Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren

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Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren
Speiseöle

                     Speiseöle transparent gemacht

                     Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren

                     Wolfgang Hasenpusch

                     Unsere Nahrungsfette und -öle bestehen fast                          1. Eigenschaften der gesättigten Fettsäuren
                     ausschließlich aus Glycerinester (Triglyceride) mit                   Gesättigte Fettsäure sind unverzweigte Carb-
                     gesättigten und ungesättigten Carbonsäuren                         onsäuren mit maximal möglichen Wasserstoffen
                     verschiedener Kettenlängen (Abbildung 1). Sie werden               an den Kohlenstoff-Kettengliedern. Ab der Ca-
                     unter dem Fachbegriff „Lipide“ (griechisch „lipos“ =               prinsäure, C9H19COOH, weisen sie bei Raum-
                     Fett) zusammengefasst. Diese durchweg                              temperatur eine feste Konsistenz auf. Glyceri-
                     wasserunlöslichen Fette haben vielfältige Aufgaben in              nester mit gesättigten Fettsäuren kommen
                     unseren Körpern zu verrichten, beispielsweise den                  hauptsächlich in tierischen Fetten vor, sind aber
                     Aufbau von Körper- und Nervenzellen. Der Unterschied               auch in pflanzlichen Fetten, wie dem Kokos- und
                     zwischen Fetten und Ölen besteht in ihren                          Palmfett oder der Kakaobutter enthalten.
                     Schmelzpunkten: Oberhalb der Zimmertemperatur von 20                  Gesättigte Fettsäuren verhalten sich gegen-
                     °C sind Öle flüssig (Abbildung 2) und Fette noch fest.             über chemischen Angriffen recht träge. Vorteil-
                     Ausschlaggebend für die Eigenschaften sind die                     haft wirkt sich diese Eigenschaft auf die Haltbar-
                     gesättigten und ungesättigten Fettsäuren am Glycerin,              keit aus, denn sie sind relativ unempfindlich ge-
                     von denen etwa 200 bekannt sind. Diese Eigenschaften               gen Sonnenlicht, Oxidation an der Luft sowie
                     sind auch für zahlreiche chemische Reaktionen                      auch gegen Hitze.
                     verantwortlich, innerhalb und außerhalb unseres Körpers.              Als Bestandteil der Ernährung sind kurzkettige
                                                                                        Fettsäuren leichter verdaulich als z. B. die lang-
                                                                                        kettige Stearinsäure aus dem Rindertalg.
                                                                                           Langkettige gesättigte Fettsäuren haben einen
                                                                                        hohen Schmelzpunkt und sind bei Körpertempe-
                                                                                        ratur fest. Sie sind im Milchfett, in Fischölen
                                                                                        oder auch in Pflanzensamen und der Erdnuss
                                                                                        enthalten.
                                                                                           Im Körper dienen sie als Energie-Lieferant so-
                                                                                        wie zum Aufbau stabiler Zell-Membranen. Eine
                                                                                        unangenehme Eigenschaft ist das Verkleben der
                                                                                        Blutplättchen, die dadurch Arterien verstopfen
                                                                                        können, und das umso mehr, je höher der
                                                                                        Schmelzpunkt der Fettsäure liegt. Auch Krebs-
                                                                                        Geschwulste enthalten hohe Konzentrationen
                                                                                        an langkettigen, gesättigten Fettsäuren.
                                                                                           Unser Körper kann diese gesättigten Fettsäu-
                                                                                        ren aus Zucker und anderen Kohlehydraten auch
Abbildung 1: Triglycerinester mit drei Fettsäuren                                       selber herstellen und speichert die Überschüsse
                                                                                        für nahrungsarme Zeiten [1].
                                                                                           Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung,
                     Der Autor:                                                         DGE, empfiehlt nicht mehr als 7 bis 10 Prozent
                     Prof. Dr. Wolfgang Hasenpusch hält eine Honorar-Professur an der   der täglichen Gesamtenergie-Zufuhr durch ge-
                     Universität Siegen in industrieller anorganischer Chemie mit den   sättigte Fettsäuren abzudecken. In der Realität
                     Schwerpunkten Innovationsmanagement, Recycling und Bionik.         liegt die Aufnahme jedoch deutlich höher. Bei
                     Das weite Spektrum an bearbeiteten Themen resultiert aus der       Frauen macht der Anteil gesättigter Fettsäuren
                     vielfachen Dozenten-Tätigkeit am Deutschen Institut für            an der Gesamtenergie-Zufuhr durchschnittlich
                     Betriebswirtschaft, den Schulen der Berufsgenossenschaft           15 Prozent, bei Männern sogar 16 Prozent aus
                     Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) sowie Universitäten.    [2].

