Hessischer Konjunkturspiegel

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Hessischer Konjunkturspiegel
Hessisches Ministerium
für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

       Hessischer
Konjunkturspiegel
                     1. Quartal 2021

                       Konjunkturdaten
                              Tabellen

                            Kurzbericht
 Blick auf die Lohnentwicklung in Hessen

                   Schwerpunktthemen
       Wirtschaftsentwicklung in Hessen
                     im Krisenjahr 2020
       Corona-Krise aus der Perspektive
                         der Kurzarbeit
Hessischer Konjunkturspiegel
Inhalt   Vorwort                                                                                                            	 1

         Kurzbericht
         Blick auf die Lohnentwicklung in Hessen	                                                                             2

         Schwerpunktthemen
         Wirtschaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr 2020                                                                 4
         Corona-Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit                                                                    10

         Die hessische Konjunktur
         Die hessische Konjunktur in Zahlen                                                                                 16
         Die hessische Konjunktur im Überblick                                                                              17
         Arbeitsmarkt und Beschäftigung                                                                                     18
         Außenhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe                                                                             21
         Verarbeitendes Gewerbe                                                                                             24
         Bauhauptgewerbe                                                                                                    26
         Indikatoren im Detail                                                                                              27

         Konjunkturumfragen anderer Institutionen
         Konjunkturbericht Hessischer Industrie- und Handelskammertag                                                       30
         Konjunkturbericht Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern                                              32

         IMPRESSUM
         HERAUSGEBER
         Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen

         BEARBEITUNG
         HA Hessen Agentur GmbH • Konradinerallee 9 • 65185 Wiesbaden
         Tel +49 611 95017-80/-85 • Fax +49 611 95017-846 • info@hessen-agentur.de

         VERFASSER
         Dr. Claus Bauer

         STAND
         Juni 2021

         UMSCHLAG
         Hessisches Statistisches Landesamt

         HINWEISE ZUR VERWENDUNG
         Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie
         darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der
         Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist
         insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen,
         Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an
         Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift
         nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer
         Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem
         Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die
         Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.
         Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw.
         personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer / Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten
         im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
         Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.

         DOWNLOAD
         Download unter www.hessen-agentur.de/publikationen

         DATENQUELLEN
         Hessisches Statistisches Landesamt            statistik.hessen.de
         Statistisches Bundesamt		                     www.destatis.de
         Statistik der Bundesagentur für Arbeit        statistik.arbeitsagentur.de
         Deutsche Bundesbank 		                        www.bundesbank.de
Hessischer Konjunkturspiegel
VORWORT

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

die erste Ausgabe des Konjunkturspiegels für die-
ses Jahr macht mit dem Schwerpunktthema Wirt-
schaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr
2020 rückblickend deutlich, welche Folgen die
Corona-Pandemie in Hessens Wirtschaft hinterlas-
sen hat. Es zeigt sich, dass Hessen von der Corona-
Pandemie überdurchschnittlich betroffen war. Das
ist vor allem auf den massiven Einbruch der Perso-
nenbeförderung in der Luftfahrt zurückzuführen.
Aber auch das Produzierende Gewerbe und viele
weitere Dienstleistungsbereiche, wie Gastronomie-      den Gewerbe steht bei den Auftragseingängen bes-
oder Beherbergungsbetriebe, hatten unter der Krise     ser da als vor der Pandemie. Der Industrieumsatz
zu leiden und haben es noch. Eine wichtige Stütze      hat sich deutlich erholt, leidet derzeit aber in einigen
war das Baugewerbe. Obwohl die Pandemie auch           Branchen unter Lieferengpässen bei Rohstoffen und
den Arbeitsmarkt negativ beeinflusst hat, konnten      Vorprodukten. Dies betrifft aktuell auch das Bauge-
die Erwerbstätigen in Hessen ihren Spitzenplatz bei    werbe. Der Einzelhandel und das Gastgewerbe ha-
der Arbeitsproduktivität behaupten.                    ben bislang noch keine durchgehend positive Ent-
                                                       wicklung erreichen können. Die Arbeitslosigkeit ist
Welche Wirtschaftsbereiche in welchem Ausmaß           nicht nur im Monats-, sondern erstmals auch wieder
die Kurzarbeit genutzt haben, um Entlassungen zu       im Jahresvergleich gesunken, und auch die Anzei-
begrenzen, führt der vertiefende Bericht Corona-       gen zur Kurzarbeit sind weiter zurückgegangen.
Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit aus.
Die Kurzarbeiterquote verdeutlicht, dass überwie-      Die voranschreitende Impfkampagne und sinkende
gend Dienstleistungserbringer, insbesondere im Be-     Infektionszahlen ermöglichen es, die Wirtschaft
reich Luftfahrt, Beherbergung und Gastronomie,         Schritt für Schritt wieder zu öffnen. Unternehmen
aber auch Beschäftigte in der Reisebranche, betrof-    und Soloselbstständige, die noch unter der Pande-
fen waren. In der Industrie hatte der Bereich der      mie leiden, können weiterhin Anträge für die Corona-
Kraftfahrzeugproduktion den größten Anteil an Kurz-    Hilfsprogramme stellen und damit schwierige Zeiten
arbeitern im Verhältnis zu allen dort Beschäftigten.   überbrücken. Es bleibt unser Ziel, möglichst alle ge-
                                                       sunden Firmen mit tragfähigem Geschäftsmodell im
Wie haben sich die Löhne in der Pandemie entwi-        Markt zu halten.
ckelt? Der Blick auf die Lohnentwicklung in Hes-
sen analysiert, dass die Verdienste in Hessen durch    Lassen Sie uns optimistisch in die Zukunft schauen,
den vermehrten Einsatz von Kurzarbeit leicht rück-     aber bleiben Sie weiterhin besonnen und achtsam.
läufig waren. Aufgrund der niedrigen Inflationsrate
war der Kaufkraftverlust der Beschäftigten aber mit    Ihr
0,4 Prozent äußerst gering.

Der Überblick über die hessische Konjunktur
fasst das aktuelle Wirtschaftsgeschehen zusam-         Tarek Al-Wazir,
men: Der Außenhandel konnte das Vorkrisenniveau        Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr
bereits wieder übertreffen. Auch das Verarbeiten-      und Wohnen

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                               1
Hessischer Konjunkturspiegel
KURZBERICHT

