Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann

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Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
Circular Economy
für Kunststoffe neu denken
Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann

                                      Wir
                                      gestalten
                                      Zukunft

Ergebnisse und Empfehlungen
White Paper des VDI-Round Table

November 2022 । vdi.de
Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
Inhalt
Vorwort

Executive Summary

Einleitung			                                                                 1

		 Entkoppelung Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch notwendig           1
		     Besonderer Fokus: Kunststoffe                                          2
		     Herausforderungen für eine kreislauforientierte Kunststoffwirtschaft   3
		     Ziele des VDI-Round Table                                              5
		     Vorgehen des VDI-Round Table                                           6

Handlungsfeld 1                                                               8
Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren

		 Kreislaufschema                                                            8
		 Herausforderungen                                                          12
		 Schlussfolgerungen                                                         13

Handlungsfeld 2                                                               14
Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen

		 Das Schließen des Kreislaufs neu denken                                    14
 		 Potenziale und Herausforderungen der Kreislaufschließung je Stufe         14
			 Chemie                                                                    15
 			    Kunststofferzeuger                                                    18
 			    Kunststoffverarbeiter                                                 20
 			    OEM/Verwender                                                         22
 			    Handel                                                                24
			     Verbraucher*innen                                                     26
 			    Logistik/Entsorgung                                                   28
 			    Verwerter/Recycler                                                    30
		 Schlussfolgerungen für den gesamten Kreislauf                              32

Handlungsfeld 3                                                               35
Regulatorische Anreize für eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft schaffen

		 Lenkungsinstrumente                                                        36
		     Kriterien zur Diskussion der Lenkungsinstrumente                       37
		     Chancen und Herausforderungen der Lenkungsinstrumente                  40
		     Schlussfolgerungen der Bewertung der Lenkungsinstrumente               51

Handlungsfeld 4                                                               53
Produkte für den Kreislauf konzipieren

		 Neuer ganzheitlicher Design-Ansatz notwendig                               54
       Wirksamkeit des Design for Circularity steigern                        55
       Schlussfolgerungen für das Design for Circularity                      56

Handlungsempfehlungen                                                         57

Quellenverzeichnis                                                            60

Glossar			                                                                    62

                                    VDI । White Paper des VDI-Round Table
Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
Vorwort
Die Herausforderungen einer Circular Economy          Dieses Papier ist das Ergebnis eines rund drei
sind eine starke Motivation für Ingenieurinnen        Jahre andauernden, umfassenden Dialogpro-
und Ingenieure, nach neuen Lösungen zu suchen.        zesses von Sachverständigen aus Wirtschaft,
Gleichzeitig greifen diese Herausforderungen          Wissenschaft, NGOs und Politik. Es ist zunächst
oftmals tief in etablierte Strukturen, Prozesse       Ende 2021 als Green Paper erschienen. Nach
und Technologien ein. Veränderungen sind an-          einer Phase der Kommentierung vor allem durch
spruchsvoll und deshalb am ehesten in einem           Verbände und Organisationen wurde das Papier
größeren Zusammenhang und mit gemeinsa-               in der vorliegenden Fassung als White Paper
men Strategien aller Beteiligten einer Wert-          durch den Round Table vorgelegt. Die Diskussion
schöpfungskette möglich.                              des Feedbacks und Überarbeitung einzelner
                                                      Punkte hat das Papier noch wertvoller gemacht.
Das Ziel einer weitgehenden Kreislaufführung
unserer Rohstoffe bedeutet aber auch einen            Von Anfang an war es Ziel dieses Dialogpro-
Paradigmenwechsel im Denken: Probleme                 zesses, den gesamten Kunststoffkreislauf von
müssen zum Teil anders definiert und mit ganz         der Chemieindustrie, den Kunststoffverarbeitern
neuen Lösungen angegangen werden. So wird             und den OEMs sowie Markenartiklern über den
der bisherige Fokus auf die Abfallverwertung          Handel, die Verbraucherinnen und Verbraucher
durch eine neue Perspektive der zirkulären            bis zu den Verwertern und Recyclern abzubilden.
Wertschöpfung abgelöst. Das bedeutet eine             Die jeweils unterschiedlichen Perspektiven der
tiefgreifende Transformation für alle Akteure.        Akteure aus den verschiedenen Kreislaufstufen
                                                      der Wirtschaft wurden ergänzt durch Perspek-
Wir haben im VDI diese Herausforderung am             tiven von Umwelt- und Verbraucherorganisa-
Beispiel der Kunststoffe mit allen teilnehmenden      tionen sowie Vertretern aus dem staatlichen
Stakeholdern des Kreislaufs diskutiert und uns        Bereich. Diese besonders breite Anlage des
dabei zunächst auf die übergreifenden und syste-      VDI-Round Table war der Schlüssel, um die
mischen Fragen konzentriert. Denn der Wandel          Anforderungen der Transformation ganzheit-
zur Circular Economy wird nur gelingen, wenn          lich zu verstehen und eine integrative Sicht im
nicht nur technische Einzellösungen, sondern          Dialogprozess zu etablieren.
das gesamte „System“ von Anfang an auf die
Erzeugung und Nutzung hochwertiger Rezyklate
ausgerichtet wird.

Die Mitglieder des VDI-Round Table waren (in alphabetischer Reihenfolge):

  Ralph Appel                                           Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich
  VDI e.V., Direktor und geschäfts-                     INZIN e.V. Institut für die Zukunft der
  führendes Präsidiumsmitglied                          Industriegesellschaft, Direktor, Mitglied
                                                        der Ressourcenkommission des UBA,
  Dietmar Böhm                                          Mitglied des Beirats der VDI Zentrum
  PreZero Stiftung & Co. KG                             Ressourceneffizienz GmbH
  (Schwarz Gruppe), Geschäftsleiter
                                                        Dr.-Ing. Martin Giersbeck
  Dr. Jürgen Bruder                                     Robert Bosch GmbH, Director Plastics
  ehem. IK Industrievereinigung Kunststoff-             Engineering, aktuell Applied Mathematics
  verpackungen e.V., Hauptgeschäftsführer               and Engineering for Future Components

  Jürgen Dornheim                                       Timothy Glaz
  Procter & Gamble Service GmbH,                        Werner & Mertz GmbH,
  Director Corporate Packaging                          Leiter Corporate Affairs
  Sustainability & Innovation

                                 VDI । White Paper des VDI-Round Table
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Dr.-Ing. Alexander Gosten                              Dr.-Ing. Nico Pastewski
Sprecher des Vorstandes der DGAW                       VDI Technologiezentrum GmbH, Bereichs-
Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft;            leiter für Gesundheit, Nachhaltigkeit und
ehem. BSR Berliner Stadtreinigungsbetriebe             Energie, Standortleiter Berlin
AöR für Abfallbehandlung und Stoffstrom-
management, Prokurist                                  Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner
                                                       Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits-
Laura Griestop                                         und Energietechnik UMSICHT, Institutsleiter
WWF Deutschland,
Referentin Wirtschaft und Märkte                       Dr.-Ing. Hartmut Pflaum
                                                       Fraunhofer Cluster of Excellence
Dr. Christian Haessler                                 Circular Plastics Economy CCPE,
Covestro AG,                                           Leiter der Geschäftsstelle
Head of Global Circular Economy Program
                                                       Manfred Rink
Dr. Michael Heyde                                      VDI-Gesellschaft Materials Engineering,
ALPLA Werke Lehner GmbH & Co KG,                       Fachbereich Kunststofftechnik
Head of Recyling Technology
                                                       Elke Salzmann
Prof. Dr.-Ing. Ralf Holzhauer                          Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.,
Westfälische Hochschule, Zentrum für                   Referentin Ressourcenschutz
Recyclingtechnik, Fachbereich Maschinen-
bau, Umwelt- und Gebäudetechnik,                       Dr.-Ing. Hans-Jürgen Schäfer
VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt                    VDI-Gesellschaft Materials Engineering,
                                                       Geschäftsführer
Sönke Hübner
WEPA Hygieneprodukte GmbH,                             Helmut Schmitz
Projektleiter F&E                                      DSD – Duales System Holding
                                                       GmbH & Co KG, DerGrünePunkt
Dr. Alexander Janz
Umweltbundesamt, Leiter der Abteilung III 1            Dr. Martin Vogt
Nachhaltige Produkte und nachhaltiger                  VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH,
Konsum, Kreislaufwirtschaft                            Geschäftsführer

Dirk Jepsen                                            Arne Volland
Ökopol Institut für Ökologie und Politik,              LLA Instruments GmbH & Co. KG,
Geschäftsführer                                        Produktmanager Hyperspektralkameras +
                                                       Sensor-based Sorting Solutions
Dr. Franziska Krüger
Umweltbundesamt, Fachgebiet III 1.6                    Dr. Klaus Wittstock
Kunststoffe und Verpackungen                           BASF SE, Director Industry Affairs

Matthias Lesch                                         Herwart Wilms
Pöppelmann Holding GmbH,                               REMONDIS Assets & Services GmbH & Co.
Geschäftsführer Produktion                             KG, Geschäftsführer, Mitglied des Beirats der
                                                       VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH
Jan Meyer
Unisensor Sensorsysteme GmbH,                        Geschäftsstelle des VDI
Head of Sales – Sorting Technologies
                                                       Dr. Volker Brennecke
Dr. Peter Orth                                         Dr. Bita Fesidis
VDI-Gesellschaft Materials Engineering,                Nadine Freimuth
Fachbereich Kunststofftechnik                          Maximilian Stindt

                                VDI । White Paper des VDI-Round Table
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Wir möchten an dieser Stelle allen Mitgliedern des Round
     Table, aber auch allen weiteren Gesprächspartnern
   sehr herzlich für ihre Beiträge sowie ihre Offenheit und
               Diskussionsbereitschaft danken.

