Umweltbericht - TH Wildau

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Umweltbericht - TH Wildau
Technische Hochschule Wildau
Ausgabe 2015

umweltbericht
Umweltbericht - TH Wildau
Impressum

Herausgeber:
Technische Hochschule Wildau
Hochschulring 1, 15745 Wildau
Der Präsident, Prof. Dr. László Ungvári
Tel. +49 3375 508-100
Fax +49 3375 500 324
www.th-wildau.de

Gesamtredaktion, Satz & Gestaltung:
Bernd Schlütter
TH Wildau / Kommunikation und Medien

Grundlayout:
Typoly, Berlin

Fotos:
sO2lutions

Erscheinungsdatum:
1. Juni 2015
Umweltbericht - TH Wildau
3 umweltbericht 2015              		 I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

Umwelt und Nachhaltigkeit                                                               4

Stadt der Wissenschaft und Innovation                                                   5

Umweltmanagement an der TH Wildau                                                       7

Kernthemen 2013/2014                                                                    8
      Einsparung von Kohlenstoffdioxid                                                  8
      Photovoltaikanlagen                                                              10

Forschungsberichte                                                                     12
      Green Growth in Brandenburg am Beispiel des Regionalen Wachstumskerns
      Schönefelder Kreuz                                                               12
      Algenproduktionsanlage                                                           14
      Umweltrecht                                                                      18
      Die Europarechtskonformität des „EEG 2.0“                                        23
      Gasland Germany: state of play. Unconventional resources – lost in federalism,
      death by Energiewende?                                                           31
      Zu Bedeutung und möglichen Haftungsrisiken bei der Umsetzung von
      gesellschaftsrechtlichen Bürgerbeteiligungsmodellen bei
      Erneuerbare-Energien-Projekten                                                   48

Interview „Fracking vs. Erneuerbare Energien – wie kann man den Bürger stärker
beteiligen?“                                                                           57

sO2lutions                                                                             59
       Fotoausstellung                                                                 59
       Darstellung des CO2-Fußabdrucks der TH Wildau                                   61
       Mitfahrgelegenheit                                                              61

Autorinnen und Autoren                                                                 63
Umweltbericht - TH Wildau
4 umweltbericht 2015

Umwelt und Nachhaltigkeit
Die Begriffe Umwelt und Nachhaltigkeit bekommen in der öffentlichen Wahrnehmung
eine immer größere Bedeutung, inbesondere angesichts des erkennbaren Klimawandels,
voranschreitender Umweltzerstörung und der zunehmenden Verschmutzung von Lebens-
räumen.

Dementsprechend ist jeder Einzelne, jede Instituti-   In diesem Zusammenhang wird ein kurzer Über-
on und Organisation gefordert, sich verstärkt den     blick über den Hochschulstandort Wildau gewährt,
Themen Ökologie und Schutz unserer natürlichen        und es werden bereits umgesetzte Maßnahmen
Ressourcen zuzuwenden und auf die Umsetzung           zum Schutz der Umwelt aufgezeigt:
effektiver Maßnahmen zum Schutz der Umwelt
hinzuarbeiten.                                        Technische Verbesserungen
                                                      •   Installation von Photovoltaikanlagen
Die Technische Hochschule Wildau hat in den letz-     •   Einbau eines Blockheizkraftwerkes
ten Jahren umfangreiche Modernisierungs- und Sa-      •   abschaltbare unabhängige Stromkreisläufe
nierungsvorhaben durchgeführt, die die Effizienz      •   wasserlose Urinale
im Umgang mit den natürlichen Ressourcen verbes-
sert haben und wichtige Schritte auf dem Weg zu       Verhaltensbezogene Verbesserungen
einer umweltgerechten Hochschule darstellen.          • Umweltnews und Verhaltenstipps für
                                                          Studierende und Mitarbeiter
Dem Ziel einer umweltgerechten Hochschule dient       •   umweltbezogene Arbeits- und Forschungs-
auch der in diesem Jahr erstmals herausgegebene           gruppen (sO2lutions)
Umweltbericht der TH Wildau, den die Arbeits- und     •   Förderung von Fahrgemeinschaften
Forschungsgruppe sO2lutions – ein Team von Stu-
dierenden und Lehrenden aus dem Fachbereich           Weiterführend geben aktuelle, nicht hochschulspe-
Wirtschaft, Informatik, Recht –, erarbeitet hat.      zifische Forschungsberichte der Studierenden und
                                                      Professoren einen Überblick über verschiedene As-
Der vorliegende erste Umweltbericht der TH Wildau     pekte und Ansatzpunkte umweltbezogenen Han-
zeigt, dass Umwelt und Nachhaltigkeit an der Hoch-    delns. Sie verdeutlichen, dass Fragen der Umwelt
schule ernst genommen und relevante Aspekte im        und Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert in Stu-
Hochschulalltag berücksichtigt und umgesetzt wer-     dium, Lehre und angewandter Forschung besitzen.
den. Der Bericht analysiert aktuelle sowie geplan-
te Projekte und bietet einen Ausblick auf weitere     Unser Dank geht an die Hochschulleitung für die
Verbesserungspotenziale und mögliche zukünftige       Unterstützung und die Bereitstellung der Mittel zur
Zielsetzungen.                                        Veröffentlichung dieses Berichtes.
Umweltbericht - TH Wildau
5 umweltbericht 2015

Stadt der Wissenschaft und Innovation
In der Hochschulstadt Wildau haben Industrie und Technologieentwicklung eine lange
Tradition, zunächst im Lokomotiv- und Flugzeugbau sowie in der Chemiebranche, später
im Schwermaschinenbau. Seit 65 Jahren werden in Wildau Ingenieure ausgebildet. Bereits
1949 entstand eine Betriebsfachschule des Waggon- und Lokomotivbaus.

                                                                                                               Der Campus
                                                                                                               der Technischen
                                                                                                               Hochschule Wildau
                                                                                                               auf einem historischen
                                                                                                               Industrieareal im
                                                                                                               Zentrum der Stadt
                                                                                                               Wildau

Daraus entwickelte sich in den 50er Jahren die Inge-   sondern auch das Wissen und verantwortungsvol-
nieurschule Wildau mit dem Schwerpunkt Maschi-         le Handeln der Menschen, die zum Entstehen von
nenbau, auf deren Tradition die heutige Technische     Sachsystemen (Hardware und Software) erforder-
Hochschule aufbaut.                                    lich sind. Hierzu zählen insbesondere das (Prozess)
                                                       Management, notwendige verwaltungstechnische
Die 1991 als Technische Fachhochschule gegrün-         und juristischen Abläufe bis hin zu ethischen und
dete Technische Hochschule Wildau startete mit         soziokulturellen Aspekten.
dem Studiengang Maschinenbau. Heute verfügt sie
über ein breites Spektrum zukunftsweisender pra-       Die TH Wildau steht bei der angewandten For-
xisorientierter Bachelor- und Masterstudiengänge       schung im Wettbewerb mit den anderen Fach-
in naturwissenschaftlichen, ingenieurtechnischen,      hochschulen Deutschlands seit 2001 auf vorderen
betriebswirtschaftlichen, juristischen und Manage-     Plätzen. Gemessen an den jährlich eingeworbenen
mentdisziplinen. Die Leistungsstärke der TH Wildau     Drittmitteln je Professor hält sie die Spitzenpositi-
in der akademischen Lehre und Forschung wird von       on. Geforscht wird unter anderem in den Bereichen
den zahlreichen Kooperations- und Praxispartnern       Energietechnik und Energiemanagement, optische-
im In- und Ausland sowie Netzwerken für den Wis-       und Oberflächentechnologien, Biowissenschaften,
sens- und Technologietransfer besonders geschätzt.     Angewandte Informatik und Telematik, Materialwis-
Im regionalen Umfeld ist die Existenz und erfolgrei-   senschaften und Luftfahrttechnik.
che Entwicklung der TH Wildau ein Hauptansied-
lungsgrund für Investoren.                             Aktuell sind an der Technischen Hochschule Wildau
                                                       4.119 Studierende in 24 Vollzeit-, zwei dualen und
Einen Schwerpunkt in Studium, Lehre und ange-          fünf berufsbegleitenden Studiengängen einge-
wandter Forschung an der TH Wildau bilden zu-          schrieben, die jeweils mit den akademischen Gra-
kunftsorientierte Industrien. Dieses prägende Inge-    den Bachelor oder Master abschließen. Gemäß dem
nieurprofil basiert auf einem erweiterten Technik-     Leitbild der TH Wildau sind Internationalität und
begriff. Dieser umfasst nicht nur die Gesamtheit der   Toleranz tragende Säulen für die Zukunftsfähig-
nutzungsorientierten Gegenstände, die die Men-         keit der Hochschule. Dementsprechend ist die In-
schen hervorbringen bzw. hervorgebracht haben,         ternationalisierung in Lehre und wissenschaftlicher
Umweltbericht - TH Wildau
6 umweltbericht 2015

