Medizinrecht Kommentar - Prütting 6. Auflage Prof. Dr. Dorothea Prütting Ministerialdirigentin i.R., Honorarprofessorin an der juristischen ...

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Prütting

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Medizinrecht Kommentar
Herausgegeben von

Prof. Dr. Dorothea Prütting
Ministerialdirigentin i.R., Honorarprofessorin an der juristischen Fakultät der
Ruhr-​Universität Bochum

6. Auflage

                                                                                  ​­

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Leseprobe
Zitiervorschlag: MedR-​Komm/​Bearbeiter § … Rn….

                              Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
                              Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
                              Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
                              http://​dnb.d-​nb.de abrufbar.

                              ISBN 978-​3-​472-​09725-​9                        ­

                          ­
Luchterhand Verlag 2022

                              www.wolterskluwer.de
                              Alle Rechte vorbehalten.
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                              Satz: NewGen Knowledge Works (P) Ltd., Chennai
                              Druck und Weiterverarbeitung: CPI, Deutschland

                              Gedruckt auf säurefreiem alterungsbeständigem chlorfreiem Papier.

                                                                    Leseprobe
Vorwort

    Neben der laufenden Aktualisierung der Gesetzestexte und ihrer Kommentierungen wurden in der
    6. Auflage des Werkes neue Akzente gesetzt.
    Das Autorenteam wurde erweitert. Es konnten zusätzlich Damen und Herren aus der Rechtsan-
    waltschaft, Bundesverbänden im Gesundheitswesen, der Bundesministerial-​und -​oberbehörden-
    verwaltung sowie der Kostenträgerseite gewonnen­ werden, die ihr Know-​how eingebracht haben.
    Das deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) ist durch die einschlägige, unmittelbar geltende EU-​
    Verordnung bis auf Vorschriften zum Datenbankgestützten Informationssystem und zur Europäi-
    schen
        ​ Datenbank entkernt worden. Die Kommentierung zum Medizinprodukterecht musste voll-
    ständig neu erarbeitet werden.
    Durch die Aufnahme von kommentierten Vorschriften des PsychThG ist die berufsrechtliche Kom-
    ponente des Kommentars, das ärztliche Heilberufsrecht, vervollständigt worden.
    Neuaufnahme hat das Infektionsschutzrecht gefunden, das in seinen Grundstrukturen schwer-
    punktmäßig erläutert worden ist. Dabei wurde berücksichtigt, dass ein einbändiger Kommentar
    nicht den Anspruch erheben kann, alle Facetten zu beleuchten, die aus Gesetzgebung und Verord-
    nungserlass resultieren, die sich teilweise im halbmonatlichen Turnus erregerbezogenen ändern, wie
    dies bei der SARS-​CoV-​19-​Gesetzgebung der Fall war.
    Die Behandlung von Problemen der Insolvenzfähigkeit im Gesundheitswesen sowie das Thema der
    Aufbewahrung von Krankenunterlagen in der Insolvenz gesundheitlicher Einrichtungen wurden
    ausgebaut.
    Ebenfalls neu aufgenommen wurde eine Kommentierung der Vorschriften des SGB V, die sich mit
    der elektronischen Patientenakte befassen. Die Normen sind durch das Patienten-​Datenschutz-​
    Gesetz 2020 eingeführt worden.
    Die widerstreitenden Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur über das 30 Jahre alte ESchG,
­   das Ärzteverbände, Wissenschaftler und vor allem betroffene Paare überarbeitet wissen wollen, wur-
    den in die überarbeitete Kommentierung eingepflegt. Die Gesetzgebung müsse ein »zeitgemäßes«
    Fortpflanzungsmedizin-​Gesetz auf den Weg bringen, so Taupitz, Universität Heidelberg, bereits im
    Jahr 2019.

                                                                                                         Luchterhand Verlag 2022
    Der Kommentar nimmt im Übrigen Stellung zu einer Vielzahl von medizin-​und gesundheitsrecht-
    lichen Problemen, gibt Hilfen zum Gesetzesverständnis und ist im Praxisalltag, der kurzfristige
    Entscheidungen erfordert, kaum mehr wegzudenken.
    Dem Autorenteam und dem Verlag sei an dieser Stelle besonders für den hoch engagierten Einsatz,
    die wertvollen Beiträge und die Sorgfalt bei der stets herausfordernden Aktualisierung des Werkes
    gedankt. Anregungen aus der Nutzerschaft konnten aufgenommen werden. Sie sind auch weiter-
    hin im Interesse eines immer weiter zu verbessernden Angebots unter redaktion.medrkommentar@
    wolterskluwer.de oder in Rezensionen sehr willkommen.
    Bochum im Oktober 2021                                                Dorothea Prütting

                                        Leseprobe
                                                                                                   V
Bearbeiterverzeichnis

    Marie Anton
    Referentin Medizinprodukterecht beim Bundesverband der Arzneimittel Hersteller e.V.
    (BAH), Bonn
    Dr. Frank Becker                                  ­
    Rechtsanwalt, Münster
    Walter Böttiger
    Ministerialrat, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, Stuttgart
        ​
    Dr. Sebastian Braun
    Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Leipzig
    Lehrbeauftragter für Medizinrecht und Medizinstrafrecht an der juristischen Fakultät der
    Universität Leipzig
    Dr. Enno Burk, LL.M. (Exeter)
    Rechtsanwalt, Berlin
    Prof. Dr. iur. Thomas Clemens
    Richter am Bundessozialgericht i. R., Kassel, Honorarprofessor der juristischen Fakultät der
    Universität Tübingen
    Gerhard Dalichau
    Vizepräsident des Hessischen Landessozialgerichts i.R., Darmstadt
    Dr. Christian Deckenbrock
    Akademischer Rat, Universität zu Köln
    Dr. Klaus Engelmann
    Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht i.R., Kassel
­
    Dr. Kilian Friedrich
    Rechtsanwalt, Hamburg
    Dr. Markus Gierok

                                                                                                         Luchterhand Verlag 2022
    Rechtsanwalt, Köln
    Jessica Hanneken
    Syndikusrechtsanwältin, Vice President, Mitglied der Geschäftsleitung BFS health finance
    GmbH, Dortmund/Berlin
    Dr. Markus Heitzig
    Rechtsanwalt, Münster
    Prof. Dr. Martin Henssler
    Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln
    Dr. Rainer Hess
    Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses i.R., Berlin
    Prof. Dr. Johannes Heyers, LL.M.
    apl. Professor der Juristischen Fakultät der Universität Münster, Rechtsanwalt, Essen
    Dr. Marlis Hübner
    Leiterin der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer i.R., Rostock
    Prof. Dr. Christian Katzenmeier
    Direktor des Instituts für Medizinrecht der Universität zu Köln

                                         Leseprobe
                                                                                                  VII
Bearbeiterverzeichnis

                            Dr. Karolina Kessler
                            Rechtsanwältin, Köln
                            Dr. Regine Kiesecker
                            Geschäftsführerin der Bezirksärztekammer Südwürttemberg, Reutlingen
                            Prof. Dr. Matthias Kilian
                            Juniorprofessor, Direktor des Soldan Instituts an der Universität zu Köln
                            Dr. Jana Knauer                               ­
                            Referentin Medizinproduktesicherheit beim Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
                            Anne Laurinat MLE
                            Rechtsanwältin, Köln
                            Wolfgang Leber
                            Rechtsanwalt, Nümbrecht
                            Prof. Dr. Dr. Alex Lechleuthner
                            Leiter des Instituts für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr, Technische Hochschu-
                            le, Köln
                            Birgit Lotz, LL.M. (Bristol)
                            Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Düsseldorf
                            Dr. Elmar Mand LL.M. (Yale)
                            Lehrbeauftragter und Leiter der Forschergruppe für Zivil-​und Gesundheitsrecht an der Phillips-​
                            Universität Marburg
                            Dr. Kirsten Plaßmann
                            Rechtsanwältin, Stuttgart
                            Prof. Dr. Dorothea Prütting
                            Ministerialdirigentin i.R., Honorarprofessorin der juristischen Fakultät der Ruhr-​Universität,
                          ­ Bochum
                            Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hanns Prütting
                            Direktor des Instituts für Anwaltsrecht der Universität zu Köln
Luchterhand Verlag 2022

