards in den Produktionsländern. lung gehen viele Jeans noch einmal auf Textilindustrie einsetzt, rechnet vor: Gisela Burckhard von CCC bemerkt Tour. Von Zwischenhändlern sortiert, Gerade mal ein Prozent des Verkaufs- dazu: »Weil die Discounter ihre Waren werden sie meist von Holland aus per Schiff nach Afrika gebracht, mit dem LKW ins Inland transportiert und auf Märkten an die einheimische Bevölke- rung ein weiteres Mal verkauft. So legt die Jeans noch einmal rund 8000 Kilo- meter zurück. 60.000 Kilometer legt eine Jeans in der Produktion zurück Trotz des irrsinnig langen Produk- tionsweges rentiert es sich für Dis- counter, Jeans massenhaft in Ländern Mal schick im Kaufhaus-Schaufenster, mal lässig mit individuellen Botschaften produzieren zu lassen, wo es ein Über- verziert: Hosen und Jacken aus Jeansstoff gehören zum Alltagsbild. 2 0 | s chl e s wig - hol s t e in s ozi a l Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
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schleswig-holstein sozial Sehr angesagt in der Modewelt ist momentan der Vintage-Look: Neue Jeans werden auf alt getrimmt; ein Verfahren, das die ausführenden Arbeiter durch das Einatmen von giftigem Feinstaub großen Gefahren aussetzt. hier in Deutschland zu absoluten Billig- benötigt, sondern es werden auch große preisen anbieten wollen, üben sie enor- Mengen von Kohlendioxid in die Atmo- men Druck auf die Hersteller aus. Und Für die Produktion sphäre eingebracht. 8.000 Liter Wasser das führt dazu, dass die Arbeiter in den verbraucht die Produktion einer Jeans. Produktionsländern unter unwürdigen einer Jeans werden Baumwollplantagen verschlingen ge- Bedingungen arbeiten müssen. Dass die waltige Mengen an Wasser. Das Statis- deutschen Discounter trotzdem so tun, 8000 Liter tische Bundesamt errechnete für das als lägen ihnen die fairen Arbeitsbedin- Jahr 2010 einen Bedarf von 6,4 Mil- gungen am Herzen, ist einfach verlogen.« Wasser benötigt liarden Kubikmeter Wasser allein für Nicht enthalten in dieser Rechnung Baumwollprodukte, die in einem Jahr sind die katastrophalen Folgen für die in Deutschland verkauft werden. Die Umwelt. Für die Zehntausende Trans- Menge ist mehr als doppelt so groß wie portkilometer wird nicht nur viel Erdöl diejenige, die die privaten Haushalte im 2 2 | s chl e s wig - hol s t e in s ozi a l Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
gleichen Zeitraum zum Waschen, Ko- Wasser und Luft gelangen). Weil er gera- Chemieexperte bei Greenpeace, bringt chen und Baden verbrauchen. de angesagt ist, sei noch auf den Vinta- es auf den Punkt: »Auch wenn deutsche Am Beispiel des Aralsees lassen sich ge-Look hingewiesen. Mit Sandstrahlen Gewässer heute zu den saubersten der die Folgen des riesigen Wasserbedarfs werden Jeans auf alt getrimmt, ein Ver- Welt zählen – Verbraucher und Verbrau- drastisch vor Augen führen. Auch wegen fahren, das wegen seiner tödlichen Ne- cherinnen müssen sich darüber im Kla- der Bewässerung der Baumwollplanta- benwirkungen (akute Silikose) nur noch ren sein, dass die Umweltverschmutzung gen in Kasachstan mit seinem Wasser in Ländern praktiziert wird, wo Arbeits- nicht gestoppt, sondern in andere Welt- trocknete der früher viertgrößte Bin- und Umweltschutzauflagen so gut wie regionen verlagert wurde.