Blick auf die Lohnentwicklung in Hessen

Gemäß der Verdiensterhebung sind die Reallöhne                                    ausgefallen ist. Im Jahr 2012 hingegen kamen in
in Hessen im Corona-Jahr 2020 um 1,2 % gegen-                                     einem konjunkturell recht schwachen Umfeld eine
über dem Vorjahr gesunken.1 Im Jahr 2019 stand                                    relativ geringe Nominallohnsteigerung (1,6 %) und
noch ein Reallohnzuwachs von 1,0 % zu Buche. Zu-                                  die höchste Inflationsrate (2,0 %) der letzten zehn
letzt mussten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-                                Jahre zusammen, was eine Reallohnsenkung um
mer im Jahr 2012 einen Reallohnrückgang – und                                     0,4 % zur Folge hatte.
zwar um 0,4 % – hinnehmen.
                                                                                  Diese Daten beziehen sich auf die Vollzeit-, Teilzeit-
Die Situation stellt sich im Jahr 2020 allerdings völlig                          und geringfügig Beschäftigten (ohne Auszubilden-
anders dar als in 2012. Die Lohnentwicklung 2020                                  de). Nicht nur der regelmäßig gezahlte Arbeitslohn,
war stark durch den vermehrten Einsatz von Kurzar-                                sondern auch Sonderzahlungen (z.B. Weihnachts-
beit aufgrund der Corona-Krise beeinflusst, d.h. die                              geld, Leistungsprämie, Gewinnbeteiligung, Einmal-
bezahlte Arbeitszeit nahm aufgrund der Kurzarbeit                                 zahlung bei Tarifabschlüssen) sind Bestandteil des
ab, was gesamtwirtschaftlich einen Rückgang des                                   Lohns, weshalb auch von „Verdienst“ gesprochen
Nominallohns von 0,9 % gegenüber dem Vorjahr be-                                  wird. Zu beachten ist, dass Kurzarbeitergeld hinge-
wirkte. Während im 1. Quartal des Krisenjahres 2020                               gen eine Lohnersatzleistung und kein Verdienstbe-
der Nominallohn noch um 1,3 % über dem Wert des                                   standteil ist – und folglich in den obigen Angaben
1. Quartals 2019 lag, wird für das 2. Quartal 2020 ei-                            nicht enthalten ist. Insofern stellt sich rein pekuniär
ne Verringerung um 3,7 % ausgewiesen. Im Verlauf                                  betrachtet die Lage für die hessischen Beschäftigten
der Belebung der hessischen Wirtschaft nach dem                                   weniger negativ dar als es die Reallohnentwicklung
ersten Lockdown im Frühjahr ist auch die Lohnent-                                 impliziert, denn das Kurzarbeitergeld hat die Ver-
wicklung wieder angezogen (3. Quartal 2020: -1,3 %,                               diensteinbußen für viele von ihnen abgefedert.
4. Quartal 2020: -0,8 %). Aufgrund der außeror-
dentlich niedrigen Inflationsrate von lediglich                                   Für die Vollzeitbeschäftigten, d.h. für die Gruppe mit
0,4 % hielt sich der Kaufkraftverlust im Jahr 2020 in                             der größten Relevanz für den hessischen Arbeits-
engen Grenzen, sodass der Reallohnrückgang mit                                    markt, stehen nach Branchen differenzierte Infor-
1,2 % nur etwas stärker als das Nominallohnminus                                  mationen zu den Verdiensten zur Verfügung. Wenn-
                                                                                  gleich sich die aktuellen Angaben auf das Jahr
           Lohnentwicklung in Hessen 2010 bis 2020
             (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)                                 2019 beziehen, d.h. noch keine Auswirkungen der
     3,5                                                                          Corona-Krise abbilden können, ermöglichen diese
     3,0                                                                          einen interessanten Einblick in die Verdienststruk-
                                                                                  tur. Über alle hessischen Branchen hinweg belief
     2,5
                                                                                  sich der durchschnittliche Bruttojahresverdienst
     2,0
                                                                                  eines in Vollzeit tätigen Beschäftigten im Jahr 2019
     1,5                                                                          auf 59.000 Euro. In diesem Verdienst sind durch-
     1,0                                                                          schnittliche Sonderzahlungen von 6.500 Euro – rund
     0,5                                                                          11 % des Verdienstes – inkludiert. Dem Verdienst
     0,0
                                                                                  liegt eine bezahlte Wochenarbeitszeit in Höhe von
                                                                                  39,1 Stunden zugrunde.
    -0,5                     Nominallohnindex
                             Inflationsrate
    -1,0
                             Reallohnindex                                        Von Branche zu Branche bestehen große Unter-
    -1,5                                                                          schiede im Verdienstniveau der Beschäftigten.
            10   11   12   13   14    15   16    17   18    19   20
                                                                                  Der mit Abstand höchste Jahresverdienst aller Wirt-
    Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt.
                                                                                  schaftszweige wird für den Bereich der Finanz- und
_____________________
1) Es handelt sich genau genommen um die Veränderung eines Index, der als Laspeyres-Kettenindex berechnet wird. Damit soll der Einfluss von Struktureffekten –
die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft ändert sich von Jahr zu Jahr – auf die Veränderungsraten des Index minimiert werden.

2                                                                            HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
Hessischer Konjunkturspiegel
KURZBERICHT

                        Durchschnittliche Bruttojahresverdienste* in Hessen im Jahr 2019
                                    nach ausgewählten Wirtschaftszweigen
                                                                                              Anteil Sonderzahlungen am
Wirtschaftszweig                                             Bruttojahresverdienst in Euro
                                                                                                Bruttojahresverdienst
Insgesamt, darunter:                                                       59.000                        11%
  Verarbeitendes Gewerbe, darunter:                                        60.700                        12%
    Pharmaindustrie                                                        88.300                        17%
    Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen                        71.400                        12%
    Ernährungsindustrie                                                    44.700                         9%
  Baugewerbe                                                               43.300                        k.A.
  Dienstleistungsbereich, darunter:                                        59.800                        11%
    Finanz- und Versicherungsdienstleistungen                             100.500                        20%
    Information u. Kommunikation                                           77.000                        11%
    Einzelhandel                                                           39.500                         8%
* Vollzeitbeschäftigte, k.A.: Keine Angabe, da Zahlenwert nicht sicher genug.
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt.

Versicherungsdienstleistungen mit durchschnittlich                     Pharmazeutischen Industrie nicht jeder Beschäftigte
100.500 Euro brutto ausgewiesen. Innerhalb des                         ein hoch bezahlter Universitätsabsolvent ist.
Verarbeitenden Gewerbes ist es die Pharmazeuti-
sche Industrie, die sich durch den höchsten Ver-                       Dr. Claus Bauer
dienst auszeichnet – 88.300 Euro je Vollzeitbe-
schäftigten ist ein Wert, der klar über dem Durch-
schnitt des hessischen Verarbeitenden Gewerbes
(60.700 Euro) liegt. Sowohl für die Finanz- und Ver-
sicherungsdienstleister als auch für die Pharma-
branche gilt, dass den Sonderzahlungen mit einem
Anteil von 20 % bzw. 17 % eine überproportionale
Bedeutung für den Jahresverdienst der Arbeitneh-
mer zukommt. Auch im Bereich Information und
Kommunikation (77.000 Euro) und bei der Herstel-
lung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (71.400
Euro) wurde im Jahr 2019 überdurchschnittlich gut
verdient. Das Baugewerbe hingegen ist ein Wirt-
schaftszweig, in dem der Durchschnittsverdienst mit
jährlich 43.300 Euro niedriger als in der hessischen
Wirtschaft insgesamt ausfällt. Zwei weitere Beispie-
le hierfür – jeweils eines aus der Industrie und dem
Dienstleistungssektor – sind die Ernährungsindus-
trie (44.700 Euro) und der Einzelhandel (39.500 Eu-
ro).

Abschließend sei betont, dass es sich bei den an-
gegebenen Verdiensten um Mittelwerte handelt: Die
individuellen Vergütungen hängen von verschiede-
nen Faktoren (z.B. Qualifikation, Position) ab und
weisen auch innerhalb der Branche eine große
Bandbreite auf. Auch im Baugewerbe gibt es über-
durchschnittlich vergütete Stellen – wie auch in der

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                                            3
Hessischer Konjunkturspiegel
SCHWERPUNKTTHEMEN

Wirtschaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr 2020

Hessische Wirtschaft im Jahr 2020 um 5,6 % ge-                       BIP-Minus von jeweils 3,2 % wird für Mecklenburg-
schrumpft                                                            Vorpommern und Brandenburg ausgewiesen, die
                                                                     größte Abnahme der Wirtschaftsleistung musste die
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die                       Hansestadt Bremen (-7,0 %) verkraften.
Wirtschaft Hessens hart getroffen: Das Bruttoin-
landsprodukt (BIP) als Maß der Wirtschaftsleistung                   Bei der Interpretation der o.g. Daten ist zu beach-
hat im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr preisbe-                      ten, dass es sich noch um vorläufige Angaben han-
reinigt, d.h. frei von Preiseinflüssen, deutlich um                  delt. Dies gilt auch für den Großteil der im weiteren
5,6 % abgenommen. In absoluten Werten gemes-                         Verlauf des Beitrags genutzten Daten des Arbeits-
sen wird das hessische BIP des Jahres 2020 mit                       kreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der
281 Mrd. Euro angegeben, was einem Anteil von                        Länder und des Arbeitskreises Erwerbstätigenrech-
8,4 % am BIP Deutschlands entspricht.                                nung des Bundes und der Länder. Dieser vorläufige
                                                                     Charakter sei anhand des BIP verdeutlicht: Erst nach
Für Deutschland insgesamt steht ein Rückgang des                     vier Jahren stehen alle erforderlichen Basisdaten
BIP im Jahr 2020 um 4,9 % zu Buche. Gemessen                         zur Berechnung des hessischen BIP vollständig zu
an diesen noch vorläufigen Angaben hat die Corona-                   Verfügung. Um bereits früher Erkenntnisse über die
Krise die hessische Wirtschaft damit überdurch-                      Wirtschaftsentwicklung zu erhalten, werden durch
schnittlich stark getroffen. Naturgemäß konnte sich                  Fortschreibungen aktuellere, aber eben vorläufige
kein Bundesland – wie auch kaum ein Land der Welt                    Ergebnisse berechnet. Durch die sukzessive Er-
– der Pandemie sowie der damit einhergehenden                        weiterung des Datenfundaments von der ersten
negativen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft                     Fortschreibung über die zweite Fortschreibung bis
entziehen. Das im Bundesländervergleich geringste                    zur Originärberechnung kommt es zu Abweichun-
                                                                     gen der Ergebnisse zwischen den jeweiligen Veröf-
               Bruttoinlandsprodukt* 2020                            fentlichungsterminen. Insofern sollten vor allem die
             (Veränderung gegenüber 2019 in %)
                                                                     Angaben am aktuellen Rand nicht überinterpretiert
Mecklenburg-Vorpommern                            – 3,2              werden. Darüber hinaus werden in regelmäßigen
Brandenburg                                       – 3,2              Abständen so genannte Generalrevisionen (zuletzt
Berlin                                            – 3,3              im Jahr 2019) durchgeführt, bei denen die Er-
Schleswig-Holstein                                – 3,4              gebnisse grundlegend überarbeitet werden.
Sachsen-Anhalt                                    – 3,9
Sachsen                                           – 4,4              Entwicklung nach Wirtschaftsbereichen: Positi-
Nordrhein-Westfalen                               – 4,4              ve Impulse 2020 nur durch das Baugewerbe
Rheinland-Pfalz                                   – 4,5
Thüringen                                         – 4,6              Der Blick auf die nach Bereichen differenzierte Ent-
Niedersachsen                                     – 4,9              wicklung1 gibt näheren Aufschluss über die Folgen
Bayern                                            – 5,5              der Pandemie für die Wirtschaftsleistung der unter-
Baden-Württemberg                                 – 5,5              schiedlichen Sektoren:
Hessen                                            – 5,6
Hamburg                                           – 5,8              Das größte Minus wird für das Produzierende Ge-
Saarland                                          – 6,7              werbe ohne Bau, d.h. im Wesentlichen die Indus-
Bremen                                            – 7,0              trie, ausgewiesen: Um 9,0 % wurde in diesem Teil
Deutschland                                       – 4,9              der hessischen Wirtschaft im Krisenjahr 2020 das
* preisbereinigt                                                     Vorjahresergebnis verfehlt (Bund: -9,7 %). Zweifel-
Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder.                                 los handelt es sich hierbei um einen pandemiebe-

