Als die Hünerwadels die Stadt unter Druck setzten - Museum Burghalde

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Als die Hünerwadels die Stadt unter Druck setzten - Museum Burghalde
Als die Hünerwadels die Stadt unter Druck setzten - Lenzburg -...   https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/lenzburg/als-die-huene...

               LENZBURG

               Als die Hünerwadels die Stadt
               unter Druck setzten
               von Janine Gloor - Aargauer Zeitung • Zuletzt aktualisiert am 28.10.2019 um 12:44 Uhr

               Projektassistentin Martina Badertscher ist Expertin und Bewunderin
               der Indienne-Stoffe im Museum Burghalde. Bild: Alex Spichale
               © Alex Spichale

               Die bedeutende Dynastie hat Lenzburg geprägt wie
               kaum eine andere Familie. Heute wohnen in der Stadt
               keine Hünerwadels mehr.

               Der Name ist lustig und aufgrund der Umzugspläne der
               Stadtverwaltung wieder in aller Munde: Hünerwadel. Weil die
               KV-Schule schliesst, soll die Stadtverwaltung 2021 in das

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               Hünerwadelhaus am Freischarenplatz ziehen. Das breite Haus
               mit der grossen Uhr wurde 1759/60 als Handelshaus erbaut. Es
               ist nicht das einzige Gebäude, mit dem sich die einflussreiche
               Familie im Bauinventar der Stadt verewigt hat: An der
               Schützenmattstrasse steht die Villa Hünerwadel. Das
               Müllerhaus am Bleicherain wurde ebenfalls von der Familie
               Hünerwadel gebaut.

               Und nicht nur repräsentative Prachtbauten haben die
               Hünerwadels Lenzburg hinterlassen, sondern auch
               Handwerkbetriebe wie der Komplex um die Bleiche am
               Aabach. Irgendwoher musste das viele Geld ja kommen. Der
               erste Hünerwadel kam Anfang des 17. Jahrhunderts aus
               Schaffhausen nach Lenzburg. Die nächsten 250 Jahre sollten
               seine Nachfahren die Stadt prägen. «Die Hünerwadels waren
               Ratsherren, Schultheissen, Stadtschreiber oder Pfarrer in
               Lenzburg», schreibt Kurt Badertscher in seinem Beitrag in den
               Lenzburger Neujahrsblättern 2020.

               1685 erhielt Hans Martin Hünerwadel-Hauri vom
               Kommerzienrat der Berner Herrschaft die Konzession für eine
               Bleicherei am Aabach. Das war, wie Kurt Badertscher schreibt,
               die erste Unternehmung der Familie Hünerwadel in Lenzburg.
               Es war der Anfang eines Textilimperiums, das die
               Hünerwadels steinreich machte und 70 Leute beschäftigte.
               Damit war die Industriellenfamilie voll im Trend. «Die
               Entstehung von Manufakturen wurde von der Berner Obrigkeit
               mit Handelsprivilegien und Darlehen gefördert», sagt Martina
               Badertscher, Projektassistentin im Museum Burghalde.

               Es entstanden zwei Linien der Familie, eine Bleiche- und eine
               Walkelinie. Eine geschickte Heiratspolitik sorgte dafür, dass
               Macht und Manufakturen in der Familie blieben. Wenn gerade
               kein männlicher Erbe zugegen war, durften auch Frauen die
               Führung übernehmen. In den Betrieben der Hünerwadels

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               wurden Tücher gebleicht und gefärbt. Die Bleicherei am
               Aabach wurde bald um Wohnhäuser, Stallungen und einen
               Hänkiturm (zum Aufhängen der Stoffbahnen) ergänzt. Auf der
               Bleichematte – der Flurname lebt im Strassennamen weiter –
               wurden die bis zu 36 Meter langen Stoffbahnen zum Bleichen
               ausgelegt. «Die Sonneneinstrahlung, der Sauerstoff und der
               chemische Prozess der Fotosynthese der Pflanzen sorgten
               dafür, dass die Tuche aufgehellt wurden. Das war ein Prozess,
               der sich über mehrere Wochen hinzog, sagt Martina
               Badertscher.

               Das Edeltuch vom Lenzburger Aabach

               1732 erhielt Markus Hünerwadel-Spengler die Konzession für
               eine Indienne-Manufaktur. Mit einem Holzmodel wurden
               filigrane Muster auf die Baumwollstoffe gedruckt. Die nach
               indischem Vorbild bedruckten Stoffe waren äusserst
               aufwendig in der Herstellung und so teuer, dass sie sich in der
               Schweiz kaum jemand leisten konnte. «Die Indienne-Stoffe
               waren für den Export ins Ausland bestimmt», sagt Martina
               Badertscher. Der Handel und die Veredelung der
               Baumwolltuche seien sehr erfolgbringend gewesen. 1773
               wurden in Lenzburg mehr als 8400 gebleichte und 6700
               bedruckte Baumwolltuche produziert, hält Kurt Badertscher
               fest.

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               Kleid aus Indienne-Stoff. ZVG
               © zvg

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               Die dunkle Seite der Tuchindustrie

               Die Bauten der Hünerwadels in Lenzburg sind Zeugen ihres
               Reichtums. In den Stuben der Heimarbeiter, auf deren Beitrag
               das System angewiesen war, sah es anders aus. Oft waren es
               verarmte Bauernfamilien, die sich mit dem Spinnen oder
               Weben von Garn etwas dazuverdienen konnten. Die
               Baumwolle oder das Garn blieb dabei stets im Besitz der
               Baumwollverleger. Und auch für die Arbeiterinnen und
               Arbeiter in den Fabriken war das Leben hart. Ständig waren
               sie Hitze und Dampf ausgesetzt, in der Färberei kamen die
               Dämpfe von Farbstoffen dazu. Kurt Badertscher beschreibt,
               wie 1830 eine Fabrikschule für die zirka 20 Kinderarbeiter
               eingerichtet wurde. Auf zwölf Arbeitsstunden gab es eine
               Stunde Unterricht. Und eine weitere dunkle Seite: Die Tücher,
               für die in Lenzburg geschuftet wurde, waren in Westafrika ein
               Handelsgut gegen Sklaven.

               Der Niedergang der Hünerwadels

               Noch 1857 erhielt die Firma Söhne von Gottlieb Hünerwadel
               eine Konzession für die obere Bleiche auf dem Gebiet der
               heutigen Messer Schweiz AG. Doch die zweite Bleiche kam zu
               spät, die Textilindustrie war in der Schweiz kurz vor der
               Jahrhundertwende in einer grossen Krise. 1899 wurde die
               Betreiberfirma der oberen Bleiche liquidiert. 1920 war Emil
               Hünerwadel als Letzter seiner Dynastie als
               Konzessionsinhaber einer Färberei verzeichnet, wie
               Badertscher festhält.

               Heute wohnen in Lenzburg keine Hünerwadels mehr. Aber
               ihre Häuser stehen noch. Und vielleicht dreht sich bald auch
               das Wasserrad in der Bleiche am Aabach wieder.

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                                     AUTORIN

                                     Janine Gloor
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