                            Prof. Dr. Jens Prütting LL.M.oec.
                            Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Bucerius
                            Law School, Hamburg
                            Prof. Dr. Michael Quaas M. C. L.
                            Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Medizinrecht, Stuttgart; Richter im
                            Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs; Honorarprofessor der Fachhochschule für öffentliche
                            Verwaltung, Ludwigsburg
                            Prof. Dr. Martin Rehborn
                            Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Dortmund, Honorarprofessor der juristischen
                            Fakultät der Universität zu Köln
                            Prof. Dr. Hermann Reichold
                            Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-​und Wirtschaftsrecht, Leiter der Forschungsstelle für
                            kirchliches Arbeitsrecht der Universität Tübingen
                            Dr. Thomas Rompf
                            Justiziar der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Berlin

                            VIII                                  Leseprobe
                                                                       
 Bearbeiterverzeichnis

    Dr. Ulf Schriever
    Fachgebietsleiter Klinische Prüfungen von Medizinprodukten, Bundesinstitut für Arzneimittel
    und Medizinprodukte, Bonn
    Annabel Seebohm LL.M. (Auckland)
    Rechtsanwältin, Generalsekretärin Standing Committee of European Doctors (CPME), Brüssel
    Dr. Ulrich Stockter
    Regierungsdirektor, Bundesministerium für Familie,
                                                  ­ Senioren, Frauen und Jugend, Berlin
    Dr. Frank Stollmann
    Leitender Ministerialrat, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, Düsseldorf
    Dr. Ekkehard
        ​          Stößlein
    Fachgebietsleiter Aktive Medizinprodukte und In-​Vitro-​Diagnostika, Bundesinstitut für Arznei-
    mittel und Medizinprodukte, Bonn
    Gerrit Tigges LL.M.
    Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Düsseldorf
    Prof. Dr. Michael Tsambikakis
    Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für Medizinrecht, Köln
    Honorarprofessor der juristischen Fakultät der Universität Passau
    Prof. Dr. Ulrich Wenner
    Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, Kassel, Honorarprofessor der juristischen Fakultät
    der Universität Frankfurt/​Main
    Wiebke Winter LL.B.
    Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Medizinrecht der Bucerius Law
    School, Hamburg
    Dr. Heike Wollersen
    Referentin Medizinprodukte beim Bundesverband der Arzneimittel Hersteller e.V. (BAH), Bonn
­
    Kathrin Wulf
    Referentin der AOK NordWest, Kiel

                                                                                                       Luchterhand Verlag 2022

                                        Leseprobe
                                                                                                 IX
Im Einzelnen haben bearbeitet

    Apothekenrecht             D. Prütting                  §§ 1–​14, 18–​20, 23, 25 ApoG
    Arbeitsrecht               Reichold                     §§ 611–​620, 622–​626, 628–​630 BGB
    Arzneimittelrecht          Plaßmann                     §§ 1–4a, 13, 25, 31, 40, 84–​92,
                                                            94a–97 AMG
                                                        ­
    Arzthaftungsrecht          J. Prütting                  §§ 194, 195, 199, 203, 204, 249, 253,
                                                            823, 831, 842–​845 BGB
                               J. Prütting/​Friedrich       §§ 630a–630h BGB
        ​
    Berufsrecht                Seebohm/​Rompf               §§ 1–​3, 5, 6, 10–​10b, 12, 14b BÄO
                               D. Prütting                  §§ 2, 4, 4a, 6–​8, 11–​12 BApO
                               J. Hanneken                  §§ 1 f., 4 f., 13 ZHG
                               Rehborn                      §§ 1–​17, 21, 24–​33 MBOÄ
                               Kilian                       §§ 18–​20, 23–​23d MBOÄ
                               D. Prütting                  §§ 1–​6, 11–​19, 22 PsychThG
    Betäubungsmittelrecht      Laurinat                     §§ 1–​18, 29–​30a, 32, 33 BtMG
    Dienstvertragsrecht        Tigges                       § 611 BGB
                               Reichold                     § 611a BGB
    Embryonenschutzgesetz      Braun                        §§ 1–​3a, 5–​8 ESchG
    Familienrecht              Duttge/Gierok                § 1631d BGB
    Gebührenrecht              Hübner                       §§ 1–​5b GOÄ
                               Kiesecker                    §§ 6–​12 GOÄ
    Gendiagnostikrecht         Stockter                     §§ 1–​4, 7–​16, 18–​22 GenDG
    Gesellschaftsrecht         Deckenbrock                  §§ 705–​722 BGB
­                              Henssler                     §§ 723–​740 BGB
                               Kilian                       §§ 1–​11 PartGG
    Heilmittelwerberecht       Mand                         §§ 1–​4, 5–​10, 13–​17 HWG

                                                                                                           Luchterhand Verlag 2022
                               Burk                         §§ 4a, 11, 12 HWG
    Infektionsschutzrecht      D. Prütting                  §§ 1–​2, 5, 6–​10, 15, 16–​18, 20, 28,
                                                            29–​31, 56, 65 IfSG
    Insolvenzordnung           H. Prütting                  §§ 1–​7, 11–​12, 35–​36, 80, 103 InsO
    Krankenhausrecht           Stollmann                    §§ 1–​8 KHG
                               Becker/​Heitzig              § 18 KHG
                               Becker/​Heitzig              §§ 3–​6a, 7, 8 KHEntG
                               Hess                         §§ 16–​19 KHEntG
                               Quaas                        §§ 39, 40, 107–​112, 115a–​115b,
                                                            116–​116b, 117, 118, 119, 121 SGB V
    Medizinprodukterecht       Anton/​Knauer/​Schriever/​   §§ 1, 2, 7, 24–​31, 38–​39, 42, 44–​47, 53–​
                               Stößlein/​Wollersen          54, 62–​72, 74–​76, 79, 81, 86,
                                                            97–​98 MPDG
    Patientenverfügungen       J. Prütting/​Winter          §§ 1901a, 1901b, 1904, 1906,
                                                            1906a BGB
    Pflegeversicherungsrecht   Böttiger/​Clemens            §§ 1, 7c, 14 f, 28, 36, 38–​45b, 72,
                                                            75–​79, 82, 84–​89, 91, 92a–​92b,
                                                            105, 115, 119, 120 SGB XI
                               D. Prütting                  § 47a SGB XI

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                                                                                                   XI
Im Einzelnen haben bearbeitet

