Hüftchirurgie - österreichische Gesellschaft für Unfallchirurgie
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EUR 9,– Jahrgang 22/2017 Österreichische Post AG, MZ 09Z038204M, Retouren an PF555, 1008 Wien ISSN 1997-8308, Universimed CMC GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 6–8, 1150 Wien Offizielles Medium der ÖGO, ÖGU und ÖGOuT 5 / 2017 Orthopädie & Traumatologie www.universimed.com Rheumatologie © iStockphoto.com/sportpoint Schwerpunkt | ab Seite 14 Hüftchirurgie
Editorial Christine Lindengrün ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE Liebe Leserinnen, liebe Leser! Die operative Versorgung der Hüfte steht im Fokus dieser In etwas greifbarerer Nähe ist ein Arthrose-Scanner, der Ausgabe. Es erwarten Sie orthopädische Beiträge über im Rahmen des EU-Projekts MIRACLE entwickelt wird. Ein Beckenosteotomien, Luxation, spezielle Fragestellungen der Infrarotsensor soll degenerative Knorpelveränderungen Endoprothetik und Navigation. Die Artikel der Experten auf bereits auf molekularer Ebene entdecken, bevor Arthrose dem Gebiet der Unfallchirurgie beleuchten verschiedenste entsteht. Die Forscher hoffen, schon in drei Jahren einen Aspekte in der Behandlung von Schenkelhalsfrakturen, marktreifen Prototyp liefern zu können, der im Rahmen von inklusive Blutverlust und Gerinnungsmanagement. An dieser Arthroskopien eingesetzt werden kann (www.uni-ulm.de). Stelle herzlichen Dank an Prim. Klemens Trieb und Prof. Stefan Hajdu für die Auswahl der Themen und Autoren, die Laufend neue Therapieoptionen gibt es auch in der Ihnen den aktuellen Wissensstand in der Hüftchirurgie prä- Rheumatologie, wie die Berichte von nationalen und interna- sentieren. tionalen Kongressen sowie Expertenbeiträge in dieser Aus- gabe zeigen. Erfahren Sie mehr über biologische DMARDs, Die Forschung arbeitet indes an weiteren Verbesserungen. Januskinaseinhibitoren, Arthritisbehandlung und Lupus Die Fraunhofer-Institute FEP und IWI haben zum Beispiel diagnostik im Rheumatologie-Teil ab Seite 69. den Prototyp eines visionären Hüftschafts mit einigen revo- lutionären Eigenschaften entwickelt. Er hat eine veredelte Oberfläche mit Barrierebeschichtung, die den Austritt von Eine anregende und informative Lektüre wünscht Ihnen Ionen verhindert und das Zellwachstum auf der Oberfläche gezielt steuert. Außerdem hat dieser „Schaft der Zukunft“ ein Formgedächtnis: Er enthält Komponenten, die auf berüh- rungslose Ansteuerung reagieren. Die Form des Implantats kann also durch Stimuli von außen verändert werden, ohne Mag. Christine Lindengrün dass dazu ein operativer Eingriff nötig wäre. Nähere Infor- Chefredaktion mationen zu diesen und anderen futuristischen Technologien christine.lindengruen@universimed.com finden Sie unter http://s.fhg.de/ahW. Wissenschaftliche Beiräte D. Aletaha, Wien; W. Anderl, Wien; C. Bach, Leverkusen; N. Böhler, Linz; P. Bösch, Wr. Neustadt; H. Boszotta, Eisenstadt; M. Breitenseher, Horn; W. Brodner, Krems; E. Cauza, Wien; K. Dann, Wien; M. Dominkus, Wien; U. Dorn, Salzburg; R. Dorotka, Wien; A. Engel, Wien; L. Erlacher, Wien; R. Eyb, Wien; C. Fialka, Wien; M. Friedrich, Wien; R. Ganger, Wien; A. Giurea, Wien; R. Graf, Stolzalpe; W. Graninger, Graz; W. Grechenig, Graz; F. Grill, Wien; J. Grisar, Wien; G. Grohs, Wien; G. Gruber, Graz; K. Gstaltner, Wien; J. Hochreiter, Linz; S. Hofmann, Stolzalpe; H. Imhof, Wien; S. Junk-Jantsch, Wien; F. Kainberger, Wien; R. Kdolsky, Wien; K. Knahr, Wien; R. Kotz, Wien; P. Krepler, Wien; M. Krismer, Innsbruck; W. Lack, Wien; B. Leeb, Stockerau; K. Machold, Wien; R. Maier, Baden; S. Marlovits; Wien; M. Mousavi, Wien; T. Muellner, Wien; S. Nehrer, Krems; T. Neubauer, Horn; M. Nicolakis, Wien; M. Nogler, Innsbruck; M. Ogon, Wien; A. Pachucki, Amstetten; G. Pflüger, Wien; R. Puchner, Wels; F. Rainer, Graz; H. Resch, Salzburg; P. Ritschl, Wien; K. Schatz, Wien; G. Schippinger, Graz; M. Schirmer, Innsbruck; W. Schneider, Wien; H. Seitz, Judenburg; F. Singer, Laab i. W.; H. Tilscher, Wien; K. Trieb, Wels; H.-J. Trnka, Wien; C. Tschauner, Stolzalpe; A. Ulreich, Gröbming; V. Vécsei, Wien; A. Wanivenhaus, Wien; R. Windhager, Wien; C. Wurnig, Wien; P. Zenz, Wien; J. Zwerina, Wien Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 3
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Inhalt ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE ÖGOuT 8 Das neue Sonderfach 28 Erfahrungsbericht „Orthopädie und Traumatologie“ Versorgung pertrochantärer B. Stöckl, Klagenfurt Femurfrakturen mit dem TFNA C. Fialka, Wien A. Wels, St. Pölten 32 Kopferhaltende Versorgung von GOTS-NACHRICHTEN Schenkelhalsfrakturen 11 Gehirnerschütterung im Fußball Verschraubung versus dynamische Hüftschraube H. K. Widhalm, Wien HÜFTE 36 Plattenosteosynthese bei periprothetischen 14 Hüft-TEP oder doch Frakturen nach Hüftgelenksersatz noch Rekonstruktion? T. Fingernagel, Wels-Grieskirchen 38 Langzeitergebnisse nach osteosynthetischer D. Ullmann, Wels-Grieskirchen Versorgung der Oberschenkelhalsfraktur bei 16 Stellenwert des Dual-Mobility-Systems nicht-geriatrischen Patienten T. Haider, Wien in der Hüfttotalendoprothetik J. Hofstätter, Wien 41 Komplikationen nach intramedullärer S. Hofstätter, Wels-Grieskirchen Versorgung per- und subtrochantärer 19 Hüftarthroplastik Frakturen Rekonstruktion der individuellen Anatomie C. Hirschfeld, Wien 20 Knochenmetastasen im proximalen