Medizinrecht Kommentar - Prütting 6. Auflage Prof. Dr. Dorothea Prütting Ministerialdirigentin i.R., Honorarprofessorin an der juristischen ...
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Prütting Medizinrecht Kommentar Herausgegeben von Prof. Dr. Dorothea Prütting Ministerialdirigentin i.R., Honorarprofessorin an der juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum 6. Auflage Leseprobe
Zitiervorschlag: MedR-Komm/Bearbeiter § … Rn…. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-472-09725-9 Luchterhand Verlag 2022 www.wolterskluwer.de Alle Rechte vorbehalten. © 2022 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Wolters-Kluwer-Straße 1, 50354 Hürth. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer- halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Verlag und Autorinnen und Autoren übernehmen keine Haftung für inhaltliche oder drucktech- nische Fehler. Umschlagkonzeption: Martina Busch, Grafikdesign, Homburg Kirrberg Satz: NewGen Knowledge Works (P) Ltd., Chennai Druck und Weiterverarbeitung: CPI, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem alterungsbeständigem chlorfreiem Papier. Leseprobe
Vorwort Neben der laufenden Aktualisierung der Gesetzestexte und ihrer Kommentierungen wurden in der 6. Auflage des Werkes neue Akzente gesetzt. Das Autorenteam wurde erweitert. Es konnten zusätzlich Damen und Herren aus der Rechtsan- waltschaft, Bundesverbänden im Gesundheitswesen, der Bundesministerial-und -oberbehörden- verwaltung sowie der Kostenträgerseite gewonnen werden, die ihr Know-how eingebracht haben. Das deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) ist durch die einschlägige, unmittelbar geltende EU- Verordnung bis auf Vorschriften zum Datenbankgestützten Informationssystem und zur Europäi- schen Datenbank entkernt worden. Die Kommentierung zum Medizinprodukterecht musste voll- ständig neu erarbeitet werden. Durch die Aufnahme von kommentierten Vorschriften des PsychThG ist die berufsrechtliche Kom- ponente des Kommentars, das ärztliche Heilberufsrecht, vervollständigt worden. Neuaufnahme hat das Infektionsschutzrecht gefunden, das in seinen Grundstrukturen schwer- punktmäßig erläutert worden ist. Dabei wurde berücksichtigt, dass ein einbändiger Kommentar nicht den Anspruch erheben kann, alle Facetten zu beleuchten, die aus Gesetzgebung und Verord- nungserlass resultieren, die sich teilweise im halbmonatlichen Turnus erregerbezogenen ändern, wie dies bei der SARS-CoV-19-Gesetzgebung der Fall war. Die Behandlung von Problemen der Insolvenzfähigkeit im Gesundheitswesen sowie das Thema der Aufbewahrung von Krankenunterlagen in der Insolvenz gesundheitlicher Einrichtungen wurden ausgebaut. Ebenfalls neu aufgenommen wurde eine Kommentierung der Vorschriften des SGB V, die sich mit der elektronischen Patientenakte befassen. Die Normen sind durch das Patienten-Datenschutz- Gesetz 2020 eingeführt worden. Die widerstreitenden Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur über das 30 Jahre alte ESchG, das Ärzteverbände, Wissenschaftler und vor allem betroffene Paare überarbeitet wissen wollen, wur- den in die überarbeitete Kommentierung eingepflegt. Die Gesetzgebung müsse ein »zeitgemäßes« Fortpflanzungsmedizin-Gesetz auf den Weg bringen, so Taupitz, Universität Heidelberg, bereits im Jahr 2019. Luchterhand Verlag 2022 Der Kommentar nimmt im Übrigen Stellung zu einer Vielzahl von medizin-und gesundheitsrecht- lichen Problemen, gibt Hilfen zum Gesetzesverständnis und ist im Praxisalltag, der kurzfristige Entscheidungen erfordert, kaum mehr wegzudenken. Dem Autorenteam und dem Verlag sei an dieser Stelle besonders für den hoch engagierten Einsatz, die wertvollen Beiträge und die Sorgfalt bei der stets herausfordernden Aktualisierung des Werkes gedankt. Anregungen aus der Nutzerschaft konnten aufgenommen werden. Sie sind auch weiter- hin im Interesse eines immer weiter zu verbessernden Angebots unter redaktion.medrkommentar@ wolterskluwer.de oder in Rezensionen sehr willkommen. Bochum im Oktober 2021 Dorothea Prütting Leseprobe V
Bearbeiterverzeichnis Marie Anton Referentin Medizinprodukterecht beim Bundesverband der Arzneimittel Hersteller e.V. (BAH), Bonn Dr. Frank Becker Rechtsanwalt, Münster Walter Böttiger Ministerialrat, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg, Stuttgart Dr. Sebastian Braun Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Leipzig Lehrbeauftragter für Medizinrecht und Medizinstrafrecht an der juristischen Fakultät der Universität Leipzig Dr. Enno Burk, LL.M. (Exeter) Rechtsanwalt, Berlin Prof. Dr. iur. Thomas Clemens Richter am Bundessozialgericht i. R., Kassel, Honorarprofessor der juristischen Fakultät der Universität Tübingen Gerhard Dalichau Vizepräsident des Hessischen Landessozialgerichts i.R., Darmstadt Dr. Christian Deckenbrock Akademischer Rat, Universität zu Köln Dr. Klaus Engelmann Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht i.R., Kassel Dr. Kilian Friedrich Rechtsanwalt, Hamburg Dr. Markus Gierok Luchterhand Verlag 2022 Rechtsanwalt, Köln Jessica Hanneken Syndikusrechtsanwältin, Vice President, Mitglied der Geschäftsleitung BFS health finance GmbH, Dortmund/Berlin Dr. Markus Heitzig Rechtsanwalt, Münster Prof. Dr. Martin Henssler Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln Dr. Rainer Hess Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses i.R., Berlin Prof. Dr. Johannes Heyers, LL.M. apl. Professor der Juristischen Fakultät der Universität Münster, Rechtsanwalt, Essen Dr. Marlis Hübner Leiterin der Rechtsabteilung der Bundesärztekammer i.R., Rostock Prof. Dr. Christian Katzenmeier Direktor des Instituts für Medizinrecht der Universität zu Köln Leseprobe VII
