Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
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Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann Wir gestalten Zukunft Ergebnisse und Empfehlungen White Paper des VDI-Round Table November 2022 । vdi.de
Inhalt Vorwort Executive Summary Einleitung 1 Entkoppelung Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch notwendig 1 Besonderer Fokus: Kunststoffe 2 Herausforderungen für eine kreislauforientierte Kunststoffwirtschaft 3 Ziele des VDI-Round Table 5 Vorgehen des VDI-Round Table 6 Handlungsfeld 1 8 Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren Kreislaufschema 8 Herausforderungen 12 Schlussfolgerungen 13 Handlungsfeld 2 14 Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen Das Schließen des Kreislaufs neu denken 14 Potenziale und Herausforderungen der Kreislaufschließung je Stufe 14 Chemie 15 Kunststofferzeuger 18 Kunststoffverarbeiter 20 OEM/Verwender 22 Handel 24 Verbraucher*innen 26 Logistik/Entsorgung 28 Verwerter/Recycler 30 Schlussfolgerungen für den gesamten Kreislauf 32 Handlungsfeld 3 35 Regulatorische Anreize für eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft schaffen Lenkungsinstrumente 36 Kriterien zur Diskussion der Lenkungsinstrumente 37 Chancen und Herausforderungen der Lenkungsinstrumente 40 Schlussfolgerungen der Bewertung der Lenkungsinstrumente 51 Handlungsfeld 4 53 Produkte für den Kreislauf konzipieren Neuer ganzheitlicher Design-Ansatz notwendig 54 Wirksamkeit des Design for Circularity steigern 55 Schlussfolgerungen für das Design for Circularity 56 Handlungsempfehlungen 57 Quellenverzeichnis 60 Glossar 62 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Vorwort Die Herausforderungen einer Circular Economy Dieses Papier ist das Ergebnis eines rund drei sind eine starke Motivation für Ingenieurinnen Jahre andauernden, umfassenden Dialogpro- und Ingenieure, nach neuen Lösungen zu suchen. zesses von Sachverständigen aus Wirtschaft, Gleichzeitig greifen diese Herausforderungen Wissenschaft, NGOs und Politik. Es ist zunächst oftmals tief in etablierte Strukturen, Prozesse Ende 2021 als Green Paper erschienen. Nach und Technologien ein. Veränderungen sind an- einer Phase der Kommentierung vor allem durch spruchsvoll und deshalb am ehesten in einem Verbände und Organisationen wurde das Papier größeren Zusammenhang und mit gemeinsa- in der vorliegenden Fassung als White Paper men Strategien aller Beteiligten einer Wert- durch den Round Table vorgelegt. Die Diskussion schöpfungskette möglich. des Feedbacks und Überarbeitung einzelner Punkte hat das Papier noch wertvoller gemacht. Das Ziel einer weitgehenden Kreislaufführung unserer Rohstoffe bedeutet aber auch einen Von Anfang an war es Ziel dieses Dialogpro- Paradigmenwechsel im Denken: Probleme zesses, den gesamten Kunststoffkreislauf von müssen zum Teil anders definiert und mit ganz der Chemieindustrie, den Kunststoffverarbeitern neuen Lösungen angegangen werden. So wird und den OEMs sowie Markenartiklern über den der bisherige Fokus auf die Abfallverwertung Handel, die Verbraucherinnen und Verbraucher durch eine neue Perspektive der zirkulären bis zu den Verwertern und Recyclern abzubilden. Wertschöpfung abgelöst. Das bedeutet eine Die jeweils unterschiedlichen Perspektiven der tiefgreifende Transformation für alle Akteure. Akteure aus den verschiedenen Kreislaufstufen der Wirtschaft wurden ergänzt durch Perspek- Wir haben im VDI diese Herausforderung am tiven von Umwelt- und Verbraucherorganisa- Beispiel der Kunststoffe mit allen teilnehmenden tionen sowie Vertretern aus dem staatlichen Stakeholdern des Kreislaufs diskutiert und uns Bereich. Diese besonders breite Anlage des dabei zunächst auf die übergreifenden und syste- VDI-Round Table war der Schlüssel, um die mischen Fragen konzentriert. Denn der Wandel Anforderungen der Transformation ganzheit- zur Circular Economy wird nur gelingen, wenn lich zu verstehen und eine integrative Sicht im nicht nur technische Einzellösungen, sondern Dialogprozess zu etablieren. das gesamte „System“ von Anfang an auf die Erzeugung und Nutzung hochwertiger Rezyklate ausgerichtet wird. Die Mitglieder des VDI-Round Table waren (in alphabetischer Reihenfolge): Ralph Appel Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich VDI e.V., Direktor und geschäfts- INZIN e.V. Institut für die Zukunft der führendes Präsidiumsmitglied Industriegesellschaft, Direktor, Mitglied der Ressourcenkommission des UBA, Dietmar Böhm Mitglied des Beirats der VDI Zentrum PreZero Stiftung & Co. KG Ressourceneffizienz GmbH (Schwarz Gruppe), Geschäftsleiter Dr.-Ing. Martin Giersbeck Dr. Jürgen Bruder Robert Bosch GmbH, Director Plastics ehem. IK Industrievereinigung Kunststoff- Engineering, aktuell Applied Mathematics verpackungen e.V., Hauptgeschäftsführer and Engineering for Future Components Jürgen Dornheim Timothy Glaz Procter & Gamble Service GmbH, Werner & Mertz GmbH, Director Corporate Packaging Leiter Corporate Affairs Sustainability & Innovation VDI । White Paper des VDI-Round Table
Dr.-Ing. Alexander Gosten Dr.-Ing. Nico Pastewski Sprecher des Vorstandes der DGAW VDI Technologiezentrum GmbH, Bereichs- Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft; leiter für Gesundheit, Nachhaltigkeit und ehem. BSR Berliner Stadtreinigungsbetriebe Energie, Standortleiter Berlin AöR für Abfallbehandlung und Stoffstrom- management, Prokurist Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- Laura Griestop und Energietechnik UMSICHT, Institutsleiter WWF Deutschland, Referentin Wirtschaft und Märkte Dr.-Ing. Hartmut Pflaum Fraunhofer Cluster of Excellence Dr. Christian Haessler Circular Plastics Economy CCPE, Covestro AG, Leiter der Geschäftsstelle Head of Global Circular Economy Program Manfred Rink Dr. Michael Heyde VDI-Gesellschaft Materials Engineering, ALPLA Werke Lehner GmbH & Co KG, Fachbereich Kunststofftechnik Head of Recyling Technology Elke Salzmann Prof. Dr.-Ing. Ralf Holzhauer Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., Westfälische Hochschule, Zentrum für Referentin Ressourcenschutz Recyclingtechnik, Fachbereich Maschinen- bau, Umwelt- und Gebäudetechnik, Dr.-Ing. Hans-Jürgen Schäfer VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt VDI-Gesellschaft Materials Engineering, Geschäftsführer Sönke Hübner WEPA Hygieneprodukte GmbH, Helmut Schmitz Projektleiter F&E DSD – Duales System Holding GmbH & Co KG, DerGrünePunkt Dr. Alexander Janz Umweltbundesamt, Leiter der Abteilung III 1 Dr. Martin Vogt Nachhaltige Produkte und nachhaltiger VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH, Konsum, Kreislaufwirtschaft Geschäftsführer Dirk Jepsen Arne Volland Ökopol Institut für Ökologie und Politik, LLA Instruments GmbH & Co. KG, Geschäftsführer Produktmanager Hyperspektralkameras + Sensor-based Sorting Solutions Dr. Franziska Krüger Umweltbundesamt, Fachgebiet III 1.6 Dr. Klaus Wittstock Kunststoffe und Verpackungen BASF SE, Director Industry Affairs Matthias Lesch Herwart Wilms Pöppelmann Holding GmbH, REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. Geschäftsführer Produktion KG, Geschäftsführer, Mitglied des Beirats der VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH Jan Meyer Unisensor Sensorsysteme GmbH, Geschäftsstelle des VDI Head of Sales – Sorting Technologies Dr. Volker Brennecke Dr. Peter Orth Dr. Bita Fesidis VDI-Gesellschaft Materials Engineering, Nadine Freimuth Fachbereich Kunststofftechnik Maximilian Stindt VDI । White Paper des VDI-Round Table