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Speiseöle

  In der Tabelle auf Seite 24 stehen die gesättig-
ten Carbon- oder Fettsäuren in der Reihe ihrer
Molekulargewichte mit ihren physikalisch, che-
mischen und Gefahrstoff-Eigenschaften aufgelis-
tet [3]. Dabei fallen die Daten-Lücken auf, weil
die Parameter zum Teil schwer zugängig sind.
Bei hohen Siedepunkten zersetzen sich die Säu-
ren, die Bestimmung der Brechungsindizes ist
durch die festen, lichtundurchlässigen Aggregat-
zustände erschwert. Hohe Flammpunkte bergen
kein Sicherheitsrisiko mehr und werden daher
seltener ermittelt.
  Die Gefahrstoff-Potenziale der gesättigten
Fettsäuren werden im Wesentlichen durch die
H-Sätze (Hazardous Statements, früher Risiko-
Sätze) bestimmt.
  Die hauptsächlich zitierten H-Sätze sind [4]:      Abbildung 2: Diverse Pflanzen-Öle.
H 315: Verursacht Hautreizungen
H 319: Verursacht schwere Augenreizungen
und                                                  Abbildung 3: Siedepunkte und Flammpunkte
H 412: Schädlich für Wasserorganismen mit            der n-Fettsäuren in Relation zu den Molekulargewichten.
langfristiger Wirkung.

   Interessant bei derartigen Tabellen sind die
Korrelationen von Siedepunkt und Flammpunkt
auf der einen Seite sowie Dichte und Brechungs-
index auf der anderen Seite im Verlauf steigen-
der Molekulargewichte.
   Zwar wird die Geradlinigkeit bei den Siede-
und Flammpunkten in Relation zum Molekular-
gewicht weitgehend bestätigt, jedoch ist bei den
Flammpunkten eine deutliche Ondulation zu
beobachten (Abbildung 3).
   Anders verhält es sich bei den Dichten und
Brechungsindizes. Während der Brechungsindex
bei kurzkettigen Fettsäuren noch bei 20 °C be-
stimmbar ist und geradlinig in Relation mit den
entsprechenden Molekulargewichten verläuft,
streben die Dichten höherer Fettsäuren parabo-
lisch einem Grenzwert zu (Abbildung 4).
   Ein Vorteil dieser Grafiken liegt in der Extra-   Abbildung 4:
und Interpolierbarkeit noch nicht auffindbarer       Dichte und Brechungsindex der n-Fettsäuren in Relation zum Molekulargewicht.
Parameter in zumeist hinreichender Genauig-
keit.

  2. Eigenschaften der
  ungesättigten Fettsäuren
  Wenn die Fettsäuren Doppelbindungen auf-
weisen und die Molekulargewichte dadurch um
jeweils zwei Wasserstoff-Atome leichter sind,
werden sie als „ungesättigt“ bezeichnet. Diese
Doppelbindungen können in abwechselnder Rei-
henfolge mit Einfachbindungen an allen Stellen
der Molekülkette auftauchen, auch mehrfach.
  Ungesättigte Fettsäuren sind aufgrund dieser
Doppelbindungen bei Raumtemperatur flüssig
und sehr reaktionsfreudig. Besonders mit dem
Luft-Sauerstoff reagieren sie leicht (Abbildung 5)

                                                                         CLB      71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021                   23
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                                  C-    Rationaler         Trivialname       Formel       M      Smp     Sdp. [°C] Fp. [°C]   Dichte    Brechungs-                H-Sätze
                                  Atome Name                                                     [°C]                         [20 °C]   index (20 °C)

                                   1      Methansäure      Ameisensäure      HCOOH      46,03    8,3     101 (Z.)       45      1,22       1,3714       226-302-314-331; EUH: 071
                                   2       Ethansäure       Essigsäure      CH3COOH     60,05    16,6      118         48,5     1,05       1,3720       226-314

CLB
                                   3       Propansäure     Propionsäure    C2H5COOH     74,08    -20,5     141          52      0,99       1,3860       226-314-335

                                   4       Butansäure       Buttersäure    C3H7COOH     88,11    -5,1      164          72      0,96       1,3980       302-314