« nensee der Erde aus und wurde zur Salz- unbekannt sind. wüste. Eine der größten vom Menschen Verseuchte Flüsse, ausgebeutete Ar- Freundlicherweise zur Verfügung verursachten Umweltkatastrophen. Die beiter, verpestete Luft, kranke Men- gestellt von fiftyfifty / INSP.ngo Liste der durch die Billigproduktion schen: Durch das Auslagern der Jeans- von Jeans verursachten Umweltschä- produktion in Billiglohnländer werden den ließe sich beliebig fortsetzen (Pes- nicht nur soziale Mindeststandards um- tizide, Chemikalien und Reste giftiger gangen, sondern auch die Schäden an der Farbstoffe beispielsweise, die in Boden, Umwelt ausgelagert. Manfred Santen, Anzeigen He mpel s # 2 74 2/2 0 19 s chl e s wig - hol s t e in s ozi a l | 2 3
schleswig-holstein sozial Den Armen vor Ort helfen Lydia Lohse unterstützt mit einer Fördergemeinschaft in besonderer Weise Waisenkinder in Kenia TEXT UND FOTO: PETER BRANDHORST Ihr Blick reicht schon lange weit weise immenser Flüchtlingsbewegun- gemeinde in Kiel Mettenhof, jährlich vor die eigene Haustür. »Wir können gen große Bedeutung zukommt. Denn etwa 40.000 Euro Spendengelder nach uns nicht satt hier niederlassen und Lohse, und mit ihr die vielen anderen Kenia. Die werden insbesondere ge- den Rest der Welt vergessen«, sagt Frauen und Männer der Förderge- nutzt, um armen Waisen- und Halbwai- Lydia Lohse aus Kiel dann. Wobei die meinschaft »Ngelani-Waisenkinder«, senkindern eine schulische Ausbildung 79-Jährige das nicht allgemein meint, deren Vorsitzende sie ist, wollen vor zu ermöglichen bis hin zu höheren seit 40 Jahren kümmert sie sich um die Ort Strukturen schaffen, die Men- Abschlüssen. Gefördert wird auch die Bekämpfung der Armut und Verbesse- schen nicht automatisch in eine Flucht berufliche Ausbildung an handwerkli- rung der Lebensbedingungen in einer zwingen. chen Schulen. Lohse: »Die Menschen ländlichen Region Kenias nahe der Mittlerweile überweist der Förder- dort sollen nicht irgendwann in den Hauptstadt Nairobi. Eine Aufgabe, der kreis, ein selbstständiger Arbeitskreis Slums von Nairobi landen oder ihr besonders auch jetzt angesichts teil- der Evangelischen Thomas-Kirchen- Land verlassen müssen, sie sollen sich Lydia Lohse erhielt für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz. 24 | s chl e s wig - hol s t e in s ozi a l Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
eine eigene Existenz schaffen können.« Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort, lautet das Motto. Gegründet wurde der Kieler Förder- Integration durch Integrierte kreis 1977 von Gisela Weber, damals eine Nachbarin von Lydia Lohse. Seit 1979 ist die frühere Berufsschullehre- Ehrenamtliche mit Migrationsgeschichte rin Lohse mit dabei, mittlerweile hat sie die Region zehn Mal auf eigene Kosten helfen jungen Geflüchteten, in Begleitung von anderen Förderern besucht, um vor Ort die Erfolge über- die straffällig geworden sind prüfen zu können und mit den keniani- schen Partnern gemeinsam neue Vorha- ben zu planen. Bis zu 300 Kindern kann Als der 25-jährige Shahm jugendliche Geflüchtete mit jähr- inzwischen pro Jahr geholfen werden. Moubayed vor sechs Jahren lich 50.000 Euro Förderung. Pro- Lohse: »Bei jedem Besuch sehen wir die aus Syrien als Flüchtling nach jektleiterin und Pädagogin Jördis Not der Menschen dort, wir erkennen Deutschland kam, »hatte ich kei- Häbry: »Mit einem Vorbild an aber auch ihre Fröhlichkeit und ihren ne Ahnung von der deutschen ihrer Seite können diese geflüch- Optimismus.