REPORT - Institut für Mitbestimmung und ...

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REPORT - Institut für Mitbestimmung und ...
REPORT
Nr. xxx · Mitbestimmungs-Report
Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020

AGGRESSIVE BERICHTERSTATTUNG
IN DEUTSCHEN UNTERNEHMEN
Der Einfluss der Mitbestimmung auf die Ausnutzung von Bilanzierungs-
und Steuergestaltungsspielräumen
Marc Eulerich und Benjamin Fligge

AUF EINEN BLICK
– Diese Studie untersucht den Zusammenhang zwi-       – Mitbestimmung trägt zu einer verantwortungsbe-
  schen Mitbestimmung und der Ausnutzung von            wussten und weitsichtigen Unternehmensführung
  Bilanzierungs- sowie Steuergestaltungsspielräume      bei. Unternehmen mit aggressiver Finanzbericht-
  in deutschen börsennotierten Unternehmen zwi-         erstattung weisen zwar kurzfristig eine höhere
  schen 2006 und 2017.                                  Performanz auf, schneiden jedoch langfristig
                                                        schlechter ab.
– Unternehmen mit starker Mitbestimmung be-
  treiben deutlich seltener Steuervermeidung. Sie
  zahlen im Durchschnitt 4 Prozentpunkte mehr
  Steuern auf den erwirtschafteten Gewinn.

                                                                      LA                      NZ
– Je stärker die Mitbestimmung im Unternehmen
  verankert ist, desto seltener werden Bilanzie-

                                                        BI
  rungsspielräume ausgenutzt. Unternehmen mit
  schwacher Mitbestimmung hingegen reizen
  Bilanzierungsspielräume häufig aus, um ihre
  wirtschaftliche Lage besser darzustellen, als sie
  tatsächlich ist.

VIDEO

Marc Eulerich und Benjamin Fligge
https://youtu.be/Vy4Olu4k8pE
INHALT

                        1     Einleitung����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 3

                        2     Wer profitiert von aggressiver Berichterstattung? �������������������������������������������������������� 4

                        3     Datenerhebung und Methodik �������������������������������������������������������������������������������������� 5

                        4     Aggressive Berichterstattung und Mitbestimmung�������������������������������������������������������� 6
                        4.1 Entwicklung aggressiver Berichterstattung in Deutschland����������������������������������������������������� 6
                        4.2 Einfluss der Mitbestimmung auf aggressive Berichterstattung ����������������������������������������������� 8
                        4.3 Aggressive Berichterstattung und Performanz������������������������������������������������������������������������ 10

                        5     Implikationen für die Unternehmensführung und Mitbestimmung�������������������������������12

                        Anhang 1: Variablenbeschreibung����������������������������������������������������������������������������������������13

                        Anhang 2: Der Mitbestimmungsindex����������������������������������������������������������������������������������15

AUTOREN

                        Univ.-Prof. Dr. Marc Eulerich
                        Lehrstuhl für Interne Revision, Universität Duisburg-Essen
                        marc.eulerich@uni-due.de

                        MSc. Benjamin Fligge
                        Lehrstuhl für Interne Revision, Universität Duisburg-Essen
                        benjamin.fligge@uni-due.de

Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 2
1 EINLEITUNG                                             den. Daher haben alle Akteure ein hohes Interesse an
                                                         der Richtigkeit der veröffentlichten Informationen.
Große Bilanzskandale wie bei Enron sorgten in der           Aufgrund dieser großen Bedeutung für das Funk-
Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen und          tionieren der Wirtschaft, regelt der Gesetzgeber die
richteten den Fokus der Öffentlichkeit auf die Finanz-   konkrete Ausgestaltung der Finanzberichterstattung
berichterstattung von Unternehmen. Der Energieko-        ausführlich. Als Beispiel sei das gesetzlich veranker-
nzern hatte über Jahre Verbindlichkeiten verschleiert    te Vorsichtsprinzip genannt: Es schreibt vor, dass der
und nichtexistierende Gewinne ausgewiesen, ehe das       Gewinn konservativ, also zurückhaltend, berechnet
Unternehmen 2001 Insolvenz anmelden musste. Die-         wird. Dies verhindert, dass ein Unternehmen höhere
ser Bilanzskandal „biblischen Ausmaßes“ (vgl. FAZ        Gewinne als die tatsächlich erwirtschafteten ausweist
2002) hatte weitreichende Folgen: Ungefähr 20.000        und in Folge dessen höhere Dividenden ausschüttet
Beschäftigte verloren ihren Job, viele davon ihre Al-    (vgl. Kasanen / Kinnunen / Niskanen 1996). Einerseits
tersvorsorge; der zuständige Wirtschaftsprüfer Ar-       werden hierdurch Stabilität und Zahlungsfähigkeit
thur Anderson verschwand vom Markt (vgl. Rinker          des Unternehmens erhöht. Denn je weniger Dividen-
2018; von Frentz 2003). Auch Deutschland ist von         den ausgeschüttet werden, desto mehr Kapital ver-
diesen Skandalen betroffen, wie beispielsweise der       bleibt im Unternehmen. Andererseits können Externe
Fall des Möbelkonzerns Steinhoff zeigt. Steinhoff        auf diese Weise die Lage des Unternehmens besser
hatte Scheinfirmen gegründet, an die unter anderem       einschätzen.
Grundstücke zu überhöhten Preisen verkauft wur-             Trotz der ausführlichen Regulierung bestehen für
den, um so höhere Gewinne ausweisen zu können            Unternehmen teilweise erhebliche Spielräume in der
(vgl. Mehring 2019). Ebenso wie bei Enron hatte die      konkreten Ausgestaltung. Durch die einseitige Ausnut-
Aufdeckung des Betrugs bei Steinhoff für viele Be-       zung von Bilanzierungswahlrechten können Unterneh-
schäftigte den Verlust ihres Arbeitsplatzes zur Folge    men die Finanzberichterstattung so beeinflussen, dass
(vgl. zu Klampen / Schürmeyer 2018). Obwohl in den       Letztere die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr wi-
Medien häufig über das dramatische Einbrechen der        derspiegelt. Auf diese Weise lässt sich beispielswei-
Aktienkurse gesprochen wird, leiden insbesondere         se der Gewinn erhöhen, ohne dass das Unternehmen
die Beschäftigten unter Bilanzmanipulationen. Denn       tatsächlich leistungsfähiger geworden ist. Derartige
wie die Beispiele zeigen, wird häufig Personal ab-       Maßnahmen wirken jedoch meist nur kurzzeitig und
gebaut, um wieder für Stabilität zu sorgen. Der Fall     führen in späteren Jahren häufig zu geringeren Ge-
Steinhoff zeigt aber auch, dass ganz andere Akteure      winnen, so dass das Management in den Folgejahren
betroffen sein können: Ein großer Anteilseigner des      diesen Nachteil durch die Ausnutzung weiterer Bilan-
Konzerns war ein afrikanischer Pensionsfond, der         zierungsspielräume ausgleichen müsste (vgl. Jensen
durch die Kurseinbrüche bei Steinhoff hohe Verluste      2005). Ferner können über die legalen Möglichkeiten
erlitt, was wiederum die Finanzierung der Altersvor-     hinaus weitere Verzerrungen durch gezielte Manipula-
sorge von zahlreichen Beschäftigten gefährdete (vgl.     tionen entstehen.
Fahrion / Steinmann 2018).                                  Auch hinsichtlich der Besteuerung von Unterneh-
    Die Finanzberichterstattung von Unternehmen hat      men gibt es teils gewaltige Spielräume. Sogenannte
für das Funktionieren der Wirtschaft eine wichtige Be-   Steuergestaltungsmodelle stehen häufig in der öffent-
deutung. Sie nimmt dabei grundsätzlich zwei Funktio-     lichen Kritik, basieren allerdings oft auf legalen Aktivi-
nen ein: eine Informationsfunktion und eine Zahlungs-    täten, mit denen Unternehmen große Teile der Steuern
bemessungsfunktion (vgl. Belkaoui 2002). Erst durch      einsparen können. Ein prominentes Beispiel hierfür ist
die Finanzberichterstattung kommen externe Dritte in     der Kaffee-Konzern Starbucks: Er geriet in die Kritik,
die Lage, die finanzielle Situation eines Unternehmens   nachdem er trotz hoher Gewinne kaum Steuern in
bewerten und vergleichen zu können. Diese Informa-       Deutschland zahlte (vgl. Tauber 2015). Derartige Steu-
tionen sind nicht nur für Investoren (darunter auch      ergestaltungsmodelle nutzen häufig die Möglichkeit
Pensionsfonds) essentiell, sondern auch für andere       aus, Gewinne in Länder mit geringem Steuersatz zu
Akteure. So können z. B. Kreditgeber oder Lieferan-      transferieren.
ten auf Basis des Jahresabschlusses die Wahrschein-         Im vorliegenden Report wird das übermäßige Aus-
lichkeit ermitteln, mit der ein Unternehmen seine        nutzen von Bilanzierungs- und Steuergestaltungsspiel-
Verbindlichkeiten zurückzahlen kann. Dies ist wiede-     räumen unter dem Begriff „aggressive Berichterstat-
rum die Grundlage für die (Kredit-)Konditionen (vgl.     tung“ zusammengefasst. Zwar gibt es zur Vermeidung
Reichling / Bietke / Henne 2007). Des Weiteren ist die   von aggressiver Berichterstattung verschiedene Ak-
Finanzberichterstattung relevant für die Berechnung      teure wie z. B. den Wirtschaftsprüfer. Dennoch zei-
der Dividenden und die Festlegung der Steuerhöhe. So     gen die genannten Beispiele: Sie sind nicht immer in
wird die Höhe des Steueraufwandes auf Basis des bei      der Lage, aggressive Berichterstattung aufzudecken.
der Finanzberichterstattung angegebenen Gewinns          Ferner muss man sich fragen: Ab wann werden Bi-
berechnet; daran wird die Gesellschaft, welche die       lanzierungswahlrechte so einseitig ausgenutzt, dass
Rahmenbedingungen für den Erfolg des Unterneh-           die Finanzberichterstattung nicht mehr die tatsächli-
mens geschaffen hat, beteiligt. Ähnlich ist es bei den   chen Verhältnisse widerspiegelt? Ab wann betreibt ein
Anteilseignern: Unternehmen können nicht mehr Divi-      Unternehmen zu viel Steuervermeidung? In diesem
denden ausschütten, als Gewinne erwirtschaftet wur-      Zusammenhang wird im Folgenden auch die Rolle