                              Prozessrecht            H. Prütting              §§ 1, 12, 13, 17, 29, 32, 42, 50, 59, 66,
                                                                               78, 114, 142, 144, 253 f., 256, 348,
                                                                               383, 402, 406, 485, 511, 522, 531 ZPO
                                                      Katzenmeier              §§ 284–​287 ZPO
                              Sozialrecht             Wenner                   §§ 1, 2, 12, 13, 15, 20, 20a, 20i, 22, 22a,
                                                                               23, 24a, 24c–​24f, 27, 28, 31–​33 SGB V
                                                      Engelmann                §§ 27b, 69, 73b SGB V
                                                                           ­
                                                      Dalichau                 §§ 126–​140a SGB V
                                                      D. Prütting              §§ 81a, 197a SGB V
                                                      Wulf                     §§ 341, 346, 360 SGB V
                              Strafgesetzbuch         Tsambikakis/​Kessler     §§ 203, 205, 263, 266, 278, 299, 299a,
                                                                               299b, 300, 331–​336 StGB
                                                      Duttge/Tsambikakis       §§ 211, 212, 216 StGB
                                                      Duttge/Kessler           §§ 217, 218–219b, 222 StGB
                                                      Duttge/Gierok            §§ 223, 224, 226–229, 323c StGB
                              Transfusionsrecht       Lechleuthner             §§ 1–19, 21, 21a, 24 TFG
                              Transplantationsrecht   J. Prütting/Winter       §§ 1, 3–​4a, 8–​9, 17 TPG
                              Wettbewerbsrecht        Heyers                   §§ 1–​3, 18, 19, 35–​38 GWB
                                                      Lotz                     §§ 97–​99, 103, 106, 119, 134, 135 GWB
                                                      Leber                    §§ 3, 3a UWG

                          ­
Luchterhand Verlag 2022

                              XII                               Leseprobe
                                                                     
Inhaltsübersicht

    Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzeimittelgesetz – AMG), §§ 1 – 97 . . . . . . . . . . . . . .                                          1
    Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG), §§ 1 – 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                      119
    Bundes-Apothekenordnung – BApO, §§ 2 – 12. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          177
    Bundesärzteordnung – BÄO, §§ 1 – 14b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    211
                                                                              ­
    Bürgerliches Gesetzbuch – BGB, §§ 194 – 1906a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                       279
    Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG), §§ 1 – 33. . . . .                                                 853
    Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – EschG), §§ 1 – 8. . . . . . . . . . . . . . .                                            923
    Gesetz
         ​ über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), §§ 1 – 22.                                                      949
    Gebührenordnung für Ärzte – GOÄ, §§ 1 – 12. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      1127
    Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB, §§ 1 – 135 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                 1215
    Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz –
    HWG), §§ 1 – 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    1333
    Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
    (Infektionsschutzgesetz –​IfSG), §§ 1 – 65. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              1537
    Insolvenzordnung – InsO, §§ 1 – 103. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               1589
    Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen
    (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG), §§ 3 – 19. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                       1619
    Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der
    Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG), §§ 1 – 18 . . . . . . . . . . . . . . . . .                                       1715
    Muster-Berufsordnung für Ärzte – MBOÄ, §§ 1 – 33. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          1789
    Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte
    (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz – MPDG), § 1 – 98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  1937
    Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz –
    PartGG), §§ 1 – 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1987
­   Gesetz über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz –​
    PsychThG), §§ 1 – 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     2045
    Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung, §§ 1 – 197a.. . . . . . . .                                             2069
    Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, §§ 1 – 120.. . . . . . . . . . . . . . .                                     2777

                                                                                                                                                            Luchterhand Verlag 2022
    Strafgesetzbuch – StGB, §§ 203 – 336. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .              2921
    Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG), §§ 1 – 32 . . . . . . . . . . . . .                                       3117
    Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen
    und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG), §§ 1 – 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          3169
    Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG, §§ 3 – 3a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                              3219
    Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (Zahnheilkundegesetz – ZHG), §§ 1 – 13. . . . . . . . .                                               3227
    Zivilprozessordnung – ZPO, §§ 1 – 531 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                3265

                                                              Leseprobe
                                                                                                                                                    XIII
ESchG

    Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz –​ESchG)
    In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2746),
    zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228)

    Inhaltsverzeichnis
                                                    ­
    Vorbemerkungen
    §1      Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken
    §2 ​    Mißbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen
    §3      Verbotene Geschlechtswahl
    § 3a    Präimplantationsdiagnostik; Verordnungsermächtigung
    §5      Künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen
    §6      Klonen
    §7      Chimären-​und Hybridbildung
    §8      Begriffsbestimmung

    Vorbemerkungen
    Die Entwicklung der Reproduktionsmedizin mit der Geburt des ersten »Retortenbabys« im 1
    Jahr 1978 und die Erkenntnisfortschritte der Humangenetik lösten auch in Deutschland zum Teil
    heftige Diskussionen aus. Nach zahlreichen Stellungnahmen u. a. seitens der Bundesärztekammer,
    des Deutschen Juristentages und der Kirchen legte im November 1985 die sog. Benda-​Kommission
    (»Arbeitsgruppe In-​vitro-​Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie«) ihren Abschlussbericht
    vor, in dem eine Reihe gesetzlicher Regelungen mit zum Teil strafbewehrten Verboten vorgeschla-
    gen wurde (s. Arbeitsgruppe »In-​vitro-​Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie«, 1985; dazu
    v. Bülow in: Winter/​Fenger/​Schreiber, Genmedizin und Recht, 2001, S. 127, 130 ff.).
­
    Hierauf beruht ganz wesentlich das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutz- 2
    gesetz –​ESchG) vom 13.12.1990 (BGBl. I S. 2746), das zum Jahresbeginn 1991 in Kraft trat.
    Wegen der zum damaligen Zeitpunkt fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für eine

                                                                                                           Luchterhand Verlag 2022
    umfassendere Regelung der Fortpflanzungsmedizin (s. nunmehr Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG) ist das
    Embryonenschutzgesetz als strafrechtliches Nebengesetz konzipiert, wofür der Bund nach Art. 74
    Abs. 1 Nr. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz besaß und besitzt. Vor diesem Hintergrund wird
    auch der fragmentarische Charakter des ESchG verständlich (s.a. Günther/​Taupitz/​Kaiser Embry-
    onenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, Einführung B, Rn. 17). Als Strafgesetz unterliegt das ESchG dem
    strikten Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, was straferweiternde Auslegungen gesetzlicher
    Regelungen verbietet (s. OLG Rostock MedR 2010, 874, 875 f. zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG).
    Das ESchG zielt –​sieht man von den verfassungsrechtlich inakzeptablen §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 2 ab –​ 3
    auf einen ausgeprägten pränatalen Lebensschutz (anders Schroth, JZ 2009, 233, 238), wobei aller-
    dings das Schutzregime mit dem Abschluss der Nidation endet. Ab diesem Zeitpunkt untersteht
    der Schutz des pränatalen Lebens dem Abtreibungsstrafrecht (s. Müller-​Terpitz, Das Recht der Bio-
    medizin, 2006, Einführung, S. 47; Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014,
    vor § 1, Rn. 5 f.). Der Gesetzgeber berief sich ausdrücklich auf seinen Schutzauftrag aus den grund-
    gesetzlichen Würde-​und Lebensgarantien der Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wel-
    cher schon die frühesten menschlichen Entwicklungsstadien –​sei es in-​vivo oder in-​vitro –​umfasse
    (s. BT-​Drs. 11/​5460, S. 6). Diese Position hat der einfache Gesetzgeber im Stammzellgesetz vom
    28.06.2002 (BGBl. I S. 2277) ausdrücklich bestätigt und noch erweitert (dazu Müller-​Terpitz, Das
    Recht der Biomedizin, 2006, 47, 51 ff.; ausführlich ders., Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007,
    passim). Die grundsätzlich weit ausgreifende Schutzkonzeption des ESchG bedeutet zugleich eine

                                                 Braun             Leseprobe                     923
§ 1 ESchG         Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken

                             Absage an die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen, wenn und soweit sie mit der Zer-
                             störung eines Embryos (s. § 8 Abs. 1) einhergeht.
                          4 Diese prinzipielle Teleologie des Gesetzes ist indes durch die Einführung des § 3a, der die –​be-
                             grenzte –​Straflosigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) regelt, für einen Teilbereich relativiert
                             worden (s. Dreier, Bioethik –​Politik und Verfassung, 2013, 66 f.; Augsberg, ZfL 2014, 74 ff.; mit
                             Blick auf die weitergehenden Regelungen des Augsburg-​Münchener Entwurfs zum Fortpflanzungs-
                             medizingesetz, die einen Regel-​Ausnahme-​Mechanismus zugunsten eines Rechts auf Inanspruch-
                                                                                ­
                             nahme der Optionen der Fortpflanzungsmedizin etablieren,     Gärditz, ZfL 2014, 42 ff.; anders etwa
                             Kubiciel, NStZ 2013, 382, 383, der das Augenmerk auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung je-
                             der gesetzlichen Beschränkung der PID lenkt (vgl. hierzu auch Lindner, ZfL 2015, 10, 12); kritisch
                             mit Blick auf das Diskriminierungsverbot insoweit Duttge, ZfmE 61 [2015], 109 ff.). Der EGMR
                             hat mit Blick auf das gänzliche Verbot der PID nach italienischem Recht indes darauf hingewiesen,
                             dass der Schutz des Privatlebens und der Familie nach Art. 8 EMRK sehr weit zu fassen sei und
                             nicht nur das Recht auf Respektierung des Wunschs, Eltern zu werden, gewährleiste, sondern auch
                             das Recht auf Zugang zu Fortpflanzungstechniken; daher unterfalle der Wunsch eines Ehepaares,
                             ein Kind zu zeugen, das nicht von einem Gendefekt betroffen ist, dessen Träger beide sind, und sich
                             dazu Maßnahmen der künstlichen Befruchtung und der Präimplantationsdiagnostik zu bedienen,
                             dem Schutz des Art. 8 EMRK (EGMR, GesR 2012, 736 f.).
                          5 Die Systematik des ESchG lässt sich wie folgt skizzieren: Das Kernstück des Gesetzes bilden die
                             beiden zentralen Verbotsnormen der §§ 1 und 2. In den §§ 3 bis 7 werden spezielle Formen
                             fortpflanzungstechnischer oder humangenetischer Interventionen und Manipulationen im Gefolge
                             extrakorporaler Befruchtung reguliert. Der straf-​bzw. bußgeldbewehrte Arztvorbehalt (§§ 9 bis 12)
                             soll schließlich Gefahren für Leben oder Gesundheit des Embryos sowie der austragenden Frau ab-
                             wehren (s. Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, vor § 1 Rn. 7).

                             § 1 Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken
                            (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
                            1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt,
                          ­
                            2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine
                                Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,
                            3. es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu
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                                übertragen,
                            4. es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei
                                Eizellen zu befruchten,
                            5. es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus über-
                                tragen werden sollen,
                            6. einer Frau einen Embryo vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um
                                diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienen-
                                den Zweck zu verwenden, oder
                            7. es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer
                                zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen
                                menschlichen Embryo zu übertragen.
                             (2) Ebenso wird bestraft, wer
                             1. künstlich bewirkt, daß eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle ein-
                                 dringt, oder
                             2. eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle künstlich verbringt,
                             		 ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt.
                             (3) Nicht bestraft werden

                             924        Leseprobe                            Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken                            § 1 ESchG

    1. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 6 die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo
       stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle übertragen wird oder der Embryo übertragen
       werden soll, und
    2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer
       bei sich aufnehmen will.
    (4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 2 ist der Versuch strafbar.

    Übersicht                                                   Rdn. ­                                                                  Rdn.
    A. Übersicht und Grundsätzliches. . . . . . . .                1         3. Zu Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      17
    B. Zentrale Regelungsaussagen. . . . . . . . . .               5         4. Zu Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     19a
    I. Die Straftatbestände des § 1 Abs. 1 . . . . .               5         5. Zu Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      20
       ​ Zu Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
       1.                                                          6         6. Zu Nr. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      22
       2. Zu Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    12   II.   Die Straftatbestände des § 1 Abs. 2 . . . . .                24

    A. Übersicht und Grundsätzliches
    § 1 zählt zu den zentralen Bestimmungen des ESchG und stellt die missbräuchliche Anwendung 1
    von Fortpflanzungstechniken unter Strafe. Die sieben Straftatbestände des § 1 Abs. 1 sind von der
    Vorstellung geprägt, dass die zu befruchtende Eizelle mit der Mutter genetisch identisch sein muss,
    dass immer nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie anschließend übertragen werden sollen
    (sog. Konnexitätsprinzip), und dass zum Schutz der Mütter und Embryonen vor komplikations-
    trächtigen Mehrlingsschwangerschaften nicht mehr als drei Embryonen gleichzeitig auf die Eizell-
    spenderin übertragen werden dürfen.
    Abs. 2 der Vorschrift verfolgt als konkretes Gefährdungsdelikt die gleiche doppelte Schutzrichtung 2
    wie § 1 Abs. 1 Nr. 2: Er will sowohl fremdnützige Verwendungen (etwa die verbrauchende Emb-
    ryonenforschung) als auch die Gefahr gespaltener Mutterschaften ausschließen. Auch dem Risiko,
    dass überzählige Embryonen entstehen, soll vorgebeugt werden (s. nur Günther/​Taupitz/​Kaiser Em-
    bryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 2, Rn. 4).
­   Abs. 3 der Bestimmung enthält persönliche Strafausschließungsgründe für bestimmte Straftatbe- 3
    stände zugunsten der beteiligten Frauen.
    Zahlreiche strafbewehrte Verbotstatbestände des § 1 sind in der Literatur auf zum Teil heftige Kri- 4

                                                                                                                                               Luchterhand Verlag 2022
    tik und verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen (ausführlich Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonen-
    schutzgesetz, 2008, § 1 Abs. 1 Nr. 1–​7). Damit soll –​wie etliche Verlautbarungen deutlich werden
    lassen –​der Gesetzgeber zu einer Korrektur seiner restriktiven Haltung, die er ja durch den Erlass
    des Stammzellgesetzes noch einmal bekräftigt hat, gedrängt werden. Die Berechtigung dieser Kritik
    kann im vorliegenden Zusammenhang nicht im Einzelnen einer wiederum kritischen Überprüfung
    unterzogen werden.

    B. Zentrale Regelungsaussagen 
    I. Die Straftatbestände des § 1 Abs. 1
    Mit dem Ziel des Würde-​und Integritätsschutzes des Embryos und im Interesse geeigneter Ent- 5
    wicklungsbedingungen des später geborenen Kindes formuliert § 1 Abs. 1 eine Reihe von strafbe-
    wehrten Verbotstatbeständen.

    1. Zu Nr. 1 
    Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ist es verboten, auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle zu über- 6
    tragen. Eizelle meint dabei die menschliche weibliche Keimzelle. Fremd ist eine Eizelle dann,
    wenn sie nicht von der Frau stammt, auf die sie übertragen wird (Günther/​Taupitz/​Kaiser Emb-
    ryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 15–​17). Die Eizellspende als solche kann

                                                                 Braun                     Leseprobe                                    925
§ 1 ESchG         Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken

                                grundsätzlich –​neben der Übertragung einzelner Eizellen –​auch durch eine Eierstocktransplanta-
                                tion erfolgen (Spickhoff/​Müller-​Terpitz, § 1 ESchG Rn. 5).
                           7 Das in der Vorschrift umschriebene Tatobjekt wird darüber hinaus durch das Attribut »unbefruch-
                                tet« charakterisiert. Eine Eizelle ist jedenfalls ab dem Zeitpunkt befruchtet, in dem sich die beiden
                                haploiden Chromosomensätze der Vorkerne zum diploiden Chromosomensatz des neuen Genoms
                                vereinigt haben (näher Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, Einführung
                                A, Rn. 35 ff.; Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 8, Rn. 27 ff.). Für
                                noch im Befruchtungsvorgang befindliche Eizellen       ­ enthält der Unternehmensstraftatbestand des
                                § 1 Abs. 2 Nr. 2 eine weitere Regelung.
                                Mittels einer solchen Eizellenspende wäre es Frauen, die mit ihren eigenen Eizellen nicht schwanger
                                werden können, möglich, dennoch ein Kind zu bekommen. Allerdings ist diese Option auf Basis
                                von § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Deutschland untersagt (Ulsenheimer/​Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis,
                                6. Aufl. 2021, Rn. 998). Nach der Rechtsprechung begehen deswegen auch Ärzte, die in Deutsch-
                                land eine vorbereitende Behandlung für eine im Ausland durchzuführende Eizellspende oder Be-
                                handlung im Wege der Übertragung auf andere Frauen und Befruchtung der gespendeten Eizelle
                                vornehmen, eine strafbare Beihilfehandlung gem. § 27 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, wenn es
                                nach der vorbereitenden Behandlung tatsächlich zu einer Eizellspende oder Behandlung einer an-
                                deren Frau im Wege der Eizellspende kommt (KG MedR 2014, 498 ff. mit dem Hinweis, dass ein
                                Unterlassungsanspruch gem. § 4 Nr. 11 UWG gegenüber diesbezüglichen Werbeaussagen bestehe).
                                Der Normzweck der Vorschrift zielt auf die Verhinderung sog. gespaltener Mutterschaften ab, d.h.
                                das Auseinanderfallen von genetischer und biologischer (austragender) Mutter (zur Begründung
                                s. BT-​Drs. 11/​5460, S. 7). Nur für den Fall der sog. Embryospende nach in-​vitro-​Fertilisation lässt
                                das ESchG die gespaltene Mutterschaft zu (s. § 1 Abs. 1 Nr. 6; zum Ganzen Günther/​Taupitz/​
                                Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 1 ff.).
                           8 (unbesetzt)
                           9 Zentrales Motiv der Regelung ist die Sicherung des Kindeswohls als grundrechtsdogmatische
                                Mitte der Eltern-​Kind-​Beziehung (allgemein dazu Höfling in: Isensee/​Kirchhof, HStR, Bd. VII,
                            ­   3. Aufl. 2009, § 155, Rn. 34 ff.). Im medizin(straf )rechtlichen Schrifttum wird das Verbot der
                                Eizellspende jedoch zunehmend kritisch betrachtet (vgl. Ulsenheimer/​Gaede, Arztstrafrecht in der
                                Praxis, 6. Aufl. 2021, Rn. 1006; ausführlich Spickhoff/​Müller-​Terpitz, § 1 ESchG Rn. 7, der ins-
                                besondere verfassungsrechtliche Bedenken äußert; so auch Gassner, ZRP 2015, 126; im Gesamt-
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                                überblick Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018).
                                Auch mehrere Organisationen, die Betroffenen bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches Unter-
                                stützung bieten, sprechen sich für die Zulassung der Eizellspende aus, sodass die Thematik auch
                                in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend in den Fokus rückt. Aufgrund der immer »lauter«
                                werdenden Debatte, wird sich der Gesetzgeber mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Sollte er
                                auf Basis seines Beurteilungsspielraumes an der bestehenden Verbotskonzeption festhalten, muss
                                hierfür jedoch eine vertieftere Begründung erfolgen, als es bisher der Fall gewesen ist. Anderenfalls
                                dürfte die gesellschaftliche Normakzeptanz zunehmend nachlassen.
                          10 Im Gegensatz zur Eizellspende ist die Samenspende erlaubt. Zum Teil wird insoweit »aus der erheb-
                                lichen Inkonsistenz des Gesetzes der Vorwurf eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz« abgelei-
                                tet, der »durch Straflosigkeit auch der gespaltenen Mutterschaft zu beseitigen« sei (so ausdrücklich
                                Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 12). Dem
                                ist indes zu widersprechen: Zum einen kann die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Sa-
                                men-​und Eizellspende an die unterschiedliche Eingriffstiefe bei der Gewinnung der Keimzellen
                                anknüpfen. Anders als Samenzellen lassen sich Eizellen nur durch einen invasiven, risikobehafteten
                                Eingriff in den Körper der Frau gewinnen. Zum anderen gibt es einen eindeutigen biologischen
                                Unterschied zwischen gespaltener Vaterschaft einerseits und gespaltener Mutterschaft andererseits.
                                Eine Spaltung der Vaterschaft in eine genetische und eine biologische Vaterschaft gibt es nicht
                                (hierzu m.w.N. Höfling Verfassungsrechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen

                                926        Leseprobe                            Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken      § 1 ESchG

    und »humanbiologisches Material«, Gutachten für die Enquete-​Kommission »Ethik und Recht der
    modernen Medizin« des Deutschen Bundestages, 2001, S. 168 ff.). Auch wenn es keine verfas-
    sungsrechtliche Pflicht zu einem Verbot der Eizellspende geben mag, ist der Gesetzgeber durchaus
    legitimiert, die Eizellspende als fremdnützigen Eingriff einzuschränken und auch gegenüber der Le-
    bendorganspende –​die immerhin der Abwehr einer konkreten drohenden Lebensgefahr für einen
    Dritten dient –​noch restriktiveren Reglementierungen zu unterwerfen.
    Ganz in diesem Sinne hat der EGMR mit Blick auf eine vergleichbare Regelung im österreichischen 11
    Fortpflanzungsmedizingesetz (öBGBl. Nr. 275/​1992)  ­ eine Verletzung von Art. 8 EMRK verneint
    (s. EGMR, NJW 2012, 207 ff.; instruktiver Überblick bei Müller-​Terpitz AVR 51 [2013], 42 ff.;
    ferner Koutnatzis/​Weilert, AVR 51 [2013], 72 ff.).
         ​
    2. Zu Nr. 2 
    Der Unternehmensdeliktstatbestand verfolgt eine doppelte Zielrichtung: Zum einen soll die künst- 12
    liche Befruchtung zu jedem anderen Zweck als dem der Herbeiführung einer Schwangerschaft aus-
    geschlossen werden. Damit ist auch die künstliche Befruchtung verboten, bei der die Zeugung von
    Embryonen zu Forschungszwecken erfolgt (Erbs/​Kohlhaas/​Pelchen/​Häberle, 229. EL März 2020,
    ESchG § 1 Rn. 4).Zum anderen pönalisiert § 1 Abs. 1 Nr. 2 die gespaltene Mutterschaft.
    Im Zentrum der Norm steht der Begriff der »künstlichen Befruchtung«. Nach den Gesetzesmate-
    rialien zum ESchG ist hierunter jede Befruchtung zu verstehen, die nicht durch Geschlechtsverkehr
    herbeigeführt wird und zu deren Erreichung technische Hilfsmittel eingesetzt werden. Zur künst-
    lichen Befruchtung zählen insbesondere die Insemination, die gezielte Injektion von Samenzellen
    in die menschliche Eizelle, die In-​vitro-​Fertilisation sowie der intratubare Gametentransfer, also das
    Implementieren von Ei-​und Samenzelle in den Eileiter (BT-​Drs. 11/​5460 S. 8; Erbs/​Kohlhaas/​
    Pelchen/​Häberle, 229. EL März 2020, ESchG § 1 Rn. 4).
    Der Tatbestand erfasst nicht sog. Hybridbildungen (dazu § 7 Abs. 1 Nr. 3 ESchG) und mangels 13
    Befruchtung auch nicht die Konstellation, dass der Embryo mittels einer somatischen Kerntrans-
    plantation erzeugt wird (s.a. BT-​Drs. 13/​11263, S. 21 f.). Insoweit kommt allerdings die Vorschrift
­   des § 6 ESchG in Betracht.
    (unbesetzt)                                                                                                14
    In hohem Maße umstritten war die Frage, ob die Vorschrift auch die sog. Präimplantations- 15

