BGH weitet Auskunftspflichten des Versicherers erheblich aus - Brisantes Datenschutz-Urteil

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BGH weitet Auskunftspflichten des Versicherers erheblich aus - Brisantes Datenschutz-Urteil
Brisantes Datenschutz-Urteil

          BGH weitet Auskunftspflichten
          des Versicherers erheblich aus

www.wilhelm-rae.de                       September 2021
BGH weitet Auskunftspflichten des Versicherers erheblich aus - Brisantes Datenschutz-Urteil
Von Dr. Ann-Kathrin Graewer

Brisantes Datenschutz-Urteil
BGH weitet Auskunftspflichten des Versicherers erheblich aus

Ein jüngstes Urteil des Bundesgerichtshofs lässt                Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO und
Versicherungsnehmer aufhorchen: Versicherer                     stärkt somit die Position auskunftssuchender Ver-
sind nach Art. 15 der Datenschutzgrundverord-                   sicherungsnehmer erheblich.
nung1 (DSGVO) verpflichtet, dem Versicherungs-
nehmer umfassende Auskünfte über sämtliche,                     1.1      Ausgangslage
auf seine Person bezogene Daten – sogar über in-
                                                                Der klagende Versicherungsnehmer schloss im
terne Vermerke oder dem Versicherungsnehmer
                                                                Jahr 1997 einen Vertrag über eine kapitalbildende
bekannte Vorgänge – zu erteilen.2
                                                                Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatz-
Dieser Beitrag beleuchtet die Entscheidung des                  versicherung. In der Folge widersprach der Versi-
BGH und erörtert deren Auswirkungen für Versi-                  cherungsnehmer dem rechtswirksamen Zustande-
cherungsnehmer in der Praxis. Ein besonderes Au-                kommen des Versicherungsvertrages und machte
genmerk liegt dabei auf der Bedeutung, die der                  nach Zurückweisung des Widerspruchs durch den
Entscheidung im Bereich der Versicherung von Ge-                Versicherer datenschutzrechtliche Auskunftsan-
werbe und Industrie zukommt.                                    sprüche geltend.

1.    BGH: Versicherer treffen umfassende Aus-                  Das Auskunftsbegehren des Versicherungsneh-
      kunftspflichten                                           mers richtete sich auf sämtliche, seitens des Versi-
                                                                cherers erhobene personenbezogene Daten. Un-
Der BGH bezieht mit seiner Entscheidung umfas-                  ter anderem verlangte er Auskunft über geführte
send Stellung zu Ausgestaltung und Umfang des

1    Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments             Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung),
     und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher          ABl. L 119 S. 1.
     Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Da-        2     BGH, Urteil vom 15.06.2021, VI ZR 576/19, BeckRS 2021,
     ten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der
                                                                      16831.

