Hessischer Konjunkturspiegel
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen Hessischer Konjunkturspiegel 1. Quartal 2021 Konjunkturdaten Tabellen Kurzbericht Blick auf die Lohnentwicklung in Hessen Schwerpunktthemen Wirtschaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr 2020 Corona-Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit
Inhalt Vorwort 1 Kurzbericht Blick auf die Lohnentwicklung in Hessen 2 Schwerpunktthemen Wirtschaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr 2020 4 Corona-Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit 10 Die hessische Konjunktur Die hessische Konjunktur in Zahlen 16 Die hessische Konjunktur im Überblick 17 Arbeitsmarkt und Beschäftigung 18 Außenhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe 21 Verarbeitendes Gewerbe 24 Bauhauptgewerbe 26 Indikatoren im Detail 27 Konjunkturumfragen anderer Institutionen Konjunkturbericht Hessischer Industrie- und Handelskammertag 30 Konjunkturbericht Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern 32 IMPRESSUM HERAUSGEBER Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen BEARBEITUNG HA Hessen Agentur GmbH • Konradinerallee 9 • 65185 Wiesbaden Tel +49 611 95017-80/-85 • Fax +49 611 95017-846 • info@hessen-agentur.de VERFASSER Dr. Claus Bauer STAND Juni 2021 UMSCHLAG Hessisches Statistisches Landesamt HINWEISE ZUR VERWENDUNG Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlkampfveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl die Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw. personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer / Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter. Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten. DOWNLOAD Download unter www.hessen-agentur.de/publikationen DATENQUELLEN Hessisches Statistisches Landesamt statistik.hessen.de Statistisches Bundesamt www.destatis.de Statistik der Bundesagentur für Arbeit statistik.arbeitsagentur.de Deutsche Bundesbank www.bundesbank.de
VORWORT Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, die erste Ausgabe des Konjunkturspiegels für die- ses Jahr macht mit dem Schwerpunktthema Wirt- schaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr 2020 rückblickend deutlich, welche Folgen die Corona-Pandemie in Hessens Wirtschaft hinterlas- sen hat. Es zeigt sich, dass Hessen von der Corona- Pandemie überdurchschnittlich betroffen war. Das ist vor allem auf den massiven Einbruch der Perso- nenbeförderung in der Luftfahrt zurückzuführen. Aber auch das Produzierende Gewerbe und viele weitere Dienstleistungsbereiche, wie Gastronomie- den Gewerbe steht bei den Auftragseingängen bes- oder Beherbergungsbetriebe, hatten unter der Krise ser da als vor der Pandemie. Der Industrieumsatz zu leiden und haben es noch. Eine wichtige Stütze hat sich deutlich erholt, leidet derzeit aber in einigen war das Baugewerbe. Obwohl die Pandemie auch Branchen unter Lieferengpässen bei Rohstoffen und den Arbeitsmarkt negativ beeinflusst hat, konnten Vorprodukten. Dies betrifft aktuell auch das Bauge- die Erwerbstätigen in Hessen ihren Spitzenplatz bei werbe. Der Einzelhandel und das Gastgewerbe ha- der Arbeitsproduktivität behaupten. ben bislang noch keine durchgehend positive Ent- wicklung erreichen können. Die Arbeitslosigkeit ist Welche Wirtschaftsbereiche in welchem Ausmaß nicht nur im Monats-, sondern erstmals auch wieder die Kurzarbeit genutzt haben, um Entlassungen zu im Jahresvergleich gesunken, und auch die Anzei- begrenzen, führt der vertiefende Bericht Corona- gen zur Kurzarbeit sind weiter zurückgegangen. Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit aus. Die Kurzarbeiterquote verdeutlicht, dass überwie- Die voranschreitende Impfkampagne und sinkende gend Dienstleistungserbringer, insbesondere im Be- Infektionszahlen ermöglichen es, die Wirtschaft reich Luftfahrt, Beherbergung und Gastronomie, Schritt für Schritt wieder zu öffnen. Unternehmen aber auch Beschäftigte in der Reisebranche, betrof- und Soloselbstständige, die noch unter der Pande- fen waren. In der Industrie hatte der Bereich der mie leiden, können weiterhin Anträge für die Corona- Kraftfahrzeugproduktion den größten Anteil an Kurz- Hilfsprogramme stellen und damit schwierige Zeiten arbeitern im Verhältnis zu allen dort Beschäftigten. überbrücken. Es bleibt unser Ziel, möglichst alle ge- sunden Firmen mit tragfähigem Geschäftsmodell im Wie haben sich die Löhne in der Pandemie entwi- Markt zu halten. ckelt? Der Blick auf die Lohnentwicklung in Hes- sen analysiert, dass die Verdienste in Hessen durch Lassen Sie uns optimistisch in die Zukunft schauen, den vermehrten Einsatz von Kurzarbeit leicht rück- aber bleiben Sie weiterhin besonnen und achtsam. läufig waren. Aufgrund der niedrigen Inflationsrate war der Kaufkraftverlust der Beschäftigten aber mit Ihr 0,4 Prozent äußerst gering. Der Überblick über die hessische Konjunktur fasst das aktuelle Wirtschaftsgeschehen zusam- Tarek Al-Wazir, men: Der Außenhandel konnte das Vorkrisenniveau Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr bereits wieder übertreffen. Auch das Verarbeiten- und Wohnen HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 1
KURZBERICHT Blick auf die Lohnentwicklung in Hessen Gemäß der Verdiensterhebung sind die Reallöhne ausgefallen ist. Im Jahr 2012 hingegen kamen in in Hessen im Corona-Jahr 2020 um 1,2 % gegen- einem konjunkturell recht schwachen Umfeld eine über dem Vorjahr gesunken.1 Im Jahr 2019 stand relativ geringe Nominallohnsteigerung (1,6 %) und noch ein Reallohnzuwachs von 1,0 % zu Buche. Zu- die höchste Inflationsrate (2,0 %) der letzten zehn letzt mussten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Jahre zusammen, was eine Reallohnsenkung um mer im Jahr 2012 einen Reallohnrückgang – und 0,4 % zur Folge hatte. zwar um 0,4 % – hinnehmen. Diese Daten beziehen sich auf die Vollzeit-, Teilzeit- Die Situation stellt sich im Jahr 2020 allerdings völlig und geringfügig Beschäftigten (ohne Auszubilden- anders dar als in 2012. Die Lohnentwicklung 2020 de). Nicht nur der regelmäßig gezahlte Arbeitslohn, war stark durch den vermehrten Einsatz von Kurzar- sondern auch Sonderzahlungen (z.B. Weihnachts- beit aufgrund der Corona-Krise beeinflusst, d.h. die geld, Leistungsprämie, Gewinnbeteiligung, Einmal- bezahlte Arbeitszeit nahm aufgrund der Kurzarbeit zahlung bei Tarifabschlüssen) sind Bestandteil des ab, was gesamtwirtschaftlich einen Rückgang des Lohns, weshalb auch von „Verdienst“ gesprochen Nominallohns von 0,9 % gegenüber dem Vorjahr be- wird. Zu beachten ist, dass Kurzarbeitergeld hinge- wirkte. Während im 1. Quartal des Krisenjahres 2020 gen eine Lohnersatzleistung und kein Verdienstbe- der Nominallohn noch um 1,3 % über dem Wert des standteil ist – und folglich in den obigen Angaben 1. Quartals 2019 lag, wird für das 2. Quartal 2020 ei- nicht enthalten ist. Insofern stellt sich rein pekuniär ne Verringerung um 3,7 % ausgewiesen. Im Verlauf betrachtet die Lage für die hessischen Beschäftigten der Belebung der hessischen Wirtschaft nach dem weniger negativ dar als es die Reallohnentwicklung ersten Lockdown im Frühjahr ist auch die Lohnent- impliziert, denn das Kurzarbeitergeld hat die Ver- wicklung wieder angezogen (3. Quartal 2020: -1,3 %, diensteinbußen für viele von ihnen abgefedert. 