Hermann Hesse Kalender 2022 - Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp - WBG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Hermann Hesse Kalender 2022 Mit dreizehn Aquarellen des Dichters sowie Gedichten über Blumen Suhrkamp 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 1 07.05.21 12:11
JANUAR 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 3 07.05.21 12:11
Blumen Euch, schöne Schwestern, liebe ich mit Neid, Denn euer Leben scheint so sanft und selig, Ihr seid der Erde Schimmer und Geschmeid, Schmückt sie mit Farben kostbar und unzählig. Das Sonnenlicht strahlt wärmer und beseelt, Darf es in euren Farbenkelchen glühen; Ach, alles was uns Menschentieren fehlt, Sehn wir in euch rein und vollendet blühen. Aus schönen Kinderaugen strahlet ihr Der Erdenmutter liebevolle Treue; Wir lieben euch, und dennoch brechen wir Und töten euch – und fühlen keine Reue. (1927) Ich kenn eine Frühlingsblume Ich kenn eine Frühlingsblume Die blühet im weißen Schnee Und wiegt sich im kalten Winde Am tiefen, blauen See. Sie hatt ein Lenzesahnen, Im Traum sah den Frühling sie. Du prächtige, einsame Blume Weh dir, du blühest zu früh. (1896) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 4 07.05.21 12:11
FEBRUAR 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 5 07.05.21 12:11
Die ersten Blumen Neben dem Bach Den roten Weiden nach Haben in diesen Tagen Gelbe Blumen viel Ihre Goldaugen aufgeschlagen. Und mir, der längst aus der Unschuld fiel, Rührt sich Erinnerung im Grunde An meines Lebens goldene Morgenstunde Und sieht mich hell aus Blumenaugen an. Ich wollte Blumen brechen gehn; Nun laß ich sie alle stehn Und gehe heim, ein alter Mann. (1912) Der Duft des Hyazinth ist zu schwer, dem Wind zu folgen, steigt in honigsüßen Wolken süß und schläfernd dem Betäubten wie ein weicher Traum zu Häupten. (1901) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 6 07.05.21 12:11
MÄRZ 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 7 07.05.21 12:11
März An dem grün beflognen Hang Ist schon Veilchenblau erklungen, Nur den schwarzen Wald entlang Liegt noch Schnee in zackigen Zungen. Tropfen aber schmilzt um Topfen hin, Aufgesogen von der durstigen Erde, Und am blassen Himmel oben ziehn Lämmerwolken in beglänzter Herde. Finkenruf verliebt schmilzt im Gesträuch: Menschen, singt auch ihr und liebet euch! (1921) Der Duft der Narzissen ist herb im Grund und dennoch zart, wenn er mit Erdgeruch gepaart, vom lauen Mittagswind gefaßt, durchs Fenster kommt als stiller Gast. Ich habe drüber nachgedacht – das ists, was ihn so köstlich macht: daß er der Erstling jedes Jahr im Garten meiner Mutter war. (1901) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 8 07.05.21 12:11
APRIL 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 9 07.05.21 12:11
Veilchen hab ich dir gepflückt Veilchen hab ich dir gepflückt, Standen unterm Hage, Haben schelmisch aufgeblickt, Eine stumme Frage. Veilchen mir im Auge las, Nickte still und innig Drauf mit morgenfeuchtem Gras Band’s zum Strauß ich sinnig. Duftig grüßen dich von mir Diese Frühlingskinder, Sollen aus dem Herzen dir Scheuchen rasch den Winter. (1896) Der Duft des Veilchens schwingt sich zart und lustbeklommen über licht begrünte Hecken, lockt dich, läßt dich näher kommen, spielt ein schelmisches Verstecken, löst in deiner Seele leise eine langeher vergessene, süße, dennoch unermessene heimatliche Liebesweise. (1901) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 10 07.05.21 12:11
MAI 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 11 07.05.21 12:11