Das Papier ist in einem iterativen Prozess mit         Gesprächspartnern sehr herzlich für ihre Bei-
allen Mitgliedern des Round Table erstellt und         träge sowie ihre Offenheit und Diskussions-
konsolidiert worden. Es war nicht angestrebt,          bereitschaft danken. Zu Beginn des Prozesses
eine Konsensfassung zu erstellen. Das vorlie-          haben sich besonders Herr Dr. Peter Orth und
gende „White Paper“ wird demnach zwar von              Herr Manfred Rink um die inhaltliche Fokussie-
den Teilnehmenden des Round Table mitge-               rung und Frau Dr. Antje Grobe von Dialog Basis
tragen, dies bedeutet aber keine vollumfäng-           um die Moderation des Prozesses verdient ge-
liche Zustimmung zu jeder einzelnen Aussage.           macht. In der Weiterentwicklung und Erstellung
Wichtiger war dem VDI die Multi-Stakeholder-           des Papiers ist besonders Frau Dr. Bita Fesidis,
Perspektive und die gemeinsame Suche nach ge-          Frau Nadine Freimuth und Herrn Maximilian
teilten Problembeschreibungen und -lösungen.           Stindt aus der Hauptgeschäftsstelle des VDI
Wir möchten an dieser Stelle allen Mitgliedern         zu danken.
des Round Table, aber auch allen weiteren

Düsseldorf, im November 2022

Dipl. Wirtsch.-Ing. Ralph Appel                        Dr. Volker Brennecke
Direktor und geschäftsführendes                        Leiter der Abteilung
Präsidiumsmitglied des VDI                             Politik und Gesellschaft

                                  VDI । White Paper des VDI-Round Table
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Executive Summary
Beim Aufbau einer Circular Economy muss der           Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein Um-
Umgang mit Kunststoffen grundlegend verän-            denken in der Praxis: Über die vielen ambitio-
dert werden. Globale Umweltprobleme, wie Mi-          nierten technischen Innovationen hinaus muss
kroplastik in den Weltmeeren oder CO2-Emis-           die wirkliche Schließung der Kreisläufe in den
sionen durch den Einsatz fossiler Rohstoffe und       Fokus gerückt werden. Entscheidend ist eine
thermischer Verwertung, verdeutlichen, dass           möglichst weitgehende Verwendung von
die bisherige Nutzungsweise von Kunststoffen          recycelten Rohstoffen (Rezyklaten) und nach-
die planetare Belastungsgrenze überschreitet.         haltigen Alternativen, nicht nur in einzelnen
Abfallwirtschaftliche Instrumente wie Müll-           Produktbereichen (z. B. bei PET-Flaschen),
sortierung und Recycling sind notwendig, aber         sondern bei den Materialströmen aller Polymere.
nicht hinreichend für eine Wende hin zu einer         Damit werden Kunststoffabfälle zu wertvollen
funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Es bedarf       Rohstoffquellen für neue Produkte. Zugleich
eines Paradigmenwechsels, um ein System zu            könnte auf diesem Weg auch ein erheblicher
gestalten, das eine vollständige Kreislauffüh-        Beitrag zur Klimaneutralität der Kunststoffer-
rung von Kunststoffen ermöglicht.                     zeugung gelingen.

            Es bedarf eines Paradigmenwechsels, um ein
             System zu gestalten, das eine vollständige
           Kreislaufführung von Kunststoffen ermöglicht.
Dies erfordert allerdings eine tiefgreifende          Dialog war und ist es möglich, ganzheitliche
Transformation des Gesamtsystems hin zu               Lösungsansätze zur Transformation des Ge-
einer zirkulären Wertschöpfung. Dieser Wandel         samtsystems zu formulieren. Mit dieser syste-
kann nur durch gemeinsame Anstrengungen               mischen Perspektive beschreibt das Papier des
und Kooperationen erreicht werden. In diesem          VDI-Round Table innerhalb von vier Handlungs-
Sinne hat der VDI mit dem Format des Round            feldern, welche technischen, ökonomischen und
Table erstmals Fachleute aus allen Teilbereichen      ökologischen Chancen und Herausforderungen
des Kunststoffkreislaufs – Chemieindustrie,           dieser Wandel mit sich bringt. Die Kreislauffüh-
Kunststoffverarbeiter, OEMs, Handel, Verbrau-         rung von Kunststoffen durch den Einsatz von
cher, Entsorger und Verwerter – an einen Tisch        Rezyklaten steht dabei immer im Mittelpunkt.
zusammengebracht. Einbezogen wurden auch              Hieraus werden Handlungsempfehlungen für
Vertreter von Politik, Wissenschaft und NGOs.         Industrie und Politik abgeleitet.
Nur durch einen solchen perspektivenreichen

                                 VDI । White Paper des VDI-Round Table
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Handlungsfeld 1
Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren

Der Paradigmenwechsel zur zirkulären Wert-             fokussieren, werden Rohstoffproduzenten,
schöpfung, die Veränderung von Geschäfts-              Kunststoffverarbeiter, Produktdesigner, Handel,
modellen und die Transformation ganzer                 Konsumenten und abfallwirtschaftliche Akteure
Wirtschaftsbereiche erfordern nicht nur klare          gemeinsam optimierte Lösungen erarbeiten
Bekenntnisse aller Kreislaufbeteiligten, sondern       müssen. Das erfordert ein intelligent organisier-
auch ein ganz neues Ausmaß an Kooperation.             tes Miteinander, auch mittels digitaler Unter-
Statt sich ausschließlich auf die eigene oder          stützung.
die benachbarte Stufe der Wertschöpfung zu

Handlungsfeld 2
Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen

Dieses Handlungsfeld richtet den Blick auf die         dass Optimierungen innerhalb einer Stufe im
Herausforderungen der Akteure jeder einzelnen          Kontext des Gesamtsystems und in Koopera-
Kreislaufstufe sowie auf ihren potenziellen Bei-       tion mit anderen Kreislaufpartnern vorgenom-
trag zur Kreislaufschließung. Es wird deutlich,        men werden, damit keine gegenläufigen Ent-
dass jeder Einzelne seine eigenen Produkte und         wicklungen und Lösungen entstehen. Eine
Prozesse optimieren kann und sollte. Im Hin-           solche Analyse – erarbeitet in aufwendigen
blick auf das Gesamtsystem ist jedoch wichtig,         Dialogprozessen – liegt hiermit erstmals vor.

Handlungsfeld 3
Regulatorische Anreize für eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft schaffen

Die Vielzahl einzelner Optimierungen in jeder          ben und ökonomischen Anreizen unterstützt
Kreislaufstufe wird angesichts der zum Teil            und beschleunigt. Die kriteriengeleitete Bewer-
divergierenden Interessen, Erwartungen und             tung verschiedener regulatorischer Lenkungs-
Zielkonflikte der verschiedenen Akteure nicht          instrumente durch den VDI-Round Table hat
ausreichen, die notwendige Transformation im           gezeigt, dass aufgrund ihrer unterschiedlichen
Bereich der Kunststoffe anzustoßen. Die Politik        Wirkungsmechanismen ein intelligenter Inst-
ist daher gefragt, hier einen ganzheitlichen           rumentenmix aus Einsatzquoten und ökonomi-
Rahmen zu schaffen, der diesen Wandel durch            schen Steuerungsinstrumenten notwendig
eine Kombination von regulatorischen Vorga-            sein wird.