4. Quartal 2020: -0,8 %). Aufgrund der außeror- dentlich niedrigen Inflationsrate von lediglich Für die Vollzeitbeschäftigten, d.h. für die Gruppe mit 0,4 % hielt sich der Kaufkraftverlust im Jahr 2020 in der größten Relevanz für den hessischen Arbeits- engen Grenzen, sodass der Reallohnrückgang mit markt, stehen nach Branchen differenzierte Infor- 1,2 % nur etwas stärker als das Nominallohnminus mationen zu den Verdiensten zur Verfügung. Wenn- gleich sich die aktuellen Angaben auf das Jahr Lohnentwicklung in Hessen 2010 bis 2020 (Veränderung gegenüber Vorjahr in %) 2019 beziehen, d.h. noch keine Auswirkungen der 3,5 Corona-Krise abbilden können, ermöglichen diese 3,0 einen interessanten Einblick in die Verdienststruk- tur. Über alle hessischen Branchen hinweg belief 2,5 sich der durchschnittliche Bruttojahresverdienst 2,0 eines in Vollzeit tätigen Beschäftigten im Jahr 2019 1,5 auf 59.000 Euro. In diesem Verdienst sind durch- 1,0 schnittliche Sonderzahlungen von 6.500 Euro – rund 0,5 11 % des Verdienstes – inkludiert. Dem Verdienst 0,0 liegt eine bezahlte Wochenarbeitszeit in Höhe von 39,1 Stunden zugrunde. -0,5 Nominallohnindex Inflationsrate -1,0 Reallohnindex Von Branche zu Branche bestehen große Unter- -1,5 schiede im Verdienstniveau der Beschäftigten. 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Der mit Abstand höchste Jahresverdienst aller Wirt- Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt. schaftszweige wird für den Bereich der Finanz- und _____________________ 1) Es handelt sich genau genommen um die Veränderung eines Index, der als Laspeyres-Kettenindex berechnet wird. Damit soll der Einfluss von Struktureffekten – die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft ändert sich von Jahr zu Jahr – auf die Veränderungsraten des Index minimiert werden. 2 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
KURZBERICHT Durchschnittliche Bruttojahresverdienste* in Hessen im Jahr 2019 nach ausgewählten Wirtschaftszweigen Anteil Sonderzahlungen am Wirtschaftszweig Bruttojahresverdienst in Euro Bruttojahresverdienst Insgesamt, darunter: 59.000 11% Verarbeitendes Gewerbe, darunter: 60.700 12% Pharmaindustrie 88.300 17% Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen 71.400 12% Ernährungsindustrie 44.700 9% Baugewerbe 43.300 k.A. Dienstleistungsbereich, darunter: 59.800 11% Finanz- und Versicherungsdienstleistungen 100.500 20% Information u. Kommunikation 77.000 11% Einzelhandel 39.500 8% * Vollzeitbeschäftigte, k.A.: Keine Angabe, da Zahlenwert nicht sicher genug. Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt. Versicherungsdienstleistungen mit durchschnittlich Pharmazeutischen Industrie nicht jeder Beschäftigte 100.500 Euro brutto ausgewiesen. Innerhalb des ein hoch bezahlter Universitätsabsolvent ist. Verarbeitenden Gewerbes ist es die Pharmazeuti- sche Industrie, die sich durch den höchsten Ver- Dr. Claus Bauer dienst auszeichnet – 88.300 Euro je Vollzeitbe- schäftigten ist ein Wert, der klar über dem Durch- schnitt des hessischen Verarbeitenden Gewerbes (60.700 Euro) liegt. Sowohl für die Finanz- und Ver- sicherungsdienstleister als auch für die Pharma- branche gilt, dass den Sonderzahlungen mit einem Anteil von 20 % bzw. 17 % eine überproportionale Bedeutung für den Jahresverdienst der Arbeitneh- mer zukommt. Auch im Bereich Information und Kommunikation (77.000 Euro) und bei der Herstel- lung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (71.400 Euro) wurde im Jahr 2019 überdurchschnittlich gut verdient. Das Baugewerbe hingegen ist ein Wirt- schaftszweig, in dem der Durchschnittsverdienst mit jährlich 43.300 Euro niedriger als in der hessischen Wirtschaft insgesamt ausfällt. Zwei weitere Beispie- le hierfür – jeweils eines aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor – sind die Ernährungsindus- trie (44.700 Euro) und der Einzelhandel (39.500 Eu- ro). Abschließend sei betont, dass es sich bei den an- gegebenen Verdiensten um Mittelwerte handelt: Die individuellen Vergütungen hängen von verschiede- nen Faktoren (z.B. Qualifikation, Position) ab und weisen auch innerhalb der Branche eine große Bandbreite auf. Auch im Baugewerbe gibt es über- durchschnittlich vergütete Stellen – wie auch in der HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 3
SCHWERPUNKTTHEMEN Wirtschaftsentwicklung in Hessen im Krisenjahr 2020 Hessische Wirtschaft im Jahr 2020 um 5,6 % ge- BIP-Minus von jeweils 3,2 % wird für Mecklenburg- schrumpft Vorpommern und Brandenburg ausgewiesen, die größte Abnahme der Wirtschaftsleistung musste die Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Hansestadt Bremen (-7,0 %) verkraften. Wirtschaft Hessens hart getroffen: Das Bruttoin- landsprodukt (BIP) als Maß der Wirtschaftsleistung Bei der Interpretation der o.g. Daten ist zu beach- hat im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr preisbe- ten, dass es sich noch um vorläufige Angaben han- reinigt, d.h. frei von Preiseinflüssen, deutlich um delt. Dies gilt auch für den Großteil der im weiteren 5,6 % abgenommen. In absoluten Werten gemes- Verlauf des Beitrags genutzten Daten des Arbeits- sen wird das hessische BIP des Jahres 2020 mit kreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der 281 Mrd. Euro angegeben, was einem Anteil von Länder und des Arbeitskreises Erwerbstätigenrech- 8,4 % am BIP Deutschlands entspricht. nung des Bundes und der Länder. Dieser vorläufige Charakter sei anhand des BIP verdeutlicht: Erst nach Für Deutschland insgesamt steht ein Rückgang des vier Jahren stehen alle erforderlichen Basisdaten BIP im Jahr 2020 um 4,9 % zu Buche. Gemessen zur Berechnung des hessischen BIP vollständig zu an diesen noch vorläufigen Angaben hat die Corona- Verfügung. Um bereits früher Erkenntnisse über die Krise die hessische Wirtschaft damit überdurch- Wirtschaftsentwicklung zu erhalten, werden durch schnittlich stark