Umweltbericht - TH Wildau
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Impressum Herausgeber: Technische Hochschule Wildau Hochschulring 1, 15745 Wildau Der Präsident, Prof. Dr. László Ungvári Tel. +49 3375 508-100 Fax +49 3375 500 324 www.th-wildau.de Gesamtredaktion, Satz & Gestaltung: Bernd Schlütter TH Wildau / Kommunikation und Medien Grundlayout: Typoly, Berlin Fotos: sO2lutions Erscheinungsdatum: 1. Juni 2015
3 umweltbericht 2015 I N H A LT S V E R Z E I C H N I S Umwelt und Nachhaltigkeit 4 Stadt der Wissenschaft und Innovation 5 Umweltmanagement an der TH Wildau 7 Kernthemen 2013/2014 8 Einsparung von Kohlenstoffdioxid 8 Photovoltaikanlagen 10 Forschungsberichte 12 Green Growth in Brandenburg am Beispiel des Regionalen Wachstumskerns Schönefelder Kreuz 12 Algenproduktionsanlage 14 Umweltrecht 18 Die Europarechtskonformität des „EEG 2.0“ 23 Gasland Germany: state of play. Unconventional resources – lost in federalism, death by Energiewende? 31 Zu Bedeutung und möglichen Haftungsrisiken bei der Umsetzung von gesellschaftsrechtlichen Bürgerbeteiligungsmodellen bei Erneuerbare-Energien-Projekten 48 Interview „Fracking vs. Erneuerbare Energien – wie kann man den Bürger stärker beteiligen?“ 57 sO2lutions 59 Fotoausstellung 59 Darstellung des CO2-Fußabdrucks der TH Wildau 61 Mitfahrgelegenheit 61 Autorinnen und Autoren 63
4 umweltbericht 2015 Umwelt und Nachhaltigkeit Die Begriffe Umwelt und Nachhaltigkeit bekommen in der öffentlichen Wahrnehmung eine immer größere Bedeutung, inbesondere angesichts des erkennbaren Klimawandels, voranschreitender Umweltzerstörung und der zunehmenden Verschmutzung von Lebens- räumen. Dementsprechend ist jeder Einzelne, jede Instituti- In diesem Zusammenhang wird ein kurzer Über- on und Organisation gefordert, sich verstärkt den blick über den Hochschulstandort Wildau gewährt, Themen Ökologie und Schutz unserer natürlichen und es werden bereits umgesetzte Maßnahmen Ressourcen zuzuwenden und auf die Umsetzung zum Schutz der Umwelt aufgezeigt: effektiver Maßnahmen zum Schutz der Umwelt hinzuarbeiten. Technische Verbesserungen • Installation von Photovoltaikanlagen Die Technische Hochschule Wildau hat in den letz- • Einbau eines Blockheizkraftwerkes ten Jahren umfangreiche Modernisierungs- und Sa- • abschaltbare unabhängige Stromkreisläufe nierungsvorhaben durchgeführt, die die Effizienz • wasserlose Urinale im Umgang mit den natürlichen Ressourcen verbes- sert haben und wichtige Schritte auf dem Weg zu Verhaltensbezogene Verbesserungen einer umweltgerechten Hochschule darstellen. • Umweltnews und Verhaltenstipps für Studierende und Mitarbeiter Dem Ziel einer umweltgerechten Hochschule dient • umweltbezogene Arbeits- und Forschungs- auch der in diesem Jahr erstmals herausgegebene gruppen (sO2lutions) Umweltbericht der TH Wildau, den die Arbeits- und • Förderung von Fahrgemeinschaften Forschungsgruppe sO2lutions – ein Team von Stu- dierenden und Lehrenden aus dem Fachbereich Weiterführend geben aktuelle, nicht hochschulspe- Wirtschaft, Informatik, Recht –, erarbeitet hat. zifische Forschungsberichte der Studierenden und Professoren einen Überblick über verschiedene As- Der vorliegende erste Umweltbericht der TH Wildau pekte und Ansatzpunkte umweltbezogenen Han- zeigt, dass Umwelt und Nachhaltigkeit an der Hoch- delns. Sie verdeutlichen, dass Fragen der Umwelt schule ernst genommen und relevante Aspekte im und Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert in Stu- Hochschulalltag berücksichtigt und umgesetzt wer- dium, Lehre und angewandter Forschung besitzen. den. Der Bericht analysiert aktuelle sowie geplan- te Projekte und bietet einen Ausblick auf weitere Unser Dank geht an die Hochschulleitung für die Verbesserungspotenziale und mögliche zukünftige Unterstützung und die Bereitstellung der Mittel zur Zielsetzungen. Veröffentlichung dieses Berichtes.
5 umweltbericht 2015 Stadt der Wissenschaft und Innovation In der Hochschulstadt Wildau haben Industrie und Technologieentwicklung eine lange Tradition, zunächst im Lokomotiv- und Flugzeugbau sowie in der Chemiebranche, später im Schwermaschinenbau. Seit 65 Jahren werden in Wildau Ingenieure ausgebildet. Bereits 1949 entstand eine Betriebsfachschule des Waggon- und Lokomotivbaus. Der Campus der Technischen Hochschule Wildau auf einem historischen Industrieareal im Zentrum der Stadt Wildau Daraus entwickelte sich in den 50er Jahren die Inge- sondern auch das Wissen und verantwortungsvol- nieurschule Wildau mit dem Schwerpunkt Maschi- le Handeln der Menschen, die zum Entstehen von nenbau, auf deren Tradition die heutige Technische Sachsystemen (Hardware und Software) erforder- Hochschule aufbaut. lich sind. Hierzu zählen insbesondere das (Prozess) Management, notwendige verwaltungstechnische Die 1991 als Technische Fachhochschule gegrün- und juristischen Abläufe bis hin zu ethischen und dete Technische Hochschule Wildau startete mit soziokulturellen Aspekten. dem Studiengang Maschinenbau. Heute verfügt sie über ein breites Spektrum zukunftsweisender pra- Die TH Wildau steht bei der angewandten For- xisorientierter Bachelor- und Masterstudiengänge schung im Wettbewerb mit den anderen Fach- in naturwissenschaftlichen, ingenieurtechnischen, hochschulen Deutschlands seit 2001 auf vorderen betriebswirtschaftlichen, juristischen und Manage- Plätzen. Gemessen an den jährlich eingeworbenen mentdisziplinen. Die Leistungsstärke der TH Wildau Drittmitteln je Professor hält sie die Spitzenpositi- in der akademischen Lehre und Forschung wird von on. Geforscht wird unter anderem in den Bereichen den zahlreichen Kooperations- und Praxispartnern Energietechnik und Energiemanagement, optische- im In- und Ausland sowie Netzwerken für den Wis- und Oberflächentechnologien, Biowissenschaften, sens- und Technologietransfer besonders geschätzt. Angewandte Informatik und Telematik, Materialwis- Im regionalen Umfeld ist die Existenz und erfolgrei- senschaften und Luftfahrttechnik. che Entwicklung der TH Wildau ein Hauptansied- lungsgrund für Investoren. Aktuell sind an der Technischen Hochschule Wildau 4.119 Studierende in 24 Vollzeit-, zwei dualen und Einen Schwerpunkt in Studium, Lehre und ange- fünf berufsbegleitenden Studiengängen einge- wandter Forschung an der TH Wildau bilden zu- schrieben, die jeweils mit den akademischen Gra- kunftsorientierte Industrien. Dieses prägende Inge- den Bachelor oder Master abschließen. Gemäß dem nieurprofil basiert auf einem erweiterten Technik- Leitbild der TH Wildau sind Internationalität und begriff. Dieser umfasst nicht nur die Gesamtheit der Toleranz tragende Säulen für die Zukunftsfähig- nutzungsorientierten Gegenstände, die die Men- keit der Hochschule. Dementsprechend ist die In- schen hervorbringen bzw. hervorgebracht haben, ternationalisierung in Lehre und wissenschaftlicher
