"Kraft und Fitness für Forstwirte" - FORSTLICHES AUSBILDUNGSZENTRUM MATTENHOF - Das Mattenhof Fitness Projekt

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"Kraft und Fitness für Forstwirte" - FORSTLICHES AUSBILDUNGSZENTRUM MATTENHOF - Das Mattenhof Fitness Projekt
„Kraft und Fitness für Forstwirte“
                    Das Mattenhof Fitness Projekt

     FORSTLICHES AUSBILDUNGSZENTRUM
               MATTENHOF

 Mattenhofweg 14, 77723 Gengenbach, Telefon: 07803-9398-0, Fax: 07803-7355
  Homepage: www.faz-mattenhof.de, E-Mail: FAZ.Mattenhof@Forst.BWL.de

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"Kraft und Fitness für Forstwirte" - FORSTLICHES AUSBILDUNGSZENTRUM MATTENHOF - Das Mattenhof Fitness Projekt
Projektkurzbeschreibung

 „Kraft und Fitness für Forstwirte“
          Das Mattenhof Fitness Projekt

Waldarbeit ist Schwerstarbeit für Psyche und
Physis. Hohe Ausfallzeiten und eine erschre-
ckende Zahl von Frühverrentungen veranlassten
unsere Schüler und uns, Lösungsansätze für die-
se Probleme zu finden. So entstand das Mat-
tenhof Fitness Konzept. Es vereinigt Präventi-
onssport, Ausgleichssport und Freizeitsport mit
einem „forstwirtgemäßen Ernährungskonzept“.
Wir versprechen uns von diesem Projekt mehr
Freude und Befriedigung im Beruf, bessere kör-
perliche und mentale Fitness, ein längeres, be-
schwerdefreies Arbeitsleben. Kurz: Nachhaltige
Begeisterung für den schönen Beruf des Forst-
wirtes.

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Inhaltsverzeichnis

1     VORSPANN                                         4

2     PROBLEMDARSTELLUNG                               6

3     KONZEPTION                                       7

3.1      Handlungsorientierte Themenbearbeitung        7

    3.1.1       Theoretischer Hintergrund             11

    3.1.2       Der fitte Forstwirt                   12

4     PROJEKTDURCHFÜHRUNG                             13

4.1         Theorie                                   13

4.2         Praxis                                    14

4.2.1       Holzernte                                 15

4.2.2       Jungbestandspflege                        15

4.2.3       Hochsitzbau                               18

4.3         Sporttag                                  20

4.4         Freitzeitsport                            20

5     STELLUNGNAHME DES PROJEKTTEAMS                  23

6     LITERATURVERZEICHNIS                            24

7     ANHANG                                          24

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1    Vorspann

Das Forstliche Ausbildungszentrum (FAZ) Mattenhof 1 ist die zentrale Ausbildungsstätte für
berufschulpflichtige Forstwirtauszubildende in Baden-Württemberg. Unsere Einrichtung ver-
eint überbetriebliche und schulische
Ausbildung. Als gleichberechtigte
Partner realisieren die Ausbilder,
Meister, Lehrer und Mitarbeiter der
Landesforstverwaltung gemeinsam mit
den Haus- und Landwirtschaftlichen
Schulen Offenburg vielfältige Projekte
mit den Auszubildenden.

Unser Projekt ist ein Beitrag zur
Gesundheitsvorsorge für Forstwirte,
entwickelt mit Forstwirten. Es kann aber              Abbildung 1 Forstliches Ausbildungszentrum
auch beispielgebend sein für alle anderen                         (FAZ) Mattenhof, 2008
körperlich schwer arbeitenden Berufe.

        Kraft und Fitness für Forstwirte - Das Mattenhof Fitness-Projekt

Unser Ansatz: „Das Ausmaß der Ausfallzeiten hat in den Landesforstverwaltungen seit Mitte
der 80er Jahre beträchtlich zugenommen. Ausfallzeiten, bedingt durch Krankheit, Unfall, Ab-
sentismus (= Mangel an Motivation) […]. Dabei konnten zwei Ursachen für die Höhe des
Krankenstandes identifiziert werden: Die Schwere der Arbeit und der Mangel an Motivation.
Die Schwere der Arbeit, gerade in der Holzernte ist zweifellos die wichtigste Ursache für die
Höhe des Krankenstandes. Dieser Befund wird auch durch arbeitsmedizinische Untersuchun-
gen von Waldarbeitern gestützt […].Die Ergebnisse dieser Untersuchung führen zu dem
Schluss, dass Fehlzeiten nur durch langfristig angelegte Maßnahmen reduziert werden kön-
nen, da ein Teil der Fehlzeiten auf fehlende Arbeitszufriedenheit zurückzuführen ist“. (Zit.
aus der Dissertation Meier, Derek, 1999) 2 .
Auf der Basis dieser Erkenntnis entwickelten wir gemeinsam mit unseren Azubis ein Projekt,
mit dem erstens eine nachhaltige Gesundheitsvorsorge - möglichst für das gesamte
Berufsleben - entwickelt werden konnte und zweitens durch Übungen, die Spaß machen, eine
positive Langzeitmotivation für die Waldarbeit etabliert werden soll.
Alle Auszubildenden und Beschäftigten sind in das Projekt involviert. Im Anhang sind des-
halb die Koordinatoren und aktiven Auszubildenden nicht namentlich aufgeführt, Schule und
Überbetriebliche Ausbildungsstätte tragen als Ganzes das Projekt. Die am Projekt beteiligten
Personen haben sich bereits bei der Konstituierung des Projekts mit der Veröffentlichung,
auch personenbezogener Informationen, einverstanden erklärt.

Der ganzheitliche pädagogische und didaktische Ansatz hat zur Folge, dass das Projekt auch
im Schulalltag zu einem festen Bestandteil geworden ist, obwohl es nicht Gegenstand des
Unterrichts und auch nicht im Forstwirtlehrplan vorgesehen ist.

1
  Im Internet unter http:// www.faz-mattenhof.de
2
  Meier, Derek (1999): Ausfallzeiten in der Waldarbeit. Freiburg: Univ., Forstl. Dissertation, 195 S..
[ Volltext: www.FreiDok.uni-freiburg.de ]

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Die Erkenntnis, dass persönliche Fitness und ergonomisch vernünftiges Verhalten zu größerer
Zufriedenheit sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Bereich führen, sorgte alsbald
für eine klassenübergreifende Motivation für das Projekt. Wir glauben deshalb, dass es sich
dauerhaft am Mattenhof, aber vor allem auch in den Betrieben etablieren wird. Wir hoffen
sogar, dass es irgendwann zum Standardrepertoire der Ausbildung in körperlich anspruchs-
vollen Berufen werden wird.

Das Projektteam

Fwm Urban Keller, StD Christoph Hummel, FAm Johannes Schele, StR Matthias Mechler,
Fwm Kurt Kälble, Fwm Erich Rudolph.