                                   5       Pentansäure     Valeriansäure   C4H9COOH     102,13   -34       186          87      0,94       1,4085       314-412

                                   6       Hexansäure      Capronsäure     C5H11COOH    116,16    -4       205          102     0,92       1,4163       311-314

                                   7       Heptansäure     Önanthsäure     C6H13COOH    130,18   -7,2      205          115     0,91       1,4170       314-332-335

                                   8       Oktansäure       Caprysäure                  144,21   16,5      239          130     0,91       1,4285       314-412

71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
                                                                           C7H15COOH

                                   9       Nonansäure      Pelargonsäu-    C8H17COOH    158,24   12,4      254          137    0,905                    315-319-412
                                                                re
                                   10      Dekansäure      Caprinsäure     C9H19COOH    172,27   31,4      269          147     0,89                    315-319-412
                                                                                                                                                                                    Speiseöle

                                   11     Undecansäure                     C10H21COOH   186,29   29,3      280                  0,89                    315-319-335

                                   12     Dodecansäure     Laurinsäure     C11H23COOH   200,32   43,8      298          165     0,88                    318

                                   13     Tridecansäure                    C12H25COOH   214,35   41,5      308                  0,87                    315-319-335

                                   14    Tetradecansäure   Myristinsäure   C13H27COOH   228,37   54,2      326                  0,86                    keine

                                   15    Pentadecansäure                   C14H29COOH   242,40   52,3      339                  0,85                    315-319-335-413

                                   16    Hexadecansäure    Palmitinsäure   C15H31COOH   256,42    63      351,5         205     0,85                    keine

                                   17    Heptadecansäure   Margarinsäu-    C16H33COOH   270,45   61,3      364                  0,85                    315-319
                                                               re
                                   18    Octadecansäure    Stearinsäure    C17H35COOH   284,48   69,9      370                  0,84                    keine

                                   19    Nonadecansäure                    C18H37COOH   298,50   69,4    357 (Z.)                                       keine

                                   20      Icosansäure     Arachinsäure    C19H39COOH   312,52   75,5    328 (Z.)                                       keine
Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren
Speiseöle

Abbildung 5:
Oxidation und Vernetzung von ungesättigten Fettsäuren.
                                                         Abbildung 6: Gesättigte und ungesättigte n-C18-Carbonsäuren.

oder polymerisieren an den Doppelbindungen
zu ranzig schmeckenden Ölen.
   Man unterscheidet einfach-(Monoensäuren),
doppelt- (Diensäuren), dreifach- (Triensäuren)
oder mehrfach (Polyensäuren) ungesättigte Fett-
säuren.
   Diese einfach und mehrfach ungesättigten
Fettsäuren können an jeder Doppelbindung
noch in cis- und in trans-Stellung stehen bzw. in
Z- und E-Position, abgeleitet von „zusammen“
und „entgegen“.
   Die Anzahl der Fettsäure-Isomeren für jede
Kohlenstoff-Kettenlänge folgt der „Fibonacci-
Reihe“, die einst der italienische Mathematiker
Leonardo da Pisa, genannt Fibonacci 1202 aus
der Vermehrung von Kaninchen-Generationen
entwickelte:                                             Abbildung 7: Dichte und Brechungsindex der gesättigten und der ungesättigten n-
1 C: Ameisensäure → 1 Molekül                            C18-Fettsäuren in Relaltion zu den Molekulargewichten bei 20 °C.
2 C: Essigsäure → 1 Molekül
3 C: Propionsäure → 2 Isomere (Propionsäure
und Acrylsäure)                                          Abbildung 8: Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-Butensäure.
4 C: Buttersäure → 3 Isomere (E- und Z-2-But-
tersäure, 3-Buttersäure)
5 C: Valeriansäure → 5 Isomere (E- und Z-2-
Pentensäure, E- und Z-3- Pentensäure und 4-
Pentensäure)
...
18 C: Stearinsäure → 2584 Isomere.

  Betrachten wir die häufig vorkommenden
C18-Fettsäuren mit keiner Doppelbindung
(Stearinsäure), einer Doppelbindung (Ölsäure),
zwei Doppelbindungen (Linolsäure), drei Dop-
pelbindungen (Linolensäure) und vergleichen
ihre Parameter, so zeigt sich bei den Schmelz-
punkten ein wechselhafter Verlauf und einige
Schmelzpunkte sind nur im Vakuum bestimm-
bar (Abbildung 6). Die Dichten und die Bre-
chungsindizes liegen im Verlauf ihrer Moleku-

                                                                             CLB      71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021                 25
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AufsatzthemaKurz
                                                                   Speiseöle

Abbildung 9:                                                             Abbildung 12:
Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-3-Hexensäure .           Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-9-Octadecensäure.