« Kultur. Es gibt große Unterschie- teten Jugendlichen ihre Probleme de zwischen beiden Ländern, da- angehen, um erneute Straftaten raus können Missverständnisse zu vermeiden.« entstehen«, sagt der junge Mann Mittlerweile wirken 45 Ehren- »Wir helfen mit heute, der in seiner Heimat ein amtliche, die selbst nicht straf- BWL-Studium abgeschlossen hat. fällig gewesen sind und in ihren ganzem Herzen«, Der inzwischen perfekt Deutsch, Heimatländern meist eine hohe Englisch, Arabisch sowieso und Bildung erfahren haben, in dem sagt Lydia Lohse auch etwas Kurdisch sprechende Projekt mit und decken mehrere Moubayed hat es geschafft, seinen Sprachen und Regionen ab. Für Weg zu gehen, in Kiel arbeitet er ihre Aufgaben wurden sie be- als vereidigter Dolmetscher. Und sonders geschult, ihre Klienten er widmet sich einer weiteren werden ihnen von Gerichtshilfen, Dass Lohse für ihr Engagement Aufgabe: Ehrenamtlich hilft er Richtern oder Polizei vermittelt. kürzlich aus der Hand von Minister- beim Projekt »Integration durch Die bisher erzielten Erfolge seien präsident Daniel Günther das von Bun- Integrierte« anderen geflüchteten groß, so Projektleiterin Häbry, despräsident Frank-Walter Steinmeier jungen Menschen auf die Spur, »wir bekommen viele positive verliehene Bundesverdienstkreuz be- die durch jugendtypische Straf- Rückmeldungen«. Und Shahm kommen hat, habe sie sehr überrascht, taten mit deutschen Gesetzen in Moubayed sagt: »Wir Ehrenamt- sagt sie. Entgegengenommen hat sie es Konflikt geraten sind. lichen mit Migrationsgeschichte stellvertretend für alle Mitglieder der Seit April 2017 wird dieses kennen die eine wie die andere Kieler Fördergemeinschaft. »Wir hel- Projekt landesweit vom Kreisver- Kultur, deshalb können wir den fen gemeinsam«, sagt sie, »und wir tun band Kiel des Deutschen Roten richtigen Weg zeigen.« pB es mit ganzem Herzen.« Kreuz durchgeführt; das Justiz- ministerium unterstützt es als Kontakt: Kontakt: www.Ngelani-Waisenkinder.de wichtigen Baustein im Bereich straffaelligenhilfe@drk-kiel.de der ambulanten Sanktionsalter- nativen für straffällig gewordene He mpel s # 2 74 2/2 0 19 s chl e s wig - hol s t e in s ozi a l | 25
schleswig-holstein sozial »Eine Wohnung ist der beste Schutz« Auch in Schleswig-Holstein erleben Obdachlose politisch rechts motivierte Anfeindungen und Gewalt. Nur die wenigsten Vorfälle werden öffentlich TEXT: KAI STOLTMANN Im Herbst 2000 wurde der Obdachlose seit 1990 mindestens 40 wohnungslose Malte Lerch auf den Schleswiger Königs- Menschen in Deutschland umgebracht wiesen von zwei Neonazis brutal erschla- wurden, weil sie nicht dem Weltbild der gen. Er hatte dort zuvor mit den beiden Angreifer entsprochen haben. Skinheads gemeinsam gezecht. Nach ne- Von sozialdarwinistischer Gewalt gativen Bemerkungen über die Neonazi- wird in solchen Zusammenhängen häu- Szene