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2   Problemdarstellung

                  Abbildung 2 Der Forstwirt-Beruf - körperlich schwere Arbeit im
                              schwierigen Gelände bei jeder Witterung
                                (FAZ 2008)

Ausgangssituation

    1. Der Forstwirtberuf ist schwer und belastet Muskeln, Bänder, Sehnen und das Skelett
       auf vielfältige Weise. Heben und Tragen schwerer Gegenstände (Motorsäge, Zubehör,
       Holzernte-Werkzeug, das Ausziehen von Seilen zur Holzbringung, Manipulieren von
       Kurzholz und vieles andere mehr), Belastungen durch Vibrationen (hochfrequent: Mo-
       torsäge, Freischneider; niederfrequent: Schlepper), die Arbeit in schwierigem Gelände
       bei jeder Witterung sind nur einige Beispiele für die Belastungen, denen Forstwirte
       Tag für Tag ausgesetzt sind.

    2. Forstwirtschaft, vor allem aber die Arbeit in der Holzernte, erfordert einen wachen
       Geist und die Fähigkeit, sich ständig flexibel auf neue Situationen einzustellen und
       sich auf relativ hohem Niveau zu konzentrieren.

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Diese Fähigkeiten, gepaart mit dem Wunsch, den Körper langfristig gesund zu erhalten,
    führten zu der (längst überfälligen) Überlegung, ein Programm zu erarbeiten, das die oben
    erwähnten Fähigkeiten nachhaltig trainiert.

    Unsere Azubis machten sich nun also daran, unterstützt durch Meister, Förster und Be-
    rufsschullehrer, ein Sport-, Ergonomie- und Ernährungsprojekt zu entwickeln, das

                                            1. Spaß
                                           2. Fitness
                                         3. Wellness
                                        4. Gesundheit
bringen sollte.

3   Konzeption
Das Projekt sollte als handlungsorientierte Themenerarbeitung (HOT) ablaufen.
HOT bedeutet, dass die Azubis eine im didaktischen Sinn „vollständige Handlung“ vollbrin-
gen. Der Unterricht – eigentlich vielmehr die Schülerarbeit im HOT – folgt den in der Grafik
gezeigten Gestaltungsprinzipien.

                  Abbildung 3       Handlungsorientierter Unterricht (HOT)

Der didaktische Leitgedanke lässt sich kurz so darstellen: Es soll eine Didaktik vermieden
werden, in deren Mittelpunkt ausschließlich das nachvollziehende Denken steht, die enzyklo-
pädische Faktenorientierung oder rein additive Wissensvermittlung sollten möglichst unter-
bleiben.

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Die vollständige Handlung nach DUBS 3 lässt sich sehr einfach mit dieser Grafik darstellen:

                              Abbildung 4     Die vollständige Handlung nach DUBS

Die Schüler sollten also ein Problem (Schwere der Waldarbeit) zunächst wahrnehmen. Dann
sollten sie Lösungsansätze zu diesem Problem entwickeln (die „Denk“ – phase). Nun sollte
die in der Denkphase entwickelte Lösung in der Realität durchgeführt werden („Tun“). Im
Evaluationsprozess musste dann die Tauglichkeit der Lösung, aber auch (die sog. Metaebene)
der Arbeitsprozess als solcher kritisch unter der Lupe genommen werden.
Aus dieser Grundüberlegung ergab sich die Lernzielformulierung, die wir gemeinsam mit den
Schülern vornahmen, fast von selbst:

      ¾    Belastungen bei der Waldarbeit erkennen
      ¾    Gegenmaßnahmen gegen körperlichen Verschleiß entwickeln
      ¾    Krankheits- und verletzungsbedingte Ausfallzeiten vermeiden
      ¾    Motivation und berufliche Zufriedenheit langfristig sichern

Unterziele:
               •   Auswahl besonders belastender Arbeitsgebiete
               •   Vorstellung dieser Gebiete im Plenum
               •   Diskussion
               •   Nach Einigung Festlegung von drei Arbeitsbereichen über die jeweils eine
                   Gruppe das Projekt „Fitness für Forstwirte“ erarbeitet.
               •   Erarbeitung des jeweiligen Programms (Training, Übungen etc.)
               •   Gliederung nach anatomischen Kriterien
               •   Entwicklung einer ausgewogenen „Forstwirt-Power-Diät“

In dieser noch theoretischen Phase haben die Forstwirte sich kritisch mit ihrem Beruf, ihrem
Körper und ihrem Ess- und Trinkverhalten auseinandergesetzt. Schon an dieser Stelle haben
viele die Erkenntnis gewonnen, dass ein leichtsinniger, gar gleichgültiger Umgang mit den
eigenen Ressourcen dem jungen Menschen vielleicht noch keinen unmittelbaren Schaden zu-
fügt, die Arbeit in unserem Beruf aber auf Dauer so schwer ist, dass es unverantwortlich wä-
re, Schindluder mit der eigenen Gesundheit zu treiben.
Ganz nebenbei kamen im Ernährungsprogramm die nicht immer selig machenden Wirkungen
der Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin zur Sprache. Das führte natürlich nicht zu sofortiger
allgemeiner Abstinenz, brachte aber den Einen oder Anderen doch immerhin zum Nachden-
ken über sein persönliches „Suchtverhalten“.

3
    DUBS R., Dörig R., Dialog Wissenschaft und Praxis, St. Gallen 1995

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3.1 Handlungsorientierte Themenerarbeitung

In Anlehnung an das Konzept von DUBS wird auch am Mattenhof versucht, handlungsorien-
tiertes Arbeiten nach einem gemäßigt konstruktivistischen Ansatz zu praktizieren, ein Ansatz,
der am ehesten als schülergemäß angesehen wird.
Dieser Ansatz basiert auf der Überzeugung, dass es heutzutage wichtig ist, lebenslang zu ler-
nen und sich ständig eigenverantwortlich fortzubilden. Weiterhin ist es wichtig, sein Wissen
in einem gesellschaftlichen Kontext zu erwerben, der den Einzelnen schon beim Wissenser-
werb einbindet, ihn quasi dazu zwingt, kommunikativ zu arbeiten. Von Ferne winken die satt-
sam bekannten Schlüsselqualifikationen, und zwar materiale, formale und personale
Qualifikationen. Zu deutsch: der Mensch soll also Wissen erwerben, Wissen, wie man Wissen
erwirbt, Wissen wie man erworbenes Wissen in den Dienst der Gesellschaft stellt und mit
anderen zum gemeinsamen Nutzen teilt.

Es wird davon ausgegangen, dass den Schülern dies durch die Vermittlung und sukzessive
Eigenentwicklung sog. „Denkstrategien“ (DUBS, 1998) 4 beigebracht werden kann.

