Archaeopteryx - Fossil des Jahres 2020 - Alexander Nützel & Oliver W. M. Rauhut - Paläontologische ...

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Archaeopteryx - Fossil des Jahres 2020 - Alexander Nützel & Oliver W. M. Rauhut - Paläontologische ...
Alexander Nützel & Oliver W. M. Rauhut

Archaeopteryx – Fossil des Jahres 2020
Archaeopteryx 36: 1-3; Eichstätt 2020

Die Paläontologische Gesellschaft kürt alljährlich ein            wie Archaeopteryx zeigen, dass unsere Wissenschaft –
Fossil des Jahres, um besondere Fossilien in den Blick-           die Paläontologie – niemals auf gut erhaltene Fossilien
punkt zu bringen und das Fach Paläontologie in der                mit einzigartigen Merkmalen verzichten kann, um die
Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Dieses Jahr fiel             Geschichte des Lebens zu erhellen. Im Laufe von 160
die Wahl auf den Urvogel Archaeopteryx. Die Präsen-               Jahren wurden 14 Exemplare von Urvögeln gefunden,
tation erfolgte am 9.1.2020 anhand des Eichstätter Ex-            von denen sich die meisten Archaeopteryx zuordnen
emplars anlässlich der Wiedereröffnung des Jura-Mu-               lassen. Alle stammen aus den Plattenkalken des Obe-
seums Eichstätt. Der Präsident der PalGes Prof. Dr.               ren Jura der Fränkischen Alb in der weiteren Umge-
Hans Kerp (Univ. Münster) enthüllte Archaeopteryx                 bung Eichstätts (den „Solnhofener Plattenkalken“). Je-
feierlich und betonte dessen hervorragende wissen-                des der Exemplare trug zum Wissen über die Gattung
schaftliche Bedeutung. Pressemeldungen wurden he-                 Archaeopteryx bei, die nun als recht gut erforscht gel-
rausgegeben und ein Flyer gedruckt.                               ten kann, obwohl immer wieder neue Erkenntnisse ge-
       Der Urvogel Archaeopteryx ist eines der bekann-            wonnen werden.
testen Fossilien der Welt. Er stammt aus den etwa 150                   Das Fossil des Jahres wird vom Eichstätter Exemp-
Millionen Jahre alten Plattenkalken Bayerns. Von Be-              lar vertreten. Dieser kleinste gefundene Archaeopteryx
ginn an wurde die große Bedeutung dieser Fossilien für            ist ein Jungtier. Gleichzeitig ist es eines der besterhalte-
die Evolutionsforschung erkannt: Das Tier vereinigt               nen Exemplare, das in Bezug auf die Schädelanatomie
Reptil- und Vogelmerkmale und belegt so die stam-                 wichtige Erkenntnisse erbracht hat, wenn auch die Fe-
mesgeschichtliche Herkunft der Vögel, deren direkte               dern weniger deutlich sind als bei anderen Exempla-
Vorfahren Raub-Dinosaurier des Erdmittelalters wa-                ren. Das Exemplar wurde 1951 gefunden und ist seit
ren. Archaeopteryx erfuhr schon vielfache Ehrungen,               der Eröffnung des Jura-Museum in Eichstätt im Jahre
z. B. als Motiv auf einer 10-Euro-Münze oder auf Brief-           1976 eines der Highlights der dortigen Ausstellung.
marken und wird nun auch von der Paläontologischen                Es zeigt die in typischer Weise nach hinten zurückge-
Gesellschaft zum Fossil des Jahres ernannt. Fossilien             bogene Halswirbelsäule, die bei vielen fossilen Skelet-

Der Präsident der PalGes Hans Kerp enthüllt feierlich das Eichstätter Archaeopteryx-Exemplar als Fossil des Jahres 2020. (Foto: S.
Hornung)

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Archaeopteryx - Fossil des Jahres 2020 - Alexander Nützel & Oliver W. M. Rauhut - Paläontologische ...
Archaeopteryx – das Eichstätter Exemplar (Foto: Jura-Museum   Archaeopteryx Lebensbild (Künstler: W. Balat)
Eichstätt)