6 umweltbericht 2015 Arbeit ein strategisches Feld. Dabei geht es um die Industrieareal mit direktem Anschluss an die Ber- aktive Vermittlung der Erkenntnis, dass die Achtung liner S-Bahn. In den letzten Jahren wurde der Cam- und Aufgeschlossenheit für andere Kulturen und pus aus Mitteln des Landes, des Bundes und der Lebensweisen sowie Interkulturalität innerhalb der Europäischen Union zielgerichtet erweitert und aus- Hochschule und in ihrem regionalen Umfeld eine gebaut. Erst im September 2013 erfolgte die Einwei- Bereicherung des eigenen Lebens darstellen. hung von zwei neuen, technisch sehr gut ausgestat- teter Hörsaal- und Forschungsgebäuden. Diese strategische Ausrichtung zeigt nachhaltigen Erfolg: Ca. 850 Studierende kommen aus dem Aus- Auch die Studien- und Arbeitsbedingungen sowie land. Auch zahlreiche deutsche Studierende pro- die Lebensqualität erhöhten sich. So wurde 2012 fitieren jedes Jahr von den internationalen Hoch- eine erste studentische Wohnanlage direkt auf dem schulpartnerschaften der TH Wildau, die ihnen Campus eröffnet. Die Hochschule trägt seit dem Auslandssemester vor allem in Ost- und Südosteu- Jahr 2009 das Prädikat „familiengerecht“, und die ropa, aber auch in China, Lateinamerika oder im Hochschulbibliothek erhielt 2012 die Auszeichnung arabischen Raum ermöglichen. Zur erfolgreichen als bundesweite „Bibliothek des Jahres“. Der Cam- Internationalisierung gehören ebenso die wach- pus besticht zudem durch seine optimale Lage in sende Zahl der Outgoings von Lehrenden und die einer wald- und seenreichen Landschaft südöstlich Implementierung von Wildauer Studieninhalten an der Hauptstadt Berlin. ausländischen Universitäten und Hochschulen. Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten entwickelte sich Die TH Wildau verfügt über einen attraktiven die Technische Hochschule Wildau somit zu einer Hochschulcampus auf einem traditionsreichen der führenden (Fach)Hochschulen Deutschlands. Der Campus der Technischen Hochschule Wildau liegt verkehrsgünstig direkt am Westausgang des S-Bahnhofs Wildau.
7 umweltbericht 2015 Umweltmanagement an der TH Wildau Für die staatlichen Hochschulen in Deutschland hat das Umweltmanagement eine be- sondere Bedeutung. Sie stehen als öffentlich-rechtliche Einrichtungen in der Pflicht, auf diesem Gebiet Vorbild für die Pivatwirtschaft zu sein und ihre Absolventinnen und Absol- venten zu diesem Thema für ihr Berufsleben zu sensibilisieren. Sie sind aber auch zugleich profilbestimmende wis- in Richtung eines tiefgreifenden Umweltmanage- senschaftliche Einrichtungen, die durch ihre For- ments und kontinuierlicher Verbesserungen. Am schung Innovationen im Bereich Ökologie setzen. Ende dieses Prozesses besteht auch für Hochschu- Damit tragen sie wesentlich zu einer Veränderung len die Möglichkeit, ihr Umweltmanagementsystem des Bewusstseins für eine umweltgerechte Gesell- extern prüfen und zertifizieren zu lassen.2 schaft bei. An der TH Wildau konnten bereits wichtige Schritte Umweltmanagement beschreibt die Planung, Steu- in Richtung auf ein umfassendes Umweltmanage- erung, Überwachung und Verbesserung der um- mentsystem realisiert werden. Eine mögliche Zerti- weltbezogenen Maßnahmen einer Organisation. fizierung dieses Systems etwa nach EMAS oder DIN Dabei werden bereits vorhandene Überwachungs- ISO 14001 befindet sich in der Diskussion. Dies steht und Steuerungsmaßnahmen, wie z.B. der Energie- im Einklang mit dem Leitbild der TH Wildau. Sie verbrauch oder die Mülltrennung, auf ihren Beitrag sieht im Umweltschutz einen integralen Bestandteil zum Umweltschutz geprüft und mögliche Verbes- aller Entscheidungen und Maßnahmen und hat die serungen herausgearbeitet.1 Nachhaltigkeit fest in ihrem Leitbild verankert: Die TH Wildau hat diese Steuerungsorgane im Be- „Nachhaltigkeit reich „Bauangelegenheiten, Technische Haus- und Die Technische Hochschule Wildau übernimmt eine Betriebsverwaltung“ zusammengefasst und nutzt aktive Rolle bei der Schonung und Erhaltung der na- jährliche Verbrauchsdaten, um Verbesserungspo- türlichen Lebensgrundlagen, indem die Belange der tenziale zu erkennen und realisierte Maßnahmen auf Nachhaltigkeit in alle Bereiche und Tätigkeiten der ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Dies ist eine gute Hochschule einbezogen werden.“ Basis für die Erstellung weitergehender Konzepte 1 http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_12_betrieblicher_umweltschutz.pdf (Zugriff am: 07.11.2014) 2 http://www.bne-portal.de/was-ist-bne/grundlagen/ (Zugriff am: 02.12.2014)
8 umweltbericht 2015 Kernthemen 2013/2014 Der Umweltbericht der TH Wildau für die Jahre 2013/2014 konzentriert sich auf die fol- genden Kernthemen: Energieeffizienter Campus Durch Verbesserungen an den bestehenden Gebäuden Haus 16 und Halle 17 konnten der Energiever- brauch und der CO2-Ausstoß pro genutztem m2 entscheidend reduziert werden. Dies stellt einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zum GreenCampus dar. CO2-Fußabdruck Die studentische Arbeits- und Forschungsgruppe sO2lutions hat konkrete Berechnungen zum CO2-Fußab- druck der TH Wildau durchgeführt und die symbolische Darstellung der berechneten CO2-Werte auf dem Campus angeregt. Die CO2-Werte werden in Form von Säulen symbolisiert und sollen zum Nachdenken anregen und die Studierendenschaft sowie alle Professoren und Mitarbeiter der TH Wildau zum umwelt- gerechten Handeln animieren. Einsparung von Kohlenstoffdioxid der TH Wildau, sind damit die Einsparpotenziale auf der technischen Seite weitgehend ausgereizt. Grundsätzliches Der Großteil der TH-Gebäude entspricht demnach In den letzten Jahren wurden vorrangig technische hohen energetischen Standards. Damit gewinnt Maßnahmen ergriffen, um Energie und Ressourcen das eigenverantwortliche umweltschonende Ver- einzusparen. Insbesondere durch das am 14. Januar halten der Hochschulangehörigen bei der weiteren 2009 von der Bundesregierung beschlossene Kon- CO2-Einsparung eine herausragende Bedeutung. junkturpaket II (Pakt für Beschäftigung und Stabili- tät) erhielt die TH Wildau finanzielle Spielräume für Im Rahmen der Arbeits- und Forschungsgruppe energetische Sanierungen und Investitionen in rege- „sO2lutions“ stellen sich Studierende aus dem Fach- nerative Energiequellen. bereich Wirtschaft, Informatik, Recht gemeinsam mit ihren Dozenten dieser Verantwortung. Durch Die Mittel aus dem Konjunkturpaket II ermöglichten ihre Initiative wollen sie alle Kommilitoninnen und u.a. die Anschaffung eines „GreenLab“ – ein energe- Kommilitonen und auch alle Mitarbeiterinnen und tisch sparsames IT-Labor –, einer Photovoltaik-Anlage Mitarbeiter der TH Wildau zum einen für umweltbe- und die Installation von wasserlosen Urinalen. Nach wusstes Verhalten sensibilisieren und zum anderen Einschätzung von Detlef Krüger, Sachgebietsleiter mehr Nachhaltigkeit mit praktischen Aktionen und für Bauangelegenheiten und Energiebeauftragter Beispielen erreichen.