Diese können die Schüler entwickeln, wenn ihnen der Unterrichtsinhalt als Problem, das ge-
löst werden muss, in Form von komplexen Lehr- Lernarrangements gegenüber tritt.

Eine Denkstrategie ist eine trainierte, geistige Operation, die situations- und problembezogen
angepasst und variiert werden kann und mit der man Probleme zu lösen vermag (oder zumin-
dest zu lösen versucht). Sie läuft meistens nach folgendem Grundschema ab, das darin besteht

    •   Ein Problem überhaupt als solches zu erkennen

    •   Zu analysieren, worin das Problem genau besteht (= thematische Eingrenzung des
        Lerngegenstandes)

    •   Unter einer Vielzahl von Lösungswegen den richtigen auszuwählen

    •   Sich bewusst zu sein, dass es disziplinübergreifende Randbedingungen geben mag, die
        zu beachten sind (Kommunikation)

    •   Analysieren zu können, ob der gewählte Lösungsweg adäquat, relevant und tatsächlich
        problembezogen war (Metakognition)

    •   Analysieren zu können, ob das Problem in einer akzeptablen Zeit aufgearbeitet wurde

    •   Analysieren zu können, ob das Wesentliche zu gegebenen Problemkreis ausgesagt
        wurde

    •   Analysieren zu können, ob der Wissenserwerb auf effiziente Weise geschah

    •   Diese Selbstevaluierung in sachlicher Weise (ohne Schuldzuweisung) durchführen zu
        können.

4
  DUBS, R. Lehren und Lernen für die zukünftige Arbeitswelt, Skriptum eines Vortrages an der Akademie Ess-
lingen 1998

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Es wird betont, dass dafür eine „starke Lernumgebung“ geschaffen werden muss. Sie besteht
darin, dass die Lehrenden im Vorfeld versuchen alle möglichen Erfordernisse, Schwierigkei-
ten und Unklarheiten der Lernenden vorweg zu denken (in einem „Klafki´schen“ Sinn, siehe
die 5 Kernfragen), aus diesem Prozess eine Auswahl von Hilfen in Form von Material, Litera-
tur, Leittexten und sonstigem treffen, diese bereitstellen, sich Beratungen überlegen und diese
anwenden.

Das o.e. „komplexe Lehr- Lernarrangement“ soll dabei helfen.

Es weist folgende Eigenschaften auf:

   •   Es ist problemorientiert

   •   Es basiert auf dem Vorwissen der Schüler

   •   Es weckt den Willen zum „Dazulernen“

   •   Es ermöglicht eine eigenständige Lernzielformulierung

   •   Es stellt alle Arbeitstechniken und Hilfsmittel zu Verfügung

   •   Es gibt Hinweise zur Selbstüberwachung und –evaluation

   •   Es erlaubt (fordert) eine Reflexion über den Lernprozess

Das auf diese Weise organisierte Lernen findet in offenen Unterrichtsformen statt. Wir propa-
gieren diese Lernformen als wesentlichen Bestandteil des Unterrichts im beruflichen Schul-
wesen aus einer Vielzahl von Gründen:

   1. Zur erfolgreichen Berufsausübung müssen die Schüler über eigenständige Problemlö-
      sungsstrategien verfügen. Diese können in handlungsorientierten Lerneinheiten er-
      worben, eingeübt und vertieft werden.

   2. Die selbständige Erarbeitung fachlicher Inhalte führt zu einer deutlich besseren Identi-
      fikation mit dem Lernstoff, damit einer besseren Beherrschung und Anwendungsfä-
      higkeit des erworbenen Wissens.

   3. Das Arbeiten in Gruppen fördert die Interaktionsfähigkeit, die Artikulationsfähigkeit
      und die soziale Kompetenz. In unserem Projekt kommt noch dazu, dass die einzelnen
      Gruppen Ihre Themenwahl sowie die dazu ausgearbeiteten Fitness- und Ernährungs-
      programme vor dem Plenum „verteidigen“ mussten (das berüchtigte „Mattenhof-
      Rigorosum“) und so Ihre Argumentationsfähigkeit intensiv trainieren konnten.

                                            Seite 10
3.1.1     Theoretischer Hintergrund

Ausgangsgedanke, wie schon weiter oben erwähnt, ist:

                     KONSTRUKTION STATT INSTRUKTION

      Abbildung 5     Lehrgangsunterlagen, Donaueschingen (H. Weiß , Seminar für Didaktik und Lehrerbildung 2000)

Die Abbildung verdeutlicht, auf welche Weise sog. „offene Unterrichtsformen“ - wie HOT-
Kompetenzen fördern sollen, die über das Erarbeiten objektiven Wissens hinausgehen.
Anwendung (Transfer) des Wissens bis hin zur Eigenkonstruktion („BIG 5 -
konstruktivistischer Lernansatz“ nach DUBS), das Erarbeiten von komplexen Inhalten, auch
mit fächerübergreifendem Charakter, kennzeichnen das Wesen dieser Lernformen.

Wir erwarten durch diese Arbeitsform eine Steigerung der Sozialkompetenz durch echte
Teamarbeit von Schülern und Ausbildern, Meistern und Lehrern. Wir erwarten natürlich auch
eine Steigerung der genannten Kompetenzen, v.a. aber erhoffen wir uns eine echte (intrinsi-
sche) Langzeitmotivation für Arbeit, Gesundheit und Fitness für alle Beteiligten.

5
    Beyond the Information Given

                                                  Seite 11
Nun zum kritischen Aspekt dieser Art des Unterrichts, den wir hier nicht verschweigen kön-
nen:

Aus der Grafik oben geht gut hervor, dass ein derartiges Unterrichtskonzept viel Zeit braucht.
Zeit, die, redet man mit Kollegen, im Schulalltag angeblich nicht zur Verfügung steht, weil
der Druck drohender Prüfungen oder der Erfüllung des Lehrplans ständig über ihnen schwebt.
Wir glauben das nicht!
Solche Arbeitsformen sind zwar am Anfang recht zeitaufwändig, es muss sicherlich auch die
eine oder andere freiwillige „Überstunde“ geleistet werden. Man stellt mit der Zeit aber fest,
dass die Schüler sich an eine mehr und mehr selbstständige Arbeitsweise gewöhnen, der Leh-
rer (im Sinne eines Coachings, wie es die Konstruktivisten fordern) mehr Zeit erhält, sich um
Materialbeschaffung und die Gestaltung einer angenehmen und, um ausnahmsweise eine der
sich gerade en vogue befindenden Floskeln zu verwenden, um eine fordernde und fördernde
Lernatmosphäre zu kümmern. Seine Anwesenheit in der Klasse ist nicht mehr permanent er-
forderlich, weil die Schüler die Methode, „Arbeitsaufträge“ eigenverantwortlich in Gruppen
zu erledigen, zunehmend besser beherrschen.
Den „Stoff“ prüfungstauglich zu machen, obliegt dem Lehrer dann eher als Zusammenfas-
sung und Nivellierung der Schülerergebnisse am Ende der Lerneinheit.
Unser (immer noch nicht realisierter) Wunsch ist es, auch Klassenarbeiten ohne Lehrerprä-
senz zu schreiben, weil die Schüler erkannt haben, dass die Überprüfung des Gelernten für sie
selbst von Bedeutung ist und spicken Selbstbetrug. Aber das sind leider nach wie vor Utopien.

