Standortvorteil Hessen im elektronischen Rechtsverkehr - was kommt wann und wie auf Landes- und Bundesebene
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Hessisches Ministerium der Justiz Hessisches Ministerium der Justiz Standortvorteil Hessen im elektronischen Rechtsverkehr - was kommt wann und wie auf Landes- und Bundesebene Symposium „Fit für E-Justice“, 15. + 16. Juli 2015, DAI-Ausbildungszentrum Heusenstamm Ministerialdirigent Dr. jur. Ralf Köbler
Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechts- verkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, verkündet am 16. Oktober 2013 BGBl. 2013, S. 3786 2
Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechts- verkehrs mit den Gerichten in Deutschland • Rechtssichere elektronische Kommunikation (und elektronische Aktenführung): normativ eigentlich möglich seit dem JustizKommG 2005 - realisiert mit EGVP und qualifizierten elektronischen Signaturen • Kein Gesetz „zur Förderung“, sondern zur Einführung der Nutzungsverpflichtung • Gesetzlicher Einführungszeitplan von Mitte 2014 bis Anfang 2022 • Zur Historie: Ursprung Entwurf einer Länder-Arbeitsgruppe - Gesetz als Kompromiss zwischen BMJ, Anwaltschaft und Ländern: breiter Konsens 3
Grund für normative Aktivitäten: Unzufriedenheit mit dem Nutzungsgrad des elektronischen Rechtsverkehrs • Hessen seit 2007 erstes Bundesland mit flächendeckendem elRV – kein wesentlicher Durchbruch • Andere Länder: Furcht, zur „Druckstraße der Anwaltschaft“ zu verkommen • Junktim: kein elRV ohne eAkte“ • Henne-/Ei-Problem: keine eAkte ohne massenhafte elektronische Posteingänge • Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs weitgehend nur in den „Pflichtgebieten“ Handelsregister und Mahnverfahren erfolgreich • QES als Schriftformersatz: Hemmschuh? • Ziel: rechtliche Voraussetzungen für verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehr schaffen 4
Hauptziel des Gesetzes: Obligatorischer elektronischer Rechtsverkehr für Rechtsanwälte • bundeseinheitlich für alle Gerichtsbarkeiten • ohne Staatsanwaltschaften und Strafgerichte - dazu gesonderter BMJ- Diskussionsentwurf • bundesweit flächendeckende Einführung bis 1.1.2022: spätestens ab dann Verpflichtung zur Nutzung des elektro- nischen Rechtsverkehrs (§ 130d ZPO n.F.) • Empfangsbereitschaft der Gerichte bis 1.1.2018 (sp. 1.1.2020) herzustellen • in überschaubarer Zeit und ab 2018 länder- oder gerichtsbarkeitsweise (Reduzierung des „Länder-Flickenteppichs“) • bundeseinheitliche Bestimmung der Übermittlungswege 5
Das „besondere Anwaltspostfach“ (1) • Idee: vereinfachter elektronischer Rechtsverkehr ohne QES mit bestimmten „besonderen Postfächern“ • Postfachverzeichnis in Verantwortung der Bundesrechtsanwalts- kammer (Erweiterung des elektronischen Anwaltsverzeichnisses) • Identifizierungsverfahren bei Postfacheröffnung - durch VO zu regeln • Vertrauensschutz für Post aus diesem Postfach = BRAK- Postfächer sind eine „trusted domain“ nach dem S.A.F.E.-Konzept 6
Das „besondere Anwaltspostfach“ (2) • Keine qualifizierte elektronische Signatur für Nachrichten aus dem Rechtsanwaltsverzeichnis erforderlich: revolutionäre Vereinfachung des elRV • Gesetzliche Fiktion der Schriftformerfüllung im Verfahrensrecht • Konsens mit der Anwaltschaft = die größte Veränderung des Geschäftsbetriebs in Justiz und Kanzleien seit Einführung der mechanischen Schreibmaschine steht bevor! 7
Das „besondere Behördenpostfach“ als Chance • Nutzungspflicht des elRV auch für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts ab spätestens 1.1.2022 (§ 130d ZPO n.F.) • Möglichkeit zur Schaffung einer Vertrauensdomäne für diese anderen „professionelle Einreicher“: Schaffung eines „sicheren Übermittlungsweges“ nach § 130a Abs. 4 Nr. 3 ZPO durch VO möglich, aber nicht zwingend erforderlich = weitreichende Digitalisierung der Kommunikation mit der Justiz 8
