Metzmacher Messiaen & Schostakowitsch - dirigiert - NDR

 
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Metzmacher
             dirigiert

  Messiaen &
Schostakowitsch

       Donnerstag, 07.02.19 — 20 Uhr
         Freitag, 08.02.19 — 20 Uhr
         Sonntag, 10.02.19 — 18 Uhr
    Elbphilharmonie Hamburg, Großer Saal
INGO METZMACHER                                    OLIVIER MESSIAEN (1908 – 1992)
                                Dirigent                                   Trois petites liturgies de la présence divine
                                                                           für Frauenchor, Klavier, Ondes Martenot, Schlagzeug und Streichorchester
                       CÉDRIC TIBERGHIEN                                   Entstehung: 1943 – 44 | Uraufführung: Paris, 21. April 1945 | Dauer: ca. 35 Min.
                                 Klavier                                           I. Antienne de la conversation intérieure (Dieu présent en nous ...)
                         N AT H A L I E F O RG E T                                 II. Séquence du verbe, cantique divin (Dieu présent en lui-même ...)
                            Ondes Martenot                                         III. Psalmodie de l’ubiquité par amour (Dieu présent en toutes choses ...)

                        M IKHAIL PETRENKO                                          U L R I K E P A Y E R Celesta
                                  Bass
                                                                           			 Gesangstexte auf S. 20 – 26
                      WDR RUNDFUNKCHOR
                              NDR CHOR                                           	Pause

                                                                           D M I T R I J S C H O S TA KO W I T S C H (19 0 6 – 1975 )
                                                                           Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113 „Babi Jar“
                                                                           für Bass-Solo, Männerchor und Orchester
                                                                           nach Gedichten von Jewgenij Jewtuschenko
                                                                           Entstehung: 1962 | Uraufführung: Moskau, 18. Dezember 1962 | Dauer: ca. 65 Min.
                                                                                   I.     Babi Jar. Adagio
                                                                                   II.    Der Humor. Allegretto
                                                                                   III.   Im Laden. Adagio –
                                                                                   IV.    Ängste. Largo –
                     NDR ELBPHILHARMONIE                                           V.     Karriere. Allegretto
                             ORCHESTER
                                                                           			 Gesangstexte auf S. 27 – 38

                                                                           Dauer des Konzerts einschließlich Pause: ca. 2 ¼ Stunden

              Einführungsveranstaltungen mit Habakuk Traber
jeweils eine Stunde vor Konzertbeginn im Großen Saal der Elbphilharmonie

         Das Konzert am 08.02.19 ist live zu hören auf NDR Kultur.
OLIVIER MESSIAEN                                                                       OLIVIER MESSIAEN
                              Trois petites liturgies de la présence divine                                          Trois petites liturgies de la présence divine

            Theologischer
                                                                                            ponist hat zuvor der Klangfarbe einen so zentralen
                                                                                            Stellenwert zugewiesen wie Messiaen; darauf spielt die
                                                                                            Rede von der „schillernden, raffinierten, ja wollüstigen“
                                                                                            Musik an. Für Messiaen waren Klang und Farbe Ab-

             Regenbogen
                                                                                            bild und Ausdruck einer göttlichen Weltordnung, und
                                                                                            während man normalerweise Begriffe wie „Klangfarbe“
                                                                                            oder „Tonmalerei“ metaphorisch gebraucht, riefen
                                                                                            bei ihm als einem synästhetisch begabten Menschen
                                                                                            einzelne Töne, Akkorde oder Skalen tatsächlich Farb-
                                                                                                                                                                Olivier Messiaen am Klavier
                                                                                            assoziationen hervor – und umgekehrt die Farben                     (1940er Jahre)
MUSIK DER LIEBE                    „Ich habe versucht, ein christlicher Musiker zu sein     Klangvorstellungen. „Ein unbekannter Duft“ – diesen
                                   und meinen Glauben zu singen [...]. Ich weiß wirklich    kann jeder Hörer in den exotischen Zügen der Musik                  SK ANDALUMWITTERTE

Messiaens Musik ist eine Musik     nicht, ob ich eine ‚Ästhetik‘ habe, aber ich kann        erleben. Etwa in Schlagzeugklängen, die javanischen                 PREMIERE

der Liebe. Und all diese Liebe     sagen, dass meine Vorliebe einer schillernden, raffi-    Gamelan-Orchestern nachempfunden sind. Oder in
wird in einer gänzlich neuen       nierten, ja woll­üstigen (aber natürlich nicht sinn­     den „modes à transpositions limitées“, Tonskalen von                Die „Trois petites liturgies de
Sprache ausgedrückt: neu in                                                                                                                                     la présence divine“ wurden
Hinblick auf ihre Klanglichkeit    lichen!) Musik gilt. Einer Musik, die singt (Ehre der    regelmäßiger intervallischer Struktur, die sich auf
                                                                                                                                                                am 21. April 1945 unter der Lei-
und neu in Hinblick auf ihren      Melodie, der melo­dischen Phrase!). Einer Musik, die     faszinierende Weise den gängigen Kategorien von                     tung von Roger Désormière
Rhythmus. [Es ist] eine Lohe von   ein neues Blut, eine zeichenhafte Geste, ein unbe-       „tonal“ und „atonal“ entziehen. Oder in rhythmischen                in Paris uraufgeführt. Unter
Kirchenfenstern, ein Zauber aus                                                                                                                                 den Zuhörern waren viele der
Klang und Licht, ein opulentes     kannter Duft, ein Vogel ohne Schlaf sein soll. Einer     Mustern, die teils auf altgriechische und indische Vor­
                                                                                                                                                                bedeutendsten französischen
Werk, ein Werk des Ruhmes, das     Kirchenfenster-Musik, einem Kreisen von komple-          bilder zurückgehen, teils auch der Natur abgelauscht                Künstler und Intellektuellen, so
vollständig entwickelt ankommt.    mentären Farben. Einer Mu­­sik, die das Ende der Zeit,   sind. Die Rede vom „Vogel ohne Schlaf“ ist durchaus                 etwa die Komponisten Arthur
All dies jedoch erreicht uns di-                                                                                                                                Honegger, Georges Auric,
rekt aus dem einfachen Herzen      die Allgegenwart, die ver­k lär­ten Leiber und die       wörtlich zu nehmen, denn Messiaen zeichnete seit den
                                                                                                                                                                Francis Poulenc, Henri Sauguet,
Messiaens, seiner Bescheiden-      göttlichen wie übernatürlichen Mysterien ausdrückt.      1920er Jahren mit wachsender Akribie Vogelrufe auf                  Roland-Manuel, André Jolivet
heit und Ehrlichkeit.              Einem ‚theologischen Regenbogen‘.“                       und ließ sie in seine Werke einfließen. Und dann spricht            und Pierre Boulez. Die Urauf-
                                                                                            sein Kommentar noch vom „Kreisen“, vom „Ende der                    führung löste einen regelrech-
Der Komponist und Pianist                                                                                                                                       ten Pressekrieg aus, der als
Jean Wiéner nach der               In dieser Äußerung Olivier Messiaens aus dem Jahr        Zeit“, von „Allgegenwart“. Auch dies sind keine from-               „le cas Messiaen“ bekannt
Ur­aufführung der „Trois           1946 ist vieles zusammengefasst, was das Wesen seiner    men Fantastereien, sondern Eindrücke, die der Hörer                 wurde und in den ein Großteil
petites liturgies“                                                                                                                                              der französischen Musik-
                                   Kunst ausmacht. Vor allem natürlich ihr „theologi-       tatsächlich aus der Musik gewinnt. Ob ihre einzelnen
                                                                                                                                                                schriftsteller und -kritiker
                                   scher“ Charakter: Obwohl Messiaen 61 Jahre lang, von     Sätze oder Abschnitte nun von meditativer Ruhe oder                 verstrickt war.
                                   1931 bis zu seinem Tod im Jahr 1992, Organist an der     gleichbleibender ekstatischer Energie geprägt sind – in
                                   Pariser Kirche Sainte-Trinité war, schrieb er keine      jedem Fall widerspricht ihre Statik der sonst üblichen
                                   liturgische Musik im eigentlichen Sinn, dafür aber       Zielgerichtetheit westlicher Musik.
                                   reflektierende Musik, durch die er die Mysterien des
                                   Katholizismus vergegenwärtigen, spürbar machen           Die kompositorischen Mittel, die all diese Wirkungen
                                   wollte. In „zeichenhaften Gesten“ symbolisieren seine    ermöglichen, hat Messiaen in seiner „Technique de
                                   Werke Glaubenswahrheiten und stellen zugleich selbst     mon langage musical“ von 1944 genauer beschrieben.
                                   einen Akt des Glaubens dar. Kaum ein anderer Kom-        Im März des gleichen Jahres vollendete er auch das

                                                   4                                                                                       5
OLIVIER MESSIAEN                                                                          OLIVIER MESSIAEN
                             Trois petites liturgies de la présence divine                                             Trois petites liturgies de la présence divine