fühlten sich seine beiden Begleiter fig gesprochen. Gemeint ist eine men- beleidigt. Sie schlugen Lerch und traten schenverachtende Perspektive auf Rand- mit ihren Stahlkappenstiefeln auf ihn ein. gruppen der Gesellschaft und sozial Anschließend haben sie ihr Opfer schwer Schwächere. Solche Gewalt gegen woh- verletzt zurückgelassen. Erst am folgen- nungslose Menschen ist schon seit länge- den Tag wurde die Leiche des Wohnungs- rem ein alltägliches Phänomen, wie Paul losen von Passanten gefunden. Neupert betont. Als Fachreferent von der Bundesarbeitsgemeinschaft Woh- nungslosenhilfe (BAGW) beschreibt er das Vorgehen der Täter als »oft spontan, Opfer werden meist überfallartig, enthemmt und sehr bru- tal«. Meistens richten sich die Angriffe wehrlos im Schlaf gegen wehrlose Opfer, die beispielsweise im Schlaf überrascht werden. Trotzdem überrascht erstatten nur die wenigsten Betroffenen bei der Polizei Anzeige. Die Opfer sind nach der Tat weiterhin wohnungslos, weshalb sie nach einer Anzeige die Rache Die beiden Täter wurden vom Flens- von den Tätern fürchten müssen. burger Landgericht wegen gefährlicher Es werden somit vor allem jene Ge- Körperverletzung mit Todesfolge zu je- walttaten öffentlich bekannt, bei denen weils sieben Jahren Haft verurteilt. Über couragierte Passanten oder die Polizei das Leben von Malte Lerch ist nur wenig zufällig vor Ort gewesen sind. Dement- bekannt. Ähnlich sieht es auch bei vielen sprechend groß ist das Dunkelfeld von anderen Wohnungslosen aus, die in den rechten Angriffen gegen wohnungslose letzten Jahrzehnten mit einer politisch Menschen, belastbare Zahlen liegen selbst rechten Motivation umgebracht wurden. bei der BAGW nicht vor. Unter den Woh- Von einigen kennt man noch nicht einmal nungslosen gebe es jedoch kaum jeman- den Namen. Sicher ist dagegen, dass allein den, der die Gefahr nicht wahrnehme, so 26 | s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Paul Neupert weiter. Aus seiner Perspek- gungen, wenn beispielsweise nachts auf bra – Zentrum für Betroffene rechter tive ist »eine Wohnung der beste Schutz«, die Schlafsäcke uriniert oder das Eigen- Angriffe«. Dort bekommen Opfer von weshalb private Rückzugsräume nötig tum von Wohnungslosen geklaut wird«. sozialdarwinistischer Gewalt kostenlo- sind, in denen sich die wohnungslosen Dementsprechend werden entsprechende se Hilfe, ohne dass eine Anzeige bei der Menschen sicher fühlen können. Übergriffe von den Gästen des Tagestreffs Polizei notwendig ist. Zu den Aufgaben Die Notwendigkeit von sicheren Rück- im Alltag immer wieder thematisiert. von zebra gehört jedoch unter anderem, zugsräumen zeigt sich auch vor Ort in Möglichen Zeugen dieser Vorfälle emp- wohnungslose Gewaltopfer bei ihrem Kiel. »Bei uns ist die Lage gerade relativ fiehlt Schmitz-Sierck, »sich einzumi- Kontakt mit der Polizei und Justiz zu be- ruhig, was richtige Gewalttaten gegen schen, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu gleiten und die Perspektive von Betroffe- Wohnungslose angeht«, so Teamleiter bringen«. nen nach einem Angriff medial bekannt Michael Schmitz-Sierck vom Tagestreff Unterstützung finden wohnungslo- zu machen. und Kontaktladen (TaKo) der stadt.mis- se