Bearbeiterverzeichnis Dr. Karolina Kessler Rechtsanwältin, Köln Dr. Regine Kiesecker Geschäftsführerin der Bezirksärztekammer Südwürttemberg, Reutlingen Prof. Dr. Matthias Kilian Juniorprofessor, Direktor des Soldan Instituts an der Universität zu Köln Dr. Jana Knauer Referentin Medizinproduktesicherheit beim Bundesministerium für Gesundheit, Berlin Anne Laurinat MLE Rechtsanwältin, Köln Wolfgang Leber Rechtsanwalt, Nümbrecht Prof. Dr. Dr. Alex Lechleuthner Leiter des Instituts für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr, Technische Hochschu- le, Köln Birgit Lotz, LL.M. (Bristol) Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Düsseldorf Dr. Elmar Mand LL.M. (Yale) Lehrbeauftragter und Leiter der Forschergruppe für Zivil-und Gesundheitsrecht an der Phillips- Universität Marburg Dr. Kirsten Plaßmann Rechtsanwältin, Stuttgart Prof. Dr. Dorothea Prütting Ministerialdirigentin i.R., Honorarprofessorin der juristischen Fakultät der Ruhr-Universität, Bochum Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hanns Prütting Direktor des Instituts für Anwaltsrecht der Universität zu Köln Luchterhand Verlag 2022 Prof. Dr. Jens Prütting LL.M.oec. Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Medizin- und Gesundheitsrecht an der Bucerius Law School, Hamburg Prof. Dr. Michael Quaas M. C. L. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Medizinrecht, Stuttgart; Richter im Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs; Honorarprofessor der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Ludwigsburg Prof. Dr. Martin Rehborn Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Dortmund, Honorarprofessor der juristischen Fakultät der Universität zu Köln Prof. Dr. Hermann Reichold Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits-und Wirtschaftsrecht, Leiter der Forschungsstelle für kirchliches Arbeitsrecht der Universität Tübingen Dr. Thomas Rompf Justiziar der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Berlin VIII Leseprobe
Bearbeiterverzeichnis Dr. Ulf Schriever Fachgebietsleiter Klinische Prüfungen von Medizinprodukten, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn Annabel Seebohm LL.M. (Auckland) Rechtsanwältin, Generalsekretärin Standing Committee of European Doctors (CPME), Brüssel Dr. Ulrich Stockter Regierungsdirektor, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin Dr. Frank Stollmann Leitender Ministerialrat, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, Düsseldorf Dr. Ekkehard Stößlein Fachgebietsleiter Aktive Medizinprodukte und In-Vitro-Diagnostika, Bundesinstitut für Arznei- mittel und Medizinprodukte, Bonn Gerrit Tigges LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Düsseldorf Prof. Dr. Michael Tsambikakis Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für Medizinrecht, Köln Honorarprofessor der juristischen Fakultät der Universität Passau Prof. Dr. Ulrich Wenner Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, Kassel, Honorarprofessor der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt/Main Wiebke Winter LL.B. Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Medizinrecht der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Heike Wollersen Referentin Medizinprodukte beim Bundesverband der Arzneimittel Hersteller e.V. (BAH), Bonn Kathrin Wulf Referentin der AOK NordWest, Kiel Luchterhand Verlag 2022 Leseprobe IX
Im Einzelnen haben bearbeitet Apothekenrecht D. Prütting §§ 1–14, 18–20, 23, 25 ApoG Arbeitsrecht Reichold §§ 611–620, 622–626, 628–630 BGB Arzneimittelrecht Plaßmann §§ 1–4a, 13, 25, 31, 40, 84–92, 94a–97 AMG Arzthaftungsrecht J. Prütting §§ 194, 195, 199, 203, 204, 249, 253, 823, 831, 842–845 BGB J. Prütting/Friedrich §§ 630a–630h BGB Berufsrecht Seebohm/Rompf §§ 1–3, 5, 6, 10–10b, 12, 14b BÄO D. Prütting §§ 2, 4, 4a, 6–8, 11–12 BApO J. Hanneken §§ 1 f., 4 f., 13 ZHG Rehborn §§ 1–17, 21, 24–33 MBOÄ Kilian §§ 18–20, 23–23d MBOÄ D. Prütting §§ 1–6, 11–19, 22 PsychThG Betäubungsmittelrecht Laurinat §§ 1–18, 29–30a, 32, 33 BtMG Dienstvertragsrecht Tigges § 611 BGB Reichold § 611a BGB Embryonenschutzgesetz Braun §§ 1–3a, 5–8 ESchG Familienrecht Duttge/Gierok § 1631d BGB Gebührenrecht Hübner §§ 1–5b GOÄ Kiesecker §§ 6–12 GOÄ Gendiagnostikrecht Stockter §§ 1–4, 7–16, 18–22 GenDG Gesellschaftsrecht Deckenbrock §§ 705–722 BGB Henssler §§ 723–740 BGB Kilian §§ 1–11 PartGG Heilmittelwerberecht Mand §§ 1–4, 5–10, 13–17 HWG Luchterhand Verlag 2022 Burk §§ 4a, 11, 12 HWG Infektionsschutzrecht D. Prütting §§ 1–2, 5, 6–10, 15, 16–18, 20, 28, 29–31, 56, 65 IfSG Insolvenzordnung H. Prütting §§ 1–7, 11–12, 35–36, 80, 103 InsO Krankenhausrecht Stollmann §§ 1–8 KHG Becker/Heitzig § 18 KHG Becker/Heitzig §§ 3–6a, 7, 8 KHEntG Hess §§ 16–19 KHEntG Quaas §§ 39, 40, 107–112, 115a–115b, 116–116b, 117, 118, 119, 121 SGB V Medizinprodukterecht Anton/Knauer/Schriever/ §§ 1, 2, 7, 24–31, 38–39, 42, 44–47, 53– Stößlein/Wollersen 54, 62–72, 74–76, 79, 81, 86, 97–98 MPDG Patientenverfügungen J. Prütting/Winter §§ 1901a, 1901b, 1904, 1906, 1906a BGB Pflegeversicherungsrecht Böttiger/Clemens §§ 1, 7c, 14 f, 28, 36, 38–45b, 72, 75–79, 82, 84–89, 91, 92a–92b, 105, 115, 119, 120 SGB XI D. Prütting § 47a SGB XI Leseprobe XI
Im Einzelnen haben bearbeitet Prozessrecht H. Prütting §§ 1, 12, 13, 17, 29, 32, 42, 50, 59, 66, 78, 114, 142, 144, 253 f., 256, 348, 383, 402, 406, 485, 511, 522, 531 ZPO Katzenmeier §§ 284–287 ZPO Sozialrecht Wenner §§ 1, 2, 12, 13, 15, 20, 20a, 20i, 22, 22a, 23, 24a, 24c–24f, 27, 28, 31–33 SGB V Engelmann §§ 27b, 69, 73b SGB V Dalichau §§ 126–140a SGB V D. Prütting §§ 81a, 197a SGB V Wulf §§ 341, 346, 360 SGB V Strafgesetzbuch Tsambikakis/Kessler §§ 203, 205, 263, 266, 278, 299, 299a, 299b, 300, 331–336 StGB Duttge/Tsambikakis §§ 211, 212, 216 StGB Duttge/Kessler §§ 217, 218–219b, 222 StGB Duttge/Gierok §§ 223, 224, 226–229, 323c StGB Transfusionsrecht Lechleuthner §§ 1–19, 21, 21a, 24 TFG Transplantationsrecht J. Prütting/Winter §§ 1, 3–4a, 8–9, 17 TPG Wettbewerbsrecht Heyers §§ 1–3, 18, 19, 35–38 GWB Lotz §§ 97–99, 103, 106, 119, 134, 135 GWB Leber §§ 3, 3a UWG Luchterhand Verlag 2022 XII Leseprobe
Inhaltsübersicht Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzeimittelgesetz – AMG), §§ 1 – 97 . . . . . . . . . . . . . . 1 Gesetz über das Apothekenwesen (Apothekengesetz – ApoG), §§ 1 – 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Bundes-Apothekenordnung – BApO, §§ 2 – 12. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Bundesärzteordnung – BÄO, §§ 1 – 14b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB, §§ 194 – 1906a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG), §§ 1 – 33. . . . . 853 Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – EschG), §§ 1 – 8. . . . . . . . . . . . . . . 923 Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), §§ 1 – 22. 949 Gebührenordnung für Ärzte – GOÄ, §§ 1 – 12. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB, §§ 1 – 135 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1215 Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz – HWG), §§ 1 – 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1333 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz –IfSG), §§ 1 – 65. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1537 Insolvenzordnung – InsO, §§ 1 – 103. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1589 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG), §§ 3 – 19. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1619 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG), §§ 1 – 18 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1715 Muster-Berufsordnung für Ärzte – MBOÄ, §§ 1 – 33. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1789 Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz – MPDG), § 1 – 98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1937 Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz – PartGG), §§ 1 – 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1987 Gesetz über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz – PsychThG), §§ 1 – 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2045 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung, §§ 1 – 197a.. . . . . . . . 2069 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, §§ 1 – 120.. . . . . . . . . . . . . . . 2777 Luchterhand Verlag 2022 Strafgesetzbuch – StGB, §§ 203 – 336. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2921 Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG), §§ 1 – 32 . . . . . . . . . . . . . 3117 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG), §§ 1 – 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3169 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG, §§ 3 – 3a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3219 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (Zahnheilkundegesetz – ZHG), §§ 1 – 13. . . . . . . . . 3227 Zivilprozessordnung – ZPO, §§ 1 – 531 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3265 Leseprobe XIII
ESchG Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz –ESchG) In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228) Inhaltsverzeichnis Vorbemerkungen §1 Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken §2 Mißbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen §3 Verbotene Geschlechtswahl § 3a Präimplantationsdiagnostik; Verordnungsermächtigung §5 Künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen §6 Klonen §7 Chimären-und Hybridbildung §8 Begriffsbestimmung Vorbemerkungen Die Entwicklung der Reproduktionsmedizin mit der Geburt des ersten »Retortenbabys« im 1 Jahr 1978 und die Erkenntnisfortschritte der Humangenetik lösten auch in Deutschland zum Teil heftige Diskussionen aus. Nach zahlreichen Stellungnahmen u. a. seitens der Bundesärztekammer, des Deutschen Juristentages und der Kirchen legte im November 1985 die sog. Benda-Kommission (»Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie«) ihren Abschlussbericht vor, in dem eine Reihe gesetzlicher Regelungen mit zum Teil strafbewehrten Verboten vorgeschla- gen wurde (s. Arbeitsgruppe »In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie«, 1985; dazu v. Bülow in: Winter/Fenger/Schreiber, Genmedizin und Recht, 2001, S. 127, 130 ff.). Hierauf beruht ganz wesentlich das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutz- 2 gesetz –ESchG) vom 13.12.1990 (BGBl. I S. 2746), das zum Jahresbeginn 1991 in Kraft trat. Wegen der zum damaligen Zeitpunkt fehlenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für eine Luchterhand Verlag 2022 umfassendere Regelung der Fortpflanzungsmedizin (s. nunmehr Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG) ist das Embryonenschutzgesetz als strafrechtliches Nebengesetz konzipiert, wofür der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz besaß und besitzt. Vor diesem Hintergrund wird auch der fragmentarische Charakter des ESchG verständlich (s.a. Günther/Taupitz/Kaiser Embry- onenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, Einführung B, Rn. 17). Als Strafgesetz unterliegt das ESchG dem strikten Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, was straferweiternde Auslegungen gesetzlicher Regelungen verbietet (s. OLG Rostock MedR 2010, 874, 875 f. zu § 4 Abs. 1 Nr. 3 ESchG). Das ESchG zielt –sieht man von den verfassungsrechtlich inakzeptablen §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 2 ab – 3 auf einen ausgeprägten pränatalen Lebensschutz (anders Schroth, JZ 2009, 233, 238), wobei aller- dings das Schutzregime mit dem Abschluss der Nidation endet. Ab diesem Zeitpunkt untersteht der Schutz des pränatalen Lebens dem Abtreibungsstrafrecht (s. Müller-Terpitz, Das Recht der Bio- medizin, 2006, Einführung, S. 47; Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, vor § 1, Rn. 5 f.). Der Gesetzgeber berief sich ausdrücklich auf seinen Schutzauftrag aus den grund- gesetzlichen Würde-und Lebensgarantien der Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wel- cher schon die frühesten menschlichen Entwicklungsstadien –sei es in-vivo oder in-vitro –umfasse (s. BT-Drs. 11/5460, S. 6). Diese Position hat der einfache Gesetzgeber im Stammzellgesetz vom 28.06.2002 (BGBl. I S. 2277) ausdrücklich bestätigt und noch erweitert (dazu Müller-Terpitz, Das Recht der Biomedizin, 2006, 47, 51 ff.; ausführlich ders., Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, passim). Die grundsätzlich weit ausgreifende Schutzkonzeption des ESchG bedeutet zugleich eine Braun Leseprobe 923
§ 1 ESchG Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken Absage an die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen, wenn und soweit sie mit der Zer- störung eines Embryos (s. § 8 Abs. 1) einhergeht. 4 Diese prinzipielle Teleologie des Gesetzes ist indes durch die Einführung des § 3a, der die –be- grenzte –Straflosigkeit der Präimplantationsdiagnostik (PID) regelt, für einen Teilbereich relativiert worden (s. Dreier, Bioethik –Politik und Verfassung, 2013, 66 f.; Augsberg, ZfL 2014, 74 ff.; mit Blick auf die weitergehenden Regelungen des Augsburg-Münchener Entwurfs zum Fortpflanzungs- medizingesetz, die einen Regel-Ausnahme-Mechanismus zugunsten eines Rechts auf Inanspruch- nahme der Optionen der Fortpflanzungsmedizin etablieren, Gärditz, ZfL 2014, 42 ff.; anders etwa Kubiciel, NStZ 2013, 382, 383, der das Augenmerk auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung je- der gesetzlichen Beschränkung der PID lenkt (vgl. hierzu auch Lindner, ZfL 2015, 10, 12); kritisch mit Blick auf das Diskriminierungsverbot insoweit Duttge, ZfmE 61 [2015], 109 ff.). Der EGMR hat mit Blick auf das gänzliche Verbot der PID nach italienischem Recht indes darauf hingewiesen, dass der Schutz des Privatlebens und der Familie nach Art. 8 EMRK sehr weit zu fassen sei und nicht nur das Recht auf Respektierung des Wunschs, Eltern zu werden, gewährleiste, sondern auch das Recht auf Zugang zu Fortpflanzungstechniken; daher unterfalle der Wunsch eines Ehepaares, ein Kind zu zeugen, das nicht von einem Gendefekt betroffen ist, dessen Träger beide sind, und sich dazu Maßnahmen der künstlichen Befruchtung und der Präimplantationsdiagnostik zu bedienen, dem Schutz des Art. 8 EMRK (EGMR, GesR 2012, 736 f.). 