ten beobachtet werden kann – eine Überstreckung, die          den Flügeln auf seine Sauriernatur verweisen. Er lebte
während der Verwesung durch Zusammenschrump-                  als flinker Räuber auf Inseln mit subtropischem Klima
fen der Halssehnen geschah.                                   nahe der Meereswannen zwischen Schwammriffen, in
                                                              denen die Plattenkalke abgelagert wurden. Meist ist
Ein flinker, fliegender Räuber                                Archaeopteryx wohl gerannt, auf der Jagd nach Insek-
Es ist nun weitgehend akzeptiert, dass Archaeopteryx          ten oder kleinen Wirbeltieren. Zum Entkommen vor
fliegen konnte und die Dinosaurier als Vögel bis heute        Fressfeinden mögen kurze Phasen des Fluges hilfreich
fortleben. Die Schwungfedern des Urvogels waren               gewesen sein. Die Krallen an den Flügeln zeigen, dass
asymmetrisch und schon genauso konstruiert wie die            er wahrscheinlich ein geschickter Kletterer war.
Schwungfedern moderner Vögel. Ähnlich wie manche
heutige Greifvögel hatte Archaeopteryx Federhosen,            Ein weltweit einmaliges Fenster in die Jura-Zeit
also gefiederte Beine, wie sich erst kürzlich herausge-       Die Solnhofener Plattenkalke sind eine Fundstätte von
stellt hat. Flügel, Federn und Gabelbein machen Ar-           Weltgeltung, eine Fossil-Lagerstätte, die Hunderte von
chaeopteryx zum Vogel, während Zähne, der lange ver-          Arten in exzellenter Erhaltung überliefert hat. Beson-
knöcherte Schwanz, Bauchrippen und die Krallen an             dere Bedeutung haben die Plattenkalke für Wirbel-

Typischer Aspekt einer Plattenkalkgrabung (Foto: H. Tischlinger)

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tiere, weil Skelette vollständig und im Verbund erhal-            Ausstellungsorte
ten bleiben können, ebenso wie gelegentlich Reste der             Berühmte Archaeopteryx-Exemplare werden im Mu-
Haut oder im Fall von Archaeopteryx Federn mit feins-             seum für Naturkunde, Berlin, im Jura-Museum,
ten Details. Eine solch gute Erhaltung stellt eine große          Eichstätt, im Bürgermeister-Müller-Museum in Soln-
Ausnahme dar und macht die Plattenkalke zu einem                  hofen, im Dinosauriermuseum Altmühltal in Denken-
einmaligen Fenster zur Welt des Oberen Jura. Merk-                dorf und im Natural History Museum, London ausge-
würdigerweise mussten für diese gute Erhaltung wäh-               stellt. Weiter reisen muss, wer das Exemplar im Wyo-
rend der Einbettung der Fossilien im Sediment lebens-             ming Dinosaur Center, Thermopolis, Wyoming, USA
feindliche Bedingungen in den Plattenkalkwannen                   sehen möchte. Der Abdruck einer Feder und das Mün-
herrschen. Vermutlich half das Fehlen von Sauerstoff              chener Exemplar sind in der Bayerischen Staatssamm-
bei der fantastischen Erhaltung. Wären die Bedingun-              lung für Paläontologie und Geologie, München auf-
gen nicht lebensfeindlich gewesen, wären die Tierka-              bewahrt. Ein weiteres interessantes, fragmentarisches
daver - unsere späteren Fossilien - von Aasfressern               Stück eines anderen Urvogels aus den Solnhofener
zerstört, oder die Knochen durch wühlende Tiere wie               Kalken, Ostromia crassipes, liegt im Teylers Museum,
Würmer oder Krebse zerstreut worden und hätten ih-                Haarlem, Niederlande.
ren ursprünglichen Zusammenhang sicher nicht be-
wahrt. Die Tiere lebten also in anderen Bereichen, Ar-            Anschrift der Autoren
chaeopteryx wohl auf nahen Inseln, wurden durch                   Prof. Dr. Alexander Nützel, Bayerische Staats-
Strömungen oder Stürme aufs Meer hinaus getrieben                 sammlung für Paläontologie und Geologie, Richard-
und sanken nach ihrem Tod in Meereswannen, an de-                 Wagner-Straße 10, 80333 München
ren Grund lebensfeindliche Bedingungen herrsch-                   Prof. Dr. Oliver W. M. Rauhut, Bayerische Staats-
ten. Dort wurden sie nach und nach mit feinem Kalk-               sammlung für Paläontologie und Geologie, Richard-
schlamm bedeckt, der sich schließlich zu den Platten-             Wagner-Straße 10, 80333 München
kalken verfestigte.

Fundorte
Alle Urvogel-Exemplare wurden auf der Südlichen Fran-
kenalb (Bayern) gefunden und zwar an folgenden Orten:
Langenaltheimer Haardt, Jachenhausen bei Riedenburg,
Blumenberg, Workerszell und Petershöhe bei Eichstätt,
Solnhofen, Schamhaupten, Mühlheim sowie Daiting.

Die Lamination der oberjurassischen Plattenkalke bei Schernfeld weist auf fehlende Bioturbation hin und also auf lebensfeindliche
Bedingungen während der Ablagerung (Foto: H. Tischlinger).

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