Handlungsfeld 4
Produkte für den Kreislauf konzipieren

Der Wandel hin zu einer Circular Economy               auch in den Normen, Standards, der Aus- und
erfordert einen ganzheitlichen Design-Ansatz,          Weiterbildung sowie im politischen Rahmen
bei dem die Kreislauffähigkeit schon bei der           wiederfinden. Denn seine volle Wirkung wird
Produktkonzeption mitgedacht wird und alle             das Produktdesign erst entfalten, wenn sich
Stufen von der Kunststofferzeugung bis zur             Kreislaufführung als ökologisches Ziel und
Entsorgung und Verwertung berücksichtigt               wirtschaftliches Prinzip bei allen Akteuren der
werden. Dieser Ansatz muss sich entsprechend           Wertschöpfungskette etabliert hat.

                                  VDI । White Paper des VDI-Round Table
Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
Einleitung
Entkoppelung Wirtschaftswachstum und Rohstoffverbrauch notwendig

Der weltweite Rohstoffverbrauch nimmt zu,             Neue Logik des Wirtschaftens:
Tendenz steigend. Schon heute überschreitet           In Kreisläufen denken
die Nutzung natürlicher Ressourcen die Re-
generationsfähigkeit der Erde. Die Dynamik            Mit Blick auf die Dringlichkeit der globalen Pro-
des globalen Bevölkerungs- und Wirtschafts-           bleme wird schnell deutlich: Anpassung und
wachstums wird dieses Problem weiter ver-             Optimierung der heutigen Wirtschaftsweise
schärfen. Gleichzeitig steigen die Konzentration      werden nicht ausreichen, um diese Herausfor-
von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre wie           derungen zu bewältigen. Stattdessen braucht
auch andere Umweltbelastungen an Land und             es eine völlig andere Art des Wirtschaftens. Für
im Meer. Viele der Ökosphäre entnommenen              einen verantwortungsvollen Umgang mit unse-
Ressourcen gelangen an ihrem Lebensende               ren begrenzten Ressourcen muss ökologisch
als unbehandelter, stetig wachsender Abfall in        sinnvolle Kreislaufführung daher zum neuen
die Umwelt. So werden weltweit nach Schät-            Leitmotiv wirtschaftlichen und industriellen
zungen der Weltbank jährlich ca. 2 Milliarden         Handelns werden. Dazu gehören Abfallredu-
Tonnen feste Siedlungsabfälle erzeugt (vgl.           zierung und -vermeidung zur Ressourcenscho-
Kaza et al. 2018).                                    nung, z. B. durch Mehrfachverwendung von
                                                      Produkten und Materialien entlang der gesam-
                                                      ten Wertschöpfung.
Für einen verantwortungs-
vollen Umgang mit unseren                             Grundsätzlicher Lösungsansatz:
begrenzten Ressourcen                                 Zirkuläre Wertschöpfung

muss ökologisch sinnvolle                             Das Konzept der Circular Economy zielt darauf
                                                      ab, Material- und Energiekreisläufe zu optimieren
Kreislaufführung daher zum                            und Stoffe, soweit wie ökologisch sinnvoll, in
neuen Leitmotiv wirtschaft-                           Kreisläufen zu führen. Dadurch sollen nicht nur
                                                      Ressourcen geschont und effizienter genutzt,
lichen und industriellen                              sondern auch der Ausstoß von Treibhausgasen
                                                      reduziert werden. Dazu braucht es eine Erhö-
Handelns werden.                                      hung der Lebensdauer von Produkten ebenso
                                                      wie den Einsatz von regenerativen Energien
Neben Ressourcennutzung und Klimawandel               und die strikte Schließung des Kohlenstoffkreis-
gilt Abfall in der Umwelt als eines der dringend-     laufs. Konkret heißt das, dass Materialien nach
sten globalen Umweltprobleme. Herausforde-            der Nutzung gesammelt, aufbereitet und als
rungen wie diese erfordern neue Denkweisen            Rohstoffe wieder in die Produktion zurückge-
und Lösungsansätze, auch in der Wirtschaft.           führt werden sollen.
Das vorherrschende lineare Wirtschaftsmodell,
bei dem Konsum und Produktion eher der kurz-          Damit könnte der Begriff „Abfall“ bald der Ver-
fristigen Denkweise „Herstellen, benutzen,            gangenheit angehören, weil just im Moment
entsorgen“ entsprechen, ist mit einer verant-         des „End-of-Life“ der Rohstoff des nächsten
wortungsvollen Umweltnutzung nicht verein-            Lebenszyklus entsteht. Um hin zu einer funk-
bar und wird auch den anderen Bemühungen,             tionierenden Kreislaufwirtschaft zu kommen,
die Umwelt und das Klima zu schützen nicht            braucht es mehr Kooperation, bewussteren
gerecht. Aus ökologischer wie auch aus ökono-         Konsum und neue Geschäftsmodelle, die deut-
mischer Sicht sollte es daher das Ziel sein, das      lich weniger Ressourcen benötigen (z. B. Re-
Wirtschaftswachstum vom Rohstoffverbrauch             manufacturing oder Sharing).
und den damit zusammenhängenden negativen
Umweltauswirkungen zu entkoppeln und den              Zirkuläre Wertschöpfung bedeutet nicht per
Ressourcenverbrauch absolut zu senken.                se eine Minderung der Produktion oder einen

                                1 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
Verzicht auf wirtschaftliches Wachstum.                Sektoren. Dieses Papier sieht die Vermeidung
Stattdessen soll der Rohstoffbedarf durch die          und Wiedernutzung als zentral an, konzentriert
Steigerung der Zirkularität gedeckt werden (vgl.       sich aber im Folgenden auf das Recycling und
Hiebel et al. 2017). Dennoch kommt der Ver-            die Schließung der Stoffkreisläufe. Die Idee
meidung nicht nur aus ökologischen, sondern            zur zirkulären Wertschöpfung ist nicht neu. In
auch aus ökonomischen Gründen eine große               einigen Bereichen, z. B. Papier oder Glas, ist die
Bedeutung zu (vgl. WWF 2021). Dazu gehört              technische Umsetzung in Deutschland bereits
die absolute Reduktion der primären Rohstoff-          weit fortgeschritten. Betrachtet man andere
nutzung genauso wie der deutliche Ausbau               Stoffströme, ist der Weg zur zirkulären Wirt-
alternativer, nicht fossiler Rohstoffe in allen        schaft aber noch weit.

Besonderer Fokus: Kunststoffe

Zu den relevantesten Stoffströmen, die einer           lumens wurde durch Post-Consumer Rezyklat
zirkulären Wertschöpfung zugeführt werden              und 2 % durch biobasierte Kunststoffe gedeckt.
müssen, gehören die Kunststoffe. 2021 wurden           Zudem wurden von den in der EU 2020 ge-
weltweit rund 391 Millionen Tonnen (Mio. t)            sammelten 29 Mio. t Kunststoffabfällen (Post-
Kunststoff produziert, davon ca. 57 Mio. t inner-      Consumer) nach wie vor rund zwei Drittel der
halb der Europäischen Union (vgl. PlasticsEurope       Abfälle nicht recycelt. Stattdessen wurden rund
2022, S. 16 f.). Von den in der EU im Jahr 2021        42 % der Abfälle energetisch verwertet und
produzierten Kunststoffen basierten 88 % auf           ca. ein Viertel auf Mülldeponien entsorgt (vgl.
fossilen Rohstoffen. Nur 10 % des Gesamtvo-            PlasticsEurope 2022, S. 45).

       Die zunehmende Verbreitung von Kunststoff in der
         terrestrischen und aquatischen Umwelt und die
       Dissipation von Mikroplastik in alle Lebensbereiche
       sind zu einer globalen Herausforderung geworden.