_____________________
1) Die Angaben zur Entwicklung der einzelnen Wirtschaftsbereiche beziehen sich auf die preisbereinigte Bruttowertschöpfung. Die Brut-
towertschöpfung vermindert um die Gütersubventionen und erhöht um die Gütersteuern ergibt das Bruttoinlandsprodukt.

4                                                               HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN

    Bruttowertschöpfung (preisbereinigt) nach Wirtschaftsbereichen in Hessen und Deutschland 2020
                                 (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)
 10,0

  5,0                                                  3,0                                   Hessen          Deutschland
                                                             2,8
               1,7
  0,0
                      -0,7
 -5,0                                                                                        -3,8   -3,8                    -4,4
                                                                             -4,9                                    -5,0
-10,0
                                      -9,0                            -8,8
                                             -9,7
-15,0
        Land- u. Forstwirtschaft,    Produzierendes   Baugewerbe    Handel, Verkehr,   Finanz-, Versicherungs- Öffentliche u. sonstige
               Fischerei                Gewerbe                      Gastgewerbe,         u. Unternehmens-          Dienstleister,
                                    ohne Baugewerbe                  Information u.          dienstleister,    Erziehung, Gesundheit
                                                                    Kommunikation          Grundstücks- u.
                                                                                          Wohnungswesen
 Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt.

dingt erheblichen Rückgang. Im Grundsatz sind –                    durch die Pandemie betroffen waren. Als Beispiele
durchaus auch ausgeprägte – Konjunkturschwan-                      seien Theater, Kinos, Frisörsalons und Fitnessstu-
kungen in der international ausgerichteten Industrie               dios genannt. Und schließlich blieb auch der Teil-
mit ihren globalen Liefer- und Wertschöpfungsket-                  sektor „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmens-
ten allerdings keine seltene Ausnahme.                             dienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“
                                                                   2020 aufgrund der Pandemiefolgen hinter dem Vor-
Ausgesprochen außergewöhnlich ist hingegen, dass                   jahresergebnis zurück – und zwar in Hessen und
mit dem Bereich „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, In-                 bundesweit um jeweils 3,8 %.
formation und Kommunikation“ (Hessen: -8,8 %,
Deutschland: -4,9 %) ein Teil des hessischen Dienst-               Wesentlich erfreulicher präsentierte sich das Bau-
leistungssektors fast genauso massiv von den Aus-                  gewerbe in der Corona-Krise. Bereits seit mehreren
wirkungen der Pandemie getroffen wurde wie das                     Jahren eine wichtige Stütze der Konjunktur, hat der
Produzierende Gewerbe ohne Bau. Hier sind zum                      Bau diese Rolle auch unter den schwierigen Rah-
einen die Gastronomie und das Beherbergungsge-                     menbedingungen des Jahres 2020 ausgefüllt (Hes-
werbe zu nennen, die zu den am stärksten unter                     sen: +3,0 %, Deutschland: +2,8 %).
den Folgen der Pandemie leidenden Branchen zäh-
len. Insbesondere aus hessischer Perspektive ist                   Abschließend sind die Land- und Forstwirtschaft
zum anderen der massive Einbruch in der Luftfahrt                  sowie Fischerei anzuführen, für die im Jahr 2020 in
anzuführen: Der Passagierverkehr ist im Frühjahr                   Hessen ein Plus von 1,7 %, für Deutschland ein Mi-
2020 nahezu zum Erliegen gekommen und hat sich                     nus von 0,7 % zu Buche steht. Die Bedeutung die-
auch bis Jahresende 2020 nur leicht erholt. Da der                 ses Sektors für die Bruttowertschöpfung ist aller-
Branche in Hessen ein beträchtlich höheres Ge-                     dings gering, sodass Änderungen kaum Auswirkun-
wicht als auf Bundesebene zukommt, bleibt dies                     gen für das Wirtschaftswachstum insgesamt bewir-
auch nicht ohne Folgen für das hessische BIP in                    ken.
Relation zum BIP für Deutschland insgesamt.
                                                                   Die im Vergleich zum Bund geringfügig bessere Ent-
Für den Bereich „Öffentliche und sonstige Dienstleis-              wicklung in den beiden letztgenannten Wirtschafts-
ter, Erziehung, Gesundheit“ wird für Hessen ein Mi-                bereichen sowie im Produzierenden Gewerbe ohne
nus von 5,0 % angegeben, im Bundesdurchschnitt                     Bau vermochte es allerdings nicht, die in der Krise
ging die Bruttowertschöpfung etwas weniger zurück                  unterdurchschnittliche Performance des Dienstleis-
(-4,4 %). Zu diesem Bereich der Wirtschaft gehört                  tungssektors (Hessen: -5,7 %, Deutschland: -4,3 %)
eine Vielzahl personennaher Dienstleistungen, die                  zu kompensieren – mit der Konsequenz, dass in
2020 ebenfalls erheblich von den Einschränkungen

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                                                           5
SCHWERPUNKTTHEMEN