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Korrespondenz und interne Gesprächs- und Be-            respondenz zwischen Versicherer und Versiche-
      wertungsvermerke des Versicherers.                      rungsnehmer sowie über interne Vermerke des
                                                              Versicherers, soweit diese Informationen über die
      1.2   Entscheidung des BGH                              Person des Versicherungsnehmers enthalten, an-
                                                              zufordern.
      Versicherer sind nach Auffassung des BGH gehal-
      ten, dem Versicherungsnehmer sämtliche, auf             Kenntnis des Versicherungsnehmers schadet nicht
      seine Person bezogene Daten zur Verfügung zu
      stellen.                                                Dass der Versicherungsnehmer beispielsweise den
                                                              Inhalt der mit dem Versicherer geführten Korres-
      Weites Verständnis der „personenbezogenen Da-           pondenz kennt, ändert nach Auffassung des BGH
      ten“                                                    nichts an der Einordnung der jeweiligen Inhalte als
                                                              personenbezogene Daten. Der Anspruch nach Art.
     Den Begriff der „personenbezogenen Daten“ im
                                                              15 DSGVO sei gerade darauf gerichtet, Auskunft
     Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 DSGVO versteht der
                                                              über die aktuelle Verarbeitung und Speicherung
     BGH weit. Personenbezogene Daten umfassen
                                                              personenbezogener Daten zu erhalten.
     demnach sämtliche Informationen, die sich auf
     eine identifizierte oder jedenfalls identifizierbare     Ferner stehe Art. 15 DSGVO einem wiederholten
                                    Person beziehen.          Auskunftsverlangen des Versicherungsnehmers
Der BGH legt den Be- Der Auskunftsan-                         nicht entgegen.
griff der personenbe- spruch nach Art. 15
                                    DSGVO beschränke          2.   Bedeutung des Urteils für die Praxis
zogenen Daten weit                  sich daher nicht auf
aus.                                sensible oder be-         Die Entscheidung des BGH räumt Versicherungs-
                                    sonders persönliche       nehmern ein weites Auskunftsrecht gegenüber
     Daten, sondern umfasse sämtliche Informationen,          Versicherern ein. In Deckungsstreitigkeiten kön-
     die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer      nen mithilfe des Auskunftsrechts wertvolle Infor-
     Auswirkungen mit einer bestimmten Person ver-            mationen gewonnen werden.
     knüpft seien.
                                                              Das Urteil hat für die Industrieversicherung dort
      Auskunft auch zu Korrespondenz und internen Da-         Bedeutung, wo personenbezogene Daten natürli-
      ten                                                     cher Personen (mit-)verarbeitet werden.

      Versicherungsnehmer sind in der Folge unter an-
      derem berechtigt, Auskunft über sämtliche Kor-

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2.1      Auskunftspflicht der Versicherer erstreckt          Auch die Korrespondenz des Versicherers mit Drit-
         sich weit                                           ten kann auf die Person des Versicherungsneh-
                                                             mers bezogene Daten enthalten.
Der Versicherer ist nach Art. 15 DSGVO immer
dann zur Auskunft verpflichtet, wenn die Daten,              2.2      Ergänzende Pflicht der Versicherer zur Be-
die er verarbeitet, einen Bezug zur Person des Ver-                   reitstellung von Kopien
sicherungsnehmers aufweisen.
                                                             Nicht Gegenstand der Entscheidung des BGH war
Ein solcher Bezug besteht schon bei im Kontext               der (ergänzende) Anspruch der Betroffenen auf
verwendeten persönlichen Informationen, wie                  Überlassung einer kostenlosen Kopie der perso-
Identifikationsmerkmalen (z. B. Name, Anschrift              nenbezogenen Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 S. 1
und Geburtsdatum), äußeren Merkmalen (z. B.                  DSGVO. Danach sind Versicherer – neben der Er-
Geschlecht, Größe und Gewicht) und inneren Zu-               teilung von Auskünften – gehalten, dem Versiche-
ständen (z. B. Meinungen, Motive und Überzeu-                rungsnehmer Ko-
gungen), sowie bei sachlichen Informationen wie              pien sämtlicher ge-      Auch die Korrespon-
Vermögens- und Eigentumsverhältnissen und                    speicherter und/o-         denz des Versiche-
Kommunikations- und Vertragsbeziehungen.                     der verarbeiteter       rers mit Dritten kann
                                                             personenbezogener
Einer besonderen Qualität der Daten bedarf es                                           personenbezogene
                                                             Daten zu übermit-
nicht. Die Auskunftspflicht des Versicherers er-             teln.                         Daten enthalten.
streckt sich daher auf vergangene Korrespondenz
zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer,                Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO ermöglicht es Versiche-
Informationen zum „Prämienkonto“, Daten des                  rungsnehmern damit nicht nur zu überprüfen, ob
Versicherungsscheins sowie auf interne Doku-                 die erteilten Auskünfte der Versicherer richtig
mente, wie Gesprächsvermerke, Akten- und Tele-               sind, sondern erzeugt gleichzeitig weitreichende
fonnotizen des Versicherers, soweit diese Infor-             Beweismittel für diesen.4
mationen über den Versicherungsnehmer enthal-
ten.3                                                        2.3      Vergleichbare Auskunftspflichten von In-
                                                                      dustrieversicherern?

