Statistik.info 2012/10 - Kanton Zürich
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Kanton Zürich statistik.info 2012/10 Statistisches Amt www.statistik.zh.ch Hans-Peter Bucher Sterbezahl stabil – trotz wachsender Bevölkerung Eine Analyse der Zürcher Sterbestatistik Zusammenfassung 2011 sind im Kanton Zürich 10‘280 Personen gestorben, etwa gleich viele wie vor 30 Jah- ren. Die Zahl der jährlichen Sterbefälle ist seit drei Jahrzehnten ziemlich stabil, dies obwohl die Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum um über einen Fünftel gewachsen ist und unge- achtet des starken Anstiegs der Zahl älterer Menschen. Hauptgrund dafür ist die gestiegene Lebenserwartung, das heisst die Sterbefälle werden gewissermassen «aufgeschoben». Auch Migrationsbewegungen spielen eine Rolle: Es wandern zum einen viele junge Men- schen zu, die erst Jahrzehnte später ihr Sterbealter erreichen, zum anderen wandern einige ältere Menschen weg und fallen so aus der Sterbestatistik des Kantons. Die Zahl der Sterbefälle ist zwar seit drei Jahrzehnten ziemlich stabil, die Altersverteilung der Gestorbenen hat sich hingegen deutlich verändert: Immer mehr Personen sterben erst im Alter von 80 und mehr Jahren, immer weniger vor Erreichen des Rentenalters. 2011 wa- ren 58 Prozent der Gestorbenen 80 Jahre oder älter, 1980 waren es erst 35 Prozent gewe- sen. Ursache für die Verschiebung des Sterbealters in höhere Alter ist die steigende Le- benserwartung bei Frauen und Männern. Bei den Frauen liegt die Lebenserwartung bei Ge- burt heute im Schnitt bei gut 84 Jahren, bei den Männern bei etwa 80 Jahren. Noch 1980 war die Lebenserwartung bei den Frauen rund sechs und bei den Männern acht Jahre tiefer als heute. Dadurch hat sich die Alterszusammensetzung der Bevölkerung stark verändert. Die Zahl der Über-79-Jährigen hat sich alleine in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Die Sterbefälle sind gegenwärtig ungleich auf die Geschlechter verteilt: Auf 100 Sterbefälle von Frauen kamen 2011 nur etwa 90 Sterbefälle von Männern. Grund dafür ist, dass die Frauen in den höheren Altersjahren viel stärker vertreten sind als die Männer. Im Vergleich zu früher konzentrieren sich die Sterbefälle der Bevölkerung auf wenige Jahre im höheren Alter: Drei Viertel starben 2011 zwischen dem 70. und dem 97. Lebensjahr. Vor 100 Jahren waren die Sterbefälle der Bevölkerung dagegen auf viele Altersjahre verteilt, und die Säuglingssterblichkeit lag noch hoch. Zwei Drittel der Gestorbenen waren damals noch nicht 65 Jahre alt, heute nur noch ein Sechstel. Künftig wird die Zahl der Sterbefälle markant zunehmen, obwohl die Lebenserwartung höchstwahrscheinlich weiter ansteigen wird. Einerseits ist dies gewissermassen der «Nach- holeffekt» der «aufgeschobenen» Sterbefälle. Anderseits wachsen nun die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboom-Generation ins Rentenalter hinein, was die Zahl der Betagten künftig deutlich anwachsen lässt. Irgendwann werden auch sie am Ende ihres Lebens ange- langt sein.
statistik.info 2012/10 Sterbestatistik liefert Basisinformationen zu den Lebensverhältnissen 2011 sind im Kanton Zürich 10‘280 Personen gestorben, fast gleich viel wie vor 30 Jahren. Diese Zahl ist seit drei Jahrzehnten ziemlich stabil, trotz des starken Bevölkerungswachs- tums und ungeachtet des grösser werdenden Anteils der älteren Bevölkerung. Unter der vordergründig unbewegten Oberfläche tut sich aber etwas: Die Menschen sterben im Schnitt immer später, viele erst nach dem 80. Altersjahr. Ursache dafür ist im Wesentlichen die im Vergleich zu früher höhere Lebenserwartung. Die Lebenserwartung ist im vergange- nen Jahrhundert aufgrund von verschiedenen Faktoren kontinuierlich angestiegen, etwa durch die Reduktion der Säuglings- und Kindersterblichkeit, die Erhöhung des Lebensstan- dards, die wirtschaftliche Besserstellung, die verbesserte Hygiene, die besseren Bildungs- chancen oder Fortschritte im Gesundheitswesen und in der Medizin. Nie zuvor wurden die Zürcherinnen und Zürcher im Schnitt so alt wie heute. Die Lebenserwartung steigt voraus- sichtlich weiter an, besonders in den höheren Altersgruppen. Thema der vorliegenden Analyse ist die Sterblichkeit der Zürcher Bevölkerung in den ver- gangenen 100 Jahren – ein Blick zurück, der so lange dauert wie ein langes Leben –, mit einem speziellen Fokus auf die letzten drei Jahrzehnte. Von Interesse sind vor allem die Sterbefälle nach Geschlecht und Alter. Die Veränderungen, die im Verlaufe des letzten Jahrhunderts aufgetreten sind, werden anhand von ausgewählten Indikatoren aufgezeigt. Es geht um die Frage, wieso die Zahl der Sterbefälle in jüngster Zeit so konstant ist und wie stark sich die Lebenserwartung und die Altersverteilung der Gestorbenen gegenüber früher verändert haben. Am Schluss der Analyse geht es um die Frage, wie sich die Zahl der Ster- befälle künftig entwickeln könnte. Datengrundlagen sind im Wesentlichen die Statistiken der natürlichen Bevölkerungsbewe- gungen (BEVNAT), des Bevölkerungsstandes (ESPOP) und der eidgenössischen Volkszäh- lungen (VZ, STATPOP). Daten zu den Sterbefällen sind seit 1871 verfügbar. Die Sterbefall- statistik weist unter anderem Geschlecht, Alter und Zivilstand der Verstorbenen aus. Diese Daten bilden die Grundlage für die sogenannten Sterbetafeln, anhand derer die Lebenser- wartung berechnet werden kann. Die Statistik der Sterbefälle liefert dadurch demografische Basisinformationen zur Beurteilung der Sterblichkeitsverhältnisse, der Lebenserwartung und der Alterung der Bevölkerung. Zahl der jährlichen Sterbefälle seit drei Jahrzehnten ziemlich stabil Vor 100 Jahren, um 1910, starben im Kanton Zürich knapp 7‘000 Personen pro Jahr (Grafik 1). 