getroffen. Naturgemäß konnte sich Fortschreibungen aktuellere, aber eben vorläufige kein Bundesland – wie auch kaum ein Land der Welt Ergebnisse berechnet. Durch die sukzessive Er- – der Pandemie sowie der damit einhergehenden weiterung des Datenfundaments von der ersten negativen Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft Fortschreibung über die zweite Fortschreibung bis entziehen. Das im Bundesländervergleich geringste zur Originärberechnung kommt es zu Abweichun- gen der Ergebnisse zwischen den jeweiligen Veröf- Bruttoinlandsprodukt* 2020 fentlichungsterminen. Insofern sollten vor allem die (Veränderung gegenüber 2019 in %) Angaben am aktuellen Rand nicht überinterpretiert Mecklenburg-Vorpommern – 3,2 werden. Darüber hinaus werden in regelmäßigen Brandenburg – 3,2 Abständen so genannte Generalrevisionen (zuletzt Berlin – 3,3 im Jahr 2019) durchgeführt, bei denen die Er- Schleswig-Holstein – 3,4 gebnisse grundlegend überarbeitet werden. Sachsen-Anhalt – 3,9 Sachsen – 4,4 Entwicklung nach Wirtschaftsbereichen: Positi- Nordrhein-Westfalen – 4,4 ve Impulse 2020 nur durch das Baugewerbe Rheinland-Pfalz – 4,5 Thüringen – 4,6 Der Blick auf die nach Bereichen differenzierte Ent- Niedersachsen – 4,9 wicklung1 gibt näheren Aufschluss über die Folgen Bayern – 5,5 der Pandemie für die Wirtschaftsleistung der unter- Baden-Württemberg – 5,5 schiedlichen Sektoren: Hessen – 5,6 Hamburg – 5,8 Das größte Minus wird für das Produzierende Ge- Saarland – 6,7 werbe ohne Bau, d.h. im Wesentlichen die Indus- Bremen – 7,0 trie, ausgewiesen: Um 9,0 % wurde in diesem Teil Deutschland – 4,9 der hessischen Wirtschaft im Krisenjahr 2020 das * preisbereinigt Vorjahresergebnis verfehlt (Bund: -9,7 %). Zweifel- Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder. los handelt es sich hierbei um einen pandemiebe- _____________________ 1) Die Angaben zur Entwicklung der einzelnen Wirtschaftsbereiche beziehen sich auf die preisbereinigte Bruttowertschöpfung. Die Brut- towertschöpfung vermindert um die Gütersubventionen und erhöht um die Gütersteuern ergibt das Bruttoinlandsprodukt. 4 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN Bruttowertschöpfung (preisbereinigt) nach Wirtschaftsbereichen in Hessen und Deutschland 2020 (Veränderung gegenüber Vorjahr in %) 10,0 5,0 3,0 Hessen Deutschland 2,8 1,7 0,0 -0,7 -5,0 -3,8 -3,8 -4,4 -4,9 -5,0 -10,0 -9,0 -8,8 -9,7 -15,0 Land- u. Forstwirtschaft, Produzierendes Baugewerbe Handel, Verkehr, Finanz-, Versicherungs- Öffentliche u. sonstige Fischerei Gewerbe Gastgewerbe, u. Unternehmens- Dienstleister, ohne Baugewerbe Information u. dienstleister, Erziehung, Gesundheit Kommunikation Grundstücks- u. Wohnungswesen Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt. dingt erheblichen Rückgang. Im Grundsatz sind – durch die Pandemie betroffen waren. Als Beispiele durchaus auch ausgeprägte – Konjunkturschwan- seien Theater, Kinos, Frisörsalons und Fitnessstu- kungen in der international ausgerichteten Industrie dios genannt. Und schließlich blieb auch der Teil- mit ihren globalen Liefer- und Wertschöpfungsket- sektor „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmens- ten allerdings keine seltene Ausnahme. dienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“ 2020 aufgrund der Pandemiefolgen hinter dem Vor- Ausgesprochen außergewöhnlich ist hingegen, dass jahresergebnis zurück – und zwar in Hessen und mit dem Bereich „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, In- bundesweit um jeweils 3,8 %. formation und Kommunikation“ (Hessen: -8,8 %, Deutschland: -4,9 %) ein Teil des hessischen Dienst- Wesentlich erfreulicher präsentierte sich das Bau- leistungssektors fast genauso massiv von den Aus- gewerbe in der Corona-Krise. Bereits seit mehreren wirkungen der Pandemie getroffen wurde wie das Jahren eine wichtige Stütze der Konjunktur, hat der Produzierende Gewerbe ohne Bau. Hier sind zum Bau diese Rolle auch unter den schwierigen Rah- einen die Gastronomie und das Beherbergungsge- menbedingungen des Jahres 2020 ausgefüllt (Hes- werbe zu nennen, die zu den am stärksten unter sen: +3,0 %, Deutschland: +2,8 %). den Folgen der Pandemie leidenden Branchen zäh- len. Insbesondere aus hessischer Perspektive ist Abschließend sind die Land- und Forstwirtschaft zum anderen der massive Einbruch in der Luftfahrt sowie Fischerei anzuführen, für die im Jahr 2020 in anzuführen: Der Passagierverkehr ist im Frühjahr Hessen ein Plus von 1,7 %, für Deutschland ein Mi- 2020 nahezu zum Erliegen gekommen und hat sich nus von 0,7 % zu Buche steht. Die Bedeutung die- auch bis Jahresende 2020 nur leicht erholt. Da der ses Sektors für die Bruttowertschöpfung ist aller- Branche in Hessen ein beträchtlich höheres Ge- dings gering, sodass Änderungen kaum Auswirkun- wicht als auf Bundesebene zukommt, bleibt dies gen für das Wirtschaftswachstum insgesamt bewir- auch nicht ohne Folgen für das hessische BIP in ken. Relation zum BIP für Deutschland insgesamt. Die im Vergleich zum Bund geringfügig bessere Ent- Für den Bereich „Öffentliche und sonstige Dienstleis- wicklung in den beiden letztgenannten Wirtschafts- ter, Erziehung, Gesundheit“ wird für Hessen ein Mi- bereichen sowie im Produzierenden Gewerbe ohne nus von 5,0 % angegeben, im Bundesdurchschnitt Bau vermochte es allerdings nicht, die in der Krise ging die Bruttowertschöpfung etwas weniger zurück unterdurchschnittliche Performance des Dienstleis- (-4,4 %). Zu diesem Bereich der Wirtschaft gehört tungssektors (Hessen: -5,7 %, Deutschland: -4,3 %) eine Vielzahl personennaher Dienstleistungen, die zu kompensieren – mit der Konsequenz, dass in 2020 ebenfalls erheblich von den Einschränkungen HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 5
