Terra Preta / Pyrolysekohle - BUND-Einschätzung ihrer Umweltrelevanz - April 2015
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Vorbemerkungen Seit einiger Zeit wird unter dem Stichwort Terra Wir begrüßen es sehr, dass durch die Diskussion um Preta eine Bodenkultur sowohl auf wissenschaftli- Terra Preta dem Boden wieder mehr Aufmerksamkeit cher (z.B. Schulz und Glaser 2012) als auch auf po- geschenkt wird, zumal diese Idee oft verbunden wird pulär-verallgemeinender Ebene (z.B. Scheub et al. mit der Schließung regionaler Stoffkreisläufe und der 2013) untersucht und diskutiert. Die Idee dieser Bo- Schonung begrenzter Ressourcen z.B. von denkultur geht zurück auf Böden des Amazonasge- Mineraldüngern oder Torf (im Gartenbau). Obwohl bietes, die wegen ihres großen Gehalts an Humus dieses Konzept dadurch schon selbst einen und an Pflanzenkohle tiefgründig schwarz gefärbt weitreichenden und fachübergreifenden Anspruch sind (deswegen „Terra preta“) und eine hohe Boden- hat, sehen wir noch weiteren hohen Bedarf an der fruchtbarkeit aufweisen; dem Gehalt an biogener Klärung wichtiger hiermit zusammenhängender Kohle wird eine Schlüsselrolle in diesem Bodentypus Umweltaspekte; diese werden im Folgenden zugesprochen (Glaser und Birk 2012). Bei aller Ver- dargestellt. Dabei geht es einerseits um eine schiedenheit der Ansätze und Konzepte im Aufgrei- umweltpolitische Einschätzung und Bewertung fen dieser Ideen ist aber die Zufuhr von Pyrolysekoh- verschiedener Aspekte dieses Verfahrens, 1 le für alle eine zentrale Komponente. andererseits auch um die Darstellung seiner Hintergründe und Möglichkeiten, die auch in einigen Im Kontext der „neuen Gartenbewegung“ erfährt die BUND-Kreisgruppen diskutiert und ausprobiert Idee, die Humusgehalte durch die Zugabe von werden. Pyrolysekohle zu erhöhen, dadurch die Ertragsfähigkeit zu steigern und auch noch Nicht eingegangen wird hier auf den Einsatz von klimawirksam Kohlenstoff dem Kreislauf zu Pyrolysekohle in der Tiermedizin und bei der entziehen, auch in der Presse großen Zuspruch (z.B. Altlastensanierung (Schmidt et al. 2012), da dies eine Ernsting 2009, Grefe 2011, Emmerich 2014). grundsätzlich andere Bewertungsgrundlage voraussetzt. Auch weitere, in Entwicklung Vor allem im internationalen Rahmen wird der befindliche Einsatzgebiete (Schmidt 2012) werden Einsatz von Pyrolysekohle auch in der hier nicht behandelt. konventionellen Landwirtschaft diskutiert und auch stark der Aspekt der C-Sequestrierung und seine Folgende Aspekte sollen beleuchtet werden: mögliche Berücksichtigung im Emissionshandel 1. Gibt es überhaupt einen Bedarf für die Zufuhr betont (z.B. Lehmann 2007, Sparkes und Stoutjesdijk von Pflanzenkohle in den Boden? 2011, Ippolito et al. 2012, NSW Trade and Investment 2012, World Bank 2014). 2. Lassen sich die Umweltrisiken bei der Herstellung der Pflanzenkohle vermeiden? 1 Wir verwenden den Begriff Pyrolysekohle, da für die hier 3. Droht mit Pflanzenkohle auch eine Zufuhr von diskutierten Effekte Kohlen aus Pyrolyse, d.h. bei Temperaturen Schadstoffen in die Böden? über 400oC und unter Sauerstofflimitierung gewonnen werden; sie weisen (nach EBC 2012) einen C-Gehalt >50 % und ein 4. Gibt es genügend Biomasse für die Herstellung Verhältnis H/O org. < 0,7 auf. „Hydrothermale Kohle“ (HTC), die bei der Pflanzenkohle? niedriger Temperatur und unter Druck bei Wasserzufuhr erzeugt wird, ist wegen ihrer geringeren Stabilität in unserem Kontext 5. Wie sieht die CO2-Bilanz des ganzen nicht so relevant. Der in der Literatur auch übliche Begriff Verfahrens im Vergleich mit alternativen „Biochar“ oder „Biokohle“ wird hier nicht verwendet um keine Nutzungen der Rohstoffe? Assoziation mit dem Bio-Siegel hervorzurufen. 2 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
Hintergrund dieser Bewertung sind die folgenden grundsätzlichen Sichtweisen des BUND hinsichtlich 1. Gibt es überhaupt des Schutzes des Bodens und des Klimas und auch in einen Bedarf für die seinem Schwerpunkt Biodiversität. Dabei bauen wir auf grundsätzliche Untersuchungen Zufuhr von Pflanzen- und Bewertungen zur Ressourcennutzung und zur kohle in den Boden? Zerstörung von Lebensraum – wie sie insbesondere benannt wurden Begründet wird der Einsatz der Terra-Preta-Technik mit der Notwendigkeit der Verbesserung degradierter • in „Die Grenzen des Wachstums“, Club of Rome Böden, der Vermeidung von Nährstoffverlusten, der 1972; Verringerung der Entwicklung klimawirksamer Gase • im Übereinkommen über die Biologische Vielfalt und der Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit (Ippolito et (CBD), Rio 1992; al. 2012, Glaser et al. 2014). • in darauf folgenden Vertragsstaatenkonferenzen; Ausgangspunkt unserer Bewertung ist der häufig • auf dem „Weltgipfel für nachhaltige durch Humusmangel und geringe biologische Aktivi- Entwicklung“, „Rio+10“ 2002; tät geprägte Zustand der landwirtschaftlich intensiv • im UN-Beschluss (2010): 2011 bis 2020 = UN- genutzten Böden in Deutschland, wie er auch zur Dekade der Biodiversität. Begründung der Terra-Preta-Technik gesehen wird 2 Im Rahmen des BUND-Schwerpunkts „Biodiversität“ (Fischer und Glaser 2012 ). Dieser Humusmangel umfasst der Themenkomplex „Schutz der biologi- führt zu Verdichtung, verminderter Wasseraufnah- schen Vielfalt durch naturverträgliche Nutzung“ me-, Speicher- und Filterfähigkeit der Böden und so auch die Betrachtung des Bodens als Lebensraum, als zu Überschwemmungen und Erosion sowie zu Ern- wichtigen Träger der Biodiversität und seine Verbin- tedepressionen aufgrund von Wassermangel. Um dung zum Klimawandel. Die landwirtschaftliche Bo- diesen Prozess – gerade im Hinblick auf Extremwet- denfruchtbarkeit muss somit als Teil nachhaltiger terereignisse aufgrund des Klimawandels – erfolg- Landnutzung gesehen werden, das nur auf System- reich zu begegnen, müssen aktiv Maßnahmen zur ebene optimiert werden kann. Maximierung einzel- Förderung des Bodenlebens und der Bodenstruktur ner Teile wie der Ertrag, z.B. durch Monokulturen angewendet werden (Beste 2008). Dies stimmt auch sowie End-of-Pipe-Technologien sind somit ausge- im internationalen Rahmen (Weltagrarbericht 2013). schlossen. Besondere Chancen liegen in der Multi- Eine Bewertung muss vor dem oben genannten Hin- funktionalität durch Integration von Landnutzungs- tergrund erfolgen, denn die mit dem Terra-Preta- systemen – Garten, Acker, Weide, Wald und als ver- Einsatz beabsichtigte Erhöhung des Humusgehaltes bindendes Landschaftselement: Multifunktions- kann auch mittels Mist- und Komposteinsatz, inten- Hecken. Die Umsetzung erfordert häufig auch stand- siviertem Zwischenfruchtanbau und über aus (Freyer ortspezifische und grundsätzlich regionale und de- 2003) gewogene Fruchtfolgen (Humusmehrer im zentrale Ansätze. Das schließt die Organisation von Wechsel mit Humuszehrern) erreicht werden. Dies ist Stoffströmen vor Ort und die Limitierung von Trans- portwegen ein; so sieht das EBC-(2012) Transport- 2 wege von maximal 80 km für die Rohstoffe der Pyro- Dazu kommt als Ziel, den Einsatz von Torf im Gartenbau bis hin zum völligen Verzicht zu reduzieren und durch Alternativen wie lyse vor. z.B. Terra-preta Substrate zu ersetzen. BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle 3