Arbeit ein strategisches Feld. Dabei geht es um die   Industrieareal mit direktem Anschluss an die Ber-
aktive Vermittlung der Erkenntnis, dass die Achtung   liner S-Bahn. In den letzten Jahren wurde der Cam-
und Aufgeschlossenheit für andere Kulturen und        pus aus Mitteln des Landes, des Bundes und der
Lebensweisen sowie Interkulturalität innerhalb der    Europäischen Union zielgerichtet erweitert und aus-
Hochschule und in ihrem regionalen Umfeld eine        gebaut. Erst im September 2013 erfolgte die Einwei-
Bereicherung des eigenen Lebens darstellen.           hung von zwei neuen, technisch sehr gut ausgestat-
                                                      teter Hörsaal- und Forschungsgebäuden.
Diese strategische Ausrichtung zeigt nachhaltigen
Erfolg: Ca. 850 Studierende kommen aus dem Aus-       Auch die Studien- und Arbeitsbedingungen sowie
land. Auch zahlreiche deutsche Studierende pro-       die Lebensqualität erhöhten sich. So wurde 2012
fitieren jedes Jahr von den internationalen Hoch-     eine erste studentische Wohnanlage direkt auf dem
schulpartnerschaften der TH Wildau, die ihnen         Campus eröffnet. Die Hochschule trägt seit dem
Auslandssemester vor allem in Ost- und Südosteu-      Jahr 2009 das Prädikat „familiengerecht“, und die
ropa, aber auch in China, Lateinamerika oder im       Hochschulbibliothek erhielt 2012 die Auszeichnung
arabischen Raum ermöglichen. Zur erfolgreichen        als bundesweite „Bibliothek des Jahres“. Der Cam-
Internationalisierung gehören ebenso die wach-        pus besticht zudem durch seine optimale Lage in
sende Zahl der Outgoings von Lehrenden und die        einer wald- und seenreichen Landschaft südöstlich
Implementierung von Wildauer Studieninhalten an       der Hauptstadt Berlin.
ausländischen Universitäten und Hochschulen.
                                                      Innerhalb von nur zwei Jahrzehnten entwickelte sich
Die TH Wildau verfügt über einen attraktiven          die Technische Hochschule Wildau somit zu einer
Hochschulcampus auf einem traditionsreichen           der führenden (Fach)Hochschulen Deutschlands.

                                                                                                            Der Campus
                                                                                                            der Technischen
                                                                                                            Hochschule Wildau liegt
                                                                                                            verkehrsgünstig direkt
                                                                                                            am Westausgang des
                                                                                                            S-Bahnhofs Wildau.
Umweltbericht - TH Wildau
7 umweltbericht 2015

Umweltmanagement an der TH Wildau
Für die staatlichen Hochschulen in Deutschland hat das Umweltmanagement eine be-
sondere Bedeutung. Sie stehen als öffentlich-rechtliche Einrichtungen in der Pflicht, auf
diesem Gebiet Vorbild für die Pivatwirtschaft zu sein und ihre Absolventinnen und Absol-
venten zu diesem Thema für ihr Berufsleben zu sensibilisieren.

Sie sind aber auch zugleich profilbestimmende wis-            in Richtung eines tiefgreifenden Umweltmanage-
senschaftliche Einrichtungen, die durch ihre For-             ments und kontinuierlicher Verbesserungen. Am
schung Innovationen im Bereich Ökologie setzen.               Ende dieses Prozesses besteht auch für Hochschu-
Damit tragen sie wesentlich zu einer Veränderung              len die Möglichkeit, ihr Umweltmanagementsystem
des Bewusstseins für eine umweltgerechte Gesell-              extern prüfen und zertifizieren zu lassen.2
schaft bei.
                                                              An der TH Wildau konnten bereits wichtige Schritte
Umweltmanagement beschreibt die Planung, Steu-                in Richtung auf ein umfassendes Umweltmanage-
erung, Überwachung und Verbesserung der um-                   mentsystem realisiert werden. Eine mögliche Zerti-
weltbezogenen Maßnahmen einer Organisation.                   fizierung dieses Systems etwa nach EMAS oder DIN
Dabei werden bereits vorhandene Überwachungs-                 ISO 14001 befindet sich in der Diskussion. Dies steht
und Steuerungsmaßnahmen, wie z.B. der Energie-                im Einklang mit dem Leitbild der TH Wildau. Sie
verbrauch oder die Mülltrennung, auf ihren Beitrag            sieht im Umweltschutz einen integralen Bestandteil
zum Umweltschutz geprüft und mögliche Verbes-                 aller Entscheidungen und Maßnahmen und hat die
serungen herausgearbeitet.1                                   Nachhaltigkeit fest in ihrem Leitbild verankert:

Die TH Wildau hat diese Steuerungsorgane im Be-               „Nachhaltigkeit
reich „Bauangelegenheiten, Technische Haus- und               Die Technische Hochschule Wildau übernimmt eine
Betriebsverwaltung“ zusammengefasst und nutzt                 aktive Rolle bei der Schonung und Erhaltung der na-
jährliche Verbrauchsdaten, um Verbesserungspo-                türlichen Lebensgrundlagen, indem die Belange der
tenziale zu erkennen und realisierte Maßnahmen auf            Nachhaltigkeit in alle Bereiche und Tätigkeiten der
ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Dies ist eine gute            Hochschule einbezogen werden.“
Basis für die Erstellung weitergehender Konzepte

1
    http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_12_betrieblicher_umweltschutz.pdf (Zugriff am: 07.11.2014)
2
    http://www.bne-portal.de/was-ist-bne/grundlagen/ (Zugriff am: 02.12.2014)
Umweltbericht - TH Wildau
8 umweltbericht 2015

Kernthemen 2013/2014
Der Umweltbericht der TH Wildau für die Jahre 2013/2014 konzentriert sich auf die fol-
genden Kernthemen:

Energieeffizienter Campus
Durch Verbesserungen an den bestehenden Gebäuden Haus 16 und Halle 17 konnten der Energiever-
brauch und der CO2-Ausstoß pro genutztem m2 entscheidend reduziert werden. Dies stellt einen weiteren
wichtigen Schritt auf dem Weg zum GreenCampus dar.

CO2-Fußabdruck
Die studentische Arbeits- und Forschungsgruppe sO2lutions hat konkrete Berechnungen zum CO2-Fußab-
druck der TH Wildau durchgeführt und die symbolische Darstellung der berechneten CO2-Werte auf dem
Campus angeregt. Die CO2-Werte werden in Form von Säulen symbolisiert und sollen zum Nachdenken
anregen und die Studierendenschaft sowie alle Professoren und Mitarbeiter der TH Wildau zum umwelt-
gerechten Handeln animieren.