Wir möchten an dieser Stelle allen Mitgliedern des Round Table, aber auch allen weiteren Gesprächspartnern sehr herzlich für ihre Beiträge sowie ihre Offenheit und Diskussionsbereitschaft danken. Das Papier ist in einem iterativen Prozess mit Gesprächspartnern sehr herzlich für ihre Bei- allen Mitgliedern des Round Table erstellt und träge sowie ihre Offenheit und Diskussions- konsolidiert worden. Es war nicht angestrebt, bereitschaft danken. Zu Beginn des Prozesses eine Konsensfassung zu erstellen. Das vorlie- haben sich besonders Herr Dr. Peter Orth und gende „White Paper“ wird demnach zwar von Herr Manfred Rink um die inhaltliche Fokussie- den Teilnehmenden des Round Table mitge- rung und Frau Dr. Antje Grobe von Dialog Basis tragen, dies bedeutet aber keine vollumfäng- um die Moderation des Prozesses verdient ge- liche Zustimmung zu jeder einzelnen Aussage. macht. In der Weiterentwicklung und Erstellung Wichtiger war dem VDI die Multi-Stakeholder- des Papiers ist besonders Frau Dr. Bita Fesidis, Perspektive und die gemeinsame Suche nach ge- Frau Nadine Freimuth und Herrn Maximilian teilten Problembeschreibungen und -lösungen. Stindt aus der Hauptgeschäftsstelle des VDI Wir möchten an dieser Stelle allen Mitgliedern zu danken. des Round Table, aber auch allen weiteren Düsseldorf, im November 2022 Dipl. Wirtsch.-Ing. Ralph Appel Dr. Volker Brennecke Direktor und geschäftsführendes Leiter der Abteilung Präsidiumsmitglied des VDI Politik und Gesellschaft VDI । White Paper des VDI-Round Table
Executive Summary Beim Aufbau einer Circular Economy muss der Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein Um- Umgang mit Kunststoffen grundlegend verän- denken in der Praxis: Über die vielen ambitio- dert werden. Globale Umweltprobleme, wie Mi- nierten technischen Innovationen hinaus muss kroplastik in den Weltmeeren oder CO2-Emis- die wirkliche Schließung der Kreisläufe in den sionen durch den Einsatz fossiler Rohstoffe und Fokus gerückt werden. Entscheidend ist eine thermischer Verwertung, verdeutlichen, dass möglichst weitgehende Verwendung von die bisherige Nutzungsweise von Kunststoffen recycelten Rohstoffen (Rezyklaten) und nach- die planetare Belastungsgrenze überschreitet. haltigen Alternativen, nicht nur in einzelnen Abfallwirtschaftliche Instrumente wie Müll- Produktbereichen (z. B. bei PET-Flaschen), sortierung und Recycling sind notwendig, aber sondern bei den Materialströmen aller Polymere. nicht hinreichend für eine Wende hin zu einer Damit werden Kunststoffabfälle zu wertvollen funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Es bedarf Rohstoffquellen für neue Produkte. Zugleich eines Paradigmenwechsels, um ein System zu könnte auf diesem Weg auch ein erheblicher gestalten, das eine vollständige Kreislauffüh- Beitrag zur Klimaneutralität der Kunststoffer- rung von Kunststoffen ermöglicht. zeugung gelingen. Es bedarf eines Paradigmenwechsels, um ein System zu gestalten, das eine vollständige Kreislaufführung von Kunststoffen ermöglicht. Dies erfordert allerdings eine tiefgreifende Dialog war und ist es möglich, ganzheitliche Transformation des Gesamtsystems hin zu Lösungsansätze zur Transformation des Ge- einer zirkulären Wertschöpfung. Dieser Wandel samtsystems zu formulieren. Mit dieser syste- kann nur durch gemeinsame Anstrengungen mischen Perspektive beschreibt das Papier des und Kooperationen erreicht werden. In diesem VDI-Round Table innerhalb von vier Handlungs- Sinne hat der VDI mit dem Format des Round feldern, welche technischen, ökonomischen und Table erstmals Fachleute aus allen Teilbereichen ökologischen Chancen und Herausforderungen des Kunststoffkreislaufs – Chemieindustrie, dieser Wandel mit sich bringt. Die Kreislauffüh- Kunststoffverarbeiter, OEMs, Handel, Verbrau- rung von Kunststoffen durch den Einsatz von cher, Entsorger und Verwerter – an einen Tisch Rezyklaten steht dabei immer im Mittelpunkt. zusammengebracht. Einbezogen wurden auch Hieraus werden Handlungsempfehlungen für Vertreter von Politik, Wissenschaft und NGOs. Industrie und Politik abgeleitet. Nur durch einen solchen perspektivenreichen VDI । White Paper des VDI-Round Table
Handlungsfeld 1 Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren Der Paradigmenwechsel zur zirkulären Wert- fokussieren, werden Rohstoffproduzenten, schöpfung, die Veränderung von Geschäfts- Kunststoffverarbeiter, Produktdesigner, Handel, modellen und die Transformation ganzer Konsumenten und abfallwirtschaftliche Akteure Wirtschaftsbereiche erfordern nicht nur klare gemeinsam optimierte Lösungen erarbeiten Bekenntnisse aller Kreislaufbeteiligten, sondern müssen. Das erfordert ein intelligent organisier- auch ein ganz neues Ausmaß an Kooperation. tes Miteinander, auch mittels digitaler Unter- Statt sich ausschließlich auf die eigene oder stützung. die benachbarte Stufe der Wertschöpfung zu Handlungsfeld 2 Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen Dieses Handlungsfeld richtet den Blick auf die dass Optimierungen innerhalb einer Stufe im Herausforderungen der Akteure jeder einzelnen Kontext des Gesamtsystems und in Koopera- Kreislaufstufe sowie auf ihren potenziellen Bei- tion mit anderen Kreislaufpartnern vorgenom- trag zur Kreislaufschließung. Es wird deutlich, men werden, damit keine gegenläufigen Ent- dass jeder Einzelne seine eigenen Produkte und wicklungen und Lösungen entstehen. Eine Prozesse optimieren kann und sollte. Im Hin- solche Analyse – erarbeitet in aufwendigen blick auf das Gesamtsystem ist jedoch wichtig, Dialogprozessen – liegt hiermit erstmals vor. Handlungsfeld 3 Regulatorische Anreize für eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft schaffen Die Vielzahl einzelner Optimierungen in jeder ben und ökonomischen Anreizen unterstützt Kreislaufstufe wird angesichts der zum Teil und beschleunigt. Die kriteriengeleitete Bewer- divergierenden Interessen, Erwartungen und tung verschiedener regulatorischer Lenkungs- Zielkonflikte der verschiedenen Akteure nicht instrumente durch den VDI-Round Table hat ausreichen, die notwendige Transformation im gezeigt, dass aufgrund ihrer unterschiedlichen Bereich der Kunststoffe anzustoßen. Die Politik Wirkungsmechanismen ein intelligenter Inst- ist daher gefragt, hier einen ganzheitlichen rumentenmix aus Einsatzquoten und ökonomi- Rahmen zu schaffen, der diesen Wandel durch schen Steuerungsinstrumenten notwendig eine Kombination von regulatorischen Vorga- sein wird. Handlungsfeld 4 Produkte für den Kreislauf konzipieren Der Wandel hin zu einer Circular Economy auch in den Normen, Standards, der Aus- und erfordert einen ganzheitlichen Design-Ansatz, Weiterbildung sowie im politischen Rahmen bei dem die Kreislauffähigkeit schon bei der wiederfinden. Denn seine volle Wirkung wird Produktkonzeption mitgedacht wird und alle das Produktdesign erst entfalten, wenn sich Stufen von der Kunststofferzeugung bis zur Kreislaufführung als ökologisches Ziel und Entsorgung und Verwertung berücksichtigt wirtschaftliches Prinzip bei allen Akteuren der werden. Dieser Ansatz muss sich entsprechend Wertschöpfungskette etabliert hat. VDI । White Paper des VDI-Round Table