1923 wurde mit 5‘700 die niedrigste Sterbezahl des Jahrhunderts registriert, wohl auch eine Folge der Spanischen Grippe von 1918, als viele Menschen vorzeitig verschieden. Ab 1925 stieg die Zahl der jährlichen Sterbefälle kontinuierlich an und erreichte 1990 mit rund 11‘100 einen Höhepunkt, seither ist sie rückläufig. 2011 sind rund 10‘300 Personen gestor- ben. Im Vergleich zu den Sterbefällen haben die jährlichen Geburtenzahlen in der Vergangenheit stark geschwankt, von rund 8‘000 während des ersten Weltkrieges bis über 18‘800 auf dem Höhepunkt des Babybooms der 1960er-Jahre. Was aber für das Bevölkerungswachstum wichtig ist: In den letzten 140 Jahren sind im Kanton Zürich stets mehr Kinder geboren wor- den als Menschen starben. Mit einer einzigen Ausnahme: 1918 grassierte die Spanische Grippe, und es resultierte statt des üblichen Geburtenüberschusses ein kleiner Sterbeüber- schuss. Im Kanton Zürich trägt gegenwärtig der Geburtenüberschuss etwa zu einem Viertel zum Bevölkerungswachstum bei, die restlichen drei Viertel gehen zurück auf Wanderungsgewin- ne, vorwiegend aus dem Ausland. Nicht überall im Kanton sind Geburtenüberschüsse die Regel. Die Stadt Zürich, um ein Beispiel zu nennen, verzeichnete ab etwa 1970 – im An- schluss an die Babyboomjahre – stets Sterbeüberschüsse, die sich erst 2004 wieder in ei- nen Geburtenüberschuss kehrten. 2
statistik.info 2012/10 Grafik 1: Sterbefälle und Geburten 1871–2011 Kanton Zürich; Geburtensaldo = Zahl der Lebendgeborenen minus Zahl der Gestorbenen 25000 Lebendgeborene Gestorbene Geburtensaldo 20000 15000 Anzahl 10000 5000 0 -5000 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik Sterbefälle sind gegenwärtig ungleich auf Frauen und Männer verteilt Die Zahl der Sterbefälle von Frauen übertrifft derzeit jene von Männern deutlich: 2011 ent- fielen auf 100 Sterbefälle von Frauen rund 90 Sterbefälle von Männern. Das war in den letz- ten 100 Jahren nicht immer so. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Ge- schlechterverhältnis bei den Sterbefällen noch ausgeglichen, von 1960 bis 1980 starben hingegen pro Jahr mehr Männer als Frauen (Grafik 2A). Seit Anfang der 1990er-Jahre ist es hingegen umgekehrt. Die Sterbefälle von Frauen sind gegenwärtig häufiger, weil die Frauen in den höheren Altersjahren übervertreten sind und die Männer bei der Lebenserwartung etwas aufgeholt haben. Davon aber später. Die Todesfälle von ausländischen Staatsangehörigen machen nur einen kleinen Teil der Sterbefälle aus (Grafik 2B). 2011 waren es neun Prozent aller Sterbefälle, obwohl der Aus- länderanteil 24 Prozent beträgt, die Tendenz ist aber steigend. Der Grund ist klar: Es leben nur wenige ausländische Seniorinnen und Senioren im Kanton Zürich. 2011 hatten nur zwölf Prozent der Über-64-Jährigen keinen Schweizer Pass. Viele ausländische Staatsangehöri- ge sind noch nicht lange hier und noch nicht im Rentenalter. Diejenigen, die schon länger hier leben, haben sich allenfalls einbürgern lassen und zählen nun als Einheimische. Ande- re sind nach der Pensionierung in ihr ursprüngliches Heimatland zurückgekehrt. 3
statistik.info 2012/10 Grafik 2: Sterbefälle nach Geschlecht und Heimat 1911–2011 Kanton Zürich A) nach Geschlecht B) nach Heimat und Geschlecht 7000 7000 6000 6000 5000 5000 4000 4000 Anzahl 3000 3000 2000 2000 Schweizerinnen 1000 1000 Schweizer Frauen Ausländerinnen Männer Ausländer 0 0 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Hinweis: Jahresdaten nach Geschlecht ab 1931 (bis 1930 Mittelwerte/Periode), nach Heimat ab 1969 verfügbar Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik Demografische Faktoren, welche die Zahl der Sterbefälle beeinflussen Die Sterblichkeit wird von biologischen, medizinischen und sozioökonomischen Faktoren sowie von der individuellen Lebensweise beeinflusst. Die folgenden Ausführungen konzent- rieren sich auf die rein demografischen Einflussfaktoren. Die Zahl der Sterbefälle hängt ei- nerseits von der Sterblichkeit der Bevölkerung in den einzelnen Altersjahren ab. Auf der anderen Seite beeinflussen Grösse und Altersaufbau der Bevölkerung die Zahl der Sterbe- fälle, insbesondere der Anteil der Menschen in höheren Altersjahren. Der Altersaufbau wird seinerseits durch die Migration beeinflusst. Im Folgenden werden drei ausgewählte demografische Einflussfaktoren beschrieben: Sterblichkeit der Bevölkerung Migration: Zu- und Wegwanderungen Grösse und Altersaufbau der Bevölkerung Faktor Sterblichkeit: Lebenserwartung steigt laufend an In den vergangenen 100 Jahren hat sich die Sterblichkeit der Bevölkerung stark verändert. Dies zeigen zum einen die sogenannten Sterbetafeln und zum anderen die errechnete durchschnittliche Lebenserwartung (siehe Kasten «Zwei unterschiedliche Arten von Sterbe- tafeln»). Anhand von Sterbetafeln lassen sich Veränderungen der Sterblichkeit über die Zeit beurtei- len. Eine Sterbetafel – in unserem Falle die «Periodensterbetafel» – bildet tabellarisch ab, wie sich ein vorgegebener Bestand von 100‘000 Neugeborenen mit voranschreitendem Al- ter durch den Einfluss der Sterblichkeit langsam reduziert. Dabei werden für jedes Altersjahr die mit Hilfe der altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten ermittelten Gestorbenen sukzessive vom Anfangsbestand subtrahiert, sodass die Zahl der Überlebenden immer klei- ner wird. Diese Berechnung wird für Männer und Frauen getrennt vorgenommen, da sich ihre altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten unterscheiden. In diesem Modell wird also nur gestorben, Geburten und Wanderungsbewegungen kommen hingegen keine vor. 4