3.1.2    Der fitte Forstwirt

Die Aufgabe der Forstwirte war, ein Konzept zu entwickeln, mit dem die Belastungen in der
Waldarbeit, abhängig von bestimmten Arbeitsbereichen, erkannt werden. Diese Erkenntnis
sollte in ein Programm von Sport- und Ausgleichsgymnastik führen, das gezielt für die er-
kannten Belastungen konzipiert sein sollte.
In einer ersten Phase sollten die theoretischen Grundlagen erarbeitet werden, die in der zwei-
ten Phase draußen auf der Fläche bei den gewählten Arbeitsthemen erprobt, kritisiert und
ggfs. optimiert werden sollten.
Der Mattenhof bietet für ein solches Konzept, in dem Berufsschulunterricht und überbetrieb-
lich Ausbildung vollständig integriert zusammenarbeiten, optimale Voraussetzungen:

        Die Forstwirtausbildung ist, wie jede, eine Duale Ausbildung (Schule und Betrieb). Das
        System der Landesfachklasse unterscheidet sich aber von der normalen Ausbildung (3,5
        Tage/Woche im Betrieb 1,5 Tage in der Berufsschule) dadurch, dass die Ausbildung
        verblockt ist. Die Auszubildenden verbringen also mehrere Wochen im Betrieb, um dann
        für einen 3 – 5 Wochenblock die Berufsschule (BS) zu besuchen. Das gibt es in anderen
        Berufen auch. Wir haben aber noch eine weitere Besonderheit zu bieten, denn parallel
        zur Berufsschulausbildung läuft in der gleichen Einrichtung (dem FAZ) die Überbe-
        triebliche Ausbildung (ÜbA). Das sieht dann in der Praxis so aus, dass die Auszubilden-
        den z.B. morgens 5 Stunden Berufsschule haben, dann Mittagspause und am Nachmittag
        5 Stunden ÜbA, sprich eine Übung im Wald.

Die beschriebene Konstellation ermöglicht es, Theorie und Praxis eng zu verzahnen.
Wie man auf dem beigelegten Film/Bildern und dem Arbeitsauftrag („Projektvorbereitung“)
sieht, wurden zunächst im Klassenverband die Projektthemen festgelegt, der Projektablauf
geplant, sodann die theoretischen Grundlagen erarbeitet. Hier kam es darauf an, die Belastun-
gen der einzelnen Arbeitsablaufabschnitte der gewählten Tätigkeitsbereiche korrekt zu analy-

                                             Seite 12
sieren. Daraus musste ein Programm aus Übungen entwickelt werden, das die akuten Belas-
tungen direkt während der Arbeit ausgleichen soll. Darüber hinaus sollte, wenn möglich, ein
Langzeit-Sportprogramm erarbeitet werden, das die Bereiche Ausdauer, Kraft und Koordina-
tion nachhaltig trainiert. Hierzu noch ein kleiner Einschub:

    Der Mattenhof bietet inzwischen nahezu optimale Voraussetzungen für jedwede sportli-
    che Aktivität. Wir haben, teils durch Eigenleistung, teils mit Fremdmitteln, inzwischen
    zur normalen Sporthalle einen eigenen - gut ausgestatteten – Kraftraum, eine Bogen-
    schieß-Anlage und sogar eine fest installierte Kletterwand. Zum mindestens einmal pro
    Lehrjahr stattfindenden Sporttag später noch Genaueres (Sporttag als Bestandteil des
    Projektes).

Dazu sollte jede Arbeitsgruppe noch versuchen, mithilfe der, in einem schon vorher gelaufe-
nen Unterricht, erarbeiteten Kenntnisse sowie der zur Verfügung gestellten Materialien ein
forstwirtgemäßes Ernährungsprogramm („Holzer-Diät“) zusammenzustellen.
Während der Vorbereitungsphase ergab sich aus Diskussionsbeiträgen der Teilnehmer dann
noch die Forderung nach Erstellung einer „Checkliste“, die, bezogen auf die einzelnen Ar-
beitsbereiche, das ergonomische Verhalten des Arbeiters zu beurteilen und eine Fehleranalyse
direkt am Arbeitsobjekt durchzuführen ermöglichte.

4   Projektdurchführung

4.1 Theorie

Das Projekt begann mit einer Vorbereitungs-
stunde. Die Schüler erhielten hier den Auftrag,
Tätigkeitsbereiche zu benennen, die
ergonomischer und gesundheitlicher Hinsicht
besonders belastend sind. Sie sollten ihre
Wahl zunächst vor dem Partner, daraufhin vor
dem Plenum erläutern und begründen
(Methode „wachsende Gruppe“). Schon hier
sollte ein Bewusstsein geweckt werden für die
körperlichen und mentalen Belastungen,
denen Forstwirte – abhängig vom
Arbeitsbereich - ausgesetzt sind. Die
Argumentationsfähigkeit wurde durch die
Wahl der Sozial- und Aktionsform in dieser         Abbildung 6   „Schwere Waldarbeit“ erkennen nach der
Phase bewusst intensiv trainiert. Zum besseren                   Methode „wachsende Gruppe“, FAZ 2008
Verständnis ist der Arbeitsauftrag angefügt.

Das Ergebnis dieser Vorbereitungsstunde war
teils den Erwartungen entsprechend, teils aber
auch verblüffend: die Schüler entschieden sich für die Arbeitsbereiche Holzernte, Jungbe-
standpflege und Hochsitzbau. Das stellte die Betreuer vor nicht geringe Herausforderungen,
musste doch in kurzer Zeit neben den Flächen und Beständen für Jungbestandspflege und
Holzernte (die Themen, die wir erwartet hatten) auch Material, Logistik und Flächen für den
Hochsitzbau gefunden werden.

                                            Seite 13
Abbildung 6   Arbeitsauftrag „Projektvorbereitung“.

Nun folgte die heiße Phase. Die Schüler organisierten sich zu drei Gruppen, gegliedert nach
den Arbeitsbereichen. Man fand sich ohne Anleitung durch die Lehrer rein nach Interessens-
schwerpunkt zusammen. Dennoch kamen annähernd gleich starke Gruppen zustande. Als
Einleitung wünschten sich die Ausbilder, dass man sich noch einmal mit den Gruppenregeln
befassen sollte (s. Anhang). Erfahrungsgemäß verkürzt dies die so genannte „norming und
storming“ Phase der Gruppenarbeit.