Betroffene, Angehörige und Zeugen sion.mensch in der Kieler Innenstadt. von rechten Gewalttaten in Schleswig- Der Autor ist Berater bei »zebra – Allerdings komme es »schon zu Belästi- Holstein bei der Beratungsstelle »ze- Zentrum für Betroffene rechter Angriffe« Foto: Pixabay Viele Obdachlose haben einen Hund an ihrer Seite, als treuen Wegbegleiter und zum Schutz. Einige besitzen auch ein Prepaid-Handy, um im Notfall Hilfe rufen zu können. Doch wirklichen Schutz vor den Gefahren eines Lebens auf der Straße und vor Angriffen hat niemand. He mpel s # 2 74 2/2 0 19 s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 27
schleswig-holstein sozial Kostenlose medizinische Hilfe in Schleswig-Holstein praxen ohne grenzen: weitere sprechstunden: Bad Segeberg Stockelsdorf Flensburg Kirchplatz 2 Marienburgstraße 5 Tagestreff TAT Telefon: (0 45 51) 95 50 27 Telefon: (04 51) 88 19 18 55 Johanniskirchhof 19 Sprechstunde: Mittwoch, Sprechstunde: Mittwoch, Otto Hübner, Dr. Ernst Latz, Dr. Jörn 15 bis 17 Uhr 15 bis 17 Uhr Pankow Jeden Dienstag ab 11 Uhr; für Frauen Elmshorn und Männer (in Zusammenarbeit mit „Haus der Begegnung“ dem Gesundheitshaus Flensburg) Hainholzer Damm 11 medibüros: Telefon: (0 41 01) 37 37 904 Flensburg Jeden Montag 18 bis 19 Uhr Kiel „Treppe“ ZBBS Heiligengeistgang 4-8 Flensburg Sophienblatt 64 Jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat ab Gesundheitshaus Telefon während Sprechstunde: 10:30 Uhr; nur für Frauen Norderstr. 58 – 60 (0 15 77) 1 89 44 80 Telefon: (04 61) 85 40 32 Jeden Dienstag 15:30 - 17:30 Uhr Lübeck Sprechstunde: Mittwoch, Gesundheitsmobil 15 bis 16 Uhr Lübeck Sprechstunde an fünf Tagen in der AWO-Integrationscenter Woche an zehn verschiedenen Orten Husum Große Burgstraße 51 in Lübeck, Fahrplan online auf Markt 10 – 12 (Einhorn-Passage) Telefon: (0 15 77) 933 81 44 www.gesundheitsmobil.org oder Telefon: (0 48 41) 905 68 91 Jeden Montag 14 - 17 Uhr telefonisch: (04 51) 5 80 10 23 Sprechstunde: Mittwoch, 15 bis 17 Uhr Neumünster Lübeck AWO-Integrationscenter Gesundheitsstation Preetz Göbenplatz 2 Sprechstunde mit dem Team des Diakonisches Werk Preetz 24534 Neumünster Gesundheitsmobils. Mit Geräten zur Am Alten Amtsgericht 5 Telefon: (0 43 21) 4 89 03 20 genaueren Diagnostik. Telefon: (0 43 42) 7 17 0 Jeden Mittwoch 15 – 17 Uhr Haus der Diakonie, Mühlentorplatz Jeden Mittwoch 9 – 11 Uhr Jeden Mittwoch 15 bis 17 Uhr Rendsburg Kiel Moltkestraße 1 Tagestreff & Kontaktladen Telefon: (0 15 77) 5 88 57 55 Schaßstraße 4, Sprechstunde: Mittwoch 16 bis 17 Uhr, Allgemeinärzte Dennis John Hülsberg Donnerstag 10 bis 11 Uhr und Dr. Kai Ehrhardt Jeden Mittwoch 10 - 13 Uhr Alle Einrichtungen sind auf die Unterstützung durch Spenden angewiesen 2 8 | s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
