FORUM ALTE MUSIK KÖLN - WDR
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SONNTAG 3. OKTOBER 2021 ST. URSULA FORUM ALTE MUSIK KÖLN SONNTAGSKONZERTE 17H m+k e.V. LUDUS INSTRUMENTALIS EVGENY SVIRIDOV violine ANNA DMITRIEVA violine DAVIT MELKONYAN violoncello STANISLAV GRES cembalo LIZA SOLOVEY theorbe „MUSICO DI VIOLINO DILETTANTE VENETO“ TOMMASO ALBINONI ZUM 350. GEBURTSTAG
DILETTANT ALTER SCHULE Er zählte unter den vielen hervorragenden Musikern und Musikerinnen, die an der Wende vom 17. zum 18. Jahr- hundert das kulturelle Leben der stolzen Republik und Handelsmetropole Venedig prägten, zu den besten und erfolgreichsten. Und doch hat die Nachwelt ihn nicht in gleicher Weise im Gedächtnis behalten wie seinen sieben Jahre jüngeren Kollegen Antonio Vi- valdi. Die Rede ist von Tommaso Albinoni, der vor 350 Jahren in der Lagunenstadt das Licht der Welt erblickte. Keineswegs war ihm eine Karriere als Musiker in die Wiege gelegt worden, denn er war der älteste Sohn und damit Erbe eines Spielkarten- herstellers. Tommaso engagierte sich zunächst im Ge- schäft seines Vaters, überließ das später aber seinen bei- den Brüdern und fungierte nur noch als stiller Teilhaber. Denn seine Leidenschaft galt der Musik. Schon als 23-Jähriger hatte er seinen Ruhm – noch als musico dilettante, aber mit uneingeschränkt professionellem Anspruch – mit dem Erfolg seiner ersten Oper Zenobia begründet, die in Venedigs Teatro SS. Giovanni e Paolo ihre Uraufführung erlebte. Im selben Jahr 1694 trat der musico di violino, wie sich Albinoni später be- zeichnete, auch mit einem instrumentalen Opus 1 an die Öffentlichkeit – dem Usus der Zeit entsprechend war das ein Druck mit Triosonaten für zwei Violinen und Basso continuo. Zeigt er sich hier in den sinnlichen kontrapunktischen Dialogen der Ober- stimmen als ideeller Schüler des römischen Violinmeisters Arcangelo Corelli, bleibt doch im Dunklen, wer sein eigentlicher Lehrer war – möglicherweise Giovanni Legrenzi, der seit den 1680er-Jahren zunächst als Vize- und dann als Kapellmeister am Markus- dom wirkte. Bei den italienischen Zeitgenossen sorgte Albinoni auch in den kommenden Jahrzehnten vor allem als Opernkomponist für Aufsehen, und das nicht nur in Venedig, sondern auch in Florenz und Genua, Brescia und Rom, Palermo und Neapel; bald spielte man seine Opern sogar in London und Prag. Am Münchner Hof war er 1722 anlässlich der Vermählung des bayerischen Kurprinzen mit I veri amici und Il trionfo d’amore zu Gast; vielleicht hatte er seine Gattin, die Sängerin Margherita Raimondi, aber schon zwei Jahre zuvor begleitet, als sie dort in einer Oper von Pietro Torri auftrat. Inzwischen waren die Einkommensquellen Albinonis aus dem Spielkartengeschäft allerdings versiegt – das verschuldete Unternehmen war verkauft worden. Aus dem dilettante wurde notgedrungen ein Musiker im Hauptberuf. Dass der sich schließlich noch mit 72 Jahren um die Stelle des maestro di coro am Ospedaletto bewarb, einer von mehreren karitativen Bildungseinrichtungen Venedigs für musikalisch talentierte Waisenmädchen, deutet auf finanzielle Not im Alter hin. Antonio Vivaldi und auch Nicola Porpora bekleideten zeitweise entsprechende Musikämter an Venedigs Waisen- häusern; Albinonis Bewerbung blieb hingegen erfolglos.