statistik.info 2012/10 Grafik 3 zeigt für verschiedene Perioden die sich aus den Sterbetafeln ergebenden «Kurven der Absterbeordnung», die auch als «Überlebens- oder Survivalkurven» bezeichnet werden. Die Überlebenskurven zeigen, dass sich in den letzten 100 Jahren die Verteilung des Ster- bealters stark verändert hat. Bis anfangs des 20. Jahrhunderts war die Säuglings- und Kin- dersterblichkeit hoch, heute ist sie hingegen sehr niedrig. Im Verlaufe der Zeit hat sich die Sterblichkeit auch in allen anderen Altersstufen verringert. Die Sterbefälle verteilen sich nicht mehr wie früher auf alle Altersjahre, sondern konzentrieren sich immer mehr auf eine kurze Spanne zwischen dem 75. und dem 90. Altersjahr. Dies wird als «Kompression der Sterblichkeit» bezeichnet (Bundesamt für Statistik 2009). Da die Überlebenskurve im Ver- lauf des Jahrhunderts immer flacher geworden ist, wird auch von der «Rektangularisierung der Sterbetafel» gesprochen (für weiterführende Informationen siehe Menthonnex 2009; Luy 2006). Auch in jüngster Zeit verändert sich die Kurve, weil die Menschen in den höheren Altersjahren immer länger leben. Grafik 3: Überlebenskurven nach Geschlecht 1880-2010 Daten Schweiz (CH) respektive Kanton Zürich (ZH), Grundlage sind die Periodensterbetafeln Männer Frauen 100000 100000 90000 90000 80000 80000 Überlebende Personen im Alter x 70000 70000 60000 60000 50000 50000 40000 40000 30000 30000 1876-1880 CH 1876-1880 CH 20000 1910-1911 CH 20000 1910-1911 CH 1948-1953 CH 1948-1953 CH 10000 1978-1983 CH 10000 1978-1983 CH 1981-1983 ZH 1981-1983 ZH 2008-2010 ZH 2008-2010 ZH 0 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 Alter (Jahre) Alter (Jahre) Hinweis: Für die Jahre 1880 bis 1970 sind nur schweizerische Sterbetafeln verfügbar. Die Überlebenskurven der Zürcher Bevölkerung dürften aber damals derjenigen der Schweizer Bevölkerung ähnlich gewesen sein, wie die Sterbetafel 1978-1983 zeigt. Die Zürcher Werte ab 1981 stammen aus abgekürzten kantonalen Sterbetafeln, berechnet als Mittelwert von drei Jahren. Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik Dass sich in den vergangenen 100 Jahren die Sterblichkeit der Menschen stark verändert hat, kann anhand verschiedener Indikatoren, die sich aus den Sterbetafeln berechnen las- sen, aufgezeigt werden. Am bekanntesten ist die sogenannte «Lebenserwartung bei Geburt». Im Kanton Zürich liegt sie gegenwärtig für neugeborene Mädchen bei über 84 Jahren und für neugeborene Knaben bei 80 Jahren. Die Lebenserwartung der Zürcherinnen und Zürcher gehört zu den höchsten der Welt, im schweizerischen Vergleich liegt sie etwa im Mittel der Kantone (Bun- desamt für Statistik 2011). Die durchschnittliche Lebenserwartung kann auch für die ande- ren Altersjahre errechnet werden. Sie liegt beispielsweise für 65-jährige Frauen im Schnitt bei über 22 Jahren und für gleichaltrige Männer bei etwa 19,5 Jahren. So betrachtet liegt die gesamte Lebenserwartung für 65-Jährige bei etwa 87 Jahren bei den Frauen und 84,5 Jah- ren bei den Männern. Zum Zeitpunkt der Pensionierung haben die Rentnerinnen und Rent- ner im Schnitt also immer noch fast einen Viertel ihres Lebens vor sich. 5
statistik.info 2012/10 Zwei unterschiedliche Arten von Sterbetafeln Die gebräuchlichste Art der Sterbetafel ist die «Periodensterbetafel». Sie basiert auf den in einer bestimmten Beobachtungsperiode gemessenen altersspezifischen Sterblich- keiten, stellt also eine Querschnittsbetrachtung dar. Die erste Sterbetafel, die für die Be- völkerung der Schweiz berechnet wurde, stammt aus der Zeit der Volkszählung 1880, und enthält die Zahl der Gestorbenen und der Durchschnittsbevölkerung der Jahre 1876 bis 1880. Die erste hier aufgeführte Sterbetafel für den Kanton Zürich stammt aus der Periode 1981 bis 1983. Aus der «Perioden-Sterbetafel» lässt sich die durchschnittliche Lebenserwartung be- rechnen. Dies erfolgt für jedes einzelne Altersjahr über die altersspezifischen Sterbe- wahrscheinlichkeiten. Die Lebenserwartung gibt an, wie viele Jahre ein Mensch unter den Sterblichkeitsverhältnissen einer bestimmten Periode im Schnitt noch zu leben hat. Sie ist eine errechnete Grösse und unterstellt, dass die altersspezifischen Sterbewahr- scheinlichkeiten der jeweils betrachteten Periode für das gesamte Leben gelten. Mit zu- nehmendem Alter erhöht sich die durchschnittliche Lebenserwartung eines Menschen, weil das Sterberisiko der bereits durchlebten Jahre entfällt, das heisst die schwierigen Jahre als Säugling und als junger Erwachsener bereits überstanden sind. Bei der Interpretation muss berücksichtigt werden, dass es sich bei der so berechneten Lebenserwartung um einen Schätzwert handelt. Er beruht auf den momentan herrschen- den Sterblichkeitsverhältnissen. Jetzige Verhältnisse werden in die Zukunft extrapoliert, die Berechnung enthält aber keine prognostische Komponente. In Periodenbetrachtung sind altersspezifische Sterberaten – ebenso wie altersspezifische Fertilitätsraten – zudem von sogenannten «Tempo-Effekten» betroffen (Bongaarts und Feeney 2002). Daneben gibt es die «Generationensterbetafel», auch «Kohortensterbetafel» genannt. Sie beschreibt die Lebenserwartung der Angehörigen eines Geburtsjahrgangs, ist also eine Längsschnittbetrachtung. Hierzu werden die Sterbefälle eines Geburtsjahrgangs über die gesamte Lebenszeit hinweg betrachtet. Diese Sterbetafeln sind ebenfalls als Modellrechnungen anzusehen, und sie haben den Nachteil, dass Schätzungen zur Sterb- lichkeit von Geburtsjahrgängen notwendig sind, deren Angehörige noch leben. Bei älte- ren Geburtsjahrgängen müssen Datenlücken und Wanderungsbewegungen berücksich- tigt