STELLUNGNAHME DES SOZIALVERBANDS VDK DEUTSCHLAND E. V - BMAS
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Stellungnahme des Sozialverbands VdK Deutschland e. V. zum Referentenentwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) Sozialverband VdK Deutschland e.V. Bonn, den 17. Januar 2014 Abteilung Sozialpolitik Wurzerstraße 4a 53175 Bonn Telefon: 0228 82093 - 0 Telefax: 0228 82093 - 46 e-mail: kontakt@vdk.de
1 Zur Zielsetzung des Gesetzentwurfs Der Sozialverband VdK begrüßt, dass mit dem Referentenentwurf die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für den 1. Juli diesen Jahres vereinbarten rentenrechtlichen Leistungsverbesserungen umgesetzt werden. 2 Abschlagsfreie Rente mit 63 für besonders langjährig Versicherte Seit Januar 2012 kann mit Beginn der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze nach der Vollendung des 65. Lebensjahres abschlagsfrei die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch genommen werden. Zeitlich befristet ist für Versicherte bis Jahrgang 1952 eine Sonderregelung vorgesehen, nach der diese Rente ab 1. Juli 2014 ab 63 abschlagsfrei bezogen werden kann. Für die Jahrgänge 1953 bis 1963 wird das Zugangsalter um 2 Monate je Jahrgang wieder angehoben. Ab dem Jahrgang 1964 kann die abschlagsfreie Rente wieder erst ab 65 in Anspruch genommen werden. Auf die Wartezeit werden wie bisher Pflichtbeiträge aus Beschäftigung oder einer Tätigkeit sowie Kinderberücksichtigungszeiten bis zum 10. Lebensjahr des Kindes angerechnet. Zu den Pflichtbeitragszeiten zählen auch Beitragszeiten aus Kindererziehung, nicht erwerbsmäßiger Pflege, Krankengeldbezug und Wehr- und Zivildienst. Neu ist, dass der Bezug von Arbeitslosengeld I auf die Wartezeit angerechnet wird. Klargestellt wird hier in § 51 Abs. 3 a Entwurf-SGB VI, dass Zeiten des Bezugs von Entgeltleistungen der Arbeitsförderung, Leistungen bei Krankheit und Übergangsgeld unabhängig von ihrer rentenrechtlichen Bewertung als Beitrags- oder Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Erreicht werden soll, dass Härten durch kurzzeitige Unterbrechungen der Erwerbsbiografie vermieden werden sollen. Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II und Arbeitslosenhilfe sollen nicht angerechnet werden, weil Zweck der Regelung sei, diejenigen zu begünstigen, die ihr Arbeitsleben in jungen Jahren begonnen und mit Beschäftigung, Pflege und Kindererziehung ihren Beitrag zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben. Die Regelung gilt nur für Neurentner, da nach § 34 Abs. 4 SGB VI nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters der Wechsel in eine andere Rente ausgeschlossen ist.
Bewertung des Sozialverbands VdK Vor dem Hintergrund der schrittweisen Einführung der Rente mit 67 und der nach den Arbeitsmarktstatistiken immer noch sehr schlechten Beschäftigungssituation von älteren Arbeitnehmern hält der VdK es für positiv, dass zumindest befristet ein relativ kleiner Kreis von Versicherten der Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand erleichtert wird. Der VdK hält aber eine Ausweitung der Regelung insbesondere für langzeitarbeitslose und behinderte ältere Beschäftigte für notwendig. Bereits die geltende Regelung der Rente für besonders langjährig Versicherte ist problematisch. Schwerbehinderte Menschen sehen sich benachteiligt, weil bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ein abschlagsfreier Zugang nach 45 Jahren nicht vorgesehen ist. Langzeitarbeitslose und Frauen können die Wartezeit häufig nicht erfüllen. Nach Angabe der Deutschen Rentenversicherung Bund beträgt gemessen an allen Altersrentenzugängen des Jahrgangs 1947 die Quote der Männer, die die Rente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch genommen haben, etwa 3,2 % und bei den Frauen nur 0,5 %. Dies bedeutet, dass zu 86 % Männer von dieser Rentenart profitieren. Durch die Neuregelung sollen nur Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld I auf die Wartezeit angerechnet werden. Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II und der früheren Arbeitslosenhilfe sollen aber nicht berücksichtigt werden, da mit Zeiten der Dauer- und Langzeitarbeitslosigkeit kein Anspruch auf die abschlagsfreie Rente begründet werden soll. Dies widerspreche der Regelungsintention des Gesetzes. Im Ergebnis bedeutet dies, dass langjährig Versicherte mit relativ hohen Rentenansprüchen mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen können, während Alg II- Bezieher mit 63 mit Abschlägen von bis zu 14,4 % zwangsverrentet werden können. Eine abschlagsfreie Rente mit 63 wäre ein geeignetes Mittel, um insbesondere für Menschen, die aus gesundheitlichen oder behinderungsbedingten Gründen oder wegen der Anforderungen des Arbeitsmarkes nicht bis 67 arbeiten können, den Übergang in den Ruhestand sozialverträglich zu gestalten, indem sonst fällige Rentenabschläge von bis zu 14,4 % vermieden werden. Deshalb sollten bei der Wartezeit auch Zeiten des Alg II-Bezugs und der früheren Arbeitslosenhilfe berücksichtigt werden. Zumindest sollte kein Alg II-Bezieher gezwungen werden können, mit Abschlägen in Rente zu gehen. 3 Ausweitung der anrechenbaren Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder (Mütterrente) Für Mütter und Väter, die ab 1. Juli in Rente gehen, wird die Kindererziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder um 12 Monate verlängert. Dies bedeutet eine im Westen um etwa 28 € und im Osten um fast 26 € höhere Rente pro Kind. Mütter und Väter, die bereits eine Rente beziehen, erhalten zusätzlich zu ihrer laufenden Rente einen entsprechenden Zuschlag. Hierdurch wird der Verwaltungsaufwand vermieden, ca. 9 Millionen Renten neu zu berechnen.