SCHWERPUNKTTHEMEN 2020 das BIP in Hessen stärker als im Bund zu- notwendigen Maßnahmen zum Infektionsschutz der rückgegangen ist. Bevölkerung ausgelöste Wirtschaftskrise dürfte al- lerdings letztlich etwas schwächer ausfallen als die Wirtschaftsentwicklung von der Rezession 2009 Rezession des Jahres 2009. bis zur Corona-Krise 2020 Erwerbstätigkeit ebenfalls gesunken: Erwerbs- Zur besseren Einordnung der Corona-Krise soll an- tätigenzahl um 1,1 %, Arbeitsvolumen um 5,1 % hand des Wirtschaftswachstums ein kurzer Blick zu- rück auf die letzte weltweite Rezession und auf die Nicht nur das BIP, sondern auch die Erwerbstätig- sich anschließende Entwicklung geworfen werden: keit ist ein zentraler Indikator, um die Entwicklung der Wirtschaft darzustellen und zu analysieren. Der gegen Jahresende 2008 einsetzenden weltwei- Steht beim BIP der Output im Vordergrund, so rückt ten Rezession konnte sich auch Hessen nicht ent- bei der Erwerbstätigkeit mit dem Mensch der wich- ziehen, wie der starke Rückgang des BIP um 7,2 % tigste Inputfaktor in den Mittelpunkt. Zu den Erwerbs- – und damit massiver als in Deutschland (-5,7 %) – tätigen werden alle Personen gezählt, die einer auf unterstreicht. Deutlich zügiger als erwartet nahm die Erwerb ausgerichteten Tätigkeit nachgehen. hessische Wirtschaft jedoch wieder Fahrt auf, so- dass bereits 2010 (+3,0 %) und auch im Jahr 2011 3,49 Mio. Erwerbstätige hatten im Jahresdurchschnitt (+3,6 %) kräftige Wachstumsraten erzielt werden 2020 ihren Arbeitsplatz in Hessen, womit die Zahl konnten. Einem Rückgang um 0,9 % in dem eher der Erwerbstätigen im Vergleich zum Vorjahr kri- schwachen weltwirtschaftlichen Umfeld des Jahres senbedingt um 1,1 % – und damit im Bundesdurch- 2012 folgte ein sieben Jahre währendes Wachstum schnitt – zurückgegangen ist. Die Bandbreite im der hessischen Wirtschaft. Der Höhepunkt wurde im Bundesländervergleich wird von Berlin (-0,4 %) und Jahr 2016 mit einem BIP-Plus von 2,7 % erreicht, dem Saarland (-2,2 %) abgesteckt. zu dem auch das hessische Verarbeitende Gewer- be einen beträchtlichen Beitrag leistete. Seitdem Bei der Interpretation der Angaben ist zu beachten, sind die Wachstumsraten sukzessive zurückgegan- dass aufgrund flexibler Arbeitsverhältnisse (Teilzeit, gen, was maßgeblich wiederum auf die Industrie- Minijob etc.) nicht jede erwerbstätige Person mit ei- konjunktur – dieses Mal jedoch mit umgekehrtem nem Vollzeitarbeitsplatz gleichzusetzen ist. Vor dem Vorzeichen – zurückzuführen ist. Wird von dem re- Hintergrund der Auswirkungen der Pandemie ist lativ geringen Rückgang des BIP im Jahr 2012 ab- zudem auf die Kurzarbeit und auf Regelungen wie gesehen, hat mit der Corona-Pandemie eine zehn- Gleitzeit- / Überstundenkonten zu verweisen. Damit jährige Phase positiver Wachstumsraten in Hessen kann sich die tatsächlich geleistete Arbeitszeit der ihr Ende gefunden. Die durch die Pandemie und die Erwerbstätigen von der vertraglich vereinbarten un- Bruttoinlandsprodukt* in Hessen und Deutschland 2009 bis 2020 (Veränderung gegenüber Vorjahr in %) 6,0 4,2 3,9 3,0 3,6 2,7 3,0 2,2 2,2 2,2 2,6 1,7 1,5 0,5 0,4 0,5 0,9 1,3 1,0 0,6 0,4 0,0 -0,9 -3,0 -6,0 Hessen Deutschland -4,9 -5,7 -5,6 -7,2 -9,0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 * preisbereinigt Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder. 6 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN im Corona-Jahr 2020 zu abweichenden Ergebnis- Erwerbstätigkeit 2020 sen kommt. Über alle Erwerbstätigen hinweg wur- Veränderung des Veränderung den in Hessen im Jahr 2020 gut 4,6 Mrd. Stunden Bundesland Arbeitsvolumens 2019/2020 in % 2019/2020 in % erbracht, was einem Minus gegenüber dem Vorjahr Berlin – 0,4 – 4,6 von 5,1 % entspricht. Damit stellen sich die Aus- Hamburg – 0,5 – 4,4 wirkungen der Corona-Pandemie stärker dar als es Schleswig-Holstein – 0,9 – 3,4 in der Betrachtung der Veränderung der Erwerbstäti- Nordrhein-Westfalen – 1,0 – 4,2 genzahl (-1,1 %) zum Ausdruck kommt. Bayern – 1,0 – 5,0 Niedersachsen – 1,0 – 4,3 Die gilt keineswegs nur für Hessen, sondern bun- Hessen – 1,1 – 5,1 desweit. So wurden im Krisenjahr 2020 von den Er- Brandenburg – 1,1 – 4,0 werbstätigen in Deutschland insgesamt 4,7 % weni- Sachsen – 1,1 – 5,1 Baden-Württemberg – 1,2 – 6,0 ger Stunden erbracht als noch im Jahr 2019. Nach Bremen – 1,2 – 4,4 Bundesländern differenziert wird für Schleswig-Hol- Rheinland-Pfalz – 1,4 – 4,6 stein (-3,4 %) das geringste Stundenminus ausge- Mecklenburg-Vorpom. – 1,4 – 3,6 wiesen. Am anderen Ende des Rankings befinden Sachsen-Anhalt – 1,4 – 4,1 sich Baden-Württemberg und das Saarland (jeweils Thüringen – 1,9 – 4,8 -6,0 %). Saarland – 2,2 – 6,0 Deutschland – 1,1 – 4,7 Erwerbstätigkeit im Jahr 2020 auch im Dienst- Quelle: AK Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder. leistungssektor niedriger terscheiden. Beides – die Inanspruchnahme von Kurzarbeit und der Abbau von Guthaben auf Ar- Bereits seit vielen Jahren gehen die expansiven beitszeitkonten – sind bewährte Instrumente der Impulse für die Erwerbstätigkeit überwiegend vom Wirtschaft, um in Krisensituationen auf eine geringe Dienstleistungssektor aus. Über 2,7 Mio. Erwerbstä- Kapazitätsauslastung zu reagieren. tige zählt der Dienstleistungssektor in Hessen mittler- weile, womit sich dessen Anteil an allen Erwerbs- Insofern kann es nicht überraschen, dass eine Be- tätigen in Hessen auf 78,6 % beläuft. Im Produzie- trachtung gemäß dem Konzept des so genannten renden Gewerbe haben hingegen nur gut 720.000 Arbeitsvolumens der Erwerbstätigen, welches die Personen – größter Bereich ist das Verarbeitende Stundenzahl angibt, die tatsächlich erbracht wurde, Gewerbe mit knapp 490.000 Erwerbstätigen – bzw. Erwerbstätige in Hessen und Deutschland nach Wirtschaftsbereichen 2020 Hessen Deutschland Wirtschaftsbereich Änderung Anteil an Änderung Anteil an in 1.000 ggü. 2019 insgesamt ggü. 2019 insgesamt in % in % in % in % Land- und Forstwirtschaft; Fischerei 25,8 – 3,5 0,7 – 3,5 1,3 Produzierendes Gewerbe 722,4 – 1,9 21,0 – 1,6 24,1 darunter: Verarbeitendes Gewerbe 487,6 – 3,2 14,0 – 2,5 16,9 Baugewerbe 192,5 1,1 5,5 0,7 5,7 Dienstleistungsbereiche 2.743,0 – 0,8 78,6 – 0,9 74,7 davon: Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information 962,2 – 1,6 27,6 – 1,8 25,5 u. Kommunikation Finanz-, Versicherungs- u. Unternehmensdienstleister, 718,2 – 1,6 20,6 – 2,2 17,0 Grundstücks- und Wohnungswesen Öffentl. u. sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit 1.062,6 0,5 30,4 0,6 32,2 Insgesamt 3.491,2 – 1,1 100,0 – 1,1 100,0 Quelle: AK Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder, Berechnungen der Hessen Agentur. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 7