werden. Eine kürzlich veröffentlichte Studie vergleicht die Lebenserwartung des Geburtsjahrgangs 1950 anhand von Generationensterbetafeln verschiedener Länder (Shkolnikov 2012). Sie kommt zum Schluss, dass die 1950 geborenen Schweizer Frauen weltweit am längsten leben dürften, nämlich im Schnitt 84 Jahre. Die Schweizerische Perioden-Sterbetafel von 1948/53 wies damals nur eine Lebenserwartung von 71 Jahren aus. Damit dürften die 1950 geborenen Schweizer Frauen im Durchschnitt effektiv 13 Jahre länger leben als damals anhand der Sterbetafeln berechnet. Um 1950 ging man übrigens davon aus, dass die Frauen in Island die höchste Lebenserwartung hätten. Zur Sterblichkeit der Schweizer Geburtsjahrgänge siehe auch Cordazzo (2006) und Menthonnex (2009). Die Lebenserwartung ist in den vergangenen 130 Jahren ununterbrochen gestiegen, sie hat sich in diesem Zeitraum praktisch verdoppelt (Grafik 4). In den Anfängen der Statistik, um 1880, als die erste Sterbetafel 1876/1880 berechnet wurde, konnten neugeborene Knaben nur mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwa 41 Jahren und Mädchen mit 44 Jahren rechnen.1 Damals war insbesondere die Säuglingssterblichkeit hoch, aufgrund von Infektionskrankheiten, schlechter Ernährung oder schlechter hygienischer Verhältnisse. Zu- 1 Die Kindersterblichkeit war Ende des 19.Jahrhunderts noch immer hoch. Die damals anhand von Sterbetafeln berechnete durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt wurde dadurch verzerrt. Wer damals die Kindheit überlebte, hatte nämlich eine viel höhere Lebenserwartung als die für die Neu- geborenen berechnete. Bei der Lebenserwartung der 65-Jährigen ist dieser Verzerrungseffekt bei- spielsweise nicht vorhanden, der Schätzwert also genauer. 6
statistik.info 2012/10 nächst trug vor allem der Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit zu den Lebens- erwartungsgewinnen bei, später kam ein kontinuierlicher Rückgang der Sterblichkeit in allen Altersjahren dazu. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die Zunahme etwas ver- langsamt. In diesem Zeitraum hat sich namentlich das Sterberisiko ab Alter 60 vermindert. insbesondere aufgrund der medizinischen Fortschritte bei den Krankheiten des Kreislauf- systems (Bundesamt für Statistik 2009; Bundesamt für Statistik 2011). Frauen haben im Schnitt eine höhere Lebenserwartung als Männer.2 Anfangs des 20. Jahr- hunderts lag die Geschlechterdifferenz bei der Lebenserwartung bei Geburt bei knapp drei Jahren, bis Anfang der 1990er-Jahre vergrösserte sie sich laufend auf rund sieben Jahre. Seither hat sie sich auf etwa vier Jahre verringert, weil die Männer bei der Lebenserwartung aufgeholt haben. Dies erklärt mit, wieso die Sterbefälle der Schweizer Männer im Zeitraum 1980 bis heute abgenommen haben, jene der Schweizer Frauen hingegen nicht (siehe Gra- fik 2). Bei der noch verbleibenden Lebenserwartung von 65-Jährigen ist die Geschlechterdif- ferenz geringer als bei der Lebenserwartung Neugeborener. Um 1880 war die Lebenserwar- tung von 65-jährigen Frauen und Männern praktisch identisch, heute liegt sie bei den Frau- en etwa 2,5 Jahre höher als bei den Männern. Bei der Lebenserwartung von 65-jährigen ist die geschlechtsspezifische Differenz deshalb geringer, weil die Männer mit 65 Jahren die schwierigen Jahre im ersten Lebensjahr und als junge Erwachsene bereits überstanden haben. Grafik 4: Durchschnittliche Lebenserwartung nach Geschlecht 1880–2010 Daten Schweiz (bis 1970) respektive Kanton Zürich (ab 1980), Grundlage sind die Periodensterbetafeln 100 90 Frauen bei Geburt Männer bei Geburt 80 Frauen 65 Jahre Männer 65 Jahre 70 Alter (Jahre) 60 50 40 30 20 10 0 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Hinweis: bis 1970 Periodensterbetafeln Schweiz 1876/1880 bis 1968/1973 (Volkszählungen); ab 1980 abgekürz- te kantonale Sterbetafeln für den Kanton Zürich Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik 2 Die höhere Lebenserwartung der Frauen dürfte einerseits genetisch und hormonell bedingt sein, andererseits aber auf unterschiedliche Verhaltensweisen zurückzuführen sein. Anhand einer Kloster- studie konnte gezeigt werden, dass die zweite Komponente sehr wichtig ist (Luy 2008). Bei den un- tersuchten Ordensmitgliedern hatten 25-jährige Mönche eine um gut vier Jahre höhere Lebenserwar- tung als die gleichaltrige männliche Allgemeinbevölkerung, und zwischen Nonnen und Mönchen wa- ren die Unterschiede bei der geschlechtsspezifischen Lebenserwartung signifikant kleiner als in der Gesamtbevölkerung. Luy kommt zum Schluss, dass primär die Männer für Ausmass und Entwicklung der Geschlechterdifferenzen bei der Lebenserwartung verantwortlich sind: «Frauen leben länger – Männer sterben früher». 7
statistik.info 2012/10 Faktor Migration: Viele junge Zuwandernde, einige ältere Wegwandende Wanderungsbewegungen beeinflussen die Altersstruktur der Bevölkerung und damit auch die Zahl der Sterbefälle, wenn auch nur in geringem Ausmass. Zur Altersstruktur der Zu- und Wegwandernden existieren für den Kanton Zürich keine weit zurückreichenden Daten. In Grafik 5 sind exemplarisch die Wanderungsbewegungen des Jahres 2011 aufgeführt, da davon auszugehen ist, dass sich die Alterstruktur der Wandernden in den letzten Jahren nicht erheblich geändert hat. Die in den Kanton Zürich Zuwandernden – die gegenwärtig vor allem zum Arbeiten kommen – sind in der Regel eher jung, mehrheitlich im Alter zwischen 20 und 45 Jahren (Grafik 5). Sie sind im Schnitt deutlich jünger als die bereits ansässige Bevölkerung. 