Speiseöle transparent gemacht - Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren
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Speiseöle Speiseöle transparent gemacht Von gesättigten und ungesättigten Fettsäuren Wolfgang Hasenpusch Unsere Nahrungsfette und -öle bestehen fast 1. Eigenschaften der gesättigten Fettsäuren ausschließlich aus Glycerinester (Triglyceride) mit Gesättigte Fettsäure sind unverzweigte Carb- gesättigten und ungesättigten Carbonsäuren onsäuren mit maximal möglichen Wasserstoffen verschiedener Kettenlängen (Abbildung 1). Sie werden an den Kohlenstoff-Kettengliedern. Ab der Ca- unter dem Fachbegriff „Lipide“ (griechisch „lipos“ = prinsäure, C9H19COOH, weisen sie bei Raum- Fett) zusammengefasst. Diese durchweg temperatur eine feste Konsistenz auf. Glyceri- wasserunlöslichen Fette haben vielfältige Aufgaben in nester mit gesättigten Fettsäuren kommen unseren Körpern zu verrichten, beispielsweise den hauptsächlich in tierischen Fetten vor, sind aber Aufbau von Körper- und Nervenzellen. Der Unterschied auch in pflanzlichen Fetten, wie dem Kokos- und zwischen Fetten und Ölen besteht in ihren Palmfett oder der Kakaobutter enthalten. Schmelzpunkten: Oberhalb der Zimmertemperatur von 20 Gesättigte Fettsäuren verhalten sich gegen- °C sind Öle flüssig (Abbildung 2) und Fette noch fest. über chemischen Angriffen recht träge. Vorteil- Ausschlaggebend für die Eigenschaften sind die haft wirkt sich diese Eigenschaft auf die Haltbar- gesättigten und ungesättigten Fettsäuren am Glycerin, keit aus, denn sie sind relativ unempfindlich ge- von denen etwa 200 bekannt sind. Diese Eigenschaften gen Sonnenlicht, Oxidation an der Luft sowie sind auch für zahlreiche chemische Reaktionen auch gegen Hitze. verantwortlich, innerhalb und außerhalb unseres Körpers. Als Bestandteil der Ernährung sind kurzkettige Fettsäuren leichter verdaulich als z. B. die lang- kettige Stearinsäure aus dem Rindertalg. Langkettige gesättigte Fettsäuren haben einen hohen Schmelzpunkt und sind bei Körpertempe- ratur fest. Sie sind im Milchfett, in Fischölen oder auch in Pflanzensamen und der Erdnuss enthalten. Im Körper dienen sie als Energie-Lieferant so- wie zum Aufbau stabiler Zell-Membranen. Eine unangenehme Eigenschaft ist das Verkleben der Blutplättchen, die dadurch Arterien verstopfen können, und das umso mehr, je höher der Schmelzpunkt der Fettsäure liegt. Auch Krebs- Geschwulste enthalten hohe Konzentrationen an langkettigen, gesättigten Fettsäuren. Unser Körper kann diese gesättigten Fettsäu- ren aus Zucker und anderen Kohlehydraten auch Abbildung 1: Triglycerinester mit drei Fettsäuren selber herstellen und speichert die Überschüsse für nahrungsarme Zeiten [1]. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Der Autor: DGE, empfiehlt nicht mehr als 7 bis 10 Prozent Prof. Dr. Wolfgang Hasenpusch hält eine Honorar-Professur an der der täglichen Gesamtenergie-Zufuhr durch ge- Universität Siegen in industrieller anorganischer Chemie mit den sättigte Fettsäuren abzudecken. In der Realität Schwerpunkten Innovationsmanagement, Recycling und Bionik. liegt die Aufnahme jedoch deutlich höher. Bei Das weite Spektrum an bearbeiteten Themen resultiert aus der Frauen macht der Anteil gesättigter Fettsäuren vielfachen Dozenten-Tätigkeit am Deutschen Institut für an der Gesamtenergie-Zufuhr durchschnittlich Betriebswirtschaft, den Schulen der Berufsgenossenschaft 15 Prozent, bei Männern sogar 16 Prozent aus Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) sowie Universitäten. [2]. 