Der Vormittag war der Theoriearbeit gewidmet. Jede Gruppe bearbeitete den auf ihren
Schwerpunkt bezogenen Arbeitsauftrag. Die Grundstrukturen sahen vor, dass zunächst eine
nach anatomischen Gesichtspunkten gegliederte Analyse der körperlichen Belastungen erstellt
werden sollte. Für diese spezifischen Belastungen musste nun ein Sport- und Fitnesspro-
gramm entwickelt werden. Wesentlich dabei ist, dass dieses Programm sich effizient auf die
genannten Bereiche der Waldarbeit konzentriert. Es soll also ganz bewusst nicht den Charak-
ter allgemeinen Ausgleichssports haben. Im Kielwasser dieser Überlegungen erstellten die
Gruppen noch je eine Checkliste, die bei der praktischen Arbeit draußen im Bestand ange-
wandt werden sollte. Grundidee für diese Checkliste war es, die Umsetzung des Ergonomie-
programms nicht im Beliebigen versanden zu lassen, sondern den Einzelnen konkret und nach
dezidiert ausgewählten Parametern direkt vor Ort bei der Waldarbeit beraten zu können.

Ein Hauptteil der Theoriearbeit war die Präsentation der Ergebnisse (s. Anhang). Diese er-
schöpfte sich nicht in einer sonst bei Gruppenarbeiten üblichen „Power-Point Show“. Schließ-
lich handelte es sich um sportliche und gymnastische Übungen, die als Ausgleich zur

                                               Seite 14
Waldarbeit entwickelt wurden. Was lag also näher, diese Übungen sogleich im Plenum vorzu-
führen und von den Kollegen ausprobieren zu lassen. Die Schüler entschieden sich teilweise,
die am Mattenhof vorhandenen Kraftmaschinen einzusetzen. Das ist etwas unglücklich im
Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Projektidee. Die Forstbetriebe draußen im Land verfügen
wohl in den seltensten Fällen über komplett ausgestattete Krafträume…Hier besteht für die
Zukunft des Projekts noch ein Verbesserungspotential. Das ist nicht weiter schlimm, die nach-
folgenden Forstwirtgenerationen brauchen schließlich auch noch etwas Arbeit. Die Präsenta-
tionen zeigten zudem, ob die von uns erwünschte Stärkung der Sozialkompetenz durch die
gewählte Unterrichtsform tatsächlich erreicht wurde. Schließlich musste sich jede Gruppe als
Einheit mit ihren Ergebnissen dem Votum des Plenums stellen.

        Abbildung 7, 8 Präsentation „Fitnessprogramm für den Forstwirt, FAZ 2008

Aus den im Anhang angefügten Schülerarbeiten ist zu ersehen, wie intensiv sich die einzelnen
Gruppen des Themas „Ernährung“ angenommen haben.

Bei einer Arbeit, deren Kalorienbedarf bekanntlich rekordverdächtig ist, verwundert das nicht.
Die Schwerpunkte einer leistungsgerechten Forstwirt-Diät wurden besonders von einer Grup-
pe zielsicher herausgearbeitet und anschaulich und verständlich präsentiert.

Leider konnte, bedingt durch die zur Verfügung stehende Zeit, der Themenbereich Fehlernäh-
                                   rung und
                                   Umgang mit
                                   Alltagsdrogen
                                   nur am Rande
                                   angesprochen
                                   werden. Hier
                                   besteht aber die
                                   Überlegung,
                                   professionelle
                                   Drogenberater
für jedes Lehrjahr mindestens einmal pro Jahr auf
den Mattenhof einzuladen, um unsere Schüler in
dieser Hinsicht umfassend zu informieren.
                                                          Abbildung 9, 10 Präsentation: Ernährung /
                                                                          Umgang mit Alkohol, FAZ 2008

                                              Seite 15
4.2 Praxis

Der Nachmittag (der leider auch zu kurz war) war der praktischen Arbeit im Bestand gewid-
met.

4.2.1   Holzernte

Die Holzerntearbeiten wurden in
einem schwachen bis mittelstarken
Nadelbaumbestand an einem
mäßig steilen Hang durchgeführt.
Vorgehensweise war wie folgt:
Ein Gruppenmitglied hatte einen
Baum zu fällen. Die anderen, mit
den Checklisten ausgestatteten
Gruppenmitglieder beobachteten
den Fällvorgang nicht nach
forstfachlichen, sondern aus-
schließlich nach ergonomischen
Gesichtspunkten. Damit wurde
nicht nur die Fremd- sondern auch
die Selbstwahrnehmung geschult.
                                       Abbildung 11 Arbeitsablaufabschnitt „Fällschnitt“,
Jeder der Beobachter konnte sich
                                                     FAZ 2008
nämlich in dieser Phase gedanklich
auf seinen eigenen Einsatz vorbe-
reiten. Der Fäller wurde nach getaner Arbeit von den Beobachtern hinsichtlich seines ergo-
nomischen Verhaltens beraten.

                                                          Bei der Analyse ergab sich, dass es
                                                          schwierig ist, Arbeitsabläufe allein
                                                          nach ergonomischen Gesichtspunkten
                                                          zu beobachten und auszuwerten.
                                                          Gerade die Waldarbeit ist ein
                                                          hochkomplexes Geschehen,
                                                          zusammengesetzt aus Aspekten der
                                                          Arbeitstechnik, Arbeitssicherheit, des
                                                          Arbeitsfortschritts und eben auch der
                                                          Ergonomie. Die Diskussionen in der
                                                          jeweiligen Analyse verliefen deshalb
                                                          in der Regel nicht in rein
                                                          ergonomischen Bahnen, sondern be-
                                                          rücksichtigten die übrigen Merkmale
                                                          der Waldarbeit in gleicher Weise.
  Abbildung 12 Arbeitsablaufabschnitt „Entasten“,       Dies ist aber keinesfalls schädlich für
                 FAZ 2008                               das Projekt. Im Gegenteil, durch die
                                                        Erfahrung der Komplexität entwickel-
ten die Forstwirte auch eine größere Sensibilität hinsichtlich der körperlichen Belastungen
und Gefahren der Waldarbeit.

