Richtlinie - Bundesärztekammer

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

                                                                      BUNDESÄRZTEKAMMER

                                                                           Bekanntmachungen

                               Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner Sitzung vom 14.01.2022
                                 auf Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats die folgende Richtlinie,
                                 aufgestellt gemäß Transplantationsgesetz von der Bundesärztekammer
                                      im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut, beschlossen:

                                                                                  Richtlinie
                               zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen oder Keimzellgewebe
                                 im Rahmen der assistierten Reproduktion, umschriebene Fortschreibung 2022.

 Vorwort                                                                                          Durch das im Mai 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Ver-
 Nach § 16b Transplantationsgesetz (TPG) kann die Bundesärztekam-                             sorgungsgesetz (TSVG) wurde in § 27a Abs. 4 SGB V der Anspruch
 mer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut ergänzend zu den                           gesetzlich Versicherter auf die Kostenübernahme einer Kryokonser-
 Vorgaben der TPG-Gewebeverordnung den allgemein anerkannten                                  vierung von Keimzellen oder Keimzellgewebe vor einer keimzellschä-
 Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu den Anfor-                          digenden Therapie normiert. Angesichts dessen hat der Vorstand der
 derungen an die ärztliche Beurteilung der medizinischen Eignung als                          Bundesärztekammer auf Empfehlung des Beiratsvorstands im Rah-
                   1
 Gewebespender , die Untersuchung der Gewebespender und die Ent-                              men der turnusgemäß im Jahr 2019 durchgeführten Aktualitätsprüfung
 nahme, Übertragung und Anwendung von menschlichen Geweben in                                 eine umschriebene Fortschreibung der Richtlinie beschlossen. Ent-
 Richtlinien feststellen und die verschiedenen Regelungen auf gesetzli-                       sprechend diesem Auftrag hat der Ständige Arbeitskreis „Richtlinie zur
 cher und untergesetzlicher Ebene konkretisieren. Dementsprechend                             Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rah-
 legt die vom Vorstand der Bundesärztekammer auf Empfehlung des                               men der assistierten Reproduktion“ unter der Federführung von Prof.
 Wissenschaftlichen Beirats beschlossene „Richtlinie zur Entnahme                             Dr. Jan-Steffen Krüssel den Stand der Erkenntnisse der medizini-
 und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assis-                             schen Wissenschaft bezüglich der Kryokonservierung von Keimzellen
 tierten Reproduktion“ unter klarer Trennung von den gesellschaftspoli-                       sowie Keimzellgewebe ergänzt und redaktionelle Anpassungen der
 tischen Aspekten die medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen                          Richtlinie vorgenommen. So wird im Interesse der Verfahrenstranspa-
 dar. Mit der im Mai 2018 veröffentlichten Richtlinie wurden praktikable                      renz nun im Anhang der Richtlinie der Beratungsablauf der umschrie-
 und einheitliche Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Qualität der                          benen Fortschreibung dargestellt. Neben der Kryokonservierung von
 Gewebe und die Versorgung der Betroffenen geschaffen, die den Be-                            Keimzellen oder Keimzellgewebe vor einer keimzellschädigenden
 teiligten die notwendige Rechtssicherheit geben und eine hohe Be-                            Therapie hat der Ständige Arbeitskreis auch die Kryokonservierung
 handlungssicherheit garantieren.                                                             von Keimzellen oder Keimzellgewebe bei angeborenen (genetischen)
     Gemäß Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer vom                                  Erkrankungen mit einem hohen Risiko für eine Fertilitätseinschrän-
 Januar 2014 wird u. a. die „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung                          kung in den Blick genommen und den jeweiligen Stand der Erkennt-
 von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduk-                             nisse der medizinischen Wissenschaft in der Richtlinie festgestellt. Die
 tion“ spätestens alle zwei Jahre im Vorstand des Wissenschaftlichen                          Regelungen zur Entnahme von Keimzellen oder Keimzellgewebe bei
 Beirats der Bundesärztekammer unter der Federführung des Beirats-                            nichteinwilligungsfähigen minderjährigen Patientinnen und Patienten
 vorsitzenden bezüglich ihres Aktualitätsgrades geprüft. Dieses turnus-                       wurden im Ständigen Arbeitskreis ausführlich diskutiert; die bestehen-
 gemäße Verfahren stellt sicher, dass eventuelle Anwendungsproble-                            de Inkongruenz konnte auf der Ebene der Richtlinie aber nicht aufge-
 me frühzeitig erkannt und die Richtlinie auf der Basis des Standes der                       löst werden.
 Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft im Sinne eines „lernen-                              Mit der nun vorliegenden umschrieben fortgeschriebenen Richt-
 den Systems“ weiterentwickelt werden kann.                                                   linie übernimmt die Ärzteschaft weiterhin Verantwortung in einem
                                                                                              Bereich, der durch unterschiedliche Belange, resultierend aus vie-
                                                                                              len eingebundenen medizinischen Disziplinen, heterogenen sozio-
 1
     Soweit im Folgenden Berufs-, Gruppen- und/oder Personenbezeichnungen Verwendung          kulturellen Hintergründen und enormen medizinischen Fortschritten
                                                                                     2
     finden, ist mit Ausnahme der Differenzierung zwischen Patientinnen und Patienten stets   auf diesem Gebiet, eine besonders differenzierte Betrachtung erfor-
     die jeweils männliche, weibliche und diverse Form erfasst. Ausschließlich aus Gründen
     der Lesbarkeit wird in diesen Fällen auf die gleichzeitige Verwendung männlicher,        dert, um eine zufriedenstellende Lösung für alle Beteiligten zu erar-
 2
     weiblicher und diverser Sprachformen verzichtet.                                         beiten. So geht das ärztliche Handeln in der Reproduktionsmedizin
     In dieser Richtlinie werden im Interesse der Lesbarkeit die Bezeichnungen „Patient“
     (meint Personen mit Hoden/Samenzellen) und „Patientin“ (meint Personen mit               Hand in Hand mit vielen Regelungen, die im Kern u. a. vom Verfas-
     Gebärmutter/Ovarien/Eizellen) verwendet.                                                 sungsrecht, Embryonenschutzgesetz, Sozialrecht, Transplantati-

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

     onsgesetz, Familienrecht sowie ärztlichem Berufsrecht geprägt           vom Vorstand und vom Plenum des Beirats im Dezember 2021 bera-
     werden.                                                                 ten und vom Vorstand der Bundesärztekammer im Januar 2022 be-
        Die „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen        schlossen. Das Paul-Ehrlich-Institut hat am 20.01.2022 sein Einver-
     Keimzellen oder Keimzellgewebe im Rahmen der assistierten Re-           nehmen erklärt.
     produktion, umschriebene Fortschreibung“ gemäß § 16b TPG wurde             Die trotz der durch die aktuelle Pandemie-Situation bedingten
     von Mitgliedern, Gästen und Beratenden des Ständigen Arbeitskrei-       Einschränkungen in einem knappen Jahr gelungene Fortschrei-
     ses „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen           bung der Richtlinie wäre nicht möglich gewesen ohne den heraus-
     Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“ des Wissen-         ragenden Einsatz aller Beteiligten. Für die teils kontroversen,
     schaftlichen Beirats der Bundesärztekammer unter Beteiligung und        aber stets konstruktiven Diskussionen ebenso wie für ihr viel-
     Anhörung u. a. von Sachverständigen der betroffenen Fach- und           fach ehrenamtliches Engagement und die sehr gute interinstitutio-
     Verkehrskreise und der zuständigen Behörden von Bund und Län-           nelle Zusammenarbeit sei ihnen an dieser Stelle ausdrücklich ge-
     dern sowie dem Paul-Ehrlich-Institut erarbeitet. Die Richtlinie wurde   dankt.