9 umweltbericht 2015 Umweltbezogener Nutzen des öffentlichen Haltepunkt genutzt werden konnte. Durch die Er- Nahverkehrs weiterung in Form eines zweiten Gleises entstand Eine praktische Möglichkeit zur Einsparung von CO2 ein moderner Kreuzungsbahnhof, bei dem sich ergibt sich durch die Nutzung von öffentlichen Ver- die aus Berlin und Königs Wusterhausen kommen- kehrsmitteln wie Bus und Bahn. Ein PKW ist durch- den Bahnen auf der sonst eingleisig ausgebau- schnittlich mit 1,5 Personen besetzt und liegt damit ten Strecke begegnen können. Dadurch wird ein deutlich unter der Auslastung der Bahn von 42 %. 10-Minutentakt auf der Strecke Königs Wuster- Der Nahverkehr ist in fast jeder Situation günstiger hausen-Wildau-Zeuthen und umgekehrt technisch als der PKW, da die Vollkosten durchschnittlich bei realisierbar und ein besserer Anschluss nach Berlin 40 bis 60 Cent pro Kilometer liegen und damit, z.B. möglich. für eine einfache Fahrtstrecke vom Zentrum Berlins nach Wildau mit etwa 12 Euro zu kalkulieren sind. Täglich nutzen etwa 3.000 Fahrgäste den Bahnhof, Eine ABC-Fahrkarte für die S-Bahn nach Wildau kos- davon ein Großteil Studierende, Mitarbeiterinnen tet 3,10 Euro. Noch günstiger sind Zeitkarten wie und Mitarbeiter der TH Wildau. Eine Verlängerung Monats- oder Jahreskarten.3 der Linie S8, die bisher eine Station vor Wildau – in Zeuthen – ihren Endpunkt hat, wäre wünschens- Anbindung der TH Wildau an den wert und würde eine deutliche Verbesserung des öffentlichen Nahverkehr Nahverkehrs in der Region mit sich bringen.4 Dies Eine herausragende Bedeutung für den Nahverkehr würde die Attraktivität des öffentlichen Nahver- in Wildau und damit auch für die TH Wildau hat der kehrs gegenüber der privaten PKW-Nutzung wei- S-Bahnhof Wildau. Von hier besteht im 20-Minuten- ter erhöhen und den durch die PKW-Nutzung der takt ein direkter Anschluss nach Berlin und Königs Hochschulangehörigen verursachten CO2-Ausstoß Wusterhausen. Die Linie S46 verbindet Wildau über deutlich senken.5 Berlin-Adlershof und Berlin-Südkreuz mit wichtigen Knotenpunkten in Berlin und bietet einen schnellen Die Landesregierung sollte bei der Bestellung zu- Anschluss an den zukünftigen Hauptstadtflughafen künftiger Fahrleistungen der Berliner S-Bahn eine Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“. bedarfsgerechte Anpassung des Taktes an die nun möglichen technischen Gegebenheiten prüfen. In den Jahren 2011 bis 2013 wurde der S-Bahnhof Die TH Wildau setzt sich im Interesse der weiteren Wildau durch die Deutsche Bahn grundlegend er- Stärkung des Wissenschafts-, Technologie- und neuert und ausgebaut. Bis dahin existierte nur ein Wirtschaftsstandortes für einen Ausbau in Richtung Gleis, weshalb Wildau von der S-Bahn lediglich als 10-Minutentakt ein. S-Bahnhof Wildau führt direkt auf den Ludwig-Witthöft-Platz mit dem Mensa-/ Bibliotheksgebäude (Halle 10). 3 http://www.vcd.org/verkehrsmittel-vergleich.html (Zugriff am: 09.07.2014) 4 http://www.maz-online.de/Lokales/Dahme-Spreewald/S-Bahn-erhaelt-endlich-ein-zweites-Gleis (Zugriff am: 07.06.2014) 5 http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2012/DL_ PerspektivenMobilitaetVerkehr.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Zugriff am: 17.09.2014)
10 umweltbericht 2015 Photovoltaikanlagen auf den Hochschulgebäuden Haus 15 und Haus 100. Photovoltaikanlagen die erzeugte Energie der Solarzellen speichern und mit dem Stromnetz zu synchronisieren, werden 15 Als innovativer und praxisnaher Forschungsstand- Wechselrichter eingesetzt. Der von den Solaran- ort besitzt die Technische Hochschule Wildau die lagen erzeugte Strom wird ausschließlich von der notwendigen Kompetenzen für ein effizientes und Hochschule selbst genutzt. zukunftsgerechtes Umweltmanagement. Neben Laboren mit modernster Technik und qualifizier- Insgesamt können die Solarenergieanlagen der TH tem Personal in Forschung, Lehre und Verwaltung, Wildau eine Leistung von 126,43 KWp erbringen. bietet der Campus mit seiner Architektur Raum In der nachfolgenden Übersicht ist dargestellt, wie für die Entwicklung einer langfristigen angelegten viele Kilowattstunden Strom im vergangenen Jahr Umweltstrategie, speziell im Bereich der solarener- durch die Solaranlagen erzeugt wurden.7 getischen Versorgung. Auf dem Weg hin zu einer „grünen“ Hochschule bedarf es dabei aber nicht Die Energieerzeugung ist abhängig von der Anzahl nur eines detaillierten Konzepts, sondern auch ei- der Sonnenstunden. Der höchste Wert wurde im Juli ner ausführlichen Analyse des bisherigen Ressour- 2013 mit 20.165 KW/h erreicht. Ein durchschnittli- cenverbrauchs einschließlich einer CO2-Bilanz, die cher Ein-Personen-Haushalt benötigt pro Jahr etwa Aufschluss über die Klimawirkungen der Aktivitäten 2.000 KW/h Strom in Deutschland.8 Das heißt, die an der Hochschule gibt. Vor mittlerweile fast drei an der Hochschule installierte Photovoltaikanlage Jahren wurden zwei Photovoltaik-Anlagen auf den liefert kumuliert ein jährliches Äquvalent für mehr Dächern der Häuser 15 und 100 in Betrieb genom- als 50 Ein-Personen-Haushalte. Diese Zahl gibt ei- men. Bei der Auswahl der Module für die Gebäude nen realistischen Überblick darüber, wie groß der der TH Wildau wurde auf Nachhaltigkeit und Ener- Nutzen ist, den die Hochschule aus den Photovol- gieeffizienz geachtet.6 taikanlagen zieht. In den kommenden Jahren sind weitere Investitionen in diesem Bereich geplant, nä- Die Photovoltaik-Anlagen bestehen aus 538 ener- here Informationen dazu werden im Umweltbericht getisch effizienten und preiswerten monokristalli- 2015 gegeben. nen Silizium-Modulen des Typs Aleo S_18235. Um 6 http://www.aleo-solar.de/unternehmen/unternehmen/unternehmensprofil/ (Zugriff am: 14.05.2014) 7 Anmerkung: KWp steht für Watt Peak und ist eine im Bereich Photovoltaik gebräuchliche, nicht normgerechte Bezeichnung für die elektrische Leistung (Einheit: Watt) von Solarzellen. 8 Anmerkung: Hierbei handelt es sich um einen Richtwert [http://www.stromverbrauch-haushalt.de/gasverbrauch- singlehaushalt.html (Zugriff am: 11.10.2014)].