Einleitung Entkoppelung Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch notwendig Der weltweite Rohstoffverbrauch nimmt zu, Neue Logik des Wirtschaftens: Tendenz steigend. Schon heute überschreitet In Kreisläufen denken die Nutzung natürlicher Ressourcen die Re- generationsfähigkeit der Erde. Die Dynamik Mit Blick auf die Dringlichkeit der globalen Pro- des globalen Bevölkerungs- und Wirtschafts- bleme wird schnell deutlich: Anpassung und wachstums wird dieses Problem weiter ver- Optimierung der heutigen Wirtschaftsweise schärfen. Gleichzeitig steigen die Konzentration werden nicht ausreichen, um diese Herausfor- von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre wie derungen zu bewältigen. Stattdessen braucht auch andere Umweltbelastungen an Land und es eine völlig andere Art des Wirtschaftens. Für im Meer. Viele der Ökosphäre entnommenen einen verantwortungsvollen Umgang mit unse- Ressourcen gelangen an ihrem Lebensende ren begrenzten Ressourcen muss ökologisch als unbehandelter, stetig wachsender Abfall in sinnvolle Kreislaufführung daher zum neuen die Umwelt. So werden weltweit nach Schät- Leitmotiv wirtschaftlichen und industriellen zungen der Weltbank jährlich ca. 2 Milliarden Handelns werden. Dazu gehören Abfallredu- Tonnen feste Siedlungsabfälle erzeugt (vgl. zierung und -vermeidung zur Ressourcenscho- Kaza et al. 2018). nung, z. B. durch Mehrfachverwendung von Produkten und Materialien entlang der gesam- ten Wertschöpfung. Für einen verantwortungs- vollen Umgang mit unseren Grundsätzlicher Lösungsansatz: begrenzten Ressourcen Zirkuläre Wertschöpfung muss ökologisch sinnvolle Das Konzept der Circular Economy zielt darauf ab, Material- und Energiekreisläufe zu optimieren Kreislaufführung daher zum und Stoffe, soweit wie ökologisch sinnvoll, in neuen Leitmotiv wirtschaft- Kreisläufen zu führen. Dadurch sollen nicht nur Ressourcen geschont und effizienter genutzt, lichen und industriellen sondern auch der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden. Dazu braucht es eine Erhö- Handelns werden. hung der Lebensdauer von Produkten ebenso wie den Einsatz von regenerativen Energien Neben Ressourcennutzung und Klimawandel und die strikte Schließung des Kohlenstoffkreis- gilt Abfall in der Umwelt als eines der dringend- laufs. Konkret heißt das, dass Materialien nach sten globalen Umweltprobleme. Herausforde- der Nutzung gesammelt, aufbereitet und als rungen wie diese erfordern neue Denkweisen Rohstoffe wieder in die Produktion zurückge- und Lösungsansätze, auch in der Wirtschaft. führt werden sollen. Das vorherrschende lineare Wirtschaftsmodell, bei dem Konsum und Produktion eher der kurz- Damit könnte der Begriff „Abfall“ bald der Ver- fristigen Denkweise „Herstellen, benutzen, gangenheit angehören, weil just im Moment entsorgen“ entsprechen, ist mit einer verant- des „End-of-Life“ der Rohstoff des nächsten wortungsvollen Umweltnutzung nicht verein- Lebenszyklus entsteht. Um hin zu einer funk- bar und wird auch den anderen Bemühungen, tionierenden Kreislaufwirtschaft zu kommen, die Umwelt und das Klima zu schützen nicht braucht es mehr Kooperation, bewussteren gerecht. Aus ökologischer wie auch aus ökono- Konsum und neue Geschäftsmodelle, die deut- mischer Sicht sollte es daher das Ziel sein, das lich weniger Ressourcen benötigen (z. B. Re- Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch manufacturing oder Sharing). und den damit zusammenhängenden negativen Umweltauswirkungen zu entkoppeln und den Zirkuläre Wertschöpfung bedeutet nicht per Ressourcenverbrauch absolut zu senken. se eine Minderung der Produktion oder einen 1 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum. Sektoren. Dieses Papier sieht die Vermeidung Stattdessen soll der Rohstoffbedarf durch die und Wiedernutzung als zentral an, konzentriert Steigerung der Zirkularität gedeckt werden (vgl. sich aber im Folgenden auf das Recycling und Hiebel et al. 2017). Dennoch kommt der Ver- die Schließung der Stoffkreisläufe. Die Idee meidung nicht nur aus ökologischen, sondern zur zirkulären Wertschöpfung ist nicht neu. In auch aus ökonomischen Gründen eine große einigen Bereichen, z. B. Papier oder Glas, ist die Bedeutung zu (vgl. WWF 2021). Dazu gehört technische Umsetzung in Deutschland bereits die absolute Reduktion der primären Rohstoff- weit fortgeschritten. Betrachtet man andere nutzung genauso wie der deutliche Ausbau Stoffströme, ist der Weg zur zirkulären Wirt- alternativer, nicht fossiler Rohstoffe in allen schaft aber noch weit. Besonderer Fokus: Kunststoffe Zu den relevantesten Stoffströmen, die einer lumens wurde durch Post-Consumer Rezyklat zirkulären Wertschöpfung zugeführt werden und 2 % durch biobasierte Kunststoffe gedeckt. müssen, gehören die Kunststoffe. 2021 wurden Zudem wurden von den in der EU 2020 ge- weltweit rund 391 Millionen Tonnen (Mio. t) sammelten 29 Mio. t Kunststoffabfällen (Post- Kunststoff produziert, davon ca. 57 Mio. t inner- Consumer) nach wie vor rund zwei Drittel der halb der Europäischen Union (vgl. PlasticsEurope Abfälle nicht recycelt. Stattdessen wurden rund 2022, S. 16 f.). Von den in der EU im Jahr 2021 42 % der Abfälle energetisch verwertet und produzierten Kunststoffen basierten 88 % auf ca. ein Viertel auf Mülldeponien entsorgt (vgl. fossilen Rohstoffen. Nur 10 % des Gesamtvo- PlasticsEurope 2022, S. 45). Die zunehmende Verbreitung von Kunststoff in der terrestrischen und aquatischen Umwelt und die Dissipation von Mikroplastik in alle Lebensbereiche sind zu einer globalen Herausforderung geworden. Immer noch landen weltweit zu viele Produkte wegzudenken: Sei es als Verpackung von am Ende ihres Lebenswegs in der Verbrennung Lebensmitteln, im Bausektor für Profile und oder ungeordnet in der Umwelt (Littering). Die Rohre, als Materialien in der Automobilindustrie zunehmende Verbreitung von Kunststoff in der oder als Fasern, Lacke, Harze und Klebstoffe. terrestrischen und aquatischen Umwelt und die Auch in der Medizintechnik haben Kunststoffe Dissipation von Mikroplastik in alle Lebensbe- (Spritzen, Schläuche, Handschuhe etc.) eine