                                                                                                  Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 3
der Mitbestimmung untersucht. Die Ausführungen                  ment seine Vergütung über Bonuszahlungen erhöhen,
                        zeigen: Die Beschäftigten leiden oft stark unter den            aber auch die eigene Reputation und damit die eigene
                        Konsequenzen von aggressiver Berichterstattung und              Jobsicherheit verbessern (vgl. Bergstresser / Phillipon
                        können über ihre Rolle im Aufsichtsrat aktiv zur Ver-           2006; Chi / Gupta 2009; Jensen 2005).
                        meidung aggressiver Berichterstattung beitragen. Im                 Neben den Vorteilen sind beide Aktivitäten aller-
                        Fokus stehen dabei folgende Fragen:                             dings auch mit Risiken verbunden: Je aggressiver
                                                                                        Steuern vermieden oder Bilanzspielräume ausgenutzt
                        – Wie hat sich aggressive Berichterstattung in                  werden, desto höher ist die Gefahr von Sanktionen.
                          Deutschland seit 2006 entwickelt?                             Die Verantwortlichen können beispielsweise mit Frei-
                        – Welchen Einfluss hat die Mitbestim-                           heits- oder Geldstrafen belegt und das Unternehmen
                          mung auf den Einsatz von aggressiven                          zu Strafzahlungen verurteilt werden. Ferner besteht
                          Berichterstattungspraktiken?                                  die Gefahr, dass die Finanzberichte angepasst werden
                        – Sind Unternehmen, die aggressive Berichterstat-               müssen (vgl. Reiß / Schaaf 2013). Hierdurch wird das
                          tungspraktiken einsetzen, langfristig erfolgreicher?          Vertrauen in die Korrektheit der Veröffentlichungen
                                                                                        nachhaltig geschädigt, da zweifelhaft bleibt, inwie-
                        Um diese Fragen zu beantworten, wird in Kapitel 2 zu-           fern die übrigen Informationen korrekt sind (vgl. Ober-
                        nächst beschrieben, welche Vor- und Nachteile ag-               dörster 2009; Rolke / Wolff 2000). Dementsprechend
                        gressive Berichterstattung mit sich bringt und welche           können oft starke Aktienkurseinbrüche als Reaktion
                        Gruppe wie stark davon profitiert. Kapitel 3 stellt die         auf die Berichtigung beobachtet werden (vgl. Tseg-
                        Untersuchungsmethode und die Stichprobe vor. Die                ba / Upaa 2015).
                        Untersuchungsergebnisse stehen im Mittelpunkt von                   Im Fokus der Forschung stand bisher häufig die Fra-
                        Kapitel 4. Abschließend beleuchtet Kapitel 5 in einem Fa-       ge: Inwiefern wird die Aggressivität der Berichterstat-
                        zit den Zusammenhang zwischen Mitbestimmung und                 tung von den Anteilseignern beeinflusst? Grundsätz-
                        aggressiver Berichterstattung.                                  lich profitieren Anteilseigner von aggressiver Bericht-
                                                                                        erstattung, indem der höhere Gewinn eine höhere ma-
                                                                                        ximale Dividende ermöglicht und gleichzeitig zu Kurs-
                                                                                        gewinnen führt. Die Anteilseigner sind jedoch nicht
                                                                                        homogen hinsichtlich ihrer Interessen. Beispielsweise
                        2 WER PROFITIERT VON AGGRESSIVER                                bevorzugen Familienunternehmen und Unternehmen
                                                                                        mit staatlicher Beteiligung weniger Steuervermeidung
                          BERICHTERSTATTUNG?
                                                                                        (vgl. Bradshaw / Liao / Ma 2018; Cheng et al. 2012),
                        In diesem Report wird unter aggressiver Berichter-              während institutionelle Investoren und Hedge-Fonds
                        stattung insbesondere das Ausnutzen von Bilanzie-               mehr Steuervermeidung bevorzugen (vgl. Cheng et al.
                        rungs- und Steuergestaltungsspielräumen verstanden.             2012; Khan / Srinivasan / Tan 2017). Dies hängt damit
                        Beispielsweise gelten Unternehmen als aggressiv in              zusammen, dass die Risikoneigung abnimmt, je län-
                        ihrer Berichterstattung, wenn sie diese Spielräume              ger der Investitionshorizont ist und je schwieriger die
                        übermäßig ausnutzen und dabei unter Umständen so-               Anteilseigner ihre Anteile am Unternehmen verkaufen
                        gar den legalen Rahmen überschreiten. Entsprechend              können. Je nachdem, welche Gruppe betrachtet wird,
                        sind Unternehmen, die verhältnismäßig viele Steuern             ergeben sich also andere Vorteile und eine andere Ri-
                        zahlen oder Bilanzierungsspielräume nicht ausnut-               sikogewichtung. Daher hält jede Gruppe ein anderes
                        zen, um den Gewinn zu erhöhen, als nicht aggressiv              Maß an Aggressivität bei der Berichterstattung für
                        einzustufen.1                                                   optimal.
                            Grundsätzlich entscheidet das Management, in-                   Ein wenig beachteter Akteur in diesem Zusammen-
                        wiefern Bilanzspielräume ausgenutzt und wie stark               hang sind die Beschäftigten (vgl. Chyz et al. 2013).
                        Steuern vermieden werden. Das Management hat aus                Auch wenn eine aggressive Berichterstattung kurzfris-
                        verschiedenen Gründen einen Anreiz zu beidem: Je                tig zu höheren Gewinnen führt und damit grundsätz-
                        weniger Steuern bezahlt werden, desto mehr finanzi-             lich im Interesse des Unternehmens ist, profitieren sie
                        elle Mittel verbleiben im Unternehmen. Diese vermie-            meist nicht von höheren Gewinnen. Ihre Löhne sind
                        denen Aufwendungen erhöhen den Gewinn und damit                 in der Regel fix und daher unabhängig vom Erfolg des
                        unmittelbar die Performanz des Unternehmens bzw.                Unternehmens. Erst im Rahmen von Tarifverhandlun-
                        des Managements. Durch die Ausnutzung von Bilan-                gen können die Löhne erhöht werden. Nutzen Ma-
                        zierungsspielräumen kann darüber hinaus ein höhe-               nager diesen Umstand und verlagern die Gewinne
                        rer Gewinn dargestellt werden als tatsächlich erwirt-           im Jahr der Tarifverhandlung auf spätere Jahre, um
                        schaftet wurde. Auf diese Weise kann das Manage-                so eine bessere Verhandlungsposition zu besitzen,
                                                                                        entstehen den Beschäftigten sogar Nachteile durch
                        1   Es ist auch denkbar, dass Unternehmen Bilanzierungsspiel-   aggressive Berichterstattung (vgl. ebd.). Ein weiterer
                            räume ausnutzen, um Gewinne zu senken. Niedrige Gewin-      Aspekt ist, dass die Beschäftigten stärker von den Ri-
                            ne sind jedoch, wie die Ausführungen in diesem Kapitel
                            zeigen werden, nicht im Interesse des Managements, der      siken aggressiver Berichterstattung betroffen sind. Im
                            Shareholder oder des Unternehmens selbst. Daher ist nicht   Gegensatz zum Management und den meisten An-
                            davon auszugehen, dass in Deutschland gelistete Unterneh-
                            men langfristig hiervon Gebrauch machen. Das Phänomen
                                                                                        teilseignern haben sie ein langfristiges Interesse am
                            wird allerdings in Kapitel 4.2 genauer untersucht.          Unternehmen. Während Anteilseigner problemlos ihre

Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 4
Anteile veräußern und den Erlös in andere Alternati-           Zur Untersuchung der Entwicklung von aggressi-
ven investieren können, sind Arbeitnehmende nicht          ver Berichterstattung in Deutschland und deren Zu-
derart flexibel. Stattdessen müssen sie meistens große     sammenhang zur Mitbestimmung wurden alle Unter-
Hürden beim Verlassen bzw. Wechseln des Arbeitge-          nehmen betrachtet, die im Analysezeitraum im CDAX
bers meistern, angefangen beim Suchen und Finden           gelistet waren. Das Ausgangssample umfasst 9.360
einer passenden bzw. verfügbaren Stelle bis hin zum        Unternehmensjahre von 780 verschiedenen Unter-
zeitlichen Aufwand des Bewerbungsprozesses. Dem-           nehmen. Die für diesen Report genutzten Variablen
entsprechend ist zu vermuten, dass Arbeitnehmende          wurden aus der Thomson-Reuters-Datenbank erho-
weniger Aggressivität bei der Berichterstattung bevor-     ben, wobei fehlende Daten, soweit möglich, händisch
zugen (vgl. ebd.).                                         nacherhoben wurden. Sie wurden auf Grundlage der
    Die bisherige Forschung zur Mitbestimmung und          veröffentlichten Jahresabschlüsse und Internetauf-
Berichterstattung unterstützt diese These. Chyz et         tritte der Unternehmen recherchiert.
al. (2013) fanden heraus: Unternehmen, in denen die            Die Messung und Analyse der Ausnutzung von Bi-
Gewerkschaft einen starken Einfluss hat, neigen we-        lanzierungsspielräumen und der Steuervermeidung
niger zu aggressiver Steuervermeidung. Scholz und          erfordert jeweils andere Daten zur Berechnung sowie
Vitols (2019) weisen in ihrer Studie nach, dass Unter-     andere Kontrollvariablen. Daher unterscheiden sich
nehmen mit mehr Mitbestimmung eher sogenannte              die Untersuchungssamples hinsichtlich der Variablen.
CSR-Berichte über die eigene soziale Verantwortung         Unternehmen aus der Finanzbranche wurden von der
veröffentlichen. Hamm, Jung und Lee (2018) zeigen:         Untersuchung ausgeschlossen, da sie anderen Rege-
In Unternehmen mit starker Gewerkschaftsbindung            lungen bei der Berichterstattung unterworfen sind.
werden Bilanzspielräume nur ausgenutzt, um leich-          Fehlende Variablen führten zu einer Stichprobe von
tere Schwankungen auszugleichen und nicht um den           2.571 Unternehmensjahren aus 405 Unternehmen zur
Gewinn systematisch positiver auszuweisen. Zu ähnli-       Analyse des Zusammenhangs zwischen Mitbestim-
chen Ergebnissen kommt auch Bova (2013): Unterneh-         mung und der Ausnutzung von Bilanzierungsspiel-
men, in denen die Gewerkschaft einen starken Einfluss      räumen. Die Stichprobe zur Analyse von Steuerver-
hat, geben seltener den Druck des Kapitalmarktes           meidung umfasst hingegen 1.629 Unternehmensjahre
nach, bestimmte Performanz Ziele erfüllen zu müssen.       von 317 Unternehmen. Hierbei mussten insbesonde-
Insbesondere Unternehmen mit schwachem Gewerk-             re Unternehmen ausgeschlossen werden, die einen
schaftseinfluss nutzen häufig Bilanzierungsspielräume      steuerlichen Verlust erwirtschaftet haben und keine
aus, um die Erwartungen der Analysten nicht zu ver-        Steuern gezahlt haben oder eine Steuerrückzahlung
fehlen. Auch eine aktuelle Studie von Chyz et al. (2020)   erhalten haben.
zeigt, dass Mitbestimmung im Prüfungsausschuss, zu             Die Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen
weniger aggressiver Berichterstattung führt.               wurde über das Jones-Modell gemessen (vgl. Jones
                                                           1991). Dieses basiert auf der Idee, Bilanzpositionen
                                                           zu summieren, bei denen das Management große Bi-
                                                           lanzierungsspielräume hat. Im nächsten Schritt wird
                                                           untersucht, welche Anteile davon durch verschiedene
3 DATENERHEBUNG UND METHODIK                               Einflussfaktoren wie Umsatzschwankungen erklärt
                                                           werden können. Die Ausnutzung von Bilanzierungs-
Die folgenden Ergebnisse beruhen auf einer Untersu-        spielräumen wird durch den Teil gemessen, der nicht
chung börsennotierter Unternehmen aus dem CDAX             durch diese Einflussfaktoren erklärt werden kann. In
(Composite DAX), die verschiedene Indikatoren für          diesem Zusammenhang haben sich insbesondere das
aggressive Berichterstattung einbezieht. Um den Ein-       Modified Jones Model (vgl. Dechow / Sloan / Sweeney
fluss der Mitbestimmung auf aggressive Berichter-          1995) und das Performance adjusted Jones Model
stattung bestmöglich zu analysieren, diente als Basis      (vgl. Kothari / Leone / Wasley 2005) bewährt, weshalb
des Untersuchungsdesigns eine Zeitreihe im Zeitraum        auf beide zurückgegriffen wird.
zwischen 2006 und 2017 – so wurde auch der Fokus               Steuervermeidung kann durch sehr viele unter-
auf die Entwicklung nach der Finanzmarktkrise 2008         schiedliche Faktoren bestimmt werden. Für die vor-
gerichtet. Als Grundlage für die Bildung des Unter-        liegende Analyse wird auf Unterschiede zwischen
suchungssamples wurde der CDAX gewählt, in dem             Handels- und Steuerbilanzen, Steuerraten sowie
sämtliche an der Frankfurter Börse im Prime und Ge-        Steuerzahlungen zurückgegriffen. Die Unterschiede
neral Standard notierten Unternehmen gelistet sind.        zwischen Handels- und Steuerbilanz werden ermit-
Aufgrund der segment- und größenübergreifenden             telt, indem zunächst die „normale“ Höhe der Steuern
Zusammensetzung repräsentiert der CDAX die Vielfalt        aus dem Gewinn und dem gesetzlich verankerten
des deutschen Aktienmarktes und kann als Indikator         Steuersatz gebildet wird. Anschließend wird dieser
der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland her-       Betrag mit tatsächlichen Steuerzahlungen verglichen
angezogen werden.2                                         – Unternehmen, die aggressiv Steuervermeidung
                                                           betreiben, zahlen hierbei deutlich weniger Steuern
2   Vgl. Deutsche Börse Cash Market Online, https://www.   als man „normalerweise“ bezahlen müsste, weil sie
    deutsche-boerse-cash-market.com/dbcm-de/ueber-uns/
    wissen/boersenlexikon/boersenlexikon-xml-singleview/
                                                           beispielsweise Steuervergünstigungen nutzen oder
    CDAX-243044 [4.5.2020].                                Steuern in Länder mit geringem Steuersatz verlagern.

                                                                                                 Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 5
Abb. 1                                                                                                            Abb. 2
                   Unterdurchschnittliche
                                  Überdurchschnittliche
                                             Mitbestimmung  Mitbestimmung                                                          Unterdurchschnittliche
                                                                                                                                                     Überdurchschn
                                                                                                                                                             Mitbe
          2006           28,71%          30,57%                                                                              2006          30,29%         32,77%
          2007           33,68%          34,00%                                                                              2007          33,40%         35,73%
          2008           31,71%          34,78%                                                                              2008          31,11%         33,83%
                        Die Steuerrate wiederum gibt an, wie viel Prozent des                    Um die Unterschiede in der institutionellen Veran-
          2009           32,82%          36,59%                                                                              2009          30,82%         32,73%
                        Gewinns an Steuern aufgewendet werden. Sehr ähn-                      kerung der Einflussmöglichkeiten der Belegschaft zu
          2010           29,09%          30,25%
                        lich hierzu zeigen  Steuerzahlungen, wieviel Prozent                                                 2010
                                                                                              messen, wird der Mitbestimmungsindex (­      30,40%
                                                                                                                                             MB-ix) ge-
                                                                                                                                                          33,87%
          2011           31,62%
                        des  Gewinns an 34,87%
                                         Steuern tatsächlich gezahlt werden.                  messen. Der Index besteht 2011               27,71%
                                                                                                                             aus sechs Komponenten        35,30%
          2012           32,74%
                        Die              31,33%
                             Unterscheidung    zwischen Steueraufwand und                                                    2012          31,10%
                                                                                              und ist zwischen Null (keine Mitbestimmung) und 100         30,53%
          2013           36,36%
                        Steuerzahlungen  30,45%
                                          ist notwendig, da manche Steuer-                                                   2013
                                                                                              (vollständiges Erfüllen aller Indikatoren)   36,11%Ein-
                                                                                                                                         normiert.        31,23%
          2014          vermeidungsstrategien
                         35,69%          33,37%daraus bestehen, die Zahlung                   bezogen werden dabei: die 2014 Zusammensetzung,
                                                                                                                                           36,18% inter-  33,96%
                        der Steuern in spätere Jahre zu verschieben. Hierbei                  ne Struktur und formelle Einflussmöglichkeit des Auf-
          2015           32,67%          32,31%                                                                              2015          32,69%         34,04%
                        wird zwar bilanziell ein Steueraufwand verbucht, der                  sichtsrats, die Existenz und Besetzung der Ausschüs-
          2016           29,93%          30,18%
                        Einfluss auf die Steuerrate hat, allerdings findet kei-
                                                                                                                             2016          32,91%
                                                                                              se, die Existenz einer grenzüberschreitenden Arbeit-
                                                                                                                                                          31,74%
          2017           29,70%
                        ne               29,71%
                            Auszahlung statt, was in den Steuerzahlungen er-                  nehmervertretung bzw. die 2017               31,22%und
                                                                                                                             Internationalisierung        29,68%
                            sichtlich ist. Eine genauere Definition der verwende-             die Eigenständigkeit des Personalressorts im Vorstand.
                            ten Variablen findet sich in Anhang 1.                            Ausführlichere Informationen zum M    ­ B-ix finden sich in
                                                                                               Anhang 2 sowie im Mitbestimmungsreport zum Kon-
                                                                                               zept (vgl. Scholz / Vitols 2016), zur ­MB-ix-Entwicklung
                                                                                               im letzten Jahrzehnt (vgl. Scholz / Vitols 2018), zum
                                                                                               ­ B-ix und guter Arbeit (vgl. Scholz 2017) sowie zum
                             Steuerrate (einjährig)                             Abbildung 1    M
                                                                                                                                       Steuerrate (dreijährig
                                                                                              ­MB-ix und der Wettbewerbsstrategie (vgl. Campagna
                            Abb. 2 für über- und unterdurchschnittlich
  Einjährige Steuerraten im Zeitverlauf                                                       et al. 2020).                  Abb. 3
                       Unterdurchschnittliche
  mitbestimmte Unternehmen              Überdurchschnittliche
                                                   Mitbestimmung     Mitbestimmung                                     Unterdurchschnittliche
                                                                                                                                         Überdurchschnittliche
                                                                                                                                                    Mitbestimmung
                                                                                                                                                                M
                  2006        30,29%           32,77%                                                           2006           28,42%           30,13%
  38%             2007        33,40%           35,73%                                                           2007
                                                                                                                38%            31,33%           28,65%
  36%             2008        31,11%           33,83%                                         4 AGGRESSIVE      2008
                                                                                                                36%            26,09%
                                                                                                                    BERICHTERSTATTUNG           38,31%
  34%             2009        30,82%           32,73%                                                           2009
                                                                                                                34%            33,37%           43,18%
                  2010        30,40%           33,87%
                                                                                                 UND MITBESTIMMUNG
                                                                                                                2010           25,85%           32,40%
  32%                                                                                                           32%
                  2011        27,71%           35,30%                                         In diesem Kapitel2011            26,97%
                                                                                                                 wird der Zusammenhang          34,19%
                                                                                                                                             zwischen
  30%                                                                                                           30%
                  2012        31,10%           30,53%                                         aggressiver Berichterstattung
                                                                                                                2012          und Mitbestimmung
                                                                                                                               33,15%               be-
                                                                                                                                                33,07%
  28%                                                                                         leuchtet. Im ersten
                                                                                                                28%Schritt wird dabei die Entwicklung
                  2013        36,11%           31,23%                                                           2013           33,98%           34,15%
                                                                                              von aggressiver Berichterstattung zwischen über- und
  26%             2014        36,18%           33,96%                                                           2014
                                                                                                                26%            29,39%
                                                                                              unterdurchschnittlich mitbestimmten Unternehmen
                                                                                                                                                33,54%
  24%             2015        32,69%           34,04%                                                           2015
                                                                                                                24%            27,02%
                                                                                              behandelt. Anschließend wird im Rahmen einer      34,02%
                                                                                                                                                   Re-
          2006    2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015                 2016   2017                            2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
                  2016        32,91%           31,74%                                                           2016           26,38%
                                                                                              gressionsanalyse der Einfluss von Mitbestimmung   31,37%
                                                                                                                                                    auf
                  2017        31,22%           29,68%
                            UnterdurchschniGliche MitbesHmmung                                                  2017
                                                                                              aggressive Berichterstattung     28,93% UnterdurchschniGliche
                                                                                                                              analysiert. Zuletzt29,15%
                                                                                                                                                  wird       Mitbe
      Unterdurchschnittliche Mitbestimmung                                                    die kurz-, mittel- und langfristige Performanz unter-
                               ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
      Überdurchschnittliche Mitbestimmung                                                                                               ÜberdurchschniGliche Mitbes
                                                                                              sucht von Unternehmen, die aggressive Berichterstat-
  Quelle: eigene Erhebung und Darstellung                                                     tung betreiben.

