Systemische Komplikationen beim Complex Regional Pain Syndrome Robert J. Schwartzman , M.D.
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Systemische Komplikationen beim Complex Regional Pain Syndrome Robert J. Schwartzman , M.D. Abteilung für Neurologie, Drexel University College of Medicine, Philadelphia, PA, USA E-Mail: Robert.schwartzman @drexelmed.edu Originalartikel: „Systemic Complications of Complex Regional Pain Syndrome” Scientific Research Neuroscience & Medicine, 2012, 3, 225-242 doi:10.4236/nm.2012. ***** Veröffentlicht online *** 2012 (http://www.SciRP.org/journal/nm) Eingegangen: 17. Juli 2012 ZUSAMMENFASSUNG Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist eine neuropathische Schmerzstörung, die gekennzeichnet ist durch: (1) starke Schmerzen, die sich über den Bereich der eigentlichen Verletzung hinaus ausdehnen, (2) vegetative Fehlregulation, (3) neuropathische Ödeme, (4) Bewegungsstörung, Atrophie und Dystrophie. Es wird am häufigsten durch Knochenbrüche, durch Weichteilverletzungen oder chirurgische Eingriffe verursacht und wird in einen Typ I, in dem keine Nervenläsion vorliegt (klassische sympathische Reflexdystrophie), und einen Typ II, bei dem ein bestimmter Nerv beschädigt wurde (Kausalgie), unterteilt. Zusätzlich zu den peripheren Symptomen gehören zu dieser Erkrankung viele weitere medizinische Komplikationen, die oft nicht in ursächli- chen Zusammenhang mit der Erkrankung gebracht werden. Dieser Artikel untersucht, wie das CRPS verschie- dene Körpersysteme beeinflusst: Die Wahrnehmung, körperliche, kardiale und respiratorische Probleme; syste- mische autonome Fehlregulation; neurogene Ödeme; muskuloskelatale, endokrine und dermatologische Mani- festationen sowie urologische und gastrointestinale Funktionen. Schlüsselwörter: Komplexes regionales Schmerzsyndrom; CRPS; CRPS-1; CRPS -2; Chronischer Schmerz; sympathische Reflexdystrophie, RSD 1. Einleitung Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist eine neuropathische Schmerzstörung, die gekennzeich- net ist durch: (1) starke Schmerzen über den Bereich der Verletzung hinaus, (2) vegetative Fehlregulation, (3) neuropathische Ödeme, (4) Bewegungsstörungen, Atrophie und Dystrophie [1]. Es wird häufig durch einen Bruch, Weichteilverletzungen oder chirurgischen Eingriff verursacht und wird unterteilt in Typ I, bei dem keine Nervenläsion vorliegt (klassische sympathische Reflexdystrophie) und Typ II, bei dem ein bestimmter Nerv be- schädigt wurde (Kausalgie). Verschiedene Hinweise deuten darauf hin, dass das CRPS- Typ I auf Verletzungen und distale Degeneration von Axonen und Endverzweigungen von A-δ und C-Fasern zurückzuführen ist [2]. Clusteranalysen zeigen, dass die Anzeichen und Symptome des Syndroms vier verschiedene Gruppen umfas- sen: (1) Abweichungen in der Schmerzverarbeitung (mechanische und thermische Allodynie; Hyperalgesie und Hyperpathie), (2) Temperaturänderung und Rötung, Zyanose oder Marmorierung, (3) neurogene Ödeme und sudomotorische Fehlregulation, (4) ein motorisches Syndrom und trophische Veränderungen [3-7]. Es kann Sub- typen geben: (1) ein limitiertes Syndrom mit vorwiegend autonomer Fehlregulation; (2) ein Syndrom, das auf eine Gliedmaße beschränkt ist und das durch neuropathische Schmerzen mit minimalen autonomen Fehlregulationen und neurogenischen Ödemen charakterisiert ist; (3) eine schwere Form, die sich von der Seite der ursprüngli- chen Verletzung ausgebreitet hat, lange dauert und alle Komponenten des Syndroms umfasst [4]. Derzeit wer- den als diagnostisches Kriterium mindestens ein Symptom der 4 Faktoren und mindestens ein Befund in min- destens zwei der vier Faktoren gefordert [7]. Im Allgemeinen zeigen sich im frühen Verlauf der Krankheit bei den Patienten deutliche Anzeichen und Symptome einer Entzündung einschl. neurogener Ödeme, Rötungen und eine erhöhte Temperatur der betroffenen Extremität, während sich bei langer Dauer die Schmerzen ausbreiten mit offenkundiger Zentralisierung des Prozesses mit begleitenden schweren, generalisierten autonomen, motori- schen und trophischen Veränderungen von Haut, Nägeln, Knochen und Muskeln [1, 8-11]. Die Epidemiologie des Syndroms ist unbekannt. Viele Patienten, bei denen eine Fibromyalgie diagnostiziert wurde, leiden eindeutig an CRPS, die Druckpunkte sind Bestandteile des Plexus brachialis, des intercostobrachi- alen Nervens (ICB) und einer begleitenden L5 - S1 - Verletzung [12, 13]. In der repräsentativsten, bevölkerungs- basierten Studie aus den Niederlanden lag die Inzidenz der Erkrankung bei 40,4 / 100.000 Personenjahren für Frauen und für 11,9/ 100.000 Personenjahre für Männer. Die variable Inzidenz ist zurückzuführen auf die Kohorte (Personengruppe), die eingeschlossen wurde, auf den Zeitverlauf der Erkrankung im Rahmen der durchgeführ- ten Studie und die Fähigkeit der Untersucher [15-19].
Der Zweck dieses Artikels ist es, die systemischen medizinischen Komplikationen des CRPS zu diskutieren. Wie Janig herausgefunden hat, zentralisiert sich das CRPS mit der Zeit und beeinflusst somatosensorische, au- tonome und limbische Komponenten des Systems [20]. Die Immunkomponente des neuropathischen Schmerzes wird nun als Dreh- und Angelpunkt, sowohl in der Entstehung, als auch in der Aufrechterhaltung dieses angese- hen. Viele der peripher beobachteten Merkmale treten in Körperorganen auf. 2. Neuropsychologische Defizite in Verbindung mit dem CRPS Schwerer chronischer neuropathischer Schmerz ist verbunden mit einer schlechten Leistung in neuropsycho- logischen Tests, in denen das Kurzzeitgedächtnis, die Sprache und ausführende Funktionen beurteilt werden [21-23]. Patienten mit Schmerzen aufgrund einer Vielzahl von Vorerkrankungen, weisen eine verringerte Verar- beitungsgeschwindigkeit von Informationen auf [24]. Über 500 Patienten mit schwerem CRPS (erfüllten alle IASP - Kriterien [25]) wurden einer Reihe neuropsycho- logischer Tests unterzogen, die die ausführenden Funktionen beurteilten, Namens-/ Wortfindung, Gedächtnis und Lernen, bevor sie ambulant mit Ketamin mit einem festen Protokoll behandelt wurden. Die Bewertungsme- thode basiert auf der Arbeit von Libon et al. [26] Die Funktion der ausführenden Systeme wurden auf Basis des Digit-Span-Untertests aus dem Wechsler Intelligenztest für Erwachsene Skala – III gemessen (WAIS-III) [27]. Die Ziffern im hinteren Bereich des Tests wurde verwendet, um Defizite des Kurzzeitgedächtnis zu bewerten [28, 29]. Die ausführenden Funktionen wurden auch durch Testung des Sprachflusses, der mit der Aktivierung des linken dorsolateralen präfrontalen Kortex verbunden ist, sowohl bei jungen und älteren Patienten untersucht [30]. Die Namensfindung wurde mit dem Boston - Namensfindungstest beurteilt [31] und die Wortfindung durch einen Test des semantischen Sprachgebrauchs [32]. Es gibt zunehmend Hinweise, dass kategorische Sprachgebrauch- tests, die die Wortfindung und das semantische Wissen messen, den linken Temporallappen aktivieren [33, 34]. Das Gedächtnis und Lernen wurde mit dem California Verbal Learning Test – II bewertet [35]. Die verzögerte freie Erinnerung und die verzögerte Wiedererkennungsdiskriminierung sind mit einer parahippocampalen Atro- phie und dem Vorhandensein einer anterograden Amesia verbunden worden [29]. Als ergänzende Tests zu den oben aufgeführten wurden der McGill Schmerzbestand-Test [36] und der Beck Depressionbestand - II verwendet [37]. Die Muster der neuropsychologischen Beeinträchtigungen, die in dieser großen Gruppe von Patienten mit CRPS gesehen wurden, wurden anhand einer statistischen Clusteranalyse ausgewertet, wobei sich drei ver- schiedene Gruppen herauskristallisierten. Etwa 35% der Patienten hatten keine neuropsychologischen Defizite, Gruppe I. In der 2. Gruppe zeigten 42% der Patienten, milde dysexekutive Defizite. In Gruppe III demonstrierten 22% der Patienten kognitive Beeinträchtigungen, in Form von einer schlechten Leistung bei Testung der ausfüh- renden Funktionen, der Namensfindung und des Gedächtnis. Beide betroffenen CRPS Gruppen II und III (65% der Patienten) hatten Schwierigkeiten beim Rückwärts zählen. Diese Funktion wird in Zusammenhang mit über- geordneten mentalen Funktionen gebracht, die vom Kurzzeitgedächtnis und von der visuellen Vorstellungskraft abhängen [26]. Es gibt auch Hinweise, dass Defizite im Sprachfluss und schlechte Leistungen beim rückwärts Digit-Span-Test in Korrelation mit einer Pathologie des linken inferioren Frontallappen in Verbindung stehen [34]. Gedächtnisstörungen bei der CRPS- Gruppe III Patienten deuten eher auf eine ausführende (Abruf) Fehlfunktion anstatt auf eine Amnesie (Kodierung) hin. Eine Verbesserung dieser Gruppe im verzögerten Wiedererkennungs- test legt eine Beeinträchtigung der frontal lokalisierten Gedächtnissysteme nahe [38]. Diese detaillierte Auswer- tung von über 500 Patienten zeigt, dass ein breites Netz von kortikalen und subkortikalen anatomischen Struktu- ren an der Krankheit beteiligt ist und das ein dysexekutives Syndrom das primäre Defizit ist. Eine protokollierte, neurokognitive Studie mit neun Patienten vor und nach einer Ketamin-Anästhesie [39] durch Koffler wies nach kurzer Zeit eine Verbesserung der auditiven Aufmerksamkeits- und Verarbeitungsgeschwindigkeit nach [40]. Ausprägung der Depression und Umfang (Anzahl der beteiligten Glieder) oder Dauer der Krankheit sind keine Faktoren dieser kognitiven Veränderungen. Funktionelle MRT - Studien (fMRT) mit CRPS I und II - Patienten haben Erkenntnisse über die kognitive Funk- tion und aktivitätsabhängige Neuroplastizität dieser Krankheit ergeben. Es gibt eine eindeutige Veränderung der Handrepräsentation im primären somatosensorischen Kortex (SI) bei CRPS-Patienten auf der betroffenen, ver- glichen zur gesunden Seite [41-44]. Die Seite kontralateral zur betroffenen Hand ist entweder verringert oder erhöht repräsentiert [44], parallel zum Grad der mechanischen Hyperalgesie und der Schmerzintensität [41, 42]. Ein Phänomen, was sich im Zuge der Heilung umkehrt [42] [43]. In einer aktuellen Studie schätzten CRPS- Patienten die Größe der betroffenen Hand größer ein, wenn sie die Hände ausführlich oder schematisch zeich- nen sollten. Die Größenüberschätzung hing zusammen mit der Dauer der Erkrankung, einer schlechteren Zwei- Punkt-Diskriminierung und einem erhöhten Neglect-Punktwert [44]. Zusätzlich zu den taktilen und propriozepti- ven Defiziten [45], beschreibt ein erheblicher Anteil der CRPS-Patienten, dass ihre Hand sich "fremd" [46] oder „nicht zum Körper gehörend“, anfühlt. [47]. Studien mit funktionellem MRT zeigen während der elektrischen Sti- mulation beider Zeigefinger kleinere Signale im kontralateralen SI und sekundären somatosensorischen Kortex (SII), die mit Defiziten in der 2-Punkt-Diskriminierung verbunden waren. Dies deutet darauf hin, dass Strukturen der kortikalen Reorganisation in SI und SII beeinträchtigen parallel sowohl die taktile Diskriminierung [48] als auch die Schmerzintensität. Neben der plastischen Abweichung des Körperschemas bei CRPS-Patienten, wurde eine vermehrte Aktivierung von Arealen zur affektiven Schmerzverarbeitung im Gyrus cinguli und frontalen Kor- tex nachgewiesen, was nach der Heilung persistieren kann [41, 49]. Eine neue Arbeit beschreibt die neuropsy- chologischen Dissoziation bei einem CRPS-Patienten, bei dem die Objekterkennung und Namensfindung erhal- ten war, er aber unfähig in der Objektorientierung (Agnosie der Objektorientierung) war [50]. Diese Erkenntnis steht im Einklang mit einer früheren fMRT-Studie, die eine abweichende Aktivierung des intraparietalen Sulcus (ein multimodaler Assoziationsraum) demonstriert und einer motorischen Fehlfunktion zugeordnet wurde [51]. Die gestörte räumliche Orientierung bei diesen Patienten legt eine Fehlfunktion im hinteren Parietallappen nahe.
Die in diesen Studien aufgezeigten Beeinträchtigungen der kognitiven Funktion, könnten auch mit strukturellen Veränderungen des Gehirns verbunden sein, wie es bei anderen schweren neuropathischen Schmerzzuständen nachgewiesen wurde und könnten bei CRPS-Patienten zumindest teilweise reversibel sein [40, 52]. Faktoren, die auch im Zusammenhang mit der kognitiven Leistungsfähigkeit von Patienten mit schweren neuropathischen CRPS -Schmerzen zu beachten sind, sind Medikamente, Stress und die Ablenkung bei in Anspruchnahme des Kurzzeitgedächtnisses [53, 54]. Eine kürzlich durchgeführte experimentelle Studie zur Behebung von postopera- tiver neurogener Entzündung und des Rückgangs der kognitiven Leistungsfähigkeit, legt einen Mechanismus nahe für die neuropsychologische Defizite, festgestellt bei CRPS-Patienten [55]. Periphere Operationen bei C57BL/6J und anderen Arten von Mäusen verursachten Störungen der Blut-Hirn-Schranke (BBB). Der vorge- schlagene Mechanismus war die Freisetzung von Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-α), der die Migration von Makrophagen in den Hippocampus erleichtert durch die Aktivierung von nuclear factor kappa B (NF-kB). Dieser Signalweg bewirkt neurogene Entzündungen, Mikroglia-Aktivierung und die Freisetzung von entzündungs- fördernden Zytokinen. Die Aktivierung des alpha7 nAChR (Acetylcholin-Rezeptor) verhinderte die Einwanderung der von Monozyten abstammenden Makrophagen in das ZNS. Der Eintritt von Leukozyten wie CD4+T Zellen könnte auf eine NF-κB bedingte Vermehrung von Interleukin-6 (IL-6) zurück zu führen sein, das auf den zerebra- len Endothelzellen exprimiert ist und zu einer vermehrten Expression und Ansammlung von entzündlichen Zyto- kinen führt. Diese endotheliale Aktivierung und der Ausfall der BBB kann eingeleitet werden durch eine periphere Nervenverletzung [56]. 3. Konstitutionelle Symptome CRPS-I und CRPS-II sind systemische Erkrankungen, die jedes Organsystem [1, 15] befallen können. Fast al- le stark betroffenen Patienten (> 1 Extremität betroffen) klagen über Lethargie, Müdigkeit oder Schwäche – deren Ursachen multifaktoriell sind. Verletzungsbedingt werden Mastzellen, Makrophagen, Leukozyten aktiviert und zur betroffenen Region rekrutiert [57]. Im weiteren Krankheitsverlauf finden sich vermehrt entzündungsfördernde Zytokine im Serum und Liquor erhöht (TNF-αand IL-6), während die Anzahl entzündungshemmende Zytokine Interleukin-4 (IL-4) und Interleukin-10 (IL-10) verringert ist [57-65]. Entzündliche Zytokine wirken sowohl peripher am Ort der Verletzung und im ZNS auf mehreren Ebenen in der Schmerz-Matrix [57]. Bei Patienten mit lang an- dauernder Krankheit ist der Prozentsatz der CD14+ und CD16+ Monozyten / Makrophagen-Aktivität (entzün- dungsfördernd) im Serum erhöht, obwohl die Gesamt-Monozytenzahl normal ist [66] und entzündungshemmende Zytokine, wie IL-10, abnehmen. Ein weiterer Beweis für autoimmune Mechanismen in der Pathophysiologie der konstitutionellen Symptome, die bei CRPS bekannt sind, wird dadurch unterstützt, dass bei ca. 35% der Patien- ten oberflächengebundene Autoantikörper gegen sympathische und mesenterische Plexus Nervenzellen festge- stellt wurden [67, 68]. Die anfängliche körpereigene unspezifische Aktivierung des Immunsystems nach einer Verletzung oder Infek- tion zeigt sich innerhalb von Stunden und heißt Krankheitsreaktion. Es wird ausgelöst durch Interaktionen des Immunsystems mit dem Gehirn, was eine Kaskade von Reaktionen des Nervensystems auslöst, einschl. Schmerzreaktion [69]. Wie oben erwähnt, werden entzündliche Zytokine aus aktivierten Immunzellen am Ort der Verletzung freige- setzt. Interleukin-1 (IL-1), IL-6 und TNF-α aktivieren spezialisierte sensorische Strukturen, Paraganglien, die Synapsen mit sensorischen Vagusfasern besitzen [70-72]. Krankheitsbedingte Schmerzauslösung kann bei experimentell ausgelösten, neuropathischen Schmerzen von IL-1-Rezeptor-Antagonisten, TNF-α- Bindungsprotein oder subdiaphragmaler Vagotomie blockiert werden [73-77]. Die ausgeprägte Müdigkeit von CRPS-Patienten könnte ihre Ursache in der Rückkopplung der Krankheitsreaktion haben [76]. Andere unterstüt- zende Begleiterkrankungen sind Störungen des Schlafrhythmus, Unterfunktion der Schilddrüse, sekundäre Ne- benniereninsuffizienz aufgrund einer chronischen Stressreaktion, Dekonditionierung und schwere Depressionen. 4. Herzkomplikationen bei CRPS Etwa 2.500 CRPS Patienten mit einer Krankheitsdauer von mehr als 2 Jahren und mit der Beteiligung von mindestens zwei Extremitäten wurden an der Drexel University Schmerzklinik untersucht. 500 hatten eine EKG- und Echokardiographiebeurteilungen vor einer Ketaminbehandlung unter Narkose. Es gab keine speziellen EKG – Auffälligkeiten, außer einer höher als normalen Pulsfrequenz im Bereich von 80 bis 100 Schlägen pro Minute. Die Auswurfleistung lag zwischen 50-65%, die sich nicht zwischen männlichen und weiblichen Kontrollenperso- nen unterschied. Etwa 10% der Patienten beschrieben eine Synkope oder Präsynkope im Laufe ihrer Erkran- kung [78]. 74 Patienten wurden wegen einer Synkope einer Kipptischuntersuchung (KTUS) unterzogen und verglichen mit einer vom Alter und Geschlecht her passenden Vergleichsgruppe sowie mit Standards aus der Fachliteratur, in der Patienten einer Kipptischunterschung unterzogen wurden. Die mittlere Dauer des CRPS bei den getesteten Patienten betrug 6,5 Jahre. Der durchschnittliche Schmerzwert wurde auf der numerischen Likert- Scoring-System mit 7,7 (0 = keine Schmerzen und 10 = schlimmste vorstellbare Schmerzen) angegeben. Alle Patienten waren sehr krank und hatten eine Ausbreitung der Schmerzen von der ursprünglichen Stelle der Ver- letzung. Neunundzwanzig Patienten (39%) hatten ein den ganzen Körper betreffendes CRPS. Acht Patienten waren aufgrund von Schmerzen nicht in der Lage, die KTUS zu beenden. 28 der 66 getesteten Patienten mit CRPS (42,4%) hatten einen positiven KTUS, der wie folgt klassifiziert wurde: (1) 17 (61%) gemischte Reaktionen (Herzfrequenz mehr als 10% zurückgegangen, aber nicht auf weniger als 40 Schläge pro Minute gesenkt für mehr als 10 Sekunden, und der Blutdruck sank früher als die Herzfrequenz; (2) 1 Patienten (4%) hatte eine kar- diale Inhibierung ohne Asystolie, in denen der Blutdruck sinkt vor der Herzfrequenz; (3) zwei Patienten (7,1%) hatten eine kardiale Inhibierung mit Asystolie, bei dem der Blutdruck fiel vor einer Verminderung der Herzfre- quenz. Drei Patienten (11%) zeigten einen Blutdruckabfall während des Kippens, die Herzfrequenz fiel nicht
mehr als 10% von der maximalen Geschwindigkeit während des Kippens. Der Abfall des Blutdrucks jedoch ging der Ohnmacht voraus. Die Mehrheit der CRPS-Patienten (23/28, 88%) benötigte eine Provokation mit Nitroglyce- rin, um einen positiven KTUS herbeizuführen. Es gab keine Korrelation zwischen spezifischen Schmerzeneigen- schaften (dynamisch oder statisch mechanische Allodynie, Hyperalgesie oder Hyperpathie) oder der Erkran- kungsdauer mit einem positiven head-up tilt test, wobei dieser häufiger bei jüngeren Patienten auftrat. CRPS- Patienten zeigten 4,5 mal häufiger einen positiven KTUS verglichen mit einer an Alter und Geschlecht angepass- te Kontrollgruppe. Es gab keinen signifikanten Unterschied in der Herzfrequenz-Variabilität zwischen CRPS- Patienten mit oder ohne positiven KTUS. 54% unserer KTUS -positiven CRPS Patienten waren unter 40 Jahre alt. Etwa 38% der Patienten mit CRPS, die die Studie abschlossen, erlitten mindestens 1 (Prä-) Synkope im Vor- feld. CRPS-Patienten mit Beteiligung der unteren Extremitäten weisen eher eine vasovagale Synkope und posi- tive orthostatische KTUS auf als solche mit Beteiligung der oberen Extremität oder einer Ganzkörpererkrankung. Patienten mit CRPS neigen zu neurokardiogenen Synkopen während einer KTUS vgl. zur vasovagalen Reakti- on historischer Kontrollgruppen asymptomatischer Probanden [80-83]. Bei Kindern und Jugendlichen mit CRPS zeigt sich beim Neigungstest eine orthostatische Stabilität, allerdings verbunden mit einer höheren mittleren Herzfrequenz verglichen mit Kontrollen [84]. Eine weitere aktuelle Studie mit 20 für - Alter, Geschlecht, Body- Mass-Index – gematchten Kontrollpersonen zeigte bei CRPS-Patienten eine erhöhte Herzfrequenz und verringer- te Herzfrequenz-Variabilität im Ruhezustand, bei geistiger und orthostatischer Belastung. Die Sensitivität der Barorezeptoren war unverändert. Während einer 60-Grad-Neigung hatten CRPS-Patienten einen Abfall der Herzauswurfleistung und eine übertriebene Erhöhung des totalen peripheren Widerstandes. Die autonomen Veränderungen korrelierten mit der Dauer der Erkrankung, aber nicht mit der Schmerzintensität. Die Autoren folgerten, dass die erhöhte Herzfrequenz und die gesunkene Herzfrequenzvariabilität Folge eines generalisierten Ungleichgewicht des autonomen Nervenssystems war und die Anfälligkeit für einen plötzlichen Tod erhöhte [85]. Es gibt Hinweise, dass eine reduzierte Herzfrequenzvariabilität möglicher Weise ein hinweisender Faktor auf Herzrhythmusstörungen sein kann [86]. Atypische Brustschmerzen sind eine häufige Beschwerde von CRPS-Patienten. Die meisten dieser Patienten haben eine neuropathische ICB - Nervendehnungsverletzung erlitten [13]. Atypische Brustschmerzen präsentie- ren sich oft bei jungen Frauen, die selten eine koronare Herzkrankheit (KHK) haben. Wenn eine KHK vorhanden ist, ist das Sterberisiko 7% höher verglichen zu gleich alten Männern [87]. Nicht invasive kardiale Screening- Tests einschl. Belastungs-EKG sind bei weiblichen Patienten weniger sensitiv [88]. Dies führt bei diesen Patien- ten häufig zu Koronarangiographie, bei denen der ICB Nerv die Schmerzen in der Brust erzeugt. Etwa 25% aller Koronarangiographien sind in der allgemeinen Bevölkerung negativ und es gibt keine positiven Studien bei unseren jungen Patienten, die sensibilisierte ICB Nerven durch ein Trauma oder CRPS beobachteten [89]. Die meisten unserer Patienten mit Brustschmerzen klagten über Schmerzen vorne-seitlich und unter der Brust und erhielten umfangreiche kardiale Untersuchungen mit letztendlich negativem Herzkatheterergebnis. Die Patienten selbst glauben nicht, dass ihre Brustschmerzen mit ihrem CRPS zusammenhingen. Die Mehrheit die- ser Patienten klagte über beidseitige Brustschmerzen (n = 35 in der Rasmussen-Studie) [13] (66%) mit Ausstrah- lung in Richtung Kiefer / Kopf / Hals (begleitend mit Plexus cervicalis C2-C4 Beteiligung) [90] und in Richtung des Brachialplexus mit Beteiligung von Schultern und Armen (46%). Die meisten dieser Patienten, die Hilfe bei ihren Hausärzten suchten, erhielten ein EKG (79%) oder wurden mit Brustschmerzen unbekannter Herkunft (26%) diagnostiziert; Costochondritis (21%); psychosomatische Erkrankungen (21%); Herzerkrankungen (16%); gast- roösopagelae Refluxkrankheit (GERD) (5%); hormonelle Störungen (11%) und Krankheiten unbekannter Ätio- logie (26%). Bei den CRPS-Patienten beschrieben nur 40% ihre Schmerzen als brennend, während die meisten (60%) empfanden ihn als tiefen oder bohrenden Schmerz. Etwa 65% der Patienten mit CRPS konnte den Brustschmer- zen auslösen durch Anheben ihrer Arme und durch Dehnen des Plexus brachialis, was Zug auf den ICB Nerven verursachte. Es wurde experimentell nachgewiesen, dass Nervenverletzung im Laufe der Zeit Schmerz-Marker verursachen auf somatischen mechanischen afferenten Nerven, was dann zur Aktivierung von schmerzübertra- genden Neuronen des Hinterhornes führt [91]. Die Anatomie der Nerven erklärt seine Ausstrahlungen und wie eine Entladung in seinem Gebiet leicht mit koronaren Schmerzen verwechselt wird. Es stammt aus dem zweiten Zwischenrippennerv (T2) mit variablen Anteilen der Nervenwurzeln von T3 und T4 [92, 93]. Der ICB Nerv inner- viert die Achselhöhle, den medialen und vorderen Arm und unterstützt die Innervation zusammen mit dem hinte- ren Unterarmhautnerv. Er innerviert die vordere Brustwand durch Verbindung mit dem langen Brustnerv [92, 93] und innerviert auch gelegentlich den kleinen und großen Brustmuskel [93]. Bei 30% Prozent der Patienten ist der ICB Nerv über den Truncus medialis mit dem Plexus brachialis verbunden [94]. T2 ist die primäre Wurzel des ICB Nerv und verbindet sich zu 100% der Zeit mit dem Plexus brachialis, entweder über die ICB Nerven (80%) oder bei 20% der Patienten durch direkte intrathorakale Verbindungen [95]. Der Nerv wird sehr häufig bei Brust- OP’s verletzt [96-98], was möglicher Weise ein CRPS verursachen kann. 5. Atmungssystem In einer Langzeitstudie mit 270 konsekutiven Patienten mit mittelschwerem bis schwerem CRPS wurde bei 42 (15,5%) über Kurzatmigkeit berichtet [1]. Die Auswertung dieser Patienten ergab anhand des Thorax-Röntgen subsegmentalen Atelektasen bei 33%, ein niedriges Lungenvolumen bei 16,7% und nur ein Patient (0,5%) zeig- te Anzeichen einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Ein Patient hatte eine milde Herzinsuffizi- enz. Eine Hilare Adenopathie und kleine Pleuraergüsse wurden bei drei Patienten beobachtet. 9 der 42 Patien- ten wurden Lungenfunktionstests unterzogen. Fünf hatten eine restriktive und zwei hatten eine leichte restriktive Lungenerkrankung. Ein Patient wies normale Untersuchungsergebnisse auf. Zusätzlich zu diesen unspezifischen pulmonalen Auffälligkeiten klagten viele Patienten, dass sie nicht in der Lage seien, tief Luft zu holen. Eine Dystonie der Brustwandmuskulatur ist bei schwerem, langjährigem Verlauf
häufig. Es wurden aber keine epidemiologischen Studien durchgeführt, die die Inzidenz und Prävalenz feststell- ten. Dystonie ist eine Hauptkomponente der Bewegungsstörung des CRPS [99-102]. Dass hiervon die Brust- wandmuskulatur betroffen und hierdurch eine restriktive Lungenerkrankung verursacht werden kann, wurde erst vor kurzem erkannt [103]. Im Allgemeinen wird das Vorhandensein von Dystonie bei CRPS-Patienten mit einem jüngeren Alter und einer längeren Dauer der Erkrankung verbunden [101]. Der Beginn der Dystonie ist variabel, kann aber anderen Krankheitserscheinungen vorausgehen [99]. Eine weitere Ursache der Brustwandbeschwer- den, die Patienten an einer normalen Inspiration hindert, ist eine Reizung des ICB - Nerven, der oft Brust- und Zwischenrippenmuskeln innerviert [13]. Die Beteiligung dieses Nervs wird häufig mit Herzschmerzen verwech- selt, wenn es auf der linken Seite, und wenn es auf der rechten Brustwand auftritt, mit der Erkrankung der Gal- lenblase. 6. Systemische Erscheinungsformen von autonomen Fehlregulationen bei CRPS Bei Versagen einer kompensatorischen, reflexinduzierten Erhöhung der Herzfrequenz bei Abfall des Blut- drucks gibt es eine Manifestation der autonomen Fehlregulation, die sowohl periphere und als auch zentralner- vöse Komponenten hat [20]. Die betroffenen Extremitäten von CRPS-Patienten sind früh im Verlauf der Erkran- kung meist warm, später dann kalt, was eine Änderung der Aktivität der vasokonstriktorischen Nervenzellen im intermediolateralen Strang im Rückenmark nahelegt [104]. Klinische Studien unter Verwendung von Ganzkör- per- Erwärmung und - Kühlung kombiniert mit Stimulierung der Atmung, wurden verwendet zur Untersuchung von CRPS-Patienten, mit verschieden langer Krankheitsdauer [105, 106]. Diejenigen Patienten mit weniger als 4 Monaten Krankheitsdauer hatten eine warme Extremität und eine höhere Hautdurchblutungswerte verglichen zur gesunden Extremität. Die Norepinephrinkonzentration der betroffenen Extremität ging zurück [106]. Die Patien- ten mit einer mittleren Krankheitsdauer von 15 Monaten hatten entweder eine wärmere oder kühlere betroffene Extremität, was von der Variabilität der sympathischen Aktivität abhing. Patienten mit kalter Extremität hatten eine Krankheitsdauer mit einem Mittelwert von 28 Monaten und zeigten auch eine niedrige Noradrenalinkonzent- rationen im venösen Abfluss aus der betroffenen Extremität [106]. Bei einem erheblichen Teil der langjährigen Patienten normalisiert sich die sympathisch bedingte Gefäßverengung wieder, obwohl die betroffene Extremität kalt ist [106]. Es wurde angenommen, dass früh in der Krankheit das zentrale Nervensystem eine autonome Fehlregulation der Efferenzen aufweist, während es im Laufe der Zeit zu einer erhöhten Dichte oder Sensitivität von noradrenergen Rezeptoren an Blutgefäßen gegenüber aus der Nebennieren stammenden zirkulierenden Noradrenalin kommt [107-110]. Frühere Studien unter Verwendung der Laser-Doppler-Fluoxmetrie fanden heraus, dass die normale Reduktion der Hautdurchblutung durch Aktivierung sympathischer Efferenzen durch einen Valsalva - Versuch oder Kaltdrucktest bei CRPS-Patienten fehlte. Die sympathische Innervierung kon- trolliert den Blutfluss zu den Kapillaren der Extremitäten. Gefäßbewegungen als sympathisch bedingte, spontane wellenartige Fluktuationen in den Venen, sind ebenfalls entweder reduziert oder fehlen bei CRPS-Patienten [110]. Diese früheren Studien werden von einer weiteren Studie unterstützt, die aufzeigt, dass eine sympathisch induzierte Gefäßverengung bei frühen CRPS-Patienten, sich im Laufe der Zeit normalisiert [106, 111, 112]. Dass sympathische Fehlfunktionen vielleicht eine frühe Komponente jeder posttraumatischen Neuropathie sind, wurde vermutet durch eine thermografische Untersuchung von 200 Verletzungen bei 1000 Rekruten während einer Grundausbildung. [113]. Immobilisierung von einer verletzten Extremität kann auch zu Temperaturänderungen in der verletzten Extremität führen und ist vielleicht ein Risikofaktor für die nachfolgende Entwicklung des CRPS [114, 115]. Sudomotorische Fehlfunktionen kommen häufiger bei CRPS-Patienten vor, sowohl im frühen und späteren Verlauf der Krankheit. Es manifestiert sich in der Regel als eine erhöhte Ruheschweißproduktion der betroffenen Extremität [116]. Schweißdrüsen reagieren normalerweise auf cholinerge Stimulation, aber es kann eine adrenerge Schweißreaktion in der CRPS - betroffenen Gliedmaßen auftreten im Anschluss an die Ionto- phorese eines alpha-adrenergen Agonisten [117]. Dies deutet darauf hin, dass es bei CRPS eine Aktivierung von Systemen gibt, die normalerweise nicht unter adrenerger Kontrolle sind. Anatomische Verbindungen des sympathischen Nervensystems zu afferenten Nozizeptoren traten nach expe- rimenteller Axotomie auf [118, 119]. Im Dorsalwurzelganglion (DRG) sprießen sympathische Fasern aus den Blutgefäßen und bilden korbartige Gebilde um Mechanorezeptoren und innervieren dünn myelinisierten Fasern. Dies ist die Reaktion auf eine Hochregulierung von p75-Rezeptoren, was sympathische Fasern und Lymphozy- ten-hemmenden Faktoren (LIF) leitet, die das Sprießen sympathischer Nerven induziert. Es gibt weitere mögliche Kopplungsmechanismen von sympathischen Efferenzen zu nozizeptiven Afferenzen am Ort der Verletzung [119]. Mechanosensitive, sensorische Afferenzen und nozizeptive Fasern besitzen Adrenorezeptoren, die hoch- reguliert und aktiviert werden können nach einer Nervenverletzung. Eine erhöhte Dichte von α-1-adrenergen Rezeptoren tritt in der hyperalgetischen Haut von CRPS-I-Patienten auf [119, 120]. Die Beteiligung des sympa- thischen Nervensystems bei CRPS ist ferner demonstriert durch: (1) die Reaktion der frühen CRPS Patienten auf eine Sympathikolyse; (2) Der Nachweis akuter Antikörper gegen sympathische Ganglien; (3) Eine Denervie- rungsüberempfindlichkeit der glatten Gefäßmuskel (aufgrund von Verlust oder Fehlfunktionen der Gefäßnerven- zellen im intermediolateralen Strang); (4) Sensibilisierung der Mechanorezeptoren durch Freisetzung von Epi- nephrin aus den Nebennieren; (5) sympathische Immunsystem-Interaktion [67, 121-123]. Die autonomen Erscheinungsformen des CPRS werden häufig als Raynaud-Phänomen fehldiagnostiziert (insbesondere, wenn die betroffene Extremität minimal schmerzhaft ist), oder als Fibromyalgie und Gefäßinsuffi- zienz. Dies erfolgt in Verbindung mit einer kalten blauen Extremität, mit Marmorierung und Livedo reticularis und neurogenen Ödemen. Häufig wird die gerötete, warme Extremität als infiziert erachtet. 7. Entzündung/ Neurogene Ödeme
In einer Langzeitstudie mit über 600 Patienten mit CRPS von mindestens einjähriger Dauer, waren 75% positiv bezüglich neurogener Ödeme. Bei denen mit langjähriger Krankheit waren 90% positiv. Die Schwellung korreliert mit der Dauer der Erkrankung, kann massiv sein und den ganzen Körper betreffen [1]. Es kommt häufig zu einer anhaltenden Harnausscheidung bei Einleitung einer Ketamintherapie. Der durchschnittliche Gewichtsverlust der moderat bis schwer betroffenen Patienten mit CRPS nach Mobilisierung des Ödems liegt zwischen 10 und 12 Pfund. Diuretika werden häufig gegen das Ödem verabreicht und sind unwirksam. Häufig betroffen Körperteile sind gleichzeitig gerötet und auch geschwollen. Wenn sich diese Symptome in einer schmerzhaften unteren Ext- remität präsentieren, werden die Patienten fehldiagnostiziert mit einer Thrombophlebitis. Es gibt oft schwere dys- trophe Haut,- Nagel- und Unterhautfettgewebeveränderungen an den betroffenen unteren Extremitäten, die in Verbindung mit Rötung und die erhöhten Temperatur auf eine Infektion hindeuten. In dieser Phase der Erkrankung entwickelt sich eine „entzündliche Suppe“ Es stammt aus dem Blut oder Ent- zündungszellen, die einschließen: inflammatorische Zytokine (IL-1, IL-6 und TNF-α, Prostaglandine (PGE2), Serotonin (5-Hydroxytryptamin), Bradykinin, Epinephrin, Lipoxygenase, neurotrophe Faktoren (Nerven- wachstumsfaktor (NGF), hirnabgeleiteter neurotropher Faktor (BDNF)), Neurotrophin-3 (NT-3) und Nukleotid- Sender wie Adenosin [124, 125]. Diese Mikroumgebung verwischt den Unterschied zwischen entzündlichen oder rein neuropathischen Schmerzen bei CRPS. Die Auswirkung dieser Zytokine, der neutrophilen Faktoren, kleiner Moleküle und Enzyme ist die direkte Aktivierung der Endmembran der C-und A-δ Nozizeptoren oder eine Verrin- gerung ihrer Auslöseschwelle. Dieser Effekt wird vermittelt durch die Aktivierung der Phosphokinase A (PKA) und Phosphokinase C (PKC), die Tetrodotoxin (TTX) resistente sensorische Neurone und spezifische Natriumkanäle phosphorilieren [126]. Außerdem setzten Zytokine TNF-α, Interleukin-1 beta (IL-1β) und IL-6 Calcitonin Gene- Related Peptide in der Haut frei. Es konnte auch gezeigt werden, dass retrograd transportiertes NGF die Gen- expression reguliert (neue Rezeptoren und Proteine) und die Biosynthese sensorischer Neuronen bei neugebo- renen Ratten [127, 128]. Die Aktivierung dieser C und A-δ Endverzweigungen veranlasst einen Axonreflex, der setzt das vasoaktive Neuropeptid Substanz-P, das Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP) und das Neuroki- nin A frei, was eine Gefäßerweiterung und Protein- Extravasation bewirkt. Die damit verbundene neurogene Entzündung verursacht Rötung, erhöhte Temperatur und Ödeme [129]. Die Mehrheit der neurogenen Entzün- dung, Ödeme und der verstärkte Flare-response bei CRPS Patienten werden verursacht von den Substanz-P und von CGRP [130-134]. Die Substanz-P kann außerdem Hautkeratinozyten stimulieren, die dann Zytokine exprimieren in der betroffenen Extremität von Patienten mit CRPS [135, 136]. Ein weiterer Beweis für die Beteili- gung von entzündlichem Zytokine bei der Nervenentzündung und den Ödemen in den betroffenen Extremitäten von CRPS-Patienten ist: (1) erhöhte Konzentration von TNF-α und IL-6 bei Blasenflüssigkeit an Knochenbruch- stellen bei der von CRPS betroffenen Extremität [58, 59], (2) Serum-Konzentrationen von löslichen TNF- Rezeptoren und TNF-α-Rezeptoren, IL-1 und Interleukin-8 (IL-8) sind bei frühem CRPS erhöht (Mittelwert von 3 Monaten), während die entzündungshemmenden Zytokine IL-4, IL-10 und Transforming Growth Factor beta-1 (TGF-1) verringert sind [62, 131]. Eine andere Studie zeigte ein entgegengesetztes Ergebnis: die Blasenflüssig- keit und die Zytokinkonzentration im Serum waren nicht verknüpft mit der Krankheitsdauer, sondern nur mit der mechanischen Hyperalgesie [62, 137, 138]. Eine abnormale entzündliche Reaktion auf eine Verletzung mit Rö- tung, Wärme und neurogenen Ödemen, scheint ein wichtiger Aspekt des CRPS sein. Neben der Schmerzlinde- rung reagieren diese entzündlichen Veränderungen dramatisch auf N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) - Blockaden nach Ketamingaben [139]. Die Rötung und neurogenen Ödeme, die sowohl bei frühen als auch langjährigen CRPS-Patienten gesehen, wird oft mit einer Thrombophlebitis oder Infektion verwechselt, wenn es in den unteren Extremitäten auftritt. Leider infiziert sich die schwer ödematöse und schlecht durchblutete Extremität oft. 8. Muskel-Skelett-Systems Das Muskel-Skelett-System ist sehr schwer betroffen bei fast allen Patienten mit CRPS. Über Schwäche wur- de von etwa 70% der Patienten in einer Langzeitstudie berichtet [1]. Zusätzlich zur Schwäche, leiden Patienten an Atrophie in den Muskeln, die normal trainiert werden. Dies ist besonders an den intrinsischen Hand- und Fußmuskeln als auch im zweiköpfigen Wadenmuskel ersichtlich. Gelegentlich atrophiert ein bestimmter Anteil eines Muskels, was anscheinend nicht krankheitsbedingt ist. Die Bewertung der Muskeln bei amputierten Glied- maßen von 14 CRPS-Patienten im schweren Endstadium ergab eine Verfettung, Typ I und II-Faser-Atrophie und den Nachweis einer Degeneration mit Reinnervation. Es gab keinen Unterschied in der Pathologie zwischen Armen oder Beinen und keine Korrelation mit der Dauer der Erkrankung [140]. Unter hypoxischen Bedingungen werden vermehrt reaktive Sauerstoffspezies erzeugt, die als sekundäre Botenstoffe wirken, das aktiviert die Hypoxie-induzierbare Faktoren (HIPS), die helfen, den ATP-Spiegel aufrechtzuerhalten [141]. Magnetreso- nanzspektroskopien (MRS) haben eine Hypoxie der Muskeln bei CRPS Patienten aufgezeigt [142], was zu einem Versagen der Aufrechterhaltung des normalen Redox-Zustand führt und dies wiederum zur Zunahme von reak- tiven Sauerstoffradikale (ROS) und Zellschäden [143]. In den Gliedmaßen der Patienten im schweren Spätstadi- um vor der Amputation wurden mitochondriale Fehlfunktionen nachgewiesen [144]. Die biochemische Analyse deutet auf eine verminderte Aktivität der mitochondrialen Succinat-Dehydrogenase (Komplex II) hin, die ursäch- lich ist für das Versagen der mitochondrialen Energieproduktion und die Produktion freier Radikale [145]. Reakti- ve Sauerstoffspezies (ROS) verursachen die Carbonylierung von mitochondrialen Proteinen, was oxidative Schäden bedeutet [146]. Diese Beobachtungen von oxidativen Schäden im Muskel unterstützen früheren Be- obachtungen von Schäden durch freie Radikale als pathologischer Mechanismus bei CRPS [147, 148] [149]. Es wurden acht Kinder mit mitochondrialen Erkrankungen und wahrscheinlich CRPS beschrieben, dies verleiht auch weitere Unterstützung für eine Rolle von fehlfunktionellen Mitochondrien als möglicher Mechanismus der Mus- kelfehlfunktion, die bei CRPS Patienten auftritt [150]. An Knochen- und Gelenkschmerzen leidet die Mehrheit der CRPS-Patienten. Röntgenaufnahmen der be- troffenen Extremitäten zeigen Knochenseen (intrakortikale Aushöhlungen) mit periartikulärer, trabekulärer und
periostaler Demineralisierung und Knochenresorption [151]. Diese Änderungen resultieren vermutlich aus einer Osteoklastenaktivierung, möglicherweise durch die Freisetzung von Substanz P von Schmerzrezeptoren [152]. Während der Knochenresorption reduzieren aktivierte Osteoklasten den pH soweit, dass Schmerzafferenzen, die den Knochen dicht innervieren, depolarisiert werden [151]. Die Kernspintomographie zeigt oft Knochenmarkö- deme und die Skelettszintigraphie zeigt in der späten Phase ein „Pooling“ bei 30 bis 50% der Patienten [151, 153]. Pathologische Frakturen sind sehr häufig bei CRPS-I-Patienten. Eine häufige Lokalisation ist der Bruch des 5 ten Mittelfußknochens. Die meisten Patienten erleiden Frakturen während ihrer üblichen Tätigkeit oder durch ein minimales Trauma. Experimentelle Befunde zeigen, dass die Knochenbildung und -erhaltung entscheidend von der intakten Innervation der kleinen Nervenfasern abhängt, die bei CRPS-I-Patienten fehlfunktional ist [2] [154-156]. Diese Frakturen sind schwer zu heilen, was auch eine Fehl- funktion der Knocheninnervation widerspiegeln kann. 9. Drüsensystem Alle Patienten mit mittelschwerem bis schwerer CRPS erleben Stress durch den Schmerz selbst und durch den Arbeitsausfall, durch persönliche Beziehungen und durch Aktivitäten des täglichen Lebens. In einer Lang- zeitstudie von 270 Patienten beschrieben 69% starke Abgespanntheit und ungewöhnliche Müdigkeit. Unverhält- nismäßig, unerklärliche Müdigkeit kann auf Herzinsuffizienz, Leber- und Nierenversagen, verminderte systemi- sche Sauerstoffversorgung (Anämie oder COPD), hormonelle Störungen (Hypothyreose, Nebennierenrindenin- suffizienz), Depression oder inflammatorische zytokinvermittelte Erkrankungen (Krebserkrankung, HIV, Epstein Barr und andere Virusinfektionen) und Medikamente, einschließlich Betäubungsmitteln, zurück zu führen sein. 26 Patienten mit schwerer Müdigkeit und Ganzkörper - CRPS wurden einer Untersuchung ihrer Hypothalamus- Hypophysen-Achse (HPA) unterzogen. 23 waren Frauen und 3 waren Männer, deren Durchschnittsalter lag bei 44 Jahren (Mittelwert 43 Jahre, Bereich 20-64 Jahre). Kein Patient hatte eine Anämie, eine Herzinsuffizienz, eine COPD, eine Nieren- oder Leberinsuffizienz, HIV, eine Krebserkrankung oder eine aktuelle Infektion. Kein Patient hatte aktiv schwere Depressionen oder in der jüngsten Geschichte Steroide verwendet. Niedrige Cortisol- ausgangsspiegel wurden bei 10 der 26 Patienten festgestellt - einer von ihnen hatte einen niedrigen TSH-Wert. Ein Stimulationstest mit adrenocorticotropen Hormonen (ACTH) wurde bei Patienten mit niedrigen Cortisolaus- gangsspiegel durchgeführt. Alle zehn Patienten mit niedrigen Cortisolausgangsspiegel reagierten innerhalb einer Stunde mit einer deutlichen Erhöhung von Cortisol im Serum. Dies bedeutet eine normale Nebennierenfunktion, aber eine gestörte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse [157], hinweisend auf eine tertiäre Neben- nierenrindeninsuffizienz. In dieser laufenden Studie [158] haben ca. 38% der schwer betroffenen CRPS- Patienten ein niedriges Cortisol-Serum-Niveau. Experimentelle Studien haben gezeigt, dass systemische Corticosteron die späte Phase des Formalin-Tests unterdrückt, die die Steuerung der zentralen Sensibilisierung [159, 160] oder Hemmung von Entzündungsmedia- toren bedeutet [161]. Eine weitere Unterstützung, dass Glukokortikoide eine zentrale Wirkungen bei neuropa- thischen Schmerzen vermitteln, wird aus Modellen abgeleitet, in denen die Entwicklung und Aufrechterhaltung der mechanischen Hyperalgesie und Allodynie nach einer Nervenverletzung nach systemischer Verabreichung von Betamethason verringert wird [162]. Glukokortikoide können Schmerzen durch verschiedene Mechanismen verringern: (1) Unterdrückung der intrazellulären Kaskaden ausgelöst durch Phospholipase A2 [163]; (2) ab- nehmende ektopische Entladung aus experimentellen Neuromen; (3) Blockierung der Neurotransmitter in C- Fasern [164, 165]; (4) abnehmende Mikroglia-Aktivierung [166]. Etwa 40% der CRPS-Patienten haben einen niedrigen Kortisol-Spiegel, was ein Faktor für ihre anhaltenden Schmerzen sein kann. Etwa ein Drittel der mittelschweren bis schweren CRPS-Patienten leiden an Hypothyreose [1]. Die Wirkung dieses Defizit ist nicht bekannt, außer dass es im Zusammenhang mit der Sudeck Atrophie steht. Über die Funk- tion des Hyperparathyreoidismus und den Knochenstoffwechsel wurde noch nicht geforscht. Die Rolle von HPA ist bei chronischem Stress ist gut dokumentiert. [167, 168]. Die obigen Daten, die einen niedrigen Cortisolspiegel bei einem erheblichen Teil der CRPS-Patienten mit normaler Nierenfunktion nach einer Cosyntropin Stimulation zeigen, stützen die Annahme des Versagens der HPA-Achse bei dieser Krankheit. Ein großer Prozentsatz der Patienten mit schwerem CRPS wird mit hohen Dosen von starken Opioiden be- handelt. Eine neuere Studie hat eine Fehlfunktion der Hirnanhangdrüse in all ihren Bereichen aufgezeigt mit Un- terfunktion der: (1) Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, (2) Überfunktion der HPA-Achse, (3)erhöhtem Prolaktinspiegel. Das Absetzen der Betäubungsmittel kann die endokrinen Fehlfunktionen umkehren [169]. 10. Dermatologische Erscheinungsformen des CRPS In einer Langzeitstudie über den natürlichen Verlauf bei CRPS berichten 71% der Patienten über eine Verän- derungen der Hautfarbe innerhalb von 5 Jahren, die sich nach 15 Jahren auf 81 % erhöhte. Dies war gewöhnlich eine Kombination von Hautrötung, Marmorierung, Livedo reticularis und Zyanose [1]. Eine Schwellung wurde nach dem ersten Jahr bei 75% der Patienten, nach 15 Jahren bei 90% der Patienten festgestellt [1]. Eine eigen- artige Erkenntnis ist, das bei mehreren Patienten festgestellte "Ligatur Zeichen" - als ob der Patient eine Schnur um die ödematöse Extremität gebunden hat, das blieb, auch als sich das Ödem während der Behandlung verrin- gerte. Etwa 20% der Patienten berichten von einem leicht erhabenen morbilliformen Hautausschlag. Die am häufigsten gesehene Veränderung ist eine gut abgrenzbare, 1-3 mm ausgestanzte geschwürartige Hautläsion, der eine juckende Hautläsion ähnlich einem Insektenstich voraus geht. Innerhalb von 2 bis 3 Tagen wird das Zentrum der Läsion freigelegt und sein Umfang vergrößert sich. Der Juckreiz endet zu diesem Zeitpunkt. Die Läsion heilt mit einem dünnen, atrophischen Zentrum und deutlich geröteten Rändern. In einer frühen Veröffentli- chung, zwei von neun Patienten erlitten wiederkehrende Blasen in ihren chronisch, ödematösen Beinen [170]. Ultrastrukturelle Auswertung von Biopsiematerial einer blasenförmigen Schädigung bei einem Patienten ergab
einer Anomalie in der Basalmembran und den Ankerfibrillen. In einigen Bereichen besaß die Basalmembran keine Ankerfibrillen mehr und Segmente der Basalmembran zeigten eine verringerte Elektronendichte und fokale Unterbrechungen. Zwei Patienten zeigten Schädigungen ähnlich wie pigmentierte Purpura. Diese Patienten hatten eine akut auftretende, deutliche Rötung in ihrem chronisch, ödematösen Bein. Die Biopsie ergab von Lymphozyten und Histiozyten umgebene Blutgefäße und extravasierte Erythrozyten, die der Schamberg- Krankheit ähnelten [171]. Nach etwa zwei Jahren wurde die Haut der betroffenen Extremität atrophisch, glatt und oft trocken. Sprödigkeit, Rillenbildung und Verdünnung der Nägel erfolgten gleichzeitig. Warzige Verände- rungen wurden häufig bei Patienten mit venösen Stauungen gesehen und traten zusätzlich zu Cellulitis und Ge- schwüren auf. Bei einem Teil dieser Patienten lösten sich große Bereiche der Haut. Patienten mit Blasen und dem Nachweis der Störung der kollagenen Ankerfibrillen hatten eine normale dermoepidermale Immunfluores- zenz. Die blasenförmigen Veränderungen bei diesen Patienten ähneln denen von diabetischen Patienten mit Neuropathie [172-174]. Es erfolgten umfangreiche pathologische Untersuchungen amputierter Gliedmaßen von 8 CRPS-Patienten. Es zeigten sich eine massive Muskelatrophie und stark verdickte Kapillaren sowie – in der ultrastrukturelle Untersu- chung – eine Degeneration der der C-Fasern [149]. Zwei weitere anatomische Studien von der Haut von CRPS-I amputierten Gliedmaßen zeigten den Verlust der endothelialen Integrität, eine Blutgefäß-Hypertrophie und eine reduzierte Innervierung der epidermalen Schweißdrüsen sowie der kleinen Gefäßnerven. Veränderte Neuropep- tidprofile wurden festgestellt in überlebenden kleinen nozizeptiven Faserafferenzen, die Haarfollikel, oberflächli- che Arteriolen und Schweißdrüsen versorgen [175, 176]. Allerdings hat eine aktuelle Studie mit deutlich weniger schwer betroffenen Patienten Veränderungen der Innervation der kleinen Hautnerven nur bei 20% der CRPS-I- Patienten gefunden. Weder Symptome, noch Befunde, noch das Krankheitsstadium konnten die epidermale Ner- vendichte vorhersehen [177, 178]. In dieser Studie zeigte sich keine einheitliche Reduktion der Nervenfasern- dichte in den Schweißdrüsen. Eine abnormale hohe Dichte kleiner Nervenfasern für die Innervierung der Haarfol- likel wurde auch bei CRPS-I-Patienten beschrieben [175]. Trophische Effekte wurden bei CRPS-I in Haut-, Muskel-, Knochen-(Sudecks Atrophie) und Gelenken festge- stellt. Die Atrophie von Haut und Unterhaut ist besonders auffällig an den Interphalangelagelenken der Hand, am Fußrücken und am Unterschenkel in Verbindung mit kräftigen Ödemen. Die Nägel sind verdickt, zerfurcht, wach- sen zu schnell und gespalten. Früh im Verlauf der Krankheit, häufig bei sympathisch unterhaltendem [Schmerz], wird das Haar dicker, lockiger und wächst schneller. Bei fortschreitender Krankheit verliert sich dies [114]. Die experimentelle Axotomie von Hautnerven verringerte die Keratinozyten-Mitose und führte zu Hautverdünnung und Haarausfall [179, 180]. Die distalen Extremitäten und insbesondere die Fingerspitzen sind entscheidend von der Thermoregulation durch arteriovenöse Shunts betroffen [2]. Die sympathische Innervation dieser Arteriolen verengt normaler- weise tonisch ihre glatten Muskeln, was den arteriovenösen Shunt verschließt (AVS). Während des Fortschrei- tens des CRPS-I gibt es möglicher Weise eine Degeneration der Nervenversorgung der Blutgefäße (kleine Fa- sern), die es dem Blut ermöglich, die Kapillare zu umgehen, was in einer Hypoxie des durchblutenden Gewebes (Verlust der Haut, Bindegewebe und Muskulatur) resultiert. Dieser Mechanismus wurde vorgeschlagen als Ursa- che für die muskuläre Atrophie von CRPS-Patienten [2, 142]. Schwitzanomalien werden bei etwa 30% der Patienten beobachtet. In einer großen Studie CRPS-I-Patienten hatten 22% im Ruhezustand eine erhöhte Schweißproduktion, 7% eine verringerte, und bei 71% war es normal [181]. Den Patienten sind Schwitzanomalien oft nicht bewusst, die mit emotionalen Zustand und Umweltreizen schwanken. Denervierte Schweißdrüsen, die nicht auf neurologische Reize reagieren, können mit zirkulierendem Noradrenalin antworten, obwohl ihr gewöhnlicher Ligand Acetylcholin ist [117]. Das Gardner-Diamond-Syndrom ist häufig bei CRPS-Patienten. Die Patienten erleiden spontane Blutergüs- se, die häufig erst Monate nach dem initialen Trauma auftreten [182 ]. Die Blutergüsse treten in Bereichen auf, die nicht verletzt wurden. Der vorgeschlagene Mechanismus ist eine Autoimmunreaktion gegen ein Bestandteil der Erythrozyten des Patienten. Die Gerinnungsparameter sind normal und die Hautbiopsie zeigt unspezifische Veränderungen. Mögliche Antigene, die diese Autoimmunreaktion her- vorzurufen werden vermutlich Phosphatidylserine sein - ein Phosphoglycerid der roten Blutkörperchen - Zell- membran [183-185]. Gelegentlich ist tiefes Muskelgewebe der Ort für die Erythrozyten-Extravasation. Wie bereits erwähnt, die Entzündungsreaktion kann zu einem neurogenen Ödem führen, dies könnte ein Mechanismus für die Extravasation der roten Blutkörperchen bei CRPS sein [186, 187]. 11. Urologisches-System Urologische Symptome und Zeichen wurden bei etwa 25% der CRPS-Patienten gesehen [1]. Bei einer Studie mit 20 Patienten, die in Folge von CRPS zu einem akademischen Urologie-Service überwiesen wurden, waren die wichtigsten Beschwerden vermehrte Frequenz, Harndrang oder Harninkontinenz. Das mittlere Alter der Pati- enten betrug 43 +10 Jahre und die Dauer der urologischen Symptome lag bei etwa 5 Jahren [188]. Kein Patient hatte vor dem Beginn des CRPS Blasenentleerungsproblemen. Die endoskopische Beurteilung dieser Patienten war ebenso normal wie die Zytologie. Per Nierenultraschall des oberen Trakts wurden Pathologie wie Harnstau- ungsniere, Nierensteinleiden oder Tumor ausgeschlossen. Eine Detrusorhyperreflexie wurde bei 8 Patienten, eine Detrusorareflexie bei 8 und sensorisch bedingter Harndrang bei 3 gefunden. Detrusorhyperreflexie mit Dyssynergie des äußeren Schließmuskels wurde bei 1 Patienten dokumentiert. 4 der Patienten (Frauen) hat- ten eine Stressinkontinenz. Das mittlere zystometrische Fassungsvermögen der Blase betrug 417 ± 182 ml. Ein Jahr nach transurethraler Entfernung der Prostata wurde ein komplexes regionales Schmerzsyndrom diag- nostiziert [189]. Beckenboden und Dammschmerzen treten ebenfalls bei CRPS-Patienten auf, besonders dann, wenn beide untere Extremitäten betroffen sind [114, 190].
12. Magen-Darm-Trakt In der prospektiven Studie von 270 Patienten, die vor der Ketamin-Infusion [1] untersucht wurden, wurde Ver- stopfung am häufigsten (113 Patienten, 41%) beklagt. Häufige andere Symptome waren Übelkeit (63 Patienten, 23,3%), Erbrechen (31 Patienten, 11,5%) und Beschwerden über intermittierenden Durchfall (18,5%) und über Verdauungsstörungen (18,5%). Das Reizdarm-Syndrom wurde bei 46 Patienten (17%) nach Beginn des CRPS diagnostiziert. Schluckstörungen wurden häufig festgestellt (47 Patienten, 17,4%) und wurden gründlich bei über 20 Patien- ten untersucht. Patienten beschreiben es als ein typisches Gefühl, das Nahrung in ihrer Kehle steckenbleibt. Alle Patienten wurden durch einen HNO- und Schluckspezialist untersucht. Sie unterzogen sich einer umfassenden Untersuchung von Kopf und Hals inklusive einer faseroptischen Nasopharyngoskopie. Die Schluckfunktion der Patienten wurde mit Wasser, eingedicktem Saft (Nektar, Honig) und Feststoff (Hüttenkäse) überprüft. Die bewerteten Schluckparameter waren: (1) Bolus, (2) Aufnahme, (3) Verzögerung, (4) Rest (5) Ausscheidung, (6) Spasmus, (7) GERD. Alle Patienten hatten Schwierigkeiten mit der Bolusbildung und der Regulierung. Sie waren langsam beim Einleiten des Schluckvorganges und hatten eine erhebliche Verzögerung mit dem Nahrungsbrei, der sich an der Valleculae über einen längeren Zeitraum sammelte. Schluckstörungen zeigten sich durch eine schlechten Weitertransport aus dem unteren Rachenbereich mit häufigem, unfreiwilligem Schlucken. Eine Kehl- kopfpenetration und eine Aspiration traten nicht auf. Die von diesen Patienten erfahrene Schluckstörung scheint multifaktoriell zu sein. Die Unfähigkeit, die Bewegung der Rachenmuskulatur zu starten, führt zu einer schlech- ten Nahrungsbreibildung mit nachfolgender Segmentierung. Patienten scheinen auch eine verminderte Empfin- dung des Nahrungsbreis zu haben, was zu einer Sammlung dessen in der Vallecula, einem verzögerten Schlu- cken und erheblicher Restbildung im Sinus piriformis und einem Transport im Rachen führt. Die GERD ist in der CRPS Population weit verbreitet (73%). Wie bereits erwähnt, werden viele Arten von Stress bei diesen Pati- enten festgestellt [191] und mehrere Medikamente können zu GERD speziell und Schluckbeschwerden im All- gemeinen beitragen. Gastroparese ist ein großes Problem bei fast allen langjährigen Patienten, die mehr als 5 Jahre an CRPS lei- den. In der Regel betrifft die Krankheit dieser Patienten mehrere Gliedmaßnahmen, die unteren Extremitäten sind in einem größeren Ausmaß betroffen als die oberen und gleichzeitig liegen urologische Beschwerden vor. Die häufigste Beschwerde sind ein frühes Sättigungsgefühl und Blähungen. Schwere Verstopfung, Durchfall und Reizdarmsymptomatik präsentieren sich bei 90% dieser Patienten. Die Schmerzbeteiligung von CRPS auf der rechten Seite wird häufig fälschlich als Gallenblasenkrankheit gedeutet und führt zur Operation [13]. Obwohl der Schmerz von der Achselhöhle ausgeht und zur vorderen und seitlichen Brustwand (Gallenblaseregion) strahlt, kann er auch an der Spitze des Schulterblattes zu spüren sein. Seine beunruhigendste Eigenschaft ist vielleicht der Schmerz in der Magengegend. Dies wird häufig als GERD diagnostiziert. Etwa 5% unserer Patienten, deren Gallenblase entfernt wurde, litten an Schmerzen, die durch den ICB Nerv auf der rechten Seite verursacht wur- den. Beim zentralen Sensibilisierungssyndrom (CSS), eine pathophysiologische Komponente des CRPS, spielen das Reizdarmsyndrom (IBS) und funktionelle Verdauungsstörungen vermutlich eine wichtige Rolle [192]. Ein eng verwandtes Syndrom, die Fibromyalgie (FB), wird mit dem metabolischen Syndrom bei Frauen in Verbindung gebracht [193]. Die FB ist auch mit funktionellen Darmstörungen und dem Syndrom des zyklischen Erbrechens (CVS) verbunden [194]. In einer Studie mit 18 erwachsenen Patienten mit CVS, wurde gezeigt, dass die stärks- ten Verbindungen zur FB und CRPS bestanden [195]. Eine aktuelle Studie identifizierte 8 Kinder in sieben Fami- lien, die an CRPS-I und zusätzlich an Motilitätsstörungen am Magen-Darm-Trakt (GI) und an zyklischem Erbre- chen litten. Auf alle 7 Kinder trafen die in Nijmegen (2002) diagnostischen Kriterien für mitochondriale Erkran- kungen zu und 6 der 7 Probanden hatten es wahrscheinlich mütterlicherseits geerbt [150]. GI-Erkrankungen sind häufig bei CRPS und detaillierte physiologische Studien sind im Gange. Es häufen sich Hinweise darauf, dass dünne markhaltige A-δ und nicht markhaltige C-Fasern bei den somatischen Symptomen des CRPS beteiligt sind [2]. Diese können auch innere Organe wie den Magen-Darm-Trakt involvieren. Es gibt Hinweise, dass die Gast- roparese eine Komponente der klinischen Erscheinungsform ist mit frühem Sättigungsgefühl, Blähungen, Übel- keit und Erbrechen, wie von etwa 5% der Patienten berichtet [1]. Nozizeptive C und A-δ Axone innervieren Blut- gefäße und ihre neuroeffektorischen Sekrete können Immunzellen in die Darmwand drängen. Die so rekrutierten Lymphozyten, Monozyten und Mastzellen können einen neuroimmunen Zyklus von Entzündungen und vasoge- nen Ödemen der Darmwand ähnlich somatischen Beeinträchtigungen auslösen [2]. Die Beteiligung dünner Ner- venfasern und die daraus resultierende Gastroparese sind bei Diabetikern dokumentiert, die eine Small-Fiber- Neuropathie haben [196]. Es hat sich gezeigt, dass auch zirkulierende, systemische entzündliche Zytokine Dar- mödeme bewirken [197]. 13. Fazit Fast alle Organsysteme sind im Laufe des CRPS beteiligt. Bedeutende Fortschritte im Verständnis der Schmerzmechanismen sind erreicht worden [187, 198], aber wenig ist bekannt über seine pleiotropen Einflüsse auf die inneren Organe, die häufig sehr verwirrend für diejenigen sind, die diese Patienten versorgen. 14. Danksagungen Der Autor möchte sich für die jahrelange Unterstützung der Forschung zum Studium des komplexen regiona- len Schmerzsyndroms bei der Tilly Family Foundation und für das Studium von neuropathischen Schmerzen bei der Emily Sunstein Stiftung bedanken.
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