                                            Seite 16
Die Arbeitsabläufe wurden zusätzlich zur Beobachtung mit der Checkliste noch durch einen
von den restlichen Gruppenarbeiten freigestellten Kameramann gefilmt und fotografiert, so
dass evtl. Streitpunkte dokumentiert waren.
Außer dem Fällen wurden auch das
Entasten (Abbildung 12) sowie das
Wenden des Baumes bis hin zur
endgültigen Aufarbeitung zum
Rohschaft dokumentiert und analysiert.
Jeder dieser Arbeitsschritte beinhaltet
spezifische ergonomische
Anforderungen, die durch den Einsatz
der Kamera in Verbindung mit den
Checklisten aufgenommen werden
konnten. Die Aufnahme und die
folgende Diskussion diente als Feedback
für den Ausführenden. Die ange-
sprochenen Mängel konnten direkt im
weiteren Übungsverlauf korrigiert wer-       Abbildung 13 Kritische Beobachter mit ihrer Check-
den. Abschließend sollten die Übungen                      liste „Ergonomie, FAZ 2008
zur Ausgleichsgymnastik auf ihre Effi-
zienz und Tauglichkeit bei der Arbeit im Bestand getestet werden. Dabei ergab sich, dass die
Topographie und der Bewuchs vor Ort unter Umständen hinderlich bei der Durchführung der
Gymnastik sein können. Es wurde deshalb auf die ebenen Fahrwege ausgewichen. Das hat
den Nachteil, dass der direkte Zusammenhang zur Arbeit verloren geht. Im weiteren Verlauf
des Projektes müssen die Übungen also den Geländeverhältnissen angepasst werden.
Insgesamt kann für diesen Teilbereich gesagt werden, dass das ergonomische Verhalten jedes
Einzelnen durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema deutlich bewusster war als
bei vergleichbaren Azubis, die dieses Projekt noch nicht durchlaufen hatten.

4.2.2   Jungbestandspflege

                                                     Spezifische Probleme bei der
                                                     Jungbestandspflege ergeben sich aus
                                                     den speziellen Fälltechniken für
                                                     schwaches Holz sowie der
                                                     Schwierigkeit, den Aushieb in den
                                                     dichten Beständen zu Fall zu bringen.
                                                     Hier ist besonders der Rücken und der
                                                     Bandapparat im Knie – und Ober-
                                                     schenkelbereich stark belastet.
                                                     Auch hier folgte die Ausführung der
                                                     Arbeiten dem in der Holzernte
                                                     vorgestellten Muster. Die Arbeiten
                                                     erfolgen gemäß den neuen „Richtlinien
                                                     zur Jungbestandpflege“ der
 Abbildung 14 Arbeitsablaufabschnitt
                                                   Landesforstverwaltung   Baden Württem-
               „Abklotzen“, FAZ 2008               berg (s. Anhang). Diese Richtlinien be-
                                                   rücksichtigen hauptsächlich
waldbauliche Belange in den zu pflegenden Beständen, haben sich aber nicht mit arbeitstech-
nischen Schwierigkeiten auseinandergesetzt. Da die Arbeit nur punktuell – Z-Baum bezogen
– durchgeführt wird, kommen in den noch dichten Beständen nur einzelne Bäume zur Ent-

                                            Seite 17
nahme. Der Rest bleibt stehen. Die entnommenen Bäume sind deshalb nur mit großer An-
strengung zu Fall zu bringen. Regelfall bei diesen Arbeitsverfahren ist also das ergonomisch
äußerst problematische Abtragen, Abstocken oder Abklotzen.

                                                       Abbildung 15   Arbeitsablaufabschnitt
                                                                      „Abtragen“, FAZ 2008

                                                       Hier werden häufig schwere Lasten
                                                       manipuliert. Dabei ist es besonders
                                                       wichtig, vernünftige Techniken zum
                                                       Heben und Tragen anzuwenden.
                                                       Hauptaufgabe der Beobachter war
                                                       demnach, den jeweils Ausführenden
                                                       unter dieser Prämisse genau zu
                                                       analysieren und die Arbeit bildlich zu
                                                       dokumentieren.

Wie man es nicht machen sollte:

                 Abbildung 16 „Krummer Rücken“ beim Abstocken, FAZ 2008

Nur so konnte man ihm bewusst machen, welchen körperlichen Gefahren er bei dieser Art
Waldarbeit ausgesetzt ist. Auch das Sägen (Abstocken, Abklotzen) in Hüfthöhe belastet die
Muskulatur des Rumpfes und die Lendenwirbelsäule erheblich, da hierbei mitunter eine unna-
türliche Körperhaltung eingenommen werden muss. Die ergonomischen Vorgaben, die diese
Defizite vermeiden sollten, bedürfen intensiven Trainings. Anfänger tun sich bei dieser Arbeit
besonders schwer. Es ist deshalb unabdingbar, dieses Programm schon in einer frühen Phase
der Ausbildung mit den Azubis zu durchlaufen, damit sich Fehlhaltungen nicht verfestigen. In
den Diskussionen wurde die Komplexität dieses Arbeitsverfahrens deutlich. Immer wieder
wurde abgewogen, wann es günstiger wäre, die Säge bzw. die eigene Körperkraft einzusetzen.
Damit ist ein wesentliches Ziel des Projektes verwirklicht. Man arbeitet nicht blind darauf los,
sondern wägt ab, welches Verfahren bzw. welche Vorgehensweise der Gesundheit und nach-
haltigen Leistungsfähigkeit am zuträglichsten ist.

                                            Seite 18
Abbildung 17   Arbeitsablaufabschnitt „Ringeln“, FAZ 2008

Schon im Vorfeld des Projektes wurden die Auswirkungen statischer und dynamischer Arbeit
auf den Körper und die Leistungsfähigkeit diskutiert.

Das abgebildete Ringeln, ein Verfahren das das Zufallbringen umgeht, kann dennoch nicht als
Alternative angesehen werden. Die Arbeit hat stark statischen Charakter. Die Motorsäge muss
fast ständig frei getragen werden. Dadurch wirken zusätzlich zur muskulären Belastung Vib-
rationen, die nicht auf das Arbeitsobjekt abgeleitet werden können, auf den Mann ein. Die
daraus resultierende Ermüdung stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar, weil nicht nur die
Kraft sondern auch die Konzentration bei solcher Arbeit deutlich rascher nachlässt als bei
dynamischen Belastungen.

Aufgabe des Projekts in diesem Arbeitsbereich war deshalb auch, gymnastische Ausgleichs-
übungen zu entwickeln, die diese Belastungen zumindest abmildern. Hierzu entwickelte die
Gruppe pfiffige Ideen, wie auf der Präsentation zu sehen ist.

Positiver Nebeneffekt des Programms ist es, dass durch die Ausgleichsgymnastik auch das
Unfallrisiko gesenkt wird. Hinsichtlich der Arbeitsmotivation sind gymnastische Übungen
wie die gezeigten ebenfalls positiv zu bewerten, erlauben sie dem Arbeiter doch, für einige
Minuten die Motorsäge abzustellen, den Wald in seiner Natürlichkeit zu erleben, andere Ge-
danken zuzulassen und so wieder neue Kraft für die weitere Arbeit zu schöpfen.