Einsparung von Kohlenstoffdioxid                        der TH Wildau, sind damit die Einsparpotenziale
                                                        auf der technischen Seite weitgehend ausgereizt.
Grundsätzliches                                         Der Großteil der TH-Gebäude entspricht demnach
In den letzten Jahren wurden vorrangig technische       hohen energetischen Standards. Damit gewinnt
Maßnahmen ergriffen, um Energie und Ressourcen          das eigenverantwortliche umweltschonende Ver-
einzusparen. Insbesondere durch das am 14. Januar       halten der Hochschulangehörigen bei der weiteren
2009 von der Bundesregierung beschlossene Kon-          CO2-Einsparung eine herausragende Bedeutung.
junkturpaket II (Pakt für Beschäftigung und Stabili-
tät) erhielt die TH Wildau finanzielle Spielräume für   Im Rahmen der Arbeits- und Forschungsgruppe
energetische Sanierungen und Investitionen in rege-     „sO2lutions“ stellen sich Studierende aus dem Fach-
nerative Energiequellen.                                bereich Wirtschaft, Informatik, Recht gemeinsam
                                                        mit ihren Dozenten dieser Verantwortung. Durch
Die Mittel aus dem Konjunkturpaket II ermöglichten      ihre Initiative wollen sie alle Kommilitoninnen und
u.a. die Anschaffung eines „GreenLab“ – ein energe-     Kommilitonen und auch alle Mitarbeiterinnen und
tisch sparsames IT-Labor –, einer Photovoltaik-Anlage   Mitarbeiter der TH Wildau zum einen für umweltbe-
und die Installation von wasserlosen Urinalen. Nach     wusstes Verhalten sensibilisieren und zum anderen
Einschätzung von Detlef Krüger, Sachgebietsleiter       mehr Nachhaltigkeit mit praktischen Aktionen und
für Bauangelegenheiten und Energiebeauftragter          Beispielen erreichen.
Umweltbericht - TH Wildau
9 umweltbericht 2015

Umweltbezogener Nutzen des öffentlichen                      Haltepunkt genutzt werden konnte. Durch die Er-
Nahverkehrs                                                  weiterung in Form eines zweiten Gleises entstand
Eine praktische Möglichkeit zur Einsparung von CO2           ein moderner Kreuzungsbahnhof, bei dem sich
ergibt sich durch die Nutzung von öffentlichen Ver-          die aus Berlin und Königs Wusterhausen kommen-
kehrsmitteln wie Bus und Bahn. Ein PKW ist durch-            den Bahnen auf der sonst eingleisig ausgebau-
schnittlich mit 1,5 Personen besetzt und liegt damit         ten Strecke begegnen können. Dadurch wird ein
deutlich unter der Auslastung der Bahn von 42 %.             10-Minutentakt auf der Strecke Königs Wuster-
Der Nahverkehr ist in fast jeder Situation günstiger         hausen-Wildau-Zeuthen und umgekehrt technisch
als der PKW, da die Vollkosten durchschnittlich bei          realisierbar und ein besserer Anschluss nach Berlin
40 bis 60 Cent pro Kilometer liegen und damit, z.B.          möglich.
für eine einfache Fahrtstrecke vom Zentrum Berlins
nach Wildau mit etwa 12 Euro zu kalkulieren sind.            Täglich nutzen etwa 3.000 Fahrgäste den Bahnhof,
Eine ABC-Fahrkarte für die S-Bahn nach Wildau kos-           davon ein Großteil Studierende, Mitarbeiterinnen
tet 3,10 Euro. Noch günstiger sind Zeitkarten wie            und Mitarbeiter der TH Wildau. Eine Verlängerung
Monats- oder Jahreskarten.3                                  der Linie S8, die bisher eine Station vor Wildau – in
                                                             Zeuthen – ihren Endpunkt hat, wäre wünschens-
Anbindung der TH Wildau an den                               wert und würde eine deutliche Verbesserung des
öffentlichen Nahverkehr                                      Nahverkehrs in der Region mit sich bringen.4 Dies
Eine herausragende Bedeutung für den Nahverkehr              würde die Attraktivität des öffentlichen Nahver-
in Wildau und damit auch für die TH Wildau hat der           kehrs gegenüber der privaten PKW-Nutzung wei-
S-Bahnhof Wildau. Von hier besteht im 20-Minuten-            ter erhöhen und den durch die PKW-Nutzung der
takt ein direkter Anschluss nach Berlin und Königs           Hochschulangehörigen verursachten CO2-Ausstoß
Wusterhausen. Die Linie S46 verbindet Wildau über            deutlich senken.5
Berlin-Adlershof und Berlin-Südkreuz mit wichtigen
Knotenpunkten in Berlin und bietet einen schnellen           Die Landesregierung sollte bei der Bestellung zu-
Anschluss an den zukünftigen Hauptstadtflughafen             künftiger Fahrleistungen der Berliner S-Bahn eine
Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“.                           bedarfsgerechte Anpassung des Taktes an die nun
                                                             möglichen technischen Gegebenheiten prüfen.
In den Jahren 2011 bis 2013 wurde der S-Bahnhof              Die TH Wildau setzt sich im Interesse der weiteren
Wildau durch die Deutsche Bahn grundlegend er-               Stärkung des Wissenschafts-, Technologie- und
neuert und ausgebaut. Bis dahin existierte nur ein           Wirtschaftsstandortes für einen Ausbau in Richtung
Gleis, weshalb Wildau von der S-Bahn lediglich als           10-Minutentakt ein.

                                                                                                                       S-Bahnhof Wildau
                                                                                                                       führt direkt auf den
                                                                                                                       Ludwig-Witthöft-Platz
                                                                                                                       mit dem Mensa-/
                                                                                                                       Bibliotheksgebäude
                                                                                                                       (Halle 10).

3
  http://www.vcd.org/verkehrsmittel-vergleich.html (Zugriff am: 09.07.2014)
4
  http://www.maz-online.de/Lokales/Dahme-Spreewald/S-Bahn-erhaelt-endlich-ein-zweites-Gleis (Zugriff am: 07.06.2014)
5
  http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2012/DL_
PerspektivenMobilitaetVerkehr.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Zugriff am: 17.09.2014)
Umweltbericht - TH Wildau
10 umweltbericht 2015

                                                                                                                          Photovoltaikanlagen auf
                                                                                                                          den Hochschulgebäuden
                                                                                                                          Haus 15 und Haus 100.

Photovoltaikanlagen                                           die erzeugte Energie der Solarzellen speichern und
                                                              mit dem Stromnetz zu synchronisieren, werden 15
Als innovativer und praxisnaher Forschungsstand-              Wechselrichter eingesetzt. Der von den Solaran-
ort besitzt die Technische Hochschule Wildau die              lagen erzeugte Strom wird ausschließlich von der
notwendigen Kompetenzen für ein effizientes und               Hochschule selbst genutzt.
zukunftsgerechtes Umweltmanagement. Neben
Laboren mit modernster Technik und qualifizier-               Insgesamt können die Solarenergieanlagen der TH
tem Personal in Forschung, Lehre und Verwaltung,              Wildau eine Leistung von 126,43 KWp erbringen.
bietet der Campus mit seiner Architektur Raum                 In der nachfolgenden Übersicht ist dargestellt, wie
für die Entwicklung einer langfristigen angelegten            viele Kilowattstunden Strom im vergangenen Jahr
Umweltstrategie, speziell im Bereich der solarener-           durch die Solaranlagen erzeugt wurden.7
getischen Versorgung. Auf dem Weg hin zu einer
„grünen“ Hochschule bedarf es dabei aber nicht                Die Energieerzeugung ist abhängig von der Anzahl
nur eines detaillierten Konzepts, sondern auch ei-            der Sonnenstunden. Der höchste Wert wurde im Juli
ner ausführlichen Analyse des bisherigen Ressour-             2013 mit 20.165 KW/h erreicht. Ein durchschnittli-
cenverbrauchs einschließlich einer CO2-Bilanz, die            cher Ein-Personen-Haushalt benötigt pro Jahr etwa
Aufschluss über die Klimawirkungen der Aktivitäten            2.000 KW/h Strom in Deutschland.8 Das heißt, die
an der Hochschule gibt. Vor mittlerweile fast drei            an der Hochschule installierte Photovoltaikanlage
Jahren wurden zwei Photovoltaik-Anlagen auf den               liefert kumuliert ein jährliches Äquvalent für mehr
Dächern der Häuser 15 und 100 in Betrieb genom-               als 50 Ein-Personen-Haushalte. Diese Zahl gibt ei-
men. Bei der Auswahl der Module für die Gebäude               nen realistischen Überblick darüber, wie groß der
der TH Wildau wurde auf Nachhaltigkeit und Ener-              Nutzen ist, den die Hochschule aus den Photovol-
gieeffizienz geachtet.6                                       taikanlagen zieht. In den kommenden Jahren sind
                                                              weitere Investitionen in diesem Bereich geplant, nä-
Die Photovoltaik-Anlagen bestehen aus 538 ener-               here Informationen dazu werden im Umweltbericht
getisch effizienten und preiswerten monokristalli-            2015 gegeben.
nen Silizium-Modulen des Typs Aleo S_18235. Um