5 Die Systematik des ESchG lässt sich wie folgt skizzieren: Das Kernstück des Gesetzes bilden die beiden zentralen Verbotsnormen der §§ 1 und 2. In den §§ 3 bis 7 werden spezielle Formen fortpflanzungstechnischer oder humangenetischer Interventionen und Manipulationen im Gefolge extrakorporaler Befruchtung reguliert. Der straf-bzw. bußgeldbewehrte Arztvorbehalt (§§ 9 bis 12) soll schließlich Gefahren für Leben oder Gesundheit des Embryos sowie der austragenden Frau ab- wehren (s. Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, vor § 1 Rn. 7). § 1 Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt, 2. es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt, 3. es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu Luchterhand Verlag 2022 übertragen, 4. es unternimmt, durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus mehr als drei Eizellen zu befruchten, 5. es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus über- tragen werden sollen, 6. einer Frau einen Embryo vor Abschluß seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienen- den Zweck zu verwenden, oder 7. es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen. (2) Ebenso wird bestraft, wer 1. künstlich bewirkt, daß eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle ein- dringt, oder 2. eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle künstlich verbringt, ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt. (3) Nicht bestraft werden 924 Leseprobe Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken § 1 ESchG 1. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 6 die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle übertragen wird oder der Embryo übertragen werden soll, und 2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 7 die Ersatzmutter sowie die Person, die das Kind auf Dauer bei sich aufnehmen will. (4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 2 ist der Versuch strafbar. Übersicht Rdn. Rdn. A. Übersicht und Grundsätzliches. . . . . . . . 1 3. Zu Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Zentrale Regelungsaussagen. . . . . . . . . . 5 4. Zu Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19a I. Die Straftatbestände des § 1 Abs. 1 . . . . . 5 5. Zu Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Zu Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. 6 6. Zu Nr. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Zu Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Die Straftatbestände des § 1 Abs. 2 . . . . . 24 A. Übersicht und Grundsätzliches § 1 zählt zu den zentralen Bestimmungen des ESchG und stellt die missbräuchliche Anwendung 1 von Fortpflanzungstechniken unter Strafe. Die sieben Straftatbestände des § 1 Abs. 1 sind von der Vorstellung geprägt, dass die zu befruchtende Eizelle mit der Mutter genetisch identisch sein muss, dass immer nur so viele Eizellen befruchtet werden, wie anschließend übertragen werden sollen (sog. Konnexitätsprinzip), und dass zum Schutz der Mütter und Embryonen vor komplikations- trächtigen Mehrlingsschwangerschaften nicht mehr als drei Embryonen gleichzeitig auf die Eizell- spenderin übertragen werden dürfen. Abs. 2 der Vorschrift verfolgt als konkretes Gefährdungsdelikt die gleiche doppelte Schutzrichtung 2 wie § 1 Abs. 1 Nr. 2: Er will sowohl fremdnützige Verwendungen (etwa die verbrauchende Emb- ryonenforschung) als auch die Gefahr gespaltener Mutterschaften ausschließen. Auch dem Risiko, dass überzählige Embryonen entstehen, soll vorgebeugt werden (s. nur Günther/Taupitz/Kaiser Em- bryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 2, Rn. 4). Abs. 3 der Bestimmung enthält persönliche Strafausschließungsgründe für bestimmte Straftatbe- 3 stände zugunsten der beteiligten Frauen. Zahlreiche strafbewehrte Verbotstatbestände des § 1 sind in der Literatur auf zum Teil heftige Kri- 4 Luchterhand Verlag 2022 tik und verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen (ausführlich Günther/Taupitz/Kaiser Embryonen- schutzgesetz, 2008, § 1 Abs. 1 Nr. 1–7). Damit soll –wie etliche Verlautbarungen deutlich werden lassen –der Gesetzgeber zu einer Korrektur seiner restriktiven Haltung, die er ja durch den Erlass des Stammzellgesetzes noch einmal bekräftigt hat, gedrängt werden. Die Berechtigung dieser Kritik kann im vorliegenden Zusammenhang nicht im Einzelnen einer wiederum kritischen Überprüfung unterzogen werden. B. Zentrale Regelungsaussagen I. Die Straftatbestände des § 1 Abs. 1 Mit dem Ziel des Würde-und Integritätsschutzes des Embryos und im Interesse geeigneter Ent- 5 wicklungsbedingungen des später geborenen Kindes formuliert § 1 Abs. 1 eine Reihe von strafbe- wehrten Verbotstatbeständen. 1. Zu Nr. 1 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ist es verboten, auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle zu über- 6 tragen. Eizelle meint dabei die menschliche weibliche Keimzelle. Fremd ist eine Eizelle dann, wenn sie nicht von der Frau stammt, auf die sie übertragen wird (Günther/Taupitz/Kaiser Emb- ryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 15–17). Die Eizellspende als solche kann Braun Leseprobe 925