SCHWERPUNKTTHEMEN 21,0 % der Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz. Der legungen in der Wirtschaft zur Stärkung der Resili- Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei kommt enz letztlich wirklich dazu führen, dass vormals ins mit 26.000 Erwerbstätigen für den hessischen Ar- Ausland verlagerte Schritte der Wertschöpfungsket- beitsmarkt eine untergeordnete Rolle zu. te wieder zurückgeholt werden („Reshoring“), bleibt allerdings abzuwarten. Und wie hat sich der „Beschäftigungsmotor“ Dienst- leistungssektor in der Krise geschlagen? In gewis- Hessen mit Spitzenplatz bei Arbeitsproduktivität ser Weise wurde dieser seinem Ruf gerecht, denn die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Teil der hes- Die Arbeitsproduktivität stellt sozusagen die Synthe- sischen Wirtschaft ist nur unterdurchschnittlich stark se zwischen den Ausführungen zum BIP und denen zurückgegangen (-0,8 %). Im Produzierenden Ge- zur Erwerbstätigkeit dar, denn als Maß für die Ar- werbe (-1,9 %) nahm die Erwerbstätigenzahl stärker beitsproduktivität wird üblicherweise das BIP je Er- ab, wobei das Baugewerbe (+1,1 %) den Rückgang werbstätigen herangezogen. im Verarbeitenden Gewerbe (-3,2 %) teilweise kom- pensieren konnte. Der Blick auf die entsprechenden Die Arbeitsproduktivität beläuft sich in Hessen auf Veränderungsraten des Jahres 2020 auf Bundes- 80.600 Euro je Erwerbstätigen, d.h. rein rechnerisch ebene zeigt ein sehr ähnliches Bild. erwirtschaftete jede erwerbstätige Person in Hes- sen einen Beitrag in dieser Höhe zum BIP des Jah- Vergleicht man die jeweiligen Anteile des Dienst- res 2020. Hessen nimmt damit im Vergleich der leistungssektors, so fällt die Bedeutung der Dienst- Länder den ausgezeichneten zweiten Rang hinter leistungen in Hessen mit 78,6 % höher aus als auf Hamburg (91.900 Euro) und vor Bayern (79.800 Eu- Bundesebene (74,7 %). Der Strukturwandel in Rich- Bruttoinlandsprodukt* 2020 tung Dienstleistungsbereiche („Tertiärisierung“) hat je Erwerbstätigen (in Euro) in Hessen wie auch im Bund allerdings nicht mehr die Dynamik wie noch zu Beginn der 2000er Jahre.2 Hamburg 91.900 Dies verdeutlicht der Blick zehn bzw. 20 Jahre zu- Hessen 80.600 rück: Im Jahr 2010 lagen die entsprechenden Antei- Bayern 79.800 le für Hessen (77,5 %) und für Deutschland insge- Baden-Württemberg 79.300 samt (74,0 %) etwas geringer als heute. Zwischen Berlin 74.200 2000 (Hessen: 73,4 %, Deutschland: 69,7 %) und Bremen 73.000 2010 ist die Bedeutung des Dienstleistungssektors Nordrhein-Westfalen 73.000 für die Erwerbstätigkeit klar stärker gestiegen. Niedersachsen 72.000 Rheinland-Pfalz 70.200 Angesichts der während der Pandemie gemachten Schleswig-Holstein 68.400 Erfahrungen ist es nicht auszuschließen, dass zu- Brandenburg 66.100 künftig von der Industrie wieder mehr Beschäfti- Saarland 64.200 gungsimpulse ausgehen. Denn die weltweite Aus- Sachsen-Anhalt 63.200 breitung des neuartigen Coronavirus hat die Anfäl- Mecklenburg-Vorpommern 61.500 ligkeit der internationalen Lieferketten deutlich vor Sachsen 61.300 Augen geführt. Es gilt deshalb, der Resilienz mehr Thüringen 60.100 Gewicht einzuräumen. So kann etwa eine Erhöhung Deutschland 74.400 der Fertigungstiefe einen Beitrag dazu leisten, um * in jeweiligen Preisen Abhängigkeiten zu reduzieren. Ob derartige Über- Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder. _____________________ 2) Anteilsverschiebungen im Zeitablauf können allerdings zum Teil auch methodisch bedingt sein. Die Zuordnung der Unternehmen zu Wirtschaftsbereichen gemäß Schwerpunkt der Aktivitäten kann bewirken, dass z.B. im Fall ausgelagerter Dienstleistungen, welche vormals vom Verarbeitenden Gewerbe selbst durchgeführt wurden (z.B. Logistik, Forschung und Entwicklung), die Erwerbstätigen nun zum Dienstleistungssektor gezählt werden. Ein Teil des sektoralen Strukturwandels ist auf derartige „statistische Umbuchungen“ zu- rückzuführen, wobei der Anteil leider nicht bekannt ist. In diesem Kontext ist auch die Branche der Arbeitnehmerüberlassung zu nen- nen, die dem Dienstleistungsbereich zugeordnet wird, deren Arbeitskräfte allerdings auch im Verarbeitenden Gewerbe tätig sind. 8 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN ro) ein. Wie bereits seit vielen Jahren, so belegt Platz von Hessen unter den Flächenländern hat Hessen also auch im Krisenjahr 2020 die Spitzen- aber auch anhand der modifizierten Kenngröße position unter den Flächenländern. Das in Hessen „BIP je geleistete Arbeitsstunde der Erwerbstätigen“ je Erwerbstätigen erwirtschaftete BIP fällt um knapp Gültigkeit. Für Deutschland wird für das Jahr 2020 ein Zehntel höher aus als der Bundesdurchschnitt ein Wert von 55,90 Euro ausgewiesen. Für Hessen (74.400 Euro). stehen 60,70 Euro zu Buche, d.h. ebenfalls knapp ein Zehntel mehr. Die Kennziffer BIP je Erwerbstätigen berücksichtigt keine unterschiedlichen Arbeitsvolumina der Erwerb- Dr. Claus Bauer stätigen, was bereits thematisiert wurde. Der erste HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 9
SCHWERPUNKTTHEMEN Corona-Krise aus der Perspektive der Kurzarbeit Vorbemerkung vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall mit Ent- geltausfall vorliegt und die persönlichen sowie be- Kurzarbeit ist ein wichtiges Arbeitsmarktinstrument, trieblichen Voraussetzungen erfüllt sind. um in Krisenzeiten den Anstieg der Arbeitslosigkeit - Saison-Kurzarbeitergeld erhalten fast ausschließ- zu begrenzen. Die Unternehmen erfahren eine Ent- lich Betriebe des Baugewerbes in der Schlechtwet- lastung bei den Arbeitskosten, der Einkommensver- terzeit. Es wird bei wirtschaftlich bedingtem Arbeits- lust bei den Beschäftigten wird durch das Kurzarbei- ausfall sowie aus witterungsbedingten Gründen ge- tergeld abgefedert. Idealerweise behalten auf diese währt. Art und Weise die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz - Transferkurzarbeitergeld kann zum einen zur Ver- und die Unternehmen können ihre Fachkräfte – und meidung von Entlassungen beantragt werden, zum damit das Know-how – halten. anderen zur Verbesserung der Vermittlungschan- cen bei Betriebsänderungen, die einen Personalab- So war es denn auch eine der ersten Maßnahmen bau nach sich ziehen. Voraussetzung ist jeweils ein der Bundesregierung zur Stabilisierung von Wirt- dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall. schaft und Arbeitsmarkt, in der beginnenden Krise den Zugang zur Kurzarbeit zu erleichtern. Dies ge- Daten zur Kurzarbeit liegen in zwei grundlegenden hörte bereits in der weltweiten Finanz- und Wirt- Formen mit unterschiedlichen Wartezeiten vor: schaftskrise 2008 / 2009 zu den wirtschaftspoliti- schen Maßnahmen. So wurde u.a. das Quorum, - Anzeigen über Kurzarbeit: Die Betriebe müssen wonach mindestens ein Drittel der Beschäftigten vor Beginn von Kurzarbeit eine Anzeige bei der zu- des Betriebs von Arbeitsausfall betroffen sein muss, ständigen Agentur für Arbeit stellen. Bei der ange- auf 10 % gesenkt. Zudem wurde im Laufe der zeigten Kurzarbeit handelt es sich um eine Absichts- Corona-Krise das Kurzarbeitergeld erhöht und die erklärung. Ob, wie lange und in welchem Umfang maximale Bezugsdauer auf 24 Monate verlängert. dann tatsächlich Kurzarbeit stattfindet, lässt sich aus der Kurzarbeiteranzeige nicht ableiten. Daher sind Vor diesem Hintergrund wird in dem vorliegenden die Anzeigen nur eingeschränkt als Indikator