                                                             Für die Praxis stellt sich die Frage, ob juristischen
                                                             Personen als Versicherungsnehmern in Gewerbe

3     So auch OLG Köln, Urteil vom 26.7.2019, 20 U 75/18,    4     Waldkirch, r+s 2021, 317, 318.
      BeckRS 2019, 16261; Waldkirch, r+s 2021, 317.

                                                 www.wilhelm-rae.de                                           4
und Industrie ein Auskunftsanspruch nach Art. 15       Beispiel:
DSGVO zusteht.
                                                       Der Inhouse Broker Herr M. ist bei einem firmen-
2.3.1   Ausschließlich natürliche Personen von         verbundenen Vermittler eines Konzerns beschäf-
        DSGVO geschützt                                tigt. Er ist verantwortlich für den Haftpflichtversi-
                                                       cherungsschutz der Unternehmensgruppe. Im
Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO steht als        Rahmen einer Umdeckung der konzernweiten Pro-
zentraler Bestandteil der Betroffenenrechte nach       dukthaftpflichtpolicen nimmt Herr M. an Bespre-
dem Wortlaut von Art. 4 Nr. 1 DSGVO nur natürli-       chungen mit externen Maklern und Vertretern des
chen Personen zu.                                      führenden Versicherers teil. Herr M. erläutert in
                                                       den Gesprächen den Umfang des zu versichernden
Erwägungsgrund 14 Satz 2 der DSGVO schließt die
                                                       Risikos, etwa Details zu den von der Police gedeck-
Anwendung der DSGVO auf juristische Personen
                                                       ten Produkten und deren Herstellung. Die Under-
sogar ausdrücklich aus:
                                                       writer des Versicherers wiederum sichern münd-
„Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung      lich verschiedene Deckungsbestandteile zu.
personenbezogener Daten juristischer Personen
                                                       Später kommt es zu einem Versicherungsfall unter
und insbesondere als juristische Person gegründe-
                                                       der neuen Produkthaftpflichtpolice. Der Versiche-
ter Unternehmen, […].“
                                                       rer lehnt eine Deckung ab. Der Versicherungsneh-
2.3.2   Mittelbarer Schutz auch juristischer Per-      mer habe vorvertraglich nicht umfassend über den
        sonen                                          Umfang des zu versichernden Risikos, insbeson-
                                                       dere die Herstellung und Erprobung einzelner Pro-
Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO findet in        dukte, informiert. Eine andere Form der Erprobung
der Industrieversicherung gleichwohl dann An-          wäre erforderlich gewesen.
wendung, wenn die von den Versicherern verar-
beiteten Daten einen Bezug zu natürlichen Perso-       Herr M. fordert vom Versicherer alle über ihn ge-
nen, die hinter den juristischen Personen als Ver-     speicherten personenbezogenen Daten an, insbe-
sicherungsnehmern stehen, aufweisen.                   sondere Kopien der Protokolle der Besprechungen,
                                                       der internen Vermerke des Versicherers und der
Versicherer sind daher beispielsweise auch zur         Korrespondenz zwischen Versicherer und Makler
Auskunft nach Art. 15 DSGVO verpflichtet, wenn         im Zeitraum der Umdeckung. Da diese Dokumente
die Daten einen Bezug etwa zu Angestellten, Ge-        an diversen Stellen den Namen von Herrn M. – also
schäftsführern oder Vorstandsmitgliedern einer         personenbezogene Daten – enthalten, muss der
GmbH oder AG als Versicherungsnehmerin auf-            Versicherer die Kopien bereitstellen. Aus den Pro-
weisen.                                                tokollen und der Korrespondenz wird deutlich,

