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WEGBEGLEITER Information und Unterstützung für trauernde Mütter, Väter, Geschwister, Großeltern und alle, die mit dem Tod eines Kindes leben müssen Sommer 2021 Liebe trauernde Mütter und Väter, Umsetzung eines wichtigen Paragraphen aus liebe Geschwister und Großeltern, unserer Satzung: „Verwaiste Eltern nimmt die liebe Freunde und Förderer des Vereins, Funktion eines Landesverbandes Verwaiste El- tern in Bayern wahr.“ (§1,6), wollen wir Brücken unser Thema des Jahres heißt „Vernetzung“. bauen und Wege verkürzen, sozusagen Hoch- Dazu haben wir uns drei Schwerpunkte gesetzt. geschwindigkeitsstrecken schaffen zwischen Zum einen geht es darum, die Zusammenarbeit den Mitgliedern im Netzwerk. der Trauergruppen in ganz Bayern zu fördern und zu unterstützen. Dabei haben wir uns auch personell mit einer neuen Mitarbeiterin gestärkt. Zum anderen nimmt das Projekt „Münchner Sternenkind Netzwerk“, das wir im vergangenen Jahr aus der Frühtodgruppe heraus gestartet ha- ben, jetzt Fahrt auf. So haben wir im Juni 2021 die Zusatzausbildung „Begleitung von Sternen- kindeltern“ erstmals durchgeführt. Des Weiteren intensivieren wir im Internet unsere Kontakte mit der interessierten Öffentlichkeit. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Abonnenten in un- seren Social-Media-Kanälen verdoppelt. In punkto Vernetzung wird seit vielen Jahren von Auf diesem Weg wollen wir weiter vorankom- der Geschäftsstelle ein jährliches Vernetzungs- men, um den Erfolg unserer Trauerarbeit weiter treffen organisiert. Es dient dem Austausch der zu sichern. ehrenamtlichen Trauerbegleiter untereinander Vorstand, Geschäftsstellenleitung und sowie der gemeinsamen Fortbildung. Den Rest Redaktionsteam des Wegbegleiters des Jahres ist die Geschäftsstelle Ansprechpart- ner für die Ehrenamtlichen vor Ort. Der Aus- tausch und die Zusammenarbeit untereinander Vernetzung schafft Unterstützung bleiben den Mitgliedern zur eigenständigen Ge- Edmund Stoiber hat es bezüglich seines geplan- staltung offen. ten Transrapid einmal so ausgedrückt: “Das be- Um betroffenen Eltern überall in Bayern gut er- deutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im reichbar ein Selbsthilfeangebot in einer Gruppe Grunde genommen näher an Bayern ... an die bereitstellen zu können, werden wir auf diesen bayerischen Städte heranwächst, weil das ja klar Strukturen aufbauend nun die Vernetzung in ist, weil auf dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern und angrenzender Regionen konkreti- Bayern zusammenlaufen.“ sieren, stabilisieren und ausbauen. Um im Ver- Was wollte er uns damit sagen? Die zusätzliche, gleich zu bleiben: wir bauen die Gleisverbindun- schnellere öffentliche Verkehrs-Netzwerkverbin- gen aus und schaffen Möglichkeiten, mehr Aus- dung zwischen dem Hauptbahnhof München tausch direkt zwischen den Selbsthilfegruppen und dem Flughafen verkürzt die Reisezeit zwi- der Verwaisten Eltern und Geschwister anzure- schen der bayerischen Landeshauptstadt und gen und gleichzeitig andere Organisationen, die den Flugzielen, die vom FJS-Flughafen aus zu sich wie wir mit dem Thema Trauerbegleitung für erreichen sind. verwaiste Eltern und Geschwister beschäftigen, an der Netzwerkstruktur zu beteiligen. Wir wol- So ähnlich kann man sich das mit unserem len damit insbesondere die regionale Zusam- neuen Netzwerk Verwaiste Eltern und Ge- menarbeit vor Ort stärken und unterstützen. schwister Bayern vorstellen. Entstanden aus der Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e.V. ist ein Selbsthilfeverein für alle, die ein Kind durch Tod verloren haben Der Verein ist korporatives Mitglied im Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V. und Mitglied im Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e.V.