reiche sind zu einer globalen Herausforderung lebenswichtige Bedeutung. Bisweilen wird geworden. Problematisch sind auch die zur Kunststoff aufgrund seiner schier unendlichen Herstellung genutzten fossilen Rohstoffe (Öl Variabilität und Funktionalität als „Werkstoff und Gas), da die bei ihrer Verbrennung entste- des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet (vgl. auch henden Emissionen die Atmosphäre belasten Orth et al. 2022). Neben variablen Werkstoff- und damit das Klima negativ beeinflussen. Das eigenschaften besticht die kohlenstoffbasierte alles erfordert ein umgehendes Handeln der Werkstoffklasse auch durch eine hohe Verfüg- industriellen Welt im Umgang mit Kunststoffen. barkeit und effiziente Verarbeitungsverfahren. Um die Ziele der Treibhausgasneutralität und Viele Innovationen quer durch alle Branchen die vollständige Unabhängigkeit von fossilen gelingen nur dank moderner Hochleistungs- Ressourcen zu erreichen, ist letztlich eineTrans- kunststoffe. Umso wichtiger ist es, den Einsatz formation der gesamten Kunststoffwirtschaft von Kunststoffen nicht per se zu verurteilen, erforderlich. sondern dort wo ihr Einsatz Vorteile bringt, den Paradigmenwechsel von der linearen hin zur Auf der anderen Seite sind Kunststoffe aus zirkulären, ressourcenschonenden Wertschöp- vielen Lebensbereichen zurecht nicht mehr fung vorzunehmen. 2 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Gute Voraussetzungen in Deutschland Deutschland allein wird die globale Kunststoff- problematik nicht lösen können, denn globale Probleme erfordern weltweite Lösungen. Gleich- wohl ist der Weg zur zirkulären Wirtschaft eine komplexe Gestaltungsaufgabe, für die es inno- vative technische und wirtschaftliche Lösungen braucht. Was es braucht ist eine Grundlage, um in Deutschland die Transforma- tion des Gesamtsystems Kunststoff in Richtung „Rohstoffwende“. Zirkularität anzugehen. Was es braucht ist eine „Rohstoffwende“. Diese wird ähnlich große tech- nische und strukturelle Herausforderungen mit Und genau hier bietet Deutschland gute Vor- sich bringen wie die Energie- und Mobilitäts- aussetzungen, um modellhaft eine ressourcen- wende in Deutschland. schonende, zirkuläre Wirtschaft zu etablieren, die innerhalb der EU und darüber hinaus einen Ziel dabei ist es, z. B. den emissionsrelevanten Anstoß zum Wandel geben kann. Die deutsche fossilen Kohlenstoff und seine Verbindungen im Kunststoffindustrie zeichnet sich durch hohe Kreislauf zu führen, um langfristig die Nutzung Qualität, Zuverlässigkeit und Innovationskraft immer neuer fossiler Rohstoffe zu beenden. Dies aus und die zugehörigen Unternehmen der mag aus technischen und logistischen Gründen Wertschöpfungskette gehören weltweit zu nie vollständig gelingen, jedoch müssen alle An- den Marktführern. Auch die deutsche Abfall- strengungen unternommen und alle denkbaren wirtschaft gilt mit ihrer differenzierten Sammel- Verfahren eingesetzt werden, sich diesem Ziel und Aufbereitungsstruktur als internationales zu nähern. Das erfordert einen ganzheitlichen Vorbild. Nicht zuletzt die Ingenieurkompetenzen, Ansatz und Technologieoffenheit bei der Kreis- eine starke Forschungslandschaft und stabi- laufschließung bei gleichzeitiger Betrachtung le Rahmenbedingungen schaffen eine gute gesamtökologischer Ergebnisse. Herausforderungen für eine kreislauforientierte Kunststoffwirtschaft Ein Blick auf verschiedenste Initiativen und Kunststoffwirtschaft zu etablieren und ange- politische Maßnahmen offenbart, dass es in sichts der globalen Probleme zu beschleunigen. Deutschland seit einigen Jahren Bemühungen Die technologischen Möglichkeiten und Kom- in Richtung neuer Recyclingansätze oder Vor- petenzen der deutschen Kunststoffwirtschaft gaben und Innovationen zum Produkt- und sollen dabei genutzt werden, um das Gesamt- Verpackungsdesign gibt. Doch dem Problem- system zu verändern, ohne die Wirtschaft- bewusstsein steht bislang kein adäquater lichkeit und den Erfolg der Unternehmen auf Fortschritt bei der Kreislaufführung von diesem Feld zu gefährden. Kunststoffen gegenüber. Trotz der guten Voraussetzungen in Deutsch- Die zentrale Herausforderung und Aufgabe land, gibt es einige grundsätzliche Herausfor- liegt darin, die bisher geleisteten inkrementellen derungen, die es im Hinblick auf die Transfor- Fortschritte in allen Bereichen einer zirkulären mation zu lösen gilt: Keine vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen zwischen Rezyklaten und Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen: Wichtiger Bestandteil der „Rohstoffwende“ Rohstoffen zeitweise deutlich geringer als für ist die Substitution ölbasierter Kunststoffneu- Rezyklate. Hinzu kommt die steuerliche Sub- ware durch Rezyklate. Durch den volatilen Öl- ventionierung von fossilen Energieträgern für preis sind die Kosten für Neuware aus fossilen eine nicht energetische Verwendung, von der 3 VDI । White Paper des VDI-Round Table
die ölbasierte Kunststofferzeugung ebenfalls internationales Level-Playing-Field, also keinen profitiert. Für eine funktionierende Kreislauf- Wettbewerb zwischen Neuware und Rezyklat wirtschaft ist aber eine stabile Konkurrenzfä- unter gleichen Ausgangsbedingungen. Erst higkeit der Rezyklate bezogen auf den Preis, die wenn die Rohstoffpreise auch externalisierte, Qualität und Verfügbarkeit sehr wichtig. Daher umweltrelevante Kostenanteile enthalten und fokussiert sich dieses Papier auf die Frage, wie der Wert des Kunststoffabfalls bzw. der darin der Einsatz von Rezyklaten in der Kreislauf- enthaltenden Rohstoffe anerkannt wird, könn- wirtschaft gesteigert werden kann. Aktuell gibt ten sich auch die Preise für Neuware und hoch- es weder ein nationales noch erst recht kein wertige Rezyklate angleichen. Disbalance von Angebot und Nachfrage im Markt für Rezyklate: Während die Rezyklatanbieter aufgrund des verwendung in Anwendungen mit geringerer volatilen Ölpreises zeitweise mit Absatzschwie- Qualitätsanforderungen (z. B. für Parkbänke rigkeiten kämpfen, beklagen Kunststoffverar- oder Lärmschutzwände). Bei Rezyklaten mit beiter und Produkthersteller, dass ihre Nach- gleichbleibend hoher Qualität, die für hochwer- frage an geeigneten Rezyklaten nicht gedeckt tige Anwendungen geeignet sind, übersteigt werden kann. Dieser Widerspruch entsteht, die Nachfrage häufig dagegen das Angebot. da auf dem Markt häufig vor allem Rezyklate Offenkundig passen Angebot und Nachfrage angeboten werden, die sich für ein sogenann- hier nicht zusammen. tes Downcycling eignen, das heißt zur Wieder- Bei Rezyklaten mit gleichbleibend hoher Qualität, die für hochwertige Anwendungen geeignet sind, übersteigt die Nachfrage häufig dagegen das Angebot. Fragmentierte Wertschöpfung in der Kunststoffwirtschaft: Die deutsche Kunststoffwirtschaft ist gekenn- an Akteuren und Zuständigkeiten lässt sich nur zeichnet durch verschiedenste Geschäftsmo- schwer zu einer für alle passenden Strategie delle und