                                            Seite 19
4.2.3   Hochsitzbau

                    Abbildung 18   Arbeitsablaufabschnitt „Entasten“, FAZ 2008

Schon aus der Konstruktionszeichnung der Kanzel lassen sich die ergonomischen Probleme
beim Bereitstellen des benötigten Holzes ableiten. Es handelt sich dabei um schwache, aber
relativ lange Douglasienstangen. Das Grundproblem beim Einschlag dieses Holzes ist ähnlich
wie bei der Jungbestandspflege: wie bringt man die Bäume auf den Boden? Dazu kommt a-
ber, dass diese Bäume nicht im Bestand klein gesägt, sondern als Ganzes aus dem Bestand
hinausgerückt werden müssen. Sie müssen ja zu einer Kanzel zusammengebaut werden. Eine
weitere Belastung ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Stangen zu entrinden. Hier waren
                                                 Kreativität und Phantasie gefragt, um die
                                                 ergonomischen Belastung so gering wie
                                                 möglich zu halten. Beim Fällen kam der
                                                 Fäll-Boy zum Einsatz. Das ist ein einem Bob
                                                 vergleichbarer Schlitten, in den wie auf dem
                                                 Video zu sehen, der Baum hinein gefällt
                                                 wird, so dass er gleichsam selbständig
                                                 abgleiten kann. Dadurch wird ein Großteil
                                                 des mühsähligen Abtragens vermieden und
                                                 die Belastung für den Rücken, die Knie und
                                                 Oberschenkel deutlich geringer. Der Einsatz
                                                 des Fäll-Boys kann durchaus auch als
                                                 Anregung für die Arbeit in der Jungbe-
  Abbildung 19 Hilfsmittel „Fäll-Boy“ bei der    standspflege gelten. Das ist ein erster positi-
                 Schwachholzernte, FAZ 2008      ver Effekt der Auseinandersetzung mit dem
                                                 Ergonomiethema in unterschiedlichen Ar-
beitsbereichen innerhalb eines Klassenverbandes. Die Informationen können durch diese Ar-
beitsform besser ausgetauscht werden. Die Beteiligten „schaffen nicht einfach so vor sich
hin“.

                                            Seite 20
Da sich der Fäll-Boy in der Ebene allerdings sich nicht eignet, kommt dort sein Pendant, die
Fäll-Karre zum Einsatz.

Derart schwaches Holz zu entrinden ist vor allem für den unteren Rücken und den Rumpf
belastend, weil – analog zur Jungbestandspflege – auch hier eine unnatürliche Körperhaltung
eingenommen werden muss.

                                              Das Problem lässt sich auf zweierlei Arten lösen:
                                              Erstens durch gezielte Übungen der Aus-
                                              gleichsgymnastik. Zweitens durch den Einsatz eines
                                              Hilfsmittels. Dessen Herstellung haben die Azubis
                                              einem erfahrenen Meister zu verdanken (Kurt
                                              Kälble), der sich noch auf hergebrachte
                                              Handwerkstechniken versteht.

                                              Die Erfahrung älterer Mitarbeiter zu nutzen sehen
                                              wir durchaus auch als ergonomisch sinnvoll!

Abbildung 20 Mit wenigen Schnitten kann
ein Arbeitsbock im Wald hergestellt werden,
FAZ 2008

Der abgebildete Arbeitsbock hilft auch beim Entasten. Das schwache Holz liegt ohne ihn so
bodennah, dass man sich ständig stark bücken muss. Zudem besteht die Gefahr, dass man, wie
wir Forstwirte sagen, im Dreck
herumsägt. Dadurch wird die Säge
schnell stumpf. Das hat erhöhte
Anstrengung, damit Ermüdung und
größeres Unfallrisiko zur Folge. Will
man das vermeiden, muss die Kette
sehr häufig gefeilt werden. Das führt
wiederum zur Verzögerungen in der
Arbeit.

Weiteres Problem: wie bekomme ich
das Holz aus dem Bestand an den
Weg, wo ich den Hochsitz bauen will.
Auch hier erwies sich in
ergonomischer Hinsicht als beste
Lösung der Einsatz eines Hilfsmittels. In             Abbildung 21 Arbeitsablaufabschnitt „Ent-
diesem Fall entweder der Sappi oder, bei                            rinden“, FAZ 2008
leichten Stämmen, auch der Packhaken
oder die Packzange. Direkter Körperseinsatz wäre hier fehl am Platz. Man muss sich erstens
ständig bücken und hat zweitens auch wieder überdurchschnittlich viel Hebe- und Tragearbeit
zu leisten.
Gerade der Hochsitzbau hat eindrucksvoll gezeigt, dass nicht nur ergonomisch ausgefeilte
Bewegungsabläufe und Arbeitstechniken die Arbeit erleichtern und Spaß machen, Vergnügen
bereitet auch der körperschonende Einsatz von Hilfsmitteln.
Beim Zusammenbauen und Aufstellen des Hochsitzes wurde den Beteiligten mitunter
schmerzhaft bewusst, wie wichtig ein gerader Rücken beim Heben und Tragen schwerer Las-
ten ist. Hier wurde in der Analyse oft auf die in der Vorbereitung besprochene Körperhaltung
der professionellen Gewichtheber Bezug genommen.

                                                Seite 21
4.3 Sporttag

Am zweiten Projekttag stellten die Schüler ihre Fitness unter Beweis und bewältigten folgen-
de Stationen: Kondition, Kraft, Beweglichkeit, Koordination/Geschicklichkeit, Schnelligkeit
und Präzision (siehe Anhang). Gesamtergebnis:
30 Gesamtpunkte ergeben eine bronzene Fitnessurkunde
50 Gesamtpunkte ergeben eine silberne Fitnessurkunde
80 Gesamtpunkte ergeben eine goldene Fitnessurkunde
Vor dem Abendessen wurden die Ergebnisse bekannt gegeben (s. Ergebnisliste im Anhang).
Es wurde bewusst auf eine Preisverleihung verzichtet. Das Hauptaugenmerk richtete sich an
diesem Tag auf Schüler mit vergleichsweise geringer Fitness. Diese wurden motiviert, mit
dem langfristigen Ziel, nach drei Jahren Ausbildung den „Mindest-Fitnesslevel“ (Bronzeme-
daille) zu erreichen.
Abgerundet wurde dieser Sporttag mit der Durchführung eines Fußballturniers. Die einzelnen
Klassen und das Mattenhof Ausbilder Team stellten hierfür Mannschaften.
Regelmäßig und mindestens einmal im Ausbildungsjahr stellen unsere Azubis ihre Fitness
unter Beweis (siehe Flyer im Anhang).
Nach Ablauf der 3 Ausbildungsjahre und einer erfolgreichen Abschlussprüfung wird den
„Jungforstwirten“ entsprechend ihrer Leistungen eine Fitness-Urkunde ausgehändigt. Außer-
dem weist ein entsprechender Vermerk im Abschlusszeugnis der Berufsschule auf den Fit-
nesszustand des Absolventen hin. Mit dieser Dokumentation besteht für den Forstwirt die
Möglichkeit, sich auf dem Arbeitsmarkt noch interessanter darzustellen.