Immer noch landen weltweit zu viele Produkte           wegzudenken: Sei es als Verpackung von
am Ende ihres Lebenswegs in der Verbrennung            Lebensmitteln, im Bausektor für Profile und
oder ungeordnet in der Umwelt (Littering). Die         Rohre, als Materialien in der Automobilindustrie
zunehmende Verbreitung von Kunststoff in der           oder als Fasern, Lacke, Harze und Klebstoffe.
terrestrischen und aquatischen Umwelt und die          Auch in der Medizintechnik haben Kunststoffe
Dissipation von Mikroplastik in alle Lebensbe-         (Spritzen, Schläuche, Handschuhe etc.) eine
reiche sind zu einer globalen Herausforderung          lebenswichtige Bedeutung. Bisweilen wird
geworden. Problematisch sind auch die zur              Kunststoff aufgrund seiner schier unendlichen
Herstellung genutzten fossilen Rohstoffe (Öl           Variabilität und Funktionalität als „Werkstoff
und Gas), da die bei ihrer Verbrennung entste-         des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet (vgl. auch
henden Emissionen die Atmosphäre belasten              Orth et al. 2022). Neben variablen Werkstoff-
und damit das Klima negativ beeinflussen. Das          eigenschaften besticht die kohlenstoffbasierte
alles erfordert ein umgehendes Handeln der             Werkstoffklasse auch durch eine hohe Verfüg-
industriellen Welt im Umgang mit Kunststoffen.         barkeit und effiziente Verarbeitungsverfahren.
Um die Ziele der Treibhausgasneutralität und           Viele Innovationen quer durch alle Branchen
die vollständige Unabhängigkeit von fossilen           gelingen nur dank moderner Hochleistungs-
Ressourcen zu erreichen, ist letztlich eineTrans-      kunststoffe. Umso wichtiger ist es, den Einsatz
formation der gesamten Kunststoffwirtschaft            von Kunststoffen nicht per se zu verurteilen,
erforderlich.                                          sondern dort wo ihr Einsatz Vorteile bringt, den
                                                       Paradigmenwechsel von der linearen hin zur
Auf der anderen Seite sind Kunststoffe aus             zirkulären, ressourcenschonenden Wertschöp-
vielen Lebensbereichen zurecht nicht mehr              fung vorzunehmen.

                                2   VDI । White Paper des VDI-Round Table
Wir gestalten Zukunft - Circular Economy für Kunststoffe neu denken Wie die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung gelingen kann
Gute Voraussetzungen in Deutschland

Deutschland allein wird die globale Kunststoff-
problematik nicht lösen können, denn globale
Probleme erfordern weltweite Lösungen. Gleich-
wohl ist der Weg zur zirkulären Wirtschaft eine
komplexe Gestaltungsaufgabe, für die es inno-
vative technische und wirtschaftliche Lösungen
braucht.

Was es braucht ist eine                               Grundlage, um in Deutschland die Transforma-
                                                      tion des Gesamtsystems Kunststoff in Richtung
„Rohstoffwende“.                                      Zirkularität anzugehen. Was es braucht ist eine
                                                      „Rohstoffwende“. Diese wird ähnlich große tech-
                                                      nische und strukturelle Herausforderungen mit
Und genau hier bietet Deutschland gute Vor-           sich bringen wie die Energie- und Mobilitäts-
aussetzungen, um modellhaft eine ressourcen-          wende in Deutschland.
schonende, zirkuläre Wirtschaft zu etablieren,
die innerhalb der EU und darüber hinaus einen         Ziel dabei ist es, z. B. den emissionsrelevanten
Anstoß zum Wandel geben kann. Die deutsche            fossilen Kohlenstoff und seine Verbindungen im
Kunststoffindustrie zeichnet sich durch hohe          Kreislauf zu führen, um langfristig die Nutzung
Qualität, Zuverlässigkeit und Innovationskraft        immer neuer fossiler Rohstoffe zu beenden. Dies
aus und die zugehörigen Unternehmen der               mag aus technischen und logistischen Gründen
Wertschöpfungskette gehören weltweit zu               nie vollständig gelingen, jedoch müssen alle An-
den Marktführern. Auch die deutsche Abfall-           strengungen unternommen und alle denkbaren
wirtschaft gilt mit ihrer differenzierten Sammel-     Verfahren eingesetzt werden, sich diesem Ziel
und Aufbereitungsstruktur als internationales         zu nähern. Das erfordert einen ganzheitlichen
Vorbild. Nicht zuletzt die Ingenieurkompetenzen,      Ansatz und Technologieoffenheit bei der Kreis-
eine starke Forschungslandschaft und stabi-           laufschließung bei gleichzeitiger Betrachtung
le Rahmenbedingungen schaffen eine gute               gesamtökologischer Ergebnisse.

Herausforderungen für eine kreislauforientierte Kunststoffwirtschaft

Ein Blick auf verschiedenste Initiativen und          Kunststoffwirtschaft zu etablieren und ange-
politische Maßnahmen offenbart, dass es in            sichts der globalen Probleme zu beschleunigen.
Deutschland seit einigen Jahren Bemühungen            Die technologischen Möglichkeiten und Kom-
in Richtung neuer Recyclingansätze oder Vor-          petenzen der deutschen Kunststoffwirtschaft
gaben und Innovationen zum Produkt- und               sollen dabei genutzt werden, um das Gesamt-
Verpackungsdesign gibt. Doch dem Problem-             system zu verändern, ohne die Wirtschaft-
bewusstsein steht bislang kein adäquater              lichkeit und den Erfolg der Unternehmen auf
Fortschritt bei der Kreislaufführung von              diesem Feld zu gefährden.
Kunststoffen gegenüber.
                                                      Trotz der guten Voraussetzungen in Deutsch-
Die zentrale Herausforderung und Aufgabe              land, gibt es einige grundsätzliche Herausfor-
liegt darin, die bisher geleisteten inkrementellen    derungen, die es im Hinblick auf die Transfor-
Fortschritte in allen Bereichen einer zirkulären      mation zu lösen gilt:

Keine vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen zwischen Rezyklaten und Kunststoffen aus
fossilen Rohstoffen:

Wichtiger Bestandteil der „Rohstoffwende“             Rohstoffen zeitweise deutlich geringer als für
ist die Substitution ölbasierter Kunststoffneu-       Rezyklate. Hinzu kommt die steuerliche Sub-
ware durch Rezyklate. Durch den volatilen Öl-         ventionierung von fossilen Energieträgern für
preis sind die Kosten für Neuware aus fossilen        eine nicht energetische Verwendung, von der

                                 3 VDI । White Paper des VDI-Round Table
die ölbasierte Kunststofferzeugung ebenfalls           internationales Level-Playing-Field, also keinen
profitiert. Für eine funktionierende Kreislauf-        Wettbewerb zwischen Neuware und Rezyklat
wirtschaft ist aber eine stabile Konkurrenzfä-         unter gleichen Ausgangsbedingungen. Erst
higkeit der Rezyklate bezogen auf den Preis, die       wenn die Rohstoffpreise auch externalisierte,
Qualität und Verfügbarkeit sehr wichtig. Daher         umweltrelevante Kostenanteile enthalten und
fokussiert sich dieses Papier auf die Frage, wie       der Wert des Kunststoffabfalls bzw. der darin
der Einsatz von Rezyklaten in der Kreislauf-           enthaltenden Rohstoffe anerkannt wird, könn-
wirtschaft gesteigert werden kann. Aktuell gibt        ten sich auch die Preise für Neuware und hoch-
es weder ein nationales noch erst recht kein           wertige Rezyklate angleichen.

Disbalance von Angebot und Nachfrage im Markt für Rezyklate:

Während die Rezyklatanbieter aufgrund des              verwendung in Anwendungen mit geringerer
volatilen Ölpreises zeitweise mit Absatzschwie-        Qualitätsanforderungen (z. B. für Parkbänke
rigkeiten kämpfen, beklagen Kunststoffverar-           oder Lärmschutzwände). Bei Rezyklaten mit
beiter und Produkthersteller, dass ihre Nach-          gleichbleibend hoher Qualität, die für hochwer-
frage an geeigneten Rezyklaten nicht gedeckt           tige Anwendungen geeignet sind, übersteigt
werden kann. Dieser Widerspruch entsteht,              die Nachfrage häufig dagegen das Angebot.
da auf dem Markt häufig vor allem Rezyklate            Offenkundig passen Angebot und Nachfrage
angeboten werden, die sich für ein sogenann-           hier nicht zusammen.
tes Downcycling eignen, das heißt zur Wieder-

   Bei Rezyklaten mit gleichbleibend hoher Qualität, die für
   hochwertige Anwendungen geeignet sind, übersteigt die
           Nachfrage häufig dagegen das Angebot.