2020 das BIP in Hessen stärker als im Bund zu-                                       notwendigen Maßnahmen zum Infektionsschutz der
rückgegangen ist.                                                                    Bevölkerung ausgelöste Wirtschaftskrise dürfte al-
                                                                                     lerdings letztlich etwas schwächer ausfallen als die
Wirtschaftsentwicklung von der Rezession 2009                                        Rezession des Jahres 2009.
bis zur Corona-Krise 2020
                                                                                     Erwerbstätigkeit ebenfalls gesunken: Erwerbs-
Zur besseren Einordnung der Corona-Krise soll an-                                    tätigenzahl um 1,1 %, Arbeitsvolumen um 5,1 %
hand des Wirtschaftswachstums ein kurzer Blick zu-
rück auf die letzte weltweite Rezession und auf die                                  Nicht nur das BIP, sondern auch die Erwerbstätig-
sich anschließende Entwicklung geworfen werden:                                      keit ist ein zentraler Indikator, um die Entwicklung
                                                                                     der Wirtschaft darzustellen und zu analysieren.
Der gegen Jahresende 2008 einsetzenden weltwei-                                      Steht beim BIP der Output im Vordergrund, so rückt
ten Rezession konnte sich auch Hessen nicht ent-                                     bei der Erwerbstätigkeit mit dem Mensch der wich-
ziehen, wie der starke Rückgang des BIP um 7,2 %                                     tigste Inputfaktor in den Mittelpunkt. Zu den Erwerbs-
– und damit massiver als in Deutschland (-5,7 %) –                                   tätigen werden alle Personen gezählt, die einer auf
unterstreicht. Deutlich zügiger als erwartet nahm die                                Erwerb ausgerichteten Tätigkeit nachgehen.
hessische Wirtschaft jedoch wieder Fahrt auf, so-
dass bereits 2010 (+3,0 %) und auch im Jahr 2011                                     3,49 Mio. Erwerbstätige hatten im Jahresdurchschnitt
(+3,6 %) kräftige Wachstumsraten erzielt werden                                      2020 ihren Arbeitsplatz in Hessen, womit die Zahl
konnten. Einem Rückgang um 0,9 % in dem eher                                         der Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorjahr kri-
schwachen weltwirtschaftlichen Umfeld des Jahres                                     senbedingt um 1,1 % – und damit im Bundesdurch-
2012 folgte ein sieben Jahre währendes Wachstum                                      schnitt – zurückgegangen ist. Die Bandbreite im
der hessischen Wirtschaft. Der Höhepunkt wurde im                                    Bundesländervergleich wird von Berlin (-0,4 %) und
Jahr 2016 mit einem BIP-Plus von 2,7 % erreicht,                                     dem Saarland (-2,2 %) abgesteckt.
zu dem auch das hessische Verarbeitende Gewer-
be einen beträchtlichen Beitrag leistete. Seitdem                                    Bei der Interpretation der Angaben ist zu beachten,
sind die Wachstumsraten sukzessive zurückgegan-                                      dass aufgrund flexibler Arbeitsverhältnisse (Teilzeit,
gen, was maßgeblich wiederum auf die Industrie-                                      Minijob etc.) nicht jede erwerbstätige Person mit ei-
konjunktur – dieses Mal jedoch mit umgekehrtem                                       nem Vollzeitarbeitsplatz gleichzusetzen ist. Vor dem
Vorzeichen – zurückzuführen ist. Wird von dem re-                                    Hintergrund der Auswirkungen der Pandemie ist
lativ geringen Rückgang des BIP im Jahr 2012 ab-                                     zudem auf die Kurzarbeit und auf Regelungen wie
gesehen, hat mit der Corona-Pandemie eine zehn-                                      Gleitzeit- / Überstundenkonten zu verweisen. Damit
jährige Phase positiver Wachstumsraten in Hessen                                     kann sich die tatsächlich geleistete Arbeitszeit der
ihr Ende gefunden. Die durch die Pandemie und die                                    Erwerbstätigen von der vertraglich vereinbarten un-

                                     Bruttoinlandsprodukt* in Hessen und Deutschland 2009 bis 2020
                                                  (Veränderung gegenüber Vorjahr in %)
    6,0
                               4,2          3,9
                         3,0          3,6
                                                                                                  2,7
    3,0                                                                        2,2                      2,2   2,2 2,6
                                                                         1,7               1,5
                                                               0,5 0,4               0,5                                0,9 1,3   1,0
                                                                                                                                        0,6
                                                         0,4
    0,0

                                                  -0,9
-3,0

-6,0                                                                                             Hessen           Deutschland                        -4,9
                  -5,7                                                                                                                        -5,6
           -7,2
-9,0
             2009         2010          2011       2012         2013      2014        2015         2016        2017      2018      2019        2020
    * preisbereinigt
    Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder.

6                                                                              HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN

                                                                   im Corona-Jahr 2020 zu abweichenden Ergebnis-
                 Erwerbstätigkeit 2020
                                                                   sen kommt. Über alle Erwerbstätigen hinweg wur-
                                       Veränderung des
                         Veränderung                               den in Hessen im Jahr 2020 gut 4,6 Mrd. Stunden
     Bundesland                        Arbeitsvolumens
                        2019/2020 in %
                                        2019/2020 in %             erbracht, was einem Minus gegenüber dem Vorjahr
Berlin                        – 0,4              – 4,6             von 5,1 % entspricht. Damit stellen sich die Aus-
Hamburg                       – 0,5              – 4,4             wirkungen der Corona-Pandemie stärker dar als es
Schleswig-Holstein            – 0,9              – 3,4             in der Betrachtung der Veränderung der Erwerbstäti-
Nordrhein-Westfalen           – 1,0              – 4,2             genzahl (-1,1 %) zum Ausdruck kommt.
Bayern                        – 1,0              – 5,0
Niedersachsen                 – 1,0              – 4,3             Die gilt keineswegs nur für Hessen, sondern bun-
Hessen                        – 1,1              – 5,1
                                                                   desweit. So wurden im Krisenjahr 2020 von den Er-
Brandenburg                   – 1,1              – 4,0
                                                                   werbstätigen in Deutschland insgesamt 4,7 % weni-
Sachsen                       – 1,1              – 5,1
Baden-Württemberg             – 1,2              – 6,0             ger Stunden erbracht als noch im Jahr 2019. Nach
Bremen                        – 1,2              – 4,4             Bundesländern differenziert wird für Schleswig-Hol-
Rheinland-Pfalz               – 1,4              – 4,6             stein (-3,4 %) das geringste Stundenminus ausge-
Mecklenburg-Vorpom.           – 1,4              – 3,6             wiesen. Am anderen Ende des Rankings befinden
Sachsen-Anhalt                – 1,4              – 4,1             sich Baden-Württemberg und das Saarland (jeweils
Thüringen                     – 1,9              – 4,8             -6,0 %).
Saarland                      – 2,2              – 6,0
Deutschland                   – 1,1              – 4,7
                                                                   Erwerbstätigkeit im Jahr 2020 auch im Dienst-
Quelle: AK Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder.
                                                                   leistungssektor niedriger
terscheiden. Beides – die Inanspruchnahme von
Kurzarbeit und der Abbau von Guthaben auf Ar-                      Bereits seit vielen Jahren gehen die expansiven
beitszeitkonten – sind bewährte Instrumente der                    Impulse für die Erwerbstätigkeit überwiegend vom
Wirtschaft, um in Krisensituationen auf eine geringe               Dienstleistungssektor aus. Über 2,7 Mio. Erwerbstä-
Kapazitätsauslastung zu reagieren.                                 tige zählt der Dienstleistungssektor in Hessen mittler-
                                                                   weile, womit sich dessen Anteil an allen Erwerbs-
Insofern kann es nicht überraschen, dass eine Be-                  tätigen in Hessen auf 78,6 % beläuft. Im Produzie-
trachtung gemäß dem Konzept des so genannten                       renden Gewerbe haben hingegen nur gut 720.000
Arbeitsvolumens der Erwerbstätigen, welches die                    Personen – größter Bereich ist das Verarbeitende
Stundenzahl angibt, die tatsächlich erbracht wurde,                Gewerbe mit knapp 490.000 Erwerbstätigen – bzw.

                 Erwerbstätige in Hessen und Deutschland nach Wirtschaftsbereichen 2020
                                                                           Hessen                       Deutschland

Wirtschaftsbereich                                                        Änderung      Anteil an   Änderung     Anteil an
                                                               in 1.000   ggü. 2019    insgesamt    ggü. 2019   insgesamt
                                                                            in %          in %        in %         in %
Land- und Forstwirtschaft; Fischerei                              25,8     – 3,5            0,7      – 3,5          1,3
Produzierendes Gewerbe                                           722,4     – 1,9          21,0       – 1,6         24,1
 darunter:
 Verarbeitendes Gewerbe                                          487,6     – 3,2          14,0       – 2,5         16,9
 Baugewerbe                                                      192,5       1,1            5,5        0,7          5,7
Dienstleistungsbereiche                                        2.743,0     – 0,8          78,6       – 0,9         74,7
 davon:
 Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information
                                                                 962,2     – 1,6          27,6       – 1,8         25,5
 u. Kommunikation
 Finanz-, Versicherungs- u. Unternehmensdienstleister,
                                                                 718,2     – 1,6          20,6       – 2,2         17,0
 Grundstücks- und Wohnungswesen
 Öffentl. u. sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit     1.062,6       0,5          30,4         0,6         32,2
 Insgesamt                                                     3.491,2     – 1,1         100,0       – 1,1        100,0
Quelle: AK Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder, Berechnungen der Hessen Agentur.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                                            7
SCHWERPUNKTTHEMEN