einer der Kernpunkte des Ökolandbaus, wird aber in Vergleich mit dem alleinigen Einsatz von Kompost / der intensiven Land-wirtschaft stark vernachlässigt. Mist vorweisen zu können. Diese Herausforderung Dabei ist die folgende Frage vergleichend zwischen wurde auch von Fischer und Glaser (2012) als rele- den Systemen zu beantworten: Kann Terra-Preta- vanter Faktor der Beurteilung des Effekts des Kohle- Technik die gleichen oder bessere Effekte für die Bo- zusatzes benannt. denqualität leisten wie Mist und/oder Kompostwirt- Die Pyrolysekohle wird nach jetzigem Stand nicht schaft und ausgewogene Fruchtfolgen? Oder birgt sie direkt und allein in den Boden eingebracht sondern die Gefahr, dass mittels Zugabe von Biokohle syste- nur nach verschiedenen Vorbehandlungen bzw. in mische Fehler weiter aufrechterhalten werden kön- Verbindung mit Kompost oder anderen nährstoffrei- nen? Diese Gefahr besteht z.B. darin, dass die Nach- chen Materialien (Schmidt 2011a, Fischer und Glaser teile der Gülleausbringung aus den von uns abge- 2012), da nur dann positive Effekte erzielt werden lehnten Tierhaltungen auf Spaltböden durch die Zu- können. Dies reduziert die Fragestellung eigentlich gabe von Pyrolysekohle vermindert werden (Schim- auf die Frage, ob bei Kompost / Mistzugabe zum melpfennig et al. 2014), wobei zusätzlicher Bio- Boden die zusätzliche Zufuhr von Pyrolysekohle tat- masseanbau benötigt wird und die Tierschutzprob- sächlich einen positiven Effekt hat. leme überhaupt nicht geändert werden. Folglich sollte der Zusatz von Pyrolysekohle immer Die u.a. von Beste (2005) beschriebenen positiven vergleichend mit reinen Mist- bzw. Kompostgaben Effekte von Mist- und/oder Komposteinsatz bzw. von untersucht werden. Die meisten Studien (vgl. Sohi et ausgewogenen Fruchtfolgen 3 müssten von der Ter- al. 2009) beschreiben zwar ausführlich, aber eben ra-Preta-Technik in gleichem Maße bei geringerem nicht vergleichend mit konventioneller Mist- / Kom- Ressourceneinsatz oder in höherem Maße wegen des postwirtschaft die Eigenschaften der Terra-Preta- durch die Pyrolyse bedingten höheren Energieeinsatz Technik. Qayyum et al. (2012) testeten so verglei- erzielt werden, um eine relative Vorzüglichkeit im chend die Stabilität des Humus und finden eine 3 deutliche Abhängigkeit dieser Stabilität vom Boden- Effekte, die mittels Mist- und/oder Komposteinsatz bzw. durch ausgewogene Fruchtfolgen zu erzielen sind: typ. Schulz et al. (2014) finden bei Gaben von ent- • Anstieg der biologischen Aktivität der Bodenorganismen (ein sprechend 3 t Pyrolysekohle pro ha keinen Unter- Teil der folgenden Effekte ist unmittelbar an diese schied im Pflanzenwuchs gegenüber den reinen Aktivitätserhöhung gebunden), • Zunahme der Aggregatstabilität, Verbesserung der Kompostvarianten. Bodenstruktur, • Zunahme des Porenvolumens bei gleichzeitiger Verbesserung Die Ursachen der bodenverbessernden Eigenschaft ist der Wasserhalte- und Filterkapazitäten, nicht richtig geklärt und wird oft darauf zurückge- • Anstieg des Humusgehalts, • Verringerung der Erosionsanfälligkeit, Hochwasserschutz, führt, dass die Kohlepartikel eine sehr große und • Temperatur ausgleichend, pH-ausgleichend, bindungsaktive Oberfläche aufweisen und so Humus • Erhöhung der Nährstoffaustauschkapazität, und Nährstoffe besonders gut binden können (Sohi • Steigerung der Mykorrhizierung und damit Verbesserung der Nährstoffversorgung, et al. 2009, Verheijen et al. 2009). Deswegen ist der • Stärkung der biologischen Kontrollmechanismen von ertragssteigernde Effekt der Pyrolysekohle in leichten Krankheitserregern (fungizide Wirkung etc.) und somit verminderte Notwendigkeit für den Einsatz von Pestiziden, Böden, die ansonsten über geringe Austauschkapazi- • Erhöhung der Erträge bis zu 30% (Komposteinsatz), tät verfügen besonders erkennbar. Ist die Ertragsstei- • Zunahme der Geschmacksqualität, gerung tatsächlich auf die veränderte Bodenstruktur • Geringerer Nitratgehalt und höherer Gehalt an wertgebenden Inhaltstoffen, verbesserte Lagerfähigkeit. zurückzuführen und nicht auf Nährstoffeffekte der 4 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
Nährstoffe aus der begleitenden Asche, so muss die- bildung (N2O) durch den Kohlezusatz interessant ser Effekt langfristig wirken. (Cayuela et al. 2013, Kamman et al. 2012) da hier sowohl die Emission eines potenten Klimagases re- Hierzu liegen eine Reihe von Topf- und auch von duziert wird als auch die N-Versorgung der Kultur- Feldversuchen vor, die teilweise Ertragssteigerungen, pflanzen verbessert werden kann. teilweise jedoch auch keine dokumentieren; deren Ergebnisse können in diesem Rahmen nicht umfas- send ausgewertet und bewertet werden. Deutlich erkennbar sind jedoch drei wichtige Schlüsse: 2. Lassen sich die Um- 1. Das Bild der Effekte von Terra Preta wird in weltrisiken bei der Her- Deutschland durch die Erfolge vor allem zweier Be- triebe geprägt (Sonnenerde / Österreich und Delinat / stellung der Pflanzen- Schweiz), die deutliche, im Bild darstellbare Produk- tionssteigerungen erzielten. Geht man von den wis- kohle vermeiden? senschaftlichen Publikationen aus, so ist das deutlich Bei der Terra-Preta-Technik wird vor allem Pyrolyse- ernüchternder: neben vielen Erfolgen stehen nahezu technik verwendet, bei der organisches Material bei so viele Misserfolge, so dass Metastudien nur einen Temperaturen >350°C und Sauerstoffgehalten von relativ schwachen Effekt registrieren (Liu et al 2013).