                                  Dr. med. (I) K. Reinhardt                                       Prof. Dr. rer. nat. K. Cichutek
                             Präsident der Bundesärztekammer                                   Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts
                               und des Deutschen Ärztetages

                              Prof. Dr. med. Dr. h. c. P. C. Scriba                                Prof. Dr. med. J.-S. Krüssel
                             Vorsitzender des Wissenschaftlichen                          Federführender des Ständigen Arbeitskreises
                               Beirats der Bundesärztekammer                               „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung
                                                                                           von menschlichen Keimzellen im Rahmen
                                                                                                 der assistierten Reproduktion“

1.          Einführung zum Gegenstand                                        festgeschrieben. Dieser rechtliche Rahmen gilt auch für die
            und rechtliche Grundlagen                                        Spende und Entnahme sowie für die Übertragung und die Be-
1.1       Rechtsrahmen, Ermächtigungsgrundlage, Wirkung                      und Verarbeitung von menschlichen Keimzellen oder Keimzell-
          und Hintergrund                                                    gewebe einschließlich der Vorbereitung dieser Maßnahmen.
Die Rechtsgrundlagen für die Entnahme und Übertragung von                       Die Bundesärztekammer wurde gemäß § 16b Abs. 1 TPG er-
menschlichen Keimzellen oder Keimzellgewebe im Rahmen der                    mächtigt, im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI)
assistierten Reproduktion sind von europäischen Richtlinien be-              als zuständiger Bundesoberbehörde ergänzend zu den Vorschrif-
einflusst: Mit dem Gesetz über die Qualität und Sicherheit von               ten der Rechtsverordnung gemäß § 16a TPG (TPG-GewV) den
menschlichen Geweben und Zellen (Gewebegesetz) vom                           allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen
20.07.2007, mit dem die Richtlinie 2004/23/EG des Europäi-                   Wissenschaft zur Entnahme von Geweben und deren Übertra-
schen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 zur Festlegung                 gung in Richtlinien festzustellen. Das umfasst insbesondere die
von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaf-             Anforderungen an die ärztliche Beurteilung der medizinischen
fung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Ver-                Eignung als Gewebespender, die Untersuchung der Gewebe-
teilung von menschlichen Geweben und Zellen umgesetzt wor-                   spender und die Entnahme, Übertragung und Anwendung von
den ist, sowie mit der Umsetzung der Durchführungsrichtlinien                menschlichen Geweben. Menschliche Keimzellen (Ei- und Sa-
2006/86/EG und 2006/17/EG und ihrer Änderungsrichtlinie                      menzellen) sind Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 TPG (BT-Drs.
2012/39/EG und mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien                  16/3146, S. 23).
(EU) 2015/566 und (EU) 2015/565 zur Einfuhr und zur Kodie-                      Die Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der Er-
rung menschlicher Gewebe und Gewebezubereitungen (Ge-                        kenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird vermutet, wenn
wEinfRÄndG) wurde der deutsche Rechtsrahmen geprägt.                         diese Richtlinie beachtet wird (§ 16b Abs. 2 TPG). Somit gilt die
   Die wesentlichen Regelungen für den Umgang mit menschli-                  im begründeten Einzelfall widerlegbare Vermutung, dass bei Be-
chem Gewebe, das zur Anwendung beim Menschen bestimmt ist,                   achtung der Richtlinie der Stand der wissenschaftlichen Erkennt-
sind im Transplantationsgesetz (TPG), in der TPG-Gewebever-                  nisse eingehalten worden ist.
ordnung (TPG-GewV), im Arzneimittelgesetz (AMG) und in der                      Hinweise in dieser Richtlinie zu den rechtlichen Grundla-
Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV)                    gen für die Entnahme und Übertragung von menschlichen

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2022.Rili_assReproduktion_2022                                                                         A2
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

Keimzellen oder Keimzellgewebe im Rahmen der assistierten             vertraglich für die Durchführung dieser Tätigkeiten gebunden
Reproduktion erfolgen auszugsweise und dienen der ergän-              kooperieren, der eine Erlaubnis gemäß § 20c AMG besitzt. In
zenden Erläuterung. Die Beachtung dieser Richtlinie entbin-           diesem Fall wird die entsprechende Erlaubnis dem Hersteller
det nicht von der Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen und         oder dem Be- oder Verarbeiter erteilt. Diese Einrichtungen sind
verordnungsrechtlichen Vorgaben für die Durchführung einer            Gewebeeinrichtungen im Sinne des TPG. Die Anforderungen an
assistierten Reproduktion. Die rechtlichen Grundlagen sind            die Gewinnung und Untersuchung der Keimzellen oder Keim-
bindend und unterliegen nicht der Vermutungsregelung des              zellgewebe sind in § 8d TPG sowie in der TPG-GewV festgelegt.
§ 16b Abs. 2 TPG.                                                     Für Entnahmeeinrichtungen bzw. Gewebespenderlabore im Sin-
   Diese im Einvernehmen mit dem PEI erstellte Richtlinie stellt      ne der AMWHV gelten ergänzend die Anforderungen der §§ 32
den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizini-        bis 34 AMWHV.
schen Wissenschaft und Technik vom 05.10.2021 fest und basiert           Eine Einrichtung, die menschliche Keimzellen oder Keimzell-
auf den zu diesem Zeitpunkt geltenden rechtlichen Regelungen.         gewebe im Rahmen einer assistierten Reproduktion be- oder ver-
                                                                      arbeitet, konserviert, prüft, lagert oder in Verkehr bringt, benötigt
1.2      Anwendungsbereich                                            eine Erlaubnis nach § 20c Abs. 1 AMG der zuständigen Behörde
Diese Richtlinie stellt den allgemein anerkannten Stand der Er-       des Landes im Benehmen mit dem PEI. Für Gewebeeinrichtun-
kenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Entnahme            gen im Sinne der AMWHV gelten insbesondere die Anforderun-
und Übertragung von menschlichen Keimzellen oder Keimzell-            gen der §§ 32 bis 41d AMWHV.
gewebe („Gewebe“ im Sinne des § 1a Nr. 4 TPG) im Rahmen                  Entsprechende Antragsformulare kombiniert mit Merkblättern
von Verfahren der assistierten Reproduktion, einschließlich der       der zuständigen Behörden sind über das Internet abrufbar. Eine
Insemination und der In-vitro-Fertilisation (IVF) auch im Rah-        Übersicht bietet die Zentralstelle der Länder für Gesundheits-
men einer Präimplantationsdiagnostik (PID), fest. Die alleinige       schutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten über den Inter-
hormonelle Stimulation (ohne Insemination) ist als Methode            netauftritt unter www.zlg.de.
nicht von dieser Richtlinie erfasst. Die Richtlinie gilt auch nicht      Unter den Voraussetzungen von § 20d AMG kann eine Er-
für die Eizellspende zur heterologen Verwendung, da diese ge-         laubnispflicht nach § 20b Abs. 1 AMG und § 20c Abs. 1 AMG
mäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Embryonenschutzgesetz (ESchG)          entfallen. Das gilt für menschliche Keimzellen oder Keimzell-
verboten ist. Die Übertragung und Spende von Embryonen (§ 8           gewebe, welche von der Gewinnung bis zur Anwendung bei
Abs. 1 ESchG) wird ebenfalls nicht erfasst, da diese ausweislich      demselben Arzt verbleiben. Das heißt, dass der Arzt diese u. a.
des gesetzgeberischen Willens keine Gewebe i. S. d. § 1a Nr. 4        selbst gewinnt, be- und verarbeitet und die Keimzellen oder
TPG (BT-Drs. 16/3146, S. 23) und auch keine Gewebezuberei-            Keimzellgewebe dann selbst an der Patientin anwendet. Der
tungen (§ 4 Abs. 30 S. 2 AMG) sind.                                   Arzt darf sich zwar bspw. bei einer Be- oder Verarbeitung
                                                                      oder Prüfung von Personal in seinem Verantwortungsbereich
1.3         Rechtliche Grundlagen zur Entnahme und                    helfen lassen, die Anwendung muss aber persönlich erfolgen.
            Übertragung von menschlichen Keimzellen oder              Die betreffenden Tätigkeiten sind nach § 67 Abs. 1 S. 2 i. V.
            Keimzellgewebe im Rahmen der assistierten                 m. Abs. 4 AMG bei der zuständigen Landesbehörde anzuzei-
            Reproduktion                                              gen.
Die Entnahme und Übertragung sowie Be- und Verarbeitung                  Einrichtungen, in denen die genannten Tätigkeiten mit
von Gewebe im Rahmen der assistierten Reproduktion richtet            menschlichen Keimzellen oder Keimzellgewebe durchgeführt
sich insbesondere nach den Vorschriften des AMG (insbeson-            werden, unterliegen der Überwachung durch die zuständige Be-
dere §§ 1, 2, 4, 4a, 20b-d, 21a, 63, 63a, 63i, 64, 67, 72b und        hörde (§ 64 AMG).
142 AMG), des TPG und der jeweils dazugehörigen Rechts-                  Der Handel mit menschlichen Keimzellen oder Keimzellge-
verordnungen (AMWHV, insbesondere Abschnitte 1, 2, 5a                 webe ist gemäß § 17 TPG verboten.
und ggf. 5b AMWHV, und TPG-GewV). Zu beachten sind da-                   Regelungen zur Einfuhr von menschlichen Samenzellen, ho-
rüber hinaus das ESchG, das Samenspenderregistergesetz (Sa-           molog verwendeten Eizellen oder Keimzellgewebe finden sich
RegG), das Gendiagnostikgesetz (GenDG), die Vorschriften              insbesondere in §§ 72b und 72c AMG.
der §§ 630a ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Vorschriften              Bei der Gewinnung und Übertragung von Samenzellen zur he-
des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V), insbesondere                  terologen Verwendung ist das Gesetz zur Regelung des Rechts
§§ 27a, 92, 121a, 135a SGB V samt der vom Gemeinsamen                 auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von
Bundesausschuss (G-BA) im Bereich der Gesetzlichen                    Samen (SaRegG) zu beachten.
Krankenversicherung (GKV) erlassenen Richtlinien, sowie                  Auf die weiteren rechtlichen Grundlagen wird als Ausgangs-
die Berufs- und Weiterbildungsordnungen der (Landes-)Ärz-             punkt für die Feststellung des Standes der Erkenntnisse der me-
tekammern.                                                            dizinischen Wissenschaft jeweils im Kontext zu den medizi-
   Eine Einrichtung, die menschliche Keimzellen oder Keimzell-        nisch-fachlichen Darlegungen eingegangen.
gewebe zur Verwendung bei Menschen im Rahmen einer assis-
tierten Reproduktion gewinnen oder die für die Gewinnung er-          1.4      Begriffsbestimmungen
forderlichen Laboruntersuchungen durchführen will, benötigt           Im Folgenden werden die grundlegenden Begriffe unter Bezug-
gemäß § 20b Abs. 1 S. 1 AMG eine Erlaubnis der zuständigen            nahme auf die jeweiligen transplantationsrechtlichen und arznei-
Behörde. Einer eigenen Erlaubnis für die Gewebeentnahme und           mittelrechtlichen Bestimmungen definiert:
für die erforderlichen Laboruntersuchungen bedarf es unter den        ● Als assistierte Reproduktion wird die ärztliche Hilfe zur Erfül-
Voraussetzungen von § 20b Abs. 2 S. 1 AMG nicht für Entnah-              lung des Kinderwunsches durch medizinische Behandlungen
meeinrichtungen und Labore, die mit einem Be- oder Verarbeiter           und Methoden bezeichnet, die die Handhabung menschlicher