Fragmentierte Wertschöpfung in der Kunststoffwirtschaft:

Die deutsche Kunststoffwirtschaft ist gekenn-          an Akteuren und Zuständigkeiten lässt sich nur
zeichnet durch verschiedenste Geschäftsmo-             schwer zu einer für alle passenden Strategie
delle und historisch gewachsene Strukturen.            und einem positiven Transformationsprozess
Zum Teil konträre Erwartungen der Stakeholder          zusammenführen. Schon jetzt ist klar, dass eine
führen zudem zu einer starken Fragmentie-              tragfähige zirkuläre Wertschöpfung ein ganz
rung entlang der Wertschöpfungskette. Hinzu            neues Ausmaß an Kooperation und Koordi-
kommen wenige große Kunststofferzeuger auf             nation über Wertschöpfungsstufen hinweg
der einen Seite und viele kleine und mittelstän-       erfordert, die über die bisherigen Bemühungen
dische Verarbeiter, Abfallentsorger und Recycler       hinausgehen.
auf der anderen Seite. Dieser Flickenteppich

Technologische Grenzen und Zielkonflikte:

Kunststoffe sind vielfältig einsetzbar und bieten      duktdesign, Weiterentwicklungen der Sortier-
unzählige Variationsmöglichkeiten. Viele der           und Sammelsysteme oder neue Recyclingtech-
heute vom Markt erwarteten Materialeigen-              niken können diese technologischen Grenzen
schaften stehen jedoch dem Ziel der Zirkularität       zwar überwunden werden, erzeugen durch
entgegen. Verbundwerkstoffe, Werkstoffge-              einen gesteigerten Energie- und Rohstoffver-
mische, verklebte oder vernetzte Werkstoffe            brauch sowie eine geänderte Produktperfor-
erschweren ein hochwertiges Recycling, zahlen          mance aber oft ökologische und ökonomische
aber auf andere Kreislaufziele wie besondere           Zielkonflikte.
Langlebigkeit ein. Durch Änderungen im Pro-

                                4   VDI । White Paper des VDI-Round Table
Politische Regulierung bislang auf Abfall ausgerichtet:

Lange Zeit war die politische Regulierung in         den kompletten Lebenszyklus verfolgt auch
Deutschland primär auf Maßnahmen ausge-              die geplante Nationale Kreislaufwirtschaftsstra-
richtet, die erst am Ende des Lebenszyklus von       tegie der Bundesregierung. Diese beabsichtigt
Kunststoffprodukten und -verpackungen und            das Modell einer Circular Economy auch im
somit in deren Abfallphase ansetzten. Im Mittel-     Materialstrom der Kunststoffe zu entwickeln
punkt standen der Umgang und die Beseitigung         und dafür die erforderlichen Handlungsinstru-
von Abfällen und weniger die Verwertung und          mente vorzuschlagen.
das Recycling zum Schließen der Kreisläufe.
Kreislaufgesetzgebung war in der Vergangen-          Mit Blick auf die internationalen Wertschöp-
heit de facto vor allem Abfallpolitik. Soll das      fungsstrukturen wird zudem ein europäischer
Modell einer Circular Economy fortentwickelt         Regulierungsrahmen notwendig sein, um die
werden, müssen auch politische Regulierungs-         internationale Wettbewerbsfähigkeit der deut-
maßnahmen viel stärker als bisher auf dieses         schen Kunststoffwirtschaft nicht zu gefährden.
Ziel einwirken und den Wert von Kunststoffpro-       Eine erste Orientierung gibt der „Green Deal“
dukten auch in der Nachgebrauchsphase hono-          der EU (z. B. die sogenannte „Plastic Strategy“
rieren. Den Wandel von einer primär auf Abfall       sowie der Circular Economy Action Plan).
orientierten hin zu einer systemischen Sicht auf

Erhöhter Handlungsdruck durch öffentliche Kommunikation:

Aufrüttelnde Bilder und Schlagzeilen über            schnellen Lösungen verleiten lassen, die im
Kunststoff in den Weltmeeren und in der Natur        Hinblick auf die Problematik oft wirkungslos
erhöhen den Handlungsdruck auf allen Seiten.         oder kontraproduktiv sind. Zielführender sind
Schnelles und entschiedenes Handeln ist              eine systemische Perspektive und faktengelei-
dringend notwendig in Anbetracht des hohen           tete Maßnahmen, die auf die Transformation
und steigenden Eintrags von Plastikmüll in die       des Gesamtsystems abzielen.
Umwelt. Dennoch sollte man sich nicht zu vor-

Ziele des VDI-Round Table

Mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen,       hat der VDI einen faktenbasierten Dialog mit
die strukturellen Herausforderungen und das           Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesell-
komplexe Akteursgeflecht wird klar, dass es für       schaft geführt und gemeinsam erörtert, wie der
eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft ein Umdenken      systemische Wandel von der linearen hin zur
aller Beteiligten und einen klaren regulativen        zirkulären Wirtschaft im Bereich der Kunststoffe
Rahmen braucht. Der Wandel vom heutigen               gelingen kann. Als unabhängige technisch-
linearen Modell hin zu einer kreislauforientierten    wissenschaftliche Vereinigung bringt der VDI
Kunststoffwirtschaft benötigt systemische und         dabei seine Kompetenz auf allen Feldern der
technische Innovationen sowie eine daran an-          Wertschöpfung in den Diskurs mit ein, ohne
gepasste Wertschöpfung. Mit dem Round Table           eigene Partikularinteressen zu verfolgen.

   Mit dem Round Table hat der VDI einen faktenbasierten
 Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesell-
  schaft geführt und gemeinsam erörtert, wie der systemi-
 sche Wandel von der linearen hin zur zirkulären Wirtschaft
          im Bereich der Kunststoffe gelingen kann.

                                5 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Vor diesem Hintergrund hat der VDI-Round Table folgende Ziele:

     Die Initiierung eines Dialogs, bei dem             Die Identifikation der Rahmenbe-
     Vertreter aller am Kreislauf beteiligten           dingungen, Potenziale und Heraus-
     Akteure zusammenkommen.                            forderungen auf dem Weg zur Circular
                                                        Economy entlang der einzelnen Kreis-
     Die Entwicklung eines gemeinsamen                  laufstufen und -akteure.
     Verständnisses über den Kunststoff-
     kreislauf: vom linearen hin zum                    Eine ganzheitliche und systemische
     zirkulären Wirtschaften.                           Betrachtung von Lenkungsinstrumenten,
                                                        die die Transformation des Gesamt-
                                                        systems ermöglicht.

Vorgehen des VDI-Round Table

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ziele            Vor dem Start des Dialogprozesses war es ent-
hat der VDI einen Dialogprozess gestartet, der         scheidend, die richtigen Teilnehmerinnen und
sich über einen Zeitraum von drei Jahren hinzog        Teilnehmer zu identifizieren. Der VDI hat dabei
(2019 – 2022). Der Ansatz versteht Dialoge als         Vertreter aller Kreislaufstufen der Kunststoff-
„produktives Werkzeug“, um Lösungen für kom-           industrie sowie NGOs und wissenschaftliche
plexe Problemstellungen zu entwickeln, wie sie         Organisationen zusammengeführt. Seitens der
bei Transformationsvorhaben im Bereich der             Industrieteilnehmer wurden bevorzugt Vorreiter
Kreislaufwirtschaft vorliegen. Das Vorgehen            mit etablierter Marktrelevanz je Stufe ausge-
orientierte sich an agilen Methoden: es war            wählt. Sie verfügen über ausreichend Erfahrun-
einerseits geleitet von den übergeordneten             gen als Pionier und haben bereits funktionie-
Zielen. Zugleich boten die Dialoge Raum für            rende Geschäftsmodelle etabliert. Gleichzeitig
neue Erkenntnisse, die richtungsleitend für            wurden die Industrieteilnehmer als Vertreter
den weiteren Dialogprozess waren. Die Dialoge          ihrer Branche gesehen, ohne jedoch ein Ver-
waren ergebnisorientiert und explorativ ausge-         tretungsmandat zu haben. Zudem wurden aus
richtet. So wurden z. B. neue Erkenntnisse über        allen themenbezogenen Bundesministerien und
Barrieren der Kreislaufwirtschaft oder notwen-         dem Umweltbundesamt Gäste einbezogen.
dige Handlungsfelder gewonnen.

