Wie man sich die zusätzlichen Grundsicherungsleistungen in der Einführungsphase sichert

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     Der neue Grundrentenfreibetrag:

     Wie man sich die zusätzlichen Grundsicherungsleistungen
     in der Einführungsphase sichert
     Von Ragnar Hoenig, Judith Kerschbaumer, Paula Wenning

     Mit dem Grundrentengesetz1 treten zum 1. Januar 2021 auch neue Freibeträge beim Wohngeld und beim Bezug von
     Sozialhilfeleistungen wie z. B. der Grundsicherung in Kraft. 26 Millionen Bestandsrenten werden von der Renten-
     versicherung nun überprüft. Das nimmt Zeit in Anspruch. Damit die zuständigen Sozialleistungsträger in dieser
     Übergangszeit über deren Bezug entscheiden können, hat der Gesetzgeber Übergangsregelungen geschaffen.
     Dieser Beitrag zeigt, wann und wie ein Tätigwerden notwendig ist, um mögliche Anspruchsverluste der Betroffe-
     nen zu vermeiden.

     1. 	 Einleitung: Überblick über das
          Grundrentengesetz                                                           Anspruch auf Grundsicherung hat, wer den notwendi-
                                                                                      gen Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig aus
     Zum 1. Januar 2021 startete die Grundrente, die gewähr-                          eigenen Mitteln bestreiten kann (»Hilfebedürftigkeit«).
     leisten soll, dass Versicherte mit einem unterdurchschnitt-                          Der notwendige Lebensunterhalt (»Hilfebedarf«)
     lichen Einkommen nach Jahrzehnten der verpflichtenden                            setzt sich insbesondere aus den angemessenen Kosten
     Beitragszahlung, Kindererziehung oder Pflege von Ange-                           für Unterkunft und Heizung, dem Regelbedarf und ggf.
     hörigen besser dastehen als diejenigen, die nicht oder                           aus Mehrbedarfen zusammen. Für die Angemessenheit
     nur kurz in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Die                         der Unterkunfts- und Heizkosten gelten (vorerst) bis
     Grundrente ist keine eigene Rente, sondern ein Zuschlag                          31. 3. 2021 erleichterte Bedingungen (vgl. § 141 Abs. 1,
     zur »regulären« Rente und damit Bestandteil der Rente.                           3 SGB XII, § 67 Abs. 1, 3 SGB II). Der Regelbedarf ist
     Der Grundrentenzuschlag wird individuell berechnet und                           eine monatliche Pauschale und liegt für Alleinstehen-
     ist entgegen seines Wortlauts keine »Grund«-Leistung                             de aktuell bei 446 Euro und für Ehepartner*innen je-
     oder ein fester Mindestbetrag.2                                                  weils bei 401 Euro. In bestimmten besonderen Lebens-
         Rund 1,3 Mio. Versicherte, davon etwa 900.000 Frauen                         situationen können Mehrbedarfe vorliegen. So sieht
     und 400.000 Männer sollen diesen Zuschlag zu ihrer Rente                         das Gesetz etwa für ältere und voll erwerbsgeminderte
     bekommen. Die Bundesregierung rechnet im Schnitt mit                             Personen mit einer Gehbehinderung (Merkzeichen
     monatlich 75 Euro.3 Den Grundrentenzuschlag muss nie-                            G oder aG) einen Mehrbedarf in Höhe von 17 Prozent
     mand beantragen; die Rentenversicherung prüft und zahlt                          des jeweils maßgebenden Regelbedarfes vor (= ca.
     automatisch. Voraussetzung ist, dass mindestens 33 Jahre                         76 Euro für Alleinstehende und 68 Euro für eine Person
     vorliegen müssen, die für die Grundrente zählen, die so-                         mit Partner im Jahr 2021).