Wenn man den technischen Aufwand betrachtet, der in diesen Anlagen für die saubere Prozessführung 3. Droht mit Pflanzen- und Temperaturen im Abgas von 1250°C betrieben wird, so ist klar, dass dies in Kleinstanlagen nicht kohle auch eine Zufuhr möglich ist und eine saubere Produktion von Pflan- 4 zenkohle nicht gegeben ist . Wenn hier auch wegen von Schadstoffen in die der geringen eingesetzten Mengen die Schad- stofffrachten und damit die Belastung insgesamt Böden? nicht sehr groß sein sollte, so ist dieser Punkt bei der Beurteilung einer Technik, die ja in der Sicht ihrer Der Umwandlungsprozess von Biomasse in Pyrolyse- Förderer perspektivisch in größerem Rahmen entfal- kohle ist auch in Hinblick auf Schadstoffgehalte im tet werden sollte, absolut entscheidend. Als Umwelt- Produkt (vor allem PAK), kritisch zu bewerten. Offen- verband können wir nur Verfahren befürworten, die sichtlich haben hier verschiedene Verfahren und unseren auch sonst an industrielle Prozesse gestell- Ausgangssubstrate sehr unterschiedliche PAK- ten Kriterien genügen. Belastungen zur Folge. Diese können zwar durchaus sehr gering sein (Freddo et al. 2012, Schimmelpfen- Die Regelungen des Europäischen Pflanzenkohle Zer- nig und Glaser 2012) und müssen auch nicht gefähr- tifikats (EBC 2012) sind in ihrer grundsätzlichen Aus- dend für Pflanzen und Bodentiere sein (Busch et al. richtung sehr richtig, müssen ja aber durch nationale 2011, 2013), jedoch bleibt bei einer unkontrollierten Vorschriften präzisiert werden. Herstellung und Verwendung ein hohes Gefähr- Nur bei ökologisch-technisch ausgereiften, wirt- dungspotenzial. Die unter 2. genannte Notwendigkeit schaftlich rentablen Anlagen mit Bauartzulassung einer sauberen Prozessführung ist unbedingt auch könnte sich der Einsatz von Pyrolyse-Anlagen inklu- auf die Qualität des Produktes zu gewährleisten und 5 sive Abwärmenutzung auch im (klein)bäuerlichen durch entsprechende regelmäßige Kontrollanalysen Betrieb, Gartenbau oder Kompostieranlage rechnen. zu belegen. Um Schadstoffakkumulationen im Boden Dies ist die Voraussetzung, dass der Landwirt nicht in zu vermeiden sind prinzipiell die Gehalte an PAK und einem wesentlichen Bereich, dem Erhalt seiner Bo- Dioxinen zu minimieren denfruchtbarkeit, auf Fremdfirmen angewiesen ist. Da organische Abfallstoffe eine wichtige Quelle für Wenn statt auf betrieblicher aus Gründen der siche- Pyrolysekohle sind, besteht eine gro-ße Gefahr kri- ren Betriebsführung nun auf regionaler Ebene Pyro- minellen Missbrauchs, wie er jetzt schon im Abfall- lysekohle hergestellt wird, ist zu klären, wie Quali- bereich nicht selten ist. Gerade die Erfahrung mit tätskontrolle, Kostenverteilung und Transportproble- kontaminierten Klärschlämmen, Giftmüll in Biogas- me zu organisieren sind. anlagen und industriellen Reststoffen auf Ackerflä- chen sollte hier vorsichtig stimmen (Kröfges 2007, Kammann 2012). Dies wird verstärkt durch die Ge- 4 5 Kleinanlagen, die in erster Linie als innovative Verbesserung Bereits laufende BUND Projekte zu Terra Preta verwenden gegenüber offenen Feuerstellen verbreitet werden (GIZ 2014, deshalb EBC- zertifizierte Pflanzenkohlen, bei denen zur World Bank 2014), sind unter gegebenen Umständen sicher ein Kontrollanalytik eine Soxhlet-Extraktion nach DIN 13877B Fortschritt, sind aber in Deutschland mit seinen hohen vorgenommen wird; eine Analysemethode bei der durch technischen Standards und den auch vom BUND geforderten Heißextraktion mit Toluol aus Biokohlen besonders sorgfältig die Umweltstandards keine relevante Lösung. PAK-Gehalte ermittelt werden können. 6 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
fahr hoher Schadstofffrachten durch schlechte Pro- sekohle z.B. um Düngemittel oder Bodenhilfsstoffe zessführung (Keiluweit et al. 2012). Die Positivlisten handelt und welchen Zweck sie erfüllen. Weiterhin möglicher Einsatzstoffe (EBC 2012, Teichmann 2014) beinhaltet die Bioabfallverordnung hierfür relevante wären in Bezug auf deutsches Recht sowie Erfahrun- Regelungen. Diese formal oft restriktiven Bestim- gen im Umgang mit Einsatzstoffen zu überprüfen. So mungen sind aber wichtig, um einen rechtlichen enthält diese Liste einige Stoffe oder besser Stoff- Hebel gegen den kriminellen Missbrauch vor allem in gruppen, die sowohl unproblematische als auch der Abfallbeseitigung zu behalten. möglicherweise problematische Bestandteile enthal- ten können. Dies bezieht sich auf folgende in der In diesem Kontext, wenn Aufbringungsmengen und - Liste aufgeführte Einsatzstoffe: häufigkeiten definiert sind, können und müssen dann zulässige Grenzwerte definiert werden. Hierbei sind Reste (leftovers) in der Kategorie „Kommunale ge- zwei Dinge relevant: 1. Die Stoffgehalte in der Pyro- trennt erfasste Abfälle“ lysekohle selber und 2. gem. §12 BBodSchV dürfen Treibgut (flotsam) in der Kategorie „Instandhaltung 70% der Vorsorgewerte in der hergestellten Boden- von Wasserwegen“ schicht nicht überschritten werden. Erde, Boden (soil) in der Kategorie „Mineralisch- organische Bestandteile“ Es wird zwar festgestellt, dass keine nicht- organischen Bestandteile enthalten sein dürfen. In der Praxis ist es aber relevanter, hier Grenzen anzu- 4. Gibt es genügend setzen (z.B. < 0,5% nicht organisches Material), da fast nie reine Abfälle vorliegen. Dies gilt auch für die Biomasse für die zugelassenen Additive, wie z.B. „soil“. Herstellung der Pflanzenkohle? Im Kontext mit dem deutschen Recht sind hier noch weitere Hürden zu beachten: die Bundes- Eine entscheidende Größe für die Berechnung des Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) Biomassebedarfs für eine Ausweitung der Terra- regelt in §12 die „Anforderungen an das Aufbringen Preta-Technik ist die notwendige Aufbringungsmen- und Einbringen von Materialien auf oder in den Bo- ge. Wie unter 1. schon dargestellt, ist diese Menge den“, eine aus Sicht des vorsorgenden Bodenschutzes noch längst nicht klar, jedoch wird mit Mengen zwi- zentrale Regelung. So muss nach BBodSchV klar be- schen 1 und 40 t Kohle/ ha experimentiert (z.B. Liu et nannt werden, welche Bodenfunktion nach Bundes- al. 2013, Glaser et al. 2014). Ginge man dementspre- bodenschutzgesetz (BBodSchG) gefördert wird und chend von einer mittleren Aufbringungsmenge von andere Bodenfunktionen dürfen nicht beeinträchtigt 20 t /ha /a aus, so läge der jährliche Gesamtbedarf werden. Weiterhin erlaubt die Düngemittelverord- an Pyrolysekohle für die 12 Mio. ha Ackerfläche in nung (DüMV) zurzeit den Einsatz von Holzkohle nur Deutschland bei ca. 240 Mio. t. im Kultursubstrat zur Pflanzenanzucht oder als Trä- ger für Düngemittel. Nach DüMV muss für eine Zu- Eine andere Berechnung orientiert sich an den Anga- lassung klar definiert werden, ob es sich bei Pyroly- ben der Fa. Sonnenerde, die 10-20% Pflanzenkohle BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle 7
6 dem Kompost vor der Rotte zugibt . Bei einer Redu- weiten Transportwege und wegen des großen zierung der Biomasse im Kompostierungsprozess von Wassergehaltes eher in einer Biogasanlage ge- ca. 50% wären dann 20-40% Kohle im fertigen Sub- nutzt werden. Ausnahmen könnten kleinere Sied- strat. Bei einer Aufbringungsmenge von 30 t org. lungen im Rahmen regionaler Bewirtschaftung Dünger/ ha /a wären das 6 bis 12 t Pyrolyse-kohle sein, aber auch hier ist das Schadstoffpotential /ha/a, was immer noch 70 bis 140 Mio. t Pyrolyse- zu beachten. kohle/a für die Ackerflächen in Deutschland bedeu- Somit verbleiben 2,12 Mio. t/a aus: ten würde. Nach Teichmann (2014, vor allem Tabelle 1 S. 8) • Biomasse aus Offenland (Abfuhr zur Verhage- rung), stehen jedoch insgesamt nur 7,4 Mio. t Pyrolysekohle /a zur Verfügung, wobei allerdings hier Substrate • Biomasse aus extensivem Grünland (Abfuhr zur enthalten sind, die der BUND nicht für die Pyrolyse- Verhagerung), umwandlung empfehlen kann: • Holzanteile im Hausmüll (unbehandelt und ge- • Getreidestroh und andere Ernterückstände (Kar- trennt erfasst!), toffelkraut und Rübenblätter) werden wie andere als Grundlage für den Humusaufbau gebraucht, • Gärreste aus Energiepflanzen (obwohl wegen des hohen Wassergehalts für Pyrolyse eher ungeeig- • Waldrest- und Schwachholz sollten aus dem net) gleichen Grund im Wald verbleiben • Werden Industrierestholz und Pappeln / Weiden • Grünschnitt aus Kompensationsflächen sollte nur aus Kurzumtriebsplantagen (KUP) dazu genom- bei gewollter Verhagerung entfernt werden. men, erhöht sich dies auf 2,9 Mio. t/a. • Biomasse aus Biotopverbundflächen sollte eben- falls im System verbleiben, Selbst bei Nutzung all dieser Ressourcen ließ sich • Industrierestholz und Pappeln und Weiden von tatsächlich nur 1 bis ca. 3% der benötigten Bio- Erosionsflächen ließen sich zwar verwenden, dies kohle herstellen. konkurriert aber mit der direkten stofflichen und energetischen Nutzung Auch im Ansatz, des Schließens regionaler Stoffkreis- läufe wird deutlich, dass Mengen, wie sie jetzt in • Klärschlamm und Abfälle aus Gewerbe und In- Versuchen aufgetragen werden, nicht zur Verfügung dustrie wären wegen des Schadstoffpotenzials stehen: Bei einem jährlichen Ertrag von z.B. ca. 10 t nicht akzeptabel, sie entsprechen auch nicht dem Stroh/ha ständen diesem Acker maximal 3 t Pyroly- European Biochar Certificate (EBD 2012) sekohle /ha zur Verfügung, wobei schon mal gar • Festmist (Rinder, Schweine, Geflügel) wird bei nichts mehr für die Einstreu zur Verfügung stände. bäuerlicher Landwirtschaft für die Düngung be- Schon diese Berechnung macht deutlich, dass ein nötigt, breiter Einsatz von Pyrolysekohle in der Landwirt- • Organische Siedlungsabfälle sollten wegen der schaft so nicht oder nur mit Mengen < 1t/ha funkti- oniert. Die Verwendung der Terra-Preta-Technik ist 6 www.sonnenerde.at/index.php?route=common/page&id=1257 von daher eher im Bereich landwirtschaftlicher Son- 8 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
derkulturen oder im Gartenbau zu suchen, wo schon 5. Wie sieht die CO2- immer intensivere Bodenbewirtschaftung und die gezielte Akkumulation von Humus auf Kosten ande- Bilanz des ganzen Ver- rer Flächen zu höheren Humusgehalten geführt ha- ben (Stichwort Hortisol, Plaggenesch). fahrens aus im Vergleich Geht man aber von dieser Voraussetzung der Umver- mit alternativen Nutzun- lagerung aus, so lässt sich natürlich diese Terra- gen der Rohstoffe? Preta-Technik nur auf ausgewählten Flächen realisie- ren. Der „Klimaeffekt von Ter- Dabei bleibt hier unberücksichtigt, dass z.B. Schmidt ra Preta“ (2012) noch wesentlich mehr Einsatzgebiete für Die Wirkung auf das globale Klima durch Entzug von Pflanzenkohle erkennt, deren Rohstoffbedarf eben- Kohlenstoff ist ein oft genanntes zentrales Argument falls zu decken wäre. für den Einsatz von Biokohle (u.a. Sparkes und Stout- Dieser Mangel an verfügbarer Biomasse verführt jesdijk 2011, Scheub et al. 2013, World Bank 2014). dazu, Biomassen aus anderen, nicht landwirtschaftli- Wenn die Landwirtschaft ihre Wirtschaftsweise auch chen Quellen zu