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

    Keimzellen (Ei- und Samenzellen), Keimzellgewebe oder Em-                ● Eine Infertilität liegt in der Regel nach zwölf Monaten unge-
    bryonen zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwanger-                      schützten Geschlechtsverkehrs ohne Eintritt einer Schwanger-
    schaft umfassen.                                                           schaft vor.
●   Als autolog verwendet gelten Keimzellgewebe, die entnom-                 ● Insemination bezeichnet das Einbringen nicht be- oder verar-
    men und auf dieselbe Person übertragen werden.                             beiteter Samenzellen (Nativsperma) in die Zervix (intrazervi-
●   Einrichtung der medizinischen Versorgung ist gemäß § 1a                    kale Insemination) oder aufbereiteter Samenzellen in den Ute-
    Nr. 9 TPG ein Krankenhaus oder eine andere Einrichtung mit                 rus (intrauterine Insemination) oder in den oder die Eileiter
    unmittelbarer Patientenbetreuung, die fachlich-medizinisch                 (intratubare Insemination).
    unter ständiger ärztlicher Leitung steht und in der ärztliche            ● Intrazytoplasmatische Spermiuminjektion (ICSI) bezeichnet
    medizinische Leistungen erbracht werden.                                   ein Verfahren, bei dem eine menschliche Samenzelle in eine
●   Die Einbringung eines Embryos oder mehrerer Embryonen in                   menschliche Eizelle injiziert wird.
    die Gebärmutter oder ggf. einen Eileiter wird als Embryo-                ● In-vitro-Fertilisation (IVF), auch „extrakorporale Befruch-
    transfer bezeichnet.                                                       tung“, bezeichnet die Vereinigung einer Eizelle mit einer Sa-
●   Entnahme ist gemäß § 1a Nr. 6 TPG die Gewinnung von Ge-                    menzelle außerhalb des Körpers.
    weben.                                                                   ● Keimzellen werden gemäß § 4 Abs. 30 S. 2 AMG als mensch-
●   Entnahmeeinrichtung ist eine Einrichtung, die zur Verwen-                  liche Ei- und Samenzellen definiert. Sie sind Gewebe gemäß
    dung bei Menschen bestimmte Gewebe im Sinne von § 1a                       § 1a Nr. 4 TPG, aber gemäß § 4 Abs. 30 S. 2 AMG weder Arz-
    Nr. 4 TPG gewinnt, einschließlich aller Maßnahmen, die dazu                neimittel noch Gewebezubereitungen.
    bestimmt sind, das Gewebe in einem be- oder verarbeitungsfä-             ● Keimzellgewebe (Ovargewebe und Hodengewebe) sind Gewebe.
    higen Zustand zu erhalten, eindeutig zu identifizieren und zu            ● Die Kryokonservierung bezeichnet die zu Aufbewahrungs-
    transportieren (§ 20b Abs. 1 AMG, § 2 Nr. 11 AMWHV).                       zwecken erfolgende Konservierung von Zellen und
●   Gewebe sind gemäß § 1a Nr. 4 TPG alle aus Zellen bestehen-                 Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff. Eine be-
    den Bestandteile des menschlichen Körpers, die keine Organe                sonders schnelle Methode der Kryokonservierung ist die
    im Sinne des § 1a Nr. 1 TPG sind, einschließlich einzelner                 Vitrifikation.
    menschlicher Zellen.                                                     ● Polkörperdiagnostik (PKD) bezeichnet eine indirekte Diag-
●   Gewebeeinrichtung ist gemäß § 1a Nr. 8 TPG eine Einrich-                   nostik der Eizelle auf eine bestehende genetische oder chro-
    tung, die Gewebe zum Zwecke der Übertragung entnimmt,                      mosomale Veränderung des haploiden weiblichen Chromoso-
    untersucht, aufbereitet, be- oder verarbeitet, konserviert,                mensatzes durch Beurteilung des ersten und – wenn möglich –
    kennzeichnet, verpackt, aufbewahrt oder an andere abgibt (s.               auch des zweiten Polkörpers der Eizelle im Ablauf einer IVF
    ferner § 2 Nr. 10 AMWHV).                                                  vor der Entstehung eines Embryos.
●   Gewebespenderlabor ist gemäß § 2 Nr. 13 AMWHV ein La-                    ● Ein schwerwiegender Zwischenfall ist gemäß § 63i Abs. 6
    bor, das die für die Gewebegewinnung erforderlichen Labor-                 AMG jedes unerwünschte Ereignis im Zusammenhang mit
    untersuchungen durchführt.                                                 der Gewinnung, Untersuchung, Aufbereitung, Be- oder Ver-
●   Gewinnung i. S. v. § 20b Abs. 1 AMG ist die direkte (bspw.                 arbeitung, Konservierung, Aufbewahrung oder Abgabe von
    Follikelpunktion, mikrochirurgische epididymale Spermien-                  Geweben […], das die Übertragung einer ansteckenden
    aspiration [MESA] oder die Entnahme von Ovar- oder Ho-                     Krankheit, den Tod oder einen lebensbedrohenden Zustand,
    dengewebe) oder extrakorporale (bspw. die testikuläre Sper-                eine Behinderung oder einen Fähigkeitsverlust von Patien-
    mienextraktion [TESE]) Entnahme von Gewebe einschließ-                     tinnen und Patienten zur Folge haben könnte oder einen
    lich aller Maßnahmen, die dazu bestimmt sind, das Gewebe                   Krankenhausaufenthalt erforderlich machen oder verlängern
    in einem be- oder verarbeitungsfähigen Zustand zu erhalten,                könnte oder zu einer Erkrankung führen oder diese verlän-
    eindeutig zu identifizieren und zu transportieren. Gemäß                   gern könnte. Als schwerwiegender Zwischenfall gilt auch je-
    § 1a Nr. 6 TPG ist die Gewinnung von Geweben deren Ent-                    de fehlerhafte Identifizierung oder Verwechslung von Keim-
    nahme.                                                                     zellen, Keimzellgewebe oder imprägnierten Eizellen im
●   Als heterolog verwendet bzw. donogen gelten Samenzellen ei-                Rahmen von Maßnahmen einer medizinisch unterstützten
    nes Spenders zur Übertragung auf eine Frau, mit der keine In-              Befruchtung.
    timbeziehung besteht.                                                    ● Eine schwerwiegende unerwünschte Reaktion ist gemäß § 63i
●   Als homologe Spende (Partnerspende) gilt die Spende von Sa-                Abs. 7 AMG eine unbeabsichtigte Reaktion, einschließlich ei-
    menzellen zwischen einem Mann und einer Frau, die angeben,                 ner übertragbaren Krankheit, beim Spender oder Empfänger
    eine Intimbeziehung zu führen (vgl. 2006/86 EU-Richtlinie,                 im Zusammenhang mit der Gewinnung von Gewebe […], die
    Art. 2 lit. b).                                                            tödlich oder lebensbedrohend verläuft, eine Behinderung oder
●   Imprägnierte Eizellen sind menschliche Eizellen vom Ein-                   einen Fähigkeitsverlust zur Folge hat oder einen Kranken-
    dringen oder Einbringen der menschlichen Samenzelle an                     hausaufenthalt erforderlich macht oder verlängert oder zu ei-
    bis zum Zeitpunkt der Kernverschmelzung. Innerhalb von                     ner Erkrankung führt oder diese verlängert.
    8 – 12 Stunden formieren sich in der imprägnierten Eizelle               ● Spendende Person ist gemäß § 2 Nr. 12 AMWHV eine Person,
    zwei Vorkerne bzw. Pronuklei, die den einfachen Chromo-                    der eine Gewebespende entnommen wird.
    somensatz von Mann und Frau enthalten (sog. 2-PN-                        ● Übertragung ist gemäß § 1a Nr. 7 TPG die Verwendung von
    Zellen). Imprägnierte Eizellen einschließlich der 2-PN-                    Geweben in oder an einem menschlichen Empfänger, bspw.
    Zellen sind Gewebe gemäß § 1a Nr. 4 TPG, aber gemäß                        die Verwendung menschlicher Samenzellen bei einer Insemi-
    § 4 Abs. 30 AMG weder Arzneimittel noch Gewebezu-                          nation, sowie die Anwendung beim Menschen außerhalb des
    bereitungen.                                                               Körpers, bspw. im Rahmen einer IVF.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2022.Rili_assReproduktion_2022                                                              A4
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