     genannten Grundrentenzeiten. Dann wird geprüft, welche                               Von diesem Hilfebedarf muss das anrechenbare
     der Grundrentenzeiten für die Berechnung des Zuschlags                           Einkommen und Vermögen der Betroffenen abgezogen
     zu berücksichtigen sind, die sogenannten Grundrentenbe-                          werden. Bei der Vermögensanrechnung sind die vor-
     wertungszeiten. Schließlich wird im Rahmen einer Einkom-                         erst bis 31. 3. 2021 befristeten Corona-Erleichterungen
     mensprüfung ermittelt, ob das Einkommen nicht zu hoch                            zu beachten (vgl. § 141 Abs. 1, 2 SGB XII, § 67 Abs. 1, 2
     ist bzw. ob Partnereinkommen die Höhe des Grundrenten-                           SGB II). Bei der Einkommensanrechnung gilt für Ren-
     zuschlags verringert oder dessen Bezug ganz verhindert.4                         ten: Vor der Anrechnung muss aus der Bruttorente
         Die Berechnung und die Auszahlung des Grundrenten-                           durch diverse Abzüge (z. B. für Kranken- und Pflegever-
     zuschlags sind komplexe und aufwändige Vorhaben für die                          sicherung) eine Art Nettorente errechnet werden. Zu
     Rentenversicherung. Die Auszahlung erfolgt deshalb rück-                         diesen Abzügen gehört ab 2021 auch der neue Grund-
     wirkend zum Jahresbeginn 2021 für all jene, die zum ersten                       rentenfreibetrag.
     Januar bereits in Rente sind. Die ersten Bescheide erhält,                           Hieraus ergibt sich die folgende Faustformel:
     wer Mitte 2021 neu in Rente geht. Bei der Abarbeitung der                        Grundsicherung = Hilfebedarf – anrechenbares
                                                                                      Einkommen (= Nettorente – Grundrenten­freibetrag)
     1   Grundrentengesetz vom 12. 8. 2020, BGBl. I, 1879. Grundlage war der Ge-      = Höhe der Grundsicherung
         setzentwurf der Bundesregierung – BT-Drs. 19/18473 sowie Beschluss-
         empfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Aus-
         schuss) dazu BT-Drs. 19/20711 vom 1. 7. 2020
     2    vgl. Brall/Hoenig/Kerschbaumer, Die Grundrente: 100 Fragen und Antwor-    Fälle von denjenigen, die dann schon in Rente sind, will die
         ten zum Grundrentenzuschlag, 1. Auflage, Frankfurt/Main 2021, Frage 1      Rentenversicherung mit den ältesten Jahrgängen anfangen
     3   vgl. Antwort der Bundesregierung vom 9. 4. 2020, BT-Drs. 19/18553, S. 6
     4   siehe dazu: Brall/Hoenig/Kerschbaumer: Die Grundrente, a. a. O., Fragen    und dann sukzessive die anderen abarbeiten. Werden er-
         46 ff. und 52 ff.                                                          gänzende Sozialleistungen bezogen, sollen die zeitgleich

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gezahlten Renten bevorzugt auf den Zuschlag hin geprüft        tungen für zahlreiche Berechtigte nicht aufgrund offener
werden.                                                        Fragen ausgesetzt werden muss, hat der Gesetzgeber eine
                                                               Übergangsregelung getroffen: Solange die Rentenver-
a) Grundrente und Grundsicherung                               sicherung noch nicht über das Vorliegen der 33 Jahre an
Der Grundrentenzuschlag führt nicht automatisch zu ei-         Grundrentenzeiten entschieden hat, müssen die zuständi-
ner Rente oberhalb der Grundsicherung. Bereits im Refe-        gen Sozialleistungsträger einstweilen ohne den Grundren-
rentenentwurf zum Grundrentengesetz war dies deutlich          tenfreibetrag entscheiden (§ 17 a Abs. 3 WoGG, § 88 c BVG,
formuliert: »Die Grundrente wird nicht in allen Fällen ein     § 143 SGB XII, § 69 SGB II). Deshalb stellt sich die Frage:
Alterseinkommen zur Sicherung des Lebensunterhalts             Wie können die zusätzlichen Sozialleistungsansprüche
oberhalb des Grundsicherungsbedarfs gewährleisten kön-         aufgrund des neuen Grundrentenfreibetrages gesichert
nen.« 5 Wenn Rente und Grundrentenzuschlag nicht zum           werden, wenn die 33 Jahre an Grundrentenzeiten zwar dem
Leben reichen, können und sollten neben der Rente Sozial-      Grunde nach erfüllt sind, der entsprechende Nachweis
hilfeleistungen6 wie z. B. die »Grundsicherung im Alter und    aber erst später erfolgt?
bei Erwerbsminderung« bzw. Wohngeld beantragt werden.