Und die anderen „professionellen Einreicher“? • Gesetz erfasst nicht alle „professionellen Einreicher“ bei der Möglichkeit, Vertrauensdomänen einzurichten • Aber: § 174 Abs. 3 ZPO verpflichtet alle EB-Berechtigten, einen „sicheren Übertragungsweg“ im Sinne des § 130a ZPO zu eröffnen: Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater, sonstige „Zuverlässige“ = weitreichende Verpflichtung der „Rechtsprofis“ auf elektronischen Rechtsverkehr 9
EGVP – Der bisherige Standard bleibt rechtlich zulässig • § 130a Abs. 3 ZPO: Einreichung mit QES auf zugelassenem Übertragungsweg bleibt möglich • Bundeseinheitlicher Justizstandard zur digitalen Übertragung von anwaltlichen Schriftsätzen und anderer elektronischer Dokumente • Sichere und zuverlässige Übertragung durch Nutzung des OSCI- Standards (Online Services Computer Interface) • Punkt-zu-Punkt-Verbindung, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung • keine Übersendung von Abschriften erforderlich • Sofortige Eingangsbestätigung der Empfangseinrichtung: „Einschreiben mit Rückschein“ 10
Neu: Die „absenderbestätigte“ De-Mail und „sonstige Übertragungswege“ • Konstruktion absenderbestätigter De-Mail: rechtswirksamer Nachrichtenversand nur mit „sicherer Anmeldung“, die vom Provider durch maschinelle QES bestätigt wird • Einführung der „absenderbestätigten De-Mail“ im Gesetzestext = neuer gesetzlich normierter Übertragungsweg, der normativ als sicher gilt • Weitere Möglichkeit: Zulassung „sonstiger bundeseinheit- licher Übertragungswege“, die Authentizität und Integrität der Daten und Barrierefreiheit gewährleisten (durch VO des Bundes mit Zustimmung des Bundesrates) • = Zukunfts- und Technikoffenheit der Regelung, relativ einfache Ergänzung der Wege EGVP + De-Mail möglich 11
Keine elektronische Zugangsbestätigung: Elektronisches Empfangsbekenntnis • Wunsch der Länder: automatische Erstellung der Zugangs- bestätigung und automatische Rückmeldung als Ersatz für Empfangsbekenntnis • Diskussion um die Zustellfiktion (und das voluntative Element): • Länderentwurf: sofort mit Eingang der Empfangsbestätigung • BMJ: 3 Tage nach Eingang der Empfangsbestätigung • Anwaltschaft: keine Zustellfiktion, willentlicher Rücksendeakt erforderlich • Regelung (wie zu erwarten): elektronisches EB-Formular mit verarbeitbarem Datensatz, das aber willentlich zurückgesandt werden muss 12
Regelungen zur elektronischen Aktenführung • Regelung der Übertragung papierner Dokumente in elektronische Form (Scanning-Regelungen) • Vernichtung des Papiers 6 Monate nach Eingang mit Rügeausschluss =keine dauerhafte Notwendigkeit zur Führung von Hybridakten („Stapelaufbewahrung“) - nur OWiG ausgelassen 13
Erleichterte Übermittlungsmöglichkeiten für elektronische Dokumente • Länderwunsch war Organisationssignatur, aber EU-VO stand entgegen Gesetz geworden: • Verzicht auf Beglaubigungserfordernis für zuzustellende Abschriften (§ 169 Abs. 3 ZPO), nur Dienstsiegelaufdruck erforderlich • Ohne es im Gesetz auszuführen: das ermöglicht auch die Aktenübersendung per E-Duplo zur Akteneinsicht • Zustellungsmöglichkeit in beglaubigter elektronischer Abschrift mit QES • Ausfertigungen nur in Papierform = ein Großteil der gerichtlichen Postausgänge können künftig elektro- nisch und ohne QES versandt oder über Druckstraßen verarbeitet werden 14 (hohes Rationalisierungspotenzial in Kraft ab 1.7.2014)
Beweisregeln zu De-Mail und für das ersetzende Scannen • Gesetzlicher Anscheinsbeweis für die Echtheit einer absenderbestätigten De-Mail-Nachricht (mit QES des Providers) • Voller Urkundsbeweis für gescannte öffentliche Urkunden (analog dem Beweisrecht für Papierurkunden) 15
Elektronische Formulare • Möglichkeit der Einführung elektronischer Formulare durch BundesVO mit Zustimmung des Bundesrates • dabei kann bestimmt werden, dass die Daten in strukturierter Form mitübermittelt werden • Formulare müssen im Internet bereitgestellt werden • Möglichkeit, zur Identifikation des Formularübermittlers den neuen elektronischen Identitätsnachweis (nPA oder el. Aufenthaltstitel) zuzulassen 16
