"Was war die DDR wert?" Und wo ist dieser Wert geblieben? - Neue Rheinische Zeitung

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"Was war die DDR wert?" Und wo ist dieser Wert geblieben? - Neue Rheinische Zeitung
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Beitrag des Online-Flyers Nr. 20 vom 30.11.2005.

Ein unerwünschtes Aufklärungsbuch
"Was war die DDR wert?"
Und wo ist dieser Wert geblieben?
Von Hans-Dieter Hey

In analytischer Weise nüchtern, als kühler Rechner und dennoch seitenweise spannend wie ein Roman beschreibt
Siegfried Wenzel, wie die Treuhand das Volksvermögen der DDR von rund 600 Mrd. Mark auf 264 Mrd. Mark
Schulden herunterrechnen konnte. Er weist nach, dass die DDR keineswegs pleite war, sondern dass dieser
verbreitete Mythos Ausdruck eines bestimmten politischen Willens in der Kohl-Ära war. In diesem Buch stellt sich die
"Abwicklung" der DDR als Politkrimi dar, der seine Spitze in dem bis heute nicht aufgeklärten Mord an Dr. Carsten
Rohwedder, dem ehemaligen Treuhandchef, fand. Und noch jetzt sind Journalisten von einem politisch motivierten
Auftragsmord überzeugt.
"Was war die DDR wert?" Und wo ist dieser Wert geblieben? - Neue Rheinische Zeitung
Foto: Hans-Dieter Hey

In deutlichen Worten beschreibt Wenzel, wie in der Zeit der Treuhand, die von Birgit Breuel als Nachfolgerin
Rohwedders geleitet wurde, der Osten Opfer von Goldsuchern, Wirtschaftskriminellen und zahllosen so genannten
Beratern wurde. Die Folgen sind bekannt: die fast völlige Zerstörung der wirtschaftlichen Kraft der ehemaligen DDR.
Auch weitere Mythen werden aufgedeckt, so beispielsweise der Mythos von den so genannten Transferleistungen in
die neuen Länder von 1 Bill. DM, von denen der größte Teil ohnehin in die alten Länder zurück geflossen ist.

Wenzel war stellvertretender Vorsitzender der staatlichen Planungskommission der DDR. Ihm vorzuwerfen, sein
Buch wäre politisch motiviert oder verfälscht, würde völlig ins Leere führen. Klugerweise stützt er sich bei seinen
Argumenten fast ausschließlich auf "westliches" Beweismaterial.

Dass er es mit dem "Versuch einer abschließenden Bilanz" ehrlich meint, macht auch die schonungslose Kritik an
der Honneckerschen Wirtschaftspolitik deutlich. An vielen Stellen tritt seine persönliche Betroffenheit über
Zerschlagung und Verfall eines ganzen Staates hervor, dem er gedient und von dem er sich eine antikapitalistische
und solidarische Gesellschaft erhofft hatte.

Es ist kein altes Buch über einen untergegangenen Staat, sondern ein modernes Lehrbuch über die Wirkung einer
feindlichen Übernahme, die man heute gern verschweigen möchte. Es ist ein unerwünschtes Aufklärungsbuch gegen
die Geschichtsschreibung. Unbedingt lesenswert!

Foto: Hans-Dieter Hey

Zitat aus 'Was war die DDR wert?':

"... Dr. Rohwedder hatte den Ruf, ein exzellenter Sanierer zu sein, was er auch als Vorstand des Hoesch-Konzerns
nachgewiesen hatte. Man sagte ihm nach, dass er - im Interesse der Erhaltung ostdeutscher Industriestandorte - von
einem längere Zeit bestehenden Sektor öffentlichen Eigentums in privater Rechtsform ausging. Anlässlich des
zehnten Jahrestages der Währungsunion bekräftigte dies der Finanzminister der Regierung de Maiziere, Dr.
Romberg, in einem Presseinterview mit den Worten: "Der einstige Treuhandchef Rohwedder hatte mir noch im
"Was war die DDR wert?" Und wo ist dieser Wert geblieben? - Neue Rheinische Zeitung
August 1990 gesagt, er rechne damit, dass es noch in zehn Jahren Staatsbetriebe in großem Umfang gibt." Nicht
außer acht bleiben darf aber auch ein Brief von ihm vom 26.11.1990, in dem es hieß: "Es kann und darf nicht die
Erwartung geben, ehemals volkseigene Betriebe könnten in der Obhut der Treuhandanstalt und eines öffentlichen
Eigentümers bleiben."