2011 wiesen die Zuwandernden ein Durchschnittsalter von 31 Jahren auf, zehn Jahre unter jenem der an- sässigen Bevölkerung (Bucher und Hofer 2012). Auch die aus dem Kanton Zürich Wegzie- henden sind in der Regel mehrheitlich im Alter zwischen 20 und 45 Jahren, im Schnitt aber etwas älter als die Zuziehenden. 2011 waren die Wegwandernen im Schnitt 34 Jahre alt, drei Jahre älter als die Zuziehenden. Ältere Menschen sind im Gegensatz zu den jüngeren eher sesshaft und ziehen nur selten über die Kantonsgrenzen um. Einige ziehen aber kurz nach der Pensionierung weg, sei es in andere Kantone oder ins Ausland, im Falle von Per- sonen mit Migrationshintergrund in ihr ursprüngliches Heimatland. 2011 sind rund 1‘800 Über-59-Jährige in den Kanton Zürich zugezogen und gut 3‘300 gleichaltrige haben ihn ver- lassen, was für diese Altersgruppe einen Wanderungsverlust von 1‘500 ergibt. Letztlich ist die Nettobilanz aus Zu- und Wegzügen entscheidend. Insgesamt gewinnt der Kanton Zürich durch die Migrationsbewegungen viele Personen im Alter zwischen 20 und 45 Jahren und verliert einige Personen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren. Die Bilanz der 0- bis 15-Jährigen ist in der Regel fast ausgeglichen. Insgesamt verjüngt die Migration die Bevölkerung leicht. Die vielen jungen Menschen die zuwandern und sich hier niederlassen, kommen erst in einigen Jahrzehnten ins Sterbealter. Die Menschen, die im frühen Rentenal- ter aus dem Kanton Zürich wegziehen, sterben später anderswo, fallen also aus der Sterbe- statistik des Kantons Zürich. Dies erklärt mit, wieso eine Bevölkerung stark wachsen kann, die Sterbefälle aber vorderhand noch nicht ansteigen. Grafik 5: Altersaufbau der Zu- und Wegwandernden 2011 Kanton Zürich; nach Herkunft und Ziel; Wanderungssaldo = Nettobilanz aus Zu- und Wegwanderungen übrige Kantone Ausland Insgesamt 100 100 100 Zuwanderung Zuwanderung Wanderungssaldo 90 Wegwanderung 90 Wegwanderung 90 80 80 80 70 70 70 60 60 60 Alter (Jahre) 50 50 50 40 40 40 30 30 30 20 20 20 10 10 10 0 0 0 -1500 -1000 -500 0 500 1000 1500 -1500 -1000 -500 0 500 1000 1500 -1000 -500 0 500 1000 1500 2000 Anzahl Anzahl Anzahl Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik 8
statistik.info 2012/10 Faktor Altersaufbau: Immer mehr Über-79-Jährige, mehrheitlich Frauen In den vergangenen 100 Jahren ist die Bevölkerungszahl stark gewachsen, von 504‘000 (1910) auf heute über 1‘390‘000. In diesem Zeitraum hat sich der Altersaufbau der Bevölke- rung deutlich verändert (Grafik 6). Die «Alterspyramide» hat sich zu einer «Tanne» gewan- delt. Der Altersaufbau wird heute durch die geburtenstarken Jahrgänge der hier geborenen oder zugewanderten Babyboom-Generation geprägt, die momentan so zwischen 45 und 65 Jahre alt sind. Sie stehen einer schwächer besetzten jungen Generation und einer immer grösser werdenden Zahl von Rentnerinnen und Rentnern gegenüber. Die Zahl der älteren Menschen ist im Verlaufe der Zeit stark angestiegen. Im Kanton Zürich leben zurzeit rund 233‘000 Personen, die mindestens 65 Jahre alt sind, davon sind fast 64‘000 Personen bereits 80-jährig oder älter. 1980 lebten rund 30‘000 Personen im Alter 80+ hier, nur halb so viele wie heute, und 1911 waren es schätzungsweise rund 2‘000. Die demografische Alterung ist weit fortgeschritten, wie der Indikator «Durchschnittsalter» zeigt: Die Zürcher Bevölkerung ist heute im Schnitt gut 41 Jahre alt, etwa 3,5 Jahre älter als 1980 und etwa 11 Jahre älter als 1911. Grafik 6: Altersaufbau der Bevölkerung 1910–2011 Kanton Zürich, Überhang = Übervertretung des einen Geschlechts pro Altersgruppe (Differenz) 1910 1930 1960 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen 90+ 90+ 90+ 80-89 Überhang 80-89 80-89 70-79 70-79 70-79 60-69 60-69 60-69 Alter (Jahre) 50-59 50-59 50-59 40-49 40-49 40-49 30-39 30-39 30-39 20-29 20-29 20-29 10-19 10-19 10-19 0-9 0-9 0-9 120 80 40 0 40 80 120 120 80 40 0 40 80 120 120 80 40 0 40 80 120 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 1980 1995 2011 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen 90+ 90+ 90+ 80-89 80-89 80-89 70-79 70-79 70-79 60-69 60-69 60-69 Alter (Jahre) 50-59 50-59 50-59 40-49 40-49 40-49 30-39 30-39 30-39 20-29 20-29 20-29 10-19 10-19 10-19 0-9 0-9 0-9 120 80 40 0 40 80 120 120 80 40 0 40 80 120 120 80 40 0 40 80 120 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 Lesehilfe: 2011 standen in der Altersgruppe der 80-89-Jährigen den rund 34‘000 Frauen (rot) rund 20‘000 Män- ner (blau) gegenüber, was einem Frauenüberhang von 14‘000 (schwarze Linie) entspricht. Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik 9
statistik.info 2012/10 Die Frauen sind in den höheren Altersjahren deutlich übervertreten. Bei den 65+-Jährigen machen sie momentan 57 Prozent aus, bei den 80+-Jährigen gar zwei Drittel. Die Frauen sind in den höheren Altersklassen stärker vertreten, da sie im Schnitt länger leben als die Männer. In den jüngeren Altersklassen sind hingegen die Männer leicht übervertreten. Ei- nerseits kommen etwas mehr Knaben auf die Welt als Mädchen, andererseits wandern in der Regel etwas mehr Männer zu als Frauen. Die Übervertretung der Frauen in den höhe- ren Altersjahren ist allerdings langsam rückläufig, da die Männer verstärkt in höhere Alters- klassen hineinwachsen und in diesen höheren Altersklassen gegenwärtig mehr Frauen sterben als Männer. Im Kanton Zürich leben immer mehr 100-Jährige und ältere. 