                                                                                Abbildung 2   4.1   Entwicklung aggressiver Berichterstattung in
                              Steuerrate (dreijährig)                                               Deutschland              Steuerzahlungen (einjährig)
  Dreijährige Steuerraten im Zeitverlauf für über- und unterdurchschnittlich
  mitbestimmte UnternehmenQuelle: eigene Erhebung und Darstellung                             Zur Untersuchung der Entwicklung aggressiver Be-
                                                                                              richterstattung in Deutschland haben wir die verschie-
                                                                                              denen Variablen im Zeitverlauf untersucht. Die Unter-
  38%
                                                                                              nehmen wurden anhand des M      ­ B-ix in zwei Gruppen
  36%            Differenzen zwischen Handels- und                                                                                   Differenzen zwischen H
                                                                                                       45% Unternehmen mit überdurchschnittlicher
                                                                                              unterteilt:
  34%                 Steuerbilanz (einjährig)                                                Mitbestimmung und Unternehmen mit unterdurch-
                                                                                                       40% Mitbestimmung.
                                                                                              schnittlicher
                                                                                                                                         Steuerbilanz (drei
  32%
                                                                                                 Die Entwicklung der Steuerraten zeigt keinen allge-
 10%                                                                                                                 10%
  30%                                                                                         meinen 35%Trend bei der Steuervermeidung in Deutsch-
   28%
                                                                                              land. Die durchschnittlichen Steuerraten schwanken
  0%                                                                                          ungefähr 30%im Bereich 0%
                                                                                                                      zwischen 30 % und 36 % (vgl.
   26% 2006 2007 2008           2009 2010 2011 2012 2013     2014 2015     2016 2017          Abbildung 1). Entsprechend 2006    2007 die
                                                                                                                            wenden      2008CDAX
                                                                                                                                              2009-Unter-
                                                                                                                                                    2010 2011 2012 20
   24%                                                                                        nehmen25%  durchschnittlich zwischen 30 % und 36 %
-10%      2006 2007 2008          2009 2010 2011 2012 2013     2014 2015       2016 2017                            -10% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
                                                                                                             2006 2007
                                                                                              Steuern auf ihren erwirtschafteten Gewinn auf. Über-
                                   UnterdurchschniGliche MitbesHmmung                         durchschnittlich stark mitbestimmte         UnternehmenMitbesHmmung
                                                                                                                                UnterdurchschniGliche
-20% Unterdurchschnittliche Mitbestimmung                                                     liegen hierbei im Durchschnitt
                                                                                                                    -20%       meist über den unter-
                                  ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
      Überdurchschnittliche Mitbestimmung                                                     durchschnittlich mitbestimmtenÜberdurchschniGliche
                                                                                                                                  Unternehmen. DasMitbesHmmung
                                                                                              bedeutet, dass sie weniger stark Steuervermeidung
-30%
   Quelle: eigene Erhebung und Darstellung                                                                          -30%
                                                                                              betreiben. Auffällig ist jedoch ein kurzer Zeitraum

  Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 6
                               UnterdurchschniGliche MitbesHmmung                                                                              UnterdurchschniGliche M
2006         28,71%             30,57%
                                                                                        2007         33,68%             34,00%
                                                                                        2008         31,71%             34,78%
         Steuerrate (dreijährig)                                                        2009         Steuerzahlungen
                                                                                                     32,82%             36,59%(einjährig)
   Abb. 3                                                                                    Abb. 4
                                                                                        2010         29,09%             30,25%
nterdurchschnittliche
               Überdurchschnittliche
              zwischen     Mitbestimmung
                           2012   und 2015,Mitbestimmung
                                              in dem die Steuerrate un-                  Unterdurchschnittliche
                                                                                                         Überdurchschnittliche
                                                                                                                     Mitbestimmung     Mitbestimmung Abbildung 3
                                                                                        2011         31,62%             34,87%
     28,42%            30,13%
              terdurchschnittlich    mitbestimmter    Unternehmen stark          2006           29,48%           30,56%
                                                                              Einjährige2012         32,74%          für31,33%
     31,33%   angestiegen
                       28,65%ist, so dass sie  über dem Niveau der stark         2007 Steuerzahlungen
                                                                                                29,85%im Zeitverlauf
                                                                                                                 30,52% über- und unterdurchschnittlich
              mitbestimmten Unternehmen liegt. Da die Steuerraten                       2013Unternehmen
                                                                              mitbestimmte           36,36%             30,45%
     26,09%            38,31%                                                    2008           25,71%           33,76%
              jedoch starken Schwankungen unterworfen sind, soll-                       2014         35,69%             33,37%
     33,37% ten diese  43,18%
                           Ausreißer nicht überbewertet werden. Ins-
                                                                              45%2009           28,52%           37,02%
                                                                                        2015         32,67%             32,31%
     25,85% gesamt32,40%ist die durchschnittliche Steuerrate von über-           2010           26,99%           36,48%
                                                                              40%       2016         29,93%             30,18%
     26,97% durchschnittlich
                       34,19% stark mitbestimmten Unternehmen                    2011           24,91%           36,64%
                                                                                        2017         29,70%             29,71%
     33,15% 0.19 %-Punkte
                       33,07%höher. Sie liegt für stark mitbestimmte          35%2012           29,05%           30,56%
     33,98% Unternehmen34,15%bei 32.31 % und bei schwach mitbe-                  2013           31,71%           32,33%
     29,39%   stimmten    Unternehmen bei 32.12 %.
                       33,54%                                                 30%2014           33,30%           32,91%
                  Da die Schwankungen der einjährigen Steuerraten
     27,02%            34,02%                                                    2015           28,66%           34,93%
              jedoch sehr hoch sind, wurden zusätzlich die dreijäh-           25%
     26,38%            31,37% analysiert (vgl. Abbildung 2). Hierbei             2016 2006 2007 28,03%
                                                                                                 2008 2009 2010 32,30%
                                                                                                                   2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
2007 2008 2009rigen
                 2010 Steuerraten
                        2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
     28,93% zeigt sich,29,15%                                                    2017           26,91%           28,89%
                           ein ähnliches Bild: Unternehmen mit schwa-
             UnterdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                                                           Steuerrate (einjährig)
                                                                                                              UnterdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                                 Unterdurchschnittliche Mitbestimmung
              cher Mitbestimmung     zahlen meist geringere Steuern,
                                                                                 Überdurchschnittliche Mitbestimmung
              abgesehen von einem
             ÜberdurchschniGliche     kurzen Zeitraum ab 2012. Die
                                  MitbesHmmung                                                                 ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                              Quelle: eigene Erhebung und Darstellung
              durchschnittlichen dreijährigen Steuerraten liegen für
              Unternehmen mit starker Mitbestimmung bei 32.94 %
              und für Unternehmen mit schwacher Mitbestimmung                   38%
              bei 32.10 %
   Steuerzahlungen (einjährig)
                  Um ein differenzierteres Bild zu bekommen, wur-
                                                                                36%                       Steuerzahlungen (dreijährig)                          Abbildung 4