Femur: 44 Einfluss der intraoperativen Lagerung Nagel oder Endoprothese? auf den Blutverlust bei Hüftgelenksersatz M. Bergovec, Graz nach Schenkelhalsfrakturen T. Haider, Wien 22 Endoprothetische Versorgung der sekundären Dysplasiecoxarthrose 46 Patienten unter gerinnungshemmender Therapie bei kongenitaler Hüftluxation Gerinnungsmanagement bei J. Hofstätter, Wien operativer Versorgung hüftnaher M. Dominkus, Wien Oberschenkelfrakturen M. Humenberger, Wien 25 Stellenwert der Navigation der Hüfte: Review der aktuellen Evidenz und Ausblick 50 Prothetischer Ersatz bei Schenkelhals- R. Lass, Wien frakturen älterer Patienten F. J. Seibert, Graz Impressum Herausgeber: Universimed Cross Media Content GmbH, Markgraf-Rüdiger-Straße 6–8, 1150 Wien. E-Mail: office@universimed.com. Tel.: +43/1/876 79 56. Fax: +43/1/876 79 56-20. Geschäftsführung: Dr. med. Bartosz Chłap, MBA. Chefredaktion: Mag. Christine Lindengrün. E-Mail: christine.lindengruen@universimed.com. Projektleitung: Christian Gallei. E-Mail: christian.gallei@universimed.com. Lektorat: DI Gerlinde Hinterhölzl, Dr. Patrizia Maurer, Mag. Sabine Wawerda, Mag. Josef Weilguni. Grafik: Amir Taheri. Produktion & Druck: AV + Asto- ria Druckzentrum GmbH, 1032 Wien. Artikel mit grauer Hinterlegung sind im Sinne des Österreichischen Mediengesetzes §26 als Werbung, Promotion oder entgeltliche Einschaltung zu verstehen. Gerichtsstand: Wien. Offenlegung: Herausgeber: Universimed Cross Media Content GmbH (100%ige Tochter der Universimed Holding GmbH). Eigentümer und Medieninha- ber: Universimed Holding GmbH Bezugsbedingungen Abonnement: Bestellung bei Universimed oder unter www.universimed.com. Jahresabo EUR 45,–, Einzelheft EUR 9,– inkl. MwSt. und Versand innerhalb von Österreich; im Ausland zzgl. Versandspesen. ISSN 1997-8308. Das Medium JATROS Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie ist für den persönlichen Nutzen des Lesers konzipiert und beinhaltet Informationen aus den Bereichen Expertenmeinung, wissenschaftliche Studien und Kongresse. Namentlich gekennzeichnete Artikel und sonstige Beiträge sind die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung des Verfassers und müssen daher nicht mit der Meinung der Redaktion und des Herausgebers übereinstimmen. Mit der Übergabe von Manuskripten und Bildern gehen sämtliche Nutzungsrechte in Print und Inter- net an Universimed über. Copyright: Alle Rechte liegen bei Universimed. Nachdruck oder Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Die wiedergegebene Meinung deckt sich nicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebers, sondern dient der Information des Lesers. Die am Ende jedes Artikels vorhandene Zahlenkombination (z.B.: n0918) stellt eine interne Kodierung dar. Geschlechterbe- zeichnung: Um die Lesbarkeit der Informationen zu erleichtern, wird bei Personenbezeichnungen in der Regel die männliche Form verwendet. Es sind jedoch jeweils männliche und weibliche Personen gemeint. Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 5
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Inhalt ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE RHEUMATOLOGIE 74 Routinediagnostik und spezifische ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE Kontraindikationen bei der Therapie 55 EFORT 2017 mit biologischen DMARDs Endoprothetik, Sport und zivile Kriegsmedizin C. Iking-Konert, Hamburg 58 Postoperatives Schmerzmanagement 77 Therapie der mittelschweren bis schweren Wege aus der traditionellen Untertherapie rheumatoiden Arthritis Oraler JAK-Inhibitor Olumiant® (Baricitinib) 60 Teamarbeit: rascher fit nach erweitert die Behandlungsmöglichkeiten Kniegelenksersatz 82 EULAR-Spotlights 62 33. Jahrestagung der CSRS-ES A. Studnicka-Benke, Salzburg Internationale Halswirbelsäulengesellschaft tagte in Salzburg 84 Behandlung der Osteoarthritis 64 Tumoren, die zu Knochenverlust führen Chondroitinsulfat bessert Symptome und verlangsamt die Progression ARBEITSKREIS HANDORTHOPÄDIE 86 Psoriasisarthritis – interdisziplinäre 66 Spätinfekt nach PIP-Prothese: Zusammenarbeit gefragt ein Fallbericht L. Erlacher, Wien U. Schwarzinger, Wien 89 41. Badener Rheumatologischer RHEUMATOLOGIE Fortbildungstag und 8. Burgenländischer Rheumatag 69 Erfolgreiche 36. Rheumatologische Fortbildungstagung in Saalfelden 92 Interview Diagnose des systemischen Lupus erythematodes 70 Aktueller Stand der Therapie „Dran denken und den Überblick behalten“ der rheumatoiden Arthritis mit M. Aringer, Dresden biologischen DMARDs K. Krüger, München Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 7
ÖGOuT ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE B. Stöckl, Klagenfurt Das neue Sonderfach „Orthopädie und Traumatologie“ Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Freunde der österreichischen Orthopädie und Traumatologie! Das neue Sonderfach „Orthopädie und Traumatologie“ Ebenso klar wurde vom Ministerium ausgesprochen, wurde von den beiden Fachgesellschaften für „Unfallchirur- dass das neue Sonderfach keine Fusion oder Zusammenle- gie“ und „Orthopädie und orthopädische Chirurgie“ entwi- gung der bisherigen Fächer sei, sondern ein neuer Facharzt ckelt, um eine zukunftsorientierte, verbesserte Ausbildungs- für Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungssystems qualität zu sichern, die auch aktuelle Entwicklungen in das Ziel ist. Europa berücksichtigt. Nach zahlreichen