Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG

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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
Hermann Hesse
                                            Kalender 2022
                                             Mit dreizehn Aquarellen des Dichters
                                               sowie Gedichten über Blumen
                                                         Suhrkamp

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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
JANUAR 2022
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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
Blumen
                                            Euch, schöne Schwestern, liebe ich mit Neid,
                                            Denn euer Leben scheint so sanft und selig,
                                            Ihr seid der Erde Schimmer und Geschmeid,
                                            Schmückt sie mit Farben kostbar und unzählig.

                                            Das Sonnenlicht strahlt wärmer und beseelt,
                                            Darf es in euren Farbenkelchen glühen;
                                            Ach, alles was uns Menschentieren fehlt,
                                            Sehn wir in euch rein und vollendet blühen.

                                            Aus schönen Kinderaugen strahlet ihr
                                            Der Erdenmutter liebevolle Treue;
                                            Wir lieben euch, und dennoch brechen wir
                                            Und töten euch – und fühlen keine Reue.
                                                                                  (1927)

                                            Ich kenn eine Frühlingsblume
                                                  Ich kenn eine Frühlingsblume
                                                  Die blühet im weißen Schnee
                                                  Und wiegt sich im kalten Winde
                                                  Am tiefen, blauen See.

                                                  Sie hatt ein Lenzesahnen,
                                                  Im Traum sah den Frühling sie.
                                                  Du prächtige, einsame Blume
                                                  Weh dir, du blühest zu früh.
                                                                            (1896)

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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
FEBRUAR 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
Die ersten Blumen
                                            Neben dem Bach
                                            Den roten Weiden nach
                                            Haben in diesen Tagen
                                            Gelbe Blumen viel
                                            Ihre Goldaugen aufgeschlagen.
                                            Und mir, der längst aus der Unschuld fiel,
                                            Rührt sich Erinnerung im Grunde
                                            An meines Lebens goldene Morgenstunde
                                            Und sieht mich hell aus Blumenaugen an.
                                            Ich wollte Blumen brechen gehn;
                                            Nun laß ich sie alle stehn
                                            Und gehe heim, ein alter Mann.
                                                                               (1912)

                                               Der Duft des Hyazinth
                                              ist zu schwer, dem Wind zu folgen,
                                              steigt in honigsüßen Wolken
                                              süß und schläfernd dem Betäubten
                                              wie ein weicher Traum zu Häupten.
                                                                             (1901)

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MÄRZ 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

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Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
März
                                            An dem grün beflognen Hang
                                            Ist schon Veilchenblau erklungen,
                                            Nur den schwarzen Wald entlang
                                            Liegt noch Schnee in zackigen Zungen.
                                            Tropfen aber schmilzt um Topfen hin,
                                            Aufgesogen von der durstigen Erde,
                                            Und am blassen Himmel oben ziehn
                                            Lämmerwolken in beglänzter Herde.
                                            Finkenruf verliebt schmilzt im Gesträuch:
                                            Menschen, singt auch ihr und liebet euch!
                                                                                (1921)

                                              Der Duft der Narzissen
                                              ist herb im Grund und dennoch zart,
                                              wenn er mit Erdgeruch gepaart,
                                              vom lauen Mittagswind gefaßt,
                                              durchs Fenster kommt als stiller Gast.

                                              Ich habe drüber nachgedacht –
                                              das ists, was ihn so köstlich macht:
                                              daß er der Erstling jedes Jahr
                                              im Garten meiner Mutter war.
                                                                              (1901)

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APRIL 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

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Veilchen hab ich dir gepflückt
                                                 Veilchen hab ich dir gepflückt,
                                                 Standen unterm Hage,
                                                 Haben schelmisch aufgeblickt,
                                                 Eine stumme Frage.

                                                 Veilchen mir im Auge las,
                                                 Nickte still und innig
                                                 Drauf mit morgenfeuchtem Gras
                                                 Band’s zum Strauß ich sinnig.

                                                 Duftig grüßen dich von mir
                                                 Diese Frühlingskinder,
                                                 Sollen aus dem Herzen dir
                                                 Scheuchen rasch den Winter.
                                                                           (1896)

                                                Der Duft des Veilchens
                                               schwingt sich zart und lustbeklommen
                                               über licht begrünte Hecken,
                                               lockt dich, läßt dich näher kommen,
                                               spielt ein schelmisches Verstecken,
                                               löst in deiner Seele leise
                                               eine langeher vergessene,
                                               süße, dennoch unermessene
                                               heimatliche Liebesweise.
                                                                                 (1901)

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MAI 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

                                   							1                                                                     2        3          4          5         6          7         8
                                    9 10 11 12 13 14 15                                                        16       17         18         19        20         21        22
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Der Blütenzweig
                                             Immer hin und wider
                                             Strebt der Blütenzweig im Winde,
                                             Immer auf und nieder
                                             Strebt mein Herz gleich einem Kinde
                                             Zwischen hellen, dunklen Tagen,
                                             Zwischen Wollen und Entsagen.

                                             Bis die Blüten sind verweht
                                             Und der Zweig in Früchten steht,
                                             Bis das Herz, der Kindheit satt,
                                             Seine Ruhe hat
                                             Und bekennt: voll Lust und nicht vergebens
                                             War das unruhvolle Spiel des Lebens.
                                                                                  (1913)

                                                           Mohn
                                               Dich hab ich lieb, du keckes Rot,
                                               So sonnendurstig, wild und lebend,
                                               Im Sommerduft zwischen Tag und Tod
                                               So blühend und fröhlich schwebend.