21,0 % der Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz. Der                   legungen in der Wirtschaft zur Stärkung der Resili-
Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei kommt                     enz letztlich wirklich dazu führen, dass vormals ins
mit 26.000 Erwerbstätigen für den hessischen Ar-                    Ausland verlagerte Schritte der Wertschöpfungsket-
beitsmarkt eine untergeordnete Rolle zu.                            te wieder zurückgeholt werden („Reshoring“), bleibt
                                                                    allerdings abzuwarten.
Und wie hat sich der „Beschäftigungsmotor“ Dienst-
leistungssektor in der Krise geschlagen? In gewis-                  Hessen mit Spitzenplatz bei Arbeitsproduktivität
ser Weise wurde dieser seinem Ruf gerecht, denn
die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Teil der hes-                 Die Arbeitsproduktivität stellt sozusagen die Synthe-
sischen Wirtschaft ist nur unterdurchschnittlich stark              se zwischen den Ausführungen zum BIP und denen
zurückgegangen (-0,8 %). Im Produzierenden Ge-                      zur Erwerbstätigkeit dar, denn als Maß für die Ar-
werbe (-1,9 %) nahm die Erwerbstätigenzahl stärker                  beitsproduktivität wird üblicherweise das BIP je Er-
ab, wobei das Baugewerbe (+1,1 %) den Rückgang                      werbstätigen herangezogen.
im Verarbeitenden Gewerbe (-3,2 %) teilweise kom-
pensieren konnte. Der Blick auf die entsprechenden                  Die Arbeitsproduktivität beläuft sich in Hessen auf
Veränderungsraten des Jahres 2020 auf Bundes-                       80.600 Euro je Erwerbstätigen, d.h. rein rechnerisch
ebene zeigt ein sehr ähnliches Bild.                                erwirtschaftete jede erwerbstätige Person in Hes-
                                                                    sen einen Beitrag in dieser Höhe zum BIP des Jah-
Vergleicht man die jeweiligen Anteile des Dienst-                   res 2020. Hessen nimmt damit im Vergleich der
leistungssektors, so fällt die Bedeutung der Dienst-                Länder den ausgezeichneten zweiten Rang hinter
leistungen in Hessen mit 78,6 % höher aus als auf                   Hamburg (91.900 Euro) und vor Bayern (79.800 Eu-
Bundesebene (74,7 %). Der Strukturwandel in Rich-
                                                                                  Bruttoinlandsprodukt* 2020
tung Dienstleistungsbereiche („Tertiärisierung“) hat
                                                                                   je Erwerbstätigen (in Euro)
in Hessen wie auch im Bund allerdings nicht mehr
die Dynamik wie noch zu Beginn der 2000er Jahre.2                   Hamburg                                           91.900
Dies verdeutlicht der Blick zehn bzw. 20 Jahre zu-                  Hessen                                            80.600
rück: Im Jahr 2010 lagen die entsprechenden Antei-                  Bayern                                            79.800
le für Hessen (77,5 %) und für Deutschland insge-                   Baden-Württemberg                                 79.300
samt (74,0 %) etwas geringer als heute. Zwischen                    Berlin                                            74.200
2000 (Hessen: 73,4 %, Deutschland: 69,7 %) und                      Bremen                                            73.000
2010 ist die Bedeutung des Dienstleistungssektors                   Nordrhein-Westfalen                               73.000
für die Erwerbstätigkeit klar stärker gestiegen.                    Niedersachsen                                     72.000
                                                                    Rheinland-Pfalz                                   70.200
Angesichts der während der Pandemie gemachten                       Schleswig-Holstein                                68.400
Erfahrungen ist es nicht auszuschließen, dass zu-                   Brandenburg                                       66.100
künftig von der Industrie wieder mehr Beschäfti-                    Saarland                                          64.200
gungsimpulse ausgehen. Denn die weltweite Aus-                      Sachsen-Anhalt                                    63.200
breitung des neuartigen Coronavirus hat die Anfäl-                  Mecklenburg-Vorpommern                            61.500
ligkeit der internationalen Lieferketten deutlich vor               Sachsen                                           61.300
Augen geführt. Es gilt deshalb, der Resilienz mehr                  Thüringen                                         60.100
Gewicht einzuräumen. So kann etwa eine Erhöhung                     Deutschland                                       74.400
der Fertigungstiefe einen Beitrag dazu leisten, um                  * in jeweiligen Preisen
Abhängigkeiten zu reduzieren. Ob derartige Über-                    Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder.

_____________________

2) Anteilsverschiebungen im Zeitablauf können allerdings zum Teil auch methodisch bedingt sein. Die Zuordnung der Unternehmen zu
Wirtschaftsbereichen gemäß Schwerpunkt der Aktivitäten kann bewirken, dass z.B. im Fall ausgelagerter Dienstleistungen, welche
vormals vom Verarbeitenden Gewerbe selbst durchgeführt wurden (z.B. Logistik, Forschung und Entwicklung), die Erwerbstätigen nun
zum Dienstleistungssektor gezählt werden. Ein Teil des sektoralen Strukturwandels ist auf derartige „statistische Umbuchungen“ zu-
rückzuführen, wobei der Anteil leider nicht bekannt ist. In diesem Kontext ist auch die Branche der Arbeitnehmerüberlassung zu nen-
nen, die dem Dienstleistungsbereich zugeordnet wird, deren Arbeitskräfte allerdings auch im Verarbeitenden Gewerbe tätig sind.

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SCHWERPUNKTTHEMEN

ro) ein. Wie bereits seit vielen Jahren, so belegt     Platz von Hessen unter den Flächenländern hat
Hessen also auch im Krisenjahr 2020 die Spitzen-       aber auch anhand der modifizierten Kenngröße
position unter den Flächenländern. Das in Hessen       „BIP je geleistete Arbeitsstunde der Erwerbstätigen“
je Erwerbstätigen erwirtschaftete BIP fällt um knapp   Gültigkeit. Für Deutschland wird für das Jahr 2020
ein Zehntel höher aus als der Bundesdurchschnitt       ein Wert von 55,90 Euro ausgewiesen. Für Hessen
(74.400 Euro).                                         stehen 60,70 Euro zu Buche, d.h. ebenfalls knapp
                                                       ein Zehntel mehr.
Die Kennziffer BIP je Erwerbstätigen berücksichtigt
keine unterschiedlichen Arbeitsvolumina der Erwerb-    Dr. Claus Bauer
stätigen, was bereits thematisiert wurde. Der erste

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                           9
SCHWERPUNKTTHEMEN

Corona-Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit

Vorbemerkung                                              vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall mit Ent-
                                                          geltausfall vorliegt und die persönlichen sowie be-
Kurzarbeit ist ein wichtiges Arbeitsmarktinstrument,      trieblichen Voraussetzungen erfüllt sind.
um in Krisenzeiten den Anstieg der Arbeitslosigkeit       - Saison-Kurzarbeitergeld erhalten fast ausschließ-
zu begrenzen. Die Unternehmen erfahren eine Ent-          lich Betriebe des Baugewerbes in der Schlechtwet-
lastung bei den Arbeitskosten, der Einkommensver-         terzeit. Es wird bei wirtschaftlich bedingtem Arbeits-
lust bei den Beschäftigten wird durch das Kurzarbei-      ausfall sowie aus witterungsbedingten Gründen ge-
tergeld abgefedert. Idealerweise behalten auf diese       währt.
Art und Weise die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz        - Transferkurzarbeitergeld kann zum einen zur Ver-
und die Unternehmen können ihre Fachkräfte – und          meidung von Entlassungen beantragt werden, zum
damit das Know-how – halten.                              anderen zur Verbesserung der Vermittlungschan-
                                                          cen bei Betriebsänderungen, die einen Personalab-
So war es denn auch eine der ersten Maßnahmen             bau nach sich ziehen. Voraussetzung ist jeweils ein
der Bundesregierung zur Stabilisierung von Wirt-          dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall.
schaft und Arbeitsmarkt, in der beginnenden Krise
den Zugang zur Kurzarbeit zu erleichtern. Dies ge-        Daten zur Kurzarbeit liegen in zwei grundlegenden
hörte bereits in der weltweiten Finanz- und Wirt-         Formen mit unterschiedlichen Wartezeiten vor:
schaftskrise 2008 / 2009 zu den wirtschaftspoliti-
schen Maßnahmen. So wurde u.a. das Quorum,                - Anzeigen über Kurzarbeit: Die Betriebe müssen
wonach mindestens ein Drittel der Beschäftigten           vor Beginn von Kurzarbeit eine Anzeige bei der zu-
des Betriebs von Arbeitsausfall betroffen sein muss,      ständigen Agentur für Arbeit stellen. Bei der ange-
auf 10 % gesenkt. Zudem wurde im Laufe der                zeigten Kurzarbeit handelt es sich um eine Absichts-
Corona-Krise das Kurzarbeitergeld erhöht und die          erklärung. Ob, wie lange und in welchem Umfang
maximale Bezugsdauer auf 24 Monate verlängert.            dann tatsächlich Kurzarbeit stattfindet, lässt sich aus
                                                          der Kurzarbeiteranzeige nicht ableiten. Daher sind
Vor diesem Hintergrund wird in dem vorliegenden           die Anzeigen nur eingeschränkt als Indikator für po-
Beitrag – in Ergänzung bzw. in Vertiefung des vor-        tenzielle Zugänge in Kurzarbeit zu interpretieren –
anstehenden Schwerpunktthemas zur Wirtschafts-            stehen allerdings bereits Ende des Folgemonats zur
entwicklung im Jahr 2020 – die Entwicklung der            Verfügung.
Kurzarbeit während der Pandemie betrachtet.               - Realisierte Kurzarbeit: Demgegenüber gibt die Sta-
                                                          tistik der realisierten Kurzarbeit Auskunft über die
Zum Begriff der Kurzarbeit und zu den verwen-             tatsächliche Inanspruchnahme von Kurzarbeit und
deten Daten                                               liefert z.B. Daten zur Zahl der tatsächlich betroffe-
                                                          nen Personen und zur Höhe des Arbeitsausfalls in
Als Kurzarbeiterinnen bzw. Kurzarbeiter gelten Be-        tiefer wirtschaftsfachlicher Gliederung. Diese Anga-
schäftigte, bei denen wegen eines vorübergehenden         ben basieren auf den Anträgen der Unternehmen
Arbeitsausfalles über 10 % der betriebsüblichen Ar-       zur Abrechnung und liegen deshalb erst nach einem
beitszeit ausfällt und die Anspruch auf Kurzarbeiter-     halben Jahr vor.
geld haben.
                                                          Nachfolgend wird ausschließlich auf die endgültigen
Es gibt drei Arten der Lohnersatzleistung Kurzarbei-      Daten zur realisierten Kurzarbeit zurückgegriffen,
tergeld gemäß SGB III (Sozialgesetzbuch III):             die bis einschließlich November 2020 vorliegen. Der
                                                          Blick auf die Entwicklung in den letzten Monaten
- Kurzarbeitergeld aus wirtschaftlichen und konjunk-      anhand von Hochrechnungen zur realisierten Kurz-
turellen Gründen kann gewährt werden, wenn ein            arbeit und Kurzarbeiteranzeigen ist regelmäßig Ge-