2.       Voraussetzungen für die Entnahme und Übertragung               2.1.3    Weitere Anforderungen an die Aufklärung gemäß
         menschlicher Keimzellen oder Keimzellgewebe                             § 630e Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 – 3 BGB
2.1      Rechtliche Vorgaben für die Information und                    Die Aufklärung erfolgt mündlich. Ergänzend kann auf Unterla-
         Aufklärung vor der Entnahme und Übertragung                    gen Bezug genommen werden, die die Patientin oder der Patient
         menschlicher Keimzellen oder Keimzellgewebe                    in Textform erhält. Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen,
Im Vorfeld der Durchführung von Maßnahmen der assistierten              dass die Entscheidung der Patientin oder des Patienten über die
Reproduktion bedarf es einer ausführlichen Information und              Einwilligung wohlüberlegt getroffen werden kann. Sie muss in
Aufklärung, um den spezifischen Anforderungen dieser Behand-            verständlicher Form und durch eine Person erfolgen, die über die
lung gerecht zu werden. Ausgehend von den nachfolgend darge-            zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung ver-
legten rechtlichen Voraussetzungen erfolgt eine Feststellung zu         fügt.
den aus medizinischer Sicht erforderlichen Inhalten der Informa-
tion und Aufklärung (vgl. 2.2).                                         2.1.4    Entbehrlichkeit der Aufklärung
                                                                        Die Aufklärung kann unter den in § 630e Abs. 3 BGB genannten
2.1.1    Voraussetzungen gemäß § 8b i. V. m. § 8 Abs. 2 TPG             engen Voraussetzungen entbehrlich sein. Nach der Rechtspre-
Keimzellen oder Keimzellgewebe unterliegen u. a. dem Anwen-             chung ist die Entbehrlichkeit auch anerkannt, wenn der Patientin
dungsbereich des TPG, mit Ausnahme von Geweben, die inner-              oder dem Patienten bestimmte Umstände aufgrund der Aufklä-
halb ein und desselben chirurgischen Eingriffs einer Person ent-        rung durch den überweisenden Arzt bereits bekannt sind und von
nommen werden, um auf diese ohne Änderung ihrer stofflichen             ihm ohne erneute Aufklärung in seine Entscheidung einbezogen
Beschaffenheit rückübertragen zu werden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1               werden konnten.
TPG). Dementsprechend sind insbesondere die Anforderungen
an den Inhalt und den Umfang der Aufklärung zu beachten. Nach           2.1.5     Weitere aufklärungsbezogene Informationspflichten
(§ 8b Abs. 1 S. 1 bzw. § 8b Abs. 2 i. V. m. § 8b Abs. 1 S. 1 bzw.       Weitere aufklärungsbezogene Informationspflichten ergeben
§ 8c Abs. 1 Nr. 1 jeweils i. V. m.) § 8 Abs. 2 S. 1 und 2 TPG ist der   sich im Kontext der Leistungen der gesetzlichen Krankenversi-
„Spender durch einen Arzt in verständlicher Form aufzuklären über       cherung für Maßnahmen im Rahmen der assistierten Reproduk-
1. den Zweck und die Art des Eingriffs,                                 tion gemäß § 27a SGB V. Dabei sind – soweit der Anwendungs-
2. die Untersuchungen sowie das Recht, über die Ergebnisse der          bereich eröffnet ist – auch Beratungs- und Aufklärungspflichten
   Untersuchungen unterrichtet zu werden,                               nach der Richtlinie des G-BA über ärztliche Maßnahmen zur
3. die Maßnahmen, die dem Schutz des Spenders dienen, sowie             künstlichen Befruchtung und der Richtlinie des G-BA zur Kryo-
   den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spät-            konservierung von Ei- oder Samenzellen oder Keimzellgewebe
   folgen der beabsichtigten Organ- oder Gewebeentnahme für             (Kryo-RL) in der jeweils beschlossenen Fassung zu beachten.
   seine Gesundheit,                                                       Die wirtschaftliche Informationspflicht gemäß § 630c Abs. 3
4. die ärztliche Schweigepflicht,                                       BGB ist insbesondere im Hinblick auf die anteilige oder vollum-
5. die zu erwartende Erfolgsaussicht der […] Gewebeübertra-             fängliche Übernahme von Behandlungskosten zu beachten. Es
   gung und die Folgen für den Empfänger sowie sonstige Um-             ist im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärung auch darauf hin-
   stände, denen er erkennbar eine Bedeutung für die Spende             zuweisen, dass gemäß § 27a Abs. 4 SGB V ein Anspruch auf
   beimisst, sowie über                                                 Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keim-
6. die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten.                 zellgewebe sowie auf die dazugehörigen medizinischen Maßnah-
Der Spender ist darüber zu informieren, dass seine Einwilligung         men besteht, wenn die Kryokonservierung wegen einer Erkran-
Voraussetzung für die […] Gewebeentnahme ist.“                          kung und deren Behandlung mit einer keimzellschädigenden
                                                                        Therapie medizinisch notwendig erscheint, um spätere medizini-
2.1.2     Ergänzende Anwendung von § 630c und § 630e BGB                sche Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vor-
Darüber hinaus gelten die Vorschriften über den Behand-                 nehmen zu können.
lungsvertrag (§§ 630a ff. BGB) auch für die Behandlung im                  Über die Möglichkeit einer gesonderten vertraglichen Abrede
Rahmen der assistierten Reproduktion. § 630c Abs. 2 BGB                 zur Aufbewahrungsdauer von kryokonserviertem Gewebe, ggf.
enthält bspw. die Verpflichtung, der Patientin oder dem Pa-             über die in § 2 Abs. 3 Kryo-RL genannten Altersgrenzen hinaus,
tienten sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstän-               sollte die Patientin oder der Patient informiert werden.
de, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesund-
heitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der             2.2      Feststellungen zu den aus medizinischer Sicht erfor-
Therapie zu ergreifenden Maßnahmen, zu erläutern. Der Arzt                       derlichen Inhalten der Information und Aufklärung
ist ferner gemäß § 630e Abs. 1 BGB verpflichtet, die Patien-
tin oder den Patienten über sämtliche für die Einwilligung              2.2.1     Information vor der Entnahme und Übertragung
wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbeson-                         menschlicher Keimzellen oder Keimzellgewebe
dere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und                Eine ausführliche Information hat im Rahmen der assistierten
Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlich-               Reproduktion einen besonderen Stellenwert und muss individu-
keit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Di-             ell an die jeweilige persönliche und gesundheitliche Situation der
agnose oder die Therapie. Es ist auch auf Alternativen zur              Betroffenen angepasst erfolgen. Die Infertilität ist dabei grund-
Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch glei-                    sätzlich als gemeinsames Problem von Frau und Mann anzuse-
chermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich                 hen. Insbesondere die verschiedenen, die Fertilität beeinflussen-
unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschan-               den Faktoren, die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit nach ei-
cen führen können.                                                      nem gewählten Verfahren und die spontane, behandlungsunab-