nutzen, z.B. aus industriellen Abfäl- nicht an der CO2-Kompensation anderer Wirt- len. Die Fa. Sonnenerde in Österreich nutzt z.B. Ab- schaftszweige ausrichten muss, sollten ihre Emissio- 7 fälle der Papierindustrie; das kann akzeptabel sein , nen an CO2 und anderen Klimagasen minimiert wer- macht aber deutlich, welche Eintrittspforten hier für den; dies sind zum einen die CO2-Emissionen aus der die Abfallindustrie bestehen, die in der Vergangen- Herstellung von Mineraldünger, aus dem Maschinen- heit leider zu oft mit umweltschädigenden Entsor- einsatz aber auch die Freisetzung von Methan aus gungswegen Schlagzeilen gemacht hat. Gärungsprozessen und Lachgas aus gestörtem Stick- stoffkreislauf im Boden (UBA 2014). Außerdem ist die Fixierung von Kohlenstoff im Humus eine we- sentliche Größe im Kohlenstoffhaushalt, auf die die Landwirtschaftliche Praxis großen Einfluss hat. Auf diese bodenbezogenen Punkte soll hier einge- gangen werden. Weiterhin wird dann der Pyroly- seprozess selbst hinsichtlich seiner Klimawirksamkeit im Vergleich zu anderen Verwendungen des Aus- gangsmaterials bewertet. 5.1 Böden als Kohlenstoffspeicher - Humus 7 Angesichts z. B. der PFT Problematik im Raum Baden-Baden und Generell sind Böden als Kohlenstoffspeicher / CO2- Karlsruhe durch Abfälle aus der Papierindustrie ist dies zu mindest Senke äußerst klimarelevant, denn im Humus wird zu hinterfragen! Siehe z. B. www.badische-zeitung.de/suedwest- 1/polyfluorierte-chemikalien-gefaehrden-grundwasser-- global doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in 88132325.html der Atmosphäre (Schils et al. 2008). Unter tropischen BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle 9
Klimabedingungen verläuft der Kreislauf des Kohlen- Da 1 t Humus ca. 0,5 t Kohlenstoff enthält, der zu stoffs vom Aufbau aus dem atmosphärischen CO2 in 1,8 t CO2 zersetzt werden kann, entspräche die Stei- der Pflanze und der Zersetzung der Pflanzenstreu im gerung des Humusgehaltes um 1% oder 5 t/ha auf Boden durch die Bodenorganismen sehr schnell, so den 12 Mio. ha Ackerfläche (5*12*1,8) 108 Mio.t dass sich kaum Humus bildet. Die Blockade des Ab- eingespartes CO2. Dies entspräche zwar ca. 11% der baus und damit die Speicherung ist immer dann be- Gesamtemissionen Deutschlands in Höhe von 950 sonders hoch, wenn der Abbau der organischen Sub- Mio. t CO2 (UBA 2014), ist aber insofern unrealis- stanz (Humus) durch die Bodenorganismen durch tisch als dass diese Steigerung der Humusgehalte bei Kälte, Trockenheit oder Mangel an Mineralnährstof- konventioneller Landwirtschaft nicht möglich sind; fen verringert ist. Die sehr humusreichen europäi- Ökolandbau findet jedoch bisher nur auf 6 % der schen Schwarzerden in Südosteuropa zum Beispiel Landwirtschaftsfläche statt 8. Nur auf diesen, mit sind durch sehr kalte Winter und trockene Sommer organischer Düngung versorgten Böden, macht – wie bedingt. Unter unseren klimatischen Bedingungen ist unter 1. beschreiben – der Einsatz von Pyrolysekohle 9 jedoch die Humusanreicherung zeitlich limitiert und Sinn und dementsprechend beträgt die mögliche stark nutzungsabhängig: Waldböden und Grünland CO2-Reduktion nur etwa 6 Mio. t CO2. binden deutlich mehr als Ackerboden (Düwel et al. Die Senkung der Klimagas-Emissionen aus der Land- 2007). Ziel auch des Ökolandbaus ist es, den für die wirtschaft durch angepasstere Systeme (keine Mas- Produktivität positiven Humusgehalt durch Zufuhr sentierhaltung) hat viel größere Potentiale. So betru- organischer Dünger zu erhöhen (s. unter 1.). Daneben gen im Jahr 2012 allein die Emissionen aus acker- wird allerdings auch ausreichend schnell abbaufähi- baulich genutzten Mooren 26 Mio. t CO2 (UBA 2014, ger sogenannter Nährhumus im System benötigt, da S. 572). dieser die Bodenorganismen am Leben hält. Dies leistet stark humifizierter sogenannter Dauerhumus, zu dem man im weiteren Sinne auch die Pyrolyse- 5.2 Lachgas aus gestörtem Stickstoffkreislauf im kohle rechnen kann, nicht. Die Zufuhr von Pyrolyse- Boden kohle soll einerseits dazu führen, dass der Humus im Boden stabiler bleibt (Fischer und Glaser 2012), an- Lachgas (N2O) ist extrem klimawirksam und entsteht dererseits stellt ja die Pyrolysekohle selbst eine Men- vor allem in Ackerböden aus N-Düngern bei der De- ge des dem Kreislauf entzogenen Kohlenstoffs dar. nitrifikation unter Sauerstoffmangel, also leicht bei Bodenverdichtung und Staunässe. Die Zufuhr von Der Humusgehalt in den oberen 30 cm des Bodens Pyrolysekohle soll diese ungewollten Prozess deutlich liegt bei 2 bis 3 % (Düwel et al. 2007) Unterstellt verringern (Kamman et al. 2012, Cayuela et al. 2013, man eine erwartete Steigerung um 0,1 %-Punkte, so Harter et al. 2014). Diese Wirksamkeit ist sicher be- sind das bei einem Raumgewicht von ca. 1,5 t/m3. deutsam, da es jedoch noch nicht viele Untersuchun- ca. 0,5 t/m² und 0,1 % davon 0,5 kg/m², also eine gen gibt, und schon gar nicht aus Feldversuchen, Humuszunahme um 5 t/ha. Diese resultiert aus ca. lässt sich dieser Effekt noch nicht seriös quantifizie- 10 t/ha organischer Substanz als Ausgangsmaterial, ren. Für die Bewirtschaftungsprinzipien organische da im Verrottungsprozess, sei es separate Kompostie- rung oder auf dem Acker, die Masse um ca. 50% reduziert wird. Diese 10 t/ha entsprechen der o.g. 8 www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Bio-Landbau/Bio-Flaeche- Verfügbarkeit. Deutschland_article1334659807.html 10 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