                                                                                   largewichte allerdings so gut auf einer Geraden,
                                                                                   dass eine Extrapolation zur Ermittlung einer un-
                                                                                   bekannten Größe für den Brechungsindex der
                                                                                   Stearinsäure bei 20 °C möglich ist (Abbildung
                                                                                   7).
                                                                                     Vergleicht man die cis (Z)- und trans (E)-For-
                                                                                   men einiger Monoensäuren mit steigenden Mo-
                                                                                   lekulargewichten, so sind z. T. deutliche Unter-
                                                                                   schiede festzustellen.
                                                                                     Bei Isocrotonsäure und Crotonsäure sind es
                                                                                   die unterschiedlichen Schmelzpunkte von 15
                                                                                   und 72 °C (Abbildung 8).
                                                                                     Bei den cis- und trans-3-Hexensäuren fallen
                                                                                   die Unterschiede der Kenngrößen nur marginal
                                                                                   aus (Abbildung 9).
                                                                                     Für die cis- und trans-5-Octensäuren sind zwar
                                                                                   die Schmelzpunkte nicht auffindbar, aber die üb-
Abbildung 10: Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-5-octensäure.        rigen Parameter ähneln sich weitgehend (Abbil-
                                                                                   dung 10).
                                                                                     Auch für die cis- und trans-5-Dodecensäure war
                                                                                   die Datenlage unvollkommen (Abbildung 11).

Abbildung 11:
Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-5-Dodecensäure.         Abbildung 13: Siedepunkte und Dichte der (Z)-n-Monocarbensäuren.

26                  CLB      71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
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Abbildung 14:                                                         Abbildung 15:
Strukturen und Eigenschaften einiger Trans-Octensäuren (I).           Strukturen und Eigenschaften einiger Trans-Octensäuren (II).

  Bei den cis- und trans-9-Octadecensäuren fal-
len wieder die unterschiedlichen Schmelzpunk-
te von 17 und 45 °C wie auch der Unterschied
im Gefahrstoff-Potenzial auf (Abbildung 12).
  Stellt man die Siedepunkte und Dichten dieser
(Z) cis-n-Monocarbensäuren grafisch den Mole-
kulargewichten gegenüber, liegen die Parameter
auf einer Geraden (Abbildung 13).
  Des Weiteren stellt sich die Frage: Wie variie-
ren die Parameter unter den Isomeren von
Mono-Carbensäuren, wenn sich die Doppelbin-
dung in verschiedenen Positionen befindet?
  Dazu soll die trans-Octensäure als Beispiel mit
den Isomeren 2-, 3, 4-, 5, 6- und 7-Octensäure
dienen. Die Strukturen und Eigenschaften sind
in den Abbildung 14 und 15 dargestellt.
                                                              Abbildung 16: Siedepunkte in Relation zu den Flammpunkten der (E)-Octensäuren.
  Es zeigt sich, dass sowohl die Siedepunkte mit
den Flammpunkten (Abbildung 16) als auch die
Dichten mit den Brechungsindizes (Abbildung
17) in guter linearer Beziehung stehen, so dass
Interpolationen auf nicht auffindbare oder nicht
ermittelte Parameter möglich sind.
                                                              Abbildung 17: Brechungsindizes in Relation zu den Dichten der (E)-Octensäuren.
  2.1 Omega-3-Fettsäuren
  Während normalerweise die Zählung der Koh-
lenstoffatome von der Carbonsäure-Gruppe mit
den alpha-Kohlenstoff beginnt, hat sich die Zäh-
lung der Doppelbindungen bei ungesättigten
Fettsäuren vom anderen Ende der Kohlenstoff-
Kette etabliert, das wie beim Ende des griechi-
schen Alphabets mit Omega bezeichnet wird.
  Omega-3-Fettsäuren haben danach eine Dop-
pelbindung zwischen dritt- und viertletztem C-
Atom. Beispiele sind die dreifach ungesättigte
Linolensäure und die fünffach ungesättigte Eico-
sanpentaensäure (Abbildung 18), die in Lein-,
Hanf- und Soja-Öl bzw. im Fett von Kaltwasserfi-
schen, wie im Fett des Lachses vorkommen.