Bisher wurden alle Selbsthilfegruppenbegleite- oder noch aussuchen, wie sie das Grab schmü- rinnen, Vereine und Organisationen, die bereits cken. In den letzten Jahren gab es besonders bei den Verwaisten Eltern und Geschwistern viele Gräber auf dem Westfriedhof. Dann kommt München e.V. tätig sind, als Mitglieder ins Netz- es immer wieder vor, dass sich die Mütter – werk eingeladen. Danach wird die Mitgliederwer- manchmal sind auch Väter dabei – zu einem ge- bung auf Menschen und Organisationen außer- meinsamen Besuch zu den Gräbern ihrer Kinder halb des Vereins ausgeweitet, die sich in Bayern verabreden. Sie bringen Blumen und Kerzen und den angrenzenden Regionen wie wir mit auch für das jeweils andere Grab, halten inne, dem Thema der Trauerbegleitung für verwaiste setzen sich irgendwo hin und erzählen über ihr Eltern und Geschwister beschäftigen. Kind. Manche Freundschaften sind dadurch ent- In einer Netzwerkordnung sind Ziele, Aufgaben standen, die lange halten. und die Organisation des Netzwerks definiert. In der Offenen Gruppe haben sich die Eltern zu- Um einen hohen Qualitätsstandard der Trauer- nächst vernetzt, aber dann durch das gemein- begleitung verwaister Eltern und Geschwister si- same Schicksal eng miteinander verbunden. cherzustellen, wurden darin Qualitätskriterien festgelegt. Monika Shah Schon lange gibt es die Möglichkeit, sich über die bestehenden Gruppen in Bayern und den an- Mein erstes Bergerlebnis nach dem Tod grenzenden Regionen und deren Erreichbarkeit meines Sohnes auf unserer Homepage zu informieren. Im Newsletter wurde die Rubrik „Aus den Regio- Das erste Bergerlebnis nach dem Tod meines nen“ eingeführt. Hier können Selbsthilfegruppen Sohnes Lorenz, der am 26. August 2016 aus sei- von Gottesdiensten, gemeinsamen Ausflügen nen geliebten Bergen nicht mehr wiederkam, und anderen Veranstaltungen berichten oder war eine Woche später. Ich hatte mich zur Watz- dazu einladen. Für die nächste Zukunft ist eine mann-Überschreitung beim Alpenverein ange- eigene Sparte auf der Internetseite der Verwais- meldet und wollte diese auch durchführen, weil ten Eltern und Geschwister München geplant, ich mich stabil fühlte. Kurz danach ist alles noch die dem Austausch und der Information dienen „gut“. Ich „bekam“ noch so viel und ich fühlte soll. mich den Bergen mehr denn je verbunden. Mit der Bergführerin abgesprochen, war ich also da- Wir freuen uns auf eine rege Beteiligung, Anre- bei. gungen, einen bereichernden Austausch und ein gutes Miteinander. Viele Dinge in der Vorbereitung liefen genauso ab wie oft bei Lorenz. Um 5.15 Uhr stand ich auf, Manuela Hager-Wutzke nahm meinen gepackten Rucksack und fuhr los. Netzwerkkoordinatorin Doch dann stand ich unerwartet im Stau. Ich kannte mich auf den Straßen nicht mehr aus, war verzweifelt, soll ich rechts oder links fahren? Schaff´ ich es noch rechtzeitig? Zurück nach Pasing gerast, in Eile in die Bergstiefel reinge- schlüpft, zur S-Bahn gerannt und sie gerade noch erwischt. Dort saß meine Gruppe für die- ses Wochenende. Die anderen Teilnehmer erfuhren im Zug von Lo- renz‘ Tod. Während der nächsten Tage fühlte ich mich von ihnen gut getragen. Philipp, einer aus unserer Gruppe, sagte am Vorabend, ich sei an- gesichts der anspruchsvollen Tour am ruhigsten. Ja, ich spürte Ruhe – aber auch bittere Mo- mente, zum Beispiel als zwei jugendliche Jungs an mir vorbeispurteten. Mein Magen zog sich zu- sammen, als ich eine Familie sah, die zwei Jungs wie meine beiden Söhne neben sich hat- Trauernde Eltern vernetzen sich ten. Wenn Eltern sich in der Offenen Gruppe treffen, Beim frühen Aufstieg am nächsten Morgen erzählen sie oft von ihrem Gang zum Friedhof. spürte ich total intensiv die Faszination der Sie erzählen, wie viel ihnen das Grab ihres ver- Berge: „Hey, ich bin in deiner Welt, Lorenz, ich storbenen Kindes bedeutet, mit wie viel liebevol- fühle mich bei dir, ich bin dir nah. Schau dir diese len Gedanken sie den Stein ausgesucht haben Gipfel an!“ Seite 2 Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernden Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021