Düngung und weite Fruchtfolge, wie sie im Ökoland- Diese Daten mit Angaben „bis zu“ lassen jedoch kei- bau praktiziert werden wurden u.a. aufgrund der ne echte Effizienzbetrachtung zu. Gefüge verbessernden Wirkung auch ohne Pyrolyse- Die Fa. Sonnenerde benutzt für eine solche Anlage kohle deutlich geringere Lachgasemissionen ermittelt nassen Papierschlamm mit einer Stützfeuerung aus (Hülsbergen und Schmidt 2010). Getreidespelzen. 500 kW Inputenergie gehen in 300 kW Energiegehalt der Kohle, 150 kW Wärme (die zum Trocknen des Rohstoffs und untergeordnet zum 5.3 Bewertung des Pyrolyseprozesses selbst hin- Heizen des Gebäudes verwendet wird), rund 50 kW sichtlich seiner Klimawirksamkeit im Vergleich zu gehen als Abstrahlungsverluste verloren. Für den anderen Verwendungen des Ausgangsmaterials Betrieb werden 7 kW elektrische Leistung benötigt Für den Bereich der Pyrolyse fehlen zurzeit wichtige (Dunst 2013, Dunst, pers. Mitteilung 2014). Größen zur Bewertung (Stoff- und Energieströme in Echte Energiebilanzen sind eher selten; eine Literatu- der Pyrolyse z.B. als Sankey-Diagramm), so dass diese rübersicht geht von ca. 2/3 Masseverlust aus (Teich- Bewertung erst mal auf einzelnen, zum Teil mündli- mann 2014), so dass energetische Verluste von 50% chen Aussagen und auf Datenblättern der Hersteller realistisch erscheinen. beruht. 10 Die Effizienz von reinen, mit Holz gefeuerten Hei- Die für das TerraBoga-Projekt im Botanischen Gar- 12 zungen liegt über 90% . ten Berlin erstellte Anlage erzeugt im kontinuierli- chen Betrieb 60kW thermische Leistung und 6 kg Holzkohle bei einem Einsatz von 40 kg getrockneten 5.4 Böden als Kohlenstoffspeicher - Pyrolysekohle 11 Grünschnitt (Holz und teilw. Blätter) pro Stunde . Neben dem bodenfunktionalen Aspekt den die Pyro- Dies bedeutet etwa 85% Verlust an Masse und 75% lysekohle im Boden bewirken soll steht in der Argu- Verlust an Kohlenstoff; der Heizwert von Holz liegt mentation ihre Kohlenstoffsenkenfunktion, der Ent- bei 4-5 kWh/kg und so läge der theoretische gesam- zug aus dem Kohlenstoffkreislauf. Dieser Effekt kann te Energiegewinn bei 180kW. Die reale Energieaus- nur dann positiv bewertet werden, wenn es tatsäch- beute aus dem in der Pyrolyse verbrannten Anteil lich zu anhaltenden Speichereffekten kommt. Eine beträgt, abgesehen von der Aufheizphase, 60kW positive Klimawirkung hängt von vier wesentlichen thermisch, also 1/3 des Ausgangswertes bei ca. 3/4 Faktoren ab (Woolf 2008): Verlust des Kohlenstoffs. a. der Stabilität der Biokohle, Die Fa. Pyreg produziert eine Anlage mit einer Brenn- b. der Rate, mit der die Biomasse sonst in CO2 um- stoffleistung von 500 kW aus einem Brenn- gesetzt würde, stoffdurchsatz von bis zu 180 kg/h (TS, mindestens c. der Menge an Biokohle, die dem Boden über- 10 MJ/kg). Es entsteht eine Heizwärmeleistung von haupt zugesetzt werden kann und bis zu 150 kW bei einer Leistungsaufnahme von ca. d. der überhaupt für diesen Prozess zur Verfügung 10 kWel; die Kohlenstoffeffizienz beträgt bis zu 60%. stehenden Menge an Biomasse. e. wieviel CO2 bei der Herstellung von Biokohle 9 Es ist zu prüfen, welche Ökolandbau-Richtlinie die Verwendung entsteht. von Pyrolysekohle denn überhaupt zulässt. 10 http://terraboga.de/ 11 12 www.pyreg.de www.viessmann.de BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle 11
zu a) durch die eingebrachte Pyrolysekohle erreicht, son- dern durch die damit ausgelöste mögliche Steigerung Die nach EBC zertifizierte Pyrolysekohle muss einen des Humusgehaltes. Steigerung des Humusgehaltes C-Gehalt von mindestens 50% haben (Handelsübli- bedeutet gehemmte C-Mineralisierung durch die che Pflanzenkohle hat einen C-Gehalt bis zu 70%), Bodenorganismen. Deren Zusammensetzung ändert der fest gebunden und wohl auch im Boden recht sich unter Einfluss zugeführter Pyrolysekohle, wobei stabil bleibt (Baldock und Smemik 2002, Verheijen et außer der Zunahme mikrobieller Biomasse noch kei- al. 2010). Auch wenn sich dies naturgemäß für die ne eindeutigen Effekte dokumentiert sind (Lehmann jetzt verwendeten Pyrolysekohlen nur aus früher et al. 2011). entstandenem „Black Carbon“ in Böden ableiten lässt, kann hier rechnerisch erst mal damit gerechnet zu d) werden, dass diese Kohlen nicht abgebaut werden. Dies wurde schon unter c und 5. behandelt. Daraus zu b) ergibt sich, dass in der Landwirtschaft im Prinzip nur die Biomasse zur Verfügung steht, die auf der jewei- Für die Ausgangssubstanzen der Pyrolysekohlen gibt ligen Ackerfläche als Nebenprodukt entsteht und die es im Grunde hier zwei zu betrachtende Alternativen: Aufbringungsmenge wohl unter 1 t/ha/a bleiben energetische Verwendung, d.h. vollständige Verbren- muss. nung oder die Kompostierung. Qualitätsholz z.B. für Möbelherstellung sollte nicht verwendet werden. Im Fall der rein energetischen Nutzung ist die Effektivi- 5.5 Freisetzung von Methan aus Gärungsprozessen tät höher und es ergäbe sich rechnerisch eine Ver- meidung von CO2-Emissionen in Höhe des geringe- Methan als sehr klimawirksames Gas entsteht bei der ren Verbrauchs an Biomasse für die gleiche Wärme- Kompostierung organischer Abfälle, in Deponien, in produktion bei der Verbrennung gegenüber der Pyro- der Tierhaltung und beim Einsatz von Wirtschafts- lyse. Im Falle der Kompostierung ergibt sich ein düngern und trägt etwa 5% zur Emission klimawirk- energetischer Vorteil für die Pyrolyse in Höhe der samer Gase bei (UBA 2014, S. 63). gewonnen Prozesswärme und von den Methanemis- Werden biologische Abfälle pyrolysiert