Anzumerken ist dabei, dass Sozialhilfeleistungen keine Al-
mosen sind. Wer Leistungen der Sozialhilfe und damit der       2. Die Grundrentenfreibeträge im Einzelnen
sozialen Sicherung in Anspruch nimmt, sollte sich nicht
diskriminiert fühlen oder aus Scham darauf verzichten.         Der Gesetzgeber hat mit den Grundrentenfreibeträgen
Denn sie sind Instrumente des Sozialstaats, auf die ein        zwei Ziele verfolgt. Zum einen meinte er, es sei »eine Fra-
Rechtsanspruch besteht.                                        ge der Gerechtigkeit, dass Menschen nach einem langen
                                                               Arbeitsleben, der Erziehung von Kindern sowie der Pflege
b) Das Übergangsproblem beim Grundrentenfreibetrag             von Angehörigen oder anderen pflegebedürftigen Men-
Mit dem Grundrentengesetz wurden auch neue Freibeträ-          schen trotz einer nur kleinen Rente auch in bedürftigkeits-
ge auf ergänzende Sozialleistungen eingeführt u. a. bei der    abhängigen Fürsorgesystemen besser dastehen müssen
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und           als diejenigen, die wenig oder gar nicht in der gesetzlichen
beim Wohngeld. Die Grundrentenfreibeträge bewirken,            Rentenversicherung verpflichtend versichert gearbeitet
dass ein Teil der Rente nicht auf die ergänzende Sozialleis-   und entsprechend wenig oder gar nicht in die gesetzliche
tung angerechnet wird. Damit wird diese Sozialleistung         Rentenversicherung eingezahlt haben«7. Zum anderen
entsprechend erhöht. Um über den Grundrentenfreibetrag         sollte verhindert werden, dass die Verbesserungen durch
entscheiden zu können, müssen die Träger der ergänzen-         die Grundrente durch andere Sozialleistungen wieder auf-
den Sozialleistung wissen, ob 33 Jahre an Grundrentenzei-      gezehrt werden.8
ten oder vergleichbaren Zeiten in anderen Versorgungssys-          Grundrentenfreibeträge sind nicht bei allen einkom-
temen (siehe unten 2.) erfüllt sind. Die in der gesetzlichen   mensabhängigen Sozialleistungen vorgesehen, sondern
Rentenversicherung zurückgelegten Grundrentenzeiten            nur bei solchen Sozialleistungen, die typischerweise mit
stellen aber die Rentenversicherungsträger fest, die schon     einer Rente zusammentreffen. Hierzu gehört zunächst
mit der Umsetzung der neuen »Grundrente« stark belas-          das Wohngeld, bei dessen Berechnung ein Grundren-
tet sind. Künftig (voraussichtlich ab Sommer 2021) werden      tenfreibetrag nach § 17 a WoGG zu berücksichtigen ist.
die Grundrentenzeiten bei Neurentner*innen automatisch         Für ältere Menschen spielt das Wohngeld eine wichtige
bei der Prüfung des Rentenantrages festgestellt. Bei den       Rolle9: Immerhin waren im Jahr 2017 rund 48 Prozent der
Bestandsrentner*innen die schon eine Rente beziehen,           Haupteinkommensbezieher*innen in Wohngeldhaushal-
muss das Vorliegen von Grundrentenzeiten gesondert             ten Rentner*innen.10 Das Wohngeld ist ein pauschaler Zu-
geprüft werden. Dies kann in Anbetracht der insgesamt          schuss, der sich nach Anzahl der Haushaltsmitglieder, der
21 Mio. Rentner*innen und 26 Mio. Bestandsrenten eini-         Wohnkosten und dem Einkommen berechnet und ein ange-
ge Zeit in Anspruch nehmen. Um der Rentenversicherung          messenes und familiengerechtes Wohnen sichern soll. Das
ein solches Zeitfenster für die Prüfung einzuräumen und        Wohngeld ist grundsätzlich vorrangig vor den Leistungen
sogenannte Untätigkeitsklagen zu verhindern, hat der           der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II
Gesetzgeber den individuellen Anspruch auf Prüfung des         und den Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII.11
Grundrentenzuschlags bis 31. 12. 2022 ausgeschlossen           Eine weitere Fürsorgeleistung, die bei älteren Menschen
(§ 307 g S. 1 SGB VI). Dabei handelt es sich um eine spezi-
algesetzliche Regelung, die dem Überprüfungsrecht nach         5    Referentenentwurf vom 6. 2. 2020, S. 3; siehe Fußnote 1
§ 44 SGB X vorgeht. Die Überprüfung der Bestandsrenten         6    dazu zählen: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und
                                                                    die Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 82a SGB XII), beim Arbeitslosengeld II
soll bis Ende 2022 abgeschlossen sein.
                                                                    und Sozialgeld (§ 11 b Abs. 2 a SGB II), bei der Kriegsopferfürsorge (§ 25 d
    Da die Überprüfung der Bestandsrenten auf das Vorlie-           Abs. 3 c BVG) sowie beim Wohngeld (§ 17 a WoGG)
gen von Grundrentenzeiten noch Zeit in Anspruch nimmt,         7    BT-Drs. 19/18473, S. 2
                                                               8    BT-Drs. 19/18473, S. 2
wird es in der Folge auch bei der Umsetzung der Grundren-      9    so auch Bundesregierung: Alterssicherungsbericht 2020, BT-Drs. 19/24926,
tenfreibeträge zu Verzögerungen kommen.                             S. 100
    Damit die zuständigen Sozialleistungsträger in dieser      10   Bundesregierung: Wohngeld- und Mietenbericht 2018, BT-Drs. 19/11750,
                                                                    S. 47
Übergangszeit trotzdem über den Grundrentenfreibetrag          11   vgl. im Einzelnen zum Verhältnis des Wohngeldes und SGB-II-Leistungen:
entscheiden können und die Auszahlung von Sozialleis-               Hartmann, Wohngeld-Leitfaden 2020, 11. Aufl. 2020, Rn. 752 ff.

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     eine wichtige Rolle spielt, ist die Kriegsopferfürsorge nach                        Tipp: Vergleichbare Zeiten müssen ebenfalls durch
     §§ 25 ff. BVG. Diese hat eine historisch gewachsene Son-                            eine Bescheinigung der jeweiligen Versorgungseinrich-
     derstellung innerhalb der Fürsorgeleistungen12 und ist als                          tung nachgewiesen werden. Da dies – anders als bei
     spezieller Zweig der Existenzsicherung vorrangig gegen-                             der Rentenversicherung – nicht automatisch erfolgt,
     über den allgemeinen Existenzsicherungsleistungen13 des                             müssen die Betroffenen selbst aktiv werden. Entwe-
     SGB II und SGB XII. Hier ist der Grundrentenfreibetrag in                           der bitten sie ihre Versorgungseinrichtung um eine
     § 25 d Abs. 3 c BVG verankert.                                                      entsprechende Bescheinigung und legen diese dann
         Unter den allgemeinen Existenzsicherungsleistungen                              dem zuständigen Sozialleistungsträger vor oder sie
     ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung                            stimmen ausdrücklich zu, dass der zuständige Sozial-
     nach dem SGB XII vorrangig vor dem Arbeitslosengeld II                              leistungsträger den erforderlichen Nachweis bei der
     oder dem Sozialgeld.14 Für die Grundsicherung im Alter                              Versorgungseinrichtung einholt. Auch die Höhe der
     und bei Erwerbsminderung folgt der Grundrentenfreibe-                               Grundrentenfreibeträge ist bei allen18 Sozialleistungen
     trag aus § 82 a SGB XII. Auch wenn Bezieher einer Alters-                           weitgehend gleich geregelt: Der Grundrentenfreibetrag
     rente der gesetzlichen Rentenversicherung ausdrücklich                              setzt sich zusammen aus einem pauschalen Grundbe-
     vom Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld nach dem                                 trag in Höhe von monatlich 100 Euro der Rente und aus
     SGB II ausgeschlossen sind (§ 7 Abs. 4 S. 1 SGB II),15 kön-                         einem prozentualen Erhöhungsbetrag von monatlich
     nen diese Leistungen ergänzend zu einer niedrigen gesetz-                           30 Prozent des Teils der Rente, der den Grundbetrag
     lichen Rente hinzutreten, insbesondere zu niedrigen teil-                           übersteigt. Insgesamt gilt stets ein maximaler Freibe-
     weisen oder befristeten vollen Erwerbsminderungsrenten.                             trag von 50 %Prozent der Regelbedarfsstufe 1. Dies
     Für diese Fälle hat der Gesetzgeber in § 11 b Abs. 2a SGB II                        entspricht im Jahr 2021 223 Euro.19
     einen Grundrentenfreibetrag vorgesehen. Bezieher*innen
     einer niedrigen Rente, die weder Anspruch auf ergänzen-
     de Leistungen der Grundsicherung noch des SGB II haben,                         Beispiele für Grundrentenfreibeträge
     bleibt dann die Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff.                        bei Bezug von Grundsicherung
     SGB XII16. Hier folgt der Grundrentenfreibetrag – wie bei
                                                                                                                       Beispiel 1    Beispiel 2
     der Grundsicherung – aus § 82 a SGB XII.
         Die Grundrentenfreibeträge bei diesen Sozialleistun-                        Rente in Höhe von                   300 E         700 E
     gen sind weitgehend gleich ausgestaltet. Voraussetzung                          Grundbetrag                         100 E         100 E
     ist stets, dass mindestens 33 Jahre an Grundrentenzeiten
                                                                                     + Erhöhungsbetrag (30 %             60 E          180 E
     im Sinne des § 76 g SGB VI17 vorliegen (§ 17a Abs. 1 WoGG,
                                                                                     aus Differenz Rente –            (30 % aus      (30 % aus
     § 25 d Abs. 3 c S. 1 BVG, § 82 a SGB XII, § 11 b Abs. 2 a SGB II
                                                                                     Grundbetrag)                       200 E)         600 E)
     in Verbindung mit § 82 a SGB XII). Der tatsächliche Bezug
     einer Grundrente ist nicht erforderlich. Die Entscheidung                       = Grundrentenfreibetrag             160 €         280 €
     über die Grundrentenzeiten trifft die Rentenversicherung.                       Deckelung auf 50 % Regel-            ––            223
     Den rentenrechtlichen Grundrentenzeiten gleichgestellt                          satz (2021: 223 E)
     sind Zeiten einer Versicherungspflicht in der Alterssiche-
                                                                                     Von der Rente bleibt in der         160 €          223
     rung der Landwirte, Zeiten einer versicherungsfreien Be-
                                                                                     Grundsicherung anrech-
     schäftigung bei einem öffentlich-rechtlichen, kirchlichen
                                                                                     nungsfrei und erhöhen das
     und ähnlichen Arbeitgeber, Zeiten einer von der Versiche-
                                                                                     Alterseinkommen
     rungspflicht befreiten Beschäftigung als Lehrer oder Erzie-
     her an einer nichtöffentlichen Schule sowie Zeiten einer                        €
     Versicherungspflicht bei einer berufsständischen Versor-
     gungseinrichtung. Diese sogenannten vergleichbaren Zei-                             Tipp: Durch den neuen Grundrentenfreibetrag könnten
     ten werden von den jeweiligen Versorgungseinrichtungen                              Rentner*innen, die die 33 Jahre an Grundrentenzeiten
     festgestellt.                                                                       erfüllen und mit ihrem anrechenbaren Einkommen bis-
                                                                                         her nur knapp oberhalb der Grundsicherungsschwelle
                                                                                         lagen, erstmals einen Anspruch auf Grundsicherung
                                                                                         haben.
     12   Hase, in: von Maydell/Ruland/Becker (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch
          (SRH), 5. Auflage 2012, 16 Rn. 10, 101
     13   Eichenhofer in: Berlit/Conradis/Sartorius (Hrsg.), Existenzsicherungs-     3. 	Rechtliche Lösungen für das
          recht, 2. Auflage 2013, 3 Rn. 12
     14   vgl. Hoenig: Der Abstand der Rente zur Grundsicherung, S. 22                   Übergangsproblem
     15   Dies gilt nicht nur für Regelaltersrenten, sondern auch für vorgezogene
          Altersrenten; vgl. Knickrehm in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann           Wie also können die zusätzlichen Leistungsansprüche auf-
          (Hrsg.): Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, § 7 SGB II Rn. 27.
     16   Umgangssprachlich als »Sozialhilfe« bezeichnet.
                                                                                     grund des neuen Grundrentenfreibetrages gesichert wer-
     17   siehe im Einzelnen Brall/Hoenig/Kerschbaumer, Die Grundrente, a. a. O.,    den, wenn die 33 Jahre an Grundrentenzeiten zwar dem
          Fragen 26 ff.                                                              Grunde nach erfüllt sind, der entsprechende Nachweis der
     18   Die Regelung stellt auf Jahresbeträge ab.
     19   Für den Grundrentenfreibetrag im WoGG gilt das 12-fache dieses Betrages,   Rentenversicherungsträger aber erst später erfolgt? Das
          da hier wiederum auf das Kalenderjahr abzustellen ist.                     Problem verschärft sich dadurch, dass die in Frage stehen-

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den Fürsorgeleistungen grundsätzlich nicht rückwirkend       den zunächst erlassenen Bescheid über die Grundsiche-
beantragt werden können und die zuständigen Behörden         rung (ohne Freibetrag) rückwirkend korrigieren.
– wie oben ausgeführt – erst dann über den Grundrenten-          Bezieher*innen einer gesetzlichen Rente, die auch
freibetrag entscheiden müssen, wenn die Rentenversiche-      ohne den neuen Grundrentenfreibetrag ab Januar 2021
rung das Vorliegen der 33 Jahre an Grundrentenzeiten mit-    erstmals einen Anspruch auf ergänzende Leistungen der
geteilt hat.                                                 Grundsicherung haben, müssen in jedem Fall – wie bisher
    Für die Beantwortung dieser Frage muss zwischen ver-     auch – einen Erstantrag auf Grundsicherung stellen. Es
schiedenen Fallkonstellationen unterschieden werden:         gilt auch hier zu beachten, dass Rentner*innen, die Zeiten
• Rentner*innen, die schon im Jahr 2020 Grundsicherung       auch durch vergleichbare Zeiten bei anderen Versorgungs-
   bezogen haben,                                            einrichtungen erfüllen können. Insoweit müssen die Be-
• Rentner*innen, die unabhängig vom Grundrentenfrei-         troffenen aber dann selbst aktiv werden, da eine Abfrage
   betrag ab Jahr 2021 erstmals einen Grundsicherungsan-     bei anderen Versorgungswerken nicht automatisch erfolgt.
   spruch haben,
• Rentner*innen, die allein wegen des Grundrentenfrei-       c) Konstellation 3: Rentner*innen mit Grund­
   betrages einen Grundsicherungsanspruch erwerben.              sicherungsanspruch ab 2021 nur wegen des
                                                                 Grundrentenfreibetrages
a) K
    onstellation 1: Rentner*innen mit                       Problematisch sind die Fälle, in denen erst der Grundren-
   Grundsicherungsanspruch vor 2021                          tenfreibetrag zu einem ergänzenden Grundsicherungs-
Unter diese Konstellation fallen Bestandsrentner*innen,      anspruch führt. Wenn ohne Grundrentenfreibetrag kein
die bereits vor Einführung des Grundrentenfreibetrags        Anspruch auf Grundsicherung besteht, muss das Grund-
Grundsicherung bezogen haben. Hier erfragt der zustän-       sicherungsamt den Antrag zunächst nach der bereits be-
dige Grundsicherungsträger bei der Rentenversicherung        schriebenen Übergangsregelung ablehnen. In diesem
automatisch, ob die 33 Jahre an Grundrentenzeiten vorlie-    Fall stellt das Amt auch keine automatische Abfrage bei
gen (»automatisierte Grundrentenabfrage«). Eine Mittei-      der Rentenversicherung. Es ist es lediglich gehalten, da-
lung der Rentenversicherungsträger an die anfragenden        rauf hinzuweisen, dass die Entscheidung ohne Berück-
Sozialleistungsträger erfolgt nur, wenn die 33 Jahre an      sichtigung des Grundrentenfreibetrages getroffen wurde.
Grundrentenzeiten erfüllt sind. Sobald die entsprechende     Demgegenüber wird die Rentenversicherung auch ohne
Mitteilung der Rentenversicherung bei dem zuständigen        entsprechenden Antrag einen Bescheid erteilen, aus dem
Grundsicherungsträger eingeht, muss er den bisherigen        diese Zeiten hervorgehen, wenn bereits eine Rente mit ei-
Leistungsbescheid – auch ohne Antrag der Betroffenen –       nem Beginn vor 2021 bezogen wird, der 33 Jahre an Grund-
rückwirkend zum 1. Januar 2021 korrigieren. Die Korrektu-    rentenzeiten zugrunde liegen und diese Rente aufgrund
rentscheidung erfolgt nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 SGB X oder      des Zuschlags zu erhöhen ist. Wird eine Rente ab Mitte
nach § 44 Abs. 1 S 1 SGB X.                                  2021 erstmals bewilligt, ist dem Bescheid eine Aufstellung
     Die Betroffenen müssen für die nachträgliche Berück-    über die Grundrentenzeiten beigefügt.
sichtigung des Grundrentenfreibetrages nichts weiter tun.         Um dann auch in den (rückwirkenden) Genuss der
Das komplette Prozedere wird ohne ihr Zutun durchge-         zusätzlichen Grundsicherungsleistungen aufgrund des
führt. Mit einem Abschluss des Verfahrens und einer damit    Grundrentenfreibetrages zu kommen, müssen die Betrof-
verbundenen Anpassung der Sozialleistung ist frühestens      fenen in jedem Fall selbst aktiv werden.
im Herbst 2021 zu rechnen. Rentner*innen, die die 33 Jah-         Hierzu haben sie regelmäßig zwei Handlungsmöglich-
re an Grundrentenzeiten auch durch vergleichbare Zeiten      keiten:
bei einer anderen Versorgungseinrichtung erfüllen (siehe          a) Die Betroffenen stellen sofort – also vor der Fest-
oben), müssen selbst aktiv werden. Entweder bitten sie       stellung der Rentenversicherung – einen Antrag auf
ihre Versorgungseinrichtung um eine entsprechende Be-        Grundsicherung. Dieser Antrag wird wie oben beschrieben
scheinigung und legen diese dann dem zuständigen So-         abgelehnt, weil das Grundsicherungsamt nach der Über-
zialleistungsträger vor oder sie stimmen ausdrücklich zu,    gangsregelung zunächst ohne den Grundrentenfreibetrag
dass der zuständige Sozialleistungsträger den erforderli-    entscheiden muss. Wenn die Rentenversicherungsträger
chen Nachweis bei der Versorgungseinrichtung einholt.        das Vorliegen der 33 Jahre an Grundrentenzeiten feststel-
                                                             len und ihnen mitteilt, kommt für die Betroffenen vorran-
b) Konstellation 2: Rentner*innen mit Grundsicherungs­      gig ein Überprüfungsantrag beim Grundsicherungsamt in
    anspruch ab 2021 auch ohne Grundrentenfreibetrag         Betracht. Insoweit müssen die Betroffenen selbst dann die
Die Grundsicherung wird aufgrund der oben beschriebe-        Feststellung der Grundsicherungszeiten an das Grundsi-
nen Übergangsregelung zunächst ohne Grundrentenfrei-         cherungsamt nebst formlosen Überprüfungsantrag über-
betrag bewilligt. Für die nachträgliche Berücksichtigung     mitteln. Das Grundsicherungsamt muss in diesem Fall
des Grundrentenfreibetrages müssen die Betroffenen           seinen ursprünglichen Ablehnungsbescheid korrigieren.
– wie in Konstellation 1 – nichts weiter tun. Das Grundsi-   Durch dieses Vorgehen wird der Anspruch ab ursprüngli-
cherungsamt fragt automatisch bei der Rentenversiche-        cher Antragstellung für die Betroffenen grundsätzlich ge-
rung an, ob 33 Jahre an Grundrentenzeiten vorliegen. Nach    sichert und verfällt nicht gänzlich. Nachteilig ist aber, dass
Eingang der entsprechenden positiven Mitteilung der Ren-     bis zur Feststellung der Grundrentenzeiten und dem darauf
tenversicherungsträger muss das Grundsicherungsamt           folgenden Abschluss des Überprüfungsantrags keine Gel-

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     der an die Betroffenen fließen. Die entsprechende Summe              Tipp: Ein gleichzeitiger doppelter Antrag von Grundsi-
     wird zwar nachgezahlt, jedoch steht die Summe bis zum                cherung und Wohngeld ist hier nicht zielführend. Der
     Ende des beschriebenen Ablaufes nicht direkt monatlich               Antrag auf Grundsicherung würde bis zu seinem Ab-
     zur Verfügung.                                                       schluss nämlich den Antrag auf Wohngeld sperren.
         b) Statt des Grundsicherungsantrages stellen die Be-
     troffenen zunächst – also vor der Feststellung der Renten-
     versicherung über das Vorliegen der 33 Jahre an Grund-              4. Fazit
     rentenzeiten – einen Antrag auf Wohngeld. Wenn nämlich
     (einstweilen) kein Grundsicherungsanspruch vorliegt,                Während die Grundrente automatisch rückwirkend an die
     besteht aber in den meisten Fällen eine begründete Aus-             Berechtigten ausgezahlt wird, kann die rückwirkende Aus-
     sicht darauf, dass übergangsweise Wohngeld beansprucht              zahlung der zusätzlichen Sozialleistungen aufgrund der
     werden kann. Dieses kann dann unmittelbar in Anspruch               Grundrentenfreibeträge schwierig sein. Dies gilt vor al-
     genommen werden. Wenn der Rentenversicherungsträger                 lem für Fälle, in denen der Grundsicherungsanspruch erst
     dann nachträglich feststellt, dass die 33 Jahre an Grund-           durch den Grundrentenfreibetrag entsteht. Um sich die zu-
     rentenzeiten vorliegen, stellt sich heraus, dass statt des          sätzlichen Grundsicherungsleistungen zu sichern, müssen
     Wohngeldanspruchs doch ein (vorrangiger) Grundsiche-                die Betroffenen handeln. Welche Handlungsoptionen sie
     rungsanspruch bestanden hätte. In diesem Fall können die            haben, wurde hier aufgezeigt. Ein weiteres Problem sind
     Betroffenen beim Grundsicherungsamt einen sogenann-                 die Fälle, in denen die Rentenversicherung bei Bestands-
     ten wiederholten Antrag stellen. Bei einem solchen Antrag           renten feststellt, dass die 33 Jahre an Grundrentenzeiten
     muss das Grundsicherungsamt nach § 28 SGB X prüfen,                 nicht erfüllt sind. Denn hier erfolgt keine Mitteilung. Die-
     ob die Leistung rückwirkend zu bewilligen ist und zwar bis          ses Problem muss gesondert betrachtet werden.
     zur ursprünglichen Stellung des Wohngeldantrages. Der
     Anspruch auf Grundsicherung wirkt also dann rückwirkend
     und wird entsprechend rückwirkend ausgeschüttet. Das
     Wohngeld muss hingegen als nachrangige Leistung zu-
     rückerstattet werden. Der Weg über den Wohngeldantrag               Ragnar Hoenig
     hat den Vorteil, dass die Betroffenen auf die ergänzenden           ist xxxx
     Leistungen nicht bis zur Mitteilung der Rentenversiche-
     rung warten müssen. Ob ein Wohngeldanspruch voraus-
     sichtlich besteht, kann auf der Internetseite des Bundes-           Judith Kerschbaumer
     ministeriums des Innern, für Bau und Heimat mit Hilfe des           ist xxx
     Wohngeldrechners20 ermittelt werden.

     20 vgl. www.bmi.bund.de/DE/themen/bauen-wohnen/stadt-wohnen/wohn-   Paula Wenning
        raumfoerderung/wohngeld/wohngeld-node.html [Abruf 25. 1. 2021]   ist xxx

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