wie ich es sehe Laut sagen, was man braucht? Finde ich gut von hans-uwe rehse »Wenn ich etwas brauche, bestelle ich es einfach beim Uni- den Menschen zugewandt ist. Deshalb sprechen sie mit Gott versum!« Eine interessante Bemerkung ist das. Ich habe sie im und vertrauen darauf, dass sie gehört und verstanden werden. Buch »Ich bin dann mal weg« von Hape Kerkeling gefunden. Nicht alles, was im Gebet angesprochen wird, geht in Erfüllung. Eine junge Frau erklärt, wie sie es schafft, den anstrengenden Aber es hilft schon, wenn man sich jemandem anvertrauen Jakobsweg immer weiter zu gehen ohne aufzugeben. Eine Be- kann. Einen besonderen Platz hat dabei das Gebet für andere – stellung beim Universum? Das macht neugierig. Hape Kerke- gerade, wenn man merkt, dass man selber nur wenig tun kann. ling versucht es auch mal damit – und er wundert sich, als es Ich weiß nicht, was Sie vom Beten halten. Kann sein, dass es klappt. Ihnen fremd bleibt. Aber vielleicht können Sie doch an andere Selbstverständlich ist das nicht. Schließlich bleibt offen, bei Menschen denken und ihnen Gutes wünschen. Ich bin über- wem man die Bestellung aufgibt. Und wer sorgt dafür, dass sie zeugt: Wo Menschen so eine Verbindung suchen und pflegen, bearbeitet wird? Es klingt sehr geheimnisvoll. Aber: Es scheint da entsteht eine tragende Kraft, die vieles verändert. zu wirken! Ich habe es auch mal probiert, als ich lange auf je- manden warten musste. Laut habe ich gesagt, was ich will – und: Keine Minute später war die Wartezeit vorbei. Ich weiß: das war nichts Großes und der Zufall wird mitgespielt haben. Sicherlich kann man sich so auch nicht alle Wünsche erfüllen. Trotzdem: Ich finde die Anregung gut. Laut zu sagen, was man braucht – das ist wirklich hilfreich und notwendig. Manche tun Hans -Uwe Rehse is t Pas tor im sich damit schwer. Sie mögen nicht zeigen, dass sie Hilfe brau- Ruhe s tand und war Ge schäf t s - chen. Vielleicht haben sie auch schlechte Erfahrungen gemacht, führer der Vorwerk er Diakonie und jetzt fehlt ihnen der Mut. Aber wenn man niemals was sagt, in Lübeck . SEINE KOLUMNE dann bleibt man allein. ERSCHEINT JEDEN MONAT Die Bestellungen ans Universum können deshalb eine gute Sprechübung sein. Dass man was sagt, wenn man Unterstüt- zung braucht. Zunächst probiert man es mit dem Universum. Und dann spricht man mit den Menschen, die einem begegnen. Wie gut, wenn das gelingt! Da kommt man in Kontakt. Und da kann geholfen werden. Natürlich braucht es dazu auch Perso- nen, die hören und sich ansprechen lassen. Wir sind dann ge- fragt – nicht nur das Universum. Ich hoffe, dass wir dann auch auf die Anrede reagieren. Übrigens: Das Universum muss kein anonymer Raum blei- ben. Für religiöse Menschen ist es erfüllt von einer Kraft, die He mpel s # 2 74 2/2 0 19 s chl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 29
anzeige HEMPELS-Jahreskalender 2019: Die Lieblingsorte unserer Leserinnen und Leser Bei Ihren HEMPELS-Verkaufenden können Sie neben dem jeweils aktuellen Straßenmagazin auch den »HEMPELS- Jahreskalender 2019« erwerben. Darin zeigen wir Ihnen zwölf Lieblingsorte unserer Leserinnen und Leser in Schleswig-Holstein – außerdem erzählen sie uns und Ihnen, warum dieser Ort so besonders ist. och Nur n are Für unsere Jury war es keine leichte i g e E x e mp l wen r Aufgabe, aus vielen schönen Einsendungen f ür nu zwölf Bilder auszuwählen. Doch nun ist ur o! es vollbracht und der Kalender bei den 2,20 E Straßenverkaufenden Ihres Vertrauens erhältlich. Süden wie Norden, Wasser wie Wiese und viele andere spannende Umgebungen werden vertreten sein: Es ist ein Wandkalender geworden so bunt und vielfältig wie das ganze Land. Die restlichen »HEMPELS-Jahreskalender 2019« gibt es für jetzt 2,20 Euro bei Ihren Straßenverkaufenden. 30 | a nze ige Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