Sieht man vom Münchner Operngastspiel ab, verdankte sich die Prominenz von Albinoni nördlich der Alpen in erster Linie seiner Instrumentalmusik. Nach dem Trio- sonaten-Debüt setzte der Komponist mit seinen Sinfonie e concerti a cinque op. 2 von 1700 neue Maßstäbe, indem er hier teilweise schon die Aufgliederung des En- semblesatzes in Tutti-Ritornelle und Solo-Episoden vorstellte, wie sie dann Vivaldi als Standardform des barocken Violinkonzertes etablierte. Doch auch in den weiteren kammermusikalischen Werken stellte Albinoni immer wieder seine formale Kreati- vität und melodische Erfindungsgabe unter Beweis. Das heutige Konzert widmet sich diesem Repertoire in einer Auswahl von Werken für ein oder zwei Soloinstrumente und Basso continuo. Albinonis klarer, kontrapunktisch gediegener Stil, der eher der römischen Corelli-Schule verpflichtet scheint, hebt ihn deutlich von der gesanglich- virtuosen venezianischen Solistenkunst Vivaldis ab, der hier mit einer frühen Sonate für Violoncello zu hören ist. Zwischen beiden Meistern vermittelt stilistisch der zeit- weise in Venedig tätige Neapolitaner Porpora. Die ersten venezianischen Sonatenbände Albinonis wurden kurz nach Erscheinen schon in Amsterdam und London nachgedruckt, später ergriffen die dortigen Verleger sogar als Erste die Initiative – und publizierten dabei auch schon einmal Werke, die in Wirklichkeit gar nicht von Albinoni stammten; der Name verkaufte sich gut! In Sach- sen dagegen kursierten Albinoni-Stücke sogar in Widmungsfassungen des Kompo- nisten. Dafür sorgte Johann Georg Pisendel, der Konzertmeister der kursächsischen Hofkapelle in Dresden. 1716/17 hatte er sich auf Kosten des Hofes zur musikalischen Weiterbildung in Venedig aufgehalten und dabei nicht nur vom Unterricht Vivaldis, sondern auch von der Begegnung mit Albinoni profitiert, der ihm eine B-Dur-Solo- sonate zueignete. Über Pisendel mag auch dessen Freund und Kollege Johann Sebastian Bach die Musik Albinonis kennen und schätzen gelernt haben, dem als Weimarer Hoforganist und Kammermusicus um 1714 überdies die Amsterdamer Notenerwerbungen seines Fürstenhauses zur Verfügung standen. Bachs Bearbeitung des zweiten Satzes von Albinonis Triosonate op. 1,8 als Fuge für Tasteninstrument stammt sogar schon aus den frühen Bildungsjahren vor Antritt der ersten Organistenstelle im thüringischen Arnstadt. Eine solche produktive Auseinandersetzung mit musikalischen Vorbildern war damals wesentlicher Bestandteil im Ausbildungsprogramm eines angehenden Komponisten. So hat es dann auch Bach später als Thomaskantor in Leipzig im Unterricht für sei- nen Schüler Heinrich Nikolaus Gerber gehalten. Ihm übertrug er die Aufgabe, zu Al- binonis Violinsonate op. 6,6 die üblicherweise ad hoc ausgeführte harmonische Füll- stimme der rechten Cembalohand schriftlich auszuarbeiten. Im heutigen Konzert ist Tommaso Albinonis Sonate in der von Bach korrigierten Gerber-Harmonisierung zu hören. behe
PROGRAMM Tommaso Albinoni (1671–1751) Balletto d-Moll op. 3,5 (Venedig 1701) für 2 Violinen und Basso continuo Allemanda. Largo appoggiato – Corrente. Allegro – Giga. Allegro Sonata B-Dur (Venedig 1717?) für Violine und Basso continuo Johann Georg Pisendel gewidmet Adagio – Allegro – Adagio – Allegro Antonio Vivaldi (1678–1741) Sonata a-Moll op. 14,3 (Paris 1740) für Violoncello und Basso continuo RV 43 Largo – Allegro – Largo – Allegro Nicola Porpora (1686–1768) Concerto C-Dur op. 2,2 (London 1736) für 2 Violinen und Basso continuo Adagio – Allegro – Affettuoso – Allegro Tommaso Albinoni Sonata a-Moll op. 6,6 (Amsterdam, um 1712) für Violine und Basso continuo Continuo-Aussetzung von Heinrich Nikolaus Gerber / Johann Sebastian Bach Adagio – Allegro – Adagio – Allegro Sonata h-Moll op. 1,8 (Venedig 1694) für 2 Violinen und Basso continuo Grave – Allegro – Grave – Allegro Johann Sebastian Bach (1685–1750) Fuge h-Moll für Cembalo BWV 951 auf ein Thema aus Albinonis Sonata op. 1,8 Tommaso Albinoni Sonata C-Dur op. 1,5 (Venedig 1694) für 2 Violinen und Basso continuo Grave – Allegro – Grave – Presto Die Aufzeichnung des Konzertes sendet WDR 3 am Dienstag, dem 1. Februar 2022, ab 20:04 Uhr.