                                                                                                                    Luchterhand Verlag 2022
    diagnostik (PID) erfasst (dazu und zu der Frage, ob andere Tatbestände des ESchG die sog. Be-
    fruchtung auf Probe erfassten etwa Giwer, Rechtsfragen der Präimplantationsdiagnostik, 2001,
    S. 33 ff.; Hufen, MedR 2001, 442 ff.; Böckenförde-​Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als
    Rechtsproblem, 2002, S. 118 ff.; Schroth, JZ 2002, 170 ff.; ders., NStZ 2009, 233 ff.; Faßben-
    der, NJW 2001, 2745 ff.; zur Diskussion auch Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz,
    2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 2 f.). Mit Blick auf das strikte Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG
    bestanden daran erhebliche Zweifel (s. Höfling, Reprogenetik und Verfassungsrecht, 2001, S. 28 f.).
    Durch das Urteil des BGH vom 06.07.2010 wurde die literarische und forensische Auseinanderset- 16
    zung zugunsten der Straflosigkeit entschieden (s. BGH MedR 2010, 844 ff., m. Anm. Schumann;
    dazu etwa Ratzel, GesR 2010, 522 ff.; Dederer, MedR 2010, 819 ff.). Danach begründete die nach
    extrakorporaler Befruchtung beabsichtigte PID mittels Blastozystenbiopsie und anschließender
    Untersuchung der entnommenen pluripotenten Trophoblastzellen auf schwere genetische Schäden
    weder eine Strafbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 noch nach § 2 Abs. 1. Somit war der Gesetzgeber zum
    Handeln aufgerufen, der mit der Einfügung des § 3a reagiert hat.
    Das 2-​PN-​Stadium liegt vor, wenn das Spermium bereits in die weibliche Eizelle eingedrungen ist, 16a
    jedoch noch keine Kernverschmelzung stattgefunden hat, da dieser Vorgang durch Kryokonservie-
    rung, dem Einfrieren mit flüssigem Stickstoff, unterbrochen worden ist. Solche Zellen werden als
    2-​PN-​Zellen oder Vorkernzellen bezeichnet (Daunderer, medstra 2019, 218). In diesem Stadium
    trägt die Eizelle bereits den mütterlichen und väterlichen Chromosomensatz in sich, ist jedoch noch

                                                    Braun              Leseprobe                      927
§ 1 ESchG         Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken

                               nicht als Embryo zu bezeichnen (Daunderer, medstra 2019, 218). Letzteres ist erst dann der Fall,
                               wenn die Zellverschmelzung stattgefunden hat (Daunderer, medstra 2019, 218).
                               In der Folge ist es möglich, die 2-​PN-​Zellen wieder aufzutauen und anschließend bei einer Frau
                               einzusetzen (Erbs/​Kohlhaas/​Pelchen/​Häberle, 229. EL März 2020, ESchG § 1 Rn. 4). Erst zu die-
                               sem Zeitpunkt lösen sich die bis dahin gebildeten Vorkerne auf und die Kernverschmelzung findet
                               statt (Gercke/​Leimenstoll/​Stirner, Handbuch Medizinstrafrecht, S. 205). Hierbei werden regelmä-
                               ßig mehr Zellen eingefroren, als später Embryonen übertragen werden, um ggf. für einen späteren
                                                                                  ­
                               erneuten Kinderwunsch zur Verfügung zu stehen (Ulsenheimer/​     Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis,
                               6. Aufl. 2021, Rn. 1008). Die Möglichkeit der Konservierung sieht auch bereits § 9 Nr. 4 vor;
                               diese steht dort unter Arztvorbehalt. Allerdings soll diese Option nur möglich sein, um die kon-
                               servierten Zellen der Frau einzusetzen, von der auch die Eizelle stammt. In der Praxis tritt jedoch
                               die Situation auf, dass überschüssig vorhandene Eizellen für die aktuell gewollte oder eine künftige
                               Schwangerschaft einer Frau nicht mehr notwendig sind und dann ggf. absterben würden. Aus
                               diesem Grund wird erwogen, ob diese Eizellen im Zwischenstadium auch einer anderen Frau zur
                               Verfügung gestellt werden können (Ulsenheimer/​Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021,
                               Rn. 1008).
                               Aufgrund der Entscheidung des LG Augsburg, Urt. v. 13.12.2018 (16 Ns 202 Js 143548/​14),
                               medstra 2019, 252 ist die Diskussion um die Frage, ob das Auftauen von 2-​PN-​Zellen und deren
                               Einsatz bei einer Frau, von der die Eizellen nicht stammen, ebenfalls unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 zu
                               subsumieren ist, wieder neu entfacht worden (siehe hierzu Daunderer, medstra 2019, 217 ff; Tau-
                               pitz, NJW 2019, 337 ff; Gaede, medstra 2019, 252; Hübner/​Pühler, MedR 2019, 488; Schumann,
                               FamRZ 2019, 1378).
                          16b OLG Karlsruhe (14. Zivilsenat), Urt. v. 17.06.2016 –​14 U 165/​15
                               Das OLG Karlsruhe war noch im Jahr 2016 davon ausgegangen, dass der Einsatz aufgetauter 2-​PN-​
                               Zellen bei einer anderen Frau unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 gefasst werden muss. Der Entscheidung lag die
                               Klage eines Mannes zugrunde, der von einer Klinik die Herausgabe der befruchteten Eizellen seiner
                               verstorbenen Ehefrau verlangte, um den Kinderwunsch mit einer anderen Frau auf diese Weise
                             ­ fortzuführen. Der Senat lehnte dies u.a. mit dem Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 ab, da er –​ebenso
                               wie die Vorinstanz –​in dem Einsetzen der aufgetauten 2-​PN-​Zellen das Risiko einer gespaltenen
                               Mutterschaft erkannte (14 U 165/​15, Rn. 32).
Luchterhand Verlag 2022

                          16c LG Augsburg, Urt. v. 13.12.2018 –​16 Ns 202 Js 143548/​14, medstra 2019, 252
                               Das LG Augsburg geht jedoch davon aus, dass das Auftauen eingefrorener -​2-​PN-​Zellen mit dem
                               nunmehrigen Ziel, mit diesen Zellen eine Schwangerschaft einer Frau herbeizuführen, von der die
                               Eizellen nicht stammen, nicht den objektiven Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 erfüllt. Entscheidend
                               sei dabei, dass zum Zeitpunkt des Auftauens die Befruchtung bereits vollendet ist, so dass zu diesem
                               Zeitpunkt kein Unternehmen i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB der künstlichen Befruchtung im Sinne
                               des Tatbestands mehr möglich ist.
                               Es wird daher erkennbar, dass die Frage der Strafbarkeit entscheidend davon abhängt, zu welchem
                               Zeitpunkt von einer vollendeten Befruchtung auszugehen ist. Wäre dies erst nach dem Auftauen
                               der Fall, ist von einer Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 auszugehen, da dann durch das Wieder-
                               auftauen eine noch nicht abgeschlossene Befruchtung fortgesetzt werden würde (vgl. Daunderer,
                               medstra 2019, 219, der auf die Auffassung der Staatsanwaltschaft Augsburg verweist). Ist jedoch
                               die Befruchtung bereits verwirklicht, muss die Strafbarkeit entfallen, da zu Beginn des Befruch-
                               tungsprozesses grundsätzlich noch die Absicht bestanden habe, die Embryonen wieder auf die
                               Frau zu übertragen, von der die Eizelle stammt (Dorneck, medstra 2020, 337; Dorneck, medstra
                               2018, 263).
                               Das LG Augsburg bezieht zu dieser Frage eindeutig Stellung: Der Befruchtungsvorgang sei be-
                               reits mit der Ausbildung des männlichen und weiblichen Vorkerns (2-​PN-​Stadium) vollendet (vgl.