Arbeitsgesprächen und Diskussionen Unbestritten gibt es einen starken Zusammenhang zwi- wurden in einem weiteren Gespräch am 4. Juli 2013 im schen Ausbildung und Versorgung und damit zwischen Aus- Ministerium in groben Zügen die Inhalte und der Name des bildungs- und Versorgungsqualität. Ausbildungsqualität neuen Sonderfaches festgelegt. hängt im Wesentlichen von den Ausbildungsinhalten ab, ver- Bereits am 12. Dezember 2013 konnten die damaligen langt aber nach geeigneten Ausbildungsstätten mit bestquali- Präsidenten der ÖGU und der ÖGO – Pachucki und Zenz – fiziertem Ausbildungspersonal, einer entsprechenden Ausbil- bei einem Gespräch im Ministerium der Ausbildungskommis- dungsorganisation und Ausbildungscontrolling. sion einen ersten Entwurf eines Rasterzeugnisses vorlegen, Die Entstehung des neuen Sonderfaches begann am der folgendes Kern-Curriculum vorsah (siehe Abb. 1). Dieses 17. April 2013 mit dem Auftrag des Bundesministeriums für entspricht der Grundausbildung des Sonderfaches „Orthopä- Gesundheit an die beiden Fachgesellschaften, ein Curricu- die und Traumatologie“. Zusätzlich zur 36 Monate dauernden lum für eine orthopädisch-traumatologische Ausbildung zu Grundausbildung wurden 7 Module erarbeitet, die eine ver- entwickeln. Von Anfang an galt ebenfalls als Zielsetzung, tiefende Schwerpunktausbildung sicherstellen sollen. Dabei • durch kompetente Fachärzte im klinischen Bereich, wurde ein Modul für wissenschaftliches Arbeiten vorgese- • durch kompetente Fachärzte im niedergelassenen Bereich und hen. 2 Module haben traumotologische Inhalte, 2 Module • durch kompetente Fachärzte im Bereich der Prävention haben orthopädische Inhalte, ein Modul vermittelt Kennt- und Rehabilitation nisse und Fertigkeiten im Bereich Prävention und Rehabilita- in Zukunft eine optimale orthopädisch-traumatologische tion, ein Modul dient als Vorbereitung auf die Niederlassung Versorgung in Österreich sicherzustellen. und vermittelt Kenntnisse und Fertigkeiten im konservativen definiert über • • angeboren wachstumsassoziiert Pathologien • durch Knochenstoffwechsel verursacht • durch Infektionen verursacht • durch das Nervensystem verursacht Orthopädie • durch systemische Leiden verursacht • durch Knochen- und Weichteiltumore verursacht • rheumatisch verursacht Orthopädie und • • durch Sport verursacht durch Verletzung verursacht Traumatologie • durch ärztliche Eingriffe verursacht … über • • Schulter, Ellbogen und Oberarm Unterarm und Hand Unfallchirurgie Regionen • Becken, Hüfte und Oberschenkel • Knie • Unterschenkel und Fuß • Schädel, Körperhöhlen • Wirbelsäule Alte Neues • Neugeborene … für • Kinder und Jugendliche Sonderfächer Sonderfach • Erwachsene Patientengruppen • der ältere Mensch Abb. 1 8 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017
Österreichische ÖGOuT Gesellschaft für C. Fialka, Wien Unfallchirurgie ORTHOPÄDIE & TRAUMATOLOGIE Anzahl und Inhalt der Sonderfächer – Übergangsbestim- mungen fixiert. Für unser Sonderfach wird für all jene Fachärzte, die eine Ausbildung zum Facharzt für „Unfallchirurgie“ oder zum Facharzt für „Orthopädie und orthopädische Chirurgie“ begonnen haben, im §27 eine Möglichkeit geschaffen, ins neue Sonderfach zu wechseln. Allerdings wird hier kein Anrecht, sondern lediglich eine Wahlmöglichkeit festgelegt, für die bestimmte Vorraussetzungen, wie z.B. das Einver- ständnis des Krankenhausträgers, notwendig sind. Nähere Informationen und Downloads für Formulare dazu finden Sie im Web der Österreichischen Ärztekammer unter www. aerztekammer.at/anrechnung-auf-aao-2015. Für fertige Fachärzte der Sonderfächer „Unfallchirurgie“ oder „Orthopädie und orthopädische Chirurgie“ wurde im §34 ebenfalls eine Übergangsregelung geschaffen. Hier wird von einer speziell eingerichteten Kommission festgelegt, wel- che ergänzende Ausbildung im jeweiligen Spiegelfach not- wendig wird, um die neue Bezeichnung „Facharzt für Ortho- pädie und Traumatologie“ zu erwerben. Nähere Informatio- nen und Downloads für Formulare dazu finden Sie im Web der Österreichischen Ärztekammer unter www.aerztekam- mer.at/facharzt-orthopadie-und-traumatologie. Abb. 2 Dass hier in Österreich ein europaweit bespielhaftes Son- Bereich. Jeder Facharzt in Ausbildung soll verpflichtend ein derfach entwickelt worden ist, beweist auch der Umstand, Modul mit traumatologischen Inhalten und ein Modul mit dass die EFORT/UEMS die Inhalte der Grundausbildung im orthopädischen Inhalten absolvieren; das dritte ist individu- CORE-CURRICULUM übernommen hat und dies für Europa ell wählbar. als Empfehlung gilt (siehe Abb. 2). Für die fertigen Fachärzte für Orthopädie und Traumato- logie wurde geplant, dass über das Sonderfach hinausge- hende Kenntnisse und Fertigkeiten in Zusatzausbildungen (Spezialisierungen) erworben werden können. Das Rasterzeugnis des Sonderfaches „Orthopädie und Traumatologie“ wurde am 19. Juni 2015 von der Österreichi- Prof. Dr. Mag. Bernd Stöckl Prof. Dr. Christian Fialka schen Ärztekammer beschlossen und als KEF-RZ-Verordnung 2015 Anlage 23 veröffentlicht. Die darin festgelegten Ausbil- dungsinhalte der Grund- und Schwerpunktausbildung sind Österreichische Gesellschaft für heute noch gültig. Fachspezifische Spezialisierungen für das Orthopädie und Traumatologie (ÖGOuT) neue Sonderfach sind noch nicht erarbeitet. Bereits zuvor, am 24. April 2015, wurde nach Vorlage Redaktion der Mitteilung: durch das Bundesministerium im Nationalrat die Ärzte- Dr. Erwin Lintner (office@orthopaedics.or.at) Ausbildungsordnung 2015 (ÄAO 2015) beschlossen. In die- ser werden unter anderem die Sonderfachdefinitionen fest- Geschäftsstelle der ÖGOuT: gelegt und – bedingt durch zahlreiche Änderungen bei Mag. Birgit Magyar (office@oegout.at) Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 9