für po- Beitrag – in Ergänzung bzw. in Vertiefung des vor- tenzielle Zugänge in Kurzarbeit zu interpretieren – anstehenden Schwerpunktthemas zur Wirtschafts- stehen allerdings bereits Ende des Folgemonats zur entwicklung im Jahr 2020 – die Entwicklung der Verfügung. Kurzarbeit während der Pandemie betrachtet. - Realisierte Kurzarbeit: Demgegenüber gibt die Sta- tistik der realisierten Kurzarbeit Auskunft über die Zum Begriff der Kurzarbeit und zu den verwen- tatsächliche Inanspruchnahme von Kurzarbeit und deten Daten liefert z.B. Daten zur Zahl der tatsächlich betroffe- nen Personen und zur Höhe des Arbeitsausfalls in Als Kurzarbeiterinnen bzw. Kurzarbeiter gelten Be- tiefer wirtschaftsfachlicher Gliederung. Diese Anga- schäftigte, bei denen wegen eines vorübergehenden ben basieren auf den Anträgen der Unternehmen Arbeitsausfalles über 10 % der betriebsüblichen Ar- zur Abrechnung und liegen deshalb erst nach einem beitszeit ausfällt und die Anspruch auf Kurzarbeiter- halben Jahr vor. geld haben. Nachfolgend wird ausschließlich auf die endgültigen Es gibt drei Arten der Lohnersatzleistung Kurzarbei- Daten zur realisierten Kurzarbeit zurückgegriffen, tergeld gemäß SGB III (Sozialgesetzbuch III): die bis einschließlich November 2020 vorliegen. Der Blick auf die Entwicklung in den letzten Monaten - Kurzarbeitergeld aus wirtschaftlichen und konjunk- anhand von Hochrechnungen zur realisierten Kurz- turellen Gründen kann gewährt werden, wenn ein arbeit und Kurzarbeiteranzeigen ist regelmäßig Ge- 10 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit1 von Januar 2020 bis November 2020 500.000 470.029 473.300 396.340 Konjunkturell 400.000 Saison 305.881 300.000 261.124 472.544 469.252 233.717 232.434 219.392 213.412 395.587 200.000 305.058 260.104 200.636 232.703 230.955 212.363 100.000 26.845 30.118 8.856 9.707 0 17.011 19.493 17.851 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 1 Vgl. Fußnote 1 im Text. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. genstand der laufenden Konjunkturberichterstattung 17.851 – förmlich in die Höhe. Zwar wurde bereits im zweiten Teil des Konjunkturspiegels. Ende Januar der erste Fall einer Infektion mit COVID-19 in Deutschland verzeichnet und einen Kurzarbeit infolge der Pandemie regelrecht ex- Monat später auch in Hessen – doch mit dem Ge- plodiert – aber auch zügig wieder deutlich ge- schehen, das in den nächsten Wochen folgen soll- sunken te, wurde offenkundig nicht gerechnet. Zumindest gaben die Anzeigen zur Kurzarbeit des Monats Zu Jahresbeginn 2020 war die Welt – aus Sicht der Februar 2020 keinerlei Hinweise auf einen derarti- Kurzarbeit betrachtet – sozusagen noch weitestge- gen Anstieg der Kurzarbeit. Die behördlichen Maß- hend in Ordnung. Die Zahl der Kurzarbeiterinnen nahmen zum Infektionsschutz im Zuge der Ausbrei- und Kurzarbeiter in Hessen belief sich im Januar tung der Pandemie – in Hessen u.a. am 17. März 2020 auf 26.845 Personen, im Februar 2020 gingen die Schließung der Sport-, Freizeit- und Vergnü- 30.118 Beschäftigte einer Kurzarbeit nach. Zwar lief gungseinrichtungen sowie am 22. März die Umset- der Konjunkturmotor in der Industrie bereits seit et- zung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten lichen Monaten nicht mehr rund, doch hatte dies Kontaktbeschränkungen – sowie die Verhaltens- noch keine merklichen Auswirkungen auf die Kurz- anpassungen der Haushalte und der Unternehmen arbeit, die sich mit insgesamt 20.000 bis 30.000 Be- bewirkten jedoch einen massiven Einbruch sowohl schäftigten im saisonüblichen Rahmen bewegte. Wie der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage als auch des gewöhnlich im Winter handelte es sich überwiegend Angebots. Stellte bereits die Zahl der Kurzarbeiter – zu rund zwei Dritteln – um Beschäftigte so ge- im März 2020 einen Rekordwert da, so verdoppelte nannter Außenberufe (u.a. Baugewerbe, Garten- sich diese im April sogar noch auf 470.029 Perso- und Landschaftsbau), die Saison-Kurzarbeitergeld nen und stieg im Mai nochmals leicht auf 473.300 bezogen. Rund ein Drittel der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter hessenweit. Auf Kurzarbeiter im Januar und Februar 2020 erhielt dem Arbeitsmarkt hat sich die Pandemie damit vor konjunkturellen Kurzarbeitergeldes, jeweils knapp allem in einer beispiellosen Ausweitung der Kurzar- 1.000 Personen Transferkurzarbeitergeld.1 beit und einer entsprechenden Verringerung der Arbeitszeit niedergeschlagen. Im März 2020 schossen die Kurzarbeiterzahlen mit hessenweit 219.392 Personen – konjunkturelles Erfreulicherweise nahm aufgrund der Lockerungen Kurzarbeitergeld: 200.636, Saison-Kurzarbeitergeld: bei den Infektionsschutzmaßnahmen (z.B. Öffnung _____________________ 1) Die Zahl der Bezieher von Transferkurzarbeitergeld liegt im gesamten Betrachtungszeitraum bei rund 1.000 Personen pro Monat und ist somit von untergeordneter Bedeutung. Auf diese Anspruchsgrundlage wird deshalb nachfolgend nicht mehr eingegangen. Sie ist in den Daten jedoch enthalten und ergibt sich in der Grafik aus der Differenz zwischen der Kurzarbeiterzahl insgesamt und der konjunktu- rellen Kurzarbeit. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 11
SCHWERPUNKTTHEMEN der Gastronomie ab 15. Mai) sowie der zahlreichen verdeutlicht die außerordentliche Inanspruchnahme Maßnahmen von Bund und Ländern zur Stützung des Arbeitsmarktinstruments der Kurzarbeit während der Wirtschaft die wirtschaftliche Aktivität im Laufe der Corona-Pandemie. Der höchste Stand in der des Mai 2020 wieder zu – mit den entsprechend Krise von vor gut zehn Jahren war im April 2009 er- positiven Effekten auf die Arbeitsnachfrage. Infolge- reicht, als in Hessen 96.990 Beschäftigte Kurzarbei- dessen konnten viele Beschäftigte ihre Kurzarbeit tergeld erhielten. Dem standen elf Jahre später – beenden: Die Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit wiederum in einem April – 470.029 kurzarbeitende ging sowohl im Juni 2020 (-77.000) als auch im Juli Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber, 2020 (-90.000) erheblich zurück, um dann bis Okto- d.h. in etwa das Fünffache! Dieses erheblich höhere ber 2020 sukzessive weiter auf 213.412 Personen Niveau ist der augenfälligste Unterschied in puncto abzunehmen. Kurzarbeit zwischen den beiden Wirtschaftskrisen. Aber auch der Verlauf stellt sich abweichend dar, Die massive Verschärfung des Infektionsgeschehens denn der Anstieg der Kurzarbeit gestaltete sich im Laufe des Oktobers erforderte allerdings neuerli- 2009 langsamer als im Jahr 2020. Dies gilt ebenso che Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. für