historisch gewachsene Strukturen. und einem positiven Transformationsprozess Zum Teil konträre Erwartungen der Stakeholder zusammenführen. Schon jetzt ist klar, dass eine führen zudem zu einer starken Fragmentie- tragfähige zirkuläre Wertschöpfung ein ganz rung entlang der Wertschöpfungskette. Hinzu neues Ausmaß an Kooperation und Koordi- kommen wenige große Kunststofferzeuger auf nation über Wertschöpfungsstufen hinweg der einen Seite und viele kleine und mittelstän- erfordert, die über die bisherigen Bemühungen dische Verarbeiter, Abfallentsorger und Recycler hinausgehen. auf der anderen Seite. Dieser Flickenteppich Technologische Grenzen und Zielkonflikte: Kunststoffe sind vielfältig einsetzbar und bieten duktdesign, Weiterentwicklungen der Sortier- unzählige Variationsmöglichkeiten. Viele der und Sammelsysteme oder neue Recyclingtech- heute vom Markt erwarteten Materialeigen- niken können diese technologischen Grenzen schaften stehen jedoch dem Ziel der Zirkularität zwar überwunden werden, erzeugen durch entgegen. Verbundwerkstoffe, Werkstoffge- einen gesteigerten Energie- und Rohstoffver- mische, verklebte oder vernetzte Werkstoffe brauch sowie eine geänderte Produktperfor- erschweren ein hochwertiges Recycling, zahlen mance aber oft ökologische und ökonomische aber auf andere Kreislaufziele wie besondere Zielkonflikte. Langlebigkeit ein. Durch Änderungen im Pro- 4 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Politische Regulierung bislang auf Abfall ausgerichtet: Lange Zeit war die politische Regulierung in den kompletten Lebenszyklus verfolgt auch Deutschland primär auf Maßnahmen ausge- die geplante Nationale Kreislaufwirtschaftsstra- richtet, die erst am Ende des Lebenszyklus von tegie der Bundesregierung. Diese beabsichtigt Kunststoffprodukten und -verpackungen und das Modell einer Circular Economy auch im somit in deren Abfallphase ansetzten. Im Mittel- Materialstrom der Kunststoffe zu entwickeln punkt standen der Umgang und die Beseitigung und dafür die erforderlichen Handlungsinstru- von Abfällen und weniger die Verwertung und mente vorzuschlagen. das Recycling zum Schließen der Kreisläufe. Kreislaufgesetzgebung war in der Vergangen- Mit Blick auf die internationalen Wertschöp- heit de facto vor allem Abfallpolitik. Soll das fungsstrukturen wird zudem ein europäischer Modell einer Circular Economy fortentwickelt Regulierungsrahmen notwendig sein, um die werden, müssen auch politische Regulierungs- internationale Wettbewerbsfähigkeit der deut- maßnahmen viel stärker als bisher auf dieses schen Kunststoffwirtschaft nicht zu gefährden. Ziel einwirken und den Wert von Kunststoffpro- Eine erste Orientierung gibt der „Green Deal“ dukten auch in der Nachgebrauchsphase hono- der EU (z. B. die sogenannte „Plastic Strategy“ rieren. Den Wandel von einer primär auf Abfall sowie der Circular Economy Action Plan). orientierten hin zu einer systemischen Sicht auf Erhöhter Handlungsdruck durch öffentliche Kommunikation: Aufrüttelnde Bilder und Schlagzeilen über schnellen Lösungen verleiten lassen, die im Kunststoff in den Weltmeeren und in der Natur Hinblick auf die Problematik oft wirkungslos erhöhen den Handlungsdruck auf allen Seiten. oder kontraproduktiv sind. Zielführender sind Schnelles und entschiedenes Handeln ist eine systemische Perspektive und faktengelei- dringend notwendig in Anbetracht des hohen tete Maßnahmen, die auf die Transformation und steigenden Eintrags von Plastikmüll in die des Gesamtsystems abzielen. Umwelt. Dennoch sollte man sich nicht zu vor- Ziele des VDI-Round Table Mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen, hat der VDI einen faktenbasierten Dialog mit die strukturellen Herausforderungen und das Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesell- komplexe Akteursgeflecht wird klar, dass es für schaft geführt und gemeinsam erörtert, wie der eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft ein Umdenken systemische Wandel von der linearen hin zur aller Beteiligten und einen klaren regulativen zirkulären Wirtschaft im Bereich der Kunststoffe Rahmen braucht. Der Wandel vom heutigen gelingen kann. Als unabhängige technisch- linearen Modell hin zu einer kreislauforientierten wissenschaftliche Vereinigung bringt der VDI Kunststoffwirtschaft benötigt systemische und dabei seine Kompetenz auf allen Feldern der technische Innovationen sowie eine daran an- Wertschöpfung in den Diskurs mit ein, ohne gepasste Wertschöpfung. Mit dem Round Table eigene Partikularinteressen zu verfolgen. Mit dem Round Table hat der VDI einen faktenbasierten Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesell- schaft geführt und gemeinsam erörtert, wie der systemi- sche Wandel von der linearen hin zur zirkulären Wirtschaft im Bereich der Kunststoffe gelingen kann. 5 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Vor diesem Hintergrund hat der VDI-Round Table folgende Ziele: Die Initiierung eines Dialogs, bei dem Die Identifikation der Rahmenbe- Vertreter aller am Kreislauf beteiligten dingungen, Potenziale und Heraus- Akteure zusammenkommen. forderungen auf dem Weg zur Circular Economy entlang der einzelnen Kreis- Die Entwicklung eines gemeinsamen laufstufen und -akteure. Verständnisses über den Kunststoff- kreislauf: vom linearen hin zum Eine ganzheitliche und systemische zirkulären Wirtschaften. Betrachtung von Lenkungsinstrumenten, die die Transformation des Gesamt- systems ermöglicht. Vorgehen des VDI-Round Table Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ziele Vor dem Start des Dialogprozesses war es ent- hat der VDI einen Dialogprozess gestartet, der scheidend, die richtigen Teilnehmerinnen und sich über einen Zeitraum von drei Jahren hinzog Teilnehmer zu identifizieren. Der VDI hat dabei (2019 – 2022). Der Ansatz versteht Dialoge als Vertreter aller Kreislaufstufen der Kunststoff- „produktives Werkzeug“, um Lösungen für kom- industrie sowie NGOs und wissenschaftliche plexe Problemstellungen zu entwickeln, wie sie Organisationen zusammengeführt. Seitens der bei Transformationsvorhaben im Bereich der Industrieteilnehmer wurden bevorzugt Vorreiter Kreislaufwirtschaft vorliegen. Das Vorgehen mit etablierter Marktrelevanz je Stufe ausge- orientierte sich an agilen Methoden: es war wählt. Sie verfügen über ausreichend Erfahrun- einerseits geleitet von den übergeordneten gen als Pionier und haben bereits funktionie- Zielen. Zugleich boten die Dialoge Raum für rende Geschäftsmodelle etabliert. Gleichzeitig neue Erkenntnisse, die richtungsleitend für wurden die Industrieteilnehmer als Vertreter den weiteren Dialogprozess waren. Die Dialoge ihrer Branche gesehen, ohne jedoch ein Ver- waren ergebnisorientiert und explorativ ausge- tretungsmandat zu haben. Zudem wurden aus richtet. So wurden z. B. neue Erkenntnisse über allen themenbezogenen Bundesministerien und Barrieren der Kreislaufwirtschaft oder notwen- dem Umweltbundesamt Gäste einbezogen. dige Handlungsfelder gewonnen. 