11 umweltbericht 2015 Gesamterzeugung des Solarstroms von Haus 15 und Haus 100 in KW/h Monat Ablesetag Gesamterzeugung in KW/h Januar 01.02.2013 910 Februar 01.03.2013 1.380 März 01.04.2013 4.105 April 01.05.2013 11.930 Mai 01.06.2013 14.745 Juni 01.07.2013 18.430 Juli 01.08.2013 20.165 August 01.09.2013 16.010 September 01.10.2013 9.120 Oktober 01.11.2013 6.320 November 01.12.2013 2.270 Dezember 01.01.2014 1.685 Gesamt 107.070 Quellen Aleo solar (2014). Unternehmensprofil. Online verfügbar unter: http://www.aleo-solar.de/unternehmen/unterneh- men/unternehmensprofil/ Bayrisches Landesamt für Umwelt (2014). Betrieblicher Umweltschutz mit Umweltmanagementsystemen. Online verfügbar unter: http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_12_betrieblicher_umweltschutz.pdf Bildung für nachhaltige Entwicklung (2014). Grunndlagen. Online verfügbar unter: http://www.bne-portal.de/was- ist-bne/grundlagen/ Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2012). Transnationale Perspektiven für Mobilität und Verkehr. Online verfügbar unter: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2012/ DL_PerspektivenMobilitaetVerkehr.pdf?__blob=publicationFile&v=2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014). Energiewende direkt. Online verfügbar unter: http://www.bm- wi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2014/20/Bilder/printversion-20.pdf?__blob=publicationFile&v= 4 Bundesverband WindEnergie (2014). Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Online verfügbar unter: http://www. wind-energie.de/themen/eeg-aktuell Heitec Solar (2014). Solarstrom. Online verfügbar unter: http://www.heitecsolar.de/solarstrom/ MAZ (2013). S-Bahn erhält endlich ein zweites Gleis. Online verfügbar unter: http://www.maz-online.de/Lokales/ Dahme-Spreewald/S-Bahn-erhaelt-endlich-ein-zweites-Gleis SolarContact (2014). Photovoltaik Module: Systeme & Eigenschaften. Online verfügbar unter: http://de.solarcontact. com/photovoltaik/pv-module VCD (2014). Intelligent mobil sein - Verkehrsmittel im Vergleich. Online verfügbar unter: http://www.vcd.org/ver- kehrsmittel-vergleich.html
12 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Green Growth in Brandenburg am Beispiel des Regionalen Wachstumskerns Schönefelder Kreuz Green Growth als kritischer Erfolgsfaktor für regionale Entwicklung und Wohlstand Die immer knapper werdenden natürlichen Ressour- Satz von Indikatoren zu erarbeiten, der als diese cen und die als schützenswertes Gut weithin aner- Tool-Box fungieren kann. (OECD Green Growth) kannte Natur lassen umweltschonende Unterneh- mensführung unverzichtbar werden. Mehr noch: Dazu wurden entsprechende Indikatoren zunächst “The transition towards a green economy is a key definiert und anschließend in vier Regionen da- factor for growth and prosperity in the German fe- hingehend analysiert, ob sie zur Beschreibung deral state of Brandenburg. Future living conditions und Bewertung des grünen Wachstums, d.h. des will be determined by the course set now. We have Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, to decide today how we want to live tomorrow, not geeignet sind. Neben Kopenhagen, Gent und Lux- only in economic terms, but also with regard to en- emburg (im Verbund) sowie Santiago de Chile war vironmental stewardship. I am convinced that there der Regionale Wachstumskern Schönefelder Kreuz is no alternative to a green transition when it co- die vierte Untersuchungsregion. Gemeinsam mit mes to shaping the world to be a place worth living Vertretern aus Politik und Wirtschaft oblag es der in. There are issues we have to deal with, but first TH Wildau, die gewünschten Analysen für das Schö- and foremost there are great opportunities to seize. nefelder Kreuz vorzunehmen und die Resultate ge- The relevant players in Brandenburg are aware of eignet zu dokumentieren. complex challenges resulting from the present tran- sitional process. They are redoubling their efforts to Konkret wurden einerseits insbesondere statistische promote further economic development towards Daten über den Regionalen Wachstumskern Schö- sustainability.” (Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsi- nefelder Kreuz ausgewertet. Andererseits wurde im dent des Landes Brandenburg, in: OECD 2013, S. 3). September 2012 ein Workshop an der TH Wildau und auf der ILA International Berlin Air Show durch- Wie sieht der Weg Brandenburgs in Richtung „green geführt und die Ergebnisse in einem Bericht zusam- economy“ aus und welchen Stand hat das Land mengeführt. Dieser Bericht wurde im Rahmen einer aktuell erreicht? Diese Fragen wurden 2012/13 im festlichen Veranstaltung mit hochrangiger interna- Rahmen eines gemeinsamen Projektes der Organi- tionaler und nationaler Beteiligung am 30. Septem- sation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusam- ber 2013 in der Landesvertretung Brandenburg in menarbeit OECD, des Regionalen Wachstumskerns Berlin vorgestellt. Er ist nunmehr als OECD-Publika- Schönefelder Kreuz (Königs Wusterhausen, Wildau tion mit eigener ISSN in englischer Sprache verfüg- und Schönefeld) und der TH Wildau untersucht, das bar. (OECD 2013) wiederum Teilprojekt einer international angeleg- ten Analyse war. Ausgangspunkte waren die Green Ergebnisse und Empfehlungen Growth Strategy der OECD und eine hierzu passen- Der Regionale Wachstumskern Schönefelder Kreuz de Tool-Box der OECD. ist wesentlich durch die Luftfahrt geprägt. Diese zeigt sich in Forschung und Industrie, insbesondere Green Growth-Projekt „Schönefelder Kreuz“ aber anhand des existierenden Flughafens Schöne- For a stronger, cleaner, fairer world economy – die- feld und des geplanten Flughafens Berlin Branden- ser Satz beschreibt die OECD Green Growth Stra- burg International. tegy in sehr prägnanter Weise. Konkret verfolgt die OECD mit ihrer Green Growth Strategy das Haupt- Der bisherige und der zukünftige Flughafen können ziel, wirtschaftliches Wachstum und wirtschaftliche gleichzeitig als „Segen und Fluch“ für die Region Entwicklung zu fördern und dabei gleichzeitig ei- betrachtet werden. Ist der Flughafen einerseits ein nen angemessenen Umgang mit den natürlichen Magnet für wirtschaftliches Wachstum und damit Ressourcen und unserer Umwelt, also mit den für die ökonomische Entwicklung des Regionalen Grundlagen unseres Wohlergehens sicherzustellen. Wachstumskerns Schönefelder Kreuz, wirkt er an- (OECD Green Growth) dererseits nicht als Treiber bei der ökologischen Entwicklung der Region. Um den tatsächlich erreichten Stand des Green Growth, des wirtschaftlichen und zugleich grünen, Zur Verdeutlichung sei darauf verwiesen, dass 2022 also nachhaltigen Wachstums ausgewählter Regio- gegenüber 2004 ein Plus von ca. 40.000 und da- nen und/ oder Branchen messen und vergleichen mit etwa 80% mehr sozialversicherungspflichtige zu können, ist eine Tool-Box erforderlich. Die OECD Beschäftigungsverhältnisse in der Region prognos- strebt im Rahmen des LEED Local Economic and tiziert werden. (Becker et al. 2012, S. 49) Gleichzei- Employment Development-Projekts “Measuring tig ist der zukünftige Flughafen Berlin Brandenburg the Potential of Green Growth – Indicators of Local International durchaus ein sehr moderner Airport, Transition to a Low-Carbon Economy” an, einen entspricht jedoch in Bezug auf ökologische Aspekte