6
  http://www.aleo-solar.de/unternehmen/unternehmen/unternehmensprofil/ (Zugriff am: 14.05.2014)
7
  Anmerkung: KWp steht für Watt Peak und ist eine im Bereich Photovoltaik gebräuchliche, nicht normgerechte Bezeichnung
für die elektrische Leistung (Einheit: Watt) von Solarzellen.
8
  Anmerkung: Hierbei handelt es sich um einen Richtwert [http://www.stromverbrauch-haushalt.de/gasverbrauch-
singlehaushalt.html (Zugriff am: 11.10.2014)].
11 umweltbericht 2015

  Gesamterzeugung des Solarstroms von Haus 15 und Haus 100
                                                      in KW/h

  Monat                                     Ablesetag                          Gesamterzeugung in KW/h

  Januar                                    01.02.2013                                                       910
  Februar                                   01.03.2013                                                     1.380
  März                                      01.04.2013                                                     4.105
  April                                     01.05.2013                                                    11.930
  Mai                                       01.06.2013                                                    14.745
  Juni                                      01.07.2013                                                    18.430
  Juli                                      01.08.2013                                                    20.165
  August                                    01.09.2013                                                    16.010
  September                                 01.10.2013                                                     9.120
  Oktober                                   01.11.2013                                                     6.320
  November                                  01.12.2013                                                     2.270
  Dezember                                  01.01.2014                                                     1.685

  Gesamt                                                                                                107.070

Quellen

Aleo solar (2014). Unternehmensprofil. Online verfügbar unter: http://www.aleo-solar.de/unternehmen/unterneh-
men/unternehmensprofil/

Bayrisches Landesamt für Umwelt (2014). Betrieblicher Umweltschutz mit Umweltmanagementsystemen. Online
verfügbar unter: http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_12_betrieblicher_umweltschutz.pdf

Bildung für nachhaltige Entwicklung (2014). Grunndlagen. Online verfügbar unter: http://www.bne-portal.de/was-
ist-bne/grundlagen/

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2012). Transnationale Perspektiven für Mobilität und Verkehr.
Online verfügbar unter: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Sonderveroeffentlichungen/2012/
DL_PerspektivenMobilitaetVerkehr.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014). Energiewende direkt. Online verfügbar unter: http://www.bm-
wi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2014/20/Bilder/printversion-20.pdf?__blob=publicationFile&v= 4

Bundesverband WindEnergie (2014). Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Online verfügbar unter: http://www.
wind-energie.de/themen/eeg-aktuell

Heitec Solar (2014). Solarstrom. Online verfügbar unter: http://www.heitecsolar.de/solarstrom/

MAZ (2013). S-Bahn erhält endlich ein zweites Gleis. Online verfügbar unter: http://www.maz-online.de/Lokales/
Dahme-Spreewald/S-Bahn-erhaelt-endlich-ein-zweites-Gleis

SolarContact (2014). Photovoltaik Module: Systeme & Eigenschaften. Online verfügbar unter: http://de.solarcontact.
com/photovoltaik/pv-module

VCD (2014). Intelligent mobil sein - Verkehrsmittel im Vergleich. Online verfügbar unter: http://www.vcd.org/ver-
kehrsmittel-vergleich.html
12 umweltbericht 2015			                                 FORSCHUNGSBERICHTE

Green Growth in Brandenburg am Beispiel des Regionalen
Wachstumskerns Schönefelder Kreuz

Green Growth als kritischer Erfolgsfaktor für regionale Entwicklung und Wohlstand

Die immer knapper werdenden natürlichen Ressour-         Satz von Indikatoren zu erarbeiten, der als diese
cen und die als schützenswertes Gut weithin aner-        Tool-Box fungieren kann. (OECD Green Growth)
kannte Natur lassen umweltschonende Unterneh-
mensführung unverzichtbar werden. Mehr noch:             Dazu wurden entsprechende Indikatoren zunächst
“The transition towards a green economy is a key         definiert und anschließend in vier Regionen da-
factor for growth and prosperity in the German fe-       hingehend analysiert, ob sie zur Beschreibung
deral state of Brandenburg. Future living conditions     und Bewertung des grünen Wachstums, d.h. des
will be determined by the course set now. We have        Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft,
to decide today how we want to live tomorrow, not        geeignet sind. Neben Kopenhagen, Gent und Lux-
only in economic terms, but also with regard to en-      emburg (im Verbund) sowie Santiago de Chile war
vironmental stewardship. I am convinced that there       der Regionale Wachstumskern Schönefelder Kreuz
is no alternative to a green transition when it co-      die vierte Untersuchungsregion. Gemeinsam mit
mes to shaping the world to be a place worth living      Vertretern aus Politik und Wirtschaft oblag es der
in. There are issues we have to deal with, but first     TH Wildau, die gewünschten Analysen für das Schö-
and foremost there are great opportunities to seize.     nefelder Kreuz vorzunehmen und die Resultate ge-
The relevant players in Brandenburg are aware of         eignet zu dokumentieren.
complex challenges resulting from the present tran-
sitional process. They are redoubling their efforts to   Konkret wurden einerseits insbesondere statistische
promote further economic development towards             Daten über den Regionalen Wachstumskern Schö-
sustainability.” (Dr. Dietmar Woidke, Ministerpräsi-     nefelder Kreuz ausgewertet. Andererseits wurde im
dent des Landes Brandenburg, in: OECD 2013, S. 3).       September 2012 ein Workshop an der TH Wildau
                                                         und auf der ILA International Berlin Air Show durch-
Wie sieht der Weg Brandenburgs in Richtung „green        geführt und die Ergebnisse in einem Bericht zusam-
economy“ aus und welchen Stand hat das Land              mengeführt. Dieser Bericht wurde im Rahmen einer
aktuell erreicht? Diese Fragen wurden 2012/13 im         festlichen Veranstaltung mit hochrangiger interna-
Rahmen eines gemeinsamen Projektes der Organi-           tionaler und nationaler Beteiligung am 30. Septem-
sation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusam-        ber 2013 in der Landesvertretung Brandenburg in
menarbeit OECD, des Regionalen Wachstumskerns            Berlin vorgestellt. Er ist nunmehr als OECD-Publika-
Schönefelder Kreuz (Königs Wusterhausen, Wildau          tion mit eigener ISSN in englischer Sprache verfüg-
und Schönefeld) und der TH Wildau untersucht, das        bar. (OECD 2013)
wiederum Teilprojekt einer international angeleg-
ten Analyse war. Ausgangspunkte waren die Green          Ergebnisse und Empfehlungen
Growth Strategy der OECD und eine hierzu passen-         Der Regionale Wachstumskern Schönefelder Kreuz
de Tool-Box der OECD.                                    ist wesentlich durch die Luftfahrt geprägt. Diese
                                                         zeigt sich in Forschung und Industrie, insbesondere
Green Growth-Projekt „Schönefelder Kreuz“                aber anhand des existierenden Flughafens Schöne-
For a stronger, cleaner, fairer world economy – die-     feld und des geplanten Flughafens Berlin Branden-
ser Satz beschreibt die OECD Green Growth Stra-          burg International.
tegy in sehr prägnanter Weise. Konkret verfolgt die
OECD mit ihrer Green Growth Strategy das Haupt-          Der bisherige und der zukünftige Flughafen können
ziel, wirtschaftliches Wachstum und wirtschaftliche      gleichzeitig als „Segen und Fluch“ für die Region
Entwicklung zu fördern und dabei gleichzeitig ei-        betrachtet werden. Ist der Flughafen einerseits ein
nen angemessenen Umgang mit den natürlichen              Magnet für wirtschaftliches Wachstum und damit
Ressourcen und unserer Umwelt, also mit den              für die ökonomische Entwicklung des Regionalen
Grundlagen unseres Wohlergehens sicherzustellen.         Wachstumskerns Schönefelder Kreuz, wirkt er an-
(OECD Green Growth)                                      dererseits nicht als Treiber bei der ökologischen
                                                         Entwicklung der Region.
Um den tatsächlich erreichten Stand des Green
Growth, des wirtschaftlichen und zugleich grünen,        Zur Verdeutlichung sei darauf verwiesen, dass 2022
also nachhaltigen Wachstums ausgewählter Regio-          gegenüber 2004 ein Plus von ca. 40.000 und da-
nen und/ oder Branchen messen und vergleichen            mit etwa 80% mehr sozialversicherungspflichtige
zu können, ist eine Tool-Box erforderlich. Die OECD      Beschäftigungsverhältnisse in der Region prognos-
strebt im Rahmen des LEED Local Economic and             tiziert werden. (Becker et al. 2012, S. 49) Gleichzei-
Employment Development-Projekts “Measuring               tig ist der zukünftige Flughafen Berlin Brandenburg
the Potential of Green Growth – Indicators of Local      International durchaus ein sehr moderner Airport,
Transition to a Low-Carbon Economy” an, einen            entspricht jedoch in Bezug auf ökologische Aspekte
13 umweltbericht 2015			                                 FORSCHUNGSBERICHTE