Es ist gut, zu „gehen“ und sich auf jeden Schritt Graue Soße – Suppe – alles verschwommen – zu konzentrieren. Wo trete ich hin? Wo bin ich? kein Horizont zu sehen – hat ein bisschen was Während ich über nasses Gras lief und in von Unendlichkeit. feuchte Erde trat, einen Bach durchwatete und Der Schneefall wird stärker – es sind Pünktchen von Stein zu Stein hüpfte, fiel mir auf, dass ich und feine Striche zu sehen – ich dreh mich um die Wanderstiefel meines Sohnes trug. Sie pas- zu den Bäumen, steh im Dschungel, denn es sen. Ich fühlte mich wohl und der Schuh gab mir darf hier wachsen und leben, sterben und liegen Halt. Ich musste lächeln. – da liegt ein kaputter Baumstamm vor mir, dun- Ich steige, ich schwitze, immer weiter die körper- kelbraun, faserig an der Oberfläche – er hat viele liche Anstrengung, Schritt für Schritt nach oben Löcher – tot – und doch ein Lebensraum für viele wollend, ein Ziel vor Augen, mir den Gipfel er- Käfer und Insekten. kämpfend – all das tat mir gut. Eine Herausfor- Je länger ich draufschaue, desto mehr sehe ich: derung wie das Trauern! Da ist eine blaue Rindenstelle, wie schön – die Ab und zu kamen mir Tränen, weil ich mir so weißen Schneeflocken bemustern die dunkle sehr wünschte, dass Lorenz hier noch viele Oberfläche – geradeaus schlängeln sich zwei Berg- und Klettererlebnisse gehabt hätte. Ich Efeustränge fein und angeschmiegt an der gro- konnte die Tränen zulassen, sie durften kullern. ben Maserung entlang – nur dieser eine Blick Vom Gipfel der Watzmann-Südspitze mochte ich und so Vieles zu sehen! gar nicht weg – ich konnte mich am Panorama nicht satt sehen. Alles erschien mir so intensiv. Ich hatte erst hier eine Vorstellung von der Größe der Berge, die mein Sohn so oft bestie- gen hatte. Diese erhabenen Gipfel und diese an- mutige Schönheit! Sie zeigten sich mir so deut- lich und nah. Beeindruckt und berauscht stieg ich die liebli- chen, weichen Hänge hinunter. Danke, Lorenz, Lollo, Lorenzo! Christel Gahse Klosterauszeit in Bernried am Starnberger Foto: Birgit Schuder See 19. März 2021, dankbar und überglücklich bin Vögel zwitschern – ich gehe weiter – durchs Ge- ich, dass das Wochenende „Auszeit“ mit Isabel strüpp – weg vom Weg – rieche die nasse Erde Schupp und Birgit Schuder stattfinden durfte. In – es treibt mich nochmal ans Wasser – die Wel- einer wunderschönen Gegend mit wunderbaren len sind flacher – ich schau auf den See – mein Menschen habe ich viele verschiedene Möglich- Blick wird weiter – gegenüber ist jetzt mehr zu keiten erfahren, erlebt und mitgenommen, wie sehen – ein Hauch von Häusern – und darüber ich meinen verstorbenen Sohn herholen kann ein paar blaue Flecken am Himmel – ich und was mir selbst hilft. Oft sind es nur kleine schließe wieder meine Augen. Dinge, doch die sind sehr wirkungsvoll. Es gab Als ich sie öffne, schwimmt, etwas entfernt, ganz Texte, Erzählzeit, Austausch, Natur; wir malten, ruhig, eine Ente – ihre Ruhe imponiert mir – trotz dichteten und tanzten. Es gab Atem-, Achtsam- Wind und Welle und Wasserbewegung – sie keits- und Entspannungsübungen, wir hörten überträgt die Ruhe auf mich – „Ja, es geht: ruhig Neues, gestalteten und lachten. Recht lieben im Sturm, auch bei mir“ – das Rauschen ist leiser Dank euch beiden, Isabel und Birgit. Ich kann geworden – angenehm höre ich es im Hinter- diese wertvolle Zeit nur weiterempfehlen. Eines grund. davon möchte ich mit Euch teilen. Auf dem Rückweg – tobt der Schneefall noch Eine Sinnesübung draußen wilder – aus Graupel werden dicke Flocken – sie Rauhes Wetter – ich steh‘ am Ufer – die Grau- kommen von vorne – fliegen mir in den Mund – pelkörnchen fallen mir ins Gesicht – ich dreh meine Jacke und Hose verfärben sich ganz weiß mich zu ihnen hin – hin und weg – spüre kalten – erfüllt und beseelt kehre ich ins Kloster zurück. Wind – höre die Wellen rauschen – sie bewegen Es ist ein raues, allumfassendes, spürbares, sich schnell: überall ist Bewegung – da, ein Wol- mich mitnehmendes Wetter, wie es zu dir, Lo- kenloch am Himmel – es leuchtet – dann ist es renz, Lollo, Lorenzo, passt. weg. Christel Gahse Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernde Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021 Seite 3
Geschwister ab 18 Jahren, die einen Bruder oder eine Schwester – sei es durch Krankheit, Unfall, Suizid oder ein Unglück anderer Art – ver- loren haben und Austausch und Unterstützung suchen. Es können Gedanken ausgetauscht und Gefühle in einem Kreis von Menschen geteilt werden, die als Betroffene verstehen, was der Verlust eines Geschwisters bedeutet. Dabei kann selbstverständlich jeder und jede selbst entscheiden und spüren, ob und wann im Trau- erprozess die Begleitung durch eine Gruppe hilf- reich für sie oder ihn ist. Egal, an welcher Stelle im Trauerprozess, jede Schwester und jeder Anmerkung der Redaktion Bruder ist zu jeder Zeit willkommen. Es gab ein ausgefeiltes Hygienekonzept vom Klos- ter Bernried zur Erfüllung der Pandemie-Auflagen. Die Essenszeiten waren geregelt, um nicht mit an- deren Gruppen zusammen zu treffen. Die Gruppe war einerseits so oft wie möglich draußen, der Raum war andererseits sehr groß, um die Ab- stände einzuhalten. Wer seine Eltern verliert, verliert seine Vergangenheit. Wer seinen Partner verliert, Foto: Tabea Breidenbach verliert seine Gegenwart. Aufgrund der Pandemie waren Präsenz-Treffen Wer sein Kind verliert, in der letzten Zeit leider nicht möglich – doch on- verliert seine Zukunft. line fand die Gruppe statt, jeweils am letzten Montag im Monat von 19 Uhr bis 20.30 Uhr und Wer ein Geschwister verliert, bot Zeit und (digitalen) Raum für Trauer und verliert alles zusammen. Austausch. Aktuell sind persönliche Gruppen- treffen wieder möglich. Fragen Sie einfach per Autor*in unbekannt Mail nach bei: geschwisteraugsburg@web.de. Mit rotestem Rot Tabea Breidenbach schmückt sich jetzt die Stockmalve – so lacht das Leben. Ehrenamt Haiku von Detlev Dehn Wir über uns … Wir, Juliane Fischer und Veronika Kronseder, haben beide vor einigen Jahren ein Geschwister verloren. Der Austausch mit anderen betroffe- Online-Treffen der Augsburger Geschwis- nen Geschwistern, den der Verein regelmäßig tergruppe anbietet, tut uns gut und hilft uns vor allem auch in emotional schwierigen Phasen. Daraus ent- Seit einem Jahr gibt es in Augsburg eine Trauer- stand der Wunsch, etwas „zurückzugeben“: Wir gruppe für alle, die ein Geschwister verloren ha- kümmern uns seit einiger Zeit um Weiterentwick- ben. Wie hilfreich die Gemeinschaft von Men- lung und Betreuung der Social-Media-Kanäle, schen ist, die ähnliches erlebt haben, durfte ich die die klassischen Kommunikationswege des selbst in der Berliner Geschwistergruppe erfah- Vereins ergänzen und vor allem helfen sollen, ren und führe es in Augsburg fort. In der Gruppe auch jüngere Zielgruppen zu erreichen. schaffe ich Raum für alle betroffenen Seite 4 Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernden Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021