13 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE nur dem State-of-the-Art: „ The BER is a new airport einhergeht. Demgemäß spricht das Projekt die and thus its resource performance will be improved Empfehlung aus, dass Bildungseinrichtungen wie by the use of standard, higher performance buil- etwa die TH Wildau „are able to deliver the skills ding design and equipment, but it is unclear what, development that meets the needs of industry and in addition to this, is innovative and worthy of the provides labour force mobility. Green skills develop- label “green”. In other words, ecology and sustain- ment needs to be supported by specific action plans ability were integrated in the general planning as and embedded in the training curriculum at both a routine matter, following established standards public and private sector level.“ (OECD 2013, S. 14) – but not conceptualised as a priority […]“ (OECD 2013, S. 59) Alle Empfehlungen des Projektes bzw. die sich da- raus ergebenden Maßnahmen müssen sich aber Entsprechend lautet eine der ersten Empfehlun- auch „rechnen“. Entsprechend behält das Projekt gen für den Regionalen Wachstumskern Schöne- neben der ökologischen immer auch die ökonomi- felder Kreuz, dieser verpassten Gelegenheit im sche Perspektive im Blick. So wird unter anderem Rahmen der weiteren strategischen Planungen für das Monitoring aller eingesetzten Ressourcen und den Wachstumskern und insbesondere für den zu- Mittel vorgeschlagen, damit die Akteure im Regio- künftigen Flughafen Rechnung zu tragen und mehr nalen Wachstumskern die Kosten im Blick behalten als bisher ein wesentliches Augenmerk auf die Air- und der Nutzen höher als diese ist, damit schlus- port-bedingten ökologischen Herausforderungen sendlich die eingangs gewünschte Entwicklung der zu legen. (OECD 2013, S. 13) Region hin zu ökonomischem, ökologischem und sozialem Wohlstand beibehalten und sinnvoll fort- Weiterhin zeigen die Untersuchungen am Regiona- geführt werden kann. (OECD 2013, S. 14f.) len Wachstumskern Schönefelder Kreuz, dass Green Growth – wie zu erwarten – wesentlich auch mit der Prof. Dr. Bertil Haack Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Quellen Becker, C. et al. (2012): Regionalwirtschaftliches Gutachten zu den Auswirkungen des Flughafens Berlin Brandenburg auf die Entwicklung der Kommunen im Flughafenumfeld, GIB Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung mbH/ Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Berlin. OECD (2013): Green Growth in Brandenburg: An Analysis of the Regional Growth Core Schönefelder Kreuz, OECD, Paris, 2013 (ISSN 2079-4797 (PDF) OECD Local Economic and Employment Development (LEED) Working Paper Series. OECD Green Growth: http://www.oecd.org/greengrowth/ (Zugriff: 11.01.2014)
14 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Algenproduktionsanlage Im Zeitalter einer exponentiell wachsenden Weltbevölkerung und Konsumgesellschaft, die mit einer Verknappung von fossilen Rohstoffen einhergeht, gewinnt der Einsatz nach- wachsender Rohstoffe immer mehr an sozialer aber auch wirtschaftlicher Bedeutung. Mikroalgen umfassen im Wesentlichen sowohl eine für die Biosorption von Schwermetallen und für Vielfalt von einzelligen Organismen, wie die Rot-, CO2-Recycling. Zukunftsweisend gewinnen Mikro- Braun- und Grünalgen, als auch die kernlosen algen in der Erzeugung von Bioenergie ebenfalls an Cyanobakterien, besser bekannt als Blaualgen. Die Bedeutung.2 mindestens 50.000 verschiedenen existenten Arten kommen vor allem in Salz-, Brack- und Süßwasser Die industrielle Algenkultivierung geschieht prinzi- vor, treten jedoch auch als terrestrische Lebens- piell in zwei unterschiedlichen Systemen – in offe- form im feuchten Erdreich oder an Steinen auf. Das nen oder geschlossenen Systemen: Ernährungsverhalten variiert von autotroph über Offene Systeme, oder auch Open Pond Systeme ge- mixotroph bis hin zu heterotroph. Die heterotrophe nannt, unterteilen sich im Wesentlichen in natürli- Ernährung kennzeichnet sich durch die Aufnahme che Gewässer, künstlich angelegte Teiche oder Bas- einer organischen Nährstoffquelle. Die mixotrophe sins. Diese sind in der Regel flach gehaltene Becken, verknüpfen die autotrophe und heterotrophe Ener- sodass die Alge unter bester Sonneneinstrahlung an giegewinnung und passt sich je nach Disponibilität der Wasseroberfläche gedeihen kann. an eine organische oder anorganische Nahrungs- Geschlossene Systeme beschreiben die Verwen- aufnahme an. Autotrophe Algen wachsen durch dung eines Photobioreaktors (PBR) in Rohr- oder das bei der Photosynthese aufgenommene Sonnen- Schlauchsystemen. Alle Wachstumsvoraussetzun- licht, sowie Wasser, Nährstoffe und Kohlenstoffdio- gen werden in das System eingeleitet und entspre- xid. Dabei wandeln Algen unter der Freisetzung von chend den Anforderungen der Algenspezies gesteu- Sauerstoff Kohlenstoffdioxid in wertvolle Biomasse ert. Mittels kontrollierbarer Umgebung bei Einsatz um. Somit tragen sie zu der Hälfte des Sauerstoffge- dieser Technik, weisen die dort kultivierten Algen halts der Atmosphäre bei und bieten die Grundlage eine sehr hohe Produktivität auf. So lassen sich die für die Gewinnung zahlreicher Produkte, die einen Kohlenstoffdioxidzufuhr, die Wasserversorgung, so- wirtschaftlichen Nutzen in den verschiedensten wie die Temperatur und die effiziente Einwirkung Branchen haben. Dies betrifft vor allem den Bereich von Licht optimal regulieren und anforderungsspe- der Nahrungsergänzungsmittel, der Lebensmittel, zifisch anpassen.3 der Aquakultur und der Kosmetik, aber auch Ener- gieträger, wie Biodiesel.1 Algenproduktion an der TH Wildau Im Rahmen des Projektes „Integrierter Algenreak- Algen sind die primitivste Pflanzengruppe mit einer tor“ entstand unter Betreuung von Prof. Dr. Wil- enormen Anpassungsfähigkeit an extreme Lebens- denauer ein Kombiniertes Biophotonisches System bedingungen und sind dadurch auf der Erde allge- (KBS). Das KBS (engl. Biophotonic Combined Ener- genwärtig. Allgemein betrachtet sind Mikroalgen: gy System (BCES)) beschreibt einen integrierten Al- • die ersten Sauerstoff-Produzenten der genreaktor mit Abgaszufuhr und ist eine Innovation Erde, in der Algenproduktion. Die Idee existiert in der • die wichtigsten CO2-Konsumenten, Algenproduktionsforschung schon länger auf dem • der Beginn der Nahrungskette in den Papier, umgesetzt wurde sie bis dato jedoch nur Ozeanen, mit einer Pilotanlage der TH Wildau. Diese ist seit • die wichtigsten Primärproduzenten der März 2011 in Betrieb und dient ausschließlich For- Welt, schungszwecken ausgerichtet auf die Erforschung • die ökologisch variabelste Organismen- von ertragseffizienten und damit wirtschaftlichen gruppe. Anwendungsmöglichkeiten der Algenkultivierung. Gegenwärtig finden Mikroalgen vorwiegend Ver- Im Fokus steht dabei weniger die Algenenergie als wendung als Nahrungsergänzungsmittel, Futter- die Nutzung von Algen für die Ernährungs- und Fut- zusätze, sowie in der chemischen Industrie, in der terwirtschaft. So wird z.B. ein großes Anwendungs- Pharmazie und in der Kosmetikindustrie. Ebenso potenzial durch Kraftfutterersatz in der Vieh- und werden sie als Düngemittel, Pestizide und Biostimu- Fischzucht erwartet. latoren in der Landwirtschaft und für Aquakulturen eingesetzt. Aufgrund ihrer sauerstoffumwandeln- Anfangs wurde in Wildau mit einer vertikalen Al- den und CO2-verbrauchenden Eigenschaften eig- genanlage gearbeitet. Die Durchströmung der nen sie sich außerdem gut zur Abwasserreinigung, Algenflüssigkeit mit CO2-haltigen Abgasen eines 1 vgl. Geier, S./Buchholz, R. (2013), S. 328. 2 vgl. Pulz, O. (2009), S.88. 3 vgl. Pulz, O. (2009), S.88.