Kein Werk seit „Le                Chorwerk „Trois petites liturgies de la présence divine“,   anders ein: Im Mittelteil sollen sie das „nasale Timbre
                                  in dessen Titel das Wort „liturgies“ weder auf einen        einer orientalischen Klarinette“ haben. Den Text singt –
sacre du printemps“
                                  Gebrauch im Gottesdienst noch auf die Vertonung             wie auch in den beiden noch folgenden Sätzen – ein
hat eine solche                   eines kodifizierten Textes hinweist. Die Komposition        fast durchgehend unisono geführter Frauenchor. Nur
                                  ist vielmehr für den Konzertsaal bestimmt, und die          an einer Stelle jedes Satzes spaltet sich die Einstim-
Furore ausgelöst.
                                  Texte schrieb Messiaen selbst, wenn auch unter              migkeit in einen reinen A-Dur-Dreiklang auf, nämlich
Wäre das Duellieren               Anspielung auf verschiedene Bibelstellen. Der Begriff       zur Textstelle „Mon Dieu“ in der ersten „liturgie“,
                                  „liturgies“ sowie die Worte „antienne“ (Antiphon),          zu „Pour nous“ in der zweiten und zu „[votre a-]mour“
noch in Mode, hätten
                                  „séquence“, „cantique“ und „psalmodie“ in den Satz-         in der dritten.
                                                                                                                                                                  Ginette Martenot an den
wir jetzt zweifellos              überschriften meinen offenbar einen rituellen Cha-                                                                              Ondes Martenot
                                  rakter, der sich nicht zuletzt aus vielfachen Wieder­       Zur kürzeren zweiten „liturgie“ merkte Messiaen an:
den gewaltsamen
                                  holungen in Text und Musik ergibt. Die drei Sätze           „Es handelt sich um eine Sequenz; in anderen Worten:                ONDES MARTENOT

Tod mehrerer Kriti-               handeln von drei Formen göttlicher Gegenwart: der           einen volkstümlich-triumphalen Gesang ähnlich den
                                  erste, „Antienne de la conversation intérieure“, von        freudigen Gesängen der ersten Christen. Der Chor
ker und Musiklieb-                                                                                                                                                Als „Ondes Martenot“ („Mar­
                                  Gott in uns, der zweite, „Séquence du verbe, cantique       wie­derholt immer wieder denselben Refrain, mit zahl­               tenot-Wellen“) bezeichnet man
haber zu betrauern,               divin“, von Gott in sich (bzw. in Christus), und der        reichen Variationen in Harmonie, Rhythmus und                       ein elektronisches Tastenins­
                                                                                                                                                                  trument, das sein Erfinder, der
                                  dritte, „Psalmodie de l’ubiquité par amour“, von Gott       Instrumentierung. Ein im Wesentlichen melodisches
die darauf bedacht                                                                                                                                                französische Musikpädagoge
                                  in allen Dingen.                                            Stück in lebhaftem Tempo, der Höhepunkt des Werkes.“                und Radiotechniker Maurice
waren, ihre Meinung                                                                           Im Text geht es um die Himmelfahrt Jesu und die                     Martenot, 1928 zum Patent an-
                                                                                                                                                                  gemeldet hatte. Seine Schwes-
                                  Den ersten Satz, der nach einer dreimaligen Anrufung        Vollkommenheit Gottes. Messiaen wünschte sich den
beizutragen.                                                                                                                                                      ter Ginette Martenot wurde
                                  Jesu in verschiedenen Bildern die unbedingte Liebe          Satz „avec une grande joie“ vorgetragen, mit einer                  die wichtigste Spielerin des
Messiaens Freund Jean-Yves        zu Gott besingt, gestaltete Messiaen in schlichter          großen Freude, die gegen Ende sogar „délirante“                     Instruments; sie wirkte auch bei
Daniel-Lesur in der                                                                                                                                               der Uraufführung der „Trois
                                  ABA-Form: Der sanfte, ruhige Anfangsteil wird nach          (delirierend, wahnsinnig, fantastisch) werden soll.                 petites liturgies“ mit. Wie beim
„Revue musical de France“
                                  dem bewegteren, von komplexen rhythmischen Über-                                                                                Theremin kann bei den Ondes
                                  lagerungen bestimmten Mittelabschnitt wiederholt.           Die abschließende „liturgie“, die längste und text-                 Martenot der Klang eines
                                                                                                                                                                  sogenannten „Schwebungs­
                                  Im Text ist mehrfach von Vögeln die Rede – sie sym-         reichste der drei, handelt von der Allgegenwart Gottes.             summers“ mit elektronischen
                                  bolisierten für Messiaen das Lob Gottes durch seine         Messiaen gestaltete sie wie die erste in ABA-Form,                  Filtern verändert werden.
                                  Schöpfung. Und zu den improvisatorisch wirkenden            wobei er allerdings das Verhältnis der Tempi und Cha-               Dynamik und Klangfarbe wer-
                                                                                                                                                                  den mit der linken Hand ge-
                                  Einwürfen des Klaviers gleich zu Anfang liest man in        raktere umkehrte: Anders als zu Beginn sind hier die                steuert, die rechte Hand spielt
                                  der Partitur die Worte „comme un chant d’oiseau“,           Rahmenabschnitte energiegeladen und rhythmisch                      auf einem Manual oder einem
                                  wie ein Vogelgesang. Der Musikwissenschaftler Harry         geprägt, während den Mittelteil eine verhaltene, kon-               Ring (bei Glissandi).

                                  Halbreich identifizierte im Klavierpart sogar bestimm­      templative Stimmung durchzieht. Nach dem zweiten
                                  te Vogelarten, nämlich Amsel, Nachtigall, Buchfink,         A-Teil greift eine kurze Coda diese Stimmung noch
                                  Gartengrasmücke und Lerche. Weitere ließen sich             einmal auf, sodass das ganze Werk ruhig endet. Bezog
                                  vielleicht in der Ondes-Martenot-Stimme finden, die         sich Messiaen bei der formalen Anlage des Finales
                                  ebenfalls Vogelrufe imitiert. Die klanglich sehr varia­     auf den ersten Satz, so übernahm er aus dem zweiten
                                  blen Ondes Martenot setzte Messiaen aber noch ganz          ein wichtiges melodisches Element, nämlich das ein-

                                                  6                                                                                          7
D M I T R I J SC H OS TA KOW I T SC H                                                D M I T R I J SC H OS TA KOW I T SC H
                                       Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113                                                       Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113

MESSIAEN-POLEMIK                      prägsame pentatonische (fünftönige) Refrainthema.        verstehen konnten, nicht immer aber die Kulturfunk-
                                      Allen drei Sätzen gemeinsam ist schließlich die musi-    tionäre des Sowjetregimes. Dennoch unterlag sein
[Dieses] Werk aus Flittergold,        kalische Umsetzung von Farben: Die erste „liturgie“      Ansehen starken Schwankungen. Mal lobte ihn die
falscher Großartigkeit und            spricht von einer „roten und malvenfarbenen Melodie“.    staatlich gelenkte Presse in den Himmel, und die
Pseudo-Mystik, dieses Werk mit        In der zweiten steht die zweimal erwähnte Farbe Blau     Machthaber überhäuften ihn mit Ämtern und Staats-
dreckigen Fingernägeln und
feuchten Händen, das ängstlich        für Christus. Und die dritte versammelt ein ganzes       preisen. Dann wieder wurde er als Volksfeind ange-
um sich blickt wie ein Engel          Spektrum unterschiedlicher Farben, erwähnt zudem         prangert. Schostakowitschs Stellung wechselte mit den
mit Lippenstift.                      noch häufiger als die erste den Regenbogen, Messiaens    Schwankungen des politischen Klimas, aber auch
Der Musikkritiker Claude              Symbol für das Sichtbarwerden Gottes in der Welt.        mit seiner eigenen Bereitschaft, sich anzupassen.
                                                                                                                                                                   Dmitrij Schostakowitsch
Rostand nach der Uraufführung                                                                                                                                      (um 1960)
der „Trois petites liturgies“         Jürgen Ostmann                                           Nicht zu allen Zeiten wurde die Doktrin des Sozialis-
                                                                                               tischen Realismus mit gleicher Härte durchgesetzt,                  MUSIK UND WORT

                                                                                               die Forderung also, dass Künstler die positiven Errun­
                                                                                               genschaften des Sozialismus „wahrheitsgetreu“ im                    In den letzten Jahren konnte ich
                                                                                               Sinn der offiziellen Parteilinie darzustellen hatten.               mich davon überzeugen, dass
                                                                                               Einen ersten Höhepunkt staatlicher Gängelung brachte                Worte den Menschen besser er-
                                                                                                                                                                   reichen als Musik. Leider ist
                                                                                               den Komponisten das Jahr 1936. Eine von Stalin initi-               das so. Wenn ich Musik und Wort