Bewertung des Sozialverbands VdK Der VdK begrüßt, dass die Kindererziehungszeit für vor 1992 geborene Kinder um 12 Monate auf 2 Jahre verlängert wird. Die Finanzierung muss aber aus Steuermitteln erfolgen, da die Anerkennung der Erziehungsleistung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Perspektivisch hält er aber eine vollständige Angleichung der Erziehungszeit auf 3 Jahre für erforderlich. Mit der Neuregelung erhalten viele Frauen mit niedrigen Renten bzw. niedrigen Rentenanwartschaften eine spürbare Verbesserung. Hervorzuheben ist, dass die Ausweitung der Kindererziehungszeiten auch für Bestandsrenten gilt. Eine Beschränkung auf Neurenten wäre fatal, da hierdurch neue Ungerechtigkeiten geschaffen würden. Gerade in der Vergangenheit bestanden deutlich weniger Kinderbetreuungsmöglichkeiten, so dass viele Frauen nicht die Möglichkeit hatten, erwerbstätig zu sein. In einem weiteren Schritt ist die vollständige Angleichung bei der Bewertung von Kindererziehungszeiten notwendig. Die lapidare Begründung im Referentenentwurf, dass dies mangels Finanzierbarkeit keine realistische Alternative sei, überzeugt nicht. 4 Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente Das Ende der Zurechnungszeit soll bei der Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Juli 2014 vom derzeitigen 60. Lebensjahr auf das vollendete 62. Lebensjahr angehoben werden. Bei der Bewertung der Zurechnungszeit werden die letzten 4 Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht berücksichtigt, wenn dies für den Versicherten günstiger ist. Hintergrund ist, dass in den letzten Jahren vor Eintritt einer Erwerbsminderung viele Versicherte aus gesundheitlichen Gründen wegen Teilzeitarbeit, Krankengeldbezug oder Arbeitslosigkeit nur geringe Rentenanwartschaften erwerben können. Die Regelung gilt nur für Neurentner, da bei bestandskräftigen Renten aufgrund einer Rechtsänderung keine Neuberechnung erfolgt. Bewertung des Sozialverbands VdK Der VdK begrüßt die Verbesserungen bei den Zurechnungszeiten. Um Erwerbsminderungsrenten armutsfest zu machen, hält er aber weitere Maßnahmen wie insbesondere die Abschaffung der systemwidrigen Abschläge für erforderlich. Durch die Verlängerung der Zurechnungszeit um zwei Jahre erfolgt eine Anpassung an die schrittweise Heraufsetzung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre. Hierdurch wird verhindert, dass das Niveau der Erwerbsminderungsrenten gegenüber den Altersrenten noch weiter absinkt. Sehr positiv beurteilt der VdK, dass die Anhebung in einem Schritt erfolgen soll. Im Durchschnitt bedeutet dies nach Angabe der Deutschen Rentenversicherung eine Rentenerhöhung von 45 € brutto ohne Berücksichtigung der Abschläge. Bei einem durchschnittlichen
Rentenzahlbetrag von 607 € im Rentenzugang 2012 bedeutet dies einen spürbaren Beitrag zur Bekämpfung von Armut bei Erwerbsminderungsrenten. Positiv ist auch, dass bei der Bewertung von Zurechnungszeiten krankheitsbedingte geringere Einkommen sich nicht negativ auswirken. Als problematisch sieht der VdK aber, dass Bestandsrentner von diesen Leistungsverbesserungen ausgeschlossen sind. 2001 wurden die Zurechnungszeiten auf das 60. Lebensjahr angehoben, um teilweise die neu eingeführten Rentenabschläge zu kompensieren. Deshalb sollten die Verbesserungen bei den Zurechnungszeiten ab 1.7.2014 auch für Bestandsrentner gelten, die nach 2000 erwerbsgemindert waren und eine Erwerbsminderungsrente mit Abschlägen bezogen. 