22 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Speiseöle In der Tabelle auf Seite 24 stehen die gesättig- ten Carbon- oder Fettsäuren in der Reihe ihrer Molekulargewichte mit ihren physikalisch, che- mischen und Gefahrstoff-Eigenschaften aufgelis- tet [3]. Dabei fallen die Daten-Lücken auf, weil die Parameter zum Teil schwer zugängig sind. Bei hohen Siedepunkten zersetzen sich die Säu- ren, die Bestimmung der Brechungsindizes ist durch die festen, lichtundurchlässigen Aggregat- zustände erschwert. Hohe Flammpunkte bergen kein Sicherheitsrisiko mehr und werden daher seltener ermittelt. Die Gefahrstoff-Potenziale der gesättigten Fettsäuren werden im Wesentlichen durch die H-Sätze (Hazardous Statements, früher Risiko- Sätze) bestimmt. Die hauptsächlich zitierten H-Sätze sind [4]: Abbildung 2: Diverse Pflanzen-Öle. H 315: Verursacht Hautreizungen H 319: Verursacht schwere Augenreizungen und Abbildung 3: Siedepunkte und Flammpunkte H 412: Schädlich für Wasserorganismen mit der n-Fettsäuren in Relation zu den Molekulargewichten. langfristiger Wirkung. Interessant bei derartigen Tabellen sind die Korrelationen von Siedepunkt und Flammpunkt auf der einen Seite sowie Dichte und Brechungs- index auf der anderen Seite im Verlauf steigen- der Molekulargewichte. Zwar wird die Geradlinigkeit bei den Siede- und Flammpunkten in Relation zum Molekular- gewicht weitgehend bestätigt, jedoch ist bei den Flammpunkten eine deutliche Ondulation zu beobachten (Abbildung 3). Anders verhält es sich bei den Dichten und Brechungsindizes. Während der Brechungsindex bei kurzkettigen Fettsäuren noch bei 20 °C be- stimmbar ist und geradlinig in Relation mit den entsprechenden Molekulargewichten verläuft, streben die Dichten höherer Fettsäuren parabo- lisch einem Grenzwert zu (Abbildung 4). Ein Vorteil dieser Grafiken liegt in der Extra- Abbildung 4: und Interpolierbarkeit noch nicht auffindbarer Dichte und Brechungsindex der n-Fettsäuren in Relation zum Molekulargewicht. Parameter in zumeist hinreichender Genauig- keit. 2. Eigenschaften der ungesättigten Fettsäuren Wenn die Fettsäuren Doppelbindungen auf- weisen und die Molekulargewichte dadurch um jeweils zwei Wasserstoff-Atome leichter sind, werden sie als „ungesättigt“ bezeichnet. Diese Doppelbindungen können in abwechselnder Rei- henfolge mit Einfachbindungen an allen Stellen der Molekülkette auftauchen, auch mehrfach. Ungesättigte Fettsäuren sind aufgrund dieser Doppelbindungen bei Raumtemperatur flüssig und sehr reaktionsfreudig. Besonders mit dem Luft-Sauerstoff reagieren sie leicht (Abbildung 5) CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 23