                                               Und doch zugleich so still verträumt,
                                               Als hegtest du ein Trauern,
                                               Daß deine Lust, so wild sie schäumt,
                                               Nur einen Sommer soll dauern.
                                                                                 (1927)

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JUNI 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

                                   										                                                                                       1          2         3          4         5
                                    6  7  8  9 10 11 12 13 14                                                                      15         16        17         18        19
                                   20 21 22 23 24 25 26 27 28                                                                      29         30

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Gute Stunde
                                                     Erdbeeren glühn im Garten,
                                                     Ihr Duft ist süß und voll,
                                                     Mir ist, ich müsse warten,
                                                     Daß durch den grünen Garten
                                                     Bald meine Mutter kommen soll.
                                                     Mir ist, ich bin ein Knabe
                                                     Und alles war geträumt,
                                                     Was ich vertan, versäumt,
                                                     Verspielt, verloren habe.
                                                     Noch liegt im Gartenfrieden
                                                     Die reiche Welt vor mir,
                                                     Ist alles mir beschieden,
                                                     Gehöret alles mir.
                                                     Benommen bleib ich stehen
                                                     Und wage keinen Schritt,
                                                     Daß nicht die Düfte verwehen
                                                     Und meine gute Stunde mit.
                                                                                (1912)

                                                      Enzianblüte
                                             Du stehst von Sommerfreude trunken
                                             Im seligen Licht und atmest kaum,
                                             Der Himmel scheint in deinen Kelch versunken,
                                             Die Lüfte wehn in deinem Flaum.

                                             Und wenn sie alle Schuld und Pein
                                             Von meiner Seele könnten wehen,
                                             So dürft ich wohl dein Bruder sein
                                             Und stille Tage bei dir stehen.

                                             So wäre meinen Weltenfahrten
                                             Ein selig leichtes Ziel ersehn,
                                             Gleich dir durch Gottes Träumegarten
                                             Als blauer Sommertraum zu gehn.
                                                                                         (1913)

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JULI 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

                                   												1                                                                                                                    2         3
                                    4  5  6  7  8  9 10 11 12 13 14 15                                                                                             16        17
                                   18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29                                                                                             30        31

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Julikinder
                                             Wir Kinder im Juli geboren
                                             Lieben den Duft des weißen Jasmin,
                                             Wir wandern an blühenden Gärten hin
                                             Still und in schwere Träume verloren.

                                             Unser Bruder ist der scharlachene Mohn,
                                             Der brennt in flackernden roten Schauern
                                             Im Ährenfeld und auf den heißen Mauern,
                                             Dann treibt seine Blätter der Wind davon.

                                             Wie eine Julinacht will unser Leben
                                             Traumbeladen seinen Reigen vollenden,
                                             Träumen und heißen Erntefesten ergeben,
                                             Kränze von Ähren und rotem Mohn in den Händen.
                                                                                      (1904)

                                                           Jasmin
                                                Kein Mai kann Lieberes mir bringen,
                                                Als dich mit deinem keuschen Weiß,
                                                Daraus die vollen Düfte dringen
                                                Befremdend süß und sonnenheiß.

                                                Du bist der ersten Liebe Zeichen
                                                Mit deiner Blüten schlichter Zier,
                                                Aus deren Schnee, dem schimmernd bleichen,
                                                Emporflammt zagende Begier.

                                                Kann keiner dir vorübergehen,
                                                Und wär’s ein harter, karger Mann,
                                                Aus deinen wilden Düften wehen
                                                Verliebte Träume wirr ihn an.

                                                Das wäre mir ein Frühling nimmer,
                                                In dem dein Duft mich nicht bestrickt,
                                                Und süß und weh aus deinem Schimmer
                                                Mich erste Liebe angeblickt.
                                                                                       (1896)

                                                    Der Duft des Jasmin
                                                   streift nächtelang die Gartensäume,
                                                   mit fremdbekanntem Reiz berückend,
                                                   auf blasse Schläferstirnen drückend
                                                   den schwülen Kranz verliebter Träume.
                                                                                     (1901)

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AUGUST 2022
                                      Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag   Montag   Dienstag   Mittwoch Donnerstag   Freitag   Samstag   Sonntag

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Nelke
                                             Rote Nelke blüht im Garten,
                                             Läßt verliebte Düfte glühen,
                                             Will nicht schlafen, will nicht warten,
                                             Einen Trieb nur hat die Nelke:
                                             Rascher, heißer, wilder blühen!

                                             Eine Flamme seh ich prangen,
                                             Wind in ihre Röte rennen,
                                             Und sie zittert vor Verlangen.
                                             Einen Trieb nur hat die Flamme:
                                             Rascher, rascher zu verbrennen!

                                             Du in meinem Blute innen,
                                             Liebe du, was soll dein Träumen?
                                             Willst ja nicht in Tropfen rinnen,
                                             Willst in Strömen, willst in Fluten
                                             Dich vergeuden, dich verschäumen!
                                                                                (1918)

                                              Der Duft der Nelken
                                             lodert auf in heißen Prächten
                                             wie des Windes Hin und Wieder
                                             in verträumten Sommernächten
                                             Takte träg gesungener Lieder,
                                             kommt und glüht und geht von hinnen
                                             in der heißen Luft und läßt
                                             wie ein rasch verlohtes Fest
                                             dir zurück ein schmerzlich Sinnen.
                                                                             (1901)

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