den Rückgang: Es dauerte rund ein Jahr bis die Obgleich diese summa summarum weniger strikt Kurzarbeit in etwa auf die Hälfte des Höchststands („Lockdown light“) als im Frühjahr ausfielen, hatten vom April 2009 gesunken war, während dies in der sie dennoch negative Folgen für die Kurzarbeit. Der Pandemie im Zuge der gesundheitspolitischen Lo- Rückgang der Kurzarbeit kam nicht nur zum Erlie- ckerungen nach dem Lockdown im Frühjahr binnen gen, sondern von Oktober auf November 2020 stieg vier Monaten der Fall war. Nach rund zwei Jahren die Zahl der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeit wie- lag die Kurzarbeit damals wieder auf dem Niveau der an – und zwar um 19.000 auf 232.434 Perso- des Jahresanfangs 2009 und verharrte auch in den nen. Rund ein dreiviertel Jahr nach dem ersten nächsten Jahren dort – mit den saisonüblichen Corona-Fall in Hessen betrug die Kurzarbeiterzahl Schwankungen. Wie lange es in der aktuellen Krise damit zwar „nur“ noch rund die Hälfte des Rekord- dauern wird, bis das Level von vor der Pandemie wertes aus dem Mai, lag aber immer noch weit von wieder erreicht wird, lässt sich derzeit kaum ab- der Inanspruchnahme in „normalen“ Zeiten entfernt. schätzen. Zum Vergleich: Die Kurzarbeiterzahl in den Jahren 2012 bis 2018 blieb im November jeweils – zum Teil Durchschnittlicher Arbeitsausfall teilweise bei deutlich – unter der Marke von 10.000 Personen. rund 50 % Kurzarbeit während der Corona-Krise um ein Kurzarbeitergeld kann bereits ab einem relativ ge- Mehrfaches höher als in der Rezession 2009 ringen Arbeitsausfall von mehr als 10 % gewährt werden, wobei darüber hinaus noch weitere persön- Der Vergleich mit der letzten großen Rezession, der lich und betriebliche Voraussetzungen erfüllt sein globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 / 2009, müssen. Im Durchschnitt ist der Arbeitsausfall je- Zahl der Beschäftigten in Kurzarbeit von Januar 2008 bis November 2020 500.000 Mai 2020: 473.300 400.000 300.000 200.000 April 2009: 96.990 100.000 0 Jan 08 Jan 09 Jan 10 Jan 11 Jan 12 Jan 13 Jan 14 Jan 15 Jan 16 Jan 17 Jan 18 Jan 19 Jan 20 Nov 20 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. 12 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN Durchschnittlicher Arbeitsausfall von Januar 2020 bis November 2020 (in %) in % 100,0 80,0 60,0 53,3 46,7 50,8 43,1 43,1 42,5 42,9 44,4 36,6 36,9 33,9 40,0 20,0 0,0 Jan 20 Feb 20 Mrz 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Aug 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit. doch deutlich höher – und dies nicht nur in Krisen- Kurzarbeit – bei weitem nicht nur ein Thema für zeiten. So wird der durchschnittliche Arbeitsausfall das Produzierende Gewerbe in den beiden Vorkrisenmonaten, d.h. für den Janu- ar und den Februar 2020, mit 36,6 % bzw. 36,9 % Wie stellt sich die Aufteilung der Kurzarbeit auf die angegeben. unterschiedlichen Bereiche der hessischen Wirt- schaft dar? Für den März 2020 steht ein Arbeitsausfall von 33,9 % zu Buche, wobei zu beachten ist, dass die Von den insgesamt 473.300 Beschäftigten in Kurz- beiden ersten Märzwochen noch weitgehend unbe- arbeit im Mai 2020 sind 28 % bzw. 130.125 Perso- einflusst von der Pandemie verlaufen sind. Ein be- nen dem Produzierenden Gewerbe ohne Bau, d.h. trächtlicher Teil der 219.392 Kurzarbeiterinnen und im Wesentlichen der Industrie, zuzuordnen. So gin- Kurzarbeiter dürfte deshalb in der ersten Märzhälfte gen bspw. in der Automobilindustrie („Herstellung noch ihre volle Arbeitszeit erbracht haben, um sich von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“) hessenweit dann im Extremfall mit einem Arbeitsausfall von Beschäftigte in Kurzarbeit im Mai 2020 100 % („Kurzarbeit null“) konfrontiert zu sehen. Im nach Wirtschaftsbereichen April nahm der Arbeitsausfall auf 53,3 % zu – dies bedeutet, dass die hessenweit 470.029 kurzarbei- 324 0,1% tenden Beschäftigten im Durchschnitt weniger als die Hälfte ihrer üblichen Arbeitszeit ableisten konn- 54.357 ten. 11% 130.125 83.594 28% In den Folgemonaten reduzierte sich der durch- 18% schnittliche Arbeitsausfall bis auf 42,5 % im August 9.831 2020, um dann wieder schrittweise auf 50,8 % im 2% November 2020 anzusteigen. Wenn auch der No- 195.069 vemberwert wieder in etwa der Größenordnung des 41% Arbeitsausfalls eines kurzarbeitenden Beschäftigten im April entspricht, so ist doch die Kurzarbeiterzahl Land- und Forstwirtschaft, Fischerei weniger als halb so hoch – und damit auch das ge- Produzierendes Gewerbe ohne Bau samtwirtschaftliche Beschäftigungsäquivalent nied- Baugewerbe riger. Aus Sicht eines durchschnittlichen Beschäftig- ten in Kurzarbeit stellt eine um rund die Hälfte redu- Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information u. Kommunikation zierte Arbeitszeit jedoch zweifellos einen beträchtli- Finanz-, Versicherungs- u. Unternehmensdienstleister, chen Einkommensverlust dar, der durch das Kurz- Grundstücks- u. Wohnungswesen arbeitergeld zwar abgefedert, aber nicht vollständig Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen der kompensiert wird. Hessen Agentur. HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 13
SCHWERPUNKTTHEMEN 35.650 Beschäftigte einer Kurzarbeit nach. Weitere Tabelle die am stärksten betroffenen Wirtschaftsab- 2 % (9.831) waren im Baugewerbe tätig. teilungen („Zweisteller“ der Wirtschaftszweigsys- tematik) auf – und zwar jeweils zum Mai 2020, dem Der größte Bereich (41 % bzw. 195.069 Personen) Höchststand der Kurzarbeiterzahlen in Hessen, und ist „Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und zum November 2020 (aktuelle Angaben). Dabei Kommunikation“ mit allein 65.273 Kurzarbeiterinnen wurde eine Grenze bei einer Kurzarbeiterquote von und Kurzarbeitern im Handel, 53.791 im Gastge- rund 50 % gezogen. werbe und 34.494 in der Luftfahrt. Es folgt der Teil- sektor „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmens- Über die gesamte hessische Wirtschaft hinweg be- dienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen“ lief sich die Kurzarbeiterquote im Mai 2020 auf 18 %, mit 83.594 kurzarbeitenden Beschäftigten, was ei- d.h. etwa jeder sechste der insgesamt mehr als nem Anteil von 18 % an der Gesamtzahl im Mai 2,6 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2020 entspricht. Zu diesem Teil der hessischen Wirt- in Hessen erhielt Kurzarbeitergeld. Was waren die – schaft gehören z.B. Reisebüros und Reiseveran- gemessen an der Kurzarbeiterquote – am stärksten stalter (6.002 Personen in Kurzarbeit) und die Zeit- betroffenen Branchen? arbeitsbranche (10.672). Der