24 C- Rationaler Trivialname Formel M Smp Sdp. [°C] Fp. [°C] Dichte Brechungs- H-Sätze Atome Name [°C] [20 °C] index (20 °C) 1 Methansäure Ameisensäure HCOOH 46,03 8,3 101 (Z.) 45 1,22 1,3714 226-302-314-331; EUH: 071 2 Ethansäure Essigsäure CH3COOH 60,05 16,6 118 48,5 1,05 1,3720 226-314 CLB 3 Propansäure Propionsäure C2H5COOH 74,08 -20,5 141 52 0,99 1,3860 226-314-335 4 Butansäure Buttersäure C3H7COOH 88,11 -5,1 164 72 0,96 1,3980 302-314 5 Pentansäure Valeriansäure C4H9COOH 102,13 -34 186 87 0,94 1,4085 314-412 6 Hexansäure Capronsäure C5H11COOH 116,16 -4 205 102 0,92 1,4163 311-314 7 Heptansäure Önanthsäure C6H13COOH 130,18 -7,2 205 115 0,91 1,4170 314-332-335 8 Oktansäure Caprysäure 144,21 16,5 239 130 0,91 1,4285 314-412 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 C7H15COOH 9 Nonansäure Pelargonsäu- C8H17COOH 158,24 12,4 254 137 0,905 315-319-412 re 10 Dekansäure Caprinsäure C9H19COOH 172,27 31,4 269 147 0,89 315-319-412 Speiseöle 11 Undecansäure C10H21COOH 186,29 29,3 280 0,89 315-319-335 12 Dodecansäure Laurinsäure C11H23COOH 200,32 43,8 298 165 0,88 318 13 Tridecansäure C12H25COOH 214,35 41,5 308 0,87 315-319-335 14 Tetradecansäure Myristinsäure C13H27COOH 228,37 54,2 326 0,86 keine 15 Pentadecansäure C14H29COOH 242,40 52,3 339 0,85 315-319-335-413 16 Hexadecansäure Palmitinsäure C15H31COOH 256,42 63 351,5 205 0,85 keine 17 Heptadecansäure Margarinsäu- C16H33COOH 270,45 61,3 364 0,85 315-319 re 18 Octadecansäure Stearinsäure C17H35COOH 284,48 69,9 370 0,84 keine 19 Nonadecansäure C18H37COOH 298,50 69,4 357 (Z.) keine 20 Icosansäure Arachinsäure C19H39COOH 312,52 75,5 328 (Z.) keine
Speiseöle Abbildung 5: Oxidation und Vernetzung von ungesättigten Fettsäuren. Abbildung 6: Gesättigte und ungesättigte n-C18-Carbonsäuren. oder polymerisieren an den Doppelbindungen zu ranzig schmeckenden Ölen. Man unterscheidet einfach-(Monoensäuren), doppelt- (Diensäuren), dreifach- (Triensäuren) oder mehrfach (Polyensäuren) ungesättigte Fett- säuren. Diese einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren können an jeder Doppelbindung noch in cis- und in trans-Stellung stehen bzw. in Z- und E-Position, abgeleitet von „zusammen“ und „entgegen“. Die Anzahl der Fettsäure-Isomeren für jede Kohlenstoff-Kettenlänge folgt der „Fibonacci- Reihe“, die einst der italienische Mathematiker Leonardo da Pisa, genannt Fibonacci 1202 aus der Vermehrung von Kaninchen-Generationen entwickelte: Abbildung 7: Dichte und Brechungsindex der gesättigten und der ungesättigten n- 1 C: Ameisensäure → 1 Molekül C18-Fettsäuren in Relaltion zu den Molekulargewichten bei 20 °C. 2 C: Essigsäure → 1 Molekül 3 C: Propionsäure → 2 Isomere (Propionsäure und Acrylsäure) Abbildung 8: Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-Butensäure. 4 C: Buttersäure → 3 Isomere (E- und Z-2-But- tersäure, 3-Buttersäure) 5 C: Valeriansäure → 5 Isomere (E- und Z-2- Pentensäure, E- und Z-3- Pentensäure und 4- Pentensäure) ... 18 C: Stearinsäure → 2584 Isomere. Betrachten wir die häufig vorkommenden C18-Fettsäuren mit keiner Doppelbindung (Stearinsäure), einer Doppelbindung (Ölsäure), zwei Doppelbindungen (Linolsäure), drei Dop- pelbindungen (Linolensäure) und vergleichen ihre Parameter, so zeigt sich bei den Schmelz- punkten ein wechselhafter Verlauf und einige Schmelzpunkte sind nur im Vakuum bestimm- bar (Abbildung 6). Die Dichten und die Bre- chungsindizes liegen im Verlauf ihrer Moleku- CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 25