                Mahnmal des
                                                                                               ierte Schmähkritik der Schostakowitsch-Oper „Lady                   verbinde, wird es schwerer,
                                                                                               Macbeth von Mzensk“ in der Zeitung „Prawda“ löste                   meine Intentionen falsch zu ver-
                                                                                                                                                                   stehen. Worte sind ein gewisser
                                                                                               eine Säuberungswelle unter den Musikern des Landes                  Schutz vor absoluter Stupidität.
                                                                                               aus. Natürlich stand auch der Komponist selbst auf der              Worte kann jeder Dummkopf

                  Grauens
                                                                                               Abschussliste; er wartete jede Nacht auf seine Verhaf-              verstehen. Eine absolute Garan-
                                                                                                                                                                   tie bieten sie zwar nicht, doch
                                                                                               tung. In den Kriegsjahren genossen die Künstler etwas               macht der Text die Musik
                                                                                               mehr Freiheit, doch 1948 zog das Zentralkomitee er-                 leichter verständlich.
                                                                                               neut die Zügel an, und wieder geriet Schostakowitsch
                                                                                                                                                                   Dmitirj Schostakowitsch
                                                                                               ins Visier der Kulturbürokratie. Nach Stalins Tod 1953              (1962)
P E RSÖ N L I C H E F E I E R TAG E   War Dmitrij Schostakowitsch loyaler Staatskünstler       mussten unliebsame Komponisten zumindest nicht
                                      oder heimlicher Dissident, geschickter Stilparodist      mehr um ihr Leben fürchten, doch prinzipiell galt der
Bis zu seinem Lebensende be-          oder Bekenntnismusiker? Bis heute lässt sich die Frage   Sozialistische Realismus noch bis zum Ende der
ging Dmitrij Schostakowitsch          nach seiner wahren Identität nicht zweifelsfrei beant-   Sowjetunion als verbindlich.
jedes Jahr zwei private Gedenk­       worten, und das hat zumindest eine naheliegende
tage, die sein kompositorisches
Schaffen betrafen: am 12. Mai         Ursache: Unter Stalins Herrschaft konnten Künstler       Eine ganz besondere Situation entstand während der
die Premiere seiner Ersten            es kaum wagen, kritische Ansichten offen zu äußern.      sogenannten „Tauwetter-Periode“, die nach Nikita
Sinfonie, der höchst erfolgrei-       Wie man heute aus vielen Äußerungen ihm nahe             Chruschtschows Abrechnung mit den Verbrechen und
chen Abschlussarbeit am
Leningrader Konservatorium,           stehender Musiker und Literaten weiß, verschlüsselte     dem „Personenkult“ der Stalinzeit einsetzte. Die Zen-
und am 20. Juli die Beendigung        Schostakowitsch in seinen Instrumentalwerken oft         sur wurde nun merklich gelockert, und es kam zu einer
seiner Dreizehnten.                   subversive Botschaften, die hellhörige Zeitgenossen      zaghaften Annäherung an den Westen. Allerdings

                                                       8                                                                                     9
D M I T R I J SC H OS TA KOW I T SC H                                                      D M I T R I J SC H OS TA KOW I T SC H
                                    Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113                                                             Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113

                                   schwankte die sowjetische Führung zwischen liberalen          Antisemitismus in der Sowjetunion in eine jahrtau-                   JEWGENIJ JEW TUSCHENKO

                                   Ansätzen und der Angst, gerade durch sie die Kontrolle        sendealte Geschichte der Verfolgung, um am Ende den
                                   zu verlieren. Zu Ende ging das „Tauwetter“ spätestens         Schluss zu ziehen, wahrer Patriotismus sei mit Anti-                 Jewgenij Jewtuschenko
                                   1964 mit Leonid Breschnews Machtübernahme,                    semitismus unvereinbar. Schostakowitsch wiederum                     (1932 – 2017), auf dessen Texten
                                   doch bereits im Oktober 1962 kostete die Kubakrise,           fand in Jewtuschenkos Text seine eigenen Überzeu-                    Schostakowitschs Sinfonie
                                                                                                                                                                      Nr. 13 basiert, zählte zu den
                                   die fast einen dritten Weltkrieg ausgelöst hätte,             gungen ausgesprochen. Er legte ihn einem kantaten-                   wichtigsten Literaten der
                                   Chruschtschow viel Ansehen und Einfluss in der Füh-           artigen Orchesterlied zugrunde, das zunächst für sich                „Tauwetter-Periode“. Mit Rezi-
                                   rungsriege. Sein politischer Schlingerkurs macht              stehen sollte. Doch im Mai 1962 fand er noch drei                    tationen seiner Gedichte füllte
                                                                                                                                                                      er Fußballstadien, und die
                                   einerseits verständlich, dass Schostakowitsch es im           weitere zur Vertonung geeignete Texte Jewtuschenkos,                 Jugend feierte ihn wie einen
Detail aus dem 1976 eingeweih-
ten Denkmal für die Opfer des      Frühjahr und Sommer 1962 überhaupt wagen konnte,              und einen letzten gab er eigens beim Dichter in Auf-                 Popstar. In den 1980er Jahren
Massenmords in Babi Jar            ein Werk wie seine 13. Sinfo­nie zu komponieren – ein         trag. Alle vier zusätzlichen Sinfoniesätze vollendete er             war er auch als Romanautor
                                                                                                                                                                      („Beerenreiche Gegend“) und
                                   Werk, das nicht nur in Tönen, sondern auch in klaren          in nur sechs Wochen.                                                 Filmregisseur („Kindergarten“,
AUF SEITEN DER MINDERHEIT          Worten Kritik an Regime und gesellschaftlichen                                                                                     „Stalins Begräbnis“) erfolgreich.
                                   Missständen übte. Andererseits erklären sich aus der          Der erste Satz handelt vom Leiden der Juden nicht
Die Sowjetunion hatte im Zwei­     politischen Lage auch die enormen Widerstände,                nur in Babi Jar, sondern auch im alttestamentari-
ten Weltkrieg mit weit mehr als    denen die Sinfonie gegen Ende des Jahres bei ihrer            schen Ägypten, in Golgatha, in Frankreich während
20 Millionen Toten die meisten     Uraufführung begegnete.                                       der Dreyfus-Affäre, bei einem Pogrom im polnischen
Opfer unter allen kriegführen-
den Staaten zu beklagen. Ein                                                                     Białystok und im von den Nazis besetzten Amsterdam.
besonderes Gedenken an den         Höchst ungewöhnlich war ja schon, dass Schostako-             Schostakowitsch reagiert auf diese Reise durch Zeiten
Holocaust konnte nach Mei-         witsch in seiner Nr. 13 überhaupt einen Text vertonte –       und Länder mit einer sehr vielgestaltigen, teils lebhaft
nung der Partei von dieser grö­­
ßeren Tragödie nur ablenken.       das hatte er seit der Dritten („Der 1. Mai“) von 1929 nicht   illustrativen Musik, die beispielsweise eine derbe Polka
Schostakowitsch dagegen iden­      mehr getan. Die Anregung dazu gab ihm das 1961                zur Kneipenszene in Białystok und einen fragilen
tifizierte sich mit den Juden,     veröffentlichte Poem „Babi Jar“ des Dichters Jewgenij         Walzer für Anne Frank einschließt. Überraschen mag
die für ihn sämtliche von Nazis
oder Stalinisten verfolgten        Jewtuschenko. „Babi Jar“ (Hexengrund) ist der Name            zunächst das Fehlen jeglicher Anklänge an ostjüdische
Minderheiten repräsentierten.      einer Schlucht bei Kiew; am 29. und 30. September 1941        Volksmusik. Ihre Tonfälle hatte Schostakowitsch in
                                   erschossen dort die deutsche Wehrmacht und ein                vielen früheren Werken wie etwa dem Zweiten Kla-
                                   SS-Sonderkommando mehr als 30.000 ukrainische                 viertrio, dem Ersten Violinkonzert oder dem Vierten
                                   Juden. Dass es sich bei den Getöteten fast ausschließ-        Streichquartett nachgeahmt, doch im Kopfsatz der
                                   lich um Juden handelte, wurde unter Stalin und                Sinfonie schienen ihm offenbar die Verse alleine schon
                                   seinen Nachfolgern systematisch verschwiegen, die             deutlich genug.
                                   Errichtung einer Gedenkstätte hintertrieben. Juden
                                   sollten als eigenständige Gruppe nicht erkennbar sein,        Der zweite Satz ist ein Scherzo, und sein Text macht
                                   und jede Andeutung, sie hätten im Krieg mehr zu               das Scherzen und Lachen selbst zum Gegenstand.
                                   leiden gehabt als ihre russischen oder ukrainischen           Dazu schreibt Schostakowitsch Musik von satirischem,
                                   Nachbarn, galt als unpatriotisch. Jewtuschenko jedoch         parodistischem Charakter, eine Musik so energiege-
                                   gedachte nicht nur der jüdischen Opfer des Faschis-           laden wie der Witz selbst, der, von den Unterdrückten
                                   mus, sondern stellte zugleich den staatlich verordneten       geliebt und von den Mächtigen verfolgt, letztlich un-

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D M I T R I J SC H OS TA KOW I T SC H                                                   D M I T R I J SC H OS TA KOW I T SC H
                              Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113                                                          Sinfonie Nr. 13 b-Moll op. 113