10                                                      HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN

                  Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit1 von Januar 2020 bis November 2020
500.000                                         470.029 473.300

                                                                            396.340                                Konjunkturell
400.000
                                                                                                                   Saison
                                                                                        305.881
300.000                                                                                             261.124

                                                                  472.544
                                                    469.252
                                                                                                                233.717                 232.434
                                   219.392                                                                                  213.412

                                                                              395.587
200.000

                                                                                          305.058

                                                                                                      260.104
                                      200.636

                                                                                                                  232.703

                                                                                                                                          230.955
                                                                                                                              212.363
100.000
             26.845     30.118
              8.856      9.707
       0     17.011     19.493      17.851
            Jan 20      Feb 20     Mrz 20         Apr 20        Mai 20      Jun 20      Jul 20      Aug 20      Sep 20      Okt 20      Nov 20
1 Vgl. Fußnote 1 im Text.
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

genstand der laufenden Konjunkturberichterstattung                            17.851 – förmlich in die Höhe. Zwar wurde bereits
im zweiten Teil des Konjunkturspiegels.                                       Ende Januar der erste Fall einer Infektion mit
                                                                              COVID-19 in Deutschland verzeichnet und einen
Kurzarbeit infolge der Pandemie regelrecht ex-                                Monat später auch in Hessen – doch mit dem Ge-
plodiert – aber auch zügig wieder deutlich ge-                                schehen, das in den nächsten Wochen folgen soll-
sunken                                                                        te, wurde offenkundig nicht gerechnet. Zumindest
                                                                              gaben die Anzeigen zur Kurzarbeit des Monats
Zu Jahresbeginn 2020 war die Welt – aus Sicht der                             Februar 2020 keinerlei Hinweise auf einen derarti-
Kurzarbeit betrachtet – sozusagen noch weitestge-                             gen Anstieg der Kurzarbeit. Die behördlichen Maß-
hend in Ordnung. Die Zahl der Kurzarbeiterinnen                               nahmen zum Infektionsschutz im Zuge der Ausbrei-
und Kurzarbeiter in Hessen belief sich im Januar                              tung der Pandemie – in Hessen u.a. am 17. März
2020 auf 26.845 Personen, im Februar 2020 gingen                              die Schließung der Sport-, Freizeit- und Vergnü-
30.118 Beschäftigte einer Kurzarbeit nach. Zwar lief                          gungseinrichtungen sowie am 22. März die Umset-
der Konjunkturmotor in der Industrie bereits seit et-                         zung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten
lichen Monaten nicht mehr rund, doch hatte dies                               Kontaktbeschränkungen – sowie die Verhaltens-
noch keine merklichen Auswirkungen auf die Kurz-                              anpassungen der Haushalte und der Unternehmen
arbeit, die sich mit insgesamt 20.000 bis 30.000 Be-                          bewirkten jedoch einen massiven Einbruch sowohl
schäftigten im saisonüblichen Rahmen bewegte. Wie                             der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage als auch des
gewöhnlich im Winter handelte es sich überwiegend                             Angebots. Stellte bereits die Zahl der Kurzarbeiter
– zu rund zwei Dritteln – um Beschäftigte so ge-                              im März 2020 einen Rekordwert da, so verdoppelte
nannter Außenberufe (u.a. Baugewerbe, Garten-                                 sich diese im April sogar noch auf 470.029 Perso-
und Landschaftsbau), die Saison-Kurzarbeitergeld                              nen und stieg im Mai nochmals leicht auf 473.300
bezogen. Rund ein Drittel der Kurzarbeiterinnen und                           Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter hessenweit. Auf
Kurzarbeiter im Januar und Februar 2020 erhielt                               dem Arbeitsmarkt hat sich die Pandemie damit vor
konjunkturellen Kurzarbeitergeldes, jeweils knapp                             allem in einer beispiellosen Ausweitung der Kurzar-
1.000 Personen Transferkurzarbeitergeld.1                                     beit und einer entsprechenden Verringerung der
                                                                              Arbeitszeit niedergeschlagen.
Im März 2020 schossen die Kurzarbeiterzahlen mit
hessenweit 219.392 Personen – konjunkturelles                                 Erfreulicherweise nahm aufgrund der Lockerungen
Kurzarbeitergeld: 200.636, Saison-Kurzarbeitergeld:                           bei den Infektionsschutzmaßnahmen (z.B. Öffnung
_____________________
1) Die Zahl der Bezieher von Transferkurzarbeitergeld liegt im gesamten Betrachtungszeitraum bei rund 1.000 Personen pro Monat und
ist somit von untergeordneter Bedeutung. Auf diese Anspruchsgrundlage wird deshalb nachfolgend nicht mehr eingegangen. Sie ist in
den Daten jedoch enthalten und ergibt sich in der Grafik aus der Differenz zwischen der Kurzarbeiterzahl insgesamt und der konjunktu-
rellen Kurzarbeit.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                                                                      11
SCHWERPUNKTTHEMEN