Der Blütenzweig Immer hin und wider Strebt der Blütenzweig im Winde, Immer auf und nieder Strebt mein Herz gleich einem Kinde Zwischen hellen, dunklen Tagen, Zwischen Wollen und Entsagen. Bis die Blüten sind verweht Und der Zweig in Früchten steht, Bis das Herz, der Kindheit satt, Seine Ruhe hat Und bekennt: voll Lust und nicht vergebens War das unruhvolle Spiel des Lebens. (1913) Mohn Dich hab ich lieb, du keckes Rot, So sonnendurstig, wild und lebend, Im Sommerduft zwischen Tag und Tod So blühend und fröhlich schwebend. Und doch zugleich so still verträumt, Als hegtest du ein Trauern, Daß deine Lust, so wild sie schäumt, Nur einen Sommer soll dauern. (1927) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 12 07.05.21 12:11
JUNI 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 13 07.05.21 12:11
Gute Stunde Erdbeeren glühn im Garten, Ihr Duft ist süß und voll, Mir ist, ich müsse warten, Daß durch den grünen Garten Bald meine Mutter kommen soll. Mir ist, ich bin ein Knabe Und alles war geträumt, Was ich vertan, versäumt, Verspielt, verloren habe. Noch liegt im Gartenfrieden Die reiche Welt vor mir, Ist alles mir beschieden, Gehöret alles mir. Benommen bleib ich stehen Und wage keinen Schritt, Daß nicht die Düfte verwehen Und meine gute Stunde mit. (1912) Enzianblüte Du stehst von Sommerfreude trunken Im seligen Licht und atmest kaum, Der Himmel scheint in deinen Kelch versunken, Die Lüfte wehn in deinem Flaum. Und wenn sie alle Schuld und Pein Von meiner Seele könnten wehen, So dürft ich wohl dein Bruder sein Und stille Tage bei dir stehen. So wäre meinen Weltenfahrten Ein selig leichtes Ziel ersehn, Gleich dir durch Gottes Träumegarten Als blauer Sommertraum zu gehn. (1913) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 14 07.05.21 12:11
JULI 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 15 07.05.21 12:11
Julikinder Wir Kinder im Juli geboren Lieben den Duft des weißen Jasmin, Wir wandern an blühenden Gärten hin Still und in schwere Träume verloren. Unser Bruder ist der scharlachene Mohn, Der brennt in flackernden roten Schauern Im Ährenfeld und auf den heißen Mauern, Dann treibt seine Blätter der Wind davon. Wie eine Julinacht will unser Leben Traumbeladen seinen Reigen vollenden, Träumen und heißen Erntefesten ergeben, Kränze von Ähren und rotem Mohn in den Händen. (1904) Jasmin Kein Mai kann Lieberes mir bringen, Als dich mit deinem keuschen Weiß, Daraus die vollen Düfte dringen Befremdend süß und sonnenheiß. Du bist der ersten Liebe Zeichen Mit deiner Blüten schlichter Zier, Aus deren Schnee, dem schimmernd bleichen, Emporflammt zagende Begier. Kann keiner dir vorübergehen, Und wär’s ein harter, karger Mann, Aus deinen wilden Düften wehen Verliebte Träume wirr ihn an. Das wäre mir ein Frühling nimmer, In dem dein Duft mich nicht bestrickt, Und süß und weh aus deinem Schimmer Mich erste Liebe angeblickt. (1896) Der Duft des Jasmin streift nächtelang die Gartensäume, mit fremdbekanntem Reiz berückend, auf blasse Schläferstirnen drückend den schwülen Kranz verliebter Träume. (1901) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 16 07.05.21 12:11
AUGUST 2022 Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 17 07.05.21 12:11
Nelke Rote Nelke blüht im Garten, Läßt verliebte Düfte glühen, Will nicht schlafen, will nicht warten, Einen Trieb nur hat die Nelke: Rascher, heißer, wilder blühen! Eine Flamme seh ich prangen, Wind in ihre Röte rennen, Und sie zittert vor Verlangen. Einen Trieb nur hat die Flamme: Rascher, rascher zu verbrennen! Du in meinem Blute innen, Liebe du, was soll dein Träumen? Willst ja nicht in Tropfen rinnen, Willst in Strömen, willst in Fluten Dich vergeuden, dich verschäumen! (1918) Der Duft der Nelken lodert auf in heißen Prächten wie des Windes Hin und Wieder in verträumten Sommernächten Takte träg gesungener Lieder, kommt und glüht und geht von hinnen in der heißen Luft und läßt wie ein rasch verlohtes Fest dir zurück ein schmerzlich Sinnen. (1901) 42997_Hesse_Wandkalender2022_Druck.indd 18 07.05.21 12:11
Sie können auch lesen