              den zusätzlich die Steuerzahlungen analysiert. Hierbei            34%
                                                                              Dreijährige Steuerzahlungen im Zeitverlauf für über- und unterdurchschnittlich
              wird der Prozentsatz des Gewinns ermittelt, der an              mitbestimmte
                                                                                32%          Unternehmen
              Steuern tatsächlich ausgezahlt und nicht nur als Auf-
                                                                                30%
              wand verbucht wird. Unternehmen können beispiels-               38%
              weise Steuergestaltung betreiben, indem sie Steuer-               28%
                                                                              36%
              zahlungen auf spätere Jahre verschieben. Die Analy-               26%
      Differenzen zwischen Handels- und
              se der einjährigen Steuerzahlungen (vgl. Abbildung 3)           34%                                                    DACC_MJones
                                                                                24%
           Steuerbilanz (dreijährig)
              zeigt wesentlich deutlicher, dass überdurchschnittlich          32%       2006    2007 2008       2009    2010   2011 2012   2013     2014 2015    2016   2017
              mitbestimmte Unternehmen höhere Steuern zahlen
                                                                              30%                             UnterdurchschniGliche MitbesHmmung
              (33.37 %) als Unternehmen mit schwächerer Mitbe-
                                                                                               10%
              stimmung (29.14 %). Somit zahlen Unternehmen mit                28%
                                                                                                              ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
              starker Mitbestimmung 4.23 %-Punkte mehr Steuern                26%              5%
              auf ihren Gewinn und versuchen ihre Steuerlast daher
06 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017                     24%
              weniger stark in die Folgejahre zu verschieben. Ähn-
008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017                                      2006 2007
                                                                                             0% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017
              liche Ergebnisse finden wir auch bei den dreijährigen                              2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2
              Steuerzahlungen
      UnterdurchschniGliche     (vgl. Abbildung 4). Auffällig ist ein kurz-
                             MitbesHmmung                                                                      UnterdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                                 Unterdurchschnittliche
                                                                                             -5%        Mitbestimmung
              zeitiger Anstieg der Steuerzahlungen nach Beginn der               Überdurchschnittliche Mitbestimmung
      ÜberdurchschniGliche  MitbesHmmung                                                                       ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
              Finanzkrise 2008   auf über 40 % im Jahr 2009.
                                                                                             -10%
                  Es lässt sich festhalten: Unternehmen haben im              Quelle: eigene Erhebung und Darstellung
              Zuge der Finanzkrise weniger Steuervermeidung be-                              -15%
              trieben. Einerseits ist die Steuerrate und damit der                                                                                              Abbildung 5
              Anteil des bilanziellen Steueraufwands auf einem ähn-
              lichen  Niveau geblieben.
                 UnterdurchschniGliche     Andererseits ist der Anteil
                                       MitbesHmmung                                            Differenzen zwischen Handels- und
                                                                              Einjährige Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz im Zeitverlauf
                                                                                                                   UnterdurchschniGliche               für über-
                                                                                                                                             MitbesHmmung
              der Steuerzahlungen deutlich angestiegen. Nach Be-
                 ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                                                    Steuerbilanz  (einjährig)
                                                                              und unterdurchschnittlich mitbestimmte Unternehmen
                                                                                                           ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
              ginn  der Finanzkrise wurden   daher wesentlich weniger
              Steuerzahlungen auf spätere Jahre aufgeschoben. In                 +
                                                                               10%
              der Folge waren beide Kennzahlen relativ konstant,
              wobei seit 2015 eine wieder größer werdende Steu-
                                                                                0%
                           DACC_MJones
              ervermeidung zu beobachten ist. Bis 2017 sanken die               0%
                                                                                       2006 2007 2008         2009 2010 2011 2012 2013             DACC_PJones
                                                                                                                                                  2014 2015
                                                                                                                                                        2016 2017
              Steuerraten wieder auf ungefähr 30 %, was auch un-
              gefähr dem Anteil der Steuerzahlungen entspricht.
                                                                              -10%
                  Weitere Einblicke in die Entwicklung der Steuer-
              vermeidung liefern die Differenzen zwischen Handels-                             10%
              und Steuerbilanz, sowohl einjährig (vgl. Abbildung 5) als       -20%
              auch dreijährig (vgl. Abbildung 6). Ein Wert von 0 be-                             5%
              deutet hierbei, dass keinerlei Differenzen vorliegen,              Unterdurchschnittliche Mitbestimmung
                                                                              -30%
              während Werte über 0 darauf hindeuten, dass das                                  0% Mitbestimmung
                                                                                 Überdurchschnittliche
2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017                                            2006 2007 2008          2009 2010 2011 2012 2013         2014 2015      2016
              Unternehmen Steuergestaltungsspielräume ausnutzt,
              um Steuern zu sparen. Werte unter 0 deuten hingegen                                -5% und Darstellung
                                                                              Quelle: eigene Erhebung
                                                                                                             UnterdurchschniGliche MitbesHmmung

                                                                                               -10%          ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                                                                            Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 7
06           29,48%              30,56%
07           29,85%              30,52%
08           25,71%              33,76%                                                                38%
09           28,52%              37,02%
                                                                                                       36%
10           26,99%              36,48%
                                                                                                        34% hin, dass keinerlei Steuervermeidung betrieben
11           24,91%              36,64%                                             Abbildung 6      darauf
12           29,05%              30,56%                                                              wird.
                                                                                                        32% Die Entwicklung zeigt, dass die Unternehmen in

13           31,71%        Differenzen
         Dreijährige Differenzen
                                 32,33% zwischen Handels- und
                                 zwischen Handels- und Steuerbilanz im Zeitverlauf für
                                                                                                                                                       DACC_MJones
                                                                                                     Deutschland im Durchschnitt nicht übermäßig aggres-
                                                                                                        30%
         über- und unterdurchschnittlich mitbestimmte Unternehmen                                    siv Steuervermeidung betreiben, da selten der Grenz-
14           33,30%                 Steuerbilanz (dreijährig)
                                 32,91%                                                                 28% von 0 überschritten wird. Deutlich wird aber,
                                                                                                     wert
15           28,66%              34,93%                                                              dass
                                                                                                        26% auch bei dieser Messung überdurchschnittlich
16         + 28,03%
          10%                    32,30%                                                                                  10% Unternehmen weniger aggressiv
                                                                                                     stark mitbestimmte
                                                                                                        24%
172006   200726,91%
               2008 2009 201028,89%2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017                                wirken, als
                                                                                                               2006Unternehmen
                                                                                                                     2007 2008 2009 mit schwächerer  Mitbestim-
                                                                                                                                         2010 2011 2012   2013 2014 2015 2016
          0%
           0%                                                                                                             5%
                                                                                                     mung. Über die meisten        Jahre ist auch hier ein klarer
                  2006 UnterdurchschniGliche
                       2007 2008 2009 2010 MitbesHmmung
                                             2011 2012 2013               2014 2015   2016 2017      Unterschied zwischen beiden     UnterdurchschniGliche
                                                                                                                                        Gruppen erkennbar. MitbesHmmung
                                                                                                                          0%
                                                                                                         Die Analyse der Ausnutzung          von Bilanzierungs-
         -10%             ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung                                                                     2006 ÜberdurchschniGliche
                                                                                                                                      2007 2008 2009 2010MitbesHmmung
                                                                                                                                                             2011 2012 2013 20
                                                                                                     spielräumen über die Zeit gestaltet sich schwieriger,
                                                                                                     da die Kennzahlen   -5% hierfür jährlich als Abstand zum
         -20%                                                                                        Branchendurchschnitt berechnet werden. Dement-
                    Steuerzahlungen (dreijährig)                                                     sprechend können   -10% keine Aussagen zur Entwicklung
                     Unterdurchschnittliche Mitbestimmung                                            des Ausmaßes der Ausnutzung von Bilanzierungs-
         -30%        Überdurchschnittliche Mitbestimmung                                                                -15%
                                                                                                     spielräumen getroffen       werden. Allerdings lässt sich
                                                                                                     unterscheiden, ob es zwischen überdurchschnittlich
         Quelle: eigene Erhebung und Darstellung                                                     und unterdurchschnittlich stark mitbestimmten Unter-
                                          UnterdurchschniGliche MitbesHmmung                         nehmen einen Unterschied gibt, der sich   UnterdurchschniGliche
                                                                                                                                                   auch über die     MitbesHm