4.4 Freizeitsport

Während der Freizeit (Abendprogramm) haben die Schüler die Möglichkeit, an einem der
Sportangebote am FAZ Mattenhof teilzunehmen. Folgende Sportanlagen stehen zur Verfü-
gung:

   •   Sporthalle
   •   Bogenschießanlage - Indoor - 6 Schießbahnen
   •   Kletterwand
   •   Fitnessraum - Kraftraum
   •   Bolzplatz
   •   Streetballkorb
   •   Nordic-Walking-Strecke

Die Betreuung findet durch das „Mattenhof-Sport-Team“ statt (Übungsleiter der Lizensstufe
C und B). Diese alltäglichen „Sportaktivitäten“ sollen sich positiv auf das Internatsleben am
FAZ Mattenhof auswirken, die angefügte Graphik zeigt, wie wir uns das im Optimalfall vor-
stellen.

                                                        Abbildung 22

                                                        Positive Auswirkungen auf das Internatsleben
                                                        durch Freizeitsport

                                           Seite 22
5   Stellungnahme des Projektteams
Die Waldarbeit ist schwer. Es schien uns deshalb an der Zeit, Handlungsmaximen zu entwi-
ckeln, die dies zumindest abmildern und gleichzeitig die Motivation und Freude am Beruf
fördern.
Für die Aufgabe wurden bewusst Forstwirte des ersten Lehrjahres ausgewählt.
Je früher man die ergonomischen Notwendigkeiten, aber auch den Sinn einer vernünftigen
Ernährung erkennt, desto besser lassen sich Fehler vermeiden, die sich ansonsten einschlei-
chen und verfestigen könnten. Wir glauben, dass, auch wenn die Fachkompetenz bei diesen
Azubis noch nicht weit entwickelt ist, das frühzeitige Training viele positive Langzeiteffekte
hat. Auch die Azubis sehen das so. Die meisten von ihnen waren sich sinngemäß einig in der
Aussage: „So eine ergonomische Grundschulung müsste schon in den ersten Tagen des
Forstwirtdaseins stattfinden.“ Das ist auch unser Ziel für dieses Projekt in der Zukunft: den
Betrieben einen Leitfaden zum frühzeitigen ergonomischen Training der Azubis an die Hand
zu geben.
Der handlungsorientierte, gemäßigt konstruktivistische Unterrichtsansatz hat sich unserer An-
sicht nach einmal mehr bewährt. Schüler, die selbstständig nach der sog. „Expertenmethode“
Probleme erkennen können und lösen dürfen, arbeiten motivierter und im Endeffekt auch ef-
fizienter als solche, denen den ganzen Vormittag lang der Monolog des Lehrers auf den Kopf
plätschert. Das entkräftet auch das viel zitierte Gegenargument, man habe im Unterrichtsalltag
für solche Arbeitsformen zu wenig Zeit. Wir denken, dass dieser Weg zu unterrichten unsere
Azubis in den Prüfungen nicht benachteiligt, im Gegenteil, ihre Handlungskompetenz eröffnet
ihnen Möglichkeiten, die herkömmlich beschulten Azubis fehlen.
Die ausgewählten Themenbereiche Holzernte, Jungbestandspflege und Hochsitzbau erwiesen
sich als gut geeignet für das Projekt, wenn auch die Vorbereitung besonders des dritten The-
mas einige Herausforderungen für die Ausbilder barg. Die Umsetzung der in der Theorie er-
arbeiteten ergonomischen Prinzipien gelang im Wald mithilfe der von den Schülern
entwickelten Checklisten im Allgemeinen recht gut.
Nicht zufrieden waren wir mit der Durchführung der Übungen zur Ausgleichsgymnastik. Hier
haben wir festgestellt, dass die Geländesituation vor Ort die korrekte Ausführung der Übun-
gen mitunter be- oder gar verhindert. Im Laufe der Projektarbeit müssen diese Übungen des-
halb weiter entwickelt, teilweise sogar neu entwickelt werden.
Auch nicht zufrieden waren wir mit der Zeiteinteilung. Hier wird in Zukunft zumindest ein
Halbtag mehr zur Verfügung stehen. Die Schüler können sich dann zum Einen besser entfal-
ten und brauchen zum Zweiten nicht ständig die Hinweise des Ausbilderteams zum Zeitdruck
über sich ergehen zu lassen.
Insgesamt sind wir mit den im Projekt erzielten Erkenntnissen und Resultaten zufrieden.
Wir glauben, das Feedback der Teilnehmer bestätigt dies, dass durch den kritischen Umgang
mit den genannten Arbeitsbereichen das Bewusstsein für die Bedeutung ergonomisch ver-
nünftigen Arbeitens nachhaltig verfestigt werden konnte. Welche Rolle die Ernährung gerade
bei Schwerstarbeitern spielt, konnte in dem Projekt gut dargestellt werden. Für die Zukunft
wird den Bereichen Fehlernährung und Drogen größerer Raum eingeräumt. Hier kommen
dann aber Spezialisten zu Wort, die sich besser auskennen als wir Mattenhöfler.
Im Zuge der Ausbildertagungen, die regelmäßig für alle Ausbildungsbetriebe hier am Matten-
hof stattfinden, soll sich das Konzept landesweit etablieren. Gemeinsame Weiterentwicklung
und ständiger gegenseitiger Austausch sind selbstverständlich.

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6   Literatur- und Materialverzeichnis
       „ Grund- und Leistungsumsatz“ aus „Wikipedia“
       „Wie viel Energie braucht der Mensch“ AID Nr.: 1235
       „Essen geht durch den Magen“ AID Nr.:1231
       „Ernährungstipps für Waldarbeiter“ Bayerisches Ministerium für ELF
       „Besser Essen Besser Leben“ KWF
       „Rückgrat zeigen im Wald“ AOK und LFV BaWÜ
       „Holzernte leicht gemacht“ Bundesanstalt für Arbeitsschutz
       „Einführung in das Große Buch der Ergonomischen (R) Evolution
       „Präventives Gesundheitstraining“
       Merkblatt „Entastung“
       Merkblatt „Schneidetechniken in der Jungbestandspflege“
       Merkblatt „Standardfälltechniken in der Holzernte“

7   Anhang
Arbeitsauftrag Projektvorbereitung
Arbeitsauftrag „Theorie und Praxis“
Leitfragen
Gruppenregeln
Disziplinen am Sporttag
Forstwirt-Fitness-Urkunde
Flyer Sporttag
Statistik Sporttag
Checkliste Ergonomie
Präsentation (Ergebnisse)
Bauplan Rehwildkanzel
Materialliste
DVD

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Anhang

  Seite 25
Disziplinen am Sporttag

        Seite 26
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