nur dem State-of-the-Art: „ The BER is a new airport      einhergeht. Demgemäß spricht das Projekt die
and thus its resource performance will be improved        Empfehlung aus, dass Bildungseinrichtungen wie
by the use of standard, higher performance buil-          etwa die TH Wildau „are able to deliver the skills
ding design and equipment, but it is unclear what,        development that meets the needs of industry and
in addition to this, is innovative and worthy of the      provides labour force mobility. Green skills develop-
label “green”. In other words, ecology and sustain-       ment needs to be supported by specific action plans
ability were integrated in the general planning as        and embedded in the training curriculum at both
a routine matter, following established standards         public and private sector level.“ (OECD 2013, S. 14)
– but not conceptualised as a priority […]“ (OECD
2013, S. 59)                                              Alle Empfehlungen des Projektes bzw. die sich da-
                                                          raus ergebenden Maßnahmen müssen sich aber
Entsprechend lautet eine der ersten Empfehlun-            auch „rechnen“. Entsprechend behält das Projekt
gen für den Regionalen Wachstumskern Schöne-              neben der ökologischen immer auch die ökonomi-
felder Kreuz, dieser verpassten Gelegenheit im            sche Perspektive im Blick. So wird unter anderem
Rahmen der weiteren strategischen Planungen für           das Monitoring aller eingesetzten Ressourcen und
den Wachstumskern und insbesondere für den zu-            Mittel vorgeschlagen, damit die Akteure im Regio-
künftigen Flughafen Rechnung zu tragen und mehr           nalen Wachstumskern die Kosten im Blick behalten
als bisher ein wesentliches Augenmerk auf die Air-        und der Nutzen höher als diese ist, damit schlus-
port-bedingten ökologischen Herausforderungen             sendlich die eingangs gewünschte Entwicklung der
zu legen. (OECD 2013, S. 13)                              Region hin zu ökonomischem, ökologischem und
                                                          sozialem Wohlstand beibehalten und sinnvoll fort-
Weiterhin zeigen die Untersuchungen am Regiona-           geführt werden kann. (OECD 2013, S. 14f.)
len Wachstumskern Schönefelder Kreuz, dass Green
Growth – wie zu erwarten – wesentlich auch mit der                                           Prof. Dr. Bertil Haack
Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Quellen

Becker, C. et al. (2012): Regionalwirtschaftliches Gutachten zu den Auswirkungen des Flughafens Berlin Brandenburg
auf die Entwicklung der Kommunen im Flughafenumfeld, GIB Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung
mbH/ Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH, Berlin.

OECD (2013): Green Growth in Brandenburg: An Analysis of the Regional Growth Core Schönefelder Kreuz, OECD,
Paris, 2013 (ISSN 2079-4797 (PDF) OECD Local Economic and Employment Development (LEED) Working Paper
Series.

OECD Green Growth: http://www.oecd.org/greengrowth/ (Zugriff: 11.01.2014)
14 umweltbericht 2015			                               FORSCHUNGSBERICHTE

Algenproduktionsanlage

Im Zeitalter einer exponentiell wachsenden Weltbevölkerung und Konsumgesellschaft, die
mit einer Verknappung von fossilen Rohstoffen einhergeht, gewinnt der Einsatz nach-
wachsender Rohstoffe immer mehr an sozialer aber auch wirtschaftlicher Bedeutung.

Mikroalgen umfassen im Wesentlichen sowohl eine        für die Biosorption von Schwermetallen und für
Vielfalt von einzelligen Organismen, wie die Rot-,     CO2-Recycling. Zukunftsweisend gewinnen Mikro-
Braun- und Grünalgen, als auch die kernlosen           algen in der Erzeugung von Bioenergie ebenfalls an
Cyanobakterien, besser bekannt als Blaualgen. Die      Bedeutung.2
mindestens 50.000 verschiedenen existenten Arten
kommen vor allem in Salz-, Brack- und Süßwasser        Die industrielle Algenkultivierung geschieht prinzi-
vor, treten jedoch auch als terrestrische Lebens-      piell in zwei unterschiedlichen Systemen – in offe-
form im feuchten Erdreich oder an Steinen auf. Das     nen oder geschlossenen Systemen:
Ernährungsverhalten variiert von autotroph über        Offene Systeme, oder auch Open Pond Systeme ge-
mixotroph bis hin zu heterotroph. Die heterotrophe     nannt, unterteilen sich im Wesentlichen in natürli-
Ernährung kennzeichnet sich durch die Aufnahme         che Gewässer, künstlich angelegte Teiche oder Bas-
einer organischen Nährstoffquelle. Die mixotrophe      sins. Diese sind in der Regel flach gehaltene Becken,
verknüpfen die autotrophe und heterotrophe Ener-       sodass die Alge unter bester Sonneneinstrahlung an
giegewinnung und passt sich je nach Disponibilität     der Wasseroberfläche gedeihen kann.
an eine organische oder anorganische Nahrungs-         Geschlossene Systeme beschreiben die Verwen-
aufnahme an. Autotrophe Algen wachsen durch            dung eines Photobioreaktors (PBR) in Rohr- oder
das bei der Photosynthese aufgenommene Sonnen-         Schlauchsystemen. Alle Wachstumsvoraussetzun-
licht, sowie Wasser, Nährstoffe und Kohlenstoffdio-    gen werden in das System eingeleitet und entspre-
xid. Dabei wandeln Algen unter der Freisetzung von     chend den Anforderungen der Algenspezies gesteu-
Sauerstoff Kohlenstoffdioxid in wertvolle Biomasse     ert. Mittels kontrollierbarer Umgebung bei Einsatz
um. Somit tragen sie zu der Hälfte des Sauerstoffge-   dieser Technik, weisen die dort kultivierten Algen
halts der Atmosphäre bei und bieten die Grundlage      eine sehr hohe Produktivität auf. So lassen sich die
für die Gewinnung zahlreicher Produkte, die einen      Kohlenstoffdioxidzufuhr, die Wasserversorgung, so-
wirtschaftlichen Nutzen in den verschiedensten         wie die Temperatur und die effiziente Einwirkung
Branchen haben. Dies betrifft vor allem den Bereich    von Licht optimal regulieren und anforderungsspe-
der Nahrungsergänzungsmittel, der Lebensmittel,        zifisch anpassen.3
der Aquakultur und der Kosmetik, aber auch Ener-
gieträger, wie Biodiesel.1                             Algenproduktion an der TH Wildau
                                                       Im Rahmen des Projektes „Integrierter Algenreak-
Algen sind die primitivste Pflanzengruppe mit einer    tor“ entstand unter Betreuung von Prof. Dr. Wil-
enormen Anpassungsfähigkeit an extreme Lebens-         denauer ein Kombiniertes Biophotonisches System
bedingungen und sind dadurch auf der Erde allge-       (KBS). Das KBS (engl. Biophotonic Combined Ener-
genwärtig. Allgemein betrachtet sind Mikroalgen:       gy System (BCES)) beschreibt einen integrierten Al-
• die ersten Sauerstoff-Produzenten der                genreaktor mit Abgaszufuhr und ist eine Innovation
    Erde,                                              in der Algenproduktion. Die Idee existiert in der
• die wichtigsten CO2-Konsumenten,                     Algenproduktionsforschung schon länger auf dem
• der Beginn der Nahrungskette in den                  Papier, umgesetzt wurde sie bis dato jedoch nur
    Ozeanen,                                           mit einer Pilotanlage der TH Wildau. Diese ist seit
• die wichtigsten Primärproduzenten der                März 2011 in Betrieb und dient ausschließlich For-
    Welt,                                              schungszwecken ausgerichtet auf die Erforschung
• die ökologisch variabelste Organismen-               von ertragseffizienten und damit wirtschaftlichen
    gruppe.                                            Anwendungsmöglichkeiten der Algenkultivierung.
Gegenwärtig finden Mikroalgen vorwiegend Ver-          Im Fokus steht dabei weniger die Algenenergie als
wendung als Nahrungsergänzungsmittel, Futter-          die Nutzung von Algen für die Ernährungs- und Fut-
zusätze, sowie in der chemischen Industrie, in der     terwirtschaft. So wird z.B. ein großes Anwendungs-
Pharmazie und in der Kosmetikindustrie. Ebenso         potenzial durch Kraftfutterersatz in der Vieh- und
werden sie als Düngemittel, Pestizide und Biostimu-    Fischzucht erwartet.
latoren in der Landwirtschaft und für Aquakulturen
eingesetzt. Aufgrund ihrer sauerstoffumwandeln-        Anfangs wurde in Wildau mit einer vertikalen Al-
den und CO2-verbrauchenden Eigenschaften eig-          genanlage gearbeitet. Die Durchströmung der
nen sie sich außerdem gut zur Abwasserreinigung,       Algenflüssigkeit mit CO2-haltigen Abgasen eines

