UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH

Die Seite wird erstellt Hauke Voigt
 
WEITER LESEN
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
UEG
Unabhängige Umweltexpertengruppe „Folgen von Schadstoffunfällen“

                                                             Abb.: Schwichtenberg et al. (2017)

                Einsatz von Dispergatoren
   – Eine Option für die nationale Ölunfallbekämpfung?
                        Dierk-Steffen Wahrendorf
                 Bundesanstalt für Gewässerkunde, Koblenz

      BSH Meeresumwelt-Symposium 2018, 12. Juni 2018, Hamburg
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
Schiffsverkehrdichte in 2016 und 2017 in der Deutschen Bucht
                                                                                                  Gefährdungspotenzial
                                                                                                  durch Schiffshavarien
                                                                                                  und Ölunfälle in der
                                                                                                  Nordsee
                                                                                                  … durch unfallbedingte
                                                                                                  Freisetzung von Rohöl und
                                                                                                  Mineralölprodukten, z.B.
                                                                                                  Transportgüter und/oder
                               130.000                                                            Schiffbetriebsstoffe.

                                                                                                  Trotz Sicherheitsstandards
                                                                                                  und diverser Vorkehrungen
                                                                                                  lassen sich Schiffunfälle
                                                                                                  nie gänzlich ausschließen!
Quellen.: marinetraffic.com 2016/2017; GeoBasis/BKg 2008; Zahlen der Schiffsbewegungen WSV Nord

                                                                                                                      Folie 2
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
 z.B. Havarie der Deepwater Horizon (DWH)
                         • 20. April 2010 Unfall auf der Ölbohrplattform DWH
                         • Brand durch Versagen des Blowout-Preventers
                         • Untergang am 22. April 2010, 11 Arbeiter getötet
                         • Versiegelung nach 86 Tagen: ca. 800 Mio. Liter Rohöl

                         Bei Ölverschmutzungen sind
                                                                                                     120
                         grundsätzlich verschiedene

                                                          Anzahl Publikationen in "Web of Science"
                                                                                                               Keywords - "oil spill dispersant"
                         Bekämpfungsoptionen möglich:
                                                                                                     100
Bild: U.S. Coast Guard     – beobachten und abwarten
                           – mechanische Aufnahme                                                     80
                           – in situ burning
                           – chemische Ölbekämpfung                                                   60
                              z.B. bei DWH ca. 6600 m³
                                                                                                      40
                         Durch DWH: Forschung und
                         Befassung mit Dispergatoren                                                  20
                         als Ölbekämpfungsoption,
                         diese Methode wird in diesem                                                  0
                         Zuge vielfach neu diskutiert.                                                  1995          2005               2015
       Bild: U.S. Navy

                                                                                                                                   Folie 3
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
Grundsätzliches Wirkprinzip von Dispergatoren

                                                 Applikation des Dispergators
                                                 aus der Luft oder vom Schiff

                                                           Ölverschmutzung auf
                                                           der Meeresoberfläche

  • Applikation des Dispergators auf die Ölverschmutzung

                                                                         Folie 4
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
Grundsätzliches Wirkprinzip von Dispergatoren
                                                                              polar/ 
                                                                           hydrophil .

                                                                                          unpolar/
                                                                                          lipophil

                                     Ölfilm auf der Wasseroberfläche

•   Herabsetzung der Grenzflächenspannung an Öl/Wasser-Phase
•   Verstärkung der Dispersion und Bildung kleiner(er) Öltröpfchen
•   Stabilisierung und Verlängerung des Schwebezustands                Öltröpfchen
•   Vergrößerung der Oberfläche des Öls
•   Besiedlung ölzehrender Mikroorganismen
•   Reduktion der Winddrift, ggf. Schutz
    sensitiver Gebiete/Küstenabschnitte

                                                                                                  Folie 5
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
Grundsätzliches Wirkprinzip von Dispergatoren im Labor

          Öl ohne Dispergator     Öl mit Dispergator

                                                         Folie 6
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
Vor- und Nachteile von Dispergatoren
                                               Disp.-Einsatz   kein Einsatz
Ein Einsatz von Dispergatoren ist immer
mit Vor- und Nachteilen verbunden, z.B.:

• erhöhte Bioverfügbarkeit des dispergierten Öls
    + besserer mikrobiologische Abbau;
  dies bedeutet aber gleichzeitig auch:
    − Belastungen für die Organismen im Wasser    −+ +−        + −+
                                                   − ++         −
                                                               + −+
• …; …; …; etc. pp.

 Pro- und Contra Dispergatoren
( Tagungsband BSH Symposium Öl im Meer 2010)

                                                                  Folie 7
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
UEG-Bericht
   „Einschätzung zur Anwendung von Dispergatoren
    zur Ölunfallbekämpfung auf See“ (Juli 2016)

• Erstellung eines gemeinsamen Berichtes im Zuge der
  Beratungstätigkeit für das Havariekommando (HK)
  und den Koordinierungsausschuss
  Schadstoffunfallvorsorge (KOA-SUB)

• Auswertung der vorhandenen Literatur, u.a. zu DWH.
  Zusammenstellung wichtiger Aspekte und
  Erkenntnisse, sowie Empfehlungen der UEG.