                             bezwingbar bleibt. In einem der vielen russischen         mochte die Sowjetführung die Uraufführung des                         PREMIERE IN OST UND WEST

                             Lebensmittelläden spielt der dritte Satz. Frauen stehen   Werks zwar nicht rundweg verbieten. Doch alle
                             in einer langen Warteschlange, vergeuden gezwunge-        Maßnahmen, die unterhalb dieser Schwelle möglich                      Die Uraufführung von
                             nermaßen ihre Lebenszeit. Ihrem stillen Heldentum         waren, wurden ergriffen. Zunächst musste daher der                    Schos­t a­­kowitsch Dreizehnter
                             ist ein Lamento gewidmet, dessen Ende wie das ab-         von Schostakowitsch favorisierte Bass-Solist seine                    Sin­fonie fand am 18. Dezember
                                                                                                                                                             1962 in Moskau statt. Kyrill
                             schließende „Amen“ einer liturgischen Komposition         Zusage zurücknehmen. Dann winkte, vermutlich aus                      Kondraschin leitete das Sinfo-
                             klingt: Genau wie Messiaen den Frauenchor seiner          Angst, der mit dem Komponisten befreundete Dirigent                   nieorchester der Moskauer
                             „Petites liturgies“ führt ja Schostakowitsch seinen       Jewgenij Mrawinskij ab, und schließlich stieg noch am                 Staatlichen Philharmonie und
                                                                                                                                                             das Männerchor-Ensemble
                             Männerchor fast durchgehend unisono. Einzig in den        Tag der Premiere ein weiterer Bassist aus. Glücklicher­               des Staatlichen Akademischen
Jewgenij Jewtuschenko
                             beiden Schlussakkorden des dritten Satzes fächern sich    weise war ein dritter als Ersatz verpflichtet worden,                 Chors sowie des Gnessin-Ins­
                             die Bässe von der Ein- zur Dreistimmigkeit auf, um        sodass die Uraufführung wie geplant stattfinden                       tituts; Bass-Solist war Witali
                                                                                                                                                             Gromadski. Die erste Auffüh-
Wenn ich Musik               jene kirchlich anmutende plagale Kadenz zu bilden.        konnte. Das Publikum reagierte mit stürmischen und                    rung im Westen fand am
                                                                                       lang andauernden Ovationen, die Presse mit Schweigen.                 12. Januar 1970 in Philadelphia/
schreiben könnte,                                                                                                                                            USA mit dem Philadelphia Or-
                             Um alte und neue „Ängste“ geht es im vierten Satz,        Nach wenigen weiteren Aufführungen zwang man
                                                                                                                                                             chestra unter Eugene Ormandy
hätte ich sie exakt so       dessen Text Jewtuschenko eigens für die Sinfonie          Schostakowitsch und Jewtuschenko zu sinnentstellen­                   statt.
                             schrieb. Man hört in diesem kontrastreichsten aller       den Textänderungen: So verlagerte sich im ersten Satz
geschrieben, wie
                             fünf Werkteile dumpfe Paukenwirbel, eine bedroh­          das Leiden der Juden auf die Gesamtbevölkerung, und
Schostakowitsch es           liche chromatische Melodie der Tuba, den feierlich        im vierten verschwanden Hinweise auf die schlimmsten
                             auf einem Ton deklamierenden Chor, ein düsteres           Gräuel der Stalinzeit. Die Partitur mit dem wieder­her­
tat ... Seine Musik
                             Bass-Solo, ein Revolutionslied des Chors und vieles       gestellten Originaltext konnte erst Jahre später erschei­
machte das Gedicht           mehr. „Die Ängste in Russland sind tot“, sagt das Ge-     nen. Das „Tauwetter“ hatte sich als kurzlebig er­wiesen,
                             dicht – doch die Musik widerspricht. So wie der dritte    doch folgenlos blieb es nicht: Schostakowitsch kam
größer, bedeutungs-
                             Satz mit dem vierten, ist der vierte mit dem fünften      ungestraft davon, und Chruschtschow wurde nur ab-
voller und eindring-         durch ausgehaltene Töne der Celli und Bässe verbun-       gesetzt statt liquidiert. Zwei Jahrzehnte später setzte
                             den. Über ihnen erklingt zu Beginn des Finales ein        Michail Gorbatschow Reformen und Entstalinisierung
licher. Mit einem
                             Flötenduett, das idyllisch anmutet, in seiner leicht      weit entschlossener als sein Vorgänger fort.
Wort, es wurde ein           schrägen Terzen- und Sexten-Seligkeit aber auch
                             einen ironischen Beiklang hat. Schließlich geht es in     Jürgen Ostmann
viel besseres Gedicht.
                             Jewtuschenkos Versen um das banale Karrierestreben
Jewgenij Jewtuschenko über   angepasster Spießbürger, denen das lyrische Ich eine
Schostakowitschs Vertonung   eigene Karriere des selbständigen Denkens und des
von „Babi Jar“
                             Mitgefühls entgegenstellt. Nach einem langen, ruhigen
                             Ausschwingen endet die Sinfonie mit dem gleichen
                             Ton der Röhrenglocke, der sie auch eröffnet hat.

                             Wegen des Ansehens, das Schostakowitsch und
                             Jewtuschenko mittlerweile im Ausland genossen,

                                             12                                                                                       13
DIRIGENT                                                                                  KL AVIER

                          Ingo Metzmacher                                                                          Cédric Tiberghien
                                  Ingo Metzmacher begann seine Laufbahn in Frankfurt         Der französische Pianist Cédric Tiberghien ist rund
                                  beim Ensemble Modern sowie an der Oper Frankfurt           um den Globus erfolgreich. Er wird insbesondere für
                                  und am Théâtre de la Monnaie in Brüssel. Von 1997 bis      seine Vielseitigkeit geschätzt, die er mit seinem breiten
                                  2005 war er Generalmusikdirektor der Hamburgischen         Repertoire, seinen interessanten Programmen, seiner
                                  Staatsoper, danach Chefdirigent an der Niederländi-        Offenheit für innovative Konzertformate und seinen
                                  schen Nationaloper in Amsterdam und von 2007 bis 2010      dynamischen Kammermusikpartnerschaften demons­
                                  Chefdirigent und künstlerischer Leiter des Deutschen       triert. In der vergangenen Saison kehrte er etwa zum
                                  Symphonie-Orchesters Berlin. Seit 2016 ist er künstle-     London Symphony und Rotterdam Philharmonic
                                  rischer Leiter der KunstFestSpiele Herrenhausen. Er hat    Orchestra zurück und unternahm eine große Asien-
HÖHEPUNK TE 2018/2019             führende Orchester wie die Berliner Philharmoniker         Tournee mit Solo- und Duo-Recitals gemeinsam mit der        HÖHEPUNK TE 2018/2019