1
  vgl. Geier, S./Buchholz, R. (2013), S. 328.
2
  vgl. Pulz, O. (2009), S.88.
3
  vgl. Pulz, O. (2009), S.88.
15 umweltbericht 2015			                                      FORSCHUNGSBERICHTE

BHKW erfolgte in vertikaler Richtung durch speziel-            Nutzen dieses Systems besteht darin, dass zusätz-
le Kunststoffrohre. Ein großes Problem ist dabei das           lich zu den Wertstoffen Strom und Wärme erzeugt
„Anwachsen“ der Algen an den Rohrinnenwänden,                  werden. Weiterhin wird der CO2-Ausstoß des BHKW
sodass auch bei dieser Anlage regelmäßige Reini-               minimiert und somit die Umwelt geschont. Die In-
gungsgänge notwendig sind, um die Lichteinstrah-               tention und zeitgleich Innovation dieses Systems ist
lung nicht zu beeinträchtigen.                                 die Schließung von Stoffkreisläufen, um Rohstoffe
                                                               maximal zu verwerten und sparsam zu nutzen.5
Alternativ wird jedoch derzeit eine horizontale Al-
genanlage erprobt, mit der bessere Ergebnisse er-              Damit entspricht dieser Prozess den in § 4 des Ge-
zielt werden. Die unterschiedliche Farbe der Reak-             setzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Si-
torröhren resultiert u.a. aus der Verwendung ver-              cherung der umweltverträglichen Beseitigung von
schiedener Algenarten. Da es sich hier lediglich um            Abfällen formulierten Grundsätzen der Kreislauf-
Laborversuche handelt, wird auch die notwendige                wirtschaft. Darin ist in erster Linie eine Vermeidung
Lichteinstrahlung durch künstliche Beleuchtung un-             von Abfällen vorgesehen und in zweiter Linie die
terschiedlicher Art realisiert.4                               stoffliche und energetische Verwertung derer um-
                                                               zusetzen. Als Maßnahme zur Vermeidung ist unter
Die Funktionsweise eines Kombinierten                          anderem eine anlageninterne Kreislaufführung von
Biophotonischen Systems (KBS)                                  Stoffen empfohlen.6 Diese Maßnahme wird im KBS
Neben dem Einsatz eines PBRs im geschlossenen                  weitgehend umgesetzt.
System wird im KBS die Algenproduktionsanlage
um eine Biogasanlage und ein Blockheizkraftwerk                Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass
(BHKW) erweitert. Über den allgemeinen bereits                 sich an der TH Wildau ein beachtliches Wissenspo-
erläuterten Produktionsprozess hinaus wird die rest-           tenzial bezüglich der Anwendung von Algen für vie-
liche Biomasse unter Sauerstoffabschluss in einer              le mögliche Einsatzzwecke angesammelt hat. Dieses
Biogasanlage zu Biogas umgewandelt. Das Gemisch                Potenzial erweitert sich stetig durch Forschungsak-
aus Methan und CO2 wird in dem BHKW in Strom                   tivitäten, die unter anderem auch in studentischen
umgewandelt. Als Nebenprodukt entsteht Wärme.                  Abschlussarbeiten ihre Umsetzung finden, sodass
Die dabei entstehenden Abgase werden aufgear-                  man auf dem besten Wege ist kurzfristig zu wirt-
beitet und dem PBR zugeführt. Sie dienen den Al-               schaftlichen Verfahrensweisen zu kommen.
gen als CO2-Quelle, sodass für die Algenprodukti-
on kein CO2 eingekauft werden muss. Abbildung 1                                                    Theresa Schubert
stellt die Ablaufprozesse eines KBS grafisch dar. Der

                                                                                                                       Abbildung 1:
                                                                                                                       Ablaufprozesse des KBS7.

4
  vgl. Lisker, R. (2013).
5
  vgl. Lisker, R. (2013).
6
  vgl. Bundesamt für Umwelt und Reaktorsicherheit. (2012), S. 9.
7
  Darstellung TH-Wildau intern (2013).
16 umweltbericht 2015			   FORSCHUNGSBERICHTE

                                                Foto links:
                                                Blockheizkraftwerk.

                                                Foto rechts:
                                                Algenreaktor vertikal.

                                                Algenreaktor horizontal.
17 umweltbericht 2015			                                   FORSCHUNGSBERICHTE

                                                                                                                        Versuchsbiogasanlagen
                                                                                                                        im Technikum für
                                                                                                                        regenerative Energie
                                                                                                                        zur Durchführung von
                                                                                                                        Gärversuchen.

Quellen

Bundesamt für Umwelt und Reaktorsicherheit (2012): Gesetz zur förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der
umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG.

Geier, S.; Buchholz, R. (2013): Mikroalgen: Produktionsorganismender Zukunft? In: Biospektrum 19 (3), S. 328-331.

Lisker, R. (2013): Kombiniertes Biophotonisches System. Hg. v. Ferrum - Nachrichten aus der Eisenbibliothek. Stiftung
der Georg Fischer AG. Schlatt/Schweiz (85).

Pulz, O. (2009): Biotechnologische Energieumwandlung. Mikroalgen als Energieträger der Zukunft. Herausgegeben
von Thomas Bley. acatech. Heidelberg: Springer.
18 umweltbericht 2015			                                   FORSCHUNGSBERICHTE

Umweltrecht

Laut W. Kluth, wird die Umwelt im Allgemeinen als „[...] die umgebende Welt vor allem
des Menschen, aber auch anderer Lebewesen“1 bezeichnet.