                                                                                   CLB     71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021                     27
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                                                                  Speiseöle

                                                                                   Die Anteile von gesättigten- sowie einfach-
                                                                                 und mehrfach ungesättigten Fettsäuren in den
                                                                                 verschiedenen Ölen variiert relativ stark [5]:
                                                                                 Sonnenblumenöl enthält die meisten mehrfach
                                                                                 ungesättigten Fettsäuren und Kokosöl die meis-
                                                                                 ten Anteile an gesättigten Fettsäuren (Abbildung
                                                                                 19).

                                                                                   2.3 Trans-Fettsäuren
                                                                                   Während die ungesättigten Fettsäuren in der
                                                                                 Natur in der cis-Form vorkommen, wandeln sie
                                                                                 sich bei Hitze-Einwirkung ab etwa 150 °C in die
                                                                                 trans-Form um. Diese Umwandlung geschieht
                                                                                 beim Braten oder Frittieren. Auch bei der Her-
                                                                                 stellung billiger Speiseöle können trans-Fette
                                                                                 entstehen.
                                                                                   Bei der Ölsäure beispielsweise verändert sich
Abbildung 18: Omega 3-Aminosäuren aus der Botanik und dem Meer.
                                                                                 der Schmelzpunkt von 13 nach 44 °C bei der
                                                                                 Isomerisierung von der cis- zur trans-Konfigurati-
                                                                                 on. Trans-Fettsäuren steigern den Cholesterin-
                      2.2 Omega-6-und 9-Fettsäuren                               und Blutfett-Spiegel und stehen im Verdacht,
                      Linolensäure verfügt sogar über drei Doppel-               Krebs auszulösen.
                    bindungen in Omega-3, 6 und 9-Position. Bei der                Diese Trans-Fette sind nicht in der Lage, die
                    Linolsäure handelt es sich um eine omega-6 und               Aufgaben der natürlichen Öle zu übernehmen.
                    9-Fettsäure.                                                 Ein hoher Konsum an umgewandelten Trans-Fet-
                      Die Linolsäure ist Bestandteil fast aller pflanzli-        ten erhöht den Bedarf an ungesättigten cis-Fett-
                    chen Öle. Besonders reichhaltig ist sie in Dies-             säuren.
                    tel-, Sonnenblumen, Hanf-, Sesam-, Maiskeim-                   Konsequenterweise sollten Öle nicht zu hoch
                    Öl und in Nüssen vorhanden                                   erhitzt werden, wie es bei den so beliebten Frit-
                      Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass be-                ten und Bratkartoffeln leider der Fall ist.
                    sonders Linolensäure als essentielle Fettsäure
                    folgende positive gesundheitliche Wirkungen                    3. Herstellung von Speiseölen
                    aufweist:
                    • Unterstützung der Hautgesundheit                              Speiseöle werden durch verschiedene Verfah-
                    • Beschleunigung von Heilungs-Prozessen                      ren gewonnen, von denen die Kaltpressung der
                    • Steigerung der Vitalität                                   Ölmühlen im Kollergang die schonendste Me-
                    • Regulierung des Blutdrucks und                             thode darstellt. Mit einer Heißpressung bis zu
                    • Hemmung des Tumor-Wachstums.                               100 °C lässt sich die Ausbeute ebenso erhöhen
                                                                                 wie durch die Öl-Extraktion mittels Hexan
                                                                                 (C6H14, Smp.= -95 °C, Sdp. = 89 °C, Fp. = -22
                                                                                 °C!) oder überkritischem Kohlendioxid bei ca.
Abbildung 19: Zusammensetzung der Fettsäuren gängiger Öle und Fette.             100 bar.
                                                                                    Für die Qualität der Öle stehen zahlreiche Pa-
                                                                                 rameter, die „Fett-Kennzahlen“ zur Verfügung,
                                                                                 wie Dichte, Schmelz- und Siedepunkt, Bre-
                                                                                 chungsindex, Iod-Zahl (Gramm Iod-Aufnahme/
                                                                                 100 g Öl) und viele andere [6].
                                                                                    Die weltweite Ölproduktion [7] verdoppelte
                                                                                 sich in der Periode zwischen 2005 und 2020 li-
                                                                                 near von ca. 110 bis auf 220 Millionen Tonnen/
                                                                                 Jahr (Abbildung 20). Die größten Mengen entfie-
                                                                                 len 2014 auf Palmöl (57 Mio. t), Sojaöl (46 Mio.
                                                                                 t), Rapsöl (26 Mio. t) und Sonnenblumenöl (16
                                                                                 Mio. t) [8].