                                6   VDI । White Paper des VDI-Round Table
Das Vorgehen im Dialogprozess lässt sich grob in zwei Phasen einteilen:

Die erste Phase hat den „Problemraum“                    Die zweite Phase hat den Lösungsraum fokus-
fokussiert. Es ging zunächst darum, ein brei-            siert. Hierbei ging es darum, erste Lösungs-
tes Problemverständnis aufzubauen und den                ansätze zu durchdenken, die es ermöglichen
Dialog entsprechend in der Breite zu öffnen. In          die Transformation zur Kreislaufwirtschaft in
einem moderierten Dialog wurden über mehre-              der Kunststoffindustrie in der notwendigen
re Round Table-Sitzungen Problemstellungen               Geschwindigkeit umzusetzen. Ein Fokus lag
und Bedürfnisse der Teilnehmenden hinsicht-              aufgrund der Ergebnisse in Phase 1 auf not-
lich der Transformation zur Kreislaufwirtschaft          wendigen regulatorischen Anreizen. Auch hier
identifiziert, in der Gruppe geteilt und diskutiert.     wurde zunächst der Dialog in der Breite ge-
Ergebnis war ein gemeinsames Problemver-                 öffnet, um mögliche politische Lenkungsoptio-
ständnis in der Breite und auch ein gegensei-            nen zu identifizieren. Um die Diskussion über
tiges Verständnis für die Einzelinteressen bzw.          die jeweiligen Lenkungsoptionen objektiv und
Handlungslogiken der einzelnen Stufen. Darauf            faktenbasiert zu führen, wurde ein Kriterien-
aufbauend wurde ein Problemverständnis in                katalog entwickelt (vgl. Handlungsfeld 3). So
der Tiefe zu einzelnen Aspekten aufgebaut. In            wurden die verschiedenen Lenkungsoptionen
Gruppengesprächen wurden mit den jeweiligen              in Gruppendiskussionen kriterienbasiert bewer-
Kreislaufstufen deren Potenziale zur Kreislauf-          tet. Dieses Vorgehen war in der Retrospektive
schließung sowie die dabei auftretenden Hür-             hilfreich, um Themen sachlich zu diskutieren,
den vertiefend diskutiert. Ergebnisse wurden             zu denen es unterschiedliche Interessen je nach
verschriftlicht, in Schaubildern dokumentiert            Wertschöpfungsstufe und Rolle des Teilneh-
und mit allen Beteiligten geteilt. So konnte das         menden bzw. der Branche gibt. Neben dem
gegenseitige Verständnis der Teilnehmer weiter           regulatorischen Handlungsbedarf wurden in
vertieft und Wissensdefizite der einzelnen Stu-          dieser Phase weitere Handlungsempfehlungen
fen über Wertschöpfungsprozesse und Hand-                erarbeitet. Hierzu wurden die Arbeitsergebnisse
lungsmuster anderer Stufen aufgedeckt wer-               der jeweiligen Handlungsfelder verschriftlicht,
den. Am Ende dieser Phase herrschte Konsens              iterativ gemeinsam mit den Teilnehmenden ver-
zu vier zentralen Handlungsfeldern.                      feinert und Schlussfolgerungen bzw. Empfeh-
                                                         lungen im Dialog diskutiert (vgl. Kapitel Hand-
  Die vier zentralen Handlungsfelder:                    lungsempfehlungen).

  1. Die Kunststoffwirtschaft für
     den Kreislauf (re-)organisieren                    Das Ziel ist:
  2. Kreislaufschließung zur Aufgabe
     aller Beteiligten machen                           Handlungsempfehlungen
  3. Regulatorische Anreize für eine zir-
     kuläre Kunststoffwirtschaft schaffen
                                                        für Politik und Industrie
  4. Produkte für den Kreislauf konzipieren             zu formulieren.
Die vier Handlungsfelder und jeweiligen Ar-              Die Ergebnisse werden in diesem Paper kom-
beitsergebnisse des VDI-Round Table werden               primiert mit dem Ziel wiedergegeben, Hand-
in den folgenden Kapiteln weiter erläutert und           lungsempfehlungen für Politik und Industrie
je Handlungsfeld Schlussfolgerungen hinsicht-            zu formulieren. Der Fokus liegt auf der syste-
lich der Möglichkeiten oder Herausforderungen            mischen Transformation und muss dabei viele
einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft               wichtige Einzelaspekte einzelner Kreislaufstufen
gezogen.                                                 vernachlässigen.

                                   7 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Handlungsfeld 1
Die Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf (re-)organisieren

Die Kunststoffwirtschaft ist vorrangig noch in linearen (meist global
ausgerichteten) Wertschöpfungsketten organisiert. Energie, Arbeitskraft
und Geld werden investiert, um auf Basis von petrochemischen und damit
fossilen Rohstoffen Kunststoffprodukte herzustellen. Nach der Verwendung
des Produkts wird der entstandene Produktabfall entsorgt, meist ohne die
Roh- und Wertstoffe wiederzuverwerten und im Kreislauf zu führen.

Der Ansatz der zirkulären Wertschöpfung

Die zirkuläre Wertschöpfung dagegen folgt             Jahr 2050 den eingesetzten Kohlenstoff voll-
einem grundsätzlich anderen Ansatz: Die               ständig im Kreis zu führen und treibhausgas-
Wertschöpfung des Kunststoffs nimmt nicht             neutral zu sein (vgl. VCI 2020, S. 2).
linear zu, um dann als Abfall „abzubrechen“.
Sie ersetzt das End-of-Life-Konzept durch             Doch der Weg zur Kreislaufwirtschaft ist kom-
geschlossene Kreisläufe und vermeidet bezie-          plex: die Transformation der Wertschöpfungs-
hungsweise verwertet Abfälle, indem sie Res-          ketten, Stoffströme, Produktentwicklungspro-
sourcen, Materialien, Produkte, Systeme sowie         zesse und der Verwertung der Materialien greift
Geschäftsmodelle entsprechend ganzheitlich            tief in die heute etablierten Organisationsstruk-
gestaltet. Bei diesem Ansatz wird bereits bei         turen der Kunststoffwirtschaft ein. Es entste-
der Produktentstehung, die Wiederaufbereitung         hen neue Rollen, Aufgaben, Schnittstellen und
der Abfälle und Kreislaufführung mitgedacht           Herausforderungen, deren Bewältigung neue
(Design for Circularity). Ziel ist es, dass der       Formen der Zusammenarbeit benötigen. Damit
Kunststoff so im Kreislauf geführt wird, dass der     eine Transformation hin zu einer Kreislaufwirt-
Einsatz von fossilen Ressourcen reduziert wird.       schaft gelingt, sind die bestehenden (linearen)
Langfristig wird die vollständige Unabhängig-         Wertschöpfungsketten zu reorganisieren und
keit von fossilen Ressourcen bei der Kunststoff-      es ist ein Umdenken aller beteiligten Akteure
erzeugung angestrebt. Die deutsche chemische          notwendig.
Industrie hat sich das Ziel gesetzt, bis in das

Kreislaufschema

Der Round Table des VDI hat ein Kreislaufsche-        Das Schaubild „Kreislaufschema“ (vgl. Abb. 1
ma entwickelt, in dem die unterschiedlichen           auf der folgenden Seite) dient der Übersicht-
Rollen der Kreislaufbeteiligten veranschaulicht       lichkeit und Komplexitätsreduktion. Vor diesem
werden und deren Aufgaben und Verantwort-             Hintergrund werden Strukturen vereinfacht
lichkeiten im Kreislauf definiert und beschrieben     abgebildet. In der Praxis handelt es sich oft um
werden.                                               stark vernetzte, globale Liefernetzwerke über
                                                      und in allen Stufen.

Es wird die vollständige                              Die beteiligten Akteursgruppen sind daher
                                                      nicht immer trennscharf einer Kreislaufstufe
Unabhängigkeit von fossilen                           zuzuordnen. Es gibt vielfach Überschneidun-
Ressourcen bei der Kunst-                             gen oder Stufen werden integriert – beispiels-
                                                      weise sind Rohstoffhersteller häufig auch
stofferzeugung angestrebt.                            Kunststofferzeuger.

                                8   VDI । White Paper des VDI-Round Table
Das in Abb. 1 dargestellte Schema bildet acht                                                 Von den Verbraucherinnen und Verbrauchern
Stufen des Kunststoffkreislaufs ab. Diese sind                                                gelangt das Kunststoffprodukt als Abfall über die
jeweils den vier Segmenten Rohstoff, Produkt,                                                 Logistik und Entsorgung 7 zu den Verwertern/
Markt und Abfall zugeordnet:                                                                  Recyclern 8 , die den Kunststoffabfall so auf-
                                                                                              bereiten, dass er als Rezyklat (PCR: Post-Con-
Von der Rohstoffherstellenden Chemie 1 und                                                    sumer-Rezyklat, s. auch Glossar) wieder in den
den Kunststofferzeugern 2 gelangt die Kunst-                                                  Kreislauf eingespeist werden kann (vgl. Abb. 1).
stoffneuware zu den Verarbeitern, Kompo-
nenten- und Modulherstellern 3 hin zu den                                                     In diesem Papier liegt der Fokus auf PCR. Da
OEMs und Verwendern 4 , wo das Produkt                                                        dieses im Vergleich zum Post-Industrial-Rezyklat
hergestellt und über den Handel 5 auf den Markt                                               (PIR) noch wenig Anwendung in der industriellen
und schließlich zu den Verbraucherinnen und                                                   Fertigung findet, ist das Steigerungspotenzial
Verbrauchern 6 gebracht wird.                                                                 bei PCR am größten.