Zentrales Schutzschriftenregister • Erstmalige normative Definition der Schutzschrift: „vorbeugender Verteidigungsschriftsatz gegen erwartete Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz“ • zentral / länderübergreifend =bundeseinheitlich • gemeinsame Empfangseinrichtung • Nutzungspflicht für Rechtsanwälte • Zugangsfiktion: Einstellung in Register =Einreichung bei allen ordentlichen Gerichten der Länder • Pflicht zur Registerabfrage durch Gericht =Beachtungspflicht • Derzeit: Programmierung unter Federführung Hessens 17
Der Zeitplan • Schaffung des Anwaltspostfachverzeichnisses zum 1.1.2016 • Empfangsbereitschaft aller Gerichte für „fakultativen elektronischen Rechtsverkehr“ bis 1.1.2018 • Entweder opt in: Nutzungsverpflichtung durch LänderVO ab 1.1.2020 möglich • Oder opt-out: Nutzungsverpflichtung des elektronischen Rechtsverkehrs ab 1.1.2022 18
Die Chance: Schaffung durchgängig elektronischer Geschäftsprozesse • Gesetz als Initialzündung für elektronische Aktenhaltung in der Justiz und im Anwaltsbüro 19
Warum sollten Sie in Hessen im Vorteil sein? 20
Folie 21 EGVP seit 2007 im Betrieb und (nahezu) umfassend zugelassen 21
Folie 22 Intensivierung des elektronischen Rechtsverkehrs EGVP in absoluten Zahlen: Stand 31.12.2014 • 73.799 Postfächer von „Bürgern“ bundesweit, • davon 7.455 in Hessen • Volumen in Hessen und Deutschland: Eingegangene Eingegangene Versandte Versandte Jahr Nachrichten in Nachrichten in Nachrichten Nachrichten Hessen Deutschland in Hessen in Deutschland 2008 116.803 1.041.896 101.256 708.172 2009 177.418 1.775.759 176.191 1.628.042 2010 185.403 1.879.855 217.798 2.041.406 2011 220.300 1.997.921 306.166 2.517.844 2012 263.031 2.719.039 386.221 2.896.174 2013 453.663 5.504.518 600.092 5.494.316 2014 560.018 7.182.460 733.218 6.952.126 22
Folie 23 Entwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs 23
Folie 24 eRechnung mit ePayment In 2014: 116.300 elektronische Rechnungen, Umsätze ca. 1,7 Mio € heute: über 10.500 Rechnungen/Monat 24
Folie 25 ePayment für alle Rechnungen 25
Folie 26 ePayment: Weiterer Ausbau eRechnung mit ePayment, EGVP und SB-Justizkassenautomat • Steuerung über Barcodes auf Kostenrechnung • über JUKOS-Zentralanwendung gesteuerte Ein- und Auszahlungsprozesse • unmittelbare Schnittstelle zum Rechnungswesen (SAP) • künftig vollautomatisierte Periodenabschlüsse • viersprachige Benutzerführung seit Mitte 2012 im Justizzentrum Wiesbaden anstelle der bisherigen Kassenschalter im Echtbetrieb, Vorbereitung für große Justizstandorte läuft 26
Folie 27 Automatisiertes Mahnverfahren 27
Folie 28 Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeiten (ERV OWi) – die elektronische Akte 28
Folie 29 Elektronischer Rechtsverkehr in Ordnungswidrigkeiten (ERV OWi) – die elektronische Akte 29
Folie 30 ERV in der Sozialgerichtsbarkeit Durchgängig elektronische Kommunikation: EGVP 30
Gesamtbewertung • Schaffung des „besonderen Anwaltspostfachs“ mit Vertrauensschutz = Durchbruch • Verpflichtung der Länder zur Schaffung der Infrastruktur und Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs = Durchbruch • Verpflichtender elektronischer Rechtsverkehr für fast alle „professionellen Einreicher“ = konsequenter Weg • Ziel: durchgängig elektronische Geschäftsprozesse bei Anwälten und auf Justizseite: E-Akten überall 31
Wo stehen wir in Hessen? • EUREKA-/NeFa-Ankopplung an e2A: Test ab Herbst 2015 im LG Limburg und im LG Frankfurt =elektronischer Postausgang wird leichter zu handhaben • Projektstrukturen für Entwicklung e2 auf Länder- und hessischer Ebene sind aufgebaut • Finanzierung erscheint gesichert • 40 zusätzliche Bedienstete für das Umsetzungs- und Einführungsprojekt Sie können von Hessen einen zeitgerechten Start erwarten und von unserer Erfahrung profitieren! 32
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 33
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