So finden Sie unsere Social-Media-Profile: unsere Social-Media-Kanäle bereits, um sich mit Facebook: Verwaiste Eltern und trauernde Ge- ihren persönlichen Fragen an uns zu wenden. schwister München e.V. Unsere Social-Media-Aktivitäten werden daher im Jahr 2021 verstärkt angegangen, u.a. mit Instagram: verwaiste.eltern.u.geschwister Hilfe einer detaillierten Content-Planung, um für einen intensiveren Austausch mit unseren Abon- Juliane Fischer nenten zu sorgen. Veronika Kronseder Juliane Fischer Vernetzung mit Hilfe von Social-Media- Aktivitäten Ein Facebook-Profil der Verwaisten Eltern be- steht bereits seit mehreren Jahren und wird seit Herbst 2019 aktiv gepflegt. Im Sommer 2020 SHG Friedrichshafen: 10jähriges Bestehen wurde zusätzlich ein Instagram-Account eröff- net. Folgende Nutzerzahlen wurden festgestellt: Un- ser Facebook-Account hat knapp 400 Abonnen- ten, Instagram ca. 450 (Stand Ende Dezember 2020). Die Tendenz ist bei beiden Kanälen kon- tinuierlich steigend. Auf Facebook setzt die Ziel- gruppe sich aus ca. 85 Prozent Frauen und 15 Prozent Männern zusammen, auf Instagram so- gar aus ca. 90 Prozent Frauen. Dabei macht auf Facebook den größten Anteil die Gruppe der 35 bis 54jährigen aus, auf Instagram hingegen ist der Großteil der Abonnenten zwischen 25 und 44 Jahren. Über beide Social-Media-Plattformen wurden im Foto: Ruth Erichsen Jahr 2020 hauptsächlich Ankündigungen zu Gruppentreffen und Veranstaltungen gepostet. „Die Gruppe ist eine großartige, eingeschworene Auch wenn die geposteten Ankündigungen sich Gemeinschaft. Obwohl immer wieder neue be- nahezu alle auf den Standort München bezie- troffene Eltern dazukommen, manchmal auch hen, sind die Abonnenten laut ihren Standortda- eine Zeitlang wegbleiben, einige auch wieder- ten über ganz Deutschland und vereinzelt sogar kommen“, erzählt Ruth Erichsen, die Gründerin darüber hinaus verstreut. und Leiterin der Gruppe. „Alle helfen zusammen, Ein besonderes Highlight neben den regulären das ist wirklich wunderschön. Beim Organisieren Posts zu Treffen und Veranstaltungen war die von Ausflügen oder für Weihnachten, für Gottes- „Wir für uns“ Weihnachtsaktion, bei der wir über dienste oder für die Arbeit am Computer. Eine die Social-Media-Plattformen tröstende Rituale zweite Gruppenbegleiter*in zur Unterstützung für Trauernde in der Weihnachtszeit gesammelt wäre manchmal schön, aber ich fühle mich nicht und geteilt haben. Hier zeigte sich im Vergleich allein.“ zum üblichen Content (Inhalte) ein überdurch- Als ich einmal krank war, erfuhr ich von einem schnittliches Engagement der User in Form von weiteren Todesfall in der Familie einer unserer Likes, Shares und Kommentaren, auch wenn es betroffenen Mütter. Nach Rücksprache infor- sich um eine erste Aktion dieser Art gehandelt mierte ich unsere Gruppe, die für sich handelte: hatte. gemeinsame Teilnahme an der Trauerfeier mit Eine überdurchschnittliche Resonanz konnten entsprechenden Blumen und Kartengruß von wir ebenfalls feststellen bei Posts, die nicht uns, dafür braucht es keine Anleitung! bloße Ankündigungen von Veranstaltungen ent- Einige der Frauen treffen sich auch außerhalb hielten, sondern z.B. Buchtipps, ein Hinweis auf der Gruppe, sie sind Freundinnen geworden und „besondere Tage“ oder Podcast-Empfehlungen. das ist gut so.“ Social-Media-Plattformen sind als Kommunikati- Seit 10 Jahren übernimmt Frau Erichsen die Or- onskanal insbesondere für jüngere Zielgruppen ganisation sowie die Gesprächsleitung in der geeignet, beschränken sich üblicherweise aber Gruppe und sorgt für den Raum. Mit freundlicher nicht auf reine Informationslieferung, sondern le- Unterstützung eines Pfarrers darf sich die ben von der Interaktion zwischen Seitenbetrei- Gruppe kostenlos im Gemeindesaal der Pfarrei ber und Zielgruppe. Einige Follower nutzen Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernde Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021 Seite 5