§ 1 ESchG Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken grundsätzlich –neben der Übertragung einzelner Eizellen –auch durch eine Eierstocktransplanta- tion erfolgen (Spickhoff/Müller-Terpitz, § 1 ESchG Rn. 5). 7 Das in der Vorschrift umschriebene Tatobjekt wird darüber hinaus durch das Attribut »unbefruch- tet« charakterisiert. Eine Eizelle ist jedenfalls ab dem Zeitpunkt befruchtet, in dem sich die beiden haploiden Chromosomensätze der Vorkerne zum diploiden Chromosomensatz des neuen Genoms vereinigt haben (näher Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, Einführung A, Rn. 35 ff.; Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 8, Rn. 27 ff.). Für noch im Befruchtungsvorgang befindliche Eizellen enthält der Unternehmensstraftatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 eine weitere Regelung. Mittels einer solchen Eizellenspende wäre es Frauen, die mit ihren eigenen Eizellen nicht schwanger werden können, möglich, dennoch ein Kind zu bekommen. Allerdings ist diese Option auf Basis von § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Deutschland untersagt (Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021, Rn. 998). Nach der Rechtsprechung begehen deswegen auch Ärzte, die in Deutsch- land eine vorbereitende Behandlung für eine im Ausland durchzuführende Eizellspende oder Be- handlung im Wege der Übertragung auf andere Frauen und Befruchtung der gespendeten Eizelle vornehmen, eine strafbare Beihilfehandlung gem. § 27 Abs. 1 StGB, § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, wenn es nach der vorbereitenden Behandlung tatsächlich zu einer Eizellspende oder Behandlung einer an- deren Frau im Wege der Eizellspende kommt (KG MedR 2014, 498 ff. mit dem Hinweis, dass ein Unterlassungsanspruch gem. § 4 Nr. 11 UWG gegenüber diesbezüglichen Werbeaussagen bestehe). Der Normzweck der Vorschrift zielt auf die Verhinderung sog. gespaltener Mutterschaften ab, d.h. das Auseinanderfallen von genetischer und biologischer (austragender) Mutter (zur Begründung s. BT-Drs. 11/5460, S. 7). Nur für den Fall der sog. Embryospende nach in-vitro-Fertilisation lässt das ESchG die gespaltene Mutterschaft zu (s. § 1 Abs. 1 Nr. 6; zum Ganzen Günther/Taupitz/ Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 1 ff.). 8 (unbesetzt) 9 Zentrales Motiv der Regelung ist die Sicherung des Kindeswohls als grundrechtsdogmatische Mitte der Eltern-Kind-Beziehung (allgemein dazu Höfling in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 155, Rn. 34 ff.). Im medizin(straf )rechtlichen Schrifttum wird das Verbot der Eizellspende jedoch zunehmend kritisch betrachtet (vgl. Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021, Rn. 1006; ausführlich Spickhoff/Müller-Terpitz, § 1 ESchG Rn. 7, der ins- besondere verfassungsrechtliche Bedenken äußert; so auch Gassner, ZRP 2015, 126; im Gesamt- Luchterhand Verlag 2022 überblick Dorneck, Das Recht der Reproduktionsmedizin de lege lata und de lege ferenda, 2018). Auch mehrere Organisationen, die Betroffenen bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches Unter- stützung bieten, sprechen sich für die Zulassung der Eizellspende aus, sodass die Thematik auch in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend in den Fokus rückt. Aufgrund der immer »lauter« werdenden Debatte, wird sich der Gesetzgeber mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Sollte er auf Basis seines Beurteilungsspielraumes an der bestehenden Verbotskonzeption festhalten, muss hierfür jedoch eine vertieftere Begründung erfolgen, als es bisher der Fall gewesen ist. Anderenfalls dürfte die gesellschaftliche Normakzeptanz zunehmend nachlassen. 10 Im Gegensatz zur Eizellspende ist die Samenspende erlaubt. Zum Teil wird insoweit »aus der erheb- lichen Inkonsistenz des Gesetzes der Vorwurf eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz« abgelei- tet, der »durch Straflosigkeit auch der gespaltenen Mutterschaft zu beseitigen« sei (so ausdrücklich Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rn. 12). Dem ist indes zu widersprechen: Zum einen kann die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Sa- men-und Eizellspende an die unterschiedliche Eingriffstiefe bei der Gewinnung der Keimzellen anknüpfen. Anders als Samenzellen lassen sich Eizellen nur durch einen invasiven, risikobehafteten Eingriff in den Körper der Frau gewinnen. Zum anderen gibt es einen eindeutigen biologischen Unterschied zwischen gespaltener Vaterschaft einerseits und gespaltener Mutterschaft andererseits. Eine Spaltung der Vaterschaft in eine genetische und eine biologische Vaterschaft gibt es nicht (hierzu m.w.N. Höfling Verfassungsrechtliche Aspekte der Verfügung über menschliche Embryonen 926 Leseprobe Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken § 1 ESchG und »humanbiologisches Material«, Gutachten für die Enquete-Kommission »Ethik und Recht der modernen Medizin« des Deutschen Bundestages, 2001, S. 168 ff.). Auch wenn es keine verfas- sungsrechtliche Pflicht zu einem Verbot der Eizellspende geben mag, ist der Gesetzgeber durchaus legitimiert, die Eizellspende als fremdnützigen Eingriff einzuschränken und auch gegenüber der Le- bendorganspende –die immerhin der Abwehr einer konkreten drohenden Lebensgefahr für einen Dritten dient –noch restriktiveren Reglementierungen zu unterwerfen. Ganz in diesem Sinne hat der EGMR mit Blick auf eine vergleichbare Regelung im österreichischen 11 Fortpflanzungsmedizingesetz (öBGBl. Nr. 275/1992) eine Verletzung von Art. 8 EMRK verneint (s. EGMR, NJW 2012, 207 ff.; instruktiver Überblick bei Müller-Terpitz AVR 51 [2013], 42 ff.; ferner Koutnatzis/Weilert, AVR 51 [2013], 72 ff.). 2. Zu Nr. 2 Der Unternehmensdeliktstatbestand verfolgt eine doppelte Zielrichtung: Zum einen soll die künst- 12 liche Befruchtung zu jedem anderen Zweck als dem der Herbeiführung einer Schwangerschaft aus- geschlossen werden. Damit ist auch die künstliche Befruchtung verboten, bei der die Zeugung von Embryonen zu Forschungszwecken erfolgt (Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Häberle, 229. EL März 2020, ESchG § 1 Rn. 4).Zum anderen pönalisiert § 1 Abs. 1 Nr. 2 die gespaltene Mutterschaft. Im Zentrum der Norm steht der Begriff der »künstlichen Befruchtung«. Nach den Gesetzesmate- rialien zum ESchG ist hierunter jede Befruchtung zu verstehen, die nicht durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt wird und zu deren Erreichung technische Hilfsmittel eingesetzt werden. Zur künst- lichen Befruchtung zählen insbesondere die Insemination, die gezielte Injektion von Samenzellen in die menschliche Eizelle, die In-vitro-Fertilisation sowie der intratubare Gametentransfer, also das Implementieren von Ei-und Samenzelle in den Eileiter (BT-Drs. 11/5460 S. 8; Erbs/Kohlhaas/ Pelchen/Häberle, 229. EL März 2020, ESchG § 1 Rn. 4). Der Tatbestand erfasst nicht sog. Hybridbildungen (dazu § 7 Abs. 1 Nr. 3 ESchG) und mangels 13 Befruchtung auch nicht die Konstellation, dass der Embryo mittels einer somatischen Kerntrans- plantation erzeugt wird (s.a. BT-Drs. 13/11263, S. 21 f.). Insoweit kommt allerdings die Vorschrift des § 6 ESchG in Betracht. (unbesetzt) 14 In hohem Maße umstritten war die Frage, ob die Vorschrift auch die sog. Präimplantations- 15 Luchterhand