                               928        Leseprobe                           Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken     § 1 ESchG

    Müller-​Terpitz, medstra 2020, 259). Nach Auffassung des Gerichts beginne das Befruchten mit
    dem Eindringen der Samenzelle in die Eizelle. Vollendet sei der Befruchtungsvorgang mit der regel-
    rechten Ausbildung zweier Vorkerne, welche den einfachen Chromosomensatz von Mann und Frau
    enthalten. Damit sei die Genetik angelegt und bei komplikationslosem weiterem Verlauf entstehe
    menschliches Leben. Hierbei orientiert sich die Kammer wesentlich an der Richtlinie zur Entnah-
    me und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion und
    führt im Ergebnis aus:
                                                        ­
    »Dies bedeutet nichts anderes, als dass die der Ärzteschaft von der Bundesärztekammer an die Hand
    gegebenen Leitlinien davon ausgehen, dass mit Vorhandensein der beiden Vorkerne in der Eizelle
    (= 2-​PN-​Stadium) die Befruchtung vollendet ist oder anders formuliert, dass die imprägnierte Ei-
    zelle mit Erreichen des regelrechten Zweikernstadiums eine vollendet befruchtete Eizelle ist« (LG
         ​
    Augsburg, medstra 2019, 252).
    Gewichtige Vertreter in der Literatur sprechen demgegenüber davon, dass sich bei 2-​PN-​Zellen
    die Herbeiführung der vollständigen Befruchtung erst später durch das Weiterkultivieren der Ei-
    zelle erreichen lasse (Taupitz, NJW 2019, 337). Im Schrifttum sah sich diese Entscheidung auch
    dem Vorwurf einer deutlichen Überdehnung der zulässigen Rechtsanwendung ausgesetzt (Taupitz,
    NJW 2019, 337; Müller-​Terpitz, medstra 2020, 259). Insofern wird seitens der Kritik u.a. darauf
    abgestellt, dass das LG Augsburg ein zu enges Verständnis des Befruchtungsbegriffes gewählt habe.
    Dies führe im Ergebnis dazu, dass sich über ein tragendes Prinzip des ESchG –​nämlich der Verhin-
    derung einer gespaltenen Mutterschaft –​hinweggesetzt worden sei (Müller-​Terpitz, medstra 2020,
    265) und man damit im Ergebnis unzulässige Rechtspolitik betrieben habe (vgl. auch Dorneck,
    medstra 2020, 341 die die Auffassung des LG zum Befruchtungsbegriff teilt, in Bezug auf die Ent-
    scheidung dennoch Bedenken hinsichtlich des Gewaltenteilungsgrundsatzes äußert).Bei all diesen
    Aspekten sollte jedoch auch berücksichtigt werden, dass sich das Gericht in seiner Entscheidung
    an wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen orientiert hat, um den auszulegenden Befruch-
    tungsbegriff näher konkretisieren zu können. Eine solche Übernahme medizinischer Ansätze ist
    vorliegend ein probates Mittel, da nicht zu erkennen ist, dass der von § 1 Abs. 1 Nr. 2 intendierte
    Schutzzweck unterlaufen wird. Zudem ist zu begrüßen, dass sich das LG Augsburg durch seine am
­   Wortlaut orientierten Entscheidung einer übermäßigen Ausdehnung des Medizinstrafrechts durch
    die Rechtsprechung, wie sie z.B. im Bereich des Abrechnungsbetruges zu beobachten ist, bewusst
    entgegengestellt hat.

                                                                                                                Luchterhand Verlag 2022
    BayObLG, Urt. v. 04.11.2020 –​206 StRR 1461/​19                                                       16d
    Gegen das Urteil des LG Augsburg wurde durch die Staatsanwaltschaft Augsburg Revision eingelegt
    (vgl. hierzu den Bericht von Daunderer, medstra 2019, 217).
    Der Senat hat mit Urt. v. 04.11.2020 der Auffassung zugestimmt, wonach das »Befruchten« i.S.d.
    Norm noch nicht mit dem Einbringen der Samenzelle erschöpft sei. Daher sei es strafbar, die Ei-
    zellen zum Zwecke der Herbeiführung der Schwangerschaft einer Frau zu verwenden, von der die
    Eizelle nicht stammt. Dies sei auch im Rahmen des Auftauens krykonservierter Zellen der Fall.
    Das Gericht geht in dem Kontext davon aus, dass sich das Befruchten –​nach dem Eindringen der
    Samenzelle –​über einen Zeitraum von bis zu 24 Stunden bis zur Entstehung des Embryos fortsetze.
    Dementsprechend sei jede Handlung, die die Entstehung eines Embryos künstlich unterstütze, als
    »Befruchten« i.S.d. Norm zu verstehen.
    Für die Strafbarkeit komme es daher darauf an, ob zum Zeitpunkt des Auftauens der Embryo be-
    reits entwickelt war:
    Ist dies der Fall, so wäre kein Befruchten mehr gegeben und die Strafbarkeit entfalle.
    Hat sich der Embryo jedoch noch nicht gebildet und der Entwicklungsprozess wird durch das Auf-
    tauen erst wieder in Gang gesetzt, sei von einer Verwirklichung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 auszugehen
    (Inhalt zitiert nach medstra 01/​2021, III-​IV.); vertiefend Kudlich, NJW 2021, 359.

                                                   Braun             Leseprobe                     929
§ 1 ESchG         Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken

                               3. Zu Nr. 3 
                          17 Wie § 1 Abs. 1 Nr. 2 erfasst die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ebenfalls ein Unternehmensdelikt.
                               Die Regelung betrifft den Embryonentransfer und begrenzt die Anzahl der Embryonen, die pro
                               Zyklus auf eine Frau übertragen werden dürfen, auf drei. Korrespondierend dazu legt § 1 Abs. 1
                               Nr. 5 auch ein »Verbot der Vorratsbefruchtung« fest (Frommel, GesR 2018, 416). Schutzgut von
                               § 1 Abs. 1 Nr. 3 ist die Integrität der Embryonen bzw. Föten sowie die Gesundheit der Frau (s.a.
                               Neidert, ZRP 2002, 467, 469). Je größer nämlich die Anzahl der übertragenen Embryonen ist,
                               umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer­ höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft, die
                               wiederum das Gesundheitsrisiko für die austragende Frau und für die Embryonen bzw. Föten und
                               später Neugeborenen bedeutend erhöht (s.a. BT-​Drs. 14/​9020, S. 39 ff.). Andererseits erhöht ein
                               Mehrfachtransfer die Wahrscheinlichkeit der Nidation.
                          18 Als Ausweg aus dieser Situation wird auch in Deutschland zunehmend der im Ausland bereits prak-
                               tizierte sog. elektive Single-​Embryo-​Transfer (eSET) diskutiert (zur uneinheitlichen Terminologie
                               Michelmann/​Schimmel, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2007, 118, 119).
                               Die Methode beruht auf einem Embryoscoring. Weniger entwicklungsfähige Embryonen lässt
                               man absterben, größeren Erfolg versprechende kann man ggf. für spätere Befruchtungsversuche
                               kryokonservieren. Insofern wird auch von einem selektiven Single-​Embryo-​Transfer gesprochen
                               (s. Frommel, FS Hassemer, 2010, S. 831, 833 ff.; Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz,
                               2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 3, Rn. 5).
                               Ob eine derartige Methode, bei der die Kultivierung der Embryonen sich über eine Dauer bis zu
                               6 Tagen erstrecken kann (insofern spricht man mit Blick auf das letzte Stadium auch von einem
                               Blastozystentransfer; Müller-​Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 512 ff. formuliert
                               insoweit verfassungsrechtliche Bedenken) mit dem ESchG vereinbar ist, ist umstritten (s. dazu auch
                               Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 3, Rn. 6 f. m.w.N).
                          19 (unbesetzt)

                               4. Zu Nr. 4 
                          19a­ Die Regelung setzt § 1 Abs. 1 Nr. 3 fort und legt fest, dass durch intratubaren Gametentransfer
                               innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Eizellen befruchtet werden dürfen. Bei dieser Methode
                               werden Eizelle und Spermien in den Eileiter verbracht. Dort soll die natürliche Vereinigung von
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                               Statten gehen. Die Methode sieht daher ausdrücklich keine In-​vitro-​Fertilisation vor (Spickhoff/​
                               Müller-​Terpitz, § 1 ESchG Rn. 17).