treffen: „Manche fahren 30 bis 40 km, um zum Gruppentreffen kommen zu können und manche kommen mit dem Schiff über den Bodensee.“ In Corona-Zeiten führte Frau Erichsen viele Ein- zelgespräche und die Gruppe hat organisiert, was möglich war: Der Gedenkgottesdienst zum Beispiel oder eine Wanderung im Sommer oder eine improvisierte Weihnachtsfeier draußen. „Es war schon recht kalt, da trafen wir uns nochmal am Schloss am See. Am kleinen Tisch – für un- ser Beisammensein hatte jeder hat etwas mitge- bracht – haben wir einen Text gelesen und mit viel Abstand ein wenig Zeit zum Gedankenaus- tausch im Freien verbracht. Als wir durchgefro- ren waren, gingen wir wieder heim. Und fühlten Susanne Lorenz als Leiterin der Geschäftsstelle uns durch unsere Gemeinschaft in unserer hat mit über 20 Jahren Erfahrung den Blick für Trauer gut getragen. den Wandel in der Trauerbegleitung – bis hin zu Wir wünschen der Gruppe weiterhin ein gutes digitalen Formen. Dabei sorgt der Verein durch Gefühl der Verbundenheit und bedanken uns systematische Ausbildung für eine zunehmende herzlich bei Frau Erichsen für die bereits 10jäh- Professionalisierung der Trauerbegleitung: fun- rige Begleitung der Gruppe in Friedrichshafen. dierte Basisqualifikation und Fortbildung sowie Supervision. Manuela Hager-Wutzke Im Detail werden die verschiedenen Aufgaben des Vereins dargestellt: Stefan Philipps betont die Schwere der Schuldfrage im Falle des Sui- zids eines Kindes. Stephanie Leister und Jan- Tobias Fischer erläutern die besondere Bezie- hung von Geschwistern, die oft erst im Tod zu 30 Jahre Verwaiste Eltern – Eine Erfolgs- Tage tritt. Astrid Gosch-Hagenkord berichtet geschichte der Selbsthilfe in Bayern über das Leid der Eltern, die ihr Kind durch Früh- Der Verein „Verwaiste Eltern und trauernde Ge- tod verlieren. Freya von Stülpnagel zeigt, wie schwister München e.V.“ hat jüngst die kom- wichtig die ersten Schritte gleich nach dem Tod pakte Dokumentation „30 Jahre Verwaiste El- eines Kindes für die Eltern sind. tern“ herausgebracht. Hier stellen über 20 Au- Dr. David Althaus ist als psychologischer Psy- tor*innen und Künstler*innen dar, wie der Verein chotherapeut seit Jahren den Verwaisten Eltern aus kleinsten Anfängen zu einer renommierten verbunden; er versteht den Verlust eines Kindes Organisation der Selbsthilfe in Bayern wurde. als ein Trauma der Eltern und weiß, dass es sich Zuerst gibt es anerkennende Worte von Barbara langfristig transformieren lässt. Friedrich Seitz Stamm: „Ein heller Lichtblick“, von Dieter Reiter: legt dar, warum er sich als Ministerialdirigent „Aushängeschild der Selbsthilfe“ und Georg Fal- a.D. im Vereinsvorstand engagiert und Petra terbaum von der Caritas: „Betroffene helfen Be- Hohn vom Bundesverband belegt die deutsch- troffenen“. Der erste Vorsitzende des Vereins, landweiten Erfolge der Verwaisten Eltern. Michael Schiegerl, erläutert, dass neben weni- Die grafische Vereinschronik macht auf einen gen Hauptamtlichen über 80 Ehrenamtliche den Blick deutlich, wie stabil und zugleich kreativ sich Betroffenen vielfältige Hilfe zur Selbsthilfe anbie- die Aufgaben des Vereins gestaltet haben und ten. Diese Hilfe wird durch die Beiträge und wie er über die Jahre immer mehr an Anerken- Spenden der aktuell über 800 Mitglieder sowie nung gewonnen hat. öffentlichen Zuwendungen finanziell ermöglicht. Detlev Dehn Bereits 1985 hat Tina Quack die Selbsthilfeidee in der Trauerbegleitung nach München mitge- bracht und in Verbindung mit der Caritas in die Tat umgesetzt. Dabei war Pater Claudius Bals von St. Ottilien ein wichtiger Unterstützer – und ist es bis heute. Für Pfr. i.R. Klaus Günter Stahl- Ausstellung mit Bildern von Christel Gahse schmidt, der den Verein seit Anbeginn begleitet Vor der Mitgliederversammlung am 2.7.2021 hat, war jeder Moment in dieser Zeit immer wie- fand die Vernissage mit Bildern von Christel der „ein Neubeginn“. Gahse statt. Ihre Bilder haben immer mit ihr selbst und ihrem Leben zu tun. Seite 6 Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernden Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021