6 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Das Vorgehen im Dialogprozess lässt sich grob in zwei Phasen einteilen: Die erste Phase hat den „Problemraum“ Die zweite Phase hat den Lösungsraum fokus- fokussiert. Es ging zunächst darum, ein brei- siert. Hierbei ging es darum, erste Lösungs- tes Problemverständnis aufzubauen und den ansätze zu durchdenken, die es ermöglichen Dialog entsprechend in der Breite zu öffnen. In die Transformation zur Kreislaufwirtschaft in einem moderierten Dialog wurden über mehre- der Kunststoffindustrie in der notwendigen re Round Table-Sitzungen Problemstellungen Geschwindigkeit umzusetzen. Ein Fokus lag und Bedürfnisse der Teilnehmenden hinsicht- aufgrund der Ergebnisse in Phase 1 auf not- lich der Transformation zur Kreislaufwirtschaft wendigen regulatorischen Anreizen. Auch hier identifiziert, in der Gruppe geteilt und diskutiert. wurde zunächst der Dialog in der Breite ge- Ergebnis war ein gemeinsames Problemver- öffnet, um mögliche politische Lenkungsoptio- ständnis in der Breite und auch ein gegensei- nen zu identifizieren. Um die Diskussion über tiges Verständnis für die Einzelinteressen bzw. die jeweiligen Lenkungsoptionen objektiv und Handlungslogiken der einzelnen Stufen. Darauf faktenbasiert zu führen, wurde ein Kriterien- aufbauend wurde ein Problemverständnis in katalog entwickelt (vgl. Handlungsfeld 3). So der Tiefe zu einzelnen Aspekten aufgebaut. In wurden die verschiedenen Lenkungsoptionen Gruppengesprächen wurden mit den jeweiligen in Gruppendiskussionen kriterienbasiert bewer- Kreislaufstufen deren Potenziale zur Kreislauf- tet. Dieses Vorgehen war in der Retrospektive schließung sowie die dabei auftretenden Hür- hilfreich, um Themen sachlich zu diskutieren, den vertiefend diskutiert. Ergebnisse wurden zu denen es unterschiedliche Interessen je nach verschriftlicht, in Schaubildern dokumentiert Wertschöpfungsstufe und Rolle des Teilneh- und mit allen Beteiligten geteilt. So konnte das menden bzw. der Branche gibt. Neben dem gegenseitige Verständnis der Teilnehmer weiter regulatorischen Handlungsbedarf wurden in vertieft und Wissensdefizite der einzelnen Stu- dieser Phase weitere Handlungsempfehlungen fen über Wertschöpfungsprozesse und Hand- erarbeitet. Hierzu wurden die Arbeitsergebnisse lungsmuster anderer Stufen aufgedeckt wer- der jeweiligen Handlungsfelder verschriftlicht, den. Am Ende dieser Phase herrschte Konsens iterativ gemeinsam mit den Teilnehmenden ver- zu vier zentralen Handlungsfeldern. feinert und Schlussfolgerungen bzw. Empfeh- lungen im Dialog diskutiert (vgl. Kapitel Hand- Die vier zentralen Handlungsfelder: lungsempfehlungen). 1. Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren Das Ziel ist: 2. Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen Handlungsempfehlungen 3. Regulatorische Anreize für eine zir- kuläre Kunststoffwirtschaft schaffen für Politik und Industrie 4. Produkte für den Kreislauf konzipieren zu formulieren. Die vier Handlungsfelder und jeweiligen Ar- Die Ergebnisse werden in diesem Paper kom- beitsergebnisse des VDI-Round Table werden primiert mit dem Ziel wiedergegeben, Hand- in den folgenden Kapiteln weiter erläutert und lungsempfehlungen für Politik und Industrie je Handlungsfeld Schlussfolgerungen hinsicht- zu formulieren. Der Fokus liegt auf der syste- lich der Möglichkeiten oder Herausforderungen mischen Transformation und muss dabei viele einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft wichtige Einzelaspekte einzelner Kreislaufstufen gezogen. vernachlässigen. 7 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Handlungsfeld 1 Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren Die Kunststoffwirtschaft ist vorrangig noch in linearen (meist global ausgerichteten) Wertschöpfungsketten organisiert. Energie, Arbeitskraft und Geld werden investiert, um auf Basis von petrochemischen und damit fossilen Rohstoffen Kunststoffprodukte herzustellen. Nach der Verwendung des Produkts wird der entstandene Produktabfall entsorgt, meist ohne die Roh- und Wertstoffe wiederzuverwerten und im Kreislauf zu führen. Der Ansatz der zirkulären Wertschöpfung Die zirkuläre Wertschöpfung dagegen folgt Jahr 2050 den eingesetzten Kohlenstoff voll- einem grundsätzlich anderen Ansatz: Die ständig im Kreis zu führen und treibhausgas- Wertschöpfung des Kunststoffs nimmt nicht neutral zu sein (vgl. VCI 2020, S. 2). linear zu, um dann als Abfall „abzubrechen“. Sie ersetzt das End-of-Life-Konzept durch Doch der Weg zur Kreislaufwirtschaft ist kom- geschlossene Kreisläufe und vermeidet bezie- plex: die Transformation der Wertschöpfungs- hungsweise verwertet Abfälle, indem sie Res- ketten, Stoffströme, Produktentwicklungspro- sourcen, Materialien, Produkte, Systeme sowie zesse und der Verwertung der Materialien greift Geschäftsmodelle entsprechend ganzheitlich tief in die heute etablierten Organisationsstruk- gestaltet. Bei diesem Ansatz wird bereits bei turen der Kunststoffwirtschaft ein. Es entste- der Produktentstehung, die Wiederaufbereitung hen neue Rollen, Aufgaben, Schnittstellen und der Abfälle und Kreislaufführung mitgedacht Herausforderungen, deren Bewältigung neue (Design for Circularity). Ziel ist es, dass der Formen der Zusammenarbeit benötigen. Damit Kunststoff so im Kreislauf geführt wird, dass der eine Transformation hin zu einer Kreislaufwirt- Einsatz von fossilen Ressourcen reduziert wird. schaft gelingt, sind die bestehenden (linearen) Langfristig wird die vollständige Unabhängig- Wertschöpfungsketten zu reorganisieren und keit von fossilen Ressourcen bei der Kunststoff- es ist ein Umdenken aller beteiligten Akteure erzeugung angestrebt. Die deutsche chemische notwendig. Industrie hat sich das Ziel gesetzt, bis in das Kreislaufschema Der Round Table des VDI hat ein Kreislaufsche- Das Schaubild „Kreislaufschema“ (vgl. Abb. 1 ma entwickelt, in dem die unterschiedlichen auf der folgenden Seite) dient der Übersicht- Rollen der Kreislaufbeteiligten veranschaulicht lichkeit und Komplexitätsreduktion. Vor diesem werden und deren Aufgaben und Verantwort- Hintergrund werden Strukturen vereinfacht lichkeiten im Kreislauf definiert und beschrieben abgebildet. In der Praxis handelt es sich oft um werden. stark vernetzte, globale Liefernetzwerke über und in allen Stufen. Es wird die vollständige Die beteiligten Akteursgruppen sind daher nicht immer trennscharf einer Kreislaufstufe Unabhängigkeit von fossilen zuzuordnen. Es gibt vielfach Überschneidun- Ressourcen bei der Kunst- gen oder Stufen werden integriert – beispiels- weise sind Rohstoffhersteller häufig auch stofferzeugung angestrebt. Kunststofferzeuger. 