                               5. Zu Nr. 5 
                          20 Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 dient dem Zweck, eine Gefährdung für das Leben und die
                               Gesundheit des Embryos durch einen Ausschluss gespaltener Mutterschaften zu verhindern so-
                               wie mit Blick auf die Risiken einer missbräuchlichen Verwendung sog. überzähliger Embryonen
                               auch dem Schutz der Menschenwürde. Die Vorschrift steht im Kontext der »Dreier-​Regel« des § 1
                               Abs. 1 Nr. 3. Bei der Bestimmung handelt es sich um eine besonders wichtige Regelung für die
                               Praxis der deutschen Reproduktionsmedizin. Für den Fortpflanzungsmediziner stellt sich nämlich
                               die entscheidende Frage, wie viele Eizellen er nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 einem Befruchtungsversuch
                               aussetzen und über das Kernstadium hinaus kultivieren darf, wenn er drei Embryonen in einem
                               Zyklus transferieren möchte. Da § 1 Abs. 1 Nr. 5 –​anders als § 1 Abs. 1 Nr. 3 –​keine numerische
                               Höchstgrenze festlegt (anders als z.B. § 17 des Schweizerischen Fortpflanzungsmedizingesetzes),
                               wird zum Teil –​und in jüngerer Zeit zunehmend –​für eine Auslegung plädiert, die die Befruchtung
                               von mehr als drei Eizellen für zulässig hält.
                               So geht der BFH davon aus, dass ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 nicht vorliege, wenn zwar
                               mehr als drei Eizellen befruchtet werden, aber lediglich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryo-
                               nen zum Zwecke der Übertragung entstehen sollen und der Behandlung eine vorherige sorgfältige

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Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken      § 1 ESchG

    individuelle Prognose zugrunde liegt (sog. deutscher Mittelweg) (BFH NJW 2017, 3022; zum
    deutschen Mittelweg ebenfalls Frommel, GesR 2018, 414).
    Diese Auslegung, die eine Befruchtung von mehr als drei Eizellen gestattet, gilt vor allem mit Blick
    auf die verbesserten Diagnosemöglichkeiten, die es erlauben, aus morphologischen Gründen nicht-
    entwicklungsfähige Eizellen in-​vitro zu identifizieren. Bei diesen handelt es sich um keine Embryo-
    nen i.S.d. § 8 Abs. 1 und sie scheiden deshalb für einen Embryotransfer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 aus.
    Deshalb müsse –​so die Argumentation –​der Reproduktionsmediziner zum maßgeblichen Zeit-
    punkt des Beginns der in-​vitro-​Fertilisation nicht­ nur eine Misserfolgsrate bei der Befruchtung
    einkalkulieren (etwa 20 %), sondern auch die Möglichkeit, dass einzelne befruchtete Eizellen ihr
    Wachstum einstellen. Deutet man den Begriff der Entwicklungsfähigkeit noch restriktiver, etwa im
    Sinne von Nidationsfähigkeit oder der Fähigkeit, sich zu einem Individuum zu entwickeln, könnte
        ​
    die Vorschrift noch eine erheblich größere Anzahl befruchteter Eizellen ermöglichen (zum Ganzen
    AG Wolfratshausen, Urt. v. 30.04.2008 –​6 C 677/​06; Günther/​Taupitz/​Kaiser Embryonenschutz-
    gesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rn. 6 ff.). Besondere Bedeutung erlangt die Diskussion
    über die »Dreier-​Regel« auch mit Blick auf die Präimplantationsdiagnostik, für deren erfolgrei-
    che Durchführung deutlich mehr als drei Embryonen für erforderlich gehalten werden (Deutscher
    Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik, 2011, S. 32). Vor diesem Hintergrund wird im Bereich der
    Präimplantationsdiagnostik darauf hingewiesen, dass Abweichungen von der »Dreier-​Regel« bereits
    praktiziert würden (Kubiciel, NStZ 2013, 382, 385). Ferner wird § 3a auch als lex specialis zu § 1
    Abs. 1 Nr. 3, 5 erachtet und die Verwendung von durchschnittlich notwendigen sieben Embryo-
    nen für zulässig erachtet (Schroth, ZStW 125 [2013], 627, 634; zum Ganzen Krüger in: Rosenau,
    Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2013, S. 69, 87 f.; kritisch Duttge,
    ZStW 125 [2013], 647, 655 ff.; ders., medstra 2015, 77, 81 f.).
    Vor dem Hintergrund der umstrittenen Rechtslage hat der Vorstand der Bundesärztekammer in 21
    seiner 2006 novellierten »(Muster-​)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion«
    (Deutsches Ärzteblatt 2006, A-​1392 ff.) für eine Interpretation plädiert, wonach aus der »Dreier-​
    Regel« des § 1 Abs. 1 Nr. 3 für Embryonen eine entsprechende »Dreier-​Regel« für befruchtete Eizel-
    len gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 folgt. Eine solche Interpretation entspricht auch der verfassungsrechtlich
­   fundierten Teleologie der Vorschrift, die die Entstehung sog. überzähliger Embryonen möglichst
    vermeiden will (so auch Müller-​Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 515 f. m.w.N.).
    Seitens der Strafverfolgungsbehörden ist insbesondere eine Verfügung der Staatsanwaltschaft Mün-

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    chen I relevant, wonach die »Dreierregelung« zur Embryonenübertragung aus § 1 Abs. 1 Nr. 3
    nicht auf die Befruchtung von Eizellen anzuwenden sei (medstra 2015, 64). Dementsprechend ma-
    che sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 nicht strafbar, wer aufgrund einer sorgfältigen Prognose eine konkret
    einzelfallbezogene Zahl von Eizellen mit dem Ziel befruchtet, nur ein oder zwei entwicklungsfähige
    Embryonen entstehen zu lassen, auch wenn unbeabsichtigt und im Ausnahmefall mehr entwick-
    lungsfähige Embryonen entstehen.
    Ulsenheimer/​Gaede weisen jedoch warnend darauf hin, dass eine höchstrichterliche strafrechtliche
    Entscheidung zu diesem Thema noch aussteht und daher zumindest das Risiko eingeleiteter Er-
    mittlungsverfahren weiter besteht (Ulsenheimer/​Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021,
    Rn. 1005).

    6. Zu Nr. 6 
    Die in engem Zusammenhang mit den Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie des § 2 Abs. 1 22
    stehende Vorschrift erfasst in ihrer ersten Alternative die sog. Embryospende und pönalisiert in
    ihrer zweiten Alternative die Entnahme eines Embryos für die Verwendung zu einem nicht seiner
    Erhaltung dienenden Zweck (zur Kritik daran, dass die Vorschrift zwei unterschiedliche Fallge-
    staltungen derselben strafrechtlichen Sanktion unterwirft s. Geilen, ZStW 103 [1991], 829, 838).
    § 1 Abs. 1 Nr. 6, 1. Alt. enthält allerdings kein Verbot der Embryospende nach in-​vitro-​Fertilisation 23
    auf eine Frau, die nicht Ersatzmutter ist; insoweit handelt es sich um eine bewusst offengelassene

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