AufsatzthemaKurz Speiseöle Abbildung 9: Abbildung 12: Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-3-Hexensäure . Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-9-Octadecensäure. largewichte allerdings so gut auf einer Geraden, dass eine Extrapolation zur Ermittlung einer un- bekannten Größe für den Brechungsindex der Stearinsäure bei 20 °C möglich ist (Abbildung 7). Vergleicht man die cis (Z)- und trans (E)-For- men einiger Monoensäuren mit steigenden Mo- lekulargewichten, so sind z. T. deutliche Unter- schiede festzustellen. Bei Isocrotonsäure und Crotonsäure sind es die unterschiedlichen Schmelzpunkte von 15 und 72 °C (Abbildung 8). Bei den cis- und trans-3-Hexensäuren fallen die Unterschiede der Kenngrößen nur marginal aus (Abbildung 9). Für die cis- und trans-5-Octensäuren sind zwar die Schmelzpunkte nicht auffindbar, aber die üb- Abbildung 10: Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-5-octensäure. rigen Parameter ähneln sich weitgehend (Abbil- dung 10). Auch für die cis- und trans-5-Dodecensäure war die Datenlage unvollkommen (Abbildung 11). Abbildung 11: Strukturen und Eigenschaften von cis- und trans-5-Dodecensäure. Abbildung 13: Siedepunkte und Dichte der (Z)-n-Monocarbensäuren. 26 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Speiseöle Abbildung 14: Abbildung 15: Strukturen und Eigenschaften einiger Trans-Octensäuren (I). Strukturen und Eigenschaften einiger Trans-Octensäuren (II). Bei den cis- und trans-9-Octadecensäuren fal- len wieder die unterschiedlichen Schmelzpunk- te von 17 und 45 °C wie auch der Unterschied im Gefahrstoff-Potenzial auf (Abbildung 12). Stellt man die Siedepunkte und Dichten dieser (Z) cis-n-Monocarbensäuren grafisch den Mole- kulargewichten gegenüber, liegen die Parameter auf einer Geraden (Abbildung 13). Des Weiteren stellt sich die Frage: Wie variie- ren die Parameter unter den Isomeren von Mono-Carbensäuren, wenn sich die Doppelbin- dung in verschiedenen Positionen befindet? Dazu soll die trans-Octensäure als Beispiel mit den Isomeren 2-, 3, 4-, 5, 6- und 7-Octensäure dienen. Die Strukturen und Eigenschaften sind in den Abbildung 14 und 15 dargestellt. Abbildung 16: Siedepunkte in Relation zu den Flammpunkten der (E)-Octensäuren. Es zeigt sich, dass sowohl die Siedepunkte mit den Flammpunkten (Abbildung 16) als auch die Dichten mit den Brechungsindizes (Abbildung 17) in guter linearer Beziehung stehen, so dass Interpolationen auf nicht auffindbare oder nicht ermittelte Parameter möglich sind. Abbildung 17: Brechungsindizes in Relation zu den Dichten der (E)-Octensäuren. 2.1 Omega-3-Fettsäuren Während normalerweise die Zählung der Koh- lenstoffatome von der Carbonsäure-Gruppe mit den alpha-Kohlenstoff beginnt, hat sich die Zäh- lung der Doppelbindungen bei ungesättigten Fettsäuren vom anderen Ende der Kohlenstoff- Kette etabliert, das wie beim Ende des griechi- schen Alphabets mit Omega bezeichnet wird. Omega-3-Fettsäuren haben danach eine Dop- pelbindung zwischen dritt- und viertletztem C- Atom. Beispiele sind die dreifach ungesättigte Linolensäure und die fünffach ungesättigte Eico- sanpentaensäure (Abbildung 18), die in Lein-, Hanf- und Soja-Öl bzw. im Fett von Kaltwasserfi- schen, wie im Fett des Lachses vorkommen. CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 27