2011 waren es insgesamt über 200 Personen, zu 85 Prozent Frauen. Allerdings lebt im Kanton Zürich niemand mehr, der im 19. Jahrhundert geboren wurde. Soweit die demografischen Faktoren, die die Zahl der Sterbefälle beeinflussen. Von Interes- se ist nun noch, wie sich die Sterbefälle auf die einzelnen Altersjahre verteilen. Im Folgen- den mehr dazu. Immer mehr sterben erst nach dem 80. Altersjahr Die Altersverteilung der Sterbefälle hat sich in den vergangenen 100 Jahren stark verändert (Grafik 7). In den jüngeren Altersklassen hat sich die Zahl der Sterbefälle stark verringert, in den höheren Altersklassen ist sie dagegen gestiegen. Diese Entwicklung ist einerseits auf die längere Lebenserwartung der Frauen und Männer zurückzuführen, anderseits auf die Veränderung der Alterszusammensetzung der Bevölkerung, wie in den vorherigen Kapiteln gezeigt. Um 1911 starben noch relativ viele Neugeborene bereits im ersten Lebensjahr, handkehrum starben nur wenige Menschen erst nach dem 80. Geburtstag. Im Verlaufe der Zeit hat sich das Sterbealter immer weiter in höhere Alter verschoben. Während noch bis 1980 die Al- tersgruppe der 70- bis 79-Jährigen am meisten Sterbefälle verzeichnete, ist es seither die Altersgruppe der 80- bis 89-Jährigen. Da immer mehr Menschen über 90 Jahre alt werden, sterben auch immer mehr Menschen in diesem hohen Alter. Im Jahr 2010 sind über 2‘100 Menschen im Alter von 90 Jahren und älter verstorben, so viele wie noch nie, und sogar leicht mehr als in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen. Es gibt grosse geschlechtsspezifische Unterschiede. Bei den Personen, die vor dem 80. Altersjahr sterben, sind die Männer seit längerem stärker vertreten als die Frauen. Bei den Personen, die nach dem 80. Geburtstag sterben, sind hingegen die Frauen klar in der Mehrheit. Grund dafür ist der aktuelle Altersaufbau: Die Frauen sind gegenwärtig in den höheren Altersgruppen viel stärker vertreten als die Männer. 10
statistik.info 2012/10 Grafik 7: Verteilung der Sterbefälle nach Alter und Geschlecht 1911–2011 Kanton Zürich, Überhang = Übervertretung des einen Geschlechts pro Altersgruppe (Differenz absolut) 1911/1915 1931 1960 90+ Überhang 90+ 90+ 80-89 80-89 80-89 70-79 70-79 70-79 60-69 60-69 60-69 Alter (Jahre) 50-59 50-59 50-59 40-49 40-49 40-49 30-39 30-39 30-39 20-29 20-29 20-29 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen 10-19 10-19 10-19 0-9 0-9 0-9 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 1980 1995 2011 90+ 90+ 90+ 80-89 80-89 80-89 70-79 70-79 70-79 60-69 60-69 60-69 Alter (Jahre) 50-59 50-59 50-59 40-49 40-49 40-49 30-39 30-39 30-39 20-29 20-29 20-29 Männer Frauen Männer Frauen Männer Frauen 10-19 10-19 10-19 0-9 0-9 0-9 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 2.5 2 1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 Lesehilfe: 2011 starben rund 2‘200 Frauen im Alter zwischen 80 und 89 Jahren (rot), bei den Männern dieses Alters waren es 1‘700 (blau), was einem Frauenüberhang von 500 (schwarze Linie) entspricht. Hinweis: Für die Jahre 1911 bis 1968 ist für die nach dem 70. Altersjahr Gestorbenen nur die Summe bekannt, sie wurde deshalb für die aufgeführten Jahre rechnerisch auf die Altersgruppen 70-79, 80-89 und 90+ aufgeteilt, und zwar nähe- rungsweise anhand der Altersstruktur der Gestorbenen der Stadt Zürich. Erste Grafik: Mittelwerte der Periode 1911-1915. Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik Grafik 8 zeigt zusammengefasst die Veränderungen in der Altersverteilung der Sterbefälle über die letzten 100 Jahre. Die Sterbefälle im ersten Lebensjahr und die Sterbefälle vor dem Alter 65 haben anteilsmässig stark abgenommen, jene ab Alter 80 hingegen ein viel stärke- res Gewicht erhalten. Der Anteil der Männer, die nach ihrem 80. Geburtstag sterben, ist von etwa fünf Prozent (1911) auf 47 Prozent (2011) angestiegen, bei den Frauen von etwa acht auf 67 Prozent. Der Anteil der Menschen, die vor dem 65. Geburtstag sterben, ist hingegen stark gesunken, bei den Männern von fast 70 Prozent (1911) auf 21 Prozent (2011), bei den Frauen von etwa 60 Prozent auf 13 Prozent. Sterbefälle vor dem 65. Geburtstag gelten als vorzeitig und in vielen Fällen als vermeidbar, sie sind bei den Männern deutlich häufiger als bei den Frauen. Die Sterbefälle im ersten Lebensjahr sind stark zurückgegangen. 1911 wa- ren von den verstorbenen männlichen Personen etwa 15 Prozent weniger als ein Jahr alt, bei den weiblichen 12 Prozent, 2011 lagen die Werte sehr niedrig bei 0,8 resp. 0,4 Prozent. 11
statistik.info 2012/10 Grafik 8: Altersverteilung der Sterbefälle nach Geschlecht 1911–2011 Kanton Zürich 90 Personen vor Alter 65 Jahre Frauen vor Alter 65 Jahre 80 Männer vor Alter 65 Jahre davon Mädchen im ersten Lebensjahr davon Knaben im ersten Lebensjahr 70 Personen 80+ -jährig Frauen 80+ -jährig Männer 80+ -jährig 60 Anteile in % 50 40 30 20 10 0 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Hinweis: Für die Jahre 1911 bis 1968 ist für die nach dem 70. Altersjahr Gestorbenen nur die Summe bekannt, sie wurde deshalb rechnerisch auf die Altersgruppen 70-79, 80-89 und 90+ aufgeteilt, und zwar näherungsweise anhand der Altersstruktur der Gestorbenen der Stadt Zürich. Ebenso musste bei den Gestorbenen der Anteil der 60-64-Jährigen an den 60-69-Jährigen geschätzt werden. Bis 1930 Mittelwerte von Perioden, ab 1931 Jahresda- ten. Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik Ein weiterer häufig verwendeter Indikator der Sterblichkeit ist das «durchschnittliche Ster- bealter». Dieser Indikator zeigt, dass das durchschnittliche Alter, in dem die Menschen im Kanton Zürich sterben, deutlich angestiegen ist: 2011 sind sie im Schnitt mit 79 Jahren ge- storben, die Frauen mit 81 und die Männer mit 75 Jahren. 1980 war das durchschnittliche Sterbealter noch fünf Jahre niedriger, bei den Frauen bei etwa 76 und bei den Männern bei 70 Jahren. 