BVdO – Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie 02. Dezember 2017 Eagle HomeOne | Eschenbachgasse 9 | 1010 Wien Orthopädie – Möglichkeiten und Grenzen Nicht-operative Orthopädie – Operative Orthopädie – Osteoporose/Arthrose www.die-jahrestagung.at Veranstalter BVdO - Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Kongressbüro BE Perfect Eagle GmbH, Bonygasse 42, A-1120 Wien, T +43-1-532 27 58, F +43-1-533 25 87 office@be-perfect-eagle.com, www.be-perfect-eagle.com DR . P E I T H N E R K G MEDIZINTECHNIK
GOTS-NACHRICHTEN Gehirnerschütterung im Fußball Es sind bisweilen schockierende Szenen: Spieler krachen mit den Köpfen zusammen, bleiben benommen oder sogar bewusstlos liegen – und spielen nach kurzer Behandlung dennoch weiter. Klare Richtlinien, was Diagnostik und Management dieser regelmäßig auftretenden Verletzungen betrifft, sind noch nicht etabliert. S elbst auf höchstem sportmedizini- schem Betreuungsniveau werden bei Kopfverletzungen im Fußball oft umstrit- siko akuter, schwerer Komplikationen und langfristiger Schäden zu minimieren.2 Das Problem der mTBI ist, dass die da Spieler regelmäßig sogar trotz kurzer Bewusstlosigkeit oder zeitlicher und/oder örtlicher Desorientierung das Spiel fortset- tene Entscheidungen getroffen. Die Ursa- Symptomatik im Gegensatz zu höhergra- zen und keine adäquate Diagnostik erfolgt. chen dafür sind multifaktoriell: Die Mög- digen Schädel-Hirn-Traumata überwie- Außerdem besteht eine erhöhte Gefahr, lichkeit einer adäquaten Diagnostik auf gend ohne Bewusstseinsstörung einher- bei bereits erlittener mTBI eine weitere dem Platz durch sogenannte „pitch-side geht und somit lediglich unspezifische Verletzung zu erleiden – aufgrund von tests“ ist limitiert. Zwar sind durchaus di- Symptome wie Kopfschmerzen, leichter Störungen der Neurotransmission, der ze- agnostische Mittel vorhanden, doch die Schwindel oder Konzentrationsschwäche rebralen Durchblutung und des Glukose- praktikablen und auch für den Breiten- auftreten.3 Dies macht für betreuende stoffwechsels. Diese kann dann erhebli- sport erschwinglichen Verfahren weisen Ärzte oder Therapeuten die Diagnostik che, zum Teil fatale Schäden im zentralen große Mängel auf. Außerdem kann davon und Objektivierung der Befunde auf dem Nervensystem verursachen.9, 10 In der Li- ausgegangen werden, dass der enorme Fußballplatz besonders schwer. Es handelt teratur wird das Risiko als bis zu dreifach Erkenntnisgewinn der letzten Jahre noch sich dennoch um eine häufige Diagnose, erhöht beschrieben.11 nicht ausreichend auf den Fußballplätzen da bei bis zu 90% aller Patienten, die eine Im Vergleich zu anderen populären verbreitet ist. traumatische Kopfverletzung erleiden, ei- Sportarten wie Eishockey, Basketball oder ne mTBI auftritt.4 Insbesondere kommt es Handball besteht im Fußballsport eine ge- Formen des Schädel-Hirn-Traumas zu Veränderungen der visuellen Funktion ringere Gefahr, eine Kopfverletzung durch und zur Verlangsamung von Reaktionszei- Gegnerkontakt zu erleiden.12 Im Gegensatz Es wird derzeit je nach Schweregrad ten.5–7 Im Amateursport wird mit dem zu den anderen Sportarten wird beim Fuß- zwischen drei Formen von Schädel-Hirn- Auftreten von mindestens zwei bis fünf ball allerdings der Kopf als ballspielender Verletzungen („traumatic brain injuries“, mTBI während einer Fußballerkarriere Körperteil genutzt. Es ist daher mit einer TBI) unterschieden (Tab. 1).1 Im Fußball gerechnet.8 Allerdings ist anzunehmen, zusätzlichen Belastung bei multipel auftre- entstehen sie überwiegend durch Kontakt dass die Häufigkeit tatsächlich um ein tenden Erschütterungen, gegebenenfalls mit dem Gegenspieler, dem Boden oder Vielfaches höher ist. sogar mit mehrfach auftretenden mTBI zu dem Tor; seltener durch Ballkontakt oder rechnen.13–15 Eine Korrelation zwischen kontaktlos durch reine Beschleunigungs- Kopfballrisiko und Dunkelziffer der Anzahl an Kopfbällen und den Ergeb- kräfte. nissen von neuropsychologischen Tests Moderate und schwere TBI treten im Im Profisport gibt es bisher keine aus- wurde eindeutig identifiziert.16 Fußball selten auf. Dass die davon betrof- reichenden Daten zur Symptomatik von fenen Spieler unmittelbar notärztlich be- mTBI. In leistungsstärkeren Spielklassen Diagnostische Mittel treut und mit dem Rettungswagen ins ist das Spiel von größerer Intensität und Krankenhaus gebracht werden sollten, mehr Körperkontakt geprägt, was die Ent- Der Welt-Fußballverband FIFA emp- steht außer Frage. Doch die milden TBI stehung von Gehirnerschütterungen ver- fiehlt bei Verdacht auf ein Schädel-Hirn- (mTBI) stellen aus sportmedizinischer mutlich fördert. Statistisch gesehen tritt an Trauma die Anwendung des sogenannten Sicht eine besondere Herausforderung dar. jedem zweiten Bundesligaspieltag bei ei- „Pocket SCAT2“, „SCAT 3“ und des „Po- Obwohl sie weniger dramatisch sind, ist nem Fußballprofi ein Schädel-Hirn-Trau- cket Concussion Recognition Tool“.17–19 das Auswechseln des Spielers essenziell ma auf. Die Dunkelziffer erlittener mTBI Damit werden die Merkfähigkeit, Orien- und alternativlos, um unmittelbar das Ri- ist dabei allerdings noch wesentlich höher, tierung und der Gleichgewichtssinn der Spieler getestet. Vorteilhaft ist, dass kein Glasgow Coma Scale Bewusstlosigkeit Amnesie weiteres Equipment notwendig ist und die Testungen extrem simpel und auch für Mild 13–15 keine oder