Verlag 2022 diagnostik (PID) erfasst (dazu und zu der Frage, ob andere Tatbestände des ESchG die sog. Be- fruchtung auf Probe erfassten etwa Giwer, Rechtsfragen der Präimplantationsdiagnostik, 2001, S. 33 ff.; Hufen, MedR 2001, 442 ff.; Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, 2002, S. 118 ff.; Schroth, JZ 2002, 170 ff.; ders., NStZ 2009, 233 ff.; Faßben- der, NJW 2001, 2745 ff.; zur Diskussion auch Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 3a, Rn. 2 f.). Mit Blick auf das strikte Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG bestanden daran erhebliche Zweifel (s. Höfling, Reprogenetik und Verfassungsrecht, 2001, S. 28 f.). Durch das Urteil des BGH vom 06.07.2010 wurde die literarische und forensische Auseinanderset- 16 zung zugunsten der Straflosigkeit entschieden (s. BGH MedR 2010, 844 ff., m. Anm. Schumann; dazu etwa Ratzel, GesR 2010, 522 ff.; Dederer, MedR 2010, 819 ff.). Danach begründete die nach extrakorporaler Befruchtung beabsichtigte PID mittels Blastozystenbiopsie und anschließender Untersuchung der entnommenen pluripotenten Trophoblastzellen auf schwere genetische Schäden weder eine Strafbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 noch nach § 2 Abs. 1. Somit war der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen, der mit der Einfügung des § 3a reagiert hat. Das 2-PN-Stadium liegt vor, wenn das Spermium bereits in die weibliche Eizelle eingedrungen ist, 16a jedoch noch keine Kernverschmelzung stattgefunden hat, da dieser Vorgang durch Kryokonservie- rung, dem Einfrieren mit flüssigem Stickstoff, unterbrochen worden ist. Solche Zellen werden als 2-PN-Zellen oder Vorkernzellen bezeichnet (Daunderer, medstra 2019, 218). In diesem Stadium trägt die Eizelle bereits den mütterlichen und väterlichen Chromosomensatz in sich, ist jedoch noch Braun Leseprobe 927
§ 1 ESchG Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken nicht als Embryo zu bezeichnen (Daunderer, medstra 2019, 218). Letzteres ist erst dann der Fall, wenn die Zellverschmelzung stattgefunden hat (Daunderer, medstra 2019, 218). In der Folge ist es möglich, die 2-PN-Zellen wieder aufzutauen und anschließend bei einer Frau einzusetzen (Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Häberle, 229. EL März 2020, ESchG § 1 Rn. 4). Erst zu die- sem Zeitpunkt lösen sich die bis dahin gebildeten Vorkerne auf und die Kernverschmelzung findet statt (Gercke/Leimenstoll/Stirner, Handbuch Medizinstrafrecht, S. 205). Hierbei werden regelmä- ßig mehr Zellen eingefroren, als später Embryonen übertragen werden, um ggf. für einen späteren erneuten Kinderwunsch zur Verfügung zu stehen (Ulsenheimer/ Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021, Rn. 1008). Die Möglichkeit der Konservierung sieht auch bereits § 9 Nr. 4 vor; diese steht dort unter Arztvorbehalt. Allerdings soll diese Option nur möglich sein, um die kon- servierten Zellen der Frau einzusetzen, von der auch die Eizelle stammt. In der Praxis tritt jedoch die Situation auf, dass überschüssig vorhandene Eizellen für die aktuell gewollte oder eine künftige Schwangerschaft einer Frau nicht mehr notwendig sind und dann ggf. absterben würden. Aus diesem Grund wird erwogen, ob diese Eizellen im Zwischenstadium auch einer anderen Frau zur Verfügung gestellt werden können (Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021, Rn. 1008). Aufgrund der Entscheidung des LG Augsburg, Urt. v. 13.12.2018 (16 Ns 202 Js 143548/14), medstra 2019, 252 ist die Diskussion um die Frage, ob das Auftauen von 2-PN-Zellen und deren Einsatz bei einer Frau, von der die Eizellen nicht stammen, ebenfalls unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 zu subsumieren ist, wieder neu entfacht worden (siehe hierzu Daunderer, medstra 2019, 217 ff; Tau- pitz, NJW 2019, 337 ff; Gaede, medstra 2019, 252; Hübner/Pühler, MedR 2019, 488; Schumann, FamRZ 2019, 1378). 16b OLG Karlsruhe (14. Zivilsenat), Urt. v. 17.06.2016 –14 U 165/15 Das OLG Karlsruhe war noch im Jahr 2016 davon ausgegangen, dass der Einsatz aufgetauter 2-PN- Zellen bei einer anderen Frau unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 gefasst werden muss. Der Entscheidung lag die Klage eines Mannes zugrunde, der von einer Klinik die Herausgabe der befruchteten Eizellen seiner verstorbenen Ehefrau verlangte, um den Kinderwunsch mit einer anderen Frau auf diese Weise fortzuführen. Der Senat lehnte dies u.a. mit dem Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 ab, da er –ebenso wie die Vorinstanz –in dem Einsetzen der aufgetauten 2-PN-Zellen das Risiko einer gespaltenen Mutterschaft erkannte (14 U 165/15, Rn. 32). Luchterhand Verlag 2022 16c LG Augsburg, Urt. v. 13.12.2018 –16 Ns 202 Js 143548/14, medstra 2019, 252 Das LG Augsburg geht jedoch davon aus, dass das Auftauen eingefrorener -2-PN-Zellen mit dem nunmehrigen Ziel, mit diesen Zellen eine Schwangerschaft einer Frau herbeizuführen, von der die Eizellen nicht stammen, nicht den objektiven Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 erfüllt. Entscheidend sei dabei, dass zum Zeitpunkt des Auftauens die Befruchtung bereits vollendet ist, so dass zu diesem Zeitpunkt kein Unternehmen i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB der künstlichen Befruchtung im Sinne des Tatbestands mehr möglich ist. Es wird daher erkennbar, dass die Frage der Strafbarkeit entscheidend davon abhängt, zu welchem Zeitpunkt von einer vollendeten Befruchtung auszugehen ist. Wäre dies erst nach dem Auftauen der Fall, ist von einer Verwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 auszugehen, da dann durch das Wieder- auftauen eine noch nicht abgeschlossene Befruchtung fortgesetzt werden würde (vgl. Daunderer, medstra 2019, 219, der auf die Auffassung der Staatsanwaltschaft Augsburg verweist). Ist jedoch die Befruchtung bereits verwirklicht, muss die Strafbarkeit entfallen, da zu Beginn des Befruch- tungsprozesses grundsätzlich noch die Absicht bestanden habe, die Embryonen wieder auf die Frau zu übertragen, von der die Eizelle stammt (Dorneck, medstra 2020, 337; Dorneck, medstra 2018, 263). Das LG Augsburg bezieht zu dieser Frage eindeutig Stellung: Der Befruchtungsvorgang sei be- reits mit der Ausbildung des männlichen und weiblichen Vorkerns (2-PN-Stadium) vollendet (vgl. 928 Leseprobe Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken § 1 ESchG Müller-Terpitz, medstra 2020, 259). Nach Auffassung des Gerichts beginne das Befruchten mit dem Eindringen