statt kompos- sionen (s. unter E). tiert, so entfällt die Entwicklung von Methan (bei zu c) einer großen Streubreite) in Höhe von ca. 3 kg CH4/t Grünabfall bei der normalen Kompostierung (UBA Zur „Aufnahmemöglichkeit“ der oberen Boden- 2014, S. 653); dies entspricht (Klimafaktor 25) ca. 75 schicht. Nach den o.a. Mengenberechnungen dürften kg CO2-eq./t Grünabfälle. letztlich nur Anwendungen von < 1t/ha/a aufge- bracht werden können. Auch wenn die sinnvolle Auf- Zusammenfassend lässt sich die Klimawirksamkeit bringungsmenge noch nicht wirklich geklärt ist, muss des Einbringens von Pyrolysekohle in den Boden so sie aber auf jeden Fall durch die Verbesserung der bewerten: Bodeneigenschaften bestimmt sein und nicht durch Die Erhöhung des Humusgehaltes auf der gesamten die Maximierung der Einbringungsmenge zum Klima- Ackerfläche in Deutschland um 0,1%-Punkte würde schutz. Dies wäre eine Form von Geo-engineering, für diese Zeit der Akkumulation eine deutliche Ver- die vollständig abgelehnt werden muss. ringerung der Netto-CO2-Emission von ca. 10% be- Die Klimawirksamkeit wird nicht primär und direkt wirken. Grundlage hierfür ist aber ein flächende- 12 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
ckender Ökoanbau mit Stalleinstreu statt Güllewirt- den zugefügt werden, die Umweltqualität der Böden schaft und dem Einsatz organischer Düngung. (Dar- sicher zu stellen. Die Problematik u.a. von Klär- über hinaus würde die Umstellung auf Ökolandbau schlämmen, von Schwermetall- und Uranbelastun- auch sonst die Klimabilanz der Landwirtschaft z.B. gen durch Phosphatdünger und von Gülleaufbrin- durch den Verzicht energieintensiver N-Dünger ver- gungen begründet diese Vorsicht. bessern). Wesentliche Bedingung ist aber zu klären, Zur Verbesserung der Fruchtbarkeit landwirtschaftli- ob der Einsatz von Pyrolysekohle diese Steigerung cher Böden fordern wir vor allem der Humusgehalte ermöglicht und auch langfristig begünstigt. • die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft, Der Effekt der Kohle selbst ist wegen der geringen • die sachgerechte Definition der „guten fachliche dafür zur Verfügung stehenden Biomassen als eher Praxis der landwirtschaftlichen Bodennutzung“ in gering einzuschätzen. Ginge es nur um den Klimaef- der Bodenschutz- und Landwirtschaftsgesetzge- fekt der Pyrolysekohle, so ließen sich holzige Abfälle bung (Beste und Valentin 2010) und stattdessen besser in effizienten KWK-Anlagen zum • die Förderung des Ökolandbaus mit seiner den Ersatz von fossilen Brennstoffen verstromen. Wenn Humus und das Bodenleben fördernden Wirt- Untersuchungen abgesichert wären, dass durch Zu- schaftsweise. satz von Pyrolysekohle zum Kompostierungsprozess die Methanentwicklung reduziert wäre, dann wäre In diesem Kontext sind auch immer wieder Innovati- dies ein zu kalkulierender Vorteil. Belastbare Ökobi- onen in der Bodenkultur möglich und die Zufuhr von lanzen für die vergleichende Nutzung von Reststof- Pyrolysekohle könnte eine davon sein. Bislang ist fen liegen bislang jedoch nicht vor. allerdings kein signifikanter Effekt in landwirtschaft- lichem Maßstab erkennbar, wenn die Menge der Wenn die Pyrolysekohle tatsächlich zu einer Verrin- tatsächlich zur Verfügung stehenden Rohmaterialien gerung der Lachgasemission von Ackerflächen führen für die Pyrolyse zu Grunde gelegt wird. Die bisheri- würde, wäre dies eine weitere Entlastung der Bilanz gen positiven Erfahrungen kommen aus den intensi- klimawirksamer Gase. ven Kulturen Gartenbau und Weinbau mit oft recht hohen Einsatzmengen an Pyrolysekohle. Für weitere kleinräumige Versuche im Rahmen einer ökologischen Landwirtschaft zur Steigerung der Bo- 6. Zusammen- denfruchtbarkeit und zur Erhöhung der Artenvielfalt übernutzter Kulturlandschaften, sowohl in urbanen, fassende Bewertung als auch in ländlichen Räumen, halten wir folgende Wir freuen uns, dass Boden, Bodenschutz und Bo- Rahmenbedingungen für nötig: denfruchtbarkeit in dieser Debatte wieder Thema Aus den aufgeführten Gründen folgt zwingend, dass geworden ist, sehen uns als Umweltverband aber der Art der – systemischen - Anwendung und dabei auch in der Aufgabe, eine sachliche und klare Dis- insbesondere bereits den Ansprüchen an die Herkunft kussion darüber zu führen. der Ausgangsstoffe für Terra Preta eine entscheiden- Als Umweltverband sehen wir es als absolut vorran- de Bedeutung zukommt. Die Terra Preta ist das Er- gig an, bei der Bewertung von Stoffen, die dem Bo- gebnis einer nachhaltigen Humuswirtschaft mit regi- BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle 13
onal verfügbarer Biomasse, sodass die Verbesserung ten für den Transformationsprozess zu nachhaltigen der Bodenfruchtbarkeit in Kombination von Humus- Landnutzungssystemen für eine nachhaltige Erzeu- wirtschaft mit Zuführung von Pflanzenkohle gesehen gung gesunder Lebensmittel genutzt und weiterent- werden muss. wickelt werden. Dazu muss in den sich überschnei- denden Bereichen - Energie, Ernährung, Wasser, Bio- Als Ausgangsstoff dienen Pflanzenreste – insbeson- diversität, Klima, regionale Wertschöpfung, Gesund- dere aus Heckenschnitten / Holz aus der Land- heit - für die Entwicklung nachhaltiger Landnut- schaftspflege sowie schadstofffreien kompostierba- zungssysteme die Förderung praxisnaher Humusfor- ren Materialien. Auch hinsichtlich der Effizienz hat schung und konkreter Projekte zur ganzheitlichen die Nutzung von Terra Preta wesentliche Potenziale, Optimierung von regionalen Stoffkreisläufen künftig