                                                                                   4. Technische Anwendung von Speiseölen
                                                                                   Neben dem Einsatz der Speiseöle in der Kü-
                                                                                 che, ist es noch zum Anrühren der Malerfarben

28                 CLB      71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren
AufsatzthemaKurz
                                                        Speiseöle

und zum Holzschutz in Gebrauch. Zum Leidwe-
sen der hungernden Menschen auf der Erde,
kommen auch erhebliche Mengen der Speise-
öle, verestert mit Methanol, als Biodiesel zum
Einsatz.

 4.1 In der Küche
  Beim Kochen und Zubereiten der Speisen ist
sorgfältig auf die Zusammensetzung der Speise-
öle zu achten, um ausreichend ungesättigte
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren einzuverlei-
ben. Auch mit den Koch- und Brattemperaturen
gilt es, Vorsicht walten zu lassen, um die volle
Kraft der Öle zu erhalten.
  Über einen Mangel an Ratgebern (Abbildung
21) für das passende Öl zu Gerichten in der Kü-
che braucht man sich nicht zu beklagen, denn in
                                                     Abbildung 20: Weltproduktion der wichtigsten Speiseöle.
der Literatur und im Internet stehen zahlreiche
Ratgeber zur Verfügung [1, 9-12].

 4.2 Malerfarben                                     striche und Spachtelmassen haben die Feuchtig-
  Öle mit ungesättigten Fettsäuren dienen seit       keit im Holz behalten und so Fäulnis und Schäd-
vielen Jahrhunderten als Grundlage für Ölfarben      lings-Befall hervorgerufen. Geeignet ist etwa ein
als Mal-Utensilien. Die Öle härten durch Oxida-      Leinöl-Firnis-Anstrich. Holzschutz und farbliche
tion und Polymerisation und bilden zusammen          Fassung der Holzverschalung sind mit einem dif-
mit den Pigmenten die gewünschte Farbschicht.        fusionsoffenen Anstrichsystem, wie einem Lein-
  In der europäischen Tafelmalerei wurden vor-       öl-Firnis-Anstrich auszuführen [16].
wiegend Leinöl, Walnussöl und Mohnöl mit und
ohne Zusatzstoffen, wie Härte-Beschleuniger            4.4 Biodiesel
oder „Standöl“, das durch Erhitzen vorpolymeri-         Biodiesel ist ein Kraftstoff, der in der Verwen-
siert ist, verwendet.                                dung dem mineralischen Dieselkraftstoff gleich-
  Leinöl enthält 10-22% Ölsäure, 12-18% Linol-       kommt. Die chemische Industrie gewinnt Bio-
säure und 56-71% Linolensäure, Walnussöl ent-        diesel durch katalysierte Umesterung pflanzli-
sprechend      12,7-22,2%,   55,3-64,3%     und      cher oder tierischer Fette und Öle mit einwerti-
10,3-16,2%      und    Mohnöl     entsprechend       gen Alkoholen wie Methanol oder Ethanol als
10,5-36,8%, 41-75% und 1-9,4%.                       Fettsäuremethylester:
  In Tuben, die vor dem Eintrocknen schützen,        R1-O-CH2-CH(OR2)-CH2-OR3 + 3 H3C-OH →
kamen die Ölfarben erst 1841 durch ein Patent        HO-CH2-CH(OH)-CH2-OH + R1-O-CH3 + R2-O-CH3 + R3-O-CH3
des amerikanischen Malers John Goffe Rand
(1801–1873) auf den Markt [13].
                                                     Abbildung 21: Reichhaltige Literatur über Speiseöle.
 4.3 Holzschutz
   Öle schützen die Holzoberfläche in erster Li-
nie vor physikalischen Beeinträchtigungen, so
vor der Aufnahme von Feuchtigkeit, vor Flecken
und im Fall von Hartölen vor Kratzern. Da die
Poren verschlossen werden, lässt sich die Ober-
fläche besser reinigen. Pigmentierte oder spezi-
ell ausgerüstete Öle schützen auch vor UV-
Strahlen [14].
   Walnussöl und Leinöl, die frei von Schleim-
und Schwebstoffen sind, härten aufgrund ihrer
molekularen Beschaffenheit während der Trock-
nung aus, ohne eine klebrige Oberfläche zu hin-
terlassen. Das behandelte Holz bleibt aber trotz-
dem atmungsaktiv [15].
   Besonders beim Fachwerk sind in der Vergan-
genheit entscheidende Fehler in der Holzkon-
servierung begangen worden. Sperrende Altan-