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dass der Versicherer alle Details zum übernommen       2.4   Auskunftspflichten der Versicherungsmak-
      Risiko kannte und keine Einwände gegen die Her-              ler?
      stellung und Erprobung der Produkte hatte bzw.
      eine Deckung ausdrücklich zusagte. Die Deckungs-       Auch Versicherungsmaklern obliegen gegenüber
      ablehnung hat folglich keinen Bestand.                 den Versicherungsnehmern Auskunftspflichten
                                                             nach Art. 15 DSGVO. Versicherungsmakler stehen
     Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie sich der     ebenso wie Versicherer als Verantwortliche im
     rein individuelle Auskunftsanspruch aus der             Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO in der Pflicht, die
     DSGVO zugleich fundamental auf das Versiche-            Grundsätze für die Verarbeitung personenbezoge-
     rungsverhältnis zwischen Industrieversicherer und       ner Daten zu beachten.
     Versicherungsnehmer auswirken kann. Das versi-
                                   cherungsnehmende          Der Auskunftsanspruch der Versicherungsnehmer
Für den Versiche-                 Unternehmen als ju-        umfasst daher beispielsweise Vermerke des Versi-
                                                             cherungsmaklers über Korrespondenz mit Versi-
rungsnehmer können ristische                     Person
                                                             cherern. Die Tatsache, dass der Versicherungs-
sich Chancen aus den kann zwar keine                         makler ein Gespräch mit einem Versicherer führte
                                  Rechte aus der
Auskunftsrechten                  DSGVO für sich in          und Angaben gegenüber dem Versicherer tätigte,
seiner Mitarbeiter er- Anspruch nehmen,                      weist genauso wie Ort, Datum und Dauer des Ge-
geben.                            die für das Unter-         sprächs einen persönlichen Bezug zum Versiche-
                                  nehmen handelnden          rungsnehmer auf und ist daher vom Schutzbereich
     natürlichen Personen – im Beispiel der Inhouse          der DSGVO erfasst.
     Broker Herr M. – aber sehr wohl.
                                                             2.5   Drohende Sanktionen für Versicherer
      Indem die von der Datenverarbeitung betroffene
                                                             Lehnt der Versicherer die entsprechende Aus-
      Person ihren persönlichen datenschutzrechtlichen
                                                             kunftserteilung ab, geht er unter anderem erheb-
      Auskunftsanspruch gegenüber dem Versicherer
                                                             liche Bußgeld- und Schadensersatzrisiken ein (vgl.
      durchsetzt, kann das Unternehmen als Versiche-
                                                             Art. 82 f. DSGVO). Schwerwiegende Verstöße des
      rungsnehmer wertvolle Informationen zu seinem
                                                             Versicherers gegen die Pflichten des Art. 15
      Versicherungsverhältnis erlangen. So wird aus ei-
                                                             DSGVO können beispielsweise mit einem Bußgeld
      nem Recht, das ausschließlich natürlichen Perso-
                                                             von bis zu EUR 20 Millionen oder vier Prozent des
      nen zusteht, letztlich ein Instrument zur Lösung
                                                             weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorange-
      von Auseinandersetzungen in der Industrieversi-
                                                             gangenen Geschäftsjahres geahndet werden (vgl.
      cherung.
                                                             Art. 83 DSGVO).