15 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE BHKW erfolgte in vertikaler Richtung durch speziel- Nutzen dieses Systems besteht darin, dass zusätz- le Kunststoffrohre. Ein großes Problem ist dabei das lich zu den Wertstoffen Strom und Wärme erzeugt „Anwachsen“ der Algen an den Rohrinnenwänden, werden. Weiterhin wird der CO2-Ausstoß des BHKW sodass auch bei dieser Anlage regelmäßige Reini- minimiert und somit die Umwelt geschont. Die In- gungsgänge notwendig sind, um die Lichteinstrah- tention und zeitgleich Innovation dieses Systems ist lung nicht zu beeinträchtigen. die Schließung von Stoffkreisläufen, um Rohstoffe maximal zu verwerten und sparsam zu nutzen.5 Alternativ wird jedoch derzeit eine horizontale Al- genanlage erprobt, mit der bessere Ergebnisse er- Damit entspricht dieser Prozess den in § 4 des Ge- zielt werden. Die unterschiedliche Farbe der Reak- setzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Si- torröhren resultiert u.a. aus der Verwendung ver- cherung der umweltverträglichen Beseitigung von schiedener Algenarten. Da es sich hier lediglich um Abfällen formulierten Grundsätzen der Kreislauf- Laborversuche handelt, wird auch die notwendige wirtschaft. Darin ist in erster Linie eine Vermeidung Lichteinstrahlung durch künstliche Beleuchtung un- von Abfällen vorgesehen und in zweiter Linie die terschiedlicher Art realisiert.4 stoffliche und energetische Verwertung derer um- zusetzen. Als Maßnahme zur Vermeidung ist unter Die Funktionsweise eines Kombinierten anderem eine anlageninterne Kreislaufführung von Biophotonischen Systems (KBS) Stoffen empfohlen.6 Diese Maßnahme wird im KBS Neben dem Einsatz eines PBRs im geschlossenen weitgehend umgesetzt. System wird im KBS die Algenproduktionsanlage um eine Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass (BHKW) erweitert. Über den allgemeinen bereits sich an der TH Wildau ein beachtliches Wissenspo- erläuterten Produktionsprozess hinaus wird die rest- tenzial bezüglich der Anwendung von Algen für vie- liche Biomasse unter Sauerstoffabschluss in einer le mögliche Einsatzzwecke angesammelt hat. Dieses Biogasanlage zu Biogas umgewandelt. Das Gemisch Potenzial erweitert sich stetig durch Forschungsak- aus Methan und CO2 wird in dem BHKW in Strom tivitäten, die unter anderem auch in studentischen umgewandelt. Als Nebenprodukt entsteht Wärme. Abschlussarbeiten ihre Umsetzung finden, sodass Die dabei entstehenden Abgase werden aufgear- man auf dem besten Wege ist kurzfristig zu wirt- beitet und dem PBR zugeführt. Sie dienen den Al- schaftlichen Verfahrensweisen zu kommen. gen als CO2-Quelle, sodass für die Algenprodukti- on kein CO2 eingekauft werden muss. Abbildung 1 Theresa Schubert stellt die Ablaufprozesse eines KBS grafisch dar. Der Abbildung 1: Ablaufprozesse des KBS7. 4 vgl. Lisker, R. (2013). 5 vgl. Lisker, R. (2013). 6 vgl. Bundesamt für Umwelt und Reaktorsicherheit. (2012), S. 9. 7 Darstellung TH-Wildau intern (2013).
16 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Foto links: Blockheizkraftwerk. Foto rechts: Algenreaktor vertikal. Algenreaktor horizontal.
17 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Versuchsbiogasanlagen im Technikum für regenerative Energie zur Durchführung von Gärversuchen. Quellen Bundesamt für Umwelt und Reaktorsicherheit (2012): Gesetz zur förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG. Geier, S.; Buchholz, R. (2013): Mikroalgen: Produktionsorganismender Zukunft? In: Biospektrum 19 (3), S. 328-331. Lisker, R. (2013): Kombiniertes Biophotonisches System. Hg. v. Ferrum - Nachrichten aus der Eisenbibliothek. Stiftung der Georg Fischer AG. Schlatt/Schweiz (85). Pulz, O. (2009): Biotechnologische Energieumwandlung. Mikroalgen als Energieträger der Zukunft. Herausgegeben von Thomas Bley. acatech. Heidelberg: Springer.