die für Synergien genutzt werden können, statt in viel stärker eingefordert werden. Dilemmata im Sinne der Nutzungskonkurrenz zu führen: Statt holzartige Reststoffe vollständig zu Auch die bislang noch nicht wissenschaftlich beleg- verbrennen, wird daraus ein Teil der Energie und ten bodenökologischen Effekte zeigen auf, in welche auch ein Teil des speicherbaren Kohlenstoffs (Pflan- Richtung geforscht werden sollte. Aber zum jetzigen zenkohle) gewonnen. Mit leicht umsetzbaren organi- Zeitpunkt ist eine breite Anwendung nicht empfeh- schen Reststoffen wird er dann möglichst verlustarm lenswert. vorwiegend zu Humus umgewandelt. Bei jedem Aus- gangstoff muss sicher ausgeschlossen werden kön- Auch bei Anwendungen in der Forschung müssen die nen, dass es zu einer Schadstoffanreicherung im Gefährdungen durch Schadstoffeinträge unbedingt Boden kommen kann. Schadstoffbelastete Klär- ausgeschlossen werden, indem bei der Anwendung schlämme und ähnliche nicht auf ökologische Kreis- zumindest die gesetzlichen Anforderungen von Bun- läufe hin optimierte Abfälle dürfen selbstverständ- des-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, Dünge- lich nicht zum Humusaufbau eingesetzt werden. mittelverordnung und Düngeverordnung und bei der Pyrolyse die des Bundesimmissionsschutzgesetzes Eine nachhaltige Humuswirtschaft ist Voraussetzung und seiner Verordnungen eingehalten werden. und Ausdruck der Anreicherung und Speicherung von Kohlenstoff im Boden. Die Humusgehalte der Acker- Anbaubiomasse als Ausgangsstoffe für die Pyrolyse und Gartenböden können und müssen durch eine schließen wir aus der Erfahrung mit Agrarsprit und verlustärmere organische Düngung auf ein viel höhe- Biogas explizit aus. Es eignen sich prinzipiell ver- res Niveau angehoben werden. Pflanzenkohle dient schiedene Abfälle für die es sonst keine oder nur eine in nachhaltigen Anbausystemen als ein wichtiges minderwertige Verwertung gibt. Die Erfahrungen mit Element zur Senkung der Kohlenstoff- und Nähr- Klärschlamm und anderen Formen der Abfallverbrin- stoffverluste bei der organischen Düngung. Dabei gilt gung lehren uns, mit der Frage äußerst sensibel um- es, die – historische – Entstehungsart von Terra Preta zugehen und betriebseigene Eingangsmaterialien zu berücksichtigen: Der anthropogene Bodentyp ist unbedingt zu bevorzugen. Eine Auslagerung relevan- entstanden durch nachhaltige kleinräumige Landnut- ter Betriebsprozesse aus dem landwirtschaftlichen zung, Artenvielfalt der Nutzpflanzen, Förderung eines Betrieb ist zu vermeiden, um die Stoffkreisläufe bes- vielfältigen Bodenlebens im Rahmen einer humusan- ser kontrollieren zu können. reichernden Bodenbewirtschaftung. Die möglichen positiven Effekte als Kohlenstoffsenke Die Erkenntnisse aus der Terra Preta Forschung soll- können die genannten Risiken nicht kompensieren; 14 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle
es ist zu befürchten, dass die Verminderung von • Qualitätssicherung des Endproduktes „Pyrolyse- Treibhausgasen als Argument genommen wird, um in kohle“ entsprechend den gesetzlichen Standards großem Maßstab sowohl zu pyrolysierende Biomasse des Bodenschutz- und Düngemittelrechts; dafür extra anzubauen und dann womöglich ohne boden- ggf. Überarbeitung der Dünge VO. ökologisch positive Wirkung rein aus Klimaschutz- • Verwendung unbelasteter Ausgangssubstanzen gründen in den Boden einzubringen, wie dies ja in wie z. B. im EBC beschrieben,– keine Verwendung Grundzügen schon angedacht wird (Lehmann 2007, „üblicher“, aus Starkholz gewonnener Holzkohle, Ippolito et al. 2012). Dies wird natürlich forciert, keine Anbaubiomasse stattdessen im landwirt- wenn solche C-Sequestierung in den Emissionshan- schaftlichen Betrieb anfallende Biomasse. del eingebunden würde, wie vom Climate Trust (2010) Schmidt (2011b) und Teichmann und Kemfert • Vergleich mit einer Bewirtschaftung nach ökolo- (2014) diskutiert. gischer Praxis mit weiten Fruchtfolgen und koh- lefreier Kompost- bzw. Mistwirtschaft. • In wissenschaftlich umfassenden Versuchen muss nicht nur der pflanzliche Ertrag sondern auch die 7. Forderungen Bodenbiologie und die Gesamtenergiebilanz des Anbausystems einbezogen werden. Um die offenen Fragen der postulierten positiven • Ökonomisch ist zu untersuchen, inwiefern eine Eigenschaften der Terra-Preta-Technik zu beantwor- kurzfristige und intensive Anwendung in Sonder- ten, sind für uns folgende Eckpunkte wichtig: kulturen sinnvoll sein kann. • Eine genehmigungsrechtlich zugelassene, dem • Zumindest zunächst ein Verbleiben im Maßstab Stand von Wissenschaft und Technik entspre- des Gartenbaus – auch die Terra preta do Indio chende saubere, kontrollierte Pyrolysetechnik – war ein Gartenbauboden! die auch für kleinere Anlagen gelten muss. Redaktion und Konzeption Dr. Andreas Faensen-Thiebes und Dr. Andrea Beste, BUND AK Bodenschutz / Altlasten Mitwirkende Dr. Mona Gharib (BUND LV Niedersachsen, Projekt „Terra Preta in Niedersachsen“), Claudia Baitinger (Sprecherin BUND AK Immissionsschutz), Dr. Hartmut Hoffmann (Sprecher BUND AK Abfall und Rohstoffe), Dr. Werner Neumann (Sprecher BUND AK Energie), Dr. Anita Idel (Mitglied BUND AK Landwirtschaft) Kontakt bodenschutz@bund.net www.bodenschutz.bund.net Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) · Friends of the Earth Germany Am Köllnischen Park 1 · 10179 Berlin · Tel.: (0 30) 27 58 64-0 Berlin 2015 BUND Einschätzung Terra Preta / Pyrolysekohle 15
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