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

hängige Schwangerschaftswahrscheinlichkeit sollten in die der                2.2.2     Inhalt der Aufklärung im Allgemeinen
Aufklärung vorgeschaltete Information einbezogen werden.                     Im Rahmen der skizzierten rechtlichen Vorgaben sind bei der
   Epidemiologische Daten zeigen, dass bei ungeschütztem Se-                 Aufklärung der Frauen und ggf. der Männer vor einer Maßnahme
xualverkehr 92 % der Frauen im Alter von 19 bis 26 Jahren nach               der assistierten Reproduktion die folgenden medizinischen As-
einem Jahr sowie 98 % in dieser Altersgruppe nach zwei Jahren                pekte einzubeziehen:
schwanger sind. In der Altersgruppe der Frauen von 35 bis 39                 Zu „Zweck und Art des Eingriffs“:
Jahren sind 82 % nach einem Jahr schwanger und 90 % der Frau-                ● Ursachen der Kinderlosigkeit,
en nach zwei Jahren.                                                         ● Ablauf des jeweiligen Verfahrens,
   Frauen, bei denen keine Eileiter oder keine Eizellen vorhan-              ● Möglichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft ohne Maß-
den sind und bzw. oder bei denen die Gebärmutter nicht angelegt                 nahmen der assistierten Reproduktion,
ist oder operativ entfernt wurde, gelten als absolut infertil. Bei           ● Festlegung der Höchstzahl der einzeitig zu transferierenden
Männern besteht bspw. bei beidseitiger Anorchie ebenfalls eine                  Embryonen,
absolute Infertilität. Eingeschränkte Fertilität beschreibt hinge-           ● Möglichkeit der Kryokonservierung von Samenzellen, Eizel-
gen ein Kontinuum zwischen regelrechter Fertilität und absoluter                len, Hodengewebe und imprägnierten Eizellen,
Infertilität, d. h. es besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer           ● Kryokonservierung von Embryonen für den Fall, dass diese
spontanen Konzeption. Die Prävalenz der Infertilität liegt in Mit-              aus unvorhergesehenem Grund nicht transferiert werden kön-
teleuropa bei 7 – 9 %. Allerdings ist zu beachten, dass die Präva-              nen.
lenz der Infertilität mit steigendem Alter der Frau als Ausdruck             Zu „Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung“ der Maßnahme:
der natürlichen Erschöpfung der Eierstockreserve zunimmt. Es                 ● Dauer des Kinderwunsches,
gilt, dass jenseits des 45. Lebensjahres die überwiegende Mehr-              ● Alter der Frau und des Mannes,
zahl der Frauen physiologisch infertil ist.                                  ● Indikationsstellung zur Maßnahme.
   Es können bei allen Geschlechtern organische Voraussetzun-                Bei der Indikationsstellung für bestimmte Verfahren sind neben
gen oder Erkrankungen vorliegen, die die Fertilität herabsetzen,             dem Alter der Betroffenen die Dauer des unerfüllten Kinderwun-
diese wiederum können beeinflussbar bzw. therapierbar oder un-               sches, der Zustand der Eileiter, das Vorliegen von Risikofaktoren
veränderlich sein. Beeinflussbare Faktoren der verminderten                  wie bspw. einer Endometriose, die Eierstockreserve, vorausge-
Zeugungsfähigkeit können u. a. Hormonstörungen sein, die                     gangene Behandlungszyklen sowie die Ejakulatqualität zu be-
bspw. bei der Hypothyreose gut zu therapieren sind. Veränderun-              rücksichtigen.
gen oder Schädigungen der Eileiter, welche die Konzeptions-                  Zu „Umfang“ der Maßnahme:
wahrscheinlichkeit negativ beeinflussen, insbesondere ein dista-             ● Vorbehandlung mit Hormonstimulation,
ler Verschluss mit vorliegender Sactosalpinx, sollten zunächst               ● Eizellentnahme,
operativ korrigiert bzw. durch Salpingektomie saniert werden.                ● Sedierung/Narkose bei Eizellentnahme,
Eine vorhandene Endometriose kann mit Laparoskopie gesichert                 ● Embryotransfer,
und ggf. operativ entfernt bzw. konservativ medikamentös thera-              ● hormonelle Unterstützung der Lutealphase.
piert werden. Ein weiterer wesentlicher und unveränderlicher                 Zu „Durchführung“ der Maßnahme:
Einflussfaktor bezüglich der Fertilität ist das Alter der Betroffe-          ● Überwachung der hormonellen Stimulation mittels Ultra-
nen. Andere unveränderliche Einflussfaktoren können geneti-                     schall/Hormonanalysen,
scher Natur sein (z. B. Mikrodeletion des Y-Chromosoms, gene-                ● ultraschallgesteuerte oder ggf. laparoskopische Eizellentnahme,
tische Erkrankungen wie Zystische Fibrose oder Varianten der                 ● weiterer Umgang mit Eizellen/Samenzellen/Embryonen,
Geschlechtschromosomen wie Klinefelter-Syndrom oder Turner-                  ● Embryotransfer.
Syndrom).                                                                    Zu „Maßnahmen, die dem Schutz des Spenders dienen, sowie
   Auch das Verhalten der Betroffenen hat Einfluss sowohl                    den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spätfol-
auf die Wahrscheinlichkeit einer Spontankonzeption als auch                  gen“ der beabsichtigten Entnahme von Keimzellen oder Keim-
auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit im Rahmen von                     zellgewebe für die Gesundheit:
Maßnahmen der assistierten Reproduktion. So mindern                          ● Zystenbildung nach Stimulationsbehandlung,
bspw. Übergewicht oder Nikotinkonsum der Frau oder des                       ● Überstimulationsreaktionen,
Mannes sowie Untergewicht der Frau die Wahrscheinlichkeit                    ● Nebenwirkungen von Medikamenten,
für das Eintreten einer Schwangerschaft. Ebenfalls einen we-                 ● operative Komplikationen bei Follikelpunktionen oder bei der
sentlichen Einfluss auf die spontane Schwangerschaftswahr-                      Entnahme von Keimzellgewebe.
scheinlichkeit haben insbesondere die Häufigkeit und der                     Zu der zu erwartenden „Erfolgsaussicht“ der Übertragung
Zeitpunkt des vaginalen Verkehrs. Psychische Faktoren wie                    menschlicher Keimzellen oder Keimzellgewebe und die „Folgen
alltagsbedingter Stress werden bezüglich ihrer Auswirkung                    für den Empfänger sowie sonstige Umstände“, denen erkennbar
auf die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit eher über-                        eine Bedeutung für die Spende beigemessen wird:
schätzt. Von vielen Frauen und Männern wird psychischer                      ● Zu erwartende Erfolgswahrscheinlichkeit des jeweiligen Ver-
Stress als einer der wichtigsten ursächlichen Faktoren für                      fahrens (Schwangerschafts- und Lebendgeburtenwahrschein-
Fertilitätsstörungen angesehen. In einer deutschen Stichpro-                    lichkeit) in Abhängigkeit vom Alter der Frau und ggf. weiterer
be wurde der berufliche Stress von 34 % der Männer und 39                       Risikofaktoren bei Durchführung eines oder mehrerer Behand-
% der Frauen als Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch                       lungszyklen,
angegeben. Tatsächlich aber ist eine kausale Rolle von Stress                ● Abortrisiko in Abhängigkeit vom Alter der Frau,
bei Fertilitätsstörungen wissenschaftlich immer noch sehr                    ● Eileiterschwangerschaft und weitere Komplikationen in der
umstritten.                                                                     Schwangerschaft,