Die Ausstellung ist in den Geschäftsräumen von Mitgliederversammlung am 2.7.2021 Verwaiste Eltern während der Bürozeiten zu be- Der Vorstand wurde neu gewählt und hat sich im sichtigen. Lesen Sie, was Frau Gahse über sich Anschluss in allen seinen Funktionen bestätigt: selbst sagt: 1. Vorsitzender: Michael Schiegerl, Stellvertre- tende Vorsitzende: Freya von Stülpnagel, Schriftführerin: Irmgard Götz, Kassenwart: Mi- chael Oberhofer, Beisitzer: Friedrich Seitz. Projekt „Münchner Sternenkind Netzwerk“ Im Jahr 2020 haben wir das „Münchner Sternen- kind Netzwerk“ gestartet. Als weiterer Schritt in der Projektentwicklung wurde am 25./26.6.2021 die Zusatzqualifikation „Begleitung von Sternen- kindereltern“ erfolgreich durchgeführt. Die Vorbereitungen zum Launch der eigenen Website gehen planmäßig voran, so dass die Online-Schaltung bis Herbst 2021 erfolgen kann. Foto: Christel Gahse Detlev Dehn „Ich, Christel Gahse, lebe auf dem Land zwi- schen Augsburg und München. Hospiz- und Palliativnetzwerk München Schon im Kindergarten saß ich meist in der Mal- Unser Verein ist von Anfang an Mitglied im Hos- ecke und hatte Freude an Farbstiften und For- piz- und Palliativnetzwerk München, das seit men. Weiter im Schulleben durfte das Fach 2016 besteht. Auch die Trauerbegleitung ist ein Kunst nicht fehlen, jedoch führte ich dies nie wei- wichtiger Bestandteil in diesem Netzwerk. Die ter in Kursen oder Kunstschulen fort. Eine zeit- Vernetzung mit Fachkolleg*innen ermöglicht es lang besuchten mein Vater (kurzzeitig auch uns, unterschiedliche Aspekte der Begleitung meine Mutter) Mal-Seminare, und so sah ich zu trauernder Menschen sichtbarer und bewusster Hause neue Werke entstehen. Mit meinen eige- zu machen. Deshalb schätzen wir den fachli- nen zwei Kindern verbrachte ich gerne die Nach- chen Austausch und die Impulse aus dem Netz- mittage mit kreativen Tätigkeiten. Ich selbst werk sehr. Mehr Infos dazu finden sich unter: habe 2010 das Malen begonnen, mal in einem hpn-muenchen.de offenen Treff, mal zu Hause für mich, nie mit gro- ßer Anleitung und auch nicht regelmäßig. Es Susanne Lorenz machte mir einfach Spaß in die Welt der Farben einzutauchen. Ich vergesse dann alles um mich „Zamm hocka“ in Corona-Zeiten herum. Mein Anliegen ist es, etwas auszudrü- Ja freilich, sagten wir uns. Die erhöhten Medien- cken, vielleicht sogar beim Betrachter etwas zu kompetenzen jedes Einzelnen nutzten wir Mitte bewegen, anzustoßen. Meine Gemälde haben Mai zum ersten Mal, um uns mit Ehrenamtlichen eine Bedeutung, auch einen Titel. Und meine aus dem Verein kontaktlos zamm z‘hocka. Ne- Bilder haben immer mit mir zu tun. Sie entstehen ben allgemeinem Kennenlernen und dem Aus- aus einem Bedürfnis ein Thema darzustellen, tausch unter Trauergruppenbegleitern lockte die aus einem Impuls in mir heraus. Dann finde ich Einladung auch Geschäftsstellenmitarbeiterin- die ein oder andere Abbildung dazu – und los nen. Frau Gosch-Hagenkord berichtete über das gehts. Heute und hier seht ihr/sehen Sie meine Münchner Sternenkind Netzwerk und Frau Herr- Werke nach dem Tod meines Sohnes Lorenz, mann über die Möglichkeit, an Online-Gruppen der mit 17 Jahren und 11 Monaten in den Bergen teilzunehmen. Ohne thematische Vorgaben zog abstürzte. Ihr seht meinen Weg, was mich seit- sich der Redefluss an diesem Abend über gut dem beschäftigt und was es „durchzustehen“ zwei Stunden: Über die Vorteile im Team zu be- gab. Somit hat die Ausstellung einen Anfang und gleiten, Gruppenneugründungen, Corona-Alter- ein Ende. Ende? Nein, noch kein Ende … nativen zu Gruppentreffen, Angebote für ver- Der Weg ist noch nicht zu Ende: betrachten – waiste Väter, Kinder- und Jugendtrauer und vie- spüren – wirken lassen ... les mehr. Es war mir eine große Freude, dem sprudelnden Gespräch beizuwohnen und freue Es freut mich, wenn ich Euch ein bisschen be- mich schon auf das nächste Mal. rühren kann, egal in welche Richtung.“ Christel Gahse Manuela Hager-Wutzke Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernde Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021 Seite 7