GOTS-NACHRICHTEN halb von Untersuchungen in erschütterungen im Fußball Krankenhäusern widersprüch- Defizite bestehen.25 liche Angaben gemacht wer- Neben der differenzierten den.20, 21 In Nordamerika sind Messung der Pupillengröße daher andere Verfahren ver- bei Augenbewegungen, der breitet, wie zum Beispiel das Konvergenz und Divergenz Vorlesen von Zahlenreihen und dem Zählen der Lid- und die Messung der dazu be- schlüsse können insbesondere nötigten Zeit in Form des hypermetrische oder hypome- King-Devick-Tests.22 Es gibt trische Sakkaden pro Zeitein- zwar auch computer- oder ta- heit diagnostiziert werden. bletbasierte Systeme – ausrei- Außerdem werden in einigen chend zur Durchführung des Systemen Blitzreize zur Ana- Tests sind allerdings eine kor- lyse der Konstriktion und Di- rekt angeordnete Liste von Abb. 1: Dr. Helge Riepenhof (rechts) bei der mTBI-Diagnostik per Virtual- latation beider Augen unab- Zahlenreihen und eine Stopp- Reality-Brille und Eye-Tracking. Der Sportler betrachtet die sich bewegen- hängig voneinander simuliert. uhr. Auch die Sensitivität die- den Objekte. Währenddessen wird die Augenbewegung aufgezeichnet Egal welches Verfahren in ses Verfahrens ist umstritten: der Praxis angewendet wird, In der Literatur finden sich um den komplexen Weg zur dazu widersprüchliche Angaben.23, 24 Virtual-Reality-Brillen und richtigen Diagnose auf dem Fußballplatz Ein weiterer Nachteil dieses Verfahrens Eye-Tracking zu finden: Das höchste Gut ist immer die ist die Sprachgebundenheit. In der sport- Gesundheit des Spielers, und es liegt in medizinischen Praxis erschwert das gera- Die neuesten Verfahren zur Diagnostik der Verantwortung des Betreuers, diese de in multinationalen Mannschaften die von Schädel-Hirn-Traumen nutzen die mit allen Mitteln zu schützen. Bei leider Überprüfung durch die Betreuer. Darüber Möglichkeit, Objekte durch Virtual- dennoch anzutreffenden Widerständen hinaus erfordert dieses Testverfahren eine Reality(VR)-Brillen darzustellen. Wäh- vonseiten der Trainer oder der Spieler Baseline-Untersuchung, da aussagekräfti- rend der zu untersuchende Sportler ent- selbst sollte bei fraglicher Diagnose zum ge Empfehlungen stets auf einem Ver- weder auf einem Bildschirm im zweidi- Schutz des Sportlers stets die unmittelba- gleich mit einer zuvor gemessenen Base- mensionalen oder im dreidimensionalen re Auswechslung durchgesetzt werden.n line beruhen. Raum Objekte verfolgt, werden durch Ebenso abhängig von einer Baseline- Eye-Tracking die Augenbewegungen ge- Autor: Dr. Helge Riepenhof Messung sind verschiedene Formen von messen. Die auf VR und Eye-Tracking Chefarzt der sportmedizinischen Abteilung des App-basierten Testverfahren, wie zum basierenden Tests nehmen zwischen 45 BG Klinikum Hamburg Beispiel die App „GET – Gehirn erschüt- und 70 Sekunden in Anspruch. Da das tert?“, die auf das Telefon geladen werden visuelle System beim derzeitigen Kennt- kann. Bei diesem Programm werden in nisstand das sensitivste Organ zur Diag- Form von simplen Computerspielen Auf- nostik von Gehirnerschütterungen ist, Literatur: gaben zur Überprüfung der Reaktionsge- könnte es sich bei VR- und Eye-Tracking- 1 Hawryluk GW et al.: Handb Clin Neurol 2015; 127: 15-21 schwindigkeit gestellt. Eine große Fehler- Verfahren um die sensitivste Möglichkeit 2 Nordström A et al.: Br J Sports Med 2014; 48(19): 1447-50 3 McCrea M et al.: Clin J Sport Med 2004; 14(1): 13-7 zahl und ein hoher Zeitaufwand bei der der Diagnostik handeln. Derzeit laufen 4 Cassidy JD et al.: J Rehabil Med 2004; 43(Suppl): 28-60 Lösung der Aufgaben im Vergleich zur diverse klinische Studien mit verschiede- 5 Capó-Aponte JE et al.: Military Medicine 2012; 177(7): Baseline-Untersuchung weisen auf eine nen Geräten; aussagekräftige Publikatio- 804-13 6 Ventura RE et al.: J Neuroophthalmol 2015; 35: 73- Gehirnerschütterung hin. Neben der nach nen mit entsprechender Fallgröße liegen 81 7 Singman EL et al.: Medical Instrumentation 2013; doi: wie vor auch hier nicht eindeutig bewie- aber noch nicht vor. 10.7243/2052-6962-1-3 8 Master EJ et al.: JAMA 1999; 282(19): 971-3 9 Giza CC et al.: Neurosurgery 2014; senen Sensitivität der Verfahren sind die Die auf dem Markt etablierten Systeme 75(Suppl 4): 24-33 10 Wetjen NM et al.: J Am Coll Surg Messungen stark von der Motivation der werden insbesondere im Rugby, Austra- 2010; 211(4): 553-7 11 Castile L et al.: Br J Sports Med 2016; Sportler während der Baseline-Untersu- lian Football und American Football ge- 50(5): 292-7 12 VBG Sportreport 2016 der Verwaltungsbe- chungen abhängig. Das Problem einer nutzt. Doch gerade im Fußball bieten sich rufsgenossenschaft. www.vbg.de 13 Rutherford et al.: motivationsabhängigen Baseline-Untersu- entsprechende Systeme an, da das Regel- Neuropsychol Rev 2003; 13(3): 153-79 14 Comstock RD et al.: JAMA Pediatr 2015; 169(9): 830-7 15 Maher ME et al.: chung ist, dass Spieler bei grundsätzli- werk der FIFA seit September 2014 im Brain Inj 2014; 28(3): 271-85 16 Webbe FM et