                                                       Folie 8
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
UEG
Unabhängige
Umweltexpertengruppe
„Folgen von
Schadstoffunfällen“ (Link)
Stand 2018:
                                     Auf der Aufnahme fehlen: D. Boedeker, C. van Bernem, G. Gerdts, H. Leuchs

Alexander Baenitz (BMUB)           Jürgen Knaack (NLWKN), stellv. Vorsitz
Dr. Carlo van Bernem (zuvor HZG)   Dr. Heiko Leuchs (BfG)
Dieter Boedeker (BfN)              Dr. Hannah Lutterbeck (LLUR SH)
Birgit Böhme (HK)                  Monika Luxem-Fritsch (BMUB), Vorsitz
Dr. Ulrich Callies (HZG)           Dr. Stefanie Schmied (BSH)
Hans-Peter Damian (UBA)            Dr. Gregor Scheiffarth (NLPV)
David Michael Fleet (LKN SH)       Dr. Joachim Voß (LLUR SH)
Dr. Gunnar Gerdts (AWI-BAH)        Dierk-Steffen Wahrendorf (BfG)
Dr. Matthias Grote (BfR)           Mario von Weber (LUNG M-V)

                                                                                              Folie 9
UEG Unabhängige Umweltexpertengruppe "Folgen von Schadstoffunfällen" - BSH
Wer ist die UEG?
Was machen wir?

2003 Gründung Havariekommando
nach Havarie der „Pallas“ im Okt. 1998
2004 Einrichtung UEG durch BMU,
BMVBS & Umweltministerien der Länder
                                             Auf der Aufnahme fehlen: D. Boedeker, C. van Bernem, G. Gerdts, H. Leuchs
Die UEG …
   … ist eine gemeinsame Expertengruppe des Bundes und der 5 Küstenländer,
   … berät das HK und den KOA-SUB zu umweltbezogenen Themen,
   … setzt sich aus Umweltfachleuten verschiedener Fachrichtungen zusammen,
   … ist fachlich unabhängig und die Mitarbeit erfolgt weisungsunabhängig.
Die Aufgabe der UEG ist, das Wissen über umweltrelevante Folgen von Schadstoff-
unfällen in den Küsten- und Meeresgewässern auszuwerten und für das Havarie-
kommando nutzbar zu machen. Der Fokus der Arbeit liegt auf der Vorsorge, es kann
aber auch eine Einbindung im Schadensfall erfolgen (z.B. MSC Flaminia in 2012).

                                                                                                     Folie 10
Einschätzung zum Einsatz von Dispergatoren zur Ölbekämpfung
im nationalen Bereich aus Sicht der UEG (2016)

Generelle Aspekte:
• Einsatz kann unter bestimmten Voraussetzungen eine zielführende Option sein
• Einsatz kann theoretisch auch bei kleineren Ölverschmutzungen sinnvoll sein
• mechanische Aufnahme ist jedoch zu priorisieren (nicht bei Dispersion mögl.)
• keine pauschale Empfehlung möglich  Immer Einzelfallbetrachtung nötig!
• Limitationen & Potenziale der Dispergatoren und Geräte müssen bekannt sein
   u.a. Cedre Beauftragung zu potenziell für Deutschland verfügbare Produkte

                                                                        Folie 11
Einschätzung zum Einsatz von Dispergatoren zur Ölbekämpfung
im nationalen Bereich aus Sicht der UEG (2016)

Einsatzbereiche und Mengenbegrenzung :
• Nordsee: Einsatz potenziell möglich; Zonierungsvorschlag der UEG
  Aber: UEG-Empfehlung zur Aktualisierung der Einsatzkarte  erfolgt
• Ostsee: Einsatz derzeit nicht als Option betrachtet
  Gründe und Wissenslücken: flaches Binnenmeer, geringe Wellenhöhe,
  Wasseraustausch, Verdünnung, Salinität, Nährstoffproblematik, Schichtung,
  Sauerstoffmangel etc.
   spätere Befassung mit dem Thema; Auftrag NEBA für die Ostsee in Kürze
• bei Applikation keine grundsätzliche Limitierung in Bezug auf Einsatzmengen

                                                                        Folie 12
Einschätzung zum Einsatz von Dispergatoren zur Ölbekämpfung
im nationalen Bereich aus Sicht der UEG (2016)