AufsatzthemaKurz Speiseöle Die Anteile von gesättigten- sowie einfach- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren in den verschiedenen Ölen variiert relativ stark [5]: Sonnenblumenöl enthält die meisten mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Kokosöl die meis- ten Anteile an gesättigten Fettsäuren (Abbildung 19). 2.3 Trans-Fettsäuren Während die ungesättigten Fettsäuren in der Natur in der cis-Form vorkommen, wandeln sie sich bei Hitze-Einwirkung ab etwa 150 °C in die trans-Form um. Diese Umwandlung geschieht beim Braten oder Frittieren. Auch bei der Her- stellung billiger Speiseöle können trans-Fette entstehen. Bei der Ölsäure beispielsweise verändert sich Abbildung 18: Omega 3-Aminosäuren aus der Botanik und dem Meer. der Schmelzpunkt von 13 nach 44 °C bei der Isomerisierung von der cis- zur trans-Konfigurati- on. Trans-Fettsäuren steigern den Cholesterin- 2.2 Omega-6-und 9-Fettsäuren und Blutfett-Spiegel und stehen im Verdacht, Linolensäure verfügt sogar über drei Doppel- Krebs auszulösen. bindungen in Omega-3, 6 und 9-Position. Bei der Diese Trans-Fette sind nicht in der Lage, die Linolsäure handelt es sich um eine omega-6 und Aufgaben der natürlichen Öle zu übernehmen. 9-Fettsäure. Ein hoher Konsum an umgewandelten Trans-Fet- Die Linolsäure ist Bestandteil fast aller pflanzli- ten erhöht den Bedarf an ungesättigten cis-Fett- chen Öle. Besonders reichhaltig ist sie in Dies- säuren. tel-, Sonnenblumen, Hanf-, Sesam-, Maiskeim- Konsequenterweise sollten Öle nicht zu hoch Öl und in Nüssen vorhanden erhitzt werden, wie es bei den so beliebten Frit- Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass be- ten und Bratkartoffeln leider der Fall ist. sonders Linolensäure als essentielle Fettsäure folgende positive gesundheitliche Wirkungen 3. Herstellung von Speiseölen aufweist: • Unterstützung der Hautgesundheit Speiseöle werden durch verschiedene Verfah- • Beschleunigung von Heilungs-Prozessen ren gewonnen, von denen die Kaltpressung der • Steigerung der Vitalität Ölmühlen im Kollergang die schonendste Me- • Regulierung des Blutdrucks und thode darstellt. Mit einer Heißpressung bis zu • Hemmung des Tumor-Wachstums. 100 °C lässt sich die Ausbeute ebenso erhöhen wie durch die Öl-Extraktion mittels Hexan (C6H14, Smp.= -95 °C, Sdp. = 89 °C, Fp. = -22 °C!) oder überkritischem Kohlendioxid bei ca. Abbildung 19: Zusammensetzung der Fettsäuren gängiger Öle und Fette. 100 bar. Für die Qualität der Öle stehen zahlreiche Pa- rameter, die „Fett-Kennzahlen“ zur Verfügung, wie Dichte, Schmelz- und Siedepunkt, Bre- chungsindex, Iod-Zahl (Gramm Iod-Aufnahme/ 100 g Öl) und viele andere [6]. Die weltweite Ölproduktion [7] verdoppelte sich in der Periode zwischen 2005 und 2020 li- near von ca. 110 bis auf 220 Millionen Tonnen/ Jahr (Abbildung 20). Die größten Mengen entfie- len 2014 auf Palmöl (57 Mio. t), Sojaöl (46 Mio. t), Rapsöl (26 Mio. t) und Sonnenblumenöl (16 Mio. t) [8]. 4. Technische Anwendung von Speiseölen Neben dem Einsatz der Speiseöle in der Kü- che, ist es noch zum Anrühren der Malerfarben 28 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