Im Speziellen wird heute die Gesamtheit der äußeren         die vielfältigen Erkrankungen in den Ballungsgebie-
Lebensbedingungen mit einbezogen, die auf eine              ten, die als Nebenerscheinung der Motorisierung
bestimmte Lebenseinheit (Mensch, Tier, Pflanze)             und Industrialisierung auftraten. Den Anfang mach-
einwirken, beziehungsweise in einer Wechselbezie-           te der Clean Air Act der USA von 1963. Im Jahr 1971
hung mit dieser stehen. Ebenso werden in neuerer            folgte ein Umweltschutzprogramm, das richtung-
Zeit klimatische Bedingungen, wie die Ozonschicht           weisend für die Bundesrepublik wurde. Die breite
in den Umweltbegriff mit einbezogen. Somit kann             Bevölkerung entwickelte jedoch erst durch Miss-
der Begriff Umwelt als durchaus entwicklungsoffen           stände, wie das Fischsterben am Rhein, die Versaue-
verstanden werden.2                                         rung der Meere, das Waldsterben und der Nuklear-
                                                            katastrophe von Tschernobyl ein sich entwickelndes
Eine gesetzliche Definition findet sich am ehesten          Umweltbewusstsein.7
im Anschluss an das Europarecht unter § 2 Abs. 1 S.
2 UVPG. Dieses breit ansetzende Verständnis für die         In der heutigen Zeit wird Umweltrecht als selbst-
medienübergreifende Ökologie erfasst hierbei auch           ständiges Rechtsgebiet gesehen mit einer Vielzahl
Sach- und Kulturgüter.3                                     von Gesetzen, die nicht immer hinreichend sachlich
                                                            und verfahrensrechtlich aufeinander abgestimmt
Umweltrecht                                                 sind. Anfang der 1990er Jahre wurde versucht mit
Im Umweltrecht kann die Gesamtheit aller Normen             einem Umweltgesetzbuch diesen Umstand zu hei-
angeführt werden, die dem Umweltschutz förder-              len. In dem Allgemeinen Teil sollte das Verfahrens-
lich sind. Der Grundgedanke des Umweltschutzes              recht und die Instrumente vereinheitlicht werden
ist hierbei, dass die Gesundheit der Menschen und           und in den übrigen Teilen wären die einzelnen
deren Lebensumfeld bewahrt wird.4 Unterschieden             Fachgesetze aufgenommen worden. Zuletzt schei-
wird hier, Umweltrecht im engeren Sinne, wie das            terte der Versuch eines Umweltgesetzbuches im
Immissionsschutzrecht, das Naturschutzrecht, das            Jahr 2009.8 Grund dafür könnte die in Deutschland
Bodenschutzrecht, das Umweltinformationsgesetz              konkurrierende Gesetzgebung sein, welche durch
und im weiteren Sinne das Raumordnungsrecht so-             Artikel 74 GG geprägt ist.9
wie das Bauplanungsrecht.5
                                                            Im Umweltrecht wird unterschieden zwischen dem
Die Entwicklung vom Umweltschutz zum Umwelt-                öffentlichen Recht, dem sogenannten Umweltver-
recht wird nun im nachfolgenden erläutert.                  waltungsrecht und dem Umweltprivatrecht. Die
                                                            zentralen Vorschriften, wie zum Beispiel des Abfall-,
Bereits im Altertum erkannten die Menschen, dass            Bau-, Boden-, Immissions-, Naturschutz, sowie die
durch die Bildung von Siedlungen und somit einer            dazugehörigen Ausführungsbestimmungen sind
verhältnismäßig hohen Besiedlungsdichte Proble-             Teil des öffentlichen Rechts. Wohingegen die Rege-
me durch Abfälle und Abwässer entstanden waren              lungen der zivilrechtlichen Haftung, dem Umwelt-
und somit eine Gefährdung der Gesundheit der                privatrecht zuzuordnen sind. Maßnahmen für um-
Menschen folgte. Mit Hilfe von Entwässerungska-             weltbeeinträchtigende Straftaten ergeben sich aus
nälen oder offenen Gerinnen versuchte man diesen            dem Strafgesetzbuch.10
Umstand zu beseitigen.6 Im Mittelalter geriet dieses
Wissen jedoch in Vergessenheit und es folgten bei-          Nach allgemein herrschender Meinung ist das Um-
spielsweise Pest- und Choleraepidemien.                     weltrecht von drei Grundprinzipien geprägt, dem
                                                            Vorsorgeprinzip, dem Verursacherprinzip und dem
Anfang der 1960er Jahre erkannten die USA und Ja-           Kooperationsprinzip. Diesen Prinzipien kam im Jahr
pan, in denen die Umweltbelastungen am größten              1990 im Zuge des Beitritts der Neuen Bundesländer
waren, dass zukünftig dringend Schutzmaßnahmen              zur Bundesrepublik Deutschland eine besondere
erforderlich sind. Ausschlaggebend hierfür waren            Rolle zu, durch die Erwähnung in Art. 34 Abs. 1 EV.11

1
  Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn.
2
  Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 1-2.
3
  Vgl. Erbguth/Schlacke, § 1 Rn. 5.
4
  Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 1.
5
  Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 9.
6
  Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 22.
7
  Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 24.
8
  Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE).
9
  Vgl. hierzu zum Beispiel Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, vb24, 29 GG.
10
   Vgl. Mache, S. 4.
19 umweltbericht 2015 		                                        FORSCHUNGSBERICHTE

Dieser besagt, dass die natürlichen Lebensgrundla-               GG und geht somit dem einfachen Bundesrecht vor.
gen des Menschen unter Beachtung der vorgenann-                  Einen Rechtsanspruch auf eine saubere Umwelt aus
ten Prinzipien zu schützen und die Einheitlichkeit               dem Umweltvölkerrecht kann für den einzelnen
der ökologischen Lebensverhältnisse auf hohem,                   Menschen hierdurch nicht hergeleitet werden.
mindestens jedoch auf dem in der BRD erreichtem
Niveau zu fördern sind.12                                        Umweltrelevante Normen des Unionsrechts
                                                                 Verträge, welche die Mitgliedstaaten der EU schlie-
Umweltrechtliche Normenhierarchie                                ßen, gelten als Primärrecht. Durch die Realisierung
Umweltvölkerrecht                                                des Vertrages über die Europäische Union (EUV)
Das Umweltvölkerrecht, als Teilbereich des beson-                erlangte Ende 2007, die bis dahin unverbindliche
deren Völkerrechts, versteht sich zum einen als Ge-              Grundrechte-Charta (GRC), aufgrund der Verweise
genstand völkerrechtlicher Kooperationspflichten,                in Art. 6 Abs. 1 EUV17 Rechtsqualität18.
hier als Ansatz zum Schutz der Umwelt. Andererseits
versucht es einen menschenrechtlichen (anthropo-                 Die Vorschrift des Art. 37 GRC Umweltschutz, ent-
zentrischen) Ansatz, ein sogenanntes individuelles               hält nach allgemeiner Auffassung nur einen Grund-
Menschenrecht auf eine (gesunde) Umwelt zu schaf-                satz i.S.d. Art. 52 Abs. 5 GRC und somit kein unmit-
fen. Aufgabe des aktuellen Völkerrechts ist es die-              telbar einklagbares Recht.19 Der Art. 52 regelt die
se Ansätze zu vereinen und einen entsprechenden                  Tragweite und Auslegung der Rechte und Grund-
Ausgleich zu schaffen. Hierzu regelt das Völkerrecht             sätze. Diese Grundsätze können gemäß Art. 52 Abs.
die Beziehungen der Staaten untereinander, den in-               5 S. 1 durch Rechtsakte konkretisiert und ausgestal-
ternationalen Organisationen sowie die Verhältnisse              tet werden. Dies geschieht hauptsächlich durch den
zwischen diesen.13                                               Gesetzgeber.20 Soweit Durchführungsakte erlassen
                                                                 werden, führt dies zu genaueren Vorgaben für
Allgemeinhin werden völkerrechtliche Prinzipien                  Verwaltung und Rechtsprechung der Union sowie
durch ihren „soft law“ Charakter als eher umstritten             deren Mitgliedstaaten. Zudem können Durchfüh-
angesehen, da diese vor internationalen Gerichten                rungsakte subjektive Rechte einräumen, wie auch
keine einklagbaren Ansprüche begründen. Vielmehr                 Rechtspflichten für Private schaffen.21 Allerdings
handelt es sich hierbei um eine politisch-moralische             enthält Art. 52 Abs. 2 eine Kollisionsregel, welche
Bindungswirkung, die abhängig davon ist, wie die                 aussagt, dass Rechte, die gemäß EUV und AEUV
internationalen Vereinbarungen in innerstaatliches               garantiert sind, nicht durch die Grundrechtecharta
Recht umgesetzt werden. Unterschieden werden                     verändert werden sollten.22
völkerrechtliche Verträge und die allgemeinen Re-
geln des Völkerrechts, wie das Völkergewohnheits-                Die Vorgaben lt. Art. 37 GRC sind zudem für ein
recht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze.14 Eine               unmittelbar geltendes subjektives Recht zu unbe-
innerstaatliche Geltung des Völkerrechts richtet sich            stimmt. Unklar ist ebenso, wer Grundrechtsträger
in Deutschland nach Art. 25 und 59 Abs. 2 GG.15                  sein soll.23 In diesem Sinne können sich keine An-
                                                                 sprüche auf eine saubere Umwelt für den Einzelnen
Art. 59 Abs. 2 GG regelt die Völkerrechtliche Ver-               aus Art. 37 GRC ergeben.
tretungsmacht in der Bundesrepublik Deutschland.
Gemäß dieser Vorschrift bedarf es der Zustimmung                 Ziele und Grundsätze der Umweltpolitik der
des Bundestages, damit völkerrechtlichen Verträgen               Union
und Beschlüssen von internationalen Organisatio-                 Art. 191 AEUV formuliert die Umweltpolitischen
nen, der Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten, ihre Wir-               Ziele der Gemeinschaft im Bereich der Umweltpo-
kung entfalten können. Diese Zustimmung erfolgt                  litik und begründet somit deren Prinzipien, ähnlich
durch die Verabschiedung eines Bundesgesetzes.16                 dem Wortlaut des Art. 20 a GG. Außerdem regelt
Stellt sich eine Regelung als allgemeiner Grundsatz              Art. 191 AEUV die Zusammenarbeit mit Drittlän-
des Völkerrechts, auch Völkergewohnheitsrecht, dar,              dern wie auch internationaler Organisationen.24
dann erfolgt eine Rechtsbindung direkt aus Art. 25               Die in Art. 191 Abs. 1 AEUV rechtlich verbindlichen