In seinem letzten Brief vom März 1991 - dem sog. Osterbrief, der an alle Mitarbeiter versandt wurde -, hieß es dann,
es gehe um "schnelle Privatisierung, entschlossene Sanierung, behutsame Stilllegung". Dem war eine Erklärung des
Finanzstaatssekretärs Horst Köhler vorausgegangen, der auf einer Sitzung des Treuhandpräsidialausschusses am
21.01.1991 im Kölner Hotel Excelsior verlangt hatte, es "müsse in der ehemaligen DDR-Industrie auch mal
gestorben werden, Blut müsse fließen". Das nahm Dr. Rohwedder laut Protokoll zur Kenntnis; mehr nicht. [Quelle:
Michael Jürgs: Die Treuhändler, List-Verlag 1997, Seite 262, siehe unten] Am 1.4.1991 wurde Detlev Rohwedder in
seinem Haus in Düsseldorf erschossen. Sehr schnell wurde bekannt gemacht, dass sich die Rote-Armee-Fraktion
zu dem Anschlag bekenne. Der damalige Bundespräsident v. Weizsäcker zitierte in seiner Trauerrede folgenden
Satz zur Charakterisierung der Person des Ermordeten und seiner Einstellung zu seiner letzten großen Aufgabe:
"Die Treuhandanstalt ist verpflichtet, unternehmerisch zu handeln - aber nicht im Eigeninteresse. Ihre Aufgabe ist
Dienstleistung für das ganze Volk." Und dem Thüringer Landesbischof hatte Dr. Rohwedder auf eine Zuschrift
geantwortet, er wolle die "Menschen nicht die Treppe herunterstoßen, sondern vorsichtig herunterführen".

Foto: Hans-Dieter Hey

Der Mord an Rohwedder hatte zweifellos etwas mit der von der Treuhand verfolgten Politik zu tun. Die
Bundesanwaltschaft ging davon aus, dass der Mörder im Auftrag der Rote-Armee-Fraktion handelte. Es gab oder
gibt jedoch auch andere Versionen. In einer Anfang August 1998 ausgestrahlten Sendung des WDR wurde die
These aufgestellt, dass "Rohwedder von einem Profikiller der Stasi umgebracht wurde". Dazu wurde in einem Beitrag
der Berliner Zeitung schon einen Tag später folgendes geschrieben: "Der Journalist Gerhard Wisnewski, der mit zwei
Kollegen bereits vor zweieinhalb Jahren in dem Buch "Das RAF-Phantom" die Hintergründe des Rohwedder-Mordes
analysiert hatte und zu dem Schluß kam, dass die RAF als Täter ausscheide, sieht seine These in dem Film
bestätigt. Er sagte zu dem Beitrag des WDR: "Es ist bemerkenswert, dass die Autoren des WDR zu dem Schluss
kommen, dass ein Geheimdienst hinter dem Anschlag steckt." Allerdings glaube er, dass ein westlicher
Geheimdienst hinter dem Anschlag steckt..."
"Was war die DDR wert?" Und wo ist dieser Wert geblieben? - Neue Rheinische Zeitung
Foto: Hans-Dieter Hey

Zitat aus 'Die Treuhändler':

"Bei einem Treffen des Treuhand-Präsidialausschusses am 21. Januar 1991 im Kölner Hotel Excelsior Ernst verlangt
Köhler, es müsse in der ehemaligen DDR-Industrie »auch mal gestorben« werden, weil man ja nicht alle
durchschleppen könne. Blut müsse fließen, natürlich nur im übertragenen Sinne, nicht wahr. Detlev Rohwedder
nimmt laut Protokoll zur Kenntnis, weil er dies nicht für eine Erkenntnis hält, die zu kommentieren lohnt. Aber er will
auch jetzt nicht seine Politik der behutsamen Schritte ändern, nur weil die Politik keine Rücksichten mehr zu nehmen
hat."
Siegfried Wenzel:
Was war die DDR wert?
Verlag Das Neue Berlin,
3. Auflage,
14,90 Euro

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