                                                                          CLB      71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021   29
Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren
Speiseöle

                                                         Literatur / Quellen
       Als Produkte entstehen Glycerin sowie die Bio-
     diesel-Gemische.
       Biodiesel emittiert weniger Schadstoffe als der   [1] Pohl, S.: “Das Ölbuch-Speiseöle kompakt erklärt“,
     herkömmliche Diesel auf Mineralölbasis, wobei              Selbstverlag, Kempten (2000)
     der Stickoxid-Ausstoß allerdings höher liegt. Er    [2] https://www.netdoktor.de/ernaehrung/gesaettigte-fettsaeuren/
     wird aus nachwachsenden Rohstoffen gewon-           [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Fettsaeuren
     nen, ist biologisch abbaubar und hat gute           [4] https://www.gefahrstoffdaten.de/h-saetze
     Schmiereigenschaften, was beim Einsatz von          [5] https://de.wikipedia.org/wikiSpeisefette_und_Speiseoele
     schwefelarmem Diesel von Vorteil ist.               [6] https://de.wikipedia.org/wiki/Fettkennzahl
       Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es einen      [7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28915umfrage/
     breiten gesellschaftlichen Konsens zur Einfüh-             erzeugung-pflanzlicher-oele-weltweit-seit-2000-01/
     rung und Ausbau der Biodiesel-Versorgung, da er     [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenoele
     als nachhaltig und klimaschonend galt. Der          [9] https://www.fitforfun.de/abnehmen/gute-oele-5-weitere-gute-
     wachsende Verbrauch führte im Laufe der Jahre              oele-die-sich-lohnen-234760.html
     zu einem internationalen Biodiesel-Handel, der      [10] https://www.vegan.co.at/neue-oele-in-der-kueche-worauf-sie-
     zum Teil mit dem Ausbau landwirtschaftlicher               achten-sollten/
     Flächen, auch durch Brandrodung verbunden           [11] https://www.edeka-wucherpfennig.de/lebensmittel/oele/
     war. Die gesellschaftliche Akzeptanz eines flä-     [12] https://www.bioplanete.com/de/produkte/gourmet-oele.html
     chendeckenden Einsatzes hängt davon ab, ob die      [13] https://de.wikipedia.org/wiki/oelfarbe
     eingesetzten Rohstoffe nachhaltig bereitgestellt    [14] https://de.wikipedia.org/wiki/Holzschutzmittel
     werden und nicht in Nutzungskonkurrenz mit          [15] https://www.landhaus-shop.de/magazin/leinoel-holz/
     der Nahrungs- und Futtermittelproduktion gera-      [16] https://www.haus.de/bauen/fachwerksanierung-diese-fehler-
     ten oder zum vermehrten Aussterben von Arten               sollten-sie-vermeiden
     führen [17, 18]. �                                  [17] WELT: „Artensterben: Orang Utans – die Opfer des Palmöl-
                                                                Booms“. 18. November 2009.
                                                         [18] https://de.wikipedia.org/wiki/Biodiesel

30   CLB   71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren
Der neueste Stand – aktuelle Informationen
                                Speiseöle  zu früheren CLB-Artikeln
                     Polyethylen chemisch und energiesparend recyceln
Zu CLB 1/2-2020, 22-29:                                                             Chemiker nutzen hierfür „Sollbruchstellen“ auf mo-
Entwicklungen im Bereich                                                            lekularer Ebene, welche ein Auftrennen der Polymer-
des Kunststoffrecyclings                                                            kette in kleinere molekulare Bausteine ermöglichen.
                                                                                    Der Schlüssel für das neue Verfahren sind Kunststof-
                                                                                    fe mit einer geringen Dichte an Sollbruchstellen in
                                                                                    der Polyethylenkette, so dass die kristalline Struktur
                                                                                    und die Materialeigenschaften nicht beeinträchtigt
                                                                                    werden. Diese Klasse von Kunststoffen ist übrigens
                                                                                    gut für den 3D-Druck geeignet.
                                                                                       Das Forschungsteam demonstrierte das chemische
                                                                                    Recycling-Verfahren an polyethylenartigen Kunststof-
                                                                                    fen auf Pflanzenölbasis. Für das Verfahren sind ledig-
                                                                                    lich Temperaturen von rund 120 Grad nötig. Die
                                                                                    Chemiker zeigten zudem auch das chemische
                                                                                    Recycling aus Gemischen mit anderen Kunststoffen,
                                                                                    wie sie in Abfallströmen vorkommen. Die wiederge-
Handyhülle per                                                                      wonnen Materialien sind in ihren Eigenschaften dem
3D-Druck aus                                                                        Ausgangsmaterial ebenbürtig.
dem recycelten                                                                         Veröffentlichung: M. Häußler et al.: Closed-Loop
Kunststoff (Foto:
AG Mecking, Uni                                                                     Recycling of Polyethylene-Like Materials; Nature
Konstanz).                                                                          590, S. 423–427, 17. Februar 2021.