5 Anpassung der jährlichen Aufwendungen für Leistungen zur Teilhabe an die demografische Entwicklung (Anhebung des Reha-Deckels) Bei der Festsetzung der jährlichen Ausgabengrenze für Rehabilitationsleistungen soll die demografische Entwicklung berücksichtigt werden. Es soll eine demografische Komponente eingeführt werden, die sich an der Veränderung des Anteils der Bevölkerung im reha-intensiven Alter von 45 bis 67 Jahren gegenüber der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 67 Jahren orientiert. Hiernach würde es nur in den Jahren von 2014 bis 2017 und 2041 bis 2047 zu einer Erhöhung kommen, während in den anderen Jahren das Reha-Budget sogar absinken wird. Bewertung des Sozialverbands VdK Der VdK sieht die vorgesehene Anhebung des Reha-Deckels als Schritt in die richtige Richtung an. Notwendig ist aber eine vollständige Abschaffung des Budgets. Durch die Einführung des Reha-Budgets wurden die Reha-Ausgaben für 1997 auf das noch um 600 Mio. DM verminderte Niveau von 1993 abgesenkt sowie die weitere Fortschreibung allein an der Lohnentwicklung ohne Berücksichtigung jeglicher Bedarfsparameter orientiert. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Reha- Ausgaben nach Abzug der Lohnsteigerungen ungeachtet der demografischen Entwicklung und der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft auf dem Stand von 1993 festgeschrieben sind.1 In 2010 und 2012 war das Reha-Budget trotz aller Sparbemühungen und einer restriktiven Bewilligungspraxis der Rentenversicherung nahezu ausgeschöpft. Dies macht deutlich, dass schon aktuell das Reha-Budget nicht mehr ausreicht. Aufgrund der demografischen Entwicklung, der veränderten Anforderungen des Arbeitsmarktes und der schrittweisen Einführung der Rente mit 67 wird der Rehabilitationsbedarf weiter steigen. 1 Polster, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht 71. Ergänzungslieferung 2011, RN 4
Bestehende Rechtsansprüche auf medizinische Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben müssen unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Wunsch- und Wahlrechte erfüllt werden. Der VdK fordert daher die vollständige Abschaffung des Reha-Budgets. 6 Finanzierung Die Leistungsverbesserungen sollen bis 2018 aus Beitragsmitteln der Rentenversicherung finanziert werden. Erst ab 2019 soll sich der Bund mit zusätzlichen Steuermitteln, die sich stufenweise bis 2022 auf 2 Mrd. € erhöhen, an der Finanzierung beteiligen. Hierdurch werden die Rücklagen der Rentenversicherung verbraucht und bereits 2019 wird ein Beitragssatz von 19,7 % statt 19,1 % ohne die Leistungsverbesserungen (nach der Vorausberechnung im Rentenversicherungsbericht 2013) notwendig sein. Wegen des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel führt dies zu verminderten Rentenanpassungen und einer stärkeren Absenkung des Rentenniveaus. Bewertung des Sozialverbands VdK Der VdK fordert, dass die jährlichen Ausgaben für die Finanzierung der Mütterrente in Höhe von ca. 6,5 Mrd. € jährlich aus Steuermitteln erfolgt, da die rentenrechtliche Anerkennung der Erziehungsleistung eine gesamtgesellschaftlich Aufgabe ist. In der Begründung zum Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz von 1984 (BT-Drucksache 10/2677) wird zutreffend ausgeführt: „Da es sich bei der Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung um eine Leistung des Familienlastenausgleichs handelt, ist die Finanzierung Aufgabe des Bundes. Damit werden die Aufwendungen von allen Steuerzahlern getragen.“ Die vorgesehene weitgehende Beitragsfinanzierung hätte gravierende Auswirkungen auf die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Rentenniveau wird noch weiter absinken. Für notwendige Reformen zur wirksamen Bekämpfung von Altersarmut würden die finanziellen Spielräume weiter schrumpfen. Stattdessen bestünde die Gefahr weiterer Leistungskürzungen.
Sie können auch lesen