Bereich „Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ Die mit Abstand höchste Kurzarbeiterquote aller zählte im Mai 2020 insgesamt 54.357 Kurzarbeite- Wirtschaftsabteilungen weist die Luftfahrt (92 %) rinnen und Kurzarbeiter (11 %). auf. Der Personenflugverkehr ist in der Krise fast vollständig zum Erliegen gekommen. In der Konse- Damit waren am Höhepunkt der Corona-Krise 70 % quenz befanden sich mit 34.494 Personen nahezu der Kurzarbeitergeld beziehenden Beschäftigten sämtliche in diesem Teil der hessischen Wirtschaft dem Dienstleistungssektor zuzuordnen und dem- Beschäftigten in Kurzarbeit. entsprechend – da Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (0,1 % bzw. 324 Kurzarbeiter) von nach- Auf dem zweiten Rang folgt mit einer Kurzarbeiter- rangiger Bedeutung sind – 30 % dem Produzieren- quote von 66 % das Beherbergungsgewerbe, d.h. den Gewerbe. Der Vergleich mit den Erwerbstäti- Hotels, Gasthöfe und Pensionen, aber auch z.B. Ju- gen (vgl. das Schwerpunktthema zur Wirtschafts- gendherbergen und Campingplätze. Infolge des Ver- entwicklung in Hessen 2020, Tabelle auf S. 7 un- bots von touristischen Übernachtungen und der von- ten) zeigt, dass dies in etwa der sektoralen Gliede- seiten der Wirtschaft drastisch reduzierten Dienst- rung der Erwerbstätigen entspricht. Während der reisen hatten viele Unternehmen geschlossen. Ent- Rezession im Jahr 2009 waren hingegen mehr als sprechend hoch fiel in der Branche die Kurzarbeit zwei Drittel der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter aus (14.628 Beschäftigte). Beschäftigte des Produzierenden Gewerbes. In einem recht kleinen Bereich der hessischen Wirt- Blick auf einzelne Branchen: Luftfahrt mit Ab- schaft – nämlich dem Spiel-, Wett- und Lotteriewe- stand am stärksten betroffen sen – waren 3.035 Beschäftigte in Kurzarbeit, was einer Kurzarbeiterquote von 65 % entspricht. Zahl- Ergänzend zu den o.g. Angaben zum Ausmaß der reiche Anbieter wie Spielhallen und Casinos muss- Kurzarbeit wird nachfolgend eine relative Größe be- ten im Zuge der Maßnahmen zum Infektionsschutz trachtet – und zwar das Verhältnis von Kurzarbei- schließen, zudem pausierten nahezu alle für Wett- terzahl zur Zahl der sozialversicherungspflichtig Be- büros relevanten Sportwettbewerbe. schäftigten (Kurzarbeiterquote2). Damit können Un- terschiede zwischen den Wirtschaftszweigen hin- 62 % aller Beschäftigten der hessischen Reisebran- sichtlich der Inanspruchnahme von Kurzarbeit bes- che („Reisebüros, Reiseveranstalter und sonstige ser dargestellt werden. Diese sind letztlich auch ein Reservierungsdienstleistungen“) waren im Mai 2020 Indiz für das Ausmaß der Betroffenheit durch die Bezieher von Kurzarbeitergeld – insgesamt 6.002 Corona-Krise. In diesem Sinne führt die umseitige Personen. Beherbergungsverbote (keineswegs nur _____________________ 1) Zur (näherungsweisen) Berechnung der Kurzarbeiterquote wurde jeweils die Zahl der Kurzarbeiter auf die Zahl der sozialversiche- rungspflichtig Beschäftigten des aktuellen Quartals bezogen. 14 HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021
SCHWERPUNKTTHEMEN Kurzarbeit nach Wirtschaftsbereichen Mai 2020 November 2020 Zahl der Kurz- Zahl der Kurz- Wirtschaftsbereiche Kurz- arbeiter- Wirtschaftsbereiche Kurz- arbeiter- arbeiter quote1 in % arbeiter quote1 in % Insgesamt 473.300 18 Insgesamt 232.434 9 darunter: darunter: Luftfahrt 34.494 92 Luftfahrt 31.119 86 Beherbergung 14.628 66 Spiel-, Wett- u. Lotteriewesen 2.910 62 Spiel-, Wett- u. Lotteriewesen 3.035 65 Beherbergung 12.053 59 Reisebüros, Reiseveranstalter, sonstige Reisebüros, Reiseveranstalter, sonstige 6.002 62 4.568 51 Reservierungsdienstleistungen Reservierungsdienstleistungen Gastronomie 39.163 61 Gastronomie 30.431 49 Herst. v. Leder, Lederwaren u. Schuhen 693 60 Herst. v. Kraftwagen u. Kraftwagenteilen 35.650 59 1 Zahl der Kurzabeiter bezogen auf Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Berechnungen der Hessen Agentur. in Deutschland), Auflagen bei der Ein- und Ausreise Automobilzulieferern – war die Fertigung aufgrund und die zum Teil geschlossenen touristischen Ange- des Nachfrageeinbruchs und der Notwendigkeit, die bote haben die Nachfrage nach den Dienstleistun- Abstands- und Hygieneregeln zu implementieren, gen der Reisebranche einbrechen lassen. Und oh- für mehrere Wochen gestoppt. Es folgte eine Phase ne Sportveranstaltungen, Konzerte, Theaterauffüh- des langsamen „Hochfahrens“ der Produktion. rungen etc. bedarf es auch keiner Reservierungs- dienstleistungen. Welches Bild bietet sich im November 2020? Für fünf (Mai 2020: sieben) Branchen liegt die Kurzar- 39.163 Beschäftigte in Kurzarbeit wurden im Mai beiterquote nach wie vor bei rund der Hälfte oder 2020 in der heimischen Gastronomie ausgewiesen. darüber. Hierbei handelt es sich um die gleichen Damit erhielten 61 % aller Beschäftigten der Bran- Branchen, die bereits ein halbes Jahr zuvor die ers- che Kurzarbeitergeld. Die zahlreich eingerichteten ten fünf Ränge belegten. Zwar hat bei allen die Abhol- und Bringdienste vermochten sicherlich bei Kurzarbeit – sowohl gemessen an der Absolutzahl dem einen oder anderen Betrieb das Umsatzminus als auch an der Quote – abgenommen, doch hielt abzufedern – ein Ersatz für die angeordnete Schlie- sich der Rückgang größtenteils in engen Grenzen ßung der Bewirtung vor Ort konnten sie naturge- und fiel klar unterdurchschnittlich aus. So z.B. bei mäß nicht sein. Zumal dies etwa für Clubs und Bars der Luftfahrt: 34.494 Beschäftigten in Kurzarbeit im keine Option darstellt. Mai 2020 (Kurzarbeiterquote: 92 %) stehen 31.119 (86 %) im November 2020 gegenüber. Im Vergleich Damit befinden sich auf den ersten fünf Rängen – dazu hat sich in der hessischen Wirtschaft insge- gemessen an der Kurzarbeiterquote – ausschließlich samt die Kurzarbeiterquote von 18 % auf 9 % hal- Dienstleistungen. In zwei Branchen der hessischen biert. Überdurchschnittlich fiel der Rückgang insbe- Industrie waren im Mai 2020 ebenfalls über die sondere in der Industrie (29 % auf 11 %) und im Hälfte der Beschäftigten in Kurzarbeit. Zum einen in Handel (18 % auf 6 %) aus. einem sehr kleinen Industriezweig, der Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen (Kurzarbeiter: Dr. Claus Bauer 693, Kurzarbeiterquote: 60 %). Und zum anderen bei einem ausgesprochenen „Schwergewicht“ der hessischen Industrie, der Herstellung von Kraftwa- gen und Kraftwagenteilen. 35.650 Beschäftigte bzw. 59 % mussten kurzarbeiten. Denn in sämtlichen Au- tomobilwerken in Hessen – und auch bei einigen HESSISCHER KONJUNKTURSPIEGEL 1. QUARTAL • 2021 15
Sie können auch lesen