                                  und die Wiener Philharmoniker, das Royal Concert-          Geigerin Alina Ibragimova. Darüber hinaus konzer-
• Uraufführung von Johannes       gebouw Orchestra und das Chicago Symphony Orches­          tierte er unter anderem im Pierre Boulez Saal Berlin und    • Debüts mit dem NDR Elb-
  Maria Stauds „Die Weiden“       tra, die Tschechische Philharmonie, das Orchestre de       in der Wigmore Hall London, mit der ihn eine enge             philharmonie Orchester, den
  an der Wiener Staatsoper        Paris und das BBC Symphony Orchestra geleitet und          Zusammenarbeit verbindet: Im Laufe der Spielzeit war          Berliner Philharmonikern,
• Neuproduktionen von                                                                                                                                      dem San Francisco Symphony
  Schostakowitschs „Lady          ist häufiger Gast bei weltweit bedeutenden Opernhäu-       er dort insgesamt fünfmal zu erleben. Weitere Höhe-           Orchestra und dem Deutschen
  Macbeth von Mzensk“ an          sern. Engagements führten ihn an die Staatsopern von       punkte der jüngeren Vergangenheit waren Konzerte              Symphonie-Orchester Berlin
  der Pariser Oper, Enescus       Wien, Berlin und München, das Royal Opera House in         mit dem Boston Symphony und Cleveland Orchestra,            • Solo-Recitals in London,
  „Œdipe“ bei den Salzburger                                                                                                                               Chicago und Tokio
  Festspielen und Rihms           London, die Mailänder Scala, das Teatro Real in Madrid,    der Tschechischen Philharmonie, dem Orchestre de            • Duo-Abende mit Alina
  „Jakob Lenz“ beim Festival      die Pariser und Genfer Oper sowie das Opernhaus            Paris oder dem Tokyo Philharmonic Orchestra. In               Ibragimova im Wiener Kon-
  d’Aix-en-Provence               Zürich. Bei den Salzburger Festspielen stand er im Zen­    letzter Zeit hat Tiberghien insbesondere die Musik von        zerthaus sowie auf Tournee
• Konzerte mit dem Cleveland                                                                                                                               durch Japan und Korea
  Orchestra, Orchestre Philhar-   trum international beachteter Aufführungen von Musik­      Béla Bartók in den Fokus gerückt und dabei drei von         • Konzerte mit Tabea
  monique de Radio France,        theaterwerken Luigi Nonos, Bernd Alois Zimmermanns,        der Presse begeistert aufgenommene CDs mit Solo-              Zimmermann im Beethoven-
  dem Deutschen Symphonie-        Harrison Birtwistles und Wolfgang Rihms.                   Klavierwerken für Hyperion eingespielt. Seine Disko-          haus Bonn
  Orchester Berlin, Ensemble                                                                                                                             • Schumanns „Dichterliebe“
  Modern und dem Bundes-                                                                     grafie wurde viermal mit dem „Diapason d’Or“ aus­             und neues Werk von Bernard
  jugendorchester                 Metzmachers umfangreiche Diskografie umfasst unter         gezeichnet und umfasst auch einige Konzert- und               Foccroulle gemeinsam mit
• Vierte Saison der KunstFest-    anderem Livemitschnitte der Hamburger Neujahrs-            Recital-Aufnahmen für Harmonia Mundi. Cédric                  der Sopranistin Julia Bullock
  Spiele Herrenhausen unter                                                                                                                                im Rahmen der Premiere von
  seiner künstlerischen Leitung   konzerte 1999 – 2004, eine Gesamtaufnahme der Sinfo­       Tiberghien ist ein leidenschaftlicher Kammermusiker.          „Zauberland“ am Théâtre
                                  nien von Karl Amadeus Hartmann mit den Bamberger           Zu seinen regelmäßigen Musizierpartnern gehören               des Bouffes du Nord in Paris
                                  Symphonikern, die Uraufführung von Hans Werner             neben Alina Ibragimova der Bratschist Antoine
                                  Henzes Neunter Sinfonie mit den Berliner Philharmo-        Tamestit und der Bariton Stéphan Degout. Auch diese
                                  nikern und Olivier Messiaens „Éclairs sur l’Au-delà ...“   Kammermusik-Passion fand ihren Niederschlag in
                                  mit den Wiener Philharmonikern. Außerdem ist               zahlreichen CD-Produktionen. So spielte er mit Alina
                                  Metzmacher Autor der Bücher „Keine Angst vor neuen         Ibragimova etwa komplette Zyklen der Werke von
                                  Tönen“ und „Vorhang auf! Oper entdecken und erleben“.      Schubert, Szymanowski, Mozart und Beethoven ein.

                                             14                                                                                        15
ONDES MARTENOT                                                                                  BASS

                               Nathalie Forget                                                                        Mikhail Petrenko
                                    Nathalie Forget ist eine international gefragte Spezia-     Der Russe Mikhail Petrenko ist einer der weltweit
                                    listin für Ondes Martenot – ein elektronisches Musik-       gefragtesten Bässe, bekannt sowohl für seine außer-
                                    instrument, das 1928 von dem französischen Funk-            gewöhnlichen Operninterpretationen als auch für
                                    techniker Maurice Martenot vorgestellt wurde. Erste         seine Recitals. Der Absolvent des St. Petersburger
                                    Preise in dieser Instrumentalkategorie erhielt die          Konservatoriums stand etwa in Wagners „Ring des
                                    französische Musikerin bereits am Conservatoire Na-         Nibelungen“ unter Daniel Barenboim auf der Bühne
                                    tional Supérieur de Paris, wo sie ihre Ausbildung er-       der Staatsoper Berlin und sang „Die Walküre“ und
                                    folgreich abschloss und seit 2016 selbst Professorin ist.   „Götterdämmerung“ an der Mailänder Scala ebenfalls
                                    Nathalie Forget gastiert bei international renommier-       unter Barenboim. Regelmäßig arbeitet er mit Dirigenten
HÖHEPUNK TE 2018/2019               ten Orchestern, darunter das BBC Scottish Symphony          wie Vladimir Jurowski, Yannick Nézet-Séguin, Charles       HÖHEPUNK TE 2018/2019

                                    Orchestra, das Orchestre Philharmonique de Radio            Dutoit, Myung-Whun Chung und Daniel Harding zu-
• Messiaens „Turangalîla-           France sowie die London Sinfonietta, und arbeitet mit       sammen und tritt an der Wiener Staatsoper, Met New         • Iwan Chowanski in
  Sinfonie“ mit dem Royal           Dirigenten wie Simone Young, Sylvain Cambreling,            York, Netherlands Opera, Mailänder Scala, Staatsoper         Mussorg­skys „Chowansch-­
  Liverpool Philharmonic Or-        Heinz Holliger, Kent Nagano, Pierre Boulez und Myung-       Berlin, im Concertgebouw Amsterdam oder bei den              tschina“ an der Mailänder
  chestra unter Vasily Petrenko                                                                                                                              Scala
• Pascale Critons „Spacings“        Whun Chung zusammen. Festivaleinladungen erhielt            Festivals von Aix-en-Provence, Verbier, Salzburg, Luzern   • Wagners „Der fliegende
  für zwei Ondes Martenot in        sie u. a. vom Kammermusikfestival in Kuhmo/Finn-            sowie bei den BBC Proms auf. Zu den Opern-Höhe-              Holländer“ beim Maggio
  der Pariser Philharmonie          land, der Musikbiennale Bern, dem Festival Messiaen         punkten der jüngeren Vergangenheit gehörten Mozarts          Musicale Fiorentino
• Performances mit SAKANA                                                                                                                                  • Schostakowitschs Sinfonie
  NA ART und mit Yannos             au Pays de la Meije und bereits mehrfach von den            Figaro an der Met New York, die Weltpremiere einer           Nr. 13 mit dem Rotterdam
  Majestikos in Kinshasa            BBC Proms in London. Neben den schon klassisch ge-          Opern-Ballett-Version von Bartóks „Herzog Blaubarts          Philharmonic Orchestra
• Messiaens „Turangalîla-           wordenen Kompositionen für Ondes Martenot von               Burg“ mit dem Cleveland Orchestra und dem Joffrey            unter Yannick Nézet-Séguin
  Sinfonie“ in der Ballettversion                                                                                                                            und mit dem Deutschen
  von John Neumeier mit dem         Olivier Messiaen, Arthur Honegger, Darius Milhaud,          Ballet, die Titelrolle in „Boris Godunov“ am Grand           Symphonie-Orchester Berlin
  Philharmonischen Staats-          Edgar Varèse, Charles, Koechlin und Giacinto Scelsi         Théâtre de Genève, Zaccaria in „Nabucco“ an der              unter Ingo Metzmacher
  orchester Hamburg unter           widmet sich Forget auch der zeitgenössischen Musik          Mailänder Scala, Leporello in „Don Giovanni“ an der        • Orest in „Elektra“ mit dem
  Kent Nagano                                                                                                                                                Philadelphia Orchestra
• Konzert auf der Biennale von      sowie der Improvisation. In einigen Performances            Staatsoper Berlin und Orest in „Elektra“ an der Met        • „Don Giovanni“ beim
  Venedig mit dem Ensemble          verbindet sie ihr Instrument ferner mit bildnerischer       New York. Auf dem Konzertpodium war er etwa in               Verbier Festival
  Itinéraire                        Kunst oder anderen Medien, etwa Stimmen, Fotogra-           Rachmaninows „Die Glocken“ mit dem BBC National            • Mahlers Achte Sinfonie im
• „Carte de visite“ von Michel                                                                                                                               Konzerthaus Berlin
  Zumpf in Paris                    fie und Projektion. Auch die Rockszene interessiert         Orchestra of Wales, Schostakowitschs Sinfonie Nr. 13
• Giacinto Scelsis „Le premier      sich für die Musikerin und ihr außergewöhnliches            mit den Berliner Philharmonikern und „Herzog Blau-
  mouvement de l’immobile“          Instrument, was ihr Einladungen zur Zusammenarbeit          barts Burg“ im Concertgebouw Amsterdam zu erleben.
  in Paris
• Messiaens „Turangalîla-           mit Bands wie „Radiohead“, „Ulan Bator“ und „Faust“         In Petrenkos reichhaltiger Diskografie finden sich
  Sinfonie“ mit dem Baltimore       eintrug. Unter Ingo Metzmacher spielte sie 2008 in          Aufnahmen von Wagners „Walküre“ unter Valery
  Symphony Orchestra unter          einer Produktion von Messiaens Oper „Saint François         Gergiev, Gounods „Roméo et Juliette“ unter Yannick
  Marin Alsop
                                    d’Assise“ am Het Muziektheater in Amsterdam mit,            Nézet-Séguin und Rachmaninows „Die Glocken“ mit
                                    die anschließend auf DVD erschienen ist.                    den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle.