al.: Appl Neu- chem Wunsch zu spielen nur mit wenig Verdachtsfall einer Gehirnerschütterung ropsychol 2003; 10(1): 31-41 17 Pocket SCAT2. Br J Sports Ehrgeiz und Enthusiasmus an diesen Un- eines Spielers eine dreiminütige Pause Med 2009; 43(Suppl): i89-i90 18 SCAT3. Br J Sports Med tersuchungen teilnehmen. Die Baseline zur Diagnostik und Therapie vorsieht. So 2013; 47(5): 259 19 Pocket CRT. Br J Sports Med 2013; wird dadurch eher niedriger gesetzt, was soll dem Arzt die Möglichkeit gegeben 47(5): 267 20 Luoto TM et al.: J Neurotrauma 2014; 31(8): 728-38 21 Yengo-Kahn AM et al.: Neurosurg Focus 2016; die Gefahr birgt, beim Vergleich mit der werden, ohne Druck durch das fortlau- 40(4): E6 22 Seidman DH et al.: J Neurol Sci 2015; 356(1-2): Pitch-Side-Diagnostik Spieler mit mTBI fende Spiel eine sichere Diagnose zu er- 97-101 23 Silverberg ND et al.: Brain Inj 2014; 28(12): 1590-3 fälschlicherweise weiter am Wettkampf heben. Auch der FIFA ist bekannt, dass 24 Galetta MS et al.: J Neurol Sci 2013; 328(1-2): 28-31 teilnehmen zu lassen. hinsichtlich der Diagnostik von Gehirn- 25 McCrory P et al.: Br J Sports Med, 2013; 47(5): 250-8 12 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017
G. Oberthaler, Salzburg GOTS-NACHRICHTEN KOMMENTAR Diagnostik und Therapie des mTBI Diagnostik gehenden Untersuchung (Abklärung der Step 1 „light aerobic exercise“ Symptome, der kognitiven und koordina- Die neuropsychologische Testung mit tiven Fähigkeiten) ist die Wiederaufnahme Step 2 „intense aerobic exercise“ der quantitativen Elektroenzephalografie der sportlichen Betätigung möglich. Ich Step 3 „resistance training“ QEEG ist der Eckstein für die Diagnose, führe bei Vorhandensein von Symptomen Step 4 „30 min non contact drills“ aber auch für Therapie, Therapiesteue- eine neuerliche neuropsychologische Tes- rung und -erfolg. Sie wird vor der Saison tung inklusive QEEG durch. Als Ausgangs- Step 5 „full contact practice“ im gesunden Zustand durchgeführt und punkt für einen individuellen, qualitativ Step 6 „return to play“ definiert somit die individuelle Baseline hochwertigen „Return to play“(RTP)-Pro- des Sportlers. Neuropsychologische Tests zess sollten eine Baseline-Messung der Tab.: „Return to play“-Protokoll sind eine objektive Methode zur Einschät- kognitiven Fähigkeiten des Sportlers sowie zung der kognitiven Fähigkeiten. Erhoben eine Basiserhebung genereller Symptome werden dabei folgende Bereiche: wie Kopfschmerz, Müdigkeit etc. vorliegen. kann bleibende Schäden verursachen • Einfach- und Wahlreaktion Das RTP-Protokoll ist ein schrittweiser (Sensibilisieren von Sportler und Trainer)! • Konzentration Prozess, wie in der Tabelle ersichtlich. Mit Es tritt meist ohne Verlust des Bewusst- • Visuelle Wahrnehmung dem RTP-Protokoll wird erst begonnen, seins auf und kann bis zu einigen Stunden • Ablenkbarkeit wenn der Sportler symptomfrei ist und kei- oder Tagen nach der Verletzung sympto- • Reaktive Belastbarkeit ne kognitiven Einschränkungen mehr vor- matisch werden! • Merkfähigkeit handen sind, d.h. neuropsychologisch das Bei Verdacht auf mTBI: Sportverbot, Ausgangsniveau wieder erreicht ist. Gene- konsequentes Anwenden des RTP-Proto- Bei mTBI zeigen neuropsychologische rell sollten zwischen jedem Schritt 24 Stun- kolls (auch wenn keine neuropsychologi- Testungen verlangsamte Reaktionszeiten, den liegen. Sobald Symptome auftreten, gilt sche Testung mit QEEG möglich) – vor verminderte Konzentrations- und Merkfä- es, auf jene Stufe zurückzukehren, auf der allem beim jugendlichen Sportler. n higkeit, Einschränkungen der visuellen der Athlet symptomfrei war. Bei Symptom- Wahrnehmung, erhöhte Ablenkbarkeit freiheit dauert dieser Prozess ca. 7 Tage. Die Autor: Dr. Gerhard Oberthaler und verminderte Informationsverarbei- Tabelle zeigt den schrittweisen RTP-Prozess Ins. ÖÄZ ZMS DUK 03.17_: 28.03.17 GOTS-Beirat Österreich 09:52 Seite 1 tung. Kognitive Einschränkungen halten in Anlehnung an das Konsen- oft länger an, als physische Symptome susstatement von Zürich 2008. angegeben werden. Vor allem bei jüngeren Studien zeigen, dass neuro- Sportlern ist dies der Fall und fordert be- psychologische Therapien sig- Berufsbegleitender Universitätslehrgang sondere Beachtung! nifikant die dargelegten Symp- QEEG ist eine Form der Analyse des EEG, bei der die EEG-Grundaktivität com- putergestützt in ihre Einzelfrequenzen tome verbessern. Kraniosakrale Therapie unterstützt den Gene- sungsprozess meiner Erfahrung Advanced Orthopedics zerlegt und grafisch dargestellt wird. Ge- messene EEG-Metriken wie Frequenz, Am- nach positiv. Bei jungen Sport- lern (Schülern) ist zudem das and Traumatology plitude und Konnektivität können so in „return to school“ zu beachten. Aktuelle Konzepte der Orthopädie und Traumatologie Form von sogenannten „brain maps“ dar- Durch einen zu frühen Einstieg gestellt werden. in den Schulalltag können Sym- Individuelle Neurofeedback-Trainings- ptome verstärkt werden oder protokolle können damit erstellt werden. wieder auftreten (Prager State- Das Zentrum für Medizinische Spezialisierungen bietet Studien zeigen, dass QEEG-Messungen die ment). Dies macht den Prozess ein Masterstudium für moderne orthopädische und trau- sensitivste Methode (96%) für die Hirn- zu einer komplexen und dyna- matologische Operations- und Behandlungsstrategien bildgebung betreffend „Post-concussion“- mischen Angelegenheit, bei der von Erkrankungen des Bewegungsapparates an. Syndrom sind. die Zusammenarbeit des ge- samten Teams (Trainer, Physio- Lehrgangsleitung: Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer und Therapie therapeuten, Ärzte, Psycholo- Univ.