der Gastronomie ab 15. Mai) sowie der zahlreichen                               verdeutlicht die außerordentliche Inanspruchnahme
Maßnahmen von Bund und Ländern zur Stützung                                     des Arbeitsmarktinstruments der Kurzarbeit während
der Wirtschaft die wirtschaftliche Aktivität im Laufe                           der Corona-Pandemie. Der höchste Stand in der
des Mai 2020 wieder zu – mit den entsprechend                                   Krise von vor gut zehn Jahren war im April 2009 er-
positiven Effekten auf die Arbeitsnachfrage. Infolge-                           reicht, als in Hessen 96.990 Beschäftigte Kurzarbei-
dessen konnten viele Beschäftigte ihre Kurzarbeit                               tergeld erhielten. Dem standen elf Jahre später –
beenden: Die Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit                               wiederum in einem April – 470.029 kurzarbeitende
ging sowohl im Juni 2020 (-77.000) als auch im Juli                             Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber,
2020 (-90.000) erheblich zurück, um dann bis Okto-                              d.h. in etwa das Fünffache! Dieses erheblich höhere
ber 2020 sukzessive weiter auf 213.412 Personen                                 Niveau ist der augenfälligste Unterschied in puncto
abzunehmen.                                                                     Kurzarbeit zwischen den beiden Wirtschaftskrisen.
                                                                                Aber auch der Verlauf stellt sich abweichend dar,
Die massive Verschärfung des Infektionsgeschehens                               denn der Anstieg der Kurzarbeit gestaltete sich
im Laufe des Oktobers erforderte allerdings neuerli-                            2009 langsamer als im Jahr 2020. Dies gilt ebenso
che Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.                                      für den Rückgang: Es dauerte rund ein Jahr bis die
Obgleich diese summa summarum weniger strikt                                    Kurzarbeit in etwa auf die Hälfte des Höchststands
(„Lockdown light“) als im Frühjahr ausfielen, hatten                            vom April 2009 gesunken war, während dies in der
sie dennoch negative Folgen für die Kurzarbeit. Der                             Pandemie im Zuge der gesundheitspolitischen Lo-
Rückgang der Kurzarbeit kam nicht nur zum Erlie-                                ckerungen nach dem Lockdown im Frühjahr binnen
gen, sondern von Oktober auf November 2020 stieg                                vier Monaten der Fall war. Nach rund zwei Jahren
die Zahl der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeit wie-                              lag die Kurzarbeit damals wieder auf dem Niveau
der an – und zwar um 19.000 auf 232.434 Perso-                                  des Jahresanfangs 2009 und verharrte auch in den
nen. Rund ein dreiviertel Jahr nach dem ersten                                  nächsten Jahren dort – mit den saisonüblichen
Corona-Fall in Hessen betrug die Kurzarbeiterzahl                               Schwankungen. Wie lange es in der aktuellen Krise
damit zwar „nur“ noch rund die Hälfte des Rekord-                               dauern wird, bis das Level von vor der Pandemie
wertes aus dem Mai, lag aber immer noch weit von                                wieder erreicht wird, lässt sich derzeit kaum ab-
der Inanspruchnahme in „normalen“ Zeiten entfernt.                              schätzen.
Zum Vergleich: Die Kurzarbeiterzahl in den Jahren
2012 bis 2018 blieb im November jeweils – zum Teil                              Durchschnittlicher Arbeitsausfall teilweise bei
deutlich – unter der Marke von 10.000 Personen.                                 rund 50 %

Kurzarbeit während der Corona-Krise um ein                                      Kurzarbeitergeld kann bereits ab einem relativ ge-
Mehrfaches höher als in der Rezession 2009                                      ringen Arbeitsausfall von mehr als 10 % gewährt
                                                                                werden, wobei darüber hinaus noch weitere persön-
Der Vergleich mit der letzten großen Rezession, der                             lich und betriebliche Voraussetzungen erfüllt sein
globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 / 2009,                              müssen. Im Durchschnitt ist der Arbeitsausfall je-

                       Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit von Januar 2008 bis November 2020
500.000
                                                                                                               Mai 2020: 473.300
400.000

300.000

200.000
                   April 2009: 96.990
100.000

      0
          Jan 08

                        Jan 09

                                 Jan 10

                                          Jan 11

                                                   Jan 12

                                                              Jan 13

                                                                       Jan 14

                                                                                    Jan 15

                                                                                             Jan 16

                                                                                                      Jan 17

                                                                                                               Jan 18

                                                                                                                        Jan 19

                                                                                                                                 Jan 20

                                                                                                                                          Nov 20

Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

12                                                                     HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN

                 Durchschnittlicher Arbeitsausfall von Januar 2020 bis November 2020 (in %)
  in %
 100,0

   80,0

   60,0                                       53,3     46,7                                                              50,8
                                                                43,1         43,1       42,5       42,9      44,4
             36,6       36,9     33,9
   40,0

   20,0

    0,0
           Jan 20     Feb 20     Mrz 20     Apr 20    Mai 20   Jun 20      Jul 20     Aug 20     Sep 20     Okt 20     Nov 20
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

doch deutlich höher – und dies nicht nur in Krisen-                Kurzarbeit – bei weitem nicht nur ein Thema für
zeiten. So wird der durchschnittliche Arbeitsausfall               das Produzierende Gewerbe
in den beiden Vorkrisenmonaten, d.h. für den Janu-
ar und den Februar 2020, mit 36,6 % bzw. 36,9 %                    Wie stellt sich die Aufteilung der Kurzarbeit auf die
angegeben.                                                         unterschiedlichen Bereiche der hessischen Wirt-
                                                                   schaft dar?
Für den März 2020 steht ein Arbeitsausfall von
33,9 % zu Buche, wobei zu beachten ist, dass die                   Von den insgesamt 473.300 Beschäftigten in Kurz-
beiden ersten Märzwochen noch weitgehend unbe-                     arbeit im Mai 2020 sind 28 % bzw. 130.125 Perso-
einflusst von der Pandemie verlaufen sind. Ein be-                 nen dem Produzierenden Gewerbe ohne Bau, d.h.
trächtlicher Teil der 219.392 Kurzarbeiterinnen und                im Wesentlichen der Industrie, zuzuordnen. So gin-
Kurzarbeiter dürfte deshalb in der ersten Märzhälfte               gen bspw. in der Automobilindustrie („Herstellung
noch ihre volle Arbeitszeit erbracht haben, um sich                von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“) hessenweit
dann im Extremfall mit einem Arbeitsausfall von
                                                                                Beschäftigte in Kurzarbeit im Mai 2020
100 % („Kurzarbeit null“) konfrontiert zu sehen. Im
                                                                                     nach Wirtschaftsbereichen
April nahm der Arbeitsausfall auf 53,3 % zu – dies
bedeutet, dass die hessenweit 470.029 kurzarbei-                                                    324
                                                                                                   0,1%
tenden Beschäftigten im Durchschnitt weniger als
die Hälfte ihrer üblichen Arbeitszeit ableisten konn-                                          54.357
ten.                                                                                            11%
                                                                                                          130.125
                                                                                      83.594               28%
In den Folgemonaten reduzierte sich der durch-                                         18%
schnittliche Arbeitsausfall bis auf 42,5 % im August                                                                     9.831
2020, um dann wieder schrittweise auf 50,8 % im                                                                           2%
November 2020 anzusteigen. Wenn auch der No-
                                                                                                  195.069
vemberwert wieder in etwa der Größenordnung des                                                    41%
Arbeitsausfalls eines kurzarbeitenden Beschäftigten
im April entspricht, so ist doch die Kurzarbeiterzahl                   Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
weniger als halb so hoch – und damit auch das ge-
                                                                        Produzierendes Gewerbe ohne Bau
samtwirtschaftliche Beschäftigungsäquivalent nied-
                                                                        Baugewerbe
riger. Aus Sicht eines durchschnittlichen Beschäftig-
ten in Kurzarbeit stellt eine um rund die Hälfte redu-                  Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information u. Kommunikation
zierte Arbeitszeit jedoch zweifellos einen beträchtli-                  Finanz-, Versicherungs- u. Unternehmensdienstleister,
chen Einkommensverlust dar, der durch das Kurz-                         Grundstücks- u. Wohnungswesen
arbeitergeld zwar abgefedert, aber nicht vollständig                   Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen der
kompensiert wird.                                                      Hessen Agentur.

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                                                            13
SCHWERPUNKTTHEMEN