1911 hingegen starben die Frauen und Männer im Schnitt viel früher als heute, nämlich bereits mit etwa 51 respektive 47 Jahren. Das errechnete durchschnittliche Sterbe- alter war aber damals auch deshalb so niedrig, weil die Säuglingssterblichkeit und die Sterblichkeit im jungen Erwachsenenalter noch relativ hoch waren. Das mittlere Sterbealter ist im Gegensatz zur errechneten Lebenserwartung keine Hochrechnung aus der Statistik, sondern beruht auf Beobachtung. Frauen sterben später als Männer und mehrheitlich als Witwen Die Statistik der Sterbefälle gibt auch Auskunft über den Zivilstand der gestorbenen Perso- nen. Exemplarisch sind hier die aktuellen Zahlen 2011 aufgeführt (Grafik 9). Die Frauen sterben mehrheitlich über 80-jährig und sind zu diesem Zeitpunkt häufig verwit- wet. 2011 war jede zweite gestorbene Frau verwitwet und jede fünfte verheiratet. Wenn Männer sterben, sind sie – im Gegensatz zu den Frauen – mehrheitlich verheiratet: 2011 war etwas mehr als jeder zweite gestorbene Mann verheiratet und jeder fünfte verwitwet. 12
statistik.info 2012/10 Wieso diese geschlechtsspezifischen Unterschiede? Frauen haben heutzutage im Schnitt eine um etwa vier Jahre längere Lebenserwartung als die Männer. Ehefrauen sind bei der Erstheirat im Schnitt etwa drei Jahre jünger als ihre Ehemänner. Ehemänner sterben dem- zufolge in der Regel früher als ihre Ehefrauen und gehen somit als verheiratete Personen in die Sterbestatistik ein. Ehefrauen hingegen überleben in der Regel ihre Ehemänner und sterben – zu einem späteren Zeitpunkt – als verwitwete Personen. Dies hat auch eine sozia- le Komponente: Während viele Ehemänner am Ende ihres Lebens von ihrer Ehefrau beglei- tet werden, sind viele Ehefrauen im hohen Alter alleinstehende Witwen. In der Schweiz wird derzeit bei einem Todesfall in einer Ehe etwa zu 70 Prozent die Ehefrau zu einer Witwe und zu 30 Prozent der Ehemann zu einem Witwer (Bundesamt für Statistik 2011). Der Zivilstand der gestorbenen Personen hat sich im Verlaufe der Zeit verändert. In den Anfängen des 20. Jahrhunderts war der Anteil der gestorbenen Personen, die ledig waren, höher als heute, jener der Verwitweten oder Geschiedenen hingegen niedriger. Grafik 9: Sterbefälle nach Geschlecht, Zivilstand und Alter 2011 Kanton Zürich Männer Frauen 4000 4000 verwitwet verwitwet geschieden geschieden 3000 verheiratet 3000 verheiratet ledig ledig Anzahl 2000 2000 1000 1000 0 0 0-19-J. 20-39-J. 40-64-J. 65-79-J. 80+ -J. 0-19-J. 20-39-J. 40-64-J. 65-79-J. 80+ -J. Altersgruppen (Jahre) Altersgruppen (Jahre) Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik Zahl der Sterbefälle nimmt künftig zu – trotz steigender Lebenserwartung Die Zahl der Sterbefälle wird in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen. Ursachen dafür sind die aktuelle Altersstruktur der Bevölkerung und die momentan ablaufende demo- grafische Alterung (Bucher und Hofer 2012). Die Zahl der Betagten und Hochbetagten nimmt in den nächsten Jahrzehnten stark zu, weil nun die geburtenstarken Jahrgänge aus der Babyboom-Zeit ins Rentenalter hineinwachsen (Bucher 2008). Irgendwann haben auch sie das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Den kantonalen Bevölkerungsprognosen liegt unter anderem die Annahme zugrunde, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bis 2050 um fünf weitere Jahre ansteigen wird. Im Prognosemodell steigt die Zahl der 80+-Jährigen in diesem Zeitraum um rund 100‘000 an (Statistisches Amt Kanton Zürich 2012). Dementsprechend verharren die Sterbezahlen nicht mehr auf dem Stand der letzten 30 Jahre, sondern steigen kräftig an. 2030 ist voraussicht- lich mit über 12‘000 Sterbefällen zu rechnen, 2050 werden es vermutlich gar 15‘000 Sterbe- fälle jährlich sein (Grafik 10). Bleiben die Geburtenraten ähnlich niedrig wie heute, dürften ab Mitte des Jahrhunderts pro Jahr mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden, so dass sich der Geburtenüberschuss in einen Sterbeüberschuss kehren wird. 13
statistik.info 2012/10 Grafik 10: Entwicklung der Zahl 65+-Jähriger und der Sterbefälle bis 2050 Kanton Zürich; Kantonales Prognosemodell 2012 (Werte 1980-2011 effektiv, 2012-2050 gemäss Modell) 65+ -Jährige Sterbefälle und Geburten 450 30 400 80+ -Jährige Geburten 65-79-Jährige 25 Sterbefälle 350 Geburtensaldo 20 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 300 15 250 200 10 150 5 100 0 Prognosemodell 50 Prognosemodell -5 0 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Hinweis: Vor 1996 liegen bei der Altersstruktur nur die Werte aus den Volkszählungen 1980 und 1990 vor. Die fehlenden Jahreswerte wurden deshalb interpoliert. Grafik: Statistisches Amt Kanton Zürich; Quellen: Bundesamt für Statistik (BEVNAT), Statistisches Amt Kanton Zürich (Prognosemodell 2012) Fazit In den vergangenen drei Jahrzehnten ist die Bevölkerung des Kantons Zürich um über ei- nen Fünftel gewachsen, die Zahl der 80-Jährigen und älteren hat sich gar verdoppelt. Trotz- dem sind 2011 nicht mehr Personen gestorben als vor 30 Jahren. Die Zahl der jährlichen Sterbefälle blieb über den Zeitraum von drei Jahrzehnten erstaunlich stabil bei etwas über 10‘000 Personen pro Jahr, mit einem Maximum von etwas über 11‘000 im Jahre 1990. Ur- sache dafür ist im Wesentlichen die in den letzten Jahrzehnten laufend gestiegene durch- schnittliche Lebenserwartung. Dadurch wurden die Sterbefälle gewissermassen «aufge- schoben». Dazu haben zu einem kleinen Teil auch Migrationsbewegungen beigetragen. Einerseits wanderten viele junge Menschen zu, die zwar die Bevölkerungszahl anwachsen lassen, aber erst Jahrzehnte später ihr Sterbealter erreichen und vorerst noch nicht in der Sterbestatistik auftauchen. Andererseits wanderten einige ältere Menschen weg und fielen somit aus der Sterbestatistik des Kantons. Die Zahl der Sterbefälle pro Jahr ist zwar in den letzten drei Jahrzehnten ziemlich stabil geblieben, dahinter stecken aber bedeutende demografische Veränderungen. Grafik 11 zeigt dies nochmals in einer Übersicht. Im vergangenen Jahrhundert ist die Lebenserwartung bei Frauen und Männern laufend an- gestiegen. Weil der Geschlechtsunterschied bei der Lebenserwartung bis Anfang der 1990er-Jahre immer grösser zugunsten der Frauen wurde, sind gegenwärtig die Frauen bei den Personen im Rentenalter deutlich stärker vertreten als die Männer. Als Folge dieser demografischen Prozesse hat sich die Altersverteilung der Gestorbenen und die Aufteilung der Sterbefälle auf die Geschlechter deutlich verändert. Immer mehr Personen sterben erst im Alter von 80 und mehr Jahren, immer weniger vor dem Alter 65 Jahre. Und die Sterbefäl- le von Frauen übertreffen gegenwärtig – wegen des Altersaufbaus – jene der Männer deut- lich. Die Menschen im Kanton Zürich leben also immer länger respektive sterben in einem immer höheren Lebensalter. Gemäss neusten Schätzungen werden recht viele der derzeit Neuge- borenen später ihren 100. Geburtstag feiern können, falls die Lebenserwartung weiter an- steigt und im 21. Jahrhundert keine grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozia- len Veränderungen stattfinden. Allerdings besteht trotzdem kein Grund zur Annahme, dass die Lebenserwartung in der Schweiz unbegrenzt steigen wird (Cordazzo 2006; Menthonnex 2009). 14
statistik.info 2012/10 Grafik 11: Veränderungen der Struktur der Bevölkerung und der Sterbefäl- le, nach Geschlecht und Alter 1910–2011 Kanton Zürich; Anzahl in 1000, nach Altersgruppen (Jahre) Bevölkerung: Insgesamt Sterbefälle insgesamt 1600 12 90+ 80-89 10 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 1200 70-79 60-69 8 30-59 800 0-29 6 4 400 2 0 0 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Bevölkerung: Männer Sterbefälle Männer 800 6 5 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 600 4 400 3 2 200 1 0 0 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Bevölkerung: Frauen Sterbefälle Frauen 800 6 5 Anzahl in 1000 Anzahl in 1000 600 4 400 3 2 200 1 0 0 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Hinweis: Bei der Bevölkerung sind die Zeitreihen aus Daten verschiedener Quellen zusammengesetzt, was die kleineren Brüche im Verlauf erklärt. Bei den Sterbefällen sind bis 1930 Mittelwerte von Perioden, ab 1931 Jah- resdaten aufgeführt. Für die Jahre 1911 bis 1968 ist für die nach dem 70. Altersjahr Gestorbenen nur die Sum- me bekannt, sie wurde deshalb rechnerisch auf die Altersgruppen 70-79, 80-89 und 90+ aufgeteilt, und zwar näherungsweise anhand der Altersstruktur der Gestorbenen der Stadt Zürich. Grafik: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Quelle: Bundesamt für Statistik 15
statistik.info 2012/10 Literatur Bongaarts J., Feeney G. 2002: How Long Do We Live? Population And Development Re- view 28(1), p. 13–29. Bucher H.P., Hofer Th. 2012: Demografische Alterung im Kanton Zürich. Die Zürcher Bevöl- kerung wird 2040 im Mittel vier Jahre älter sein als heute. Statistisches Amt des Kantons Zürich, statistik.info 2012/02, 14 S. Bucher H.P. 2008: Babyboomer kommen ins Rentenalter. Der Lebenszyklus der geburten- starken Jahrgänge im Kanton Zürich 1970–2050. Statistisches Amt des Kantons Zürich, statistik.info 2008/06, 20 S. Bundesamt für Statistik 2011: Sterblichkeit. Demos – Informationen aus der Demografie 1/2011. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, 11 S. Bundesamt für Statistik 2009: Die Zukunft der Langlebigkeit in der Schweiz. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, 23 S. Cordazzo V. 2006: Die Sterblichkeit der Schweizer Geburtsjahrgänge 1900 bis 2030. De- mos – Informationen aus der Demografie 3/2006. Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, 28 S. Luy M. 2008: Warum Frauen länger leben – oder Männer früher sterben? Zu Ursachen und Entwicklungen der Geschlechterdifferenz in der Lebenserwartung. Traditio et Innovatio 01– 08, S. 44–46. Luy M. 2006: Differentielle Sterblichkeit: die ungleiche Verteilung der Lebenserwartung in Deutschland. Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels. Rostocker Zentrum – Diskussionspapier No. 6. 26 S. Menthonnex J. 2009: La mortalité par génération en Suisse. Evolution 1900–2150 et tables par génération 1900–2030. Office fédéral de la statistique, Neuchâtel / Statistique Vaud, Lausanne. 58 p. Shkolnikov V. 2012: Die 100 in Sicht. Mit jedem Geburtsjahrgang kommen fünf Monate Le- benszeit hinzu. Demografische Forschung – Aus Erster Hand 2012/3. S. 1–2. Statistisches Amt Kanton Zürich 2012. Regionalisierte Bevölkerungsprognosen für den Kan- ton Zürich. Prognoselauf 2012. www.statistik.zh.ch 16
Das Statistische Amt des Kantons Zürich ist das Kompetenzzentrum für Datenanalyse der kantonalen Verwaltung. In unserer Online-Publikationsreihe "statistik.info" analysieren wir für ein breites interessiertes Publikum wesentliche soziale und wirtschaftliche Entwicklungen im Kanton und Wirtschaftsraum Zürich. Unser Newsletter "NewsStat" informiert Sie über unsere Neuerscheinungen in der Reihe "statistik.info" sowie über die Neuigkeiten in unse- rem Webangebot. Fragen, Anregungen, Kritik? Verfasser: Hans-Peter Bucher Telefon: 043 259 75 53 E-Mail: hanspeter.bucher@statistik.ji.zh.ch Statistisches Amt des Kantons Zürich Schöntalstrasse 5 8090 Zürich Telefon: 043 259 75 00 Fax: 043 259 75 69 E-Mail: datashop@statistik.zh.ch www.statistik.zh.ch © 2012 Statistisches Amt des Kantons Zürich, Abdruck mit Quellenangabe erlaubt.
Sie können auch lesen