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2022.Rili_assReproduktion_2022                                                                A6
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

● die durch die Stimulation sowie die einzeitige Übertragung       ● heterologe Verwendung von Samenzellen,
   von mehreren Embryonen bedingte erhöhte Mehrlingswahr-          ● Verzicht auf ein Kind.
   scheinlichkeit und die damit verbundenen mütterlichen und       Weitere „für die Behandlung wesentliche Umstände“:
   kindlichen Risiken (u. a. in Folge der Frühgeburtlichkeit),     Im Einzelnen ist aus psychosozialer Sicht insbesondere zu infor-
● Risiko von psychischen und physischen Auffälligkeiten bei        mieren, aufzuklären und zu beraten über:
   Kindern im Kontext einer Kinderwunschbehandlung,                ● Abbau von Schuld- und Schamgefühlen (vor genauen Erläute-
● Risiken neuer Verfahren, deren endgültige Risikoeinschät-           rungen sollte sich der behandelnde Arzt auch einen Überblick
   zung nicht geklärt ist.                                            über das vorhandene Wissen der Betroffenen über biologische
Im Rahmen der Anwendung von Maßnahmen der assistierten                Zusammenhänge verschaffen),
Reproduktion ist die Schwangerschafts- und Lebendgeburten-         ● psychische Belastungen während der Therapie (der durch die
wahrscheinlichkeit in erster Linie vom Alter der Frau und ihrer       medizinische Behandlung verursachte psychische Stress kann
anzunehmenden Eizellreserve sowie vom gewählten Verfahren             belastender erlebt werden als die medizinische Behandlung),
abhängig. Die Aneuploidierate der Eizellen hat eine wesentliche    ● möglichen Einfluss psychosozialer Faktoren im Sinne einer
Bedeutung für die Erlangung einer Schwangerschaft auch unab-          verhaltensbedingten Fertilitätsstörung (bspw. gestörtes Ess-
hängig vom Therapieverfahren. Die entscheidenden Prognose-            verhalten, Hochleistungssport, Genuss- und Arzneimittelmiss-
faktoren für die Erzielung einer Geburt sind neben der auch al-       brauch, kein Geschlechtsverkehr an den fruchtbaren Tagen,
tersabhängigen Aneuploidie der Eizellen die Anzahl und die Ent-       nicht organisch bedingte sexuelle Funktionsstörung),
wicklungsfähigkeit der transferierten Embryonen. Angaben zur       ● mögliche Auswirkungen auf die Paarbeziehung und auf die
Schwangerschafts- und Lebendgeburtenwahrscheinlichkeit kön-           Sexualität,
nen die internationalen und nationalen Register bieten, wobei      ● mögliche Steigerung des Leidensdrucks der Kinderlosigkeit
diese altersspezifisch zu betrachten sind, da die Schwanger-          bei erfolgloser Behandlung (mögliche depressive Reaktion bei
schafts- und Lebendgeburtenwahrscheinlichkeiten der jeweili-          Misserfolg),
gen gewählten Methode der assistierten Reproduktion im We-         ● Entwicklung alternativer Perspektiven (bspw. Adoption, Pfle-
sentlichen vom Alter der Frau und ihrer anzunehmenden Eizell-         gekind, Verzicht auf Therapie).
reserve abhängen. Bei dem Verfahren der intrauterinen Insemina-    Es ist fachwissenschaftlich beschrieben, dass Betroffene mit ei-
tion mit Stimulation ist von der European Society of Human Re-     ner Risikobelastung bezüglich psychischer Störungen während
production and Embryology (ESHRE) für das Jahr 2016 durch-         der Behandlung vermehrt Depressivität, Ängstlichkeit und bzw.
schnittlich eine Geburtenwahrscheinlichkeit pro Zyklus von         oder eine manifeste psychische Erkrankung entwickeln. Insbe-
8,9 % anzunehmen, bei einer heterologen Insemination von           sondere in diesen Fällen sollten die Betroffenen unabhängig vom
12,4 %. Nach den Daten des Deutschen IVF-Registers e. V.           Stadium der assistierten Reproduktion und insbesondere bei frü-
(DIR) ist von einer durchschnittlichen Geburtenwahrscheinlich-     heren negativen Erfahrungen mit der Infertilität oder mehreren
keit bei der IVF und/oder ICSI-Methode von etwa 20 % pro           erfolglosen Behandlungszyklen auf die Möglichkeit einer be-
Punktion auszugehen.                                               handlungsunabhängigen ärztlichen Beratung (d. h. außerhalb der
   Das Ziel der Eizellgewinnung ist die Entnahme von reifen Ei-    medizinisch assistierten Reproduktion) und die Möglichkeit ei-
zellen, um nach deren späterer Verarbeitung Embryonen transfe-     ner behandlungsunabhängigen psychosozialen Beratung im Sin-
rieren zu können. Diese sollen dann zu einer Schwangerschaft       ne emotionaler Unterstützung und Hilfe bei der Problembewälti-
und zur Geburt eines Kindes führen. Vor Beginn der Maßnahme        gung hingewiesen werden. Im Falle der Entwicklung einer psy-
sind die Betroffenen über folgende Fakten zu informieren:          chischen Erkrankung sollen die Betroffenen auf die Möglichkeit
● Nicht jede gewonnene Eizelle ist geeignet, da ein Teil der ge-   einer psychotherapeutischen Behandlung hingewiesen werden.
   wonnenen Eizellen avital ist, ihre meiotische Reifeteilung
   oder zytoplasmatische Reifung noch nicht so weit durchlaufen    2.2.3     Ergänzende Inhalte der Aufklärung bei der heterologen
   hat, dass sich die Eizelle im Stadium der Befruchtungsfähig-              Verwendung von Samenzellen
   keit (Metaphase-II) befindet.                                   Eine Einrichtung, in der Samen zur heterologen Verwendung
● Nicht jede geeignete Eizelle wird sich durch IVF oder ICSI       für eine assistierte Reproduktion gewonnen wird, hat sicherzu-
   befruchten lassen.                                              stellen, dass der Samenspender vor der Gewinnung des Samens
● Nicht jede befruchtete Eizelle ist entwicklungsfähig und wird    gemäß § 2 Abs. 1 SaRegG aufgeklärt worden ist. Eine Einrich-
   die Präimplantationsentwicklung bis in das Blastozystenstadi-   tung der medizinischen Versorgung hat vor einer heterologen
   um regelhaft durchlaufen.                                       Verwendung von Samen für eine assistierte Reproduktion si-
● Nicht jede Blastozyste und nicht jeder entwicklungsfähige        cherzustellen, dass die Empfängerin der Samenspende gemäß
   Embryo wird sich nach dem Transfer einnisten.                   § 4 SaRegG aufgeklärt worden ist. Darüber hinaus sollen die
● Nicht jede Schwangerschaft führt zur Geburt eines Kindes.        Betroffenen über die möglichen psychosozialen Probleme, die
Zu „zu erwartenden Folgen und Risiken“:                            sich daraus für das Kind, den Samenspender und die Wunschel-
● Schwangerschaftsrisiken in Abhängigkeit von Alter und Ge-        tern ergeben können (bspw. eigene Familiengründung des Sa-
   sundheitszustand der Frau,                                      menspenders, die zur Zeugung von möglichen Halbgeschwis-
● hinsichtlich der Entnahme von Keimzellgewebe: Risiko einer       tern führen kann, mögliche Kontaktaufnahme durch mittels Sa-
   Reduktion der endokrinen und reproduktiven Ovarialfunktion.     menspende gezeugte Kinder/Erwachsene mit dem Samenspen-
Zu „Alternativen zur Maßnahme“:                                    der), beraten werden. Dabei soll besonderes Gewicht auf die
● Versuch der Spontankonzeption,                                   Entwicklung einer Paarbeziehung sowie auf die Frage der künf-
● Adoption,                                                        tigen Aufklärung des Kindes über seine genetische Abstam-
● Pflegekind,                                                      mung gelegt werden.