                     Rechenoperationen beim Farbensehen im Insektenhirn
                                          Grundsätzlich sind farbopponen-           genetischer Methoden detaillierte Einblicke in die
Zu CLB 11/12-2018, 516-543:             te Rechenoperationen essentiell             nachgeschalteten Nervenzellen und in ganze neuro-
Farbensehen je nach                     für das Farbensehen in Wirbeltie-           nale Schaltkreisen zu erlangen. Forscher fanden her-
Lebensumfeld                            ren – wie auch bei Menschen. Sie            aus, dass bestimmte Nervenzellen, nämlich die des
                                        sorgen dafür, dass spezialisierte           Typus Dm8, durch Licht im blauen und grünen Wel-
                     Nervenzellen durch Licht bestimmter Wellenlängen               lenlängenbereich erregt und durch Licht im ultravio-
                     erregt und durch Licht anderer Wellenlängen ge-                letten Bereich gehemmt werden. Anders als
                     hemmt werden. Diese Gegenfarbenneurone ermögli-                angenommen, erhalten diese Nervenzellen dabei Ein-
                     chen einen wichtigen Vorteil: das Feststellen von              gangssignale von allen fünf Klassen von Fotorezepto-
                     spektralem Kontrast in einer visuellen Szene, in der           ren des Auges der Fruchtfliege. Abgesehen von
Kopf und Augen       keine Helligkeitsunterschiede feststellbar sind. Ver-          artspezifischen Anpassungen zeigen diese Daten,
der Fruchtfliege     haltensexperimente und seltene elektrophysiologi-              dass die grundlegenden neuronalen Mechanismen
(Foto: C. Schnait-   sche Messungen vor allem im Gehirn von Bienen                  des Farbensehens in Fliegen- und zum Beispiel Säu-
mann, Uni Frei-
burg).               legten seit längerem nahe, dass in Insektengehirnen            getiergehirnen auf ähnliche Art und Weise erfolgen.
                                                           ganz ähnliche              Als das Team die beteiligten Nervenzellen und
                                                           Mechanismen              Schaltkreise untersuchte, entdeckte es weitere Über-
                                                           ablaufen.                raschungen: Eine Klasse von Fotorezeptoren, die vor-
                                                              Nun ist es ge-        wiegend im blauen und grünen Wellenlängenbereich
                                                           lungen, im Mo-           empfindlich ist, überträgt ihre Informationen über ei-
                                                           dellorganismus           nen unbekannten, noch zu erforschenden Signalme-
                                                           F r u c h t fl i e g e   chanismus. Die Wissenschaftler fanden zudem
                                                           (Drosophila me-          heraus, dass neuronale Elemente, die bisher aus-
                                                           lanogaster) mit-         schließlich dem Bewegungssehsystem zugerechnet
                                                           hilfe             des    wurden, Signale von Fotorezeptoren mit sehr breiter
                                                           optischen                spektraler Sensitivität auf Dm8-Nervenzellen übertra-
                                                           Messverfah-              gen. Dies zeigt, dass neuronale Schaltkreise des Farb-
                                                           rens der funkti-         und Bewegungssehens in weit engerem Austausch
                                                           onellen             2-   miteinander stehen, als bisher angenommen.
                                                           Photonen La-               Veröffentlichung: M. Pagni et al.: Interaction of
                                                           ser-Scanning-            ‚chromatic‘ and ‚achromatic‘ circuits in Drosophila
                                                           Mikroskopie              color opponent processing; Current Biology, 25. Fe-
                                                           sowie mittels            bruar 2021.

                                                                                    CLB    71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021             31
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