18 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Umweltrecht Laut W. Kluth, wird die Umwelt im Allgemeinen als „[...] die umgebende Welt vor allem des Menschen, aber auch anderer Lebewesen“1 bezeichnet. Im Speziellen wird heute die Gesamtheit der äußeren die vielfältigen Erkrankungen in den Ballungsgebie- Lebensbedingungen mit einbezogen, die auf eine ten, die als Nebenerscheinung der Motorisierung bestimmte Lebenseinheit (Mensch, Tier, Pflanze) und Industrialisierung auftraten. Den Anfang mach- einwirken, beziehungsweise in einer Wechselbezie- te der Clean Air Act der USA von 1963. Im Jahr 1971 hung mit dieser stehen. Ebenso werden in neuerer folgte ein Umweltschutzprogramm, das richtung- Zeit klimatische Bedingungen, wie die Ozonschicht weisend für die Bundesrepublik wurde. Die breite in den Umweltbegriff mit einbezogen. Somit kann Bevölkerung entwickelte jedoch erst durch Miss- der Begriff Umwelt als durchaus entwicklungsoffen stände, wie das Fischsterben am Rhein, die Versaue- verstanden werden.2 rung der Meere, das Waldsterben und der Nuklear- katastrophe von Tschernobyl ein sich entwickelndes Eine gesetzliche Definition findet sich am ehesten Umweltbewusstsein.7 im Anschluss an das Europarecht unter § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG. Dieses breit ansetzende Verständnis für die In der heutigen Zeit wird Umweltrecht als selbst- medienübergreifende Ökologie erfasst hierbei auch ständiges Rechtsgebiet gesehen mit einer Vielzahl Sach- und Kulturgüter.3 von Gesetzen, die nicht immer hinreichend sachlich und verfahrensrechtlich aufeinander abgestimmt Umweltrecht sind. Anfang der 1990er Jahre wurde versucht mit Im Umweltrecht kann die Gesamtheit aller Normen einem Umweltgesetzbuch diesen Umstand zu hei- angeführt werden, die dem Umweltschutz förder- len. In dem Allgemeinen Teil sollte das Verfahrens- lich sind. Der Grundgedanke des Umweltschutzes recht und die Instrumente vereinheitlicht werden ist hierbei, dass die Gesundheit der Menschen und und in den übrigen Teilen wären die einzelnen deren Lebensumfeld bewahrt wird.4 Unterschieden Fachgesetze aufgenommen worden. Zuletzt schei- wird hier, Umweltrecht im engeren Sinne, wie das terte der Versuch eines Umweltgesetzbuches im Immissionsschutzrecht, das Naturschutzrecht, das Jahr 2009.8 Grund dafür könnte die in Deutschland Bodenschutzrecht, das Umweltinformationsgesetz konkurrierende Gesetzgebung sein, welche durch und im weiteren Sinne das Raumordnungsrecht so- Artikel 74 GG geprägt ist.9 wie das Bauplanungsrecht.5 Im Umweltrecht wird unterschieden zwischen dem Die Entwicklung vom Umweltschutz zum Umwelt- öffentlichen Recht, dem sogenannten Umweltver- recht wird nun im nachfolgenden erläutert. waltungsrecht und dem Umweltprivatrecht. Die zentralen Vorschriften, wie zum Beispiel des Abfall-, Bereits im Altertum erkannten die Menschen, dass Bau-, Boden-, Immissions-, Naturschutz, sowie die durch die Bildung von Siedlungen und somit einer dazugehörigen Ausführungsbestimmungen sind verhältnismäßig hohen Besiedlungsdichte Proble- Teil des öffentlichen Rechts. Wohingegen die Rege- me durch Abfälle und Abwässer entstanden waren lungen der zivilrechtlichen Haftung, dem Umwelt- und somit eine Gefährdung der Gesundheit der privatrecht zuzuordnen sind. Maßnahmen für um- Menschen folgte. Mit Hilfe von Entwässerungska- weltbeeinträchtigende Straftaten ergeben sich aus nälen oder offenen Gerinnen versuchte man diesen dem Strafgesetzbuch.10 Umstand zu beseitigen.6 Im Mittelalter geriet dieses Wissen jedoch in Vergessenheit und es folgten bei- Nach allgemein herrschender Meinung ist das Um- spielsweise Pest- und Choleraepidemien. weltrecht von drei Grundprinzipien geprägt, dem Vorsorgeprinzip, dem Verursacherprinzip und dem Anfang der 1960er Jahre erkannten die USA und Ja- Kooperationsprinzip. Diesen Prinzipien kam im Jahr pan, in denen die Umweltbelastungen am größten 1990 im Zuge des Beitritts der Neuen Bundesländer waren, dass zukünftig dringend Schutzmaßnahmen zur Bundesrepublik Deutschland eine besondere erforderlich sind. Ausschlaggebend hierfür waren Rolle zu, durch die Erwähnung in Art. 34 Abs. 1 EV.11 1 Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 2 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 1-2. 3 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 1 Rn. 5. 4 Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 1. 5 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 9. 6 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 22. 7 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 24. 8 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE). 9 Vgl. hierzu zum Beispiel Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, vb24, 29 GG. 10 Vgl. Mache, S. 4.
19 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Dieser besagt, dass die natürlichen Lebensgrundla- GG und geht somit dem einfachen Bundesrecht vor. gen des Menschen unter Beachtung der vorgenann- Einen Rechtsanspruch auf eine saubere Umwelt aus ten Prinzipien zu schützen und die Einheitlichkeit dem Umweltvölkerrecht kann für den einzelnen der ökologischen Lebensverhältnisse auf hohem, Menschen hierdurch nicht hergeleitet werden. mindestens jedoch auf dem in der BRD erreichtem Niveau zu fördern sind.12 Umweltrelevante Normen des Unionsrechts Verträge, welche die Mitgliedstaaten der EU schlie- Umweltrechtliche Normenhierarchie ßen, gelten als Primärrecht. Durch die Realisierung Umweltvölkerrecht des Vertrages über die Europäische Union (EUV) Das Umweltvölkerrecht, als Teilbereich des beson- erlangte Ende 2007, die bis dahin unverbindliche deren Völkerrechts, versteht sich zum einen als Ge- Grundrechte-Charta (GRC), aufgrund der Verweise genstand völkerrechtlicher Kooperationspflichten, in Art. 6 Abs. 1 EUV17 Rechtsqualität18. hier als Ansatz zum Schutz der Umwelt. Andererseits versucht es einen menschenrechtlichen (anthropo- Die Vorschrift des Art. 37 GRC Umweltschutz, ent- zentrischen) Ansatz, ein sogenanntes individuelles hält nach allgemeiner Auffassung nur einen Grund- Menschenrecht auf eine (gesunde) Umwelt zu schaf- satz i.S.d. Art. 52 Abs. 5 GRC und somit kein unmit- fen. Aufgabe des aktuellen Völkerrechts ist es die- telbar einklagbares Recht.19 Der Art. 52 regelt die se Ansätze zu vereinen und einen entsprechenden Tragweite und Auslegung der Rechte und Grund- Ausgleich zu schaffen. Hierzu regelt das Völkerrecht sätze. Diese Grundsätze können gemäß Art. 52 Abs. die Beziehungen der Staaten untereinander, den in- 5 S. 1 durch Rechtsakte konkretisiert und ausgestal- ternationalen Organisationen sowie die Verhältnisse tet werden. Dies geschieht hauptsächlich durch den zwischen diesen.13 Gesetzgeber.20 Soweit Durchführungsakte erlassen werden, führt dies zu genaueren Vorgaben für Allgemeinhin werden völkerrechtliche Prinzipien Verwaltung und Rechtsprechung der Union sowie durch ihren „soft law“ Charakter als eher umstritten deren Mitgliedstaaten. Zudem können Durchfüh- angesehen, da diese vor internationalen Gerichten rungsakte subjektive Rechte einräumen, wie auch keine einklagbaren Ansprüche begründen. Vielmehr Rechtspflichten für Private schaffen.21 Allerdings handelt es sich hierbei um eine politisch-moralische enthält Art. 52 Abs. 2 eine Kollisionsregel, welche Bindungswirkung, die abhängig davon ist, wie die aussagt, dass Rechte, die gemäß EUV und AEUV internationalen Vereinbarungen in innerstaatliches garantiert sind, nicht durch die Grundrechtecharta Recht umgesetzt werden. Unterschieden werden verändert werden sollten.22 völkerrechtliche Verträge und die allgemeinen Re- geln des Völkerrechts, wie das Völkergewohnheits- Die Vorgaben lt. Art. 37 GRC sind zudem für ein recht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze.14 Eine unmittelbar geltendes subjektives Recht zu unbe- innerstaatliche Geltung des Völkerrechts richtet sich stimmt. Unklar ist ebenso, wer Grundrechtsträger in Deutschland nach Art. 25 und 59 Abs. 2 GG.15 sein soll.23 In diesem Sinne können sich keine An- sprüche auf eine saubere Umwelt für den Einzelnen Art. 59 Abs. 2 GG regelt die Völkerrechtliche Ver- aus Art. 37 GRC ergeben. tretungsmacht in der Bundesrepublik Deutschland. Gemäß dieser Vorschrift bedarf es der Zustimmung Ziele und Grundsätze der Umweltpolitik der des Bundestages, damit völkerrechtlichen Verträgen Union und Beschlüssen von internationalen Organisatio- Art. 191 AEUV formuliert die Umweltpolitischen nen, der Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten, ihre Wir- Ziele der Gemeinschaft im Bereich der Umweltpo- kung entfalten können. Diese Zustimmung erfolgt litik und begründet somit deren Prinzipien, ähnlich durch die Verabschiedung eines Bundesgesetzes.16 dem Wortlaut des Art. 20 a GG. Außerdem regelt Stellt sich eine Regelung als allgemeiner Grundsatz Art. 191 AEUV die Zusammenarbeit mit Drittlän- des Völkerrechts, auch Völkergewohnheitsrecht, dar, dern wie auch internationaler Organisationen.24 dann erfolgt eine Rechtsbindung direkt aus Art. 25 Die in Art. 191 Abs. 1 AEUV rechtlich verbindlichen 11 Klöpfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 1 ff. mit Verweis auf Erbguth/Schlacke, § 3 Rn. 1. 12 Vgl. Kloepfer, S. 33. 13 Vgl. Rogall, H.; S. 154. 14 Prümm/Stoephasius, S. 12. 15 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 8 Rn. 4a. 16 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 37. 17 „...; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig.“ 18 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 5. 19 Jarass, Art. 37 Rn. 3. 20 Jurass, Art. 52 Abs. 5 Rn. 77. 21 Jurass, Art. 52 Abs. 5 Rn. 79. 22 Vgl. Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Rn. 3. 23 Jurass, Art. 37 Rn. 3. 24 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 102.