AufsatzthemaKurz Speiseöle und zum Holzschutz in Gebrauch. Zum Leidwe- sen der hungernden Menschen auf der Erde, kommen auch erhebliche Mengen der Speise- öle, verestert mit Methanol, als Biodiesel zum Einsatz. 4.1 In der Küche Beim Kochen und Zubereiten der Speisen ist sorgfältig auf die Zusammensetzung der Speise- öle zu achten, um ausreichend ungesättigte Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren einzuverlei- ben. Auch mit den Koch- und Brattemperaturen gilt es, Vorsicht walten zu lassen, um die volle Kraft der Öle zu erhalten. Über einen Mangel an Ratgebern (Abbildung 21) für das passende Öl zu Gerichten in der Kü- che braucht man sich nicht zu beklagen, denn in Abbildung 20: Weltproduktion der wichtigsten Speiseöle. der Literatur und im Internet stehen zahlreiche Ratgeber zur Verfügung [1, 9-12]. 4.2 Malerfarben striche und Spachtelmassen haben die Feuchtig- Öle mit ungesättigten Fettsäuren dienen seit keit im Holz behalten und so Fäulnis und Schäd- vielen Jahrhunderten als Grundlage für Ölfarben lings-Befall hervorgerufen. Geeignet ist etwa ein als Mal-Utensilien. Die Öle härten durch Oxida- Leinöl-Firnis-Anstrich. Holzschutz und farbliche tion und Polymerisation und bilden zusammen Fassung der Holzverschalung sind mit einem dif- mit den Pigmenten die gewünschte Farbschicht. fusionsoffenen Anstrichsystem, wie einem Lein- In der europäischen Tafelmalerei wurden vor- öl-Firnis-Anstrich auszuführen [16]. wiegend Leinöl, Walnussöl und Mohnöl mit und ohne Zusatzstoffen, wie Härte-Beschleuniger 4.4 Biodiesel oder „Standöl“, das durch Erhitzen vorpolymeri- Biodiesel ist ein Kraftstoff, der in der Verwen- siert ist, verwendet. dung dem mineralischen Dieselkraftstoff gleich- Leinöl enthält 10-22% Ölsäure, 12-18% Linol- kommt. Die chemische Industrie gewinnt Bio- säure und 56-71% Linolensäure, Walnussöl ent- diesel durch katalysierte Umesterung pflanzli- sprechend 12,7-22,2%, 55,3-64,3% und cher oder tierischer Fette und Öle mit einwerti- 10,3-16,2% und Mohnöl entsprechend gen Alkoholen wie Methanol oder Ethanol als 10,5-36,8%, 41-75% und 1-9,4%. Fettsäuremethylester: In Tuben, die vor dem Eintrocknen schützen, R1-O-CH2-CH(OR2)-CH2-OR3 + 3 H3C-OH → kamen die Ölfarben erst 1841 durch ein Patent HO-CH2-CH(OH)-CH2-OH + R1-O-CH3 + R2-O-CH3 + R3-O-CH3 des amerikanischen Malers John Goffe Rand (1801–1873) auf den Markt [13]. Abbildung 21: Reichhaltige Literatur über Speiseöle. 4.3 Holzschutz Öle schützen die Holzoberfläche in erster Li- nie vor physikalischen Beeinträchtigungen, so vor der Aufnahme von Feuchtigkeit, vor Flecken und im Fall von Hartölen vor Kratzern. Da die Poren verschlossen werden, lässt sich die Ober- fläche besser reinigen. Pigmentierte oder spezi- ell ausgerüstete Öle schützen auch vor UV- Strahlen [14]. Walnussöl und Leinöl, die frei von Schleim- und Schwebstoffen sind, härten aufgrund ihrer molekularen Beschaffenheit während der Trock- nung aus, ohne eine klebrige Oberfläche zu hin- terlassen. Das behandelte Holz bleibt aber trotz- dem atmungsaktiv [15]. Besonders beim Fachwerk sind in der Vergan- genheit entscheidende Fehler in der Holzkon- servierung begangen worden. Sperrende Altan- CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 29