Rezept Erdnussnudeln aus einem Topf von Florian Wiemers Für 4 Personen: · 350 g Spaghetti oder Bavette · 140 g geröstete und gesalzene Erdnüsse · 2 EL Erdnussbutter (»crunchy«) · 4 Frühlingszwiebeln · 4 Möhren · 2 Paprika Foto: Pixabay · 1 l Gemüsebrühe · 1 EL Tamarindensauce oder rote Currypaste · 1 EL Rohrzucker · 50 ml Sojasauce · 4 Knoblauchzehen · etwas Ingwer Nach 25 Jahren als Altenpfleger und einem Studium der Sozialen Arbeit absolviert Florian Wiemers derzeit sein Anerkennungsjahr zum Sozialarbei- ter bei HEMPELS in Kiel. Der 45-Jährige ist vierfacher Vater und »zu Hause r Wer ner der Koch«. Florian liebt Gerichte, die in nur einem Topf zubereitet werden; sogenannte One-Pot-Gerichte. »Die sind einfach zuzubereiten und trotzdem Foto: Pete lecker. Ich konnte mit einem One-Pot-Gericht sogar meine Mutter überzeu- gen – und die kocht sonst eher old school«, sagt Florian. Frühlingszwiebeln, Möhren, Paprika, Knoblauch und Ingwer in kleine Stücke schneiden. Dann alle Zutaten zusammen in einem großen Topf zum Kochen bringen. Anschließend ohne Deckel rund 10 Minuten köcheln lassen, bis die Nudeln bissfest sind. Dabei regelmäßig umrühren – fertig! Zum Gericht pas- sen außerdem Kokosmilch oder Chiliflocken. Florians Tipp: Vor dem Servie- ren noch etwas Limettensaft hinzufügen. Florian Wiemers wünscht guten Appetit! He mpel s # 2 74 2/2 0 19 re ze p t | 3 1
Tipps Zugehört Durchgelesen Angeschaut »Time« »Bienen und Menschen« »Astrid« Pamela Méndez Olaf Nils Dube Pernille Fischer Christensen Die Schweiz gilt erst einmal nicht als Was tun, wenn man vom einfachen, Wer kennt und liebt sie nicht, die Herkunftsland der musikalischen Pop- von einem anderen Leben träumt, wäh- Geschichten von Astrid Lindgren über Kultur. Fernab der Show-Bombastik rend einen die Last des Karrieremachens Kalle Blomquist, Michel und, natürlich, eines DJ Bobo gibt es immer mehr im und Geldverdienens beinahe erdrückt? In Pippi? Das Geheimnis über ihren un- Schweizer Musikkosmos zu entdecken. einer falschen Version der eigenen Exis- ehelichen Sohn Lasse hat sie jedoch erst So machte in den letzten Jahren die tenz zu stecken - dieses Gefühl wurde in mit 70 Jahren gelüftet, der Film »Astrid« wunderbare Sophie Hunger mit schlau- Olaf Nils Dube jahrelang immer stärker. ist inspiriert von diesen Ereignissen. em Elektropop von sich reden oder der Als er Mitte Dreißig wurde, nahm er Mit 16 Jahren beginnt Lindgren ein Chansonnier Stephan Eicher. Ein weite- seinen Mut zusammen und schmiss sei- Volontariat in der Zeitung ihrer klei- rer Name, den man sich merken sollte, ist nen verantwortungsvollen Posten in der nen Heimatstadt Wimmerby. Ein Jahr Pamela Méndez. Die Musikerin ist aus- Schlips- und Kragen-Welt hin. Er zog später fängt sie ein Verhältnis mit dem gebildete Jazzsängerin und veröffentlicht mit seiner Frau und den Kindern von der Chefredakteur Blomberg an und wird im Februar ihr zweites Album »Time«. Etagenwohnung im Prenzlauer Berg in schwanger. Blomberg ist jedoch ver- Acht Jahre hat sie nach