                                                 www.wilhelm-rae.de                                         6
Bei der konkreten Bemessung der Höhe des Buß-                    Dem Versicherungsnehmer ist jedoch nicht in je-
geldes ist neben Art, Schwere und Dauer des Ver-                 der Fallgestaltung die Auskunft über rechtliche Be-
stoßes unter anderem auch zu berücksichtigen,                    wertungen des Versicherers von vornherein ver-
welche Daten verarbeitet und ob und welche Vor-                  sagt. Der BGH traf lediglich die Feststellung, dass
teile seitens des Versicherers durch die Datenver-               die Beurteilung der Rechtslage für sich genommen
arbeitung erlangt wurden.                                        keine ausreichende Verknüpfung zur Person des
                                                                 Versicherungsnehmers aufweist. Die Sache liegt
3.     Grenzen der Auskunftspflichten des Versi-                 aber bereits dann anders, wenn in den rechtlichen
       cherers                                                   Analysen selbst per-

Von praktischer Relevanz sind mögliche Grenzen
                                                                 sonenbezogene Da-           Rechtliche Analysen
                                                                 ten enthalten sind.5        könnten offen zu le-
der Auskunftspflichten des Versicherers.
                                                                 Versicherer sind folg-        gen sein, wenn sie
3.1      Rechtliche Analysen und interne Bewertun-
                                                                 lich im Rahmen von           personenbezogene
         gen des Versicherers?
                                                                 Art. 15 DSGVO auch              Daten enthalten.
Der BGH begrenzt die Auskunftspflichten der Ver-                 verpflichtet,    Aus-
sicherer nach Art. 15 DSGVO dort, wo diese auf                   kunft über interne rechtliche Einschätzungen zu
Grundlage von personenbezogenen Daten des                        einem konkreten Leistungs- oder Schadenfall zu
Versicherungsnehmers eine rechtliche Bewertung                   erteilen, soweit diese einen Bezug zur Person des
vornehmen. Soweit der Versicherungsnehmer                        Versicherungsnehmers herstellen.
Auskunft über interne Vermerke des Versicherers
                                                                 3.2   Geschäftsgeheimnisse und Geheimhal-
verlange, sei zu beachten, dass die Beurteilung der
                                                                       tungsinteressen des Versicherers?
Rechtslage seitens des Versicherers keinen Perso-
nenbezug aufweise.                                               Um keine umfassende Auskunft erteilen zu müs-
                                                                 sen, berufen sich Versicherer auf Geschäftsge-
                                                                 heimnisse und schutzwürdige Geheimhaltungsin-
                                                                 teressen (vgl. § 29 Abs. 1 S. 2 Bundesdatenschutz-
                                                                 gesetz („BDSG“) i. V. m. Art. 23 DSGVO).

                                                                 Personenbezogene Angaben, die der Versiche-
                                                                 rungsnehmer gegenüber dem Versicherer selbst