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CHOR                                                                                     CHOR

                       WDR Rundfunkchor                                                                                     NDR Chor
                                  Der WDR Rundfunkchor ist ein Profi-Ensemble mit             Der NDR Chor gehört zu den international führenden
                                  43 Sängerinnen und Sängern. Seine Heimat ist das WDR        professionellen Kammerchören. Das Repertoire des
                                  Funkhaus in Köln. Das Profil ist Repertoire- Vielfalt       1946 gegründeten Chores erstreckt sich über alle Epo-
                                  in Perfektion und Spezialisierung auf innovative und        chen von Alter Musik bis hin zu Uraufführungen. Reich
                                  anspruchsvolle Werke. Das Spektrum reicht dabei von         nuancierte Klangfülle und stilistisches Einfühlungs-
                                  der Musik des Mittelalters bis zu zeitgenössischen Kom­     vermögen in die Stile verschiedener Musikepochen
                                  positionen. Der WDR Rundfunkchor singt A-cappella-          zeichnen seine Arbeit aus. In den vergangenen zehn
                                  Konzerte, sinfonische Orchesterwerke, solistisch be-        Jahren entwickelte der Chor unter der künstlerischen
                                  setzte Vokal-Musik, Film- und Computerspielmusik,           Leitung von Philipp Ahmann sein Profil kontinuierlich
HÖHEPUNK TE 2018/2019             Oper und zeitgenössische experimentelle Kompositio­         weiter. Seit 2018 ist der Niederländer Klaas Stok Chef-   HÖHEPUNK TE 2018/2019

                                  nen. Er wirkt in Zusammenarbeit mit den WDR Orches­         dirigent. Die musikalische Bandbreite spiegelt sich in
• Misa A Buenos Aires“ (Misa      tern, präsentiert sich in seiner eigenen A-cappella-Reihe   der 2009 gegründeten Abo-Reihe wider: Vom A-cappel­       • Antrittskonzert von Klaas
  Tango) von Martín Palmeri       in Köln und wird regelmäßig von na­­tionalen und inter­     la-Konzert bis zur „Missa concertata“, vom Barock über      Stok in der Elbphilharmonie
  mit dem Minguet Quartett        nationalen Orchestern für große und besondere Kon-          die Romantik bis heute reicht in dieser Saison das mu­    • Konzert im Rahmen des
  unter Mariano Chiacchiarini                                                                                                                             NDR Festivals „My Polish
• „Klänge des Wassers“ (u. a.     zerte angefragt. Mehr als 170 Ur- und Erstaufführungen      sikalische Spektrum der vier Abo-Konzerte. Als fester       Heart“ unter der Leitung von
  Uraufführung der „Six Motets    zeichnen das bisherige Programm des Chores aus, etwa        Partner der Orchester und Konzert­reihen des NDR ko­        Kaspars Putniņš in der
  About the Sea“ von Stephen      von Schönberg, Henze, Nono, Boulez, Zimmermann,             operiert der NDR Chor außerdem häufig mit anderen           Elbphilharmonie
  Harrap und „Loss“ von                                                                                                                                 • Silvester- und Neujahrs-
  Hauschka mit Live-Visualisie-   Penderecki, Xenakis, Berio, Höller, Eötvös, Hosokawa,       Ensembles der ARD, führenden Ensembles der Alten            konzerte mit Strauß’ „Die
  rungen von WARPED TYPE)         Pagh-Paan, Zender, Tüür und Mundry. Eine außerge-           wie Neuen Musik und mit internationalen Sinfonie­           Fledermaus“ gemeinsam mit
• „Neue Vokalmusik aus Ost        wöhnliche Zusammenarbeit war 2014 Adriana Hölszkys          orchestern. Dirigenten wie Daniel Barenboim, Marcus         dem NDR Elbphilharmonie
  und West“: A-cappella-Werke                                                                                                                             Orchester unter Manfred
  der Moderne unter Philipp       Uraufführung „Deep Field“ mit Martin Schläpfers             Creed, Paul Hillier, Mariss Jansons, Paavo Järvi, Tõnu      Honeck
  Ahmann                          Ballett-Kompanie an der Deutschen Oper am Rhein.            Kaljuste, Stephen Layton, Andris Nelsons und Sir          • SINGING! 2019 in der
• Achte Sinfonie von Mahler mit   Der Rundfunkchor ist in steter Bewegung, dringt in          Roger Norrington geben dem Chor künstlerische Im-           Elbphilharmonie
  dem MDR Rundfunkchor, dem                                                                                                                             • Händels „Brockes-Passion“
  London Symphony Chorus,         neue Räume vor, sucht engagiert nach Herausforde-           pulse. Regelmäßig gastiert er bei Fest­spielen wie dem      mit dem Ensemble Concert
  dem Knabenchor Hannover,        rungen und bringt Partituren größter Schwierigkeits-        Schleswig-Holstein Musik Festival, den Festspielen          Lorrain in Konzerten in Linz,
  dem Gemengd Kinderkoor          grade zum Klingen. Die Freude an Chormusik und              Mecklenburg-Vorpommern, den Händel- Festspielen             Meran und Brixen
  St. Bavo und dem Nederlands                                                                                                                           • Ligetis „Le Grand Macabre“
  Philhamonisch Orkest im         die Einladung an alle Menschen zum Singen ist dem           Göttingen, dem Festival Anima Mundi in Pisa und in          mit dem NDR Elbphilharmonie
  Concertgebouw in Amsterdam      Chor ein Anliegen und gehört gleicher­maßen zum             internationalen Konzerthäusern wie dem Théâtre des          Orchester unter Alan Gilbert
• „Die Kunst der Motette“:        Aufgabenspektrum wie auch die Kinder- und Familien­         Champs-Élysées in Paris. Die Musikvermittlung ist dem     • Rossinis „Petite messe
  Geistliche Vokalmusik unter                                                                                                                             solennelle“ in der Elbphil-
  Peter Dijkstra                  konzerte. In den letzten sieben Jahrzehn­ten beglei­        NDR Chor ein wichtiges Anliegen. Mit vielfältigen Pro­      harmonie
• Nordische Chormusik aus         teten Bernhard Zimmermann, Herbert Schernus,                jekten richtet er sich an Schüler und Gesangsstudieren­
  Skandinavien mit dem            Helmuth Froschauer, Anton Marik und Rupert Huber            de ebenso wie an gesangsbegeisterte Laien. Ausgewähl­te
  Jugendkonzertchor der
  Chorakademie Dortmund           den WDR Rundfunkchor als Chefdirigenten. Im Sep-            Konzerte werden innerhalb der European Broadcasting
  unter Stefan Parkman            tember 2014 übernahm Stefan Parkman diese Aufgabe.          Union ausgestrahlt oder als CDs publiziert.

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GESANGSTEXTE MESSIAEN                                                          GESANGSTEXTE MESSIAEN

OLIVIER MESSIAEN:                                                               mon Toujours de lumière,                      mein Immer aus Licht,
TROIS PETITES LITURGIES DE L A PRÉSENCE DIVINE                                  Que le ciel parle en moi,                     Der Himmel spreche in mir,
                                                                                rire, ange nouveau,                           Lachen, neuer Engel,
  I. ANTIENNE DE L A CONVERSA-                 I. ANTIPHON DER INNEREN          Ne me réveillez pas:                          Weckt mich nicht:
  TION INTÉRIEURE                              ZWIESPR ACHE                     c’est le temps de l’oiseau!                   Es ist Vogelzeit!
  ( DIEU PRÉSENT EN NOUS ...)                  (GOT T GEGENWÄRTIG IN UNS ...)

  Mon Jésus, mon silence,                      Mein Jesus, mein Schweigen,      II. SÉQUENCE DU VERBE,                        II. SEQUENZ DES WORTES,
  Restez en moi.                               Bleibe in mir.                   CANTIQUE DIVIN (DIEU PRÉSENT                  GÖT TLICHES LIED (GOT T GEGEN ­
  Mon Jésus, mon royaume                       Mein Jesus, mein Reich           EN LUI - M ÊM E ...)                          WÄRTIG IN SICH SELBS T ...)
  de silence,                                  des Schweigens,
  Parlez en moi.                               Sprich in mir.                   Refrain                                       Refrain
  Mon Jésus, nuit                              Mein Jesus, Nacht aus            Il est parti le Bien-Aimé,                    Er ist davongegangen, der Geliebte,
  d’arc-en-ciel et de silence,                 Regenbogen und Schweigen,        C’est pour nous!                              Um unsertwillen!
  Priez en moi.                                Bete in mir.                     Il est monté le Bien-Aimé,                    Er ist aufgefahren, der Geliebte,
                                                                                C’est pour nous!                              Um unsertwillen!
  Soleil de sang, d’oiseaux,                   Sonne aus Blut, aus Vögeln,      Il a prié le Bien-Aimé,                       Er hat gebetet, der Geliebte,
  Mon arc-en-ciel d’amour,                     Mein Liebes-Regenbogen,          C’est pour nous! Pour nous!                   Um unsert-, unsertwillen!
  Désert d’amour,                              Wüste der Liebe,
  Chantez, lancez                              Singe, wirf den                  I.                                            I.
  l’auréole d’amour,                           Glorienschein der Liebe empor,   Il a parlé, il a chanté,                      Er hat gesprochen, er hat gesungen,
  Mon Amour.                                   Meine Liebe.                     Le Verbe était en Dieu!                       Das Wort war in Gott!
  Mon Amour,                                   Meine Liebe,                     Il a parlé, il a chanté,                      Er hat gesprochen, er hat gesungen,
  Mon Dieu.                                    Mein Gott.                       Et le Verbe était Dieu!                       Und das Wort war Gott!
                                                                                Louange du Père,                              Lob des Vaters,
  Ce oui qui chante comme                      Dieses Ja, das wie               Substance du Père,                            Wesen des Vaters,
  un écho de lumière,                          ein Lichtecho singt,             Empreinte et rejaillissement toujours,        Siegel und Abglanz immerdar,
  Mélodie rouge et mauve                       Rote und malvenfarbene Melodie   Dans l’Amour, Verbe d’Amour!                  In der Liebe, Wort der Liebe!
  en louange du Père,                          zum Lob des Vaters,
  D’un baiser votre                            Um einen Kuss ragt deine         Refrain                                       Refrain
  main dépasse le tableau,                     Hand aus dem Bild hervor,        Il est parti le Bien-Aimé ...                 Er ist davongegangen, der Geliebte ...
  Paysage divin,                               Göttliche Landschaft,
  renverse-toi dans l’eau.                     kehre dich um im Wasser.         II.                                           II.
                                                                                Par lui le Père dit: C’est moi,               Durch ihn spricht der Vater: Ich bin’s,
  Louange de la Gloire                         Lob der Herrlichkeit             Parole de mon sein!                           Wort aus meinem Herzen!
  à mes ailes de terre,                        meinen irdischen Flügeln,        Par lui le Père dit: C’est moi,               Durch ihn spricht der Vater: Ich bin’s,
  Mon Dimanche, ma Paix,                       Mein Sonntag, mein Friede,       Le Verbe est dans mon sein!                   Das Wort ist in meinem Herzen!