Speiseöle Literatur / Quellen Als Produkte entstehen Glycerin sowie die Bio- diesel-Gemische. Biodiesel emittiert weniger Schadstoffe als der [1] Pohl, S.: “Das Ölbuch-Speiseöle kompakt erklärt“, herkömmliche Diesel auf Mineralölbasis, wobei Selbstverlag, Kempten (2000) der Stickoxid-Ausstoß allerdings höher liegt. Er [2] https://www.netdoktor.de/ernaehrung/gesaettigte-fettsaeuren/ wird aus nachwachsenden Rohstoffen gewon- [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Fettsaeuren nen, ist biologisch abbaubar und hat gute [4] https://www.gefahrstoffdaten.de/h-saetze Schmiereigenschaften, was beim Einsatz von [5] https://de.wikipedia.org/wikiSpeisefette_und_Speiseoele schwefelarmem Diesel von Vorteil ist. [6] https://de.wikipedia.org/wiki/Fettkennzahl Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gab es einen [7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28915umfrage/ breiten gesellschaftlichen Konsens zur Einfüh- erzeugung-pflanzlicher-oele-weltweit-seit-2000-01/ rung und Ausbau der Biodiesel-Versorgung, da er [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenoele als nachhaltig und klimaschonend galt. Der [9] https://www.fitforfun.de/abnehmen/gute-oele-5-weitere-gute- wachsende Verbrauch führte im Laufe der Jahre oele-die-sich-lohnen-234760.html zu einem internationalen Biodiesel-Handel, der [10] https://www.vegan.co.at/neue-oele-in-der-kueche-worauf-sie- zum Teil mit dem Ausbau landwirtschaftlicher achten-sollten/ Flächen, auch durch Brandrodung verbunden [11] https://www.edeka-wucherpfennig.de/lebensmittel/oele/ war. Die gesellschaftliche Akzeptanz eines flä- [12] https://www.bioplanete.com/de/produkte/gourmet-oele.html chendeckenden Einsatzes hängt davon ab, ob die [13] https://de.wikipedia.org/wiki/oelfarbe eingesetzten Rohstoffe nachhaltig bereitgestellt [14] https://de.wikipedia.org/wiki/Holzschutzmittel werden und nicht in Nutzungskonkurrenz mit [15] https://www.landhaus-shop.de/magazin/leinoel-holz/ der Nahrungs- und Futtermittelproduktion gera- [16] https://www.haus.de/bauen/fachwerksanierung-diese-fehler- ten oder zum vermehrten Aussterben von Arten sollten-sie-vermeiden führen [17, 18]. � [17] WELT: „Artensterben: Orang Utans – die Opfer des Palmöl- Booms“. 18. November 2009. [18] https://de.wikipedia.org/wiki/Biodiesel 30 CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021
Der neueste Stand – aktuelle Informationen Speiseöle zu früheren CLB-Artikeln Polyethylen chemisch und energiesparend recyceln Zu CLB 1/2-2020, 22-29: Chemiker nutzen hierfür „Sollbruchstellen“ auf mo- Entwicklungen im Bereich lekularer Ebene, welche ein Auftrennen der Polymer- des Kunststoffrecyclings kette in kleinere molekulare Bausteine ermöglichen. Der Schlüssel für das neue Verfahren sind Kunststof- fe mit einer geringen Dichte an Sollbruchstellen in der Polyethylenkette, so dass die kristalline Struktur und die Materialeigenschaften nicht beeinträchtigt werden. Diese Klasse von Kunststoffen ist übrigens gut für den 3D-Druck geeignet. Das Forschungsteam demonstrierte das chemische Recycling-Verfahren an polyethylenartigen Kunststof- fen auf Pflanzenölbasis. Für das Verfahren sind ledig- lich Temperaturen von rund 120 Grad nötig. Die Chemiker zeigten zudem auch das chemische Recycling aus Gemischen mit anderen Kunststoffen, wie sie in Abfallströmen vorkommen. Die wiederge- Handyhülle per wonnen Materialien sind in ihren Eigenschaften dem 3D-Druck aus Ausgangsmaterial ebenbürtig. dem recycelten Veröffentlichung: M. Häußler et al.: Closed-Loop Kunststoff (Foto: AG Mecking, Uni Recycling of Polyethylene-Like Materials; Nature Konstanz). 