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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

   Der Arzt nimmt keine rechtliche Beratung vor. Aufgrund der                tur, z. B. Mikrodeletion des Y-Chromosoms, genetische Erkran-
komplexen Gesetzeslage und der weitreichenden Konsequenzen                   kungen wie Zystische Fibrose, oder Varianten der Geschlechts-
wird in diesem Zusammenhang empfohlen, auf die Möglichkeit                   chromosomen wie Klinefelter-Syndrom oder Turner-Syndrom.
einer rechtlichen Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Notar               Aktuelle Studien zeigen kein erhöhtes Risiko für nicht hereditäre
hinzuweisen.                                                                 onkologische Erkrankungen oder Fehlbildungen einschließlich
   Untersuchungen haben ergeben, dass die Betroffenen die In-                kardialer Fehlbildungen bei Nachkommen ehemaliger kinderon-
formation über Möglichkeiten der weiterführenden psychosozia-                kologischer Patientinnen und Patienten als Folge der fertilitätser-
len Beratung häufig als unzureichend empfinden. Daher sollte                 haltenden Interventionen.
den Betroffenen eine weiterführende psychosoziale Beratung                       Im Rahmen der Information ist darauf hinzuweisen, dass die
durch entsprechend qualifizierte ärztliche oder psychologische               Fertilitätsprotektion bei schweren Erkrankungen bei postpuber-
Psychotherapeuten und bzw. oder psychosoziale Beratungsstel-                 tären Patienten bereits seit über 30 Jahren und bei postpubertären
len empfohlen werden.                                                        Patientinnen in den letzten 10 – 15 Jahren ein standardisiertes
   Bei der Aufklärung von Männern, die Samenzellen für die he-               medizinisches Verfahren geworden ist. Während aufgrund der
terologe Verwendung spenden, sind zusätzlich mindestens die                  anatomischen Voraussetzungen die Gewinnung von Spermien
folgenden medizinischen Aspekte einzubeziehen:                               aus dem Ejakulat und, in selteneren Fällen, aus dem Hodengewe-
Zu „Zweck und Art des Eingriffs“:                                            be, zur Kryokonservierung Standardverfahren darstellen, die
● Ablauf des jeweiligen Verfahrens,                                          beim postpubertären Jungen und erwachsenen Mann innerhalb
● Eignung als Samenspender, bspw. Anamnese, körperliche Un-                  weniger Stunden nach Diagnosestellung und vor einer weiteren
   tersuchung, Infektiologie,                                                Therapie prinzipiell durchführbar sind, gehen der Kryokonser-
● Kryokonservierung von Samenzellen.                                         vierung von Keimzellen oder Keimzellgewebe bei Patientinnen
Zu der „zu erwartenden Erfolgsaussicht“ der heterologen Ver-                 deutlich aufwendigere vorbereitende Maßnahmen voraus. Über
wendung von Samenzellen und den „Folgen“ für die Empfänge-                   diese geschlechtsspezifischen Anforderungen und Maßnahmen
rin bzw. die Betroffenen sowie „sonstigen Umständen, denen er-               ist jeweils zu informieren.
kennbar eine Bedeutung für die Spende“ beigemessen wird:                         Die Erfolgsaussichten bei Patientinnen sind abhängig vom Al-
● Erfolgswahrscheinlichkeit des jeweiligen Verfahrens                        ter, von der Eizellreserve und schließlich von der Anzahl der ge-
   (Schwangerschafts- und Lebendgeburtenwahrscheinlichkeit),                 wonnenen Eizellen. Das Netzwerk „FertiProtekt“ gibt eine Ge-
● psychosoziale Folgen für den Samenspender,                                 burtenwahrscheinlichkeit von etwa 30 % an, wenn durchschnitt-
● Information des Kindes über die heterolog verwendete Sa-                   lich 11 – 13 Eizellen gewonnen wurden, was aber nicht immer
   menspende,                                                                möglich ist.
● Hinweis auf Möglichkeit der rechtlichen Beratung über Kon-                     Ob eine fertilitätsprotektive Maßnahme sinnvoll ist und wel-
   sequenzen der Samenspende.                                                che Maßnahmen hierbei empfohlen werden können, sollte sich
                                                                             bei Patientinnen an folgenden Kriterien orientieren:
2.3         Besonderheiten der Information und Aufklärung                    ● Das Risiko eines Ausfalls der endokrinen und reproduktiven
            vor der Kryokonservierung von Keimzellen oder                        Ovarialfunktion durch die Therapie oder bei einer entspre-
            Keimzellgewebe wegen einer keimzellschädigenden                      chenden genetischen Besonderheit sollte für den späteren Kin-
            Therapie oder bei genetischen Besonderheiten mit                     derwunsch als mittel bis hoch geschätzt werden. Dieses Risiko
            einem Keimzellmangel                                                 ist sowohl von Art und Dosis der geplanten Therapie, bzw. der
                                                                                 Dosis und Lokalisation der geplanten Bestrahlung, als auch
2.3.1      Ergänzende Information vor der Entnahme und Kryo-                     von der ovariellen Reserve zum Zeitpunkt der Beratung ab-
           konservierung menschlicher Keimzellen oder Keimzell-                  hängig und sollte im Individualfall abgeschätzt werden.
           gewebe wegen einer keimzellschädigenden Therapie                  ● Die Erkrankung und das Alter der Patientin bei Durchführung
           oder bei genetischen Besonderheiten mit einem Keim-                   der fertilitätsprotektiven Maßnahmen sollten mit hinreichen-
           zellmangel                                                            der Wahrscheinlichkeit eine spätere Erfüllung des Kinderwun-
Konzepte des Fertilitätserhalts im Falle einer keimzellschädigen-                sches noch realisierbar machen.
den Therapie oder bei genetischen Besonderheiten mit einem                   ● Eine spätere Schwangerschaft sollte im Hinblick auf Schwan-
Keimzellmangel müssen integraler Bestandteil der Information                     gerschafts- und Geburtsverlauf sowie die Kindsgesundheit
sein. Insbesondere bei onkologischen Erkrankungen ist die Aus-                   grundsätzlich mit der zugrundeliegenden Erkrankung und der
nahmesituation der Betroffenen angesichts einer lebensbedrohli-                  erfolgten Therapie vereinbar sein.
chen Situation einzubeziehen. Eine (potenzielle) therapiebeding-             ● Die fertilitätsprotektive Therapie sollte ohne relevante Ver-
te Infertilität kann als zusätzliche existenzielle Begrenzung und               schlechterung der Prognose der Patientin durchführbar sein. Hier
Herausforderung wahrgenommen werden, mit den damit einher-                      ist vorrangig die durch eine fertilitätsprotektive Therapie entste-
gehenden intensiven emotionalen Belastungen und einer doppel-                   hende Verzögerung des Beginns der kurativen Behandlung maß-
ten Bedrohung durch die Erkrankung und eine später mögliche                     geblich.
Kinderlosigkeit. Medizinischer Hintergrund der Interventionen                ● Bei der Abwägung, ob eine Ovargewebe-Entnahme empfoh-
sind sowohl maligne Erkrankungen (ca. 90 % der Fälle), wie                       len werden kann, ist darüber hinaus das zu erwartende Metas-
Mammakarzinome, Lymphome, Hoden- oder Ovarialtumore, als                         tasierungsrisiko unter Einbeziehung des Ovars und entspre-
auch nicht-maligne Erkrankungen (ca. 10 % der Fälle), wie rheu-                  chend das Risiko der Übertragung von Metastasen zu berück-
matoide Arthritis, Glomerulonephritiden, Thalassämie oder En-                    sichtigen.
dometriose, bei denen eine keimzellschädigende Therapie indi-                Im Falle einer komplikationslosen Gewebeentnahme kann die wei-
ziert ist, oder unveränderliche Einflussfaktoren genetischer Na-             tere Therapie zeitnah, im Idealfall am Folgetag, initiiert werden.

Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2022.Rili_assReproduktion_2022                                                                     A8
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER

   Ob eine fertilitätsprotektive Maßnahme sinnvoll ist und wel-       nahmen zur Kryokonservierung, die Risiken der Maßnahme
che Maßnahmen hierbei empfohlen werden können, sollte sich            selbst und die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Gewinnung von
bei Patienten an folgenden Kriterien orientieren:                     Keimzellen oder Keimzellgewebe.
● Das Risiko einer Störung der Samenproduktion, der potenzielle          Bei Patientinnen sind ggf. Kontraindikationen gegen Be-
   Ausfall der endokrinen Hodenfunktion oder die Störung der          handlungsmaßnahmen im Rahmen der assistierten Reprodukti-
   Samendeposition ist sowohl von Art und Dosis der geplanten         on bzw. gegen eine Gravidität zu erwähnen. Bei der Entnahme
   operativen oder medikamentösen Therapie, bzw. der Dosis und        und autologen Transplantation von prämaturem Ovargewebe ist
   Lokalisation der geplanten Bestrahlung, abhängig. Bei Patien-      auf die experimentelle Studienlage der Maßnahme und die
   ten ist das Ausmaß einer potenziell dauerhaften Schädigung der     nicht abschätzbaren Erfolgsaussichten hinzuweisen. Über die
   Samenzellbildung nicht sicher abschätzbar, da eine individuelle    Risiken des jeweiligen operativen Eingriffs ist nach etablierten
   Empfindlichkeit der Spermatogenese ebenso wie eine gewisse         Grundsätzen aufzuklären. Inhalt der Aufklärung soll im Beson-
   Abhängigkeit von einer bestehenden Vorschädigung der Ho-           deren sein:
   denfunktion zu beobachten sind. Eine Einschätzung der Fertili-     ● Verlust von Keimzellgewebe, welches für eine spätere Wie-
   tät und möglicher Vorschädigungen kann durch eine Ejakulat-           derherstellung von endokriner ovarieller Aktivität und Fertili-
   untersuchung nach der Richtlinie der Weltgesundheitsorganisa-         tät fehlt,
   tion (World Health Organization, WHO 2021), ggf. zusätzlich        ● Notwendigkeit einer erneuten Operation zur autologen Trans-
   abgesichert durch Hormonwerte (mindestens FSH, LH, Testos-            plantation in weiterer Folge,
   teron) und eine Untersuchung der Hoden, erfolgen.                  ● nicht auszuschließendes Risiko autologer Transplantation ma-
● Die fertilitätsprotektive Therapie sollte ohne relevante Ver-          ligner Zellen.
   schlechterung der Prognose des Patienten durchführbar sein.        Vor der operativen autologen Übertragung des Ovargewebes soll
   Hier ist vorrangig die durch eine fertilitätsprotektive Therapie   aufgeklärt werden über:
   entstehende Verzögerung des Beginns der kurativen Behand-          ● Risiken und Belastungen einer Laparoskopie bzw. Laparoto-
   lung maßgeblich.                                                      mie inklusive des Risikos der Verletzung von Gebärmutter,
● Samenzellen werden durch Masturbation gewonnen und die                 Darm, Harnblase und Ureter,
   Kryokonservierung kann in den meisten Fällen mit der Ejaku-        ● Risiko der Erfolglosigkeit des Eingriffs (Ausbleiben des An-
   latdiagnostik kombiniert werden. Ggf. müssen mehrere Sa-              wachsens des Ovargewebes und somit keine Wiederherstel-
   menproben gewonnen werden, um ein ausreichendes Kryode-               lung der endokrinen und reproduktiven Leistung desselben;
   pot anzulegen. Dabei kann die normalerweise empfohlene Ka-            keine Wiederherstellung der Fertilität trotz Anwachsen),
   renzzeit von 2 – 7 Tagen außer Acht gelassen werden, um The-       ● Unsicherheit hinsichtlich der Zeitdauer der Wiederherstellung
   rapieverzögerungen zu vermeiden.                                      der Ovarialfunktion im Falle eines erfolgreichen Anwachsens,
● Im Fall einer Azoospermie oder einer Störung der Samende-           ● mögliche Notwendigkeit einer sich anschließenden extrakor-
   position (z. B. Anejakulation, retrograde Ejakulation) kann ei-       poralen Befruchtung mit finanziellen Kosten, Risiken, Belas-
   ne operative Hodengewebsentnahme als mikrochirurgisch as-             tungen und geschätzter Eintrittswahrscheinlichkeit einer
   sistierte oder multiple Standard-TESE angeboten und durch-            Schwangerschaft durch das Verfahren.
   geführt werden. Im Falle einer komplikationslosen testikulä-       Durch Erhebung anamnestischer Parameter (u. a. bestehenden
   ren Gewebeentnahme zur TESE kann die weitere Therapie              oder zukünftigen Kinderwunsch, vorangegangene Schwanger-
   zeitnah begonnen werden.                                           schaften und Geburten, Zyklusanamnese und Kontrazeption,
Zur Information über Chancen und Risiken sind das Alter insbe-        Grunderkrankung und geplante Therapie, Begleiterkrankungen,
sondere der Patientin und bei allen Geschlechtern die Art der         Voroperationen, Medikamenteneinnahme, Allergien, Noxenex-
Grunderkrankung, die Prognose und die Art der keimzellschädi-         position, Familienanamnese, rezente Auslandsaufenthalte) sollen
genden Therapie oder der genetischen Besonderheit eines Keim-         Vorteile, Belastungen und Risiken der geplanten Maßnahme ein-
zellmangels besonders zu berücksichtigen. Des Weiteren ermög-         geschätzt und mit der Patientin besprochen werden.
licht die Kenntnis von Art und Umfang der vorläufig geplanten            Im Hinblick auf den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt
keimzellschädigenden Therapie eine Beurteilung des Ausmaßes           sind Risiken und Belastungen infolge der Grunderkrankung und
des wahrscheinlich zu erwartenden gonadalen Schadens.                 Therapie bei der Aufklärung der Patientin und der Planung der
                                                                      Maßnahme besonders zu berücksichtigen.
2.3.2     Ergänzende Inhalte der Aufklärung vor der Entnahme,            Bei Patienten ist bei der Aufklärung nicht nur Bezug auf die
          Kryokonservierung und Übertragung menschlicher              keimzellschädigende Therapie oder auf die genetische Besonder-
          Keimzellen oder Keimzellgewebe wegen keimzellschä-          heit eines Keimzellmangels zu nehmen, sondern auch auf opera-
          digender Therapie oder bei genetischen Besonderhei-         tive Verfahren einzugehen, die die Zahl der Keimzellen reduzie-
          ten mit einem Keimzellmangel                                ren (z. B. durch eine organerhaltende Tumorenukleation) bzw.
Bei der Aufklärung bezogen auf die keimzellschädigende Thera-         entfernen (Orchiektomie ein- oder beidseitig), den Samentrans-
pie oder bei genetischen Besonderheiten eines Keimzellmangels         port durch Verschluss der ableitenden Samenwege oder die Sa-
sind Aspekte zu Art, Ausmaß und Prognose der zugrundeliegen-          mendeposition durch nervale Schädigung kompromittieren. Die-
den Erkrankung oder der genetischen Besonderheit, sowie zu Art        se Schädigungen sind in nahezu allen Fällen irreversibel.
und Ausmaß der geplanten Chemotherapie, bzw. Dosis und Lo-               Sowohl Ejakulatspermien als auch Hodengewebe zur TESE
kalisation der geplanten Bestrahlung oder einer anderen keim-         werden nach Standardprotokollen (meist im slow freezing-Ver-
zellschädigenden Therapie einzubeziehen. Teil des Aufklärungs-        fahren) kryokonserviert und können – sofern der Patient keine
gesprächs ist auch eine ausführliche Erörterung über die im Rah-      anderweitige Festlegung trifft für die Lebensspanne des Patien-
men des angegebenen Zeitfensters möglichen etablierten Maß-           ten in der Flüssig- oder Gasphase (von –196° C bis –160° C) des

A9                                                                            Deutsches Ärzteblatt | DOI: 10.3238/arztebl.2022.Rili_assReproduktion_2022
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