20 umweltbericht 2015 FORSCHUNGSBERICHTE Ziele, sollten im Einzelfall ausgelegt werden.25 Die Rechtskompetenzen und -formen ebenfalls rechtlich verbindlichen Grundsätze für die Ein effektiver Umweltschutz kann nur möglich sein, Gestaltung der Umweltpolitik der Union sind unter wenn die Maßnahmen aller Mitgliedstaaten ein Art. 191 Abs. 2 AEUV benannt, jedoch haben diese möglichst gleiches Niveau erreichen. Heutzutage in der Praxis keine fassbaren Folgen.26 stützen sich fast alle umweltschutzrechtlichen Nor- men auf europarechtliche Vorgaben. Gemäß des Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des Art. 192 AEUV ermächtigt dieser per Beschlussver- Art. 114 Abs. 3 S. 1 AEUV, wird in dieser Schutzni- fahren. Verwiesen wird hierbei auf Art. 114 AEUV, veauklausel ein hohes Schutzniveau verlangt, wobei den Vorschriften zur Rechtsangleichung im Bin- das höchstmögliche Schutzniveau nicht gefordert nenmarkt. Die hierzu zulässigen Handlungsformen, wird. Es müssen lediglich die verfügbaren wissen- auch sekundäres Gemeinschaftsrecht genannt, er- schaftlichen und technischen Daten berücksichtigt geben sich aus Art. 288 AEUV, wie Verordnungen, werden.27 Das Vorbeuge- und Vorsorgeprinzip soll Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stel- dazu beitragen, dass Umweltbeeinträchtigungen lungnahmen.36 vermieden werden.28 Gemäß dem Ursprungsprin- zip sind Umweltbeeinträchtigungen da zu bekämp- Umweltschutzverordnungen gemäß Art. 288 Abs. fen, wo sie auftreten.29 Im Sinne des Verursacher- 2 AEUV haben allgemeine Geltung und sind in allen prinzips werden die Kosten der Vermeidung und ihren Teilen bindend. Diese müssen nicht in natio- Beseitigung demjenigen zugerechnet, welcher die nales Recht transformiert werden, um unmittelbare Umweltbeeinträchtigung verursacht hat.30 Die so- Geltung zu erlangen. Somit verpflichten und be- genannte Querschnittsklausel Art. 11 AEUV, wel- rechtigen sie auch die Bürger der Mitgliedstaaten che am 01.01.201431 in Kraft getreten ist, sorgt da- unmittelbar.37 Allerdings ist eine derartige Verord- für, dass die vorgenannten Prinzipien bei anderen nung, welche jedoch den Anspruch eines Bürgers Unionspolitiken und –maßnahmen berücksichtigt auf eine saubere Umwelt begründet, nicht bekannt. werden müssen, welche somit insbesondere der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung dient.32 Europäische Richtlinien gelten nur unmittelbar ge- Diese Bestimmung enthält eine Rechtsnorm, die genüber dem Mitgliedstaat, nicht gegenüber dem ihre Adressaten zu einem bestimmten Verhalten einzelnen Bürger. Folglich kann kein Anspruch für verpflichtet. Allerdings ist eine subjektiv rechtliche einen Unionsbürger aus einer Richtlinie erwachsen. Bestimmung auf diesen Artikel nicht möglich, da Damit eine unmittelbare Wirkung entsteht, muss sie nach ihrem Inhalt und Zielrichtung darauf aus- die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wer- gerichtet ist, dem Einzelnen eine subjektiv-recht- den. Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV sind Richtlinien liche Rechtsposition zu verleihen. Gemäß Art. 3 nur in Bezug auf ihr Ziel verbindlich. Es obliegt den Abs. 3 EUV hat der Art. 11 AEUV als ökologisches Mitgliedstaaten, mit welchen Mitteln sie dieses Ziel Ziel, keinen Vorrang vor anderen legitimen Zielen erreichen wollen.38 Beispielsweise ergeben sich aus der EU, sondern er verlangt nur eine Einbeziehung der Luftqualitätsrahmenrichtlinie 2008/50/EG v. dieser.33 Primärziel der EU ist die Errichtung eines 21.5.2008 über die Luftqualität und saubere Luft Binnenmarktes, basierend auf einem ausgewoge- für Europa Vorgaben für Grenz- und Leitwerte. Ziel nen Wirtschaftswachstum und Preisstabilität, sowie der EU-Kommission ist die Verbesserung der Um- einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft, die auf weltsituation bis 2020. Diese enthält Richtlinien von Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt gerichtet Obergrenzen für die Konzentration von Feinstaub- ist.34 Folglich kann die Steuerungswirkung nur als partikeln in der Luft.39 relativ angesehen werden und verleiht dem Art. 11 AEUV nur einen Charakter als Regel, die erfüllt wird Mit Beschlüssen i.S.d. Art. 288 Abs. 4 AEUV wer- oder nicht.35 den individuelle und tatsächliche Regelungen für den Einzelfall getroffen. Diese gelten nur für den 25 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 6. 26 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 105. 27 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 108. 28 Siehe hierzu Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 und 2 AEUV; vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 109. 29 Siehe hierzu Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 AEUV; vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 110. 30 Siehe hierzu Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Alt. 4 AEUV; vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 110. 31 Nomos, Handbuch des Europäischen Rechts (HER); [AEUV]: Artikel 11 [Umweltschutz; Querschnittsklausel]; http:// beckonline.beck.de/?vpath=bibdata%2fges%2faeuv%2fcont%2faeuv.a11.htm (besucht am 08.05.14). 32 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 9. 33 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim; EL 41 Juli 2010, S. 5, Rn. 14. 34 Artikel 3 EUV [Ziel der Union], EU-Vertrag idF v. Lissabon, in Kraft ab: 01.07.2013. 35 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim; EL 41 Juli 2010, S. 6, Rn. 14. 36 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 13. 37 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 115. 38 Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 118. 39 Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 13.
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