8 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Das in Abb. 1 dargestellte Schema bildet acht Von den Verbraucherinnen und Verbrauchern Stufen des Kunststoffkreislaufs ab. Diese sind gelangt das Kunststoffprodukt als Abfall über die jeweils den vier Segmenten Rohstoff, Produkt, Logistik und Entsorgung 7 zu den Verwertern/ Markt und Abfall zugeordnet: Recyclern 8 , die den Kunststoffabfall so auf- bereiten, dass er als Rezyklat (PCR: Post-Con- Von der Rohstoffherstellenden Chemie 1 und sumer-Rezyklat, s. auch Glossar) wieder in den den Kunststofferzeugern 2 gelangt die Kunst- Kreislauf eingespeist werden kann (vgl. Abb. 1). stoffneuware zu den Verarbeitern, Kompo- nenten- und Modulherstellern 3 hin zu den In diesem Papier liegt der Fokus auf PCR. Da OEMs und Verwendern 4 , wo das Produkt dieses im Vergleich zum Post-Industrial-Rezyklat hergestellt und über den Handel 5 auf den Markt (PIR) noch wenig Anwendung in der industriellen und schließlich zu den Verbraucherinnen und Fertigung findet, ist das Steigerungspotenzial Verbrauchern 6 gebracht wird. bei PCR am größten. Kreislaufschema 1 Verwerter/ Recycler Chemie 8 2 L Rohs toffherstellung RO Kunststofferzeuger AL H ST F AB OF F Logistik/ ung ieß Entsorger hl Kreislaufsc Entsorgung h li e ß u n g Fi n an zi er un g Informations- feignung 7 und Logistik- 3 strukturen fs c Verarbeiter islau au i sl Kre Komponenten- der Kre und Modulhersteller En ts o un rg KT g MA RK DU T O PR 6 4 Verbraucher OEM/Verwender *innen 5 Handel © VDI Abbildung 1 9 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Kernaufgaben der am Kreislauf beteiligten Akteure 1 Chemische Industrie Bereitstellung von Basischemikalien und Monomeren 2 Kunststofferzeuger Hersteller der Kunststoffneuware (Granulat, Harz, Vorprodukte für Polyurethan etc.) 3 Verarbeiter/Komponenten- und Modulhersteller Weiterverarbeitung der Kunststoff-Granulate zu Komponenten und Verpackungen (z. B. Folien, Behälter), die an Systemlieferanten bzw. direkt zum OEM/Verwender geliefert werden. 4 OEM/Verwender Produktentwicklung, -herstellung und -vermarktung 5 Handel Bereitstellung der Ware zum Verkauf. Der Handel kann je nach Branche eine unterschiedliche Funktion einnehmen und auch unterschiedliche Relevanz haben. So hat bspw. der Lebensmittel-Einzelhandel einen relativ hohen Einfluss auf die Hersteller von Packmitteln für Lebensmittel 6 Verbraucher*innen Entscheider, Käufer und Nutzer der Ware 7 Logistik/Entsorger Sammlung, Transport und Sortierung der Kunststoffabfälle 8 Verwerter (auch Kunststoffrecycler) Verwertung und Aufbereitung des Kunststoffabfalls zum Rezyklat mithilfe von Sortieranlagen und Recyclingverfahren Abbildung 2 10 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Unabhängig von den Akteuren sind folgende Bei der Entsorgung gibt es Überschneidun- Aktivitäten als Schlüssel für eine zirkuläre Kreis- gen zwischen den Segmenten Markt und laufwirtschaft zu betrachten: Die Herstellung Abfall: So ist die Qualität der Kunststoffab- von Rezyklaten, die Sicherstellung der Kreis- fälle teilweise auch von der Sortierkenntnis laufeignung, Entsorgung und Kreislaufschlie- und dem Sortierwillen des Verbrauchers ab- ßung. Die Schnittstellen der Akteure im Zusam- hängig. Nicht alle Verpackungen und Abfälle menwirken bei diesen Schlüsselaktivitäten sind lassen sich durch die Verbraucherinnen und vielfältig: Verbraucher trennen. Jedoch ist auch nicht gewährleistet, dass gut trennbare Produkte Für die Kreislaufeignung sind vor allem tatsächlich von den Verbraucherinnen und die Segmente Rohstoff, Produkt und Markt Verbrauchern korrekt getrennt werden. Mit relevant: Kunststoffe lassen sich vor allem Blick auf die Finanzierung, Vermarktung und wegen ihrer vielfältigen Kombination und Kommunikation spielt der Handel eine eben- mangelnden Trennbarkeit nur dann im Kreis- so wichtige Rolle für die Entsorgung sowie lauf führen, wenn die Produkte so konzipiert, denjenigen, die die benötigten Roh- und gestaltet und hergestellt werden, dass sie Werkstoffe zur Verfügung stellen oder auf- rezyklierbar sind. Obwohl die Produktent- bereiten. wicklung und -gestaltung bei den Herstellern (OEM/Verwender) liegen, hat bereits die Als gemeinsame Kontaktstelle von der Roh- Rohstoffauswahl Einfluss auf die Kreislauf- stoffherstellung bis hin zur Rückführung eignung. Um die Kreislaufeignung sicher- des Produkts spielen akteursübergreifende zustellen, bedarf es deshalb einer engen Informations- und Logistikstrukturen eine Abstimmung zwischen den Akteuren, die entscheidende Rolle. Häufig fehlt der Zugriff das Produkt herstellen und auf den Markt auf notwendige Daten, z. B. über Werkstoffe, bringen, sowie denjenigen, die die benötigten Konstruktion, Produktspezifika etc. Roh- und Werkstoffe zur Verfügung stellen oder aufbereiten. Aus den aufgezeigten Schnittstellen resultiert ein erhöhter Abstimmungs- und Informations- Die Kreislaufschließung betrifft alle vier bedarf zwischen allen Kreislaufbeteiligten. Segmente. Insbesondere bei den Segmenten Bislang stehen die Akteure in der Regel nur im Abfall, Rohstoff und Produkt gibt es Überlap- direkten (wirtschaftlichen) Austausch mit der pungen: Wenn der Verwerter Kunststoffab- vor- und nachgelagerten Stufe. fälle zu Rezyklaten aufbereitet, wird er selbst zum Rohstofflieferanten für die Verarbeiter, Die Folge ist eine Fülle von Schwachstellen Komponenten- und Modulhersteller. Verwer- und Kreislauflücken. So kennen bspw. Ver- ter werden vor diesem Hintergrund zu einem werter häufig nicht die Zusammensetzung des wichtigen Partner im Innovationssystem, Werkstoffs eines Kunststoffbauteils, obwohl wenn es bspw. um Material- und Produktin- das für die Möglichkeiten der Verwertung novationen geht. entscheidend ist. Einerseits gilt es, wo mög- lich, durch Standardisierung und Reduktion der Materialvielfalt diese Problematik strukturell anzugehen. Zudem müssten aber auch neben Material, Daten – z. B. in Form eines digitalen Zwillings oder von dem von der EU-Kommis- sion vorgeschlagenen digitalen Produktpass – geliefert werden, um diese Lücke zu schließen. Material- und Produktdaten sind oft Träger von Firmen-Know-how und müssen entsprechend sensibel behandelt werden. Verfahren dazu müssen weiter- oder neuentwickelt und etab- liert werden. 