11
   Klöpfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 1 ff. mit Verweis auf Erbguth/Schlacke, § 3 Rn. 1.
12
   Vgl. Kloepfer, S. 33.
13
   Vgl. Rogall, H.; S. 154.
14
   Prümm/Stoephasius, S. 12.
15
   Vgl. Erbguth/Schlacke, § 8 Rn. 4a.
16
   Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 37.
17
   „...; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig.“
18
   Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 5.
19
   Jarass, Art. 37 Rn. 3.
20
   Jurass, Art. 52 Abs. 5 Rn. 77.
21
   Jurass, Art. 52 Abs. 5 Rn. 79.
22
   Vgl. Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Rn. 3.
23
   Jurass, Art. 37 Rn. 3.
24
   Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 102.
20 umweltbericht 2015 		                                     FORSCHUNGSBERICHTE

Ziele, sollten im Einzelfall ausgelegt werden.25 Die          Rechtskompetenzen und -formen
ebenfalls rechtlich verbindlichen Grundsätze für die          Ein effektiver Umweltschutz kann nur möglich sein,
Gestaltung der Umweltpolitik der Union sind unter             wenn die Maßnahmen aller Mitgliedstaaten ein
Art. 191 Abs. 2 AEUV benannt, jedoch haben diese              möglichst gleiches Niveau erreichen. Heutzutage
in der Praxis keine fassbaren Folgen.26                       stützen sich fast alle umweltschutzrechtlichen Nor-
                                                              men auf europarechtliche Vorgaben. Gemäß des
Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des                Art. 192 AEUV ermächtigt dieser per Beschlussver-
Art. 114 Abs. 3 S. 1 AEUV, wird in dieser Schutzni-           fahren. Verwiesen wird hierbei auf Art. 114 AEUV,
veauklausel ein hohes Schutzniveau verlangt, wobei            den Vorschriften zur Rechtsangleichung im Bin-
das höchstmögliche Schutzniveau nicht gefordert               nenmarkt. Die hierzu zulässigen Handlungsformen,
wird. Es müssen lediglich die verfügbaren wissen-             auch sekundäres Gemeinschaftsrecht genannt, er-
schaftlichen und technischen Daten berücksichtigt             geben sich aus Art. 288 AEUV, wie Verordnungen,
werden.27 Das Vorbeuge- und Vorsorgeprinzip soll              Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stel-
dazu beitragen, dass Umweltbeeinträchtigungen                 lungnahmen.36
vermieden werden.28 Gemäß dem Ursprungsprin-
zip sind Umweltbeeinträchtigungen da zu bekämp-               Umweltschutzverordnungen gemäß Art. 288 Abs.
fen, wo sie auftreten.29 Im Sinne des Verursacher-            2 AEUV haben allgemeine Geltung und sind in allen
prinzips werden die Kosten der Vermeidung und                 ihren Teilen bindend. Diese müssen nicht in natio-
Beseitigung demjenigen zugerechnet, welcher die               nales Recht transformiert werden, um unmittelbare
Umweltbeeinträchtigung verursacht hat.30 Die so-              Geltung zu erlangen. Somit verpflichten und be-
genannte Querschnittsklausel Art. 11 AEUV, wel-               rechtigen sie auch die Bürger der Mitgliedstaaten
che am 01.01.201431 in Kraft getreten ist, sorgt da-          unmittelbar.37 Allerdings ist eine derartige Verord-
für, dass die vorgenannten Prinzipien bei anderen             nung, welche jedoch den Anspruch eines Bürgers
Unionspolitiken und –maßnahmen berücksichtigt                 auf eine saubere Umwelt begründet, nicht bekannt.
werden müssen, welche somit insbesondere der
Förderung einer nachhaltigen Entwicklung dient.32             Europäische Richtlinien gelten nur unmittelbar ge-
Diese Bestimmung enthält eine Rechtsnorm, die                 genüber dem Mitgliedstaat, nicht gegenüber dem
ihre Adressaten zu einem bestimmten Verhalten                 einzelnen Bürger. Folglich kann kein Anspruch für
verpflichtet. Allerdings ist eine subjektiv rechtliche        einen Unionsbürger aus einer Richtlinie erwachsen.
Bestimmung auf diesen Artikel nicht möglich, da               Damit eine unmittelbare Wirkung entsteht, muss
sie nach ihrem Inhalt und Zielrichtung darauf aus-            die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wer-
gerichtet ist, dem Einzelnen eine subjektiv-recht-            den. Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV sind Richtlinien
liche Rechtsposition zu verleihen. Gemäß Art. 3               nur in Bezug auf ihr Ziel verbindlich. Es obliegt den
Abs. 3 EUV hat der Art. 11 AEUV als ökologisches              Mitgliedstaaten, mit welchen Mitteln sie dieses Ziel
Ziel, keinen Vorrang vor anderen legitimen Zielen             erreichen wollen.38 Beispielsweise ergeben sich aus
der EU, sondern er verlangt nur eine Einbeziehung             der Luftqualitätsrahmenrichtlinie 2008/50/EG v.
dieser.33 Primärziel der EU ist die Errichtung eines          21.5.2008 über die Luftqualität und saubere Luft
Binnenmarktes, basierend auf einem ausgewoge-                 für Europa Vorgaben für Grenz- und Leitwerte. Ziel
nen Wirtschaftswachstum und Preisstabilität, sowie            der EU-Kommission ist die Verbesserung der Um-
einer wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft, die auf             weltsituation bis 2020. Diese enthält Richtlinien von
Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt gerichtet          Obergrenzen für die Konzentration von Feinstaub-
ist.34 Folglich kann die Steuerungswirkung nur als            partikeln in der Luft.39
relativ angesehen werden und verleiht dem Art. 11
AEUV nur einen Charakter als Regel, die erfüllt wird          Mit Beschlüssen i.S.d. Art. 288 Abs. 4 AEUV wer-
oder nicht.35                                                 den individuelle und tatsächliche Regelungen für
                                                              den Einzelfall getroffen. Diese gelten nur für den

25
   Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 6.
26
   Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 105.
27
   Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 108.
28
   Siehe hierzu Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 und 2 AEUV; vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 109.
29
   Siehe hierzu Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 AEUV; vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 110.
30
   Siehe hierzu Art. 191 Abs. 2 Satz 2 Alt. 4 AEUV; vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 110.
31
   Nomos, Handbuch des Europäischen Rechts (HER); [AEUV]: Artikel 11 [Umweltschutz; Querschnittsklausel]; http://
beckonline.beck.de/?vpath=bibdata%2fges%2faeuv%2fcont%2faeuv.a11.htm (besucht am 08.05.14).
32
   Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 9.
33
   Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim; EL 41 Juli 2010, S. 5, Rn. 14.
34
   Artikel 3 EUV [Ziel der Union], EU-Vertrag idF v. Lissabon, in Kraft ab: 01.07.2013.
35
   Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim; EL 41 Juli 2010, S. 6, Rn. 14.
36
   Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 13.
37
   Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 115.
38
   Vgl. Kluth/Smeddinck (Hrsg.), Rn. 118.
39
   Vgl. Erbguth/Schlacke, § 7 Rn. 13.
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