590, S. 423–427, 17. Februar 2021. Rechenoperationen beim Farbensehen im Insektenhirn Grundsätzlich sind farbopponen- genetischer Methoden detaillierte Einblicke in die Zu CLB 11/12-2018, 516-543: te Rechenoperationen essentiell nachgeschalteten Nervenzellen und in ganze neuro- Farbensehen je nach für das Farbensehen in Wirbeltie- nale Schaltkreisen zu erlangen. Forscher fanden her- Lebensumfeld ren – wie auch bei Menschen. Sie aus, dass bestimmte Nervenzellen, nämlich die des sorgen dafür, dass spezialisierte Typus Dm8, durch Licht im blauen und grünen Wel- Nervenzellen durch Licht bestimmter Wellenlängen lenlängenbereich erregt und durch Licht im ultravio- erregt und durch Licht anderer Wellenlängen ge- letten Bereich gehemmt werden. Anders als hemmt werden. Diese Gegenfarbenneurone ermögli- angenommen, erhalten diese Nervenzellen dabei Ein- chen einen wichtigen Vorteil: das Feststellen von gangssignale von allen fünf Klassen von Fotorezepto- spektralem Kontrast in einer visuellen Szene, in der ren des Auges der Fruchtfliege. Abgesehen von Kopf und Augen keine Helligkeitsunterschiede feststellbar sind. Ver- artspezifischen Anpassungen zeigen diese Daten, der Fruchtfliege haltensexperimente und seltene elektrophysiologi- dass die grundlegenden neuronalen Mechanismen (Foto: C. Schnait- sche Messungen vor allem im Gehirn von Bienen des Farbensehens in Fliegen- und zum Beispiel Säu- mann, Uni Frei- burg). legten seit längerem nahe, dass in Insektengehirnen getiergehirnen auf ähnliche Art und Weise erfolgen. ganz ähnliche Als das Team die beteiligten Nervenzellen und Mechanismen Schaltkreise untersuchte, entdeckte es weitere Über- ablaufen. raschungen: Eine Klasse von Fotorezeptoren, die vor- Nun ist es ge- wiegend im blauen und grünen Wellenlängenbereich lungen, im Mo- empfindlich ist, überträgt ihre Informationen über ei- dellorganismus nen unbekannten, noch zu erforschenden Signalme- F r u c h t fl i e g e chanismus. Die Wissenschaftler fanden zudem (Drosophila me- heraus, dass neuronale Elemente, die bisher aus- lanogaster) mit- schließlich dem Bewegungssehsystem zugerechnet hilfe des wurden, Signale von Fotorezeptoren mit sehr breiter optischen spektraler Sensitivität auf Dm8-Nervenzellen übertra- Messverfah- gen. Dies zeigt, dass neuronale Schaltkreise des Farb- rens der funkti- und Bewegungssehens in weit engerem Austausch onellen 2- miteinander stehen, als bisher angenommen. Photonen La- Veröffentlichung: M. Pagni et al.: Interaction of ser-Scanning- ‚chromatic‘ and ‚achromatic‘ circuits in Drosophila Mikroskopie color opponent processing; Current Biology, 25. Fe- sowie mittels bruar 2021. CLB 71. Jahrgang, Heft 01 - 02/2021 31
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