11 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Herausforderungen Zirkuläres Wirtschaften erfordert eine ganz- sich auf der operativen Ebene aber noch keine heitliche und systemische Betrachtungsweise, kreislaufübergreifenden Kooperations- und Or- die sich nicht nur auf die Produkt- oder Pro- ganisationsstrukturen etabliert. Einige Produkt- duktionsseite bezieht. Der Kunststoffkreislauf bereiche sind in der Umsetzung der zirkulären beginnt in dieser Gesamtperspektive bereits Wertschöpfung schon weiter fortgeschritten. in der Grundstoffproduktion und damit in der So sind produktspezifische Kreisläufe und chemischen Produktion und Kunststofferzeu- Sonderlösungen mit eigenen Pfandsystemen gung und nicht erst beim OEM bzw. Verwender entstanden (z. B. PVC-Fensterprofile oder (siehe Kreislaufschema). PET-Flaschen). Diese für sich genommen ziel- führenden Lösungen gilt es bei der Transfor- Die mit dieser veränderten Perspektive ein- mation der gesamten Kunststoffwirtschaft zu hergehenden Aufgaben, Informationsbedarfe integrieren. Berücksichtigt werden muss auch, und neuen Schnittstellen machen neben der dass sich einige Akteure bereits auf den Weg Schaffung eines gemeinsamen Bewusstseins gemacht haben und neue Geschäftsmodelle für Zirkularität auch eine (Re-)Organisation der entwickeln. So sind einige Handelsunterneh- Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf notwen- men bereits im Recycling- und Entsorgungs- dig. Zwar gibt es zahlreiche NGOs und Initiati- geschäft tätig und integrieren damit selbst ven, die die zirkuläre Wertschöpfung über alle mehrere Kreislaufsegmente. Kreislaufstufen hinweg vorantreiben, es haben Der Kunststoffkreislauf beginnt in dieser Gesamtperspektive bereits in der Grundstoffproduktion und damit in der chemischen Produktion und Kunststoff- erzeugung und nicht erst beim OEM bzw. Verwender. Bezogen auf die akteursübergreifende Infor- Häufig wird der Abfallexport als kostengünsti- mations- und Datenübertragung sind noch ge Entsorgungsoption gesehen - de facto wird Hürden zu überwinden. Optimierungsbedarf hierdurch aber die Kreislaufwirtschaft behindert. liegt bspw. in der Automatisierung auslesbarer Informationen. Bislang sind vor allem Produkt- hersteller mit der Weitergabe ihrer Produkt- informationen wegen des Know-how-Schutzes verhalten. Es fehlen Standards und Regelungen, welche Informationen an welchen Akteur wei- tergegeben und wie Informationen nach der Nutzungsphase für das Recycling bereitgestellt werden sollten. Hinzu kommt eine komplexe Entsorgungsland- schaft mit öffentlichen und privaten Akteuren, deren historisch gewachsenen oder politisch gewollten Geschäftsmodelle die Organisation eines Kunststoffkreislaufs erschweren. Unbe- dingt zu vermeiden ist der Export von Abfall. 12 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Schlussfolgerungen Um die Kunststoffwirtschaft auf die zirkuläre auf die eigenen Elemente der Wertschöpfung Wertschöpfung auszurichten, benötigen alle zu fokussieren, werden Rohstoffproduzenten, Kreislaufbeteiligten ein gemeinsames Bewusst- Produktdesigner, der Handel, Konsumenten sein und Rollenverständnis für Zirkularität. und abfallwirtschaftliche Akteure gemeinsam Rollen und Aufgaben werden sich im Zuge der an optimierten Lösungen arbeiten. Das erfor- Etablierung einer Circular Economy verändern dert ein intelligent organisiertes Miteinander, und Kooperation wird eine noch größere Be- auch mittels digitaler Unterstützung. deutung einnehmen. Statt sich ausschließlich Klares Bekenntnis als gemeinsamer Beitrag aller Akteure Ihren Beitrag zu einer auf den Kreislauf aus- men wiederfinden, aber eben auch in der Zu- gerichteten Kunststoffwirtschaft können alle sammenarbeit sowie im Kommunikations- und Akteure zunächst einmal leisten, indem sie sich Informationsfluss zwischen den verschiedenen offen zur Idee der zirkulären Wertschöpfung Akteuren. Neue Projekte und Investitionen sollten bekennen. Dieses Bekenntnis muss sich an- immer auch im Hinblick auf eine zukünftige Kreis- schließend in der strategischen Entwicklung laufwirtschaft und die Einhaltung der Pariser und in Investitionen der einzelnen Unterneh- Klimaziele geprüft werden. Um die Kunststoffwirtschaft auf die zirkuläre Wertschöpfung auszurichten, benötigen alle Kreislaufbeteiligten ein gemeinsames Bewusstsein und Rollenverständnis für Zirkularität. Komplexität der Organisationsstrukturen und Akteursbeziehungen als Hürde Eine große Hürde bei der (Re-)Organisation zwischen den Akteuren aufkommen und Kreis- der Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf stellt lauflücken entstehen oder nicht geschlossen zweifellos die Komplexität und Vielfalt der Orga- werden. Da die Kooperation aber essenziell für nisationsstrukturen und Akteursbeziehungen die Umsetzung einer zirkulären Wirtschaft ist, dar. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund unter- müssen diese Interessenskonflikte überwunden schiedlicher Interessenslagen Zielkonflikte werden. 13 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Handlungsfeld 2 Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen Die Transformation von der linearen zur zirkulären Wertschöpfung erfordert neben einem gemeinsamen Verständnis aller Beteiligten auch einen ganzheitlichen, systemischen Ansatz, der das Schließen des Kreis- laufs zur Aufgabe aller beteiligten Akteure macht. Denn obwohl Aktivitäten und Maßnahmen einzelner Kreislaufpartner einen Beitrag leisten können und müssen, wird der Kunststoffkreislauf nur erfolgreich funktionieren, wenn das Gesamtsystem darauf ausgerichtet ist. Das Schließen des Kreislaufs neu denken Mit der zirkulären Wertschöpfung wird Ressour- Im notwendig großen Maßstab wird dies nur ceneffizienz zu einem noch bedeutsameren möglich sein, wenn die Kunststoffabfallverwer- wirtschaftlichen Prinzip. Durch die Kreislauf- tung als fester Partner im Kreislauf verstanden schließung wird Abfall zu einem Rohstoff, dem wird und entsprechende Mengen an Kunststoff- ein Wert zukommt. Diesen Wert müssen alle abfällen zu Rezyklaten verwertet werden. Dass am Kreislauf beteiligten Akteure anerkennen, hier aktuell noch Kreislauflücken existieren, zeigt damit sich Angebot und Nachfrage für einen der geringe Anteil der Kunststoffrezyklate an Rezyklatemarkt entwickeln können. der insgesamt verarbeiteten Kunststoffmenge: Dieser betrug in Deutschland im Jahr 2021 nur Ein wichtiger Baustein für die Rohstoffwende, 12 %; der Anteil von Rezyklat aus Post-Consu- wie sie im Zuge der Circular Economy ange- mer-Abfällen liegt bei nur ca. 9 % (vgl. Conversio strebt wird, ist die Substitution von erdölba- 2022, S. 13 f.). sierter Kunststoffneuware durch Rezyklate. Potenziale und Herausforderungen der Kreislaufschließung je Stufe Im Folgenden werden die Potenziale und Die Diskussion dieser Grenzen wird zeigen, Herausforderungen der Kreislaufschließung dass alle Kreislaufpartner zusammen – auch aus der Perspektive der Akteure jeder der acht bei Bewusstsein für die Notwendigkeit und Stufen dargestellt und analysiert. Wie auch im die technischen Möglichkeiten zirkulärer Wert- Round Table-Dialogprozess des VDI erfolgt schöpfung des Kunststoffs – das Gesamtsystem die Diskussion entlang des Kreislaufs für jede nur begrenzt verändern können. Deshalb wer- einzelne Kreislaufstufe im Detail. Erst das Ver- den im Handlungsfeld 3 regulative Instrumente ständnis der Handlungslogik jeder einzelnen vorgestellt und diskutiert, die die Potenziale Stufe und ihrer Akteure ermöglichen es, an- aller acht Kreislaufstufen besser ausschöpfen schließend die Potenziale für die Optimierung und ihre Grenzen überwinden helfen sollen. des gesamten Kreislaufs klarer herauszuarbei- ten, aber auch die Grenzen darzustellen. 14 VDI । White Paper des VDI-Round Table
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