                                          ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung                          Jahre hinweg zeigt. Werte über 0 weisen         darauf hin,
                                                                                                                                               ÜberdurchschniGliche  MitbesHmm
                                                                                       Abbildung 7   dass das Unternehmen Bilanzierungsspielräume aus-
                                                   DACC_MJones                                       nutzt, um den Gewinn höher auszuweisen, während           DACC_PJ
         Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen nach dem modifizierten Jones-Modell                 Werte unter 0 darauf hinweisen, dass das Unterneh-
         (ModJones) für über- und unterdurchschnittlich mitbestimmte Unternehmen                     men Bilanzierungsspielräume nutzt, um den Gewinn
                                                                                                     zu verringern. Der Wert 0 bedeutet, dass das Unter-
         10%                                                                                                           10%
                                                                                                     nehmen durchschnittlich        stark Bilanzierungsspielräu-
                                                                                                     me ausnutzt und dementsprechend weder Gewinne
        +
       5%                                                                                                               5%
                                                                                                     höher, noch niedriger     ausweist.
2006 2007 2008        2009 2010 2011 2012 2013              2014 2015   2016 2017                        Wird die Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen
          0%                                                                                                            0%
                                                                                                     mithilfe des modifizierten      Jones-Modells (ModJones)
                      UnterdurchschniGliche
                 2006 2007 2008 2009 2010 MitbesHmmung
                                            2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017                                                2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 201
                                                                                                     berechnet (vgl. Abbildung 7), finden sich die überdurch-
          -5%            ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung                                                             -5%
                                                                                                     schnittlich mitbestimmten        Unternehmen meist un-
                                                                                                     terhalb des Grenzwertes von 0 wieder. Unternehmen
         -10%                                                                                                         -10%
                                                                                                     mit unterdurchschnittlicher      Mitbestimmung hingegen
                                                                                                     sind meist über den Grenzwert und meist über dem
         -15%                                                                                                         -15%mitbestimmten Unternehmen, was
                                                                                                     Niveau der stark
                   Unterdurchschnittliche Mitbestimmung                                              darauf schließen lässt, dass diese Unternehmen häu-
                   Überdurchschnittliche Mitbestimmung
                                                                                                     figer Bilanzierungsspielräume ausnutzen, um die wirt-
                                     UnterdurchschniGliche MitbesHmmung
                                                                                                     schaftliche Lage besser darzustellen, als sie tatsäch-
         Quelle: eigene Erhebung und Darstellung
                                     ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung                               lich ist. Ähnliche Ergebnisse  UnterdurchschniGliche
                                                                                                                                       ergeben sich auch, MitbesHmmung
                                                                                                                                                            wenn
                                                                                                     man die Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen
                                                                                       Abbildung 8   anhand des Performanz-adjustierten Jones-Modells
                                                                                                     (PerfJones) misst (vgl. Abbildung 8).
                                                              DACC_PJones
         Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen nach dem Performanz-adjustierten Jones-
         Modell (PerfJones) für über- und unterdurchschnittlich mitbestimmte Unternehmen
                                                                                                     4.2     Einfluss der Mitbestimmung auf aggressive
          10%                                                                                                Berichterstattung

           +
           5%                                                                                        Die Ergebnisse in Kapitel 4.1 weisen darauf hin, dass
                                                                                                     Unternehmen, die überdurchschnittlich stark mit-
          0%
          0%                                                                                         bestimmt sind, höhere Steuern zahlen und seltener
                  2006 2007 2008        2009 2010 2011 2012 2013         2014 2015    2016 2017      durch Bilanzierungsspielräume ihre wirtschaftliche
          -5%                                                                                        Lage aufbessern. Somit weisen Unternehmen mit star-
                                                                                                     ker Mitbestimmung eine weniger aggressive Bericht-
         -10%                                                                                        erstattung auf. Da dies auch durch andere Effekte wie
                                                                                                     z. B. die Unternehmensgröße begründet werden kann,
         -15%       Unterdurchschnittliche Mitbestimmung                                             wurde der Einfluss der Mitbestimmung im Rahmen ei-
                    Überdurchschnittliche Mitbestimmung                                              ner Regressionsanalyse analysiert. Beispielsweise sind
                                                                                                     stark mitbestimmte Unternehmen grundsätzlich grö-
         Quelle: eigene Erhebung und Darstellung
                                                                                                     ßer, da Gesetze zur Mitbestimmung u. a. an die Anzahl
                         UnterdurchschniGliche MitbesHmmung                         ÜberdurchschniGliche MitbesHmmung
         Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 8
Tabelle 1

Regression zum Zusammenhang zwischen Mitbestimmung und der Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen

 Variablen                                ModJones        PerfJones              AbsModJones           AbsPerfJones
 MB-ix                                    -0.158***        -0.145***              -0.146***             -0.093***
                                          (-6.67)          (-6.49)                (-7.28)              (-4.75)
 Bilanzsumme                               0.028***         0.024***               0.025***             0.012***
                                          (5.90)           (5.64)                 (5.97)                (3.30)
 Institutionelle Investoren                0.112            0.009                  0.142*               0.113
                                           (1.21)          (0.11)                  (1.88)               (1.64)
 F&E-Aufwand                               0.328**          0.287**                0.034                0.054
                                          (2.54)           (2.22)                 (0.32)                (0.51)
 Internationalisierung                    -0.107***        -0.097***              -0.074***             -0.067**
                                          (-3.62)          (-3.38)                (-2.72)              (-2.56)
 Vorräte                                   0.278***         0.208***               0.124*               0.120*
                                          (3.59)           (2.84)                  (1.70)               (1.75)
 Verschuldungsgrad                         0.214***         0.205***               0.135***             0.116***
                                          (5.75)           (5.80)                 (4.14)                (3.80)
 Leverage                                 -0.221***        -0.259***              -0.266***             -0.117**
                                          (-3.21)          (-3.89)               (-4.29)               (-1.97)
 ROA                                       0.001**                                -0.001**
                                          (2.00)                                  (-2.17)
 ROA (Vorjahr)                                              0.002***                                    -0.000
                                                           (3.46)                                      (-0.86)
 Konstante                                -0.446***        -0.285***              -0.251***             -0.155***
                                          (-6.79)          (-5.04)               (-4.50)               (-3.02)

 branchenfest Effekte                         ja                 ja                   ja                   ja

 jahresfeste Effekte                        nein                nein                 nein                 nein

 Beobachtungen                             2,571            2,571                  2,571                2,571

 Adj. R²                                   0.0758           0.067                  0.0522               0.0268

Robuster t-Wert in Klammern
*** p < 0.01
** p < 0.05
* p < 0.1

Quelle: eigene Erhebung und Darstellung

der Beschäftigten geknüpft sind. Die Regressionsana-           Grundsätzlich ist es denkbar, dass stark mitbe-
lyse ermöglicht es, derartige Effekte zu bereinigen.        stimmte Unternehmen zwar Bilanzierungsspielräu-
   Die Analyse zwischen Mitbestimmung und der               me nicht nutzen, um höhere Gewinne auszuweisen,
Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen zeigt, dass         sondern um die Gewinne zu reduzieren und dadurch
Mitbestimmung einen positiven Effekt auf die Qualität       Steuern zu sparen. Daher wurde der Absolutwert3 des
der Finanzberichterstattung hat: Je höher der ­MB-ix,       modifizierten Jones-Modells (AbsModJones) und des
desto weniger wird die wirtschaftliche Lage durch die       Performanz-adjustierten Jones Modells (AbsPerf-
Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen besser (im
Sinne von aggressiv) dargestellt (vgl. Tabelle 1). Dass     3    Der Absolutwert (oder auch Betrag) ist der Abstand einer
der Effekt auf dem ­  1-Prozent-Niveau signifikant ist,          Zahl zu 0. Beispielsweise ist der Absolutwert von „-5“
spricht für die Generalisierbarkeit dieses Ergebnisses.          gleich „5“. Auf diese Weise werden Bilanzierungsspielräu-
                                                                 me, die den Gewinn reduzieren und deswegen ein negati-
Außerdem findet sich der negative Einfluss sowohl bei            ves Vorzeichen haben (ModJones < 0, PerfJones < 0), ge-
Verwendung des modifizierten Jones-Modells (Mod-                 winnerhöhenden Bilanzierungsspielräumen (ModJones > 0,
                                                                 PerfJones > 0) gleichgesetzt. Dies erlaubt uns zu untersu-
Jones) als auch bei der Verwendung des Performanz-               chen, ob Mitbestimmung algemein die Beeinflussung des
adjustierten Jones-Modells (PerfJones).                          Gewinns durch Bilanzierungsspielräume reduziert.

                                                                                                          Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 9
Tabelle 2

Regression zum Zusammenhang zwischen Mitbestimmung und der Steuervermeidung

                                                     Steuerrate                   Steuerzahlungen             Differenzen zwischen Han-
 Variablen                                                                                                      dels- und Steuerbilanz
                                          einjährig          dreijährig    einjährig         dreijährig        einjährig        dreijährig

 MB-ix                                       0.023             0.033**      0.042**            0.044***          -0.081***        -0.089***
                                            (1.60)            (2.25)       (2.15)             (2.72)            (-2.96)          (-3.27)
 Bilanzsumme                               -0.006**           -0.007**     -0.008**           -0.006**           0.002             0.003
                                          (-2.17)             (-2.49)      (-2.24)           (-2.13)             (0.40)           (0.60)
 Institutionelle Investoren                -0.007                 0.013    -0.071              0.029             0.228             0.303*
                                          (-0.09)             (0.22)       (-1.10)            (0.53)             (1.46)            (1.90)
 ROA                                       -0.011***          -0.008***    -0.010***          -0.007***          0.008***          0.006***
                                          (-12.26)            (-9.52)      (-9.27)            (-7.23)            (5.55)           (4.64)
 Sachanlagevermögen                        -0.080***          -0.064*      -0.093***          -0.080**           0.108*            0.074
                                          (-2.99)             (-1.81)      (-2.66)           (-2.41)             (1.92)            (1.34)
 F&E-Aufwand                                0.048                 0.080    -0.106              0.025             -0.068           -0.117
                                           (0.61)             (0.88)       (-0.92)            (0.20)            (-0.42)          (-0.78)
 Internationalisierung                      0.026                 0.033     0.058***           0.062***          -0.070**         -0.099***
                                            (1.19)                (1.61)   (2.66)             (2.81)            (-2.15)          (-3.16)
 Investitionen                              0.199**               0.071     0.176             -0.082             -0.361*          -0.319*
                                           (2.22)             (0.69)        (1.47)           (-0.78)            (-1.77)           (-1.74)
 Liquidität                                 0.085***              0.025     0.048             -0.031             -0.088**         -0.055
                                           (3.37)                 (1.02)    (1.31)            (-1.10)           (-1.96)           (-1.38)
 Konstante                                  0.086**               0.062     0.102*             0.042             0.004             0.034
                                           (2.00)                 (1.42)    (1.87)            (0.84)             (0.04)           (0.41)

 branchenfest Effekte                        ja                    ja        ja                 ja                 ja               ja
 jahresfeste Effekte                         ja                    ja        ja                 ja                 ja               ja
 Beobachtungen                              1,692                 1,692     1,692              1,692              1,692            1,692
 Adj. R²                                    0.1383                0.0701    0.0878             0.0655            0.0444            0.0563