Kreislaufschema

                                                                                         1
              Verwerter/
              Recycler                                                                        Chemie
                    8                                                                                                                         2

                                                   L                      Rohs
                                                                              toffherstellung                               RO               Kunststofferzeuger
                                                 AL                                                                           H
                                                                                                                              ST
                             F
                           AB

                                                                                                                                OF
                                                                                                                                   F

  Logistik/                                                                       ung
                                                                               ieß
  Entsorger
                                                                              hl
                                                                   Kreislaufsc
                                             Entsorgung

                                                                                                           h li e ß u n g
                        Fi n an zi er un g

                                                                                   Informations-
                                                                                                                                  feignung

          7                                                                         und Logistik-                                                     3
                                                                                     strukturen
                                                                                                      fs c

                                                                                                                                                    Verarbeiter
                                                                                                                              islau
                                                                                                au

                                                                                                    i sl
                                                                                             Kre                                                    Komponenten-
                               der

                                                                                                                             Kre

                                                                                                                                                    und Modulhersteller
                                      En
                                             ts o

                                                          un
                                                 rg

                                                                                                                                  KT

                                                               g
                            MA

                                             RK
                                                                                                                             DU

                                                    T                                                                             O
                                                                                                                             PR

                    6                                                                                                                         4
              Verbraucher                                                                                                                    OEM/Verwender
              *innen                                                                     5

                                                                       Handel

  © VDI

                                                                                                                                                               Abbildung 1

                                                          9 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Kernaufgaben der am Kreislauf beteiligten Akteure

         1   Chemische Industrie
             Bereitstellung von Basischemikalien und Monomeren

         2   Kunststofferzeuger
             Hersteller der Kunststoffneuware (Granulat, Harz, Vorprodukte für Polyurethan etc.)

         3   Verarbeiter/Komponenten- und Modulhersteller
             Weiterverarbeitung der Kunststoff-Granulate zu Komponenten und Verpackungen
             (z. B. Folien, Behälter), die an Systemlieferanten bzw. direkt zum OEM/Verwender
             geliefert werden.

         4   OEM/Verwender
             Produktentwicklung, -herstellung und -vermarktung

         5   Handel
             Bereitstellung der Ware zum Verkauf. Der Handel kann je nach Branche eine
             unterschiedliche Funktion einnehmen und auch unterschiedliche Relevanz haben.
             So hat bspw. der Lebensmittel-Einzelhandel einen relativ hohen Einfluss auf die
             Hersteller von Packmitteln für Lebensmittel

         6   Verbraucher*innen
             Entscheider, Käufer und Nutzer der Ware

         7   Logistik/Entsorger
             Sammlung, Transport und Sortierung der Kunststoffabfälle

         8   Verwerter (auch Kunststoffrecycler)
             Verwertung und Aufbereitung des Kunststoffabfalls zum Rezyklat
             mithilfe von Sortieranlagen und Recyclingverfahren

                                                                                         Abbildung 2

                            10   VDI । White Paper des VDI-Round Table
Unabhängig von den Akteuren sind folgende                 Bei der Entsorgung gibt es Überschneidun-
Aktivitäten als Schlüssel für eine zirkuläre Kreis-       gen zwischen den Segmenten Markt und
laufwirtschaft zu betrachten: Die Herstellung             Abfall: So ist die Qualität der Kunststoffab-
von Rezyklaten, die Sicherstellung der Kreis-             fälle teilweise auch von der Sortierkenntnis
laufeignung, Entsorgung und Kreislaufschlie-              und dem Sortierwillen des Verbrauchers ab-
ßung. Die Schnittstellen der Akteure im Zusam-            hängig. Nicht alle Verpackungen und Abfälle
menwirken bei diesen Schlüsselaktivitäten sind            lassen sich durch die Verbraucherinnen und
vielfältig:                                               Verbraucher trennen. Jedoch ist auch nicht
                                                          gewährleistet, dass gut trennbare Produkte
  Für die Kreislaufeignung sind vor allem                 tatsächlich von den Verbraucherinnen und
  die Segmente Rohstoff, Produkt und Markt                Verbrauchern korrekt getrennt werden. Mit
  relevant: Kunststoffe lassen sich vor allem             Blick auf die Finanzierung, Vermarktung und
  wegen ihrer vielfältigen Kombination und                Kommunikation spielt der Handel eine eben-
  mangelnden Trennbarkeit nur dann im Kreis-              so wichtige Rolle für die Entsorgung sowie
  lauf führen, wenn die Produkte so konzipiert,           denjenigen, die die benötigten Roh- und
  gestaltet und hergestellt werden, dass sie              Werkstoffe zur Verfügung stellen oder auf-
  rezyklierbar sind. Obwohl die Produktent-               bereiten.
  wicklung und -gestaltung bei den Herstellern
  (OEM/Verwender) liegen, hat bereits die                 Als gemeinsame Kontaktstelle von der Roh-
  Rohstoffauswahl Einfluss auf die Kreislauf-             stoffherstellung bis hin zur Rückführung
  eignung. Um die Kreislaufeignung sicher-                des Produkts spielen akteursübergreifende
  zustellen, bedarf es deshalb einer engen                Informations- und Logistikstrukturen eine
  Abstimmung zwischen den Akteuren, die                   entscheidende Rolle. Häufig fehlt der Zugriff
  das Produkt herstellen und auf den Markt                auf notwendige Daten, z. B. über Werkstoffe,
  bringen, sowie denjenigen, die die benötigten           Konstruktion, Produktspezifika etc.
  Roh- und Werkstoffe zur Verfügung stellen
  oder aufbereiten.                                    Aus den aufgezeigten Schnittstellen resultiert
                                                       ein erhöhter Abstimmungs- und Informations-
  Die Kreislaufschließung betrifft alle vier           bedarf zwischen allen Kreislaufbeteiligten.
  Segmente. Insbesondere bei den Segmenten             Bislang stehen die Akteure in der Regel nur im
  Abfall, Rohstoff und Produkt gibt es Überlap-        direkten (wirtschaftlichen) Austausch mit der
  pungen: Wenn der Verwerter Kunststoffab-             vor- und nachgelagerten Stufe.
  fälle zu Rezyklaten aufbereitet, wird er selbst
  zum Rohstofflieferanten für die Verarbeiter,         Die Folge ist eine Fülle von Schwachstellen
  Komponenten- und Modulhersteller. Verwer-            und Kreislauflücken. So kennen bspw. Ver-
  ter werden vor diesem Hintergrund zu einem           werter häufig nicht die Zusammensetzung des
  wichtigen Partner im Innovationssystem,              Werkstoffs eines Kunststoffbauteils, obwohl
  wenn es bspw. um Material- und Produktin-            das für die Möglichkeiten der Verwertung
  novationen geht.                                     entscheidend ist. Einerseits gilt es, wo mög-
                                                       lich, durch Standardisierung und Reduktion der
                                                       Materialvielfalt diese Problematik strukturell
                                                       anzugehen. Zudem müssten aber auch neben
                                                       Material, Daten – z. B. in Form eines digitalen
                                                       Zwillings oder von dem von der EU-Kommis-
                                                       sion vorgeschlagenen digitalen Produktpass –
                                                       geliefert werden, um diese Lücke zu schließen.
                                                       Material- und Produktdaten sind oft Träger von
                                                       Firmen-Know-how und müssen entsprechend
                                                       sensibel behandelt werden. Verfahren dazu
                                                       müssen weiter- oder neuentwickelt und etab-
                                                       liert werden.