Golli Marboe Vom 7. bis 15.10.2021 wird die 8. Münchner Notizen an Tobias, Gedanken eines Vaters Woche für Seelische Gesundheit stattfinden. zum Suizid seines Sohnes Wir beteiligen uns mit einem „Tag der Offenen Golli Marboe ist das Tür“ am 8.10. sowie weiteren Veranstaltungen. Schlimmste passiert, Informieren Sie sich unter: www.woche-seeli- was einem Vater pas- sche-gesundheit.de sieren kann. Das ei- gene Kind hat sich das Das Benefizkonzert zu unseren Gunsten mit Leben genommen – dem Polizeiorchester Bayern findet am ein Tabuthema für die 24.9.2021 um 19 Uhr im Gasteig, Carl-Orff-Saal Öffentlichkeit. statt. Das Polizeiorchester Bayern mit Sitz in der Landeshauptstadt München ist das professio- In „Notizen an Tobias“ nelle, sinfonische Blasorchester der Bayeri- schreibt Marboe über schen Polizei. Wir sind dem Orchester und ihrem das erste Jahr der Leiter sehr dankbar, dass sie dieses Konzert er- Trauer und den Ver- möglichen. such, das Unfassbare zu begreifen. Mit sei- Der Kartenverkauf erfolgt ab Juli bei München nem sehr offenen und berührenden Buch Ticket: https://www.muenchenticket.de/ Sichern möchte der Journalist und Vater von vier Kindern Sie sich rechtzeitig Ihre Plätze – ab 22 Euro! auch anderen Betroffenen in ähnlicher Situation Perspektiven geben. Weitere Veranstaltungen finden Sie auf unserer Residenz Verlag, Salzburg, ISBN 978-3-7017- Homepage https://www.ve-muenchen.de/veran- 3514-3 staltungen-trauerseminare/ Redaktionsschluss für die Weihnachts- Regina Neufeld ausgabe des Wegbegleiters: 24.9.2021 Viel zu kurz und doch für immer Wenn Sie an der Mitgestaltung unseres Weg- Was wir durch den Tod begleiters interessiert sind, rufen Sie bitte in der unseres Kindes über Geschäftsstelle an: Tel. 089 4808899-0. Danke! uns, das Leben und Gott gelernt haben Samuel wurde nur 54 Impressum Tage alt. Regina Neu- feld erzählt sehr per- Wegbegleiter für trauernde Mütter, Väter, Geschwister, Groß- sönlich von dem Verlust eltern und alle, die mit dem Tod eines Kindes leben müssen ihres Sohnes durch Herausgeber: Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister Trisomie 18. Davon, München e.V., St.-Wolfgangs-Platz 9, 81669 München, was sie und ihr Mann in Tel. 089 4808899-0, Internet: www.ve-muenchen.de, www.trauernde-geschwister-muenchen.de der schwierigen Zeit vor E-Mail: info@ve-muenchen.de und nach der Geburt Facebook: siehe „Verwaiste Eltern München“ gefühlt, gefragt und ge- Instagram: siehe „verwaiste.eltern.u.geschwister“ lernt haben. Ein Buch über Trauer, Schmerz und Bankverbindung: HypoVereinsbank München Sehnsucht, aber auch – und vor allem – eine Ge- IBAN: DE03 7002 0270 0040 6090 40, BIC: HYVEDEMMXXX schichte der Liebe, Dankbarkeit und Hoffnung. Redaktionsteam: Dorothea Böhmer, Heinz Brockert, Kristina von Saldern, Ille Sophie Schalk, Monika Shah Die Autorin macht Betroffenen Mut, offen mit ih- Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers/der Verfasserin wieder. ren Gefühlen und Gedanken umzugehen und Fotos: wie angegeben sowie Sophie Schalk, Grit Herrmann nicht alles was Ärzte sagen, einfach so hinzu- nehmen. V.i.S.d.P.: Detlev Dehn Vorstand 2021 – 2023: 1. Vorsitzender: Michael Schiegerl, Gerth Medien GmbH, ISBN 978-3957345431 Stellvertretende Vorsitzende: Freya von Stülpnagel, Schriftfüh- rerin: Irmgard Götz, Kassenwart: Michael Oberhofer, Beisitzer: Friedrich Seitz Astrid Gosch-Hagenkord Seite 8 Wegbegleiter der Verwaisten Eltern und trauernden Geschwister München e.V., Ausgabe Sommer 2021
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