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GESANGSTEXTE MESSIAEN                                                                     GESANGSTEXTE MESSIAEN

Le Verbe est la louange,                      Das Wort ist das Lob,                    Refrain                                                 Refrain
Modèle en bleu pour anges,                    Vorbild in Blau für Engel,               Il est parti le Bien-Aimé ...                           Er ist davongegangen, der Geliebte ...
Trompette bleue qui prolonge le jour,         Blaue Trompete, den Tag verlängernd,     Pour nous, Pour nous!                                   Um unsertwillen!
Par Amour, Chant de l’Amour!                  Aus Liebe, Gesang der Liebe!

Refrain                                       Refrain                                  I I I . P S A L M O D I E D E L’ U B I Q U I T É        III. PSALMODIE DER ALLGEGEN ­
Il est parti le Bien-Aimé ...                 Er ist davongegangen, der Geliebte ...   PA R A M OU R ( D I EU P R É SE N T                     WART DURCH LIEBE
                                                                                       EN TOUTES CHOSES ...)                                   (GOT T IN ALLEN DINGEN ...)
III.                                          III.
Il était riche et bienheureux,                Er war reich und glückselig,             I. + VII.                                               I. + VII.
Il a donné son ciel!                          Er hat seinen Himmel hingegeben!         Tout entier en tous lieux,                              Ganz an allen Orten,
Il était riche et bienheureux,                Er war reich und glückselig,             Tout entier en chaque lieu,                             Ganz an jedem Ort,
Pour compléter son ciel!                      Seinen Himmel zu vervollkommnen!         Donnant l’être à chaque lieu,                           Jedem Ort Sein verleihend,
Le Fils, c’est la Présence,                   Der Sohn ist die Gegenwart,              A tout ce qui occupe un lieu,                           Allem, was einen Platz einnimmt,
L’Esprit, c’est la Présence!                  Der Geist ist die Gegenwart!             Le successif vous est simultané,                        Das Nacheinander ist dir gleichzeitig,
Les adoptés dans la grâce toujours,           Die in Gnade immer Angenommenen,         Dans ces espaces et ces temps                           In diesen Räumen und Zeiten,
Pour l’Amour, Enfants d’Amour!                Für die Liebe, Kinder der Liebe!         que vous avez créés,                                    die du geschaffen hast,
                                                                                       Satellites de votre Douceur.                            Satelliten deiner Sanftmut.
Refrain                                       Refrain                                  Posez-vous comme un sceau                               Leg dich wie ein Siegel
Il est parti le Bien-Aimé ...                 Er ist davongegangen, der Geliebte ...   sur mon coeur.                                          auf mein Herz.

IV. (= I.)                                    IV. (= I.)                               II. + VIII.                                             II. + VIII.
Il a parlé, il a chanté ...                   Er hat gesprochen, er hat gesungen ...   Temps de l’homme                                        Zeit des Menschen
                                                                                       et de la planète,                                       und des Planeten,
Refrain                                       Refrain                                  Temps de la montagne                                    Zeit des Berges
Il est parti le Bien-Aimé ...                 Er ist davongegangen, der Geliebte ...   et de l’insecte,                                        und des Insekts,
                                                                                       Bouquet de rire                                         Gelächtergarbe
V.                                            V.                                       pour le merle et l’alouette,                            für Amsel und Lerche,
Il est vivant, il est présent,                Er ist lebendig, er ist gegenwärtig,     Eventail de lune au fuchsia,                            Mondlichtfächer aus Fuchsie,
Et Lui se dit en Lui!                         Und Er sagt sich in Ihm!                 A la balsamine, au bégonia;                             aus Balsamine, aus Begonie;
Il est vivant, il est présent,                Er ist lebendig, er ist gegenwärtig,     De la profondeur une ride surgit,                       Aus der Tiefe tut sich eine Falte auf,
Et Lui se voit en Lui!                        Und er sieht sich in Ihm!                La montagne saute comme une brebis                      Der Berg hüpft wie ein Lamm,
Présent au sang de l’âme,                     Gegenwärtig im Blut der Seele,           Et devient un grand océan.                              Und wird ein großes Meer,
Étoile aspirant l’âme,                        Die Seele anhauchender Stern,            Présent, vous êtes présent.                             Gegenwärtig, du bist gegenwärtig!
Présent partout,                              Allgegenwärtig,                          Imprimez votre nom                                      Drücke deinen Namen
miroir ailé des jours,                        geflügelter Spiegel der Tage,            dans mon sang.                                          meinem Blute ein.
Par Amour, Le Dieu d’Amour!                   Aus Liebe, der Gott der Liebe!

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GESANGSTEXTE MESSIAEN                                                            GESANGSTEXTE MESSIAEN

III. + IX.                                  III. + IX.                              Donnez-moi le rouge et le vert de        Gib mir das Rot und das Grün
Dans le mouvement                           In der Bewegung                         votre amour                              deiner Liebe,
d’Arcturus, présent.                        des Arkturus gegenwärtig,               Feuille-flamme-or, clarté.               Blattflammegold, Helligkeit,
Dans l’arc-en-ciel                          Im Regenbogen                           Plus de langage, plus de mots,           Keine Sprache, keine Worte mehr,
d’une aile après l’autre,                   sukzessiver Flügel                      Plus de prophètes                        Keine Propheten,
(Écharpe aveugle autour de Saturne),        (Blinde Schärpe um Saturn),             ni de science                            keine Wissenschaft mehr.
Dans la race cachée de                      Im verborgenen Stamm                    (C’est l’Amen de l’espérance,            (Dies ist das Amen der Hoffnung,
mes cellules, présent,                      meiner Zellen gegenwärtig,              Silence mélodieux de l’Éternité.)        Melodiöses Schweigen der Ewigkeit.)
Dans le sang qui répare ses rives,          Im Blut, das seine Ufer erneuert,       Mais la robe lavée                       Sondern das Kleid gewaschen
Dans vos Saints                             in deinen Heiligen                      dans le sang de l’Agneau,                im Blut des Lammes,
par la grâce, présent                       durch die Gnade gegenwärtig,            Mais la pierre de neige                  Sondern der schneeweiße Stein
(Interprétations de votre Verbe,            (Ausdeutungen deines Wortes,            avec un nom nouveau,                     mit einem neuen Namen,
Pierres précieuses au                       Edelsteine an der                       Les éventails, la cloche et              Die Fächer, die Glocke und
mur de la Fraîcheur.)                       Mauer der Frische.)                     l’ordre des clartés                      die Ordnung der Klarheiten,
Posez-vous comme un sceau                   Leg dich wie ein Siegel                 Et l’échelle en arc-en-ciel              Und die Regenbogenleiter
sur mon coeur.                              auf mein Herz.                          de la Vérité,                            der Wahrheit.
                                                                                    Mais la porte qui parle                  Sondern die sprechende Pforte
IV. + X.                                    IV. + X.                                et le soleil qui s’ouvre,                und die sich öffnende Sonne
Un coeur pur est votre repos,               Ein reines Herz ist deine Ruhestätte,   L’auréole                                Der Strahlenkranz,
Lis en arc-en-ciel du troupeau              Regenbogen-Lilie der Herde,             tête de rechange qui délivre,            ein zweites Haupt, das erlöst,
Vous vous cachez                            Du verbirgst dich                       Et l’encre d’or ineffaçable              Und die unauslöschliche Goldtinte
sous votre Hostie,                          unter deiner Hostie,                    sur le livre;                            im Buch;
Frère silencieux                            Schweigender Bruder                     Mais le                                  Sondern das
dans la Fleur-Eucharistie,                  in der Blume Eucharistie,               face à face                              von-Angesicht-zu-Angesicht
Pour que je demeure en vous                 Auf dass ich in dir bleibe              et l’Amour.                              und die Liebe.
comme une aile dans le soleil,              wie ein Flügel in der Sonne,
Vers la résurrection                        Bis zur Auferstehung                    VI.                                      VI.
du dernier jour.                            des letzten Tages.                      Vous qui parlez en nous,                 Du, der du sprichst in uns,
Il est plus fort que la mort,               Sie ist stärker als der Tod,            Vous qui vous taisez en nous,            Du, der du schweigst in uns,
votre Amour.                                deine Liebe.                            Et gardez le silence                     Und Schweigen bewahrst
Mettez votre caresse tout autour.           Leg deine Zärtlichkeit rings umher.     dans votre Amour,                        in deiner Liebe,
                                                                                    Vous êtes près, vous êtes loin,          Du bist nah, du bist fern,
V. + XI.                                    V. + XI.                                Vous êtes la lumière                     Du bist das Licht
Violet-jaune, vision,                       Violett-gelb, Vision,                   et les ténèbres,                         und die Finsternis,
Voile blanc, subtilité,                     Weißer Schleier, Geistigkeit,           Vous êtes si compliqué                   Du bist so vielfältig
Orangé-bleu, force et joie,                 Orange-blau, Kraft und Freude,          et si simple,                            und so einfach,
Flèche azur, agilité,                       Azurner Pfeil, Behändigkeit,            Vous êtes infiniment simple.             Du bist unendlich einfach.