                                 11 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Herausforderungen
Zirkuläres Wirtschaften erfordert eine ganz-           sich auf der operativen Ebene aber noch keine
heitliche und systemische Betrachtungsweise,           kreislaufübergreifenden Kooperations- und Or-
die sich nicht nur auf die Produkt- oder Pro-          ganisationsstrukturen etabliert. Einige Produkt-
duktionsseite bezieht. Der Kunststoffkreislauf         bereiche sind in der Umsetzung der zirkulären
beginnt in dieser Gesamtperspektive bereits            Wertschöpfung schon weiter fortgeschritten.
in der Grundstoffproduktion und damit in der           So sind produktspezifische Kreisläufe und
chemischen Produktion und Kunststofferzeu-             Sonderlösungen mit eigenen Pfandsystemen
gung und nicht erst beim OEM bzw. Verwender            entstanden (z. B. PVC-Fensterprofile oder
(siehe Kreislaufschema).                               PET-Flaschen). Diese für sich genommen ziel-
                                                       führenden Lösungen gilt es bei der Transfor-
Die mit dieser veränderten Perspektive ein-            mation der gesamten Kunststoffwirtschaft zu
hergehenden Aufgaben, Informationsbedarfe              integrieren. Berücksichtigt werden muss auch,
und neuen Schnittstellen machen neben der              dass sich einige Akteure bereits auf den Weg
Schaffung eines gemeinsamen Bewusstseins               gemacht haben und neue Geschäftsmodelle
für Zirkularität auch eine (Re-)Organisation der       entwickeln. So sind einige Handelsunterneh-
Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf notwen-         men bereits im Recycling- und Entsorgungs-
dig. Zwar gibt es zahlreiche NGOs und Initiati-        geschäft tätig und integrieren damit selbst
ven, die die zirkuläre Wertschöpfung über alle         mehrere Kreislaufsegmente.
Kreislaufstufen hinweg vorantreiben, es haben

         Der Kunststoffkreislauf beginnt in dieser
   Gesamtperspektive bereits in der Grundstoffproduktion
  und damit in der chemischen Produktion und Kunststoff-
    erzeugung und nicht erst beim OEM bzw. Verwender.

Bezogen auf die akteursübergreifende Infor-            Häufig wird der Abfallexport als kostengünsti-
mations- und Datenübertragung sind noch                ge Entsorgungsoption gesehen - de facto wird
Hürden zu überwinden. Optimierungsbedarf               hierdurch aber die Kreislaufwirtschaft behindert.
liegt bspw. in der Automatisierung auslesbarer
Informationen. Bislang sind vor allem Produkt-
hersteller mit der Weitergabe ihrer Produkt-
informationen wegen des Know-how-Schutzes
verhalten. Es fehlen Standards und Regelungen,
welche Informationen an welchen Akteur wei-
tergegeben und wie Informationen nach der
Nutzungsphase für das Recycling bereitgestellt
werden sollten.

Hinzu kommt eine komplexe Entsorgungsland-
schaft mit öffentlichen und privaten Akteuren,
deren historisch gewachsenen oder politisch
gewollten Geschäftsmodelle die Organisation
eines Kunststoffkreislaufs erschweren. Unbe-
dingt zu vermeiden ist der Export von Abfall.

                                12   VDI । White Paper des VDI-Round Table
Schlussfolgerungen
Um die Kunststoffwirtschaft auf die zirkuläre         auf die eigenen Elemente der Wertschöpfung
Wertschöpfung auszurichten, benötigen alle            zu fokussieren, werden Rohstoffproduzenten,
Kreislaufbeteiligten ein gemeinsames Bewusst-         Produktdesigner, der Handel, Konsumenten
sein und Rollenverständnis für Zirkularität.          und abfallwirtschaftliche Akteure gemeinsam
Rollen und Aufgaben werden sich im Zuge der           an optimierten Lösungen arbeiten. Das erfor-
Etablierung einer Circular Economy verändern          dert ein intelligent organisiertes Miteinander,
und Kooperation wird eine noch größere Be-            auch mittels digitaler Unterstützung.
deutung einnehmen. Statt sich ausschließlich

Klares Bekenntnis als gemeinsamer Beitrag aller Akteure

Ihren Beitrag zu einer auf den Kreislauf aus-         men wiederfinden, aber eben auch in der Zu-
gerichteten Kunststoffwirtschaft können alle          sammenarbeit sowie im Kommunikations- und
Akteure zunächst einmal leisten, indem sie sich       Informationsfluss zwischen den verschiedenen
offen zur Idee der zirkulären Wertschöpfung           Akteuren. Neue Projekte und Investitionen sollten
bekennen. Dieses Bekenntnis muss sich an-             immer auch im Hinblick auf eine zukünftige Kreis-
schließend in der strategischen Entwicklung           laufwirtschaft und die Einhaltung der Pariser
und in Investitionen der einzelnen Unterneh-          Klimaziele geprüft werden.

          Um die Kunststoffwirtschaft auf die zirkuläre
          Wertschöpfung auszurichten, benötigen alle
       Kreislaufbeteiligten ein gemeinsames Bewusstsein
              und Rollenverständnis für Zirkularität.

Komplexität der Organisationsstrukturen und Akteursbeziehungen als Hürde

Eine große Hürde bei der (Re-)Organisation            zwischen den Akteuren aufkommen und Kreis-
der Kunststoffwirtschaft für den Kreislauf stellt     lauflücken entstehen oder nicht geschlossen
zweifellos die Komplexität und Vielfalt der Orga-     werden. Da die Kooperation aber essenziell für
nisationsstrukturen und Akteursbeziehungen            die Umsetzung einer zirkulären Wirtschaft ist,
dar. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund unter-      müssen diese Interessenskonflikte überwunden
schiedlicher Interessenslagen Zielkonflikte           werden.

                                13 VDI । White Paper des VDI-Round Table
Handlungsfeld 2
Kreislaufschließung zur Aufgabe aller Beteiligten machen

Die Transformation von der linearen zur zirkulären Wertschöpfung
erfordert neben einem gemeinsamen Verständnis aller Beteiligten auch
einen ganzheitlichen, systemischen Ansatz, der das Schließen des Kreis-
laufs zur Aufgabe aller beteiligten Akteure macht. Denn obwohl Aktivitäten
und Maßnahmen einzelner Kreislaufpartner einen Beitrag leisten können
und müssen, wird der Kunststoffkreislauf nur erfolgreich funktionieren,
wenn das Gesamtsystem darauf ausgerichtet ist.

Das Schließen des Kreislaufs neu denken

Mit der zirkulären Wertschöpfung wird Ressour-         Im notwendig großen Maßstab wird dies nur
ceneffizienz zu einem noch bedeutsameren               möglich sein, wenn die Kunststoffabfallverwer-
wirtschaftlichen Prinzip. Durch die Kreislauf-         tung als fester Partner im Kreislauf verstanden
schließung wird Abfall zu einem Rohstoff, dem          wird und entsprechende Mengen an Kunststoff-
ein Wert zukommt. Diesen Wert müssen alle              abfällen zu Rezyklaten verwertet werden. Dass
am Kreislauf beteiligten Akteure anerkennen,           hier aktuell noch Kreislauflücken existieren, zeigt
damit sich Angebot und Nachfrage für einen             der geringe Anteil der Kunststoffrezyklate an
Rezyklatemarkt entwickeln können.                      der insgesamt verarbeiteten Kunststoffmenge:
                                                       Dieser betrug in Deutschland im Jahr 2021 nur
Ein wichtiger Baustein für die Rohstoffwende,          12 %; der Anteil von Rezyklat aus Post-Consu-
wie sie im Zuge der Circular Economy ange-             mer-Abfällen liegt bei nur ca. 9 % (vgl. Conversio
strebt wird, ist die Substitution von erdölba-         2022, S. 13 f.).
sierter Kunststoffneuware durch Rezyklate.

Potenziale und Herausforderungen
der Kreislaufschließung je Stufe

Im Folgenden werden die Potenziale und                 Die Diskussion dieser Grenzen wird zeigen,
Herausforderungen der Kreislaufschließung              dass alle Kreislaufpartner zusammen – auch
aus der Perspektive der Akteure jeder der acht         bei Bewusstsein für die Notwendigkeit und
Stufen dargestellt und analysiert. Wie auch im         die technischen Möglichkeiten zirkulärer Wert-
Round Table-Dialogprozess des VDI erfolgt              schöpfung des Kunststoffs – das Gesamtsystem
die Diskussion entlang des Kreislaufs für jede         nur begrenzt verändern können. Deshalb wer-
einzelne Kreislaufstufe im Detail. Erst das Ver-       den im Handlungsfeld 3 regulative Instrumente
ständnis der Handlungslogik jeder einzelnen            vorgestellt und diskutiert, die die Potenziale
Stufe und ihrer Akteure ermöglichen es, an-            aller acht Kreislaufstufen besser ausschöpfen
schließend die Potenziale für die Optimierung          und ihre Grenzen überwinden helfen sollen.
des gesamten Kreislaufs klarer herauszuarbei-
ten, aber auch die Grenzen darzustellen.

                                14   VDI । White Paper des VDI-Round Table
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