DIE MITWIRKENDEN Das Ensemble Ludus Instrumentalis wurde 2014 in Sankt Petersburg gegründete und ist inzwischen in Köln ansässig. Das Geiger-Ehepaar Evgeny Sviridov und Anna Dmi- trieva hat um sich hervorragende Musikerinnen und Musiker einer neuen Generation versammelt, darunter den Cellisten Davit Melkonyan, den Cembalisten Stanislav Gres, die Bratschistin Corina Golomoz und die Lautenistin Liza Solovey. Sie widmen sich der historischen Aufführungspraxis, um mit dem Klang der alten Instrumente neue klangliche Horizonte zu erreichen. Ein bedeutendes Ereignis für Ludus Instrumenta- lis war 2015 der erste Preis beim Berliner Bach-Wettbewerb. Bereits ein Jahr später gewann das Ensemble auch den Förderpreis Alte Musik Saarland und den ersten Preis beim Gebrüder-Graun-Wettbewerb in Bad Liebenwerda. In den nächsten Jahren folg- ten Einladungen zu den bedeutendsten Festivals in Europa, darunter das Bachfest Leip- zig, die Festspiele Potsdam-Sanssouci, das Festival Oude Muziek Utrecht, die Köthener Bachfesttage, der Mainzer Musiksommer und das Festival de Musique du Haut-Jura in Frankreich. 2018 wurde Ludus Instrumentalis als Ensemble in Residence in das Schloss Friedrichs des Großen in Rheinsberg eingeladen. 2021 folgte u.a. das Debüt beim Festival Musica Antiqua in Brügge. Als erste CD-Einspielung erschien im Au- gust als Koproduktion mit dem WDR eine Aufnahme mit den Trio-Sonaten des Bach- Schülers Johann Gottlieb Goldberg.
KONZERTVORSCHAU SAISON 2021/22 21.11.21 | 17 UHR invocare TRINITATISKIRCHE „o fortuna!“ 19.12.21 | 17 UHR la capella ducale TRINITATISKIRCHE musica fiata leitung: roland wilson „vom himmel hoch“ 06.02.22 | 17 UHR l’arte del mondo WDR-FUNKHAUS leitung: werner ehrhardt a n n a c h r i s t i n s a y n sopran | s u z a n n e j e r o s m e sopran b e n j a m i n b r u n s tenor | c a m i l o d e l g a r d o d í a z tenor „ l i n d o r u n d i s m e n e“ 06.03.22 | 17 UHR tasto solo TRINITATISKIRCHE leitung: guillermo pérez organetto „ s a l v e p s a l l e n t e s“ 03.04.22 | 17 UHR anna herbst sopran MUSEUM FÜR ulrich wedemeier romantische gitarre ANGEWANDTE KUNST „with charme and brilliancy“ 29.05.22 | 17 UHR alexandra von der weth sopran WDR-FUNKHAUS das neue orchester leitung: christoph spering „mahlers vierte“ Veranstalter WDR 3 gemeinsam mit musik + konzept e.V. Förderer Kulturamt der Stadt Köln, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, F. Victor Rolff-Stiftung, Kunststiftung NRW Programm Maria Spering / musik + konzept e.V., Dr. Richard Lorber / WDR 3 Programmhefte Bernd Heyder; Copyright bei den Autoren Gestaltung Johannes Ritter Druck Druckhaus Süd Nachweis der Abbildungen Sasha Laguna (Ensemblefoto), Privat (Tommaso Albinoni, anonymes Porträt) Vorverkauf, Abonnement und Information musik+konzept e.V., Fon 0221.552558, mspering@hotmail.com www.forum-alte-musik-koeln.de
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