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GESANGSTEXTE MESSIAEN                                                                G E S A N G S T E X T E SC H OS TA KOW I T SC H

L’arc-en-ciel de l’Amour, c’est vous,        Der Regenbogen der Liebe bist du,   D M I T R I J S C H O S TA K O W I T S C H :
L’unique oiseau                              Der einzige Vogel                   SINFONIE NR. 13 „BABI JAR“
de l’Éternité, c’est vous!                   der Ewigkeit bist du!
Elles s’alignent lentement,                  Sie treten langsam in eine Reihe,       I. BABI JAR                                             I. BABI JAR
les cloches de la profondeur.                die Glocken der Tiefe.
Posez-vous comme                             Leg dich wie                            Chor                                                    Chor
un sceau sur mon coeur.                      ein Siegel auf mein Herz.               Nad Babim Jarom pamjatnikow njet.                       Es steht kein Denkmal über Babi Jar.
                                                                                     Krutoi obryw, kak gruboje nadgrobje.                    Die steile Schlucht mahnt selbst als
XII.                                         XII.                                                                                               Grabstein.
Vous qui parlez en nous,                     Du, der du sprichst in uns,             Mne straschno.                                          In mir wächst Angst.
Vous qui vous taisez en nous,                Du, der du schweigst in uns,            Mne sewodnja stolko let,                                Mir ist heute, als wäre ich so alt
Et gardez le silence                         Und Schweigen bewahrst                  kak samomu jewreiskomu narodu.                          wie das ganze jüdische Volk.
dans votre Amour,                            in deiner Liebe,
Enfoncez votre image                         Drücke dein Abbild                      Solo                                                    Solo
dans la durée                                tief in die Dauer                       Mne kaschetsja seitschas – ja iudei.                    Ich fühle mich, als wäre ich selbst
de mes jours.                                meiner Tage ein.                                                                                   ein Jude.
                                                                                     Wot ja bredu po drewnemu Egiptu.                        Ich, auf der Flucht aus Ägypten.
Olivier Messiaen                                                                     A wot ja, na kreste raspjatyj, gibnu,                   Am Kreuz hängend sterbe ich,
                                                                                     i do sich por na mne – sledy gwosdei.                   ich trage die Narben der Nägel.

                                                                                     Mne kaschestja, schto Dreyfus – eto ja.                 Jetzt bin ich Dreyfus.
                                                                                     Meschtschanstwo – moi donostschik                       Die Spießer klagen mich an.
                                                                                        i sudja.
                                                                                     Ja sa reschotkoi. Ja popal w kolzo.                     Ich sitze hinter Gittern. Ich bin
                                                                                                                                               umzingelt.
                                                                                     Satrawlennyj, oplewannyj, obolgannyj.                   Ich werde gedemütigt, angeschrien,
                                                                                                                                             bespuckt.

                                                                                     I damotschki s brjusselskimi oborkami,                  Feine Dämchen mit Brüsseler
                                                                                                                                               Spitzenkragen
                                                                                     wisscha, sontami tytschut mne w lizo.                   kreischen, bohren mir ihre Schirme
                                                                                                                                               ins Gesicht.

                                                                                     Mne kaschetsja – ja maltschik                           Ich sehe mich als Junge in Białystok.
                                                                                      w Belostoke.

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G E S A N G S T E X T E SC H OS TA KOW I T SC H                                             G E S A N G S T E X T E SC H OS TA KOW I T SC H

Chor                                              Chor                                    I ja ljublju. I mnje nje nado fras.                 Ich bin verliebt. Ich brauche keine
Krow ljotsja, rastekajas po polam.                Blut fließt und rinnt über den Boden.                                                         Worte.
Bestschinstwujut woschdi traktirnoi               Hysterisch tobt das betrunkene Volk.    Mnje nado, schtob drug w druga                      Es genügt mir, wenn wir uns nur
   stoiki                                                                                   my smotreli.                                      sehen.
i pachnut wodkoi s lukom popolam.                 Es stinkt nach Wodka und nach           Kak malo moschno widet, obonjat!                    Wie wenig Luft und Licht es hier gibt!
                                                    Zwiebeln.                             Nelsja nam listjew i nelsja nam neba.               Kein Grün, das Himmelsblau ist uns
                                                                                                                                                verwehrt.
Solo                                              Solo                                    No moschno otschen mnogo –                          Doch wir können viel tun in diesem
Ja, sapogom otbroschennyj, bessiljen.             Stiefel treten mich nieder. Ich bin       eto neschno                                         Raum:
Naprasno ja pogromschtschikow molju.              hilflos. Ohnmächtig                     drug druga w tjomnoi komnate obnjat.                einander in der Dunkelheit zärtlich
                                                     liege ich am Boden.                                                                      umarmen.

Chor                                              Chor                                    Chor                                                Chor
Pod gogot: „Bei schidow, spasai                   Sie lachen: „Schlagt die Juden tot!     „Sjuda idut?“                                       „Kommt jemand?“
  Rossiju!“ –                                        Für Russland!“ –
                                                  Ein Getreidehändler schändet meine      Solo                                                Solo
Nasilujet labasnik matj moju.                        Mutter.                              „Ne bojsa – eto guly samoj wesny –                  „Hab keine Angst, nur der Wind,
                                                                                          ona sjuda idjot. Idi ko mne.                        der Frühling naht. Komm her zu mir.
Solo                                              Solo                                    Dai mne skoreje guby.“                              Schenk mir deine Lippen.“
O, russki moi narod! –                            O mein russisches Volk! –
Ja snaju – ty                                     Ich weiß, du                            Chor                                                Chor
Po suschtschnosti internazionalen.                bist im Herzen international.           „Lomajut dwer?“                                     „Sie brechen die Tür auf?“
No tschasto te, tschi ruki netschisty,            Doch gewissenlose Verbrecher haben
twoim tschisteischim imenem brjazali.             deinen ehrbaren Namen in den Dreck      Solo                                                Solo
                                                     gezogen.                             „Njet – eto ledochod ...“                           „Nein, nur das Eis bricht ...“
Ja snaju dobrotu twojei semli.                    Ich weiß um das Gute in meinem Land.
Kak podlo, schto, i schilotschkoi                 Doch jüngst wagte es ein Haufen         Chor                                                Chor
   nje drognuw,                                      Antisemiten,                         Nad Babim Jarom schelest dikich traw.               Über Babi Jar rauscht still das wilde
antisemity pyschno narekli sebja                  und nannte sich schamlos                                                                      Gras.
                                                                                          Derewja smotrjat grosno, po-sudeiski.               Die Bäume blicken streng, verurteilend.
Solo und Chor                                     Solo und Chor                           Wsje moltscha sdjes kritschit, i,                   Die Stille hier, sie schreit so laut;
„Sojusom Russkowo Naroda!“                        „Union des russischen Volkes!“             schapku snjaw,
                                                                                          ja tschuwstwuju, kak medlenno sedeju.               den Kopf entblößend fühle ich, wie
Solo                                              Solo                                                                                        ich ergraue.
Mne kaschetsja – ja – eto Anna Frank,             Mir scheint, ich wäre Anne Frank,
prosratschnaja, kak wetotschka                    zart wie eine Knospe im April.          Solo                                                Solo
  w aprele.                                                                               I sam ja, kak sploschnoi besswutschnyj              Ich werde zum stummen Widerhall

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