-Prof. Dr. Dr. Thomas Klestil gen etc.) gefordert ist. Dauer: 5 Semester berufsbegleitend Start: Seit dem „Vienna Statement“ gilt es, 018 Abschluss: Master of Science (MSc) 16. April 2 nach einer Kopfverletzung sofort das Spiel- Take-Home-Message Jetzt feld zu verlassen oder die Sportausübung b erben e w ! zu beenden. Eine unmittelbare Rückkehr Das mTBI ist eine ernst zu wird ausgeschlossen. Erst nach einer ein- nehmende Verletzung und Donau-Universität Krems sabine.siebenhandl@donau-uni.ac.at Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 Tel. +43 (0)2732 893-2750 13 www.donau-uni.ac.at/aot
© Foto Fleischmann © Foto Fleischmann Referat T. Fingernagel, Wels-Grieskirchen HÜFTE D. Ullmann, Wels-Grieskirchen Hüft-TEP oder doch noch Rekonstruktion? Ungeachtet der ausgezeichneten Ergebnisse in der Totalendoprothetik der Hüftgelenke sollte bei jungen Patienten trotz aufwendiger operativer Maßnahmen eine Rekonstruktion der Hüfte in Betracht gezogen werden, um den künstlichen Ersatz des Gelenkes noch zu postponieren. D as Hauptaugenmerk in der Hüftchir- urgie gilt derzeit dem Bereich der En- doprothetik und ihrer unterschiedlichen Verbesserung der lateralen (Dega-Osteo- tomie) oder anterolateralen Überdachung (Pemberton-Osteotomie) erwirken. beschriebene periacetabuläre Osteotomie angewandt werden, bei welcher nur der innere Ring des Acetabulums durchtrennt Facetten. Verschiedene Kurzschafttypen Als State of the Art der Korrektur der wird. Ein Vorteil dieser Technik ist die hö- und die unterschiedlichen Zugangswege angeborenen Hüftdysplasie gilt nach wie here Stabilität des zu schwenkenden Frag- füllen Fachzeitschriften und entfachen vor die Innominata-Osteotomie nach Sal- mentes im Vergleich zur Tönnis-Osteoto- Diskussionen. Die rekonstruktive Hüftchi- ter, welche zumindest bis zum Alter von mie. Aufgrund des hohen technischen rurgie scheint dabei immer mehr in den 10 Jahren durchgeführt werden kann. Die Anspruchs ist sie jedoch nur für geübte Hintergrund zu treten. Wahl der Operationsmethode ist bei Ado- Chirurgen geeignet. In unterschiedlichen leszenten und jungen Erwachsenen bereits Arbeiten konnte bei einer Komplikations- Ursache Dysplasie deutlich komplexer. rate von 4,9–13,1% ein sehr guter Effekt Als Technik der Wahl zur Rekonstruk- im Langzeitüberleben dokumentiert wer- Die Hüftdysplasie ist eine der häufigs- tion von kongruenten Hüftgelenken ste- den (85% nach 10 Jahren). ten angeborenen Erkrankungen des Bewe- hen aktuell zwei Techniken zur Verfü- Auch inkongruente Hüften können bei gungsapparates. 4–133 von 1000 Kindern gung: einerseits die Original Tripelbecken jungen Patienten von einem rekonstrukti- werden abhängig von Geschlecht, ethni- osteotomie nach Tönnis und Kalch- ven Eingriff profitieren. Insbesondere scher Herkunft, Geburtsposition und wei- schmidt2, bei der Os ischii, Os pubis und wenn sie bereits bei Jugendlichen oder teren Risikofaktoren mit einer dysplasti- Os ilium durchtrennt werden und eine jungen Erwachsenen zu Beschwerden füh- schen Hüfte geboren. Durch das sonogra- Neuorientierung des Acetabulums häufig ren, sollte ein rekonstruktiver Eingriff in fische Screening, welches von Prof. Graf1 in Kombination mit einer varisierenden Erwägung gezogen werden. Es werden eingeführt wurde, werden die Kinder Femurosteotomie durchgeführt wird hierzu zwei Techniken empfohlen: Als ers- meist frühzeitig einer Behandlung unter- (Abb. 1). Andererseits kann die von Ganz3 te Option wird die Shelf-Acetabuloplastik zogen, weshalb in vielen Fällen eine beschrieben. Durch eine Verbesse- operative Sanierung nicht notwendig rung der lateralen Überdachung wird ist. Trotzdem zeigen Nachuntersu- insbesondere bei Kindern mit Mb. chungen von Prof. Graf, dass bei Perthes, deren Hüftgelenke in einer 10–15% der unter 50-Jährigen, die inkongruenten Stellung ausgeheilt sich einem Gelenkersatz unterzie- sind, eine Verbesserung der Funktion hen, ursächlich eine Hüftdysplasie und des Langzeitüberlebens in der vorliegt. Die Komplexität der rekon- Literatur beschrieben. Als zweites struktiven Eingriffe und die sinkende Verfahren kann die in vielen Arbei- Zahl der Indikationen lassen viele ten als obsolet bezeichnete Technik Abteilungen frühzeitig an einen Ge- der Chiari-Osteotomie4–6 – oft in lenkersatz denken. Kombination mit einer Valgisati- onsosteotomie – zumindest eine Ursache Zerebralparese deutliche Verbesserung der Hüftge- lenksfunktion herstellen (Abb. 2). Die Behandlungsprinzipien der Diese sehen wir insbesondere bei progredienten Hüft(sub)luxation bei asphärischen, inkongruenten Hüften Kindern mit zerebraler Parese sind in als bessere Option im Vergleich zur der Literatur klar verankert. Kombi- Shelf-Acetabuloplastik. nierte rekonstruktive Eingriffe an Hüfte und Becken stellen hier den Diskussion Goldstandard dar. Beim Großteil der Fälle kombinieren wir Umstel- In den letzten Jahren wurden bei lungsosteotomien am Femur (DVRO) uns regelmäßig Beckenosteotomien mit Eingriffen am Becken, die eine Abb. 1: Tripelosteotomie vorher/nachher bei unterschiedlichen Pathologien 14 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017