 Robuster t-Wert in Klammern
 *** p < 0.01
 ** p < 0.05
 * p < 0.1

Quelle: eigene Erhebung und Darstellung

                         Jones) ebenfalls untersucht (vgl. Tabelle 1). Die Ergeb-      4.3   Aggressive Berichterstattung und
                         nisse bestätigen die Vermutung jedoch nicht: Je stär-               Performanz
                         ker die Mitbestimmung im Unternehmen verankert
                         ist, desto genauer halten sich die Unternehmen an Bi-         In Kapitel 2 wurde beschrieben, dass die unterschied-
                         lanzierungsvorschriften. Mitbestimmte Unternehmen             lichen Anspruchsgruppen (Management, Anteils-
                         setzen Bilanzierungsspielräume weniger dazu ein, um           eigner, Beschäftigte etc.) im Unternehmen unter-
                         den Gewinn zu erhöhen oder zu vermindern.                     schiedlich viel Aggressivität bei der Berichterstattung
                             Die Analyse zwischen Mitbestimmung und Steu-              bevorzugen. Grundsätzlich weisen die bisherigen
                         ervermeidung zeigt ein ähnliches Bild: Je stärker die         Forschungsergebnisse darauf hin, dass weniger ag-
                         Mitbestimmung, desto höher sind die Steuerraten               gressive Berichterstattung gewünscht ist, je län-
                         und Steuerzahlungen und desto geringer die Dif-               gerfristig das Interesse am Unternehmen ist. Hierzu
                         ferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz (vgl.             passen auch die bisherigen Ergebnisse zum Einfluss
                         Tabelle 2). Der Effekt ist lediglich für die einjährigen      der Mitbestimmung. Diese Ergebnisse beziehen sich
                         Steuerraten nicht signifikant, dafür aber in sämtlichen       jedoch nur auf die Interessen der verschiedenen An-
                         anderen Modellen. Somit zeigt sich auch bei der Ana-          spruchsgruppen und nicht auf die Interessen des Un-
                         lyse der Steuervermeidung, dass eine stärkere Mit-            ternehmen selbst. Es gilt daher herauszufinden, wie
                         bestimmung zu einer weniger aggressiver Steuerver-            sich die Performanz des Unternehmens entwickelt,
                         meidung führt.                                                wenn das Unternehmen Bilanzierungs- oder Steuer-

Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 10
ROA
                                                                                                               5,00%
                                                                                                               4,50%
                                                                                                               4,00%
                                                                                                               3,50%
              gestaltungsspielräume aggressiv ausnutzt. Für diese                          Auch für die Steuervermeidung
                                                                                                               3,00%       wurde eine ähn-
              Analyse wurde der ROA (Return on Assets / Gesamt-                                                2,50% Dabei wurden Unter-
                                                                                        liche Analyse durchgeführt.
                                                                                                               2,00%
              kapitalrentabilität: Gewinn als Prozent der Bilanzsum-                    nehmen, deren dreijährige
                                                                                                               1,50% Steuerrate unter dem
              me) als Kennzahl für die Rentabilität des eingesetzten                                           1,00%
                                                                                        Durchschnitt von ähnlich   großen Unternehmen aus
                                                                                                               0,50%
              Kapitals verwendet. Diese Kennzahl ist als Maß für                        derselben Branche ist, 0,00%
                                                                                                               als steueraggressiv eingeteilt
              die Performanz in der Forschung etabliert undAbb.  wird10                                                  t***als wenig
                                                                                                                                  t+1***
                                                                                                                                       t+2        t+3       t+4
                                                                                        und analog die übrigen Unternehmen             steu-             Abb.  1
              auch in von  Praxis häufig zum Vergleich von Unter- eraggressiv
                       der Bilanzierungsspielräumen                            Starke  Ausnutzung    von
                                                                                                   (vgl. Abbildung
                                                                                     klassifiziertWenig            10). Hierbei   er-
hwache
 g von Bilanzierungsspielräumen
        Ausnutzung                                                             Viel  Steuervermeidung
                                                                              Bilanzierungsspielräumen
                                                                                                          Steuervermeidung
                                                                                                             4,20%        4,42%       3,61%     3,20%       3,27
     2,82% nehmen eingesetzt.                                  t*** gibt sich ein ähnliches
                                                                                        7,98% Muster: Unternehmen,
                                                                                                           5,97%             die viel
                                                                                                                                                         t***
                                                                                Schwache Ausnutzung
                 Die Unternehmen wurden aufgeteilt in solche, die Steuervermeidung           betreiben, haben zunächst einen
     2,82% Bilanzierungsspielräume ausnutzen, um die Gewinne   t+1*** signifikant höheren
                                                                                        6,24%
                                                                                         vonROA (zunächst  5,17%
                                                                                                             2,82%
                                                                                                               7,98 %, im 2,82%
                                                                                                                             folgen- 3,24%      3,86%
                                                                                                                                                         t+1**
                                                                                                                                                            4,36
     3,24% zu erhöhen (ModJones > 0) und Unternehmen, die      t+2*                     5,49%
                                                                              Bilanzierungsspielräumen     4,75%
                                                                   Bi- den Jahr 6,24 % und zwei Jahre später 5,49 %). Sie zei-                           t+2
     3,86% lanzierungsspielräume nicht zur Gewinnmaximierung   t+3                      5,07% eine geringere
                                                                        gen langfristig allerdings         4,90% Performanz.                             t+3
     4,36% ausnutzen (ModJones < 0). Um die Performanz         t+4des                   4,83% Starke  Ausnutzung
                                                                                                           5,20%  von  Bilanzierungsspielräumen          t+4
              Unternehmens im Zeitverlauf zu untersuchen, haben                                                                              Abbildung 9
                                                                                              Schwache Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen
              wir den ROA über fünf Jahre betrachtet. Das Jahr t
              markiert dabei das Jahr, auf dessen Basis ein Unter- Performanz von Unternehmen mit starker oder schwacher Ausnutzung von
              nehmen hinsichtlich seiner Ausnutzung der Bilanzie- Bilanzierungsspielräumen
              rungsspielräume eingeteilt wurde. Die Jahre t+1, t+2,
                                                                                                                                  DACC_MJones
                                                                                                                                  ROA
              t+3 und t+4 markieren die darauffolgenden Jahre. 4
                                                                                           9,00%
              Auf diese Weise können wir die Entwicklung der Per- 5,0%
                                                                                                  4,42%
          ROA formanz zeigen, nachdem ein Unternehmen in einem 4,5%                4,20% 8,00%                                                4,36%
                                                                                           7,00%                                 3,86%
              beliebigen Jahr t (keine) Bilanzierungsspielräume zur 4,0%                                         3,61%
              Gewinnerhöhung ausgenutzt hat.                            3,5%
                                                                                           6,00%
                                                                                        3,0%                  5,00%
                                                                                                                                            3,24%              3,20%             3,27%
                                                                                        2,5%            2,82% 4,00% 2,82%
                         Beispielsweise ist ein Unternehmen, das 2012                   2,0%                  3,00%
                         Bilanzierungsspielräume zur Erhöhung des Ge-                   1,5%                  2,00%
                         winns eingesetzt hat (ModJones > 0), in die                    1,0%                  1,00%
                         Gruppe „Starke Ausnutzung von Bilanzierungs-                   0,5%
                                                                                                              0,00%
    t***           t+1***spielräumen“
                                 t+2        t+3
                                         eingeteilt.   t+4**
                                                     Die Performanz dieses              0,0%                             t***             t+1***        t+2*           t+3          t+4
                         Unternehmens wird für das Jahr, in dem es ein-                                t***             t+1***             t+2               t+3                t+4**
                                                                                              Viel Steuervermeidung          7,98%        6,24%        5,49%         5,07%        4,83%
   4,20%           4,42%       3,61%       3,20%      3,27%
                         geteilt wurde, sowie für die folgenden Jahre be-
                                                                                                    Wenig von Bilanzierungsspielräumen
                                                                                            Starke Ausnutzung             Starke Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen
                         rechnet. In diesem Beispiel wäre die Performanz                    Steuervermeidung                5,97%         5,17%          4,75%         4,90%      5,20%
                                                                                            Schwache  Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen
                                                                                                                          Schwache Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen

   2,82%           2,82%im Jahr    t der ROA
                               3,24%          für 20124,36%
                                           3,86%        und die Performanz
                         in Jahr t+4 der ROA für 2016.                                                Viel Steuervermeidung                      Wenig Steuervermeidung
                                                                                        Quelle: eigene Erhebung und Darstellung

 tzung von Bilanzierungsspielräumen
                      Es zeigt sich, dass Unternehmen, die Bilanzierungs-
 snutzung von Bilanzierungsspielräumen
                      spielräume aggressiv ausnutzen, im Durchschnitt                                                                                                           Abbildung 10
                      zunächst eine bessere Performanz aufweisen, aber
                      langfristig eine geringere Performanz erzielen.                   Performanz von Unternehmen mit starker oder schwacher Steuervermeidung
DACC_MJones               Unternehmen, die durch Ausnutzung von Bilanzie-               (dreijährige Steuerraten)                 DACC_MJones
                      rungsspielräumen den Gewinn erhöhen, weisen im
                      Durchschnitt zunächst einen signifikant höheren ROA
                                                                                         9%          7,98%
                      auf (vgl. Abbildung4,36%
                                           9). Der ROA von Unternehmen, die
                           3,86%                                                         8%
         3,61%        Bilanzierungsspielräume      zur Gewinnerhöhung aus-
                                                                                         7%                             6,24%
                      nutzen, liegt zunächst bei 4,20 % und ist 1,38 % höher                                                              5,49%
                      als der ROA der übrigen Unternehmen. Im Folgejahr                  6%                                                                  4,90%               5,20%
          3,24%                           3,27% um 1,6 % statistisch signifikant         5%            5,97%
                      ist der  ROA ebenfalls
                            3,20%
                                                                                                                        5,17%
                      höher, während er im Jahr danach nur noch 0,37 %                   4%                                                                    5,07%             4,83%
                                                                                                                                            4,75%
                      höher ist. In der Folge darauf, also drei bzw. vier Jahre          3%
                      später, ändert sich das Verhältnis: Die Unternehmen,               2%
                      die vorher durch die Ausnutzung von Bilanzierungs-                 1%
                      spielräumen Gewinne erhöht haben, erwirtschaften                   0%
         t+2          0,66t+3
                           % bzw. 1,09 %     weniger ROA. Der Unterschied im
                                         t+4**                                                        t***             t+1***             t+2*               t+3                  t+4
                      letzten Jahr ist auf dem ­5-%-Niveau signifikant.
 snutzung von Bilanzierungsspielräumen                                                      Viel Steuervermeidung Viel Steuervermeidung                Wenig Steuervermeidung
 Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen                                                    Wenig Steuervermeidung

                      4    Betrachtet wird dabei nur die Aggressivität der Berichter-
                           stattung im Jahr t und nicht, inwiefern sich das Verhalten   Quelle: eigene Erhebung und Darstellung
                           der Unternehmen in den folgenden Jahren ändert.

                                                                                                                                            Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 11
rvermeidung         5,86%               5,26%                  4,97%                5,21%               5,14%

         Viel Steuervermeidung                    Wenig Steuervermeidung

                                                                                                Abbildung 11    stärker die Mitbestimmung im Unternehmen veran-
                                                                                                                kert ist, desto größeren Einfluss können die Beschäf-
      Performanz von Unternehmen mit starker oder schwacher Steuervermeidung                                    tigten auf die Berichterstattung (z. B. über den Prü-
      (dreijährige Steuerzahlungen)             DACC_MJones                                                     fungsausschuss) nehmen. Die Ergebnisse bestätigten
                                                                                                                die Vermutungen, insgesamt zeigt die Studie: Mitbe-
      9%                                                                                                        stimmung führt zu einer geringeren Ausnutzung von
                   7,96%
      8%                                                                                                        Bilanzierungs- und Steuergestaltungsspielräumen,
                                                                                                                was mit einer besseren langfristigen Performanz ver-
      7%                             6,15%
                                                         5,34%                                                  bunden ist.
      6%                                                                    5,21%               5,14%
                                                                                                                   Zusammenfassend kann man für den Untersu-
      5%             5,86%
                                     5,26%                                                                      chungszeitraum folgendes feststellen: Auffällig sind
      4%                                                  4,97%              4,89%              4,88%
                                                                                                                sehr hohe Steuerzahlungen während der Finanzkrise,
      3%                                                                                                        was für eine Abnahme der Steuervermeidung in die-
      2%                                                                                                        sem Zeitraum spricht. In den letzten Jahren ist jedoch
      1%                                                                                                        ein Trend zu stärkerer Steuervermeidung erkennbar,
      0%                                                                                                        da die Steuerraten und Steuerzahlungen gesunken
                    t***             t+1**               t+2                t+3                  t+4            sind. Ein Vergleich zwischen über- und unterdurch-
                                                                                                                schnittlich mitbestimmten Unternehmen deutet dar-
           Viel Steuervermeidung Viel Steuervermeidung                 Wenig Steuervermeidung
                                                                                                                auf hin, dass Mitbestimmung zu weniger aggressiver
           Wenig Steuervermeidung
                                                                                                                Berichterstattung führt. So sind in den meisten Jah-
                                                                                                                ren die schwach mitbestimmten Unternehmen stär-
      Quelle: eigene Erhebung und Darstellung
                                                                                                                ker in Steuervermeidung involviert und nutzen stärker
                                                                                                                Bilanzierungsspielräume aus, um höhere Gewinne be-
                                                                                                                richten zu können. Beispielsweise lässt sich bei den
                                                                                                                Steuerzahlungen erkennen, dass Unternehmen mit
                               Beispielsweise haben Unternehmen, die viel Steuer-                               starker Mitbestimmung 4.23 %-Punkten mehr Steu-
                               vermeidung betreiben in t+4 einen ROA von 4,83 %,                                ern auf ihren Gewinn zahlen.
                               was 0,37 % unter dem ROA der übrigen Unternehmen                                    Aufbauend auf den deskriptiven Ergebnissen wur-
                               liegt. Diese Unterschiede sind jedoch statistisch nicht                          de eine Regressionsanalyse durchgeführt. Diese zeigt:
                               mehr signifikant.                                                                Mitbestimmung vermindert aggressive Berichterstat-
                                  Teilt man die Unternehmen anhand ihrer dreijäh-                               tung. Einerseits hat Mitbestimmung einen positiven
                               rigen Steuerzahlungen ein, ergibt sich ein ähnliches                             Effekt auf die Qualität der Finanzberichterstattung: Je
                               Bild (vgl. Abbildung 11). Zwar haben Unternehmen, die                            größer der Mitbestimmungsindex (­MB-ix), desto we-
                               viel Steuervermeidung betreiben, zunächst einen um                               niger werden gewinnerhöhende Bilanzierungsspiel-
                               2,10 % statistisch signifikant höheren ROA. Allerdings                           räume ausgenutzt bzw. desto weniger werden Bilan-
                               schwächt sich der Effekt in der Folge ab: Im nächsten                            zierungsspielräume zur Gewinnanpassung allgemein
                               Jahr beträgt der Unterschied noch 0,89 %, zwei Jah-                              verwendet. Demnach halten sich stark mitbestimmte
                               re später liegt der Unterschied nur noch bei 0,37 %                              Unternehmen genauer an Bilanzierungsvorschriften.
                               und ist statistisch nicht mehr signifikant. Erneut kann                          Andererseits kann die Mitbestimmung aggressive
                               man feststellen: Die Profitabilität kehrt sich langfristig                       Steuervermeidung vermindern: Je größer der Mitbe-
                               um, so dass die Unternehmen, die viel Steuervermei-                              stimmungsindex (­MB-ix), desto höher sind die Steuer-
                               dung betreiben, im vierten Jahr 0,26 % weniger ROA                               raten und desto geringer die Unterschiede zwischen
                               erwirtschaften.                                                                  Handels- und Steuerbilanz. Damit sind besonders
                                                                                                                die Unternehmen, in denen die Beschäftigten kaum
                                                                                                                Einflussmöglichkeiten haben, darauf ausgerichtet,
                                                                                                                Steuern zu sparen, indem beispielsweise Einkünfte in
                                                                                                                Länder mit geringem Steuersatz verschoben werden.
                               5 IMPLIKATIONEN FÜR DIE                                                             Kritiker könnten an dieser Stelle argumentieren,
                                                                                                                dass Mitbestimmung zu Ineffizienzen führt, da die Un-
                                 UNTERNEHMENSFÜHRUNG UND
                                                                                                                ternehmen zu viele Steuern zahlen oder sich schlech-
                                 MITBESTIMMUNG                                                                  terstellen, als sie es müssten. Ein Vergleich der Per-
                                                                                                                formanz im Zeitverlauf zeigt allerdings: Unternehmen,
                               Im Rahmen dieser Studie wurde für den Zeitraum                                   die aggressiv Steuer- und Bilanzierungsspielräume
                               2006 bis 2017 der Zusammenhang zwischen Mitbe-                                   ausnutzen, weisen langfristig eine schlechtere Per-
                               stimmung, aggressiver Berichterstattung und Perfor-                              formanz auf. Somit unterstreicht diese Studie, dass
                               manz untersucht. Es wurde vermutet, dass Beschäf-                                starke Mitbestimmung zu einer verantwortungsbe-
                               tigte kein Interesse an aggressiver Berichterstattung                            wussten und weitsichtigen Unternehmensführung
                               haben, da sie nicht durch Steuervermeidung oder                                  beiträgt. Statt kurzfristig Gewinne durch risikoreiche
                               künstlich höher berichtete Gewinne profitieren. Statt-                           Bilanzierungspraktiken zu erhöhen, berichten Unter-
                               dessen sind sie stärker von Risiken betroffen, wie die                           nehmen mit starker Mitbestimmung eher konservativ
                               Beispiele Enron und Steinhoff zeigen (vgl. Kapitel 1). Je                        und erzielen deswegen langfristig höhere Gewinne.

      Mitbestimmungsreport Nr. 62, 07.2020 Seite 12
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