ihrem Debüt einen Zirkuswagen im Berliner Umland. heiratet. Ein Skandal droht in dieser gebraucht, um die Songs für den Nach- Er begann mit der Imkerei, wie übrigens puritanischen Zeit (1926), und da eine folger auszuwählen. Diese – teilweise immer mehr jüngere Leute. Damals be- Abtreibung nicht in Frage kommt, wird vor Jahren geschrieben – hat sie immer kam er von allen Seiten zu hören: »Da- Lindgren zur Sekretärinnenausbildung wieder geprüft, live getestet, dann erst von kann man doch nicht leben!« nach Stockholm geschickt. Doch als sie für albumtauglich befunden. Kennzei- Doch genau das gelang Dube. Denn erfährt, dass der Kindsvater nicht be- chen ihres Art-Pop ist die Power-Stim- die sind, nach zehn Millionen Jahren kannt werden darf, muss sie das Kind me. Dabei liefert sie nicht die üblichen Evolutionsgeschichte, schließlich eben- in Kopenhagen zur Welt bringen, da sie oktavreichen Soul-Balladen, sondern falls echte Überlebenskünstler. In seinem nur dort den Behörden Lasses Vater ver- eigenwillige Kompositionen. Will man Buch erzählt Dube, was er von ihnen ler- schweigen darf. Drei Jahre lang bleibt beim ersten Hören die Schublade »sou- nen konnte, worauf es beim Imkern an- ihr Kind in Dänemark bei einer Pflege- liger Jazz« öffnen, muss man diese beim kommt, was es mit dem Bienensterben mutter. Nachdem ihre Ausbildung be- zweiten Track »Start« zuknallen. Auf auf sich hat und warum Bienenstöcke endet, ihre Verhältnisse geklärt und die einmal kommen nämlich zum Jazz pop- wahre Schatztruhen sind. Vor allem aber Trennung von Blomberg vollzogen ist, pige Retro-Synthiesounds dazu. Im An- beschreibt er die berührende Geschichte kann sie endlich Lasse zu sich holen. spieltipp »Irène Island« findet sich alles, unserer jahrtausendealten Freundschaft Hier endet der Film, was sehr schade was Pamela Méndez’ Musik ausmacht: zu einer Art, die uns Menschen noch ist, denn Alba August spielt die Haupt- starke Stimme, Groove, tanzbarer Pop nie brauchte, während wir ohne sie zu- rolle begeisternd. Wenn sie lacht, geht und etwas schräge Klangwelten. Dabei grunde gehen würden. Und das in einer die Sonne auf, wenn sie traurig ist, ist Pamela Méndez Vollblut-Künstlerin: angenehm klaren Sprache: »Das Wun- möchte man weinen. Oder mit ihr zu- Sie dekonstruiert in ihren Texten Gesell- derbare am Bienenhalten? Es ist keine sammen lauthals schreien, wenn es mal schaftliches, arbeitete immer wieder mit Ersatzbefriedigung wie Shoppen oder wieder so gar nicht läuft. Begleitet von Tänzern und Performance-Künstlern Torte zu essen, sondern hilft ganz di- schöner Klaviermusik macht es einfach zusammen und ließ sich zur Stimmphy- rekt und einfach. Das Imkern bringt den Spaß, sich vorzustellen, dass Astrid siologin weiterbilden. Wer sich ihren Na- Menschen zurück in die Kreisläufe und Lindgren so zu einer der erfolgreichsten men jetzt abspeichert, darf sich auf eine Zusammenhänge der Natur. Schriftstellerinnen der Welt wurde. interessante Reise im Musik-Business freuen. Von der Schweiz in die Welt! Musiktipp buchtipp Filmtipp von Michaela Drenovakovic von Ulrike Fetköter von Oliver Zemke 3 2 | t ipp s Hempe l s # 2 74 2/2 0 19
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