35.650 Beschäftigte einer Kurzarbeit nach. Weitere                 Tabelle die am stärksten betroffenen Wirtschaftsab-
2 % (9.831) waren im Baugewerbe tätig.                             teilungen („Zweisteller“ der Wirtschaftszweigsys-
                                                                   tematik) auf – und zwar jeweils zum Mai 2020, dem
Der größte Bereich (41 % bzw. 195.069 Personen)                    Höchststand der Kurzarbeiterzahlen in Hessen, und
ist „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und                 zum November 2020 (aktuelle Angaben). Dabei
Kommunikation“ mit allein 65.273 Kurzarbeiterinnen                 wurde eine Grenze bei einer Kurzarbeiterquote von
und Kurzarbeitern im Handel, 53.791 im Gastge-                     rund 50 % gezogen.
werbe und 34.494 in der Luftfahrt. Es folgt der Teil-
sektor „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmens-                  Über die gesamte hessische Wirtschaft hinweg be-
dienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“                     lief sich die Kurzarbeiterquote im Mai 2020 auf 18 %,
mit 83.594 kurzarbeitenden Beschäftigten, was ei-                  d.h. etwa jeder sechste der insgesamt mehr als
nem Anteil von 18 % an der Gesamtzahl im Mai                       2,6 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
2020 entspricht. Zu diesem Teil der hessischen Wirt-               in Hessen erhielt Kurzarbeitergeld. Was waren die –
schaft gehören z.B. Reisebüros und Reiseveran-                     gemessen an der Kurzarbeiterquote – am stärksten
stalter (6.002 Personen in Kurzarbeit) und die Zeit-               betroffenen Branchen?
arbeitsbranche (10.672). Der Bereich „Öffentliche
und sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“                 Die mit Abstand höchste Kurzarbeiterquote aller
zählte im Mai 2020 insgesamt 54.357 Kurzarbeite-                   Wirtschaftsabteilungen weist die Luftfahrt (92 %)
rinnen und Kurzarbeiter (11 %).                                    auf. Der Personenflugverkehr ist in der Krise fast
                                                                   vollständig zum Erliegen gekommen. In der Konse-
Damit waren am Höhepunkt der Corona-Krise 70 %                     quenz befanden sich mit 34.494 Personen nahezu
der Kurzarbeitergeld beziehenden Beschäftigten                     sämtliche in diesem Teil der hessischen Wirtschaft
dem Dienstleistungssektor zuzuordnen und dem-                      Beschäftigten in Kurzarbeit.
entsprechend – da Land- und Forstwirtschaft sowie
Fischerei (0,1 % bzw. 324 Kurzarbeiter) von nach-                  Auf dem zweiten Rang folgt mit einer Kurzarbeiter-
rangiger Bedeutung sind – 30 % dem Produzieren-                    quote von 66 % das Beherbergungsgewerbe, d.h.
den Gewerbe. Der Vergleich mit den Erwerbstäti-                    Hotels, Gasthöfe und Pensionen, aber auch z.B. Ju-
gen (vgl. das Schwerpunktthema zur Wirtschafts-                    gendherbergen und Campingplätze. Infolge des Ver-
entwicklung in Hessen 2020, Tabelle auf S. 7 un-                   bots von touristischen Übernachtungen und der von-
ten) zeigt, dass dies in etwa der sektoralen Gliede-               seiten der Wirtschaft drastisch reduzierten Dienst-
rung der Erwerbstätigen entspricht. Während der                    reisen hatten viele Unternehmen geschlossen. Ent-
Rezession im Jahr 2009 waren hingegen mehr als                     sprechend hoch fiel in der Branche die Kurzarbeit
zwei Drittel der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter                aus (14.628 Beschäftigte).
Beschäftigte des Produzierenden Gewerbes.
                                                                   In einem recht kleinen Bereich der hessischen Wirt-
Blick auf einzelne Branchen: Luftfahrt mit Ab-                     schaft – nämlich dem Spiel-, Wett- und Lotteriewe-
stand am stärksten betroffen                                       sen – waren 3.035 Beschäftigte in Kurzarbeit, was
                                                                   einer Kurzarbeiterquote von 65 % entspricht. Zahl-
Ergänzend zu den o.g. Angaben zum Ausmaß der                       reiche Anbieter wie Spielhallen und Casinos muss-
Kurzarbeit wird nachfolgend eine relative Größe be-                ten im Zuge der Maßnahmen zum Infektionsschutz
trachtet – und zwar das Verhältnis von Kurzarbei-                  schließen, zudem pausierten nahezu alle für Wett-
terzahl zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Be-              büros relevanten Sportwettbewerbe.
schäftigten (Kurzarbeiterquote2). Damit können Un-
terschiede zwischen den Wirtschaftszweigen hin-                    62 % aller Beschäftigten der hessischen Reisebran-
sichtlich der Inanspruchnahme von Kurzarbeit bes-                  che („Reisebüros, Reiseveranstalter und sonstige
ser dargestellt werden. Diese sind letztlich auch ein              Reservierungsdienstleistungen“) waren im Mai 2020
Indiz für das Ausmaß der Betroffenheit durch die                   Bezieher von Kurzarbeitergeld – insgesamt 6.002
Corona-Krise. In diesem Sinne führt die umseitige                  Personen. Beherbergungsverbote (keineswegs nur
_____________________
1) Zur (näherungsweisen) Berechnung der Kurzarbeiterquote wurde jeweils die Zahl der Kurzarbeiter auf die Zahl der sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten des aktuellen Quartals bezogen.

14                                                             HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN

                                            Kurzarbeit nach Wirtschaftsbereichen
                             Mai 2020                                                         November 2020
                                             Zahl der   Kurz-                                                   Zahl der   Kurz-
Wirtschaftsbereiche                           Kurz-    arbeiter- Wirtschaftsbereiche                             Kurz-    arbeiter-
                                             arbeiter quote1 in %                                               arbeiter quote1 in %
Insgesamt                                    473.300         18       Insgesamt                                 232.434      9
darunter:                                                             darunter:
Luftfahrt                                     34.494         92       Luftfahrt                                  31.119      86
Beherbergung                                  14.628         66       Spiel-, Wett- u. Lotteriewesen              2.910      62
Spiel-, Wett- u. Lotteriewesen                  3.035        65       Beherbergung                               12.053      59
Reisebüros, Reiseveranstalter, sonstige                               Reisebüros, Reiseveranstalter, sonstige
                                                6.002        62                                                   4.568      51
Reservierungsdienstleistungen                                         Reservierungsdienstleistungen
Gastronomie                                   39.163         61       Gastronomie                                30.431      49
Herst. v. Leder, Lederwaren u. Schuhen            693        60
Herst. v. Kraftwagen u. Kraftwagenteilen      35.650         59
1 Zahl der Kurzabeiter bezogen auf Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen der Hessen Agentur.

in Deutschland), Auflagen bei der Ein- und Ausreise                     Automobilzulieferern – war die Fertigung aufgrund
und die zum Teil geschlossenen touristischen Ange-                      des Nachfrageeinbruchs und der Notwendigkeit, die
bote haben die Nachfrage nach den Dienstleistun-                        Abstands- und Hygieneregeln zu implementieren,
gen der Reisebranche einbrechen lassen. Und oh-                         für mehrere Wochen gestoppt. Es folgte eine Phase
ne Sportveranstaltungen, Konzerte, Theaterauffüh-                       des langsamen „Hochfahrens“ der Produktion.
rungen etc. bedarf es auch keiner Reservierungs-
dienstleistungen.                                                       Welches Bild bietet sich im November 2020? Für
                                                                        fünf (Mai 2020: sieben) Branchen liegt die Kurzar-
39.163 Beschäftigte in Kurzarbeit wurden im Mai                         beiterquote nach wie vor bei rund der Hälfte oder
2020 in der heimischen Gastronomie ausgewiesen.                         darüber. Hierbei handelt es sich um die gleichen
Damit erhielten 61 % aller Beschäftigten der Bran-                      Branchen, die bereits ein halbes Jahr zuvor die ers-
che Kurzarbeitergeld. Die zahlreich eingerichteten                      ten fünf Ränge belegten. Zwar hat bei allen die
Abhol- und Bringdienste vermochten sicherlich bei                       Kurzarbeit – sowohl gemessen an der Absolutzahl
dem einen oder anderen Betrieb das Umsatzminus                          als auch an der Quote – abgenommen, doch hielt
abzufedern – ein Ersatz für die angeordnete Schlie-                     sich der Rückgang größtenteils in engen Grenzen
ßung der Bewirtung vor Ort konnten sie naturge-                         und fiel klar unterdurchschnittlich aus. So z.B. bei
mäß nicht sein. Zumal dies etwa für Clubs und Bars                      der Luftfahrt: 34.494 Beschäftigten in Kurzarbeit im
keine Option darstellt.                                                 Mai 2020 (Kurzarbeiterquote: 92 %) stehen 31.119
                                                                        (86 %) im November 2020 gegenüber. Im Vergleich
Damit befinden sich auf den ersten fünf Rängen –                        dazu hat sich in der hessischen Wirtschaft insge-
gemessen an der Kurzarbeiterquote – ausschließlich                      samt die Kurzarbeiterquote von 18 % auf 9 % hal-
Dienstleistungen. In zwei Branchen der hessischen                       biert. Überdurchschnittlich fiel der Rückgang insbe-
Industrie waren im Mai 2020 ebenfalls über die                          sondere in der Industrie (29 % auf 11 %) und im
Hälfte der Beschäftigten in Kurzarbeit. Zum einen in                    Handel (18 % auf 6 %) aus.
einem sehr kleinen Industriezweig, der Herstellung
von Leder, Lederwaren und Schuhen (Kurzarbeiter:                        Dr. Claus Bauer
693, Kurzarbeiterquote: 60 %). Und zum anderen
bei einem ausgesprochenen „Schwergewicht“ der
hessischen Industrie, der Herstellung von Kraftwa-
gen und Kraftwagenteilen. 35.650 Beschäftigte bzw.
59 % mussten kurzarbeiten. Denn in sämtlichen Au-
tomobilwerken in Hessen – und auch bei einigen

HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021                                                                                    15
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