Referat Eine Vielzahl an Becke- nosteotomien wurde be- Bewegungsfreiheit am Knie und unauffälliges reits beschrieben. Durch Design zugunsten einer den Boom der Endopro- hohen Compliance thetik einerseits, aber auch durch die hohe Kom- plexität der rekonstrukti- ven Beckeneingriffe gera- Signifikante Schmerz- reduktion im Womac Pain ten diese sehr aufwendi- Subscore. Reduktion der gen OP-Techniken immer Analgetika um bis zu 50%2 mehr in den Hintergrund. Dies führt dazu, dass die Indikationen immer selte- ner erkannt werden. Trotz der sehr guten Ergebnisse Abb. 2: Chiari-Osteotomie vorher/nachher der Endoprothetik sollten jedoch insbesondere bei jungen Patienten die Mög- durchgeführt. Der Größe der Eingriffe lichkeiten der rekonstruktiven Hüftchir- entsprechend stellten wir bei jungen Er- urgie in Betracht gezogen werden. n wachsenen die Indikation zur Rekonstruk- tion bei sphärischen dysplastischen Gelen- Autoren: ken für den aufwendigen Eingriff sehr Dr. Thomas Fingernagel, streng. Abhängig von den radiologischen Dr. David Ullmann Parametern, der präoperativen Beweglich- Abteilung für Orthopädie, Innovatives keit und der in der kernspintomografi- Klinikum Wels-Grieskirchen Wirkprinzip, schen Diagnostik ersichtlichen Chondro- biomechanisch pathie führten wir die Tripelbeckenosteo- Korrespondierender Autor: geprüft und klinisch getestet1 © Ottobock · 119535-4=de_02-1701 tomie nach Tönnis bis zum 32. Lebensjahr Dr. David Ullmann durch. Bis dato konnten wir in allen Fällen E-Mail: david.ullmann@klinikum-wegr.at eine sehr zufriedenstellende Entwicklung n04 der Beweglichkeit und insbesondere der Beschwerdesymptomatik dokumentieren. Literatur: Bei inkongruenten Gelenken greifen 1 Graf R: Hip sonography: background; technique and wir gerne auf die von Chiari beschriebene common mistakes; results; debate and politics; challen- Beckenosteotomie zurück. Diesen Eingriff ges. Hip Int 2017; 27(3): 215-9 2 Vukasinovic Z et al.: Triple pelvic osteotomy for the treatment of residual hip dyspla- kombinieren wir häufig mit einer valgisie- Agilium sia. Analysis of complications. Hip Int 2009; 19(4): 315-22 renden, verkürzenden Femurosteotomie. 3 Alcobía Díaz B et al.: Long-term clinical and radiological Obwohl sich zu diesem Vorgehen aus der outcomes in a serie of 26 cases of symptomatic adult deve- Freestep 2.0 vorliegenden Literatur keine unstrittige lopmental dysplasia of the hip managed with bernese pe- Empfehlung ableiten lässt, ist dies unserer riacetabular osteotomy. Rev Esp Cir Ortop Traumatol 2015; 59(6): 421-8 4 Ito H et al.: The Chiari pelvic osteotomy for Meinung nach in ausgewählten Fällen das patients with dysplastic hips and poor joint congruency: Mittel der Wahl, um eine im weiteren Ver- long-term follow-up. J Bone Joint Surg Br 2011; 93(6): 726- Bei unikompartimenteller lauf notwendige Endoprothesenversor- 31 5 Mellerowicz HH, Matussek J, Baum C: Long-term re- Gonarthrose gung hinauszuzögern. Die frühzeitige sults of Salter and Chiari hip osteotomies in developmental Implantation einer Endoprothese muss hip dysplasia. A survey of over 10 years follow-up with a Weniger Knieschmerz. new hip evaluation score. Arch Orthop Trauma Surg 1998; unserer Ansicht nach kein Automatismus Mehr Leben. 117(4-5): 222-7 6 Windhager R et al.: Chiari osteotomy for sein, da die Überlebensrate des eigenen congenital dislocation and subluxation of the hip. Results Gelenkes durch die Beckenosteotomie ab- after 20 to 34 years follow-up. J Bone Joint Surg Br 1991; hängig vom Grad der Arthrose um bis zu 73(6): 890-5 7 Kotz R et al.: Long-term experience with 20 Jahre verlängert werden kann.7 Darü- Chiariʼs osteotomy. Clin Orthop Relat Res 2009; 467(9): 2215-20 8 Tokunaga K et al.: Effect of prior Salter or Chiari ber hinaus wird eine sekundäre Prothe- osteotomy on THA with developmental hip dysplasia. Clin senimplantation durch eine vorangegan- Orthop Relat Res 2011; 69(1): 237-43 Schmalz et al. 2006; Schmalz et al. 2011; gene Beckenosteotomie nicht erschwert.8 1 Fantini-Pagani et al. 2014 Auch diese bei uns versorgten Fälle zeig- 2 Stinus et al. 2015 ten sowohl eine signifikante Verbesserung der Funktion als auch der prä- und post- operativen Beschwerdesymptomatik. Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 www.ottobock.de/agilium 15
© www.peterberger.at © Nik Fleischmann Photographie Referat J. Hofstätter, Wien HÜFTE S. Hofstätter, Wels-Grieskirchen Stellenwert des Dual-Mobility-Systems in der Hüfttotalendoprothetik Das Dual-Mobility-Konzept ist eine bewährte Methode in der Hüftendoprothetik, insbesondere bei Patienten mit einem stark erhöhten Luxationsrisiko bzw. bei stattgehabten Luxationen. Es bieten sich multiple Anwendungsmöglichkeiten in der Primär- und insbesondere der Revisionsendoprothetik. Mittel- und langfristige Daten zeigen bisher ein Überleben von >90%. Das System bewirkt keinen erhöhten Abrieb im Vergleich zur Standardpfanne. Implantatspezifische Komplikationen sind die intraprothetische Dislokation und das Psoasimpingement bei großen Pfannen. Ein Dual-Mobility- System sollte zum Standardarmamentarium einer auf Endoprothetik spezialisierten Abteilung gehören. D ie Luxation ist nach wie vor eine der häufigsten Komplikationen in der Pri- märendoprothetik des Hüftgelenkes. Die mär- und Revisionsendprothetik zu be- schreiben. Gilles Bousquet, André Ram- bert, Jean Rieu und Daniel Noyