Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020

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Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Tabak- und Alkoholkonsum aus
        Perspektive der

Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020

Prof. Dr. Christian Meyer

Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin
Institut für Community Medicine
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Überblick

 Verbreitung

 Risiken und Folgen

 Behandlungsansätze
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
kahoot.it
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Deutschland: 2019 Tabakwaren je Einwohner

900 Zigaretten

          +

32 Zigarren/Zigarillos

          +

290g Feinschnitt

          +

51g Pfeifentabak
                                                    4
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Deutschland: 2018 Alkoholische Getränke je Einwohner

102 Liter Bier

          +

20,5 Liter Wein

          +

3,4 Liter Sekt

           +

5,4 Liter Spirituosen
                                                  5
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
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Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Zigaretten pro Kopf der Bevölkerung > 15 Jahre
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Tabak und Alkohol:
Folgen des Konsums
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
Was ist riskant?
Tabak- und Alkoholkonsum aus Perspektive der - Ringvorlesung Community Medicine 22.11.2020
British Doctors Study

                   Sir Richard Doll,* 1912 † 2005

             • Ärzteregister UK 1951 Befragung
               zum Rauchverhalten (N=40.564)
             • Erfassung von n=789 Todesfällen im
               Jahr 1954
             • Zusammenhang Lungenkrebs und
               Herzinfarkt mit Rauchverhalten
             • Regelmäßige Nachbefragungen
               über 50 Jahre
British Doctors Study
Welche Form des Tabakkonsums ist gesundheitsschädlich?

          5000
                 Jährliche Gesamtmortalität pro 100000 Personen
                 (standardisiert für Alter und Geburtskohorte)
          4000

          3000

          2000

          1000

            0
                 Niemals-    Ehemalige   1-14       15-24      >=25
                 raucher      Raucher  Zigaretten Zigaretten Zigaretten
                                        pro Tag    pro Tag    pro Tag

Es gibt keine Schwellenwerte für schädlichen Konsum. Jede Quantität und
Qualität ist mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden!         11
Welcher Art des Alkoholkonsums ist riskant?
Berechnung Reinalkohol in Fertiggetränk

Bier 4,8 Vol.%
Wein/Sekt 11,0 Vol. %
Spirituosen 33 Vol. %

Spezifisches Gewicht von Alkohol = 0,79 kg/l

1 Liter Bier ≈ 40g ,
1 Liter Wein/Sekt ≈ 90g,
1 Liter Spirituosen ≈ 260g,
                                               13
Ein alkoholisches Getränk?
Standard Drink

0,25 l Bier    0,125 l Wein / Sekt   0,04 l Spirituosen

≈> je 10g Reinalkohol
Quantifizierung von Alkoholkonsum im Individuum:
              Mengen-Frequenz-Index
Frequenz
An wievielen Tagen tranken Sie im letzten Jahr
(Monat/Woche/Werktag/Wochende) Alkohol?

Beispiel: An etwa 3 bis 4 Tagen pro Woche

Menge
Wie viel Alkohol/Bier/Wein trinken Sie üblicherweise an einem Tag an
dem Sie trinken?

Beispiel: Drei kleine Bier und drei doppelte Korn

Mengen-Frequenz-Index
Produkt aus Menge und Frequenz in g Reinalkohol pro Tag

Beispiel: 66g * 0,5 / Tag = 33g pro Tag
                                                                       16
Riskanter Konsum
Wieviel Alkohol ist schädlich?

Beispiel: Koronare Herzerkrankungen und Alkoholkonsum

Quelle: Corrao et al., Addiction 2000                   17
Bisherige Empfehlungen für risikoarmen
     Alkoholkonsum in Deutschland (DHS)

Nicht mehr als 7 (Frauen) / 14 (Männer) kleine
alkoholische Getränke pro Woche
&
Nicht mehr als 3 (Frauen) / 4 (Männer) kleine
alkoholische Getränke zu einer Gelegenheit
&
Kein Alkohol => unter 18 Jahren, bei
Schwangerschaft, Medikamenteneinnahme,
Grunderkrankungen und in gefährlichen
Situationen
The Lancet Wood et al. 2018:
The Lancet Wood et al. 2018
Betroffene in der Bevölkerung

Deutsche Bevölkerung 18-64 Jahre (51 Mio.):

• 14,6 Mio. Tabakraucher

• ca. 44,2 Mio. Alkoholkonsumenten
      davon 7,8 Mio. „riskanter“ Alkoholkonsum

Papst et al. 2013 / Gomes de Matos et al. 2015
Synergistischer Effekt von
                Tabak und Alkohol

  Relatives Risiko für Mundhöhlenkarzinome

Rothmann & Keller 1972
Todesfälle durch Alkohol und Tabak

   Todesfälle in Deutschland (gesamt 860.389):

   allein Tabakbedingt                     94.131
   allein Alkoholbedingt                   19.527
   durch kombinierten Tabak und Alkohol    54.190
   Gesamt Alkohol & Tabak                 167.845

John & Hanke 2002
Ansätze der Community Medicine zur
Verringerung der Schäden durch
Tabak- und Alkoholkonsum
Lösungsstrategien

Population strategy vs. high risk strategy

                The Prevention Paradox: “A measure that
                brings large benefits to the community offers
                littlen to each participating individual."
Beispiel 1: Hochrisikostrategie
     Alkoholentwöhnung
„Klassische“ Suchtkrankenhilfe bei
         Alkoholabhängigkeit

             Längerfristig erhöhter Alkoholkonsum

             Ausbildung einer Alkoholabhängigkeit

       Körperliche, psychische und soziale Folgeprobleme

            Entgiftung (1-2 Wochen meist stationär)

Entwöhnungsbehandlung (meist stationär im Mittel ca. 3 Monate)

   Dauerhafte Abstinenz, kontrolliertes Trinken oder Rückfall
Entwöhnungsbehandlung aus der
             Bevölkerungsperspektive

Studie:

Therapieteilnahme und Exzess-Mortalität bei
Alkoholabhängigen nach 14 Jahren in einer
Zufallsstichprobe der Allgemeinbevölkerung

John et al. in 2013
Methoden

• Stadt Lübeck und 46
  umliegende Gemeinden
                                                Kreis Ostholstein
                                                                          Ostsee

• 325.107 Einwohner
                           Kreis Segeberg

• Zufallsstichprobe                               Lübeck
Einwohnermeldeämter                                           Kreis Nordwestmecklenburg

                            Kreis Stormarn
• 18-64 Jahre
                           Hamburg
                                               Kreis Herzogtum-
• 4075 Teilnehmer                              Lauenburg

• Teilnahmerate 70%                                                          20 km
                                Lübeck Stadt             Einzugsgebiet Lübecks

Meyer et al., 2000, 2001
Methoden
Fälle
153 Personen mit Alkoholabhängigkeit

Vitalstatus
Einwohnermeldeamtsanfrage 14 Jahre später
28 Verstorben
Ergebnisse
                    149 Alkoholabhängige

Versterberate im Vergleich zur altersentsprechenden
Bevölkerung Deutschlands

          Frauen                  4,6-fach erhöht
          Männer                  1,9-fach erhöht

John et al., 2013
Inanspruchnahme von
                Entwöhnungsbehandlungen

N = 153 Alkoholabhängige Teilnehmer einer
epidemiologischen Studie aus Norddeutschland

Rumpf et al., 2000
Sterberisiko 149 Alkoholabhängige
5

                                                       3.85
4

3

2

                      1                                                                  0.83
1

0
          Keine Behandlung                     nur Entgiftung             Entwöhnungsbehandlung

    Adjustiert für Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Tabakkonsum, Schwere der Alkoholabhängigkeit
Fazit Alkoholentwöhnung

 Entwöhnungsbehandlung erreicht nur einen kleinen Teil
  schwer betroffener Menschen

 Teilnahme an Entwöhnungsbehandlung schützt nicht vor
  vorzeitigem versterben
Beispiel 2: Populationsbezogene Strategie

  Raucherberatung durch den Hausarzt
Stichprobe

                    M-V
                              -

       Hamburg
                                     Zufallsstichprobe Praxen   n = 39
                           Berlin    Teilnehmende Praxen        n = 34 (87%)

                                     Arztkonsultationen         n = 11.558
Köln
                                     Rauchende Patienten        n = 2.016
   Frankfurt                         Studienteilnehmer          n = 1.653 (82%)

                 München
Studiendesign
  Konsekutive
   Patienten

                                    Paper-pencil in                  Telefonisch
                                    der Praxis                       nach 6, 12, 18,
  Screening                                                          24 Monaten

                  Kontrollgruppe      Baseline                       Outcome
                                      Erhebung                       Erhebung

                 Rückmeldebrief       Baseline                       Outcome
Randomisierung                                        Intervention
                 Expertensystem       Erhebung                       Erhebung

                 Stadienbezogener
                                      Baseline                       Outcome
                 ärztlicher                           Intervention
                                      Erhebung                       Erhebung
                 Ratschlag
Assessment
Intervention I

       Input                        Computer               Output
Fragebogendaten                                           Individualisierte
                                   Daten         Text-
                                                          Rückmeldebriefe
                                  analyse       module
- Rauchverhalten                                                  &
                                                         Selbsthilfemanuale
- Psychologische Variablen
                               Entscheidungs-
                                   regeln

                              Normative Ipsative
                              Datenbasis Datenbasis
Intervention II: Ärztliche Kurzberatung
7 Tage Tabakabstinenz

                                                      Epertensystem

                                                          Arztberatung

                                                          Kontrolle

      +6 Monate      +12 Monate   +18 Monate +24 Monate

Meyer et al. 2008 Addiction
Übertragbarkeit auf die Zahnarztpraxis

Befragung von Greifswalder Zahnärzten (n= 39):
   • 46% erfragen bei jeder Erstvorstellung Rauchstatus
   • 57% bieten nie eine Rauchberatung
Bereitschaft zur Teilnahme an einer computergestützten Raucherberatung:
Sie sollten jetzt wissen

 … das Tabak- und Alkoholkonsum nach wie vor extrem verbreitet
  sind und die Lebenserwartung in der Bevölkerung massiv
  reduzieren
 … wie man den individuellen Alkoholkonsums bestimmt
 … was man unter dem synergistischen Effekt von Alkohol- und
  Tabakkonsum versteht
 … was man unter dem Präventionsparadoxon versteht
 … was eine hochrisiko- und populationsbezogener Strategie in der
  Prävention bedeutet
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