Operationelle/einsatztaktische Aspekte (1/2):
• größeres Einsatzfenster: Anwendung auch noch bei höherem Seegang möglich
  (mechanisch maximal bis 1m)
• Einsatz nur bei geeigneter Wellenhöhe bzw. Windstärke
   sinnvolles Einsatzfenster bei Wellenhöhen von ca. 1,5 und 3 m
• Viskosität des Öls, maximal bis 10.000 cSt dispergierbar; auf mögliche
  Veränderungen achten z.B. Wassertemperatur und Verdunstung
• leichtflüchtige Ölbestandteile können nicht mehr verdunsten
   Effekt evtl. ausnutzen, d.h. vor Applikation ggf. abwarten

                                                                           Folie 13
Einschätzung zum Einsatz von Dispergatoren zur Ölbekämpfung
im nationalen Bereich aus Sicht der UEG (2016)

Operationelle/einsatztaktische Aspekte (2/2):
• grundsätzlich ist ein schnelles Handeln erforderlich, Einsatzfenster nur Stunden
  daher: Entscheidungsfindung und Einsatz möglichst weitgehend vorbereiten
   HK: Überarbeitung des Einsatzkonzeptes und Abstimmung mit den Ländern
• Effektivität während dem Einsatz prüfen, ggf. Test vorab durchführen (z.B. FST)
• Abbruchkriterien definierten & überwachen  Effektivität, Wellenh., Sicht, etc.
• untersch. Zulassungskriterien in der EU
   national eigene Tests/Zulassungskriterien nicht erforderlich (s. F und GB)
   eine direkte Übertragung ohnehin nicht möglich
• Entwicklung Prognosetool  HZG/BSH: Implementierung in Öl-Drift-Modell

                                                                          Folie 14
Öldrift im Modell

Beispiel zur Modellierung
der Verdriftung von
dispergiertem und
undispergiertem Öl
Freisetzung südlich
vor Amrum
Simulationsdauer: 7 Tage
(15.3.08; Modell: PELETS)
hellblau: dispergiertes Öl
braun: undispergiertes Öl
Achtung: idealisierte
Berechnung; nur
                             Ob Einsatz sinnvoll  Einzelfall-Abwägung über eine NEBA
Verdriftung des Öls keine
Wetterung etc.               Potenziell betroffene Gebiete und Lebensgemeinschaften
                             dank Modellierung bekannt!
                                                                             Folie 15
Einschätzung zum Einsatz von Dispergatoren zur Ölbekämpfung
im nationalen Bereich aus Sicht der UEG (2016)
Umweltaspekte:
• Winddrift des Öls wird durch Dispersion erheblich reduziert
   Änderung Verdriftungspfad, Reduktion der Verölungen von Küstenabschnitten
  und sensiblen Habitaten (z.B. Watten bei auflandigem Wind)
• Dispergatoren wurden weiterentwickelt: geringere Toxizität + höhere Effektivität
   nur Produkte der 3. Generation verwenden
• vor Einsatz NEBA zur Abwägung der (Gesamt-)Umweltfolgen, d.h. mit/ohne D.
   Auftrag von HK vergeben
• größte Betroffenheit für Org. im Wasser, erhöhte Biover. und Toxizität des Öls;
  langfristig besonders durch Einlagerung ins Sediment (Abbau/Resuspension)
• Beschleunigter mikrobieller Abbau erwartet - aber noch Wissenslücken
   UEG: gezielte Literaturauswertung und ggf. Untersuchungen

                                                                           Folie 16
Wahrscheinlichkeitsmatrix zum Einsatz
von Dispergatoren in der Nordsee
  Wo ist besonders häufig ein
    Unterschied zu erreichen?
Hydrodynamische Modellsimulation des HZG,
Schwichtenberg et al. (2016) und
Callies & Schwichtenberg (2016):
- physikalische Betrachtung: Einfluss von
     Strömung und Winddrift
- historische Wetterlagen von 2008 bis 2014
- mit/ohne Dispergator (Idealisiert 100%)
- 636 Zellen mit 5 km x 5 km
- alle 28 Std. Freisetzung  2190 pro Zelle
- Simulation von je 1000 Partikeln für 7 Tage
Endpunkt: Wahrscheinlichkeit, dass eine
Verölung sensitiver Küstenbereiche (hellblau)
um 95% reduziert werden konnte.
                                                   Achtung: Keine Einsatzkarte und keine NEBA!
Grün: Unterschied hoch, häufig erfolgreich         Jeder Havariefall muss einzeln betrachtet werden!
Rot: Unterschied gering, aber zwei Fälle:          Aber das Potenzial wird deutlich:
  a) Anlandung sowohl mit als auch ohne D.
  b) keine Anlandung ohne Dispergator               Die Betrachtung dieser Option lohnt sich!
      (z.B. wenn zu weit von der Küste entfernt)                                            Folie 17
UEG
Unabhängige Umweltexpertengruppe „Folgen von Schadstoffunfällen“

                             Weiß gar nicht, warum sich
                            alle so dermaßen aufregen?!
                             Das Zeug ist doch köstlich!

                                                                   nach P. Chen 2010
           Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sie können auch lesen