5     So auch Erdmann, in: jurisPR-VersR 8/2021 Anm. 1.

                                                     www.wilhelm-rae.de                                         7
tätigte, unterliegen jedoch schon keinem anerken-                  des Versicherungsnehmers zu begrenzen (vgl. Art.
nungswürdigen Geheimhaltungsbedürfnis des                          12 Abs. 5 DSGVO).
Versicherers.6
                                                                   4.     Fazit
Darüber hinaus kann das Geheimhaltungsinte-
resse des Versicherers das Informationsinteresse                   Mit seiner Entscheidung weitet der BGH die daten-
des Versicherungsnehmers nur in Ausnahmefällen                     schutzrechtlichen Auskunftspflichten von Versi-
überwiegen und nicht schon dann, wenn die Da-                      cherern gegenüber Versicherungsnehmern erheb-
ten internen Zwecken dienen oder gegebenenfalls                    lich aus.
in einem gerichtlichen Verfahren relevant werden
                                                                   Für Versicherungsnehmer stellt der Auskunftsan-
können. Wendet der Versicherer Geheimhal-
                                                                   spruch, der durch den Anspruch auf Erteilung ei-
tungsinteressen ein, ist er unter anderem gehal-
                                                                   ner kostenlosen Kopie ergänzt wird, eine neue
ten, detailliert darzulegen, auf welche konkreten
                                                                   Möglichkeit der Gewinnung von Informationen
Daten sich sein Geheimhaltungsinteresse über-
                                                                   und Beweismitteln dar. Das Urteil hat für die In-
haupt bezieht.7
                                                                   dustrieversicherung dort Bedeutung, wo perso-
3.3       Unverhältnismäßiger Aufwand für Versi-                   nenbezogene Daten natürlicher Personen, wie
          cherer?                                                  etwa Namen der Mitarbeiter der versicherungs-
                                                                   nehmenden Gesellschaft, (mit-)verarbeitet wer-
Versicherer können sich ferner nicht mit Erfolg da-                den.
rauf berufen, dass eine umfassende Auskunftser-
teilung aufgrund des damit verbundenen Auf-                        Einige praktische Fragen bleiben jedoch ungeklärt.
wands schlichtweg unzumutbar sei. Es fällt viel-                   Die Diskussion um die Reichweite der Auskunfts-
mehr in den Aufgabenbereich der Versicherer als                    pflichten nach Art. 15 DSGVO wird sich zukünftig
Verantwortliche, die technischen Voraussetzun-                     verstärkt auf den Schauplatz möglicher Begren-
gen für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs –                     zungen von Auskunftsersuchen verlagern. Gleich-
auch bei der Verarbeitung großer Datenmengen –                     wohl dürfte es für Versicherer zukünftig deutlich
zu schaffen.8                                                      anspruchsvoller werden, sich gegen „strategische“
                                                                   Auskunftsansprüche der Versicherungsnehmer er-
Die Auskunftsverpflichtung der Versicherer ist da-                 folgreich zur Wehr zu setzen.
her allenfalls bei exzessiven Auskunftsverlangen

6     OLG Köln, Urteil vom 26.7.2019, 20 U 75/18, r+s 2021, 97,    8    OLG Köln, Urteil vom 26.7.2019, 20 U 75/18, r+s 2021, 97,
      98.                                                               98; Korch/Chatard, NZG 2020, 893, 896.
7     Waldkirch, r+s 2021, 317, 318 f.

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Neben Versicherern werden sich zukünftig auch          Für Rückfragen steht Ihnen die Autorin gern zur
Versicherungsmakler – sowohl technisch wie auch        Verfügung:
organisatorisch – auf weit gefasste Auskunftsver-
langen der Versicherungsnehmer einstellen müs-                       Dr. Ann-Kathrin Graewer
sen.                                                                 Rechtsanwältin

                                                                     WILHELM Partnerschaft von
                                                                     Rechtsanwälten mbB
Diesen Beitrag veröffentlichte die Zeitschrift Die
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Versicherungspraxis in ihrer Ausgabe 09/2021.
                                                                     ann-kathrin.graewer@wilhelm-
                                                                     rae.de

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„Kluge Köpfe, die sehr engagiert und strategisch vorgehen“
       JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2016/17

       Das Team spezialisiert sich auf die Vertretung von Versicherungsnehmern in Groß-
       schadensfällen und gilt in diesem Bereich als „absolute Spitzenklasse“.
       The Legal 500 Deutschland 2019

       „The firm is always excellent, precise and very flexible,” enthuses a client. Another
       client highlights the team's „extraordinary skills in solving complex cases”.
       Chambers Europe Guide 2019

       Über uns:

       Die Sozietät Wilhelm ist spezialisiert auf die Beratung von Unternehmen und deren Entschei-
       dungsträgern in kritischen Situationen – vom Großschaden über die persönliche Inanspruchnah-
       me bis hin zum Compliance-Verstoß im Unternehmen. Rund zwanzig Rechtsanwälte und Berater
       an zwei Standorten (Düsseldorf und Berlin) vereinen hierfür Expertise aus den Bereichen Versi-
       cherung, Haftung, Compliance und Gesellschaftsrecht. Weltweit kooperiert die Sozietät mit Kanz-
       leien unter anderem in den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Belgien, Schweden und
       Polen.

       WILHELM Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB

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