der Samenzelle in die Eizelle. Vollendet sei der Befruchtungsvorgang mit der regel- rechten Ausbildung zweier Vorkerne, welche den einfachen Chromosomensatz von Mann und Frau enthalten. Damit sei die Genetik angelegt und bei komplikationslosem weiterem Verlauf entstehe menschliches Leben. Hierbei orientiert sich die Kammer wesentlich an der Richtlinie zur Entnah- me und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion und führt im Ergebnis aus: »Dies bedeutet nichts anderes, als dass die der Ärzteschaft von der Bundesärztekammer an die Hand gegebenen Leitlinien davon ausgehen, dass mit Vorhandensein der beiden Vorkerne in der Eizelle (= 2-PN-Stadium) die Befruchtung vollendet ist oder anders formuliert, dass die imprägnierte Ei- zelle mit Erreichen des regelrechten Zweikernstadiums eine vollendet befruchtete Eizelle ist« (LG Augsburg, medstra 2019, 252). Gewichtige Vertreter in der Literatur sprechen demgegenüber davon, dass sich bei 2-PN-Zellen die Herbeiführung der vollständigen Befruchtung erst später durch das Weiterkultivieren der Ei- zelle erreichen lasse (Taupitz, NJW 2019, 337). Im Schrifttum sah sich diese Entscheidung auch dem Vorwurf einer deutlichen Überdehnung der zulässigen Rechtsanwendung ausgesetzt (Taupitz, NJW 2019, 337; Müller-Terpitz, medstra 2020, 259). Insofern wird seitens der Kritik u.a. darauf abgestellt, dass das LG Augsburg ein zu enges Verständnis des Befruchtungsbegriffes gewählt habe. Dies führe im Ergebnis dazu, dass sich über ein tragendes Prinzip des ESchG –nämlich der Verhin- derung einer gespaltenen Mutterschaft –hinweggesetzt worden sei (Müller-Terpitz, medstra 2020, 265) und man damit im Ergebnis unzulässige Rechtspolitik betrieben habe (vgl. auch Dorneck, medstra 2020, 341 die die Auffassung des LG zum Befruchtungsbegriff teilt, in Bezug auf die Ent- scheidung dennoch Bedenken hinsichtlich des Gewaltenteilungsgrundsatzes äußert).Bei all diesen Aspekten sollte jedoch auch berücksichtigt werden, dass sich das Gericht in seiner Entscheidung an wissenschaftlichen medizinischen Erkenntnissen orientiert hat, um den auszulegenden Befruch- tungsbegriff näher konkretisieren zu können. Eine solche Übernahme medizinischer Ansätze ist vorliegend ein probates Mittel, da nicht zu erkennen ist, dass der von § 1 Abs. 1 Nr. 2 intendierte Schutzzweck unterlaufen wird. Zudem ist zu begrüßen, dass sich das LG Augsburg durch seine am Wortlaut orientierten Entscheidung einer übermäßigen Ausdehnung des Medizinstrafrechts durch die Rechtsprechung, wie sie z.B. im Bereich des Abrechnungsbetruges zu beobachten ist, bewusst entgegengestellt hat. Luchterhand Verlag 2022 BayObLG, Urt. v. 04.11.2020 –206 StRR 1461/19 16d Gegen das Urteil des LG Augsburg wurde durch die Staatsanwaltschaft Augsburg Revision eingelegt (vgl. hierzu den Bericht von Daunderer, medstra 2019, 217). Der Senat hat mit Urt. v. 04.11.2020 der Auffassung zugestimmt, wonach das »Befruchten« i.S.d. Norm noch nicht mit dem Einbringen der Samenzelle erschöpft sei. Daher sei es strafbar, die Ei- zellen zum Zwecke der Herbeiführung der Schwangerschaft einer Frau zu verwenden, von der die Eizelle nicht stammt. Dies sei auch im Rahmen des Auftauens krykonservierter Zellen der Fall. Das Gericht geht in dem Kontext davon aus, dass sich das Befruchten –nach dem Eindringen der Samenzelle –über einen Zeitraum von bis zu 24 Stunden bis zur Entstehung des Embryos fortsetze. Dementsprechend sei jede Handlung, die die Entstehung eines Embryos künstlich unterstütze, als »Befruchten« i.S.d. Norm zu verstehen. Für die Strafbarkeit komme es daher darauf an, ob zum Zeitpunkt des Auftauens der Embryo be- reits entwickelt war: Ist dies der Fall, so wäre kein Befruchten mehr gegeben und die Strafbarkeit entfalle. Hat sich der Embryo jedoch noch nicht gebildet und der Entwicklungsprozess wird durch das Auf- tauen erst wieder in Gang gesetzt, sei von einer Verwirklichung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 auszugehen (Inhalt zitiert nach medstra 01/2021, III-IV.); vertiefend Kudlich, NJW 2021, 359. Braun Leseprobe 929
§ 1 ESchG Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken 3. Zu Nr. 3 17 Wie § 1 Abs. 1 Nr. 2 erfasst die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 ebenfalls ein Unternehmensdelikt. Die Regelung betrifft den Embryonentransfer und begrenzt die Anzahl der Embryonen, die pro Zyklus auf eine Frau übertragen werden dürfen, auf drei. Korrespondierend dazu legt § 1 Abs. 1 Nr. 5 auch ein »Verbot der Vorratsbefruchtung« fest (Frommel, GesR 2018, 416). Schutzgut von § 1 Abs. 1 Nr. 3 ist die Integrität der Embryonen bzw. Föten sowie die Gesundheit der Frau (s.a. Neidert, ZRP 2002, 467, 469). Je größer nämlich die Anzahl der übertragenen Embryonen ist, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft, die wiederum das Gesundheitsrisiko für die austragende Frau und für die Embryonen bzw. Föten und später Neugeborenen bedeutend erhöht (s.a. BT-Drs. 14/9020, S. 39 ff.). Andererseits erhöht ein Mehrfachtransfer die Wahrscheinlichkeit der Nidation. 18 Als Ausweg aus dieser Situation wird auch in Deutschland zunehmend der im Ausland bereits prak- tizierte sog. elektive Single-Embryo-Transfer (eSET) diskutiert (zur uneinheitlichen Terminologie Michelmann/Schimmel, Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 2007, 118, 119). Die Methode beruht auf einem Embryoscoring. Weniger entwicklungsfähige Embryonen lässt man absterben, größeren Erfolg versprechende kann man ggf. für spätere Befruchtungsversuche kryokonservieren. Insofern wird auch von einem selektiven Single-Embryo-Transfer gesprochen (s. Frommel, FS Hassemer, 2010, S. 831, 833 ff.; Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 3, Rn. 5). Ob eine derartige Methode, bei der die Kultivierung der Embryonen sich über eine Dauer bis zu 6 Tagen erstrecken kann (insofern spricht man mit Blick auf das letzte Stadium auch von einem Blastozystentransfer; Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 512 ff. formuliert insoweit verfassungsrechtliche Bedenken) mit dem ESchG vereinbar ist, ist umstritten (s. dazu auch Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutzgesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 3, Rn. 6 f. m.w.N). 19 (unbesetzt) 4. Zu Nr. 4 19a Die Regelung setzt § 1 Abs. 1 Nr. 3 fort und legt fest, dass durch intratubaren Gametentransfer innerhalb eines Zyklus nicht mehr als drei Eizellen befruchtet werden dürfen. Bei dieser Methode werden Eizelle und Spermien in den Eileiter verbracht. Dort soll die natürliche Vereinigung von Luchterhand Verlag 2022 Statten gehen. Die Methode sieht daher ausdrücklich keine In-vitro-Fertilisation vor (Spickhoff/ Müller-Terpitz, § 1 ESchG Rn. 17). 5. Zu Nr. 5 20 Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 dient dem Zweck, eine Gefährdung für das Leben und die Gesundheit des Embryos durch einen Ausschluss gespaltener Mutterschaften zu verhindern so- wie mit Blick auf die Risiken einer missbräuchlichen Verwendung sog. überzähliger Embryonen auch dem Schutz der Menschenwürde. Die Vorschrift steht im Kontext der »Dreier-Regel« des § 1 Abs. 1 Nr. 3. Bei der Bestimmung handelt es sich um eine besonders wichtige Regelung für die Praxis der deutschen Reproduktionsmedizin. Für den Fortpflanzungsmediziner stellt sich nämlich die entscheidende Frage, wie viele Eizellen er nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 einem Befruchtungsversuch aussetzen und über das Kernstadium hinaus kultivieren darf, wenn er drei Embryonen in einem Zyklus transferieren möchte. Da § 1 Abs. 1 Nr. 5 –anders als § 1 Abs. 1 Nr. 3 –keine numerische Höchstgrenze festlegt (anders als z.B. § 17 des Schweizerischen Fortpflanzungsmedizingesetzes), wird zum Teil –und in jüngerer Zeit zunehmend –für eine Auslegung plädiert, die die Befruchtung von mehr als drei Eizellen für zulässig hält. So geht der BFH davon aus, dass ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 nicht vorliege, wenn zwar mehr als drei Eizellen befruchtet werden, aber lediglich ein oder zwei entwicklungsfähige Embryo- nen zum Zwecke der Übertragung entstehen sollen und der Behandlung eine vorherige sorgfältige 930 Leseprobe Braun
Mißbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken § 1 ESchG individuelle Prognose zugrunde liegt (sog. deutscher Mittelweg) (BFH NJW 2017, 3022; zum deutschen Mittelweg ebenfalls Frommel, GesR 2018, 414). Diese Auslegung, die eine Befruchtung von mehr als drei Eizellen gestattet, gilt vor allem mit Blick auf die verbesserten Diagnosemöglichkeiten, die es erlauben, aus morphologischen Gründen nicht- entwicklungsfähige Eizellen in-vitro zu identifizieren. Bei diesen handelt es sich um keine Embryo- nen i.S.d. § 8 Abs. 1 und sie scheiden deshalb für einen Embryotransfer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 aus. Deshalb müsse –so die Argumentation –der Reproduktionsmediziner zum maßgeblichen Zeit- punkt des Beginns der in-vitro-Fertilisation nicht nur eine Misserfolgsrate bei der Befruchtung einkalkulieren (etwa 20 %), sondern auch die Möglichkeit, dass einzelne befruchtete Eizellen ihr Wachstum einstellen. Deutet man den Begriff der Entwicklungsfähigkeit noch restriktiver, etwa im Sinne von Nidationsfähigkeit oder der Fähigkeit, sich zu einem Individuum zu entwickeln, könnte die Vorschrift noch eine erheblich größere Anzahl befruchteter Eizellen ermöglichen (zum Ganzen AG Wolfratshausen, Urt. v. 30.04.2008 –6 C 677/06; Günther/Taupitz/Kaiser Embryonenschutz- gesetz, 2. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1 Nr. 5, Rn. 6 ff.). Besondere Bedeutung erlangt die Diskussion über die »Dreier-Regel« auch mit Blick auf die Präimplantationsdiagnostik, für deren erfolgrei- che Durchführung deutlich mehr als drei Embryonen für erforderlich gehalten werden (Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik, 2011, S. 32). Vor diesem Hintergrund wird im Bereich der Präimplantationsdiagnostik darauf hingewiesen, dass Abweichungen von der »Dreier-Regel« bereits praktiziert würden (Kubiciel, NStZ 2013, 382, 385). Ferner wird § 3a auch als lex specialis zu § 1 Abs. 1 Nr. 3, 5 erachtet und die Verwendung von durchschnittlich notwendigen sieben Embryo- nen für zulässig erachtet (Schroth, ZStW 125 [2013], 627, 634; zum Ganzen Krüger in: Rosenau, Ein zeitgemäßes Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland, 2013, S. 69, 87 f.; kritisch Duttge, ZStW 125 [2013], 647, 655 ff.; ders., medstra 2015, 77, 81 f.). Vor dem Hintergrund der umstrittenen Rechtslage hat der Vorstand der Bundesärztekammer in 21 seiner 2006 novellierten »(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion« (Deutsches Ärzteblatt 2006, A-1392 ff.) für eine Interpretation plädiert, wonach aus der »Dreier- Regel« des § 1 Abs. 1 Nr. 3 für Embryonen eine entsprechende »Dreier-Regel« für befruchtete Eizel- len gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 folgt. Eine solche Interpretation entspricht auch der verfassungsrechtlich fundierten Teleologie der Vorschrift, die die Entstehung sog. überzähliger Embryonen möglichst vermeiden will (so auch Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 515 f. m.w.N.). Seitens der Strafverfolgungsbehörden ist insbesondere eine Verfügung der Staatsanwaltschaft Mün- Luchterhand Verlag 2022 chen I relevant, wonach die »Dreierregelung« zur Embryonenübertragung aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 nicht auf die Befruchtung von Eizellen anzuwenden sei (medstra 2015, 64). Dementsprechend ma- che sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 nicht strafbar, wer aufgrund einer sorgfältigen Prognose eine konkret einzelfallbezogene Zahl von Eizellen mit dem Ziel befruchtet, nur ein oder zwei entwicklungsfähige Embryonen entstehen zu lassen, auch wenn unbeabsichtigt und im Ausnahmefall mehr entwick- lungsfähige Embryonen entstehen. Ulsenheimer/Gaede weisen jedoch warnend darauf hin, dass eine höchstrichterliche strafrechtliche Entscheidung zu diesem Thema noch aussteht und daher zumindest das Risiko eingeleiteter Er- mittlungsverfahren weiter besteht (Ulsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2021, Rn. 1005). 6. Zu Nr. 6 Die in engem Zusammenhang mit den Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie des § 2 Abs. 1 22 stehende Vorschrift erfasst in ihrer ersten Alternative die sog. Embryospende und pönalisiert in ihrer zweiten Alternative die Entnahme eines Embryos für die Verwendung zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck (zur Kritik daran, dass die Vorschrift zwei unterschiedliche Fallge- staltungen derselben strafrechtlichen Sanktion unterwirft s. Geilen, ZStW 103 [1991], 829, 838). § 1 Abs. 1 Nr. 6, 1. Alt. enthält allerdings kein Verbot der Embryospende nach in-vitro-Fertilisation 23 auf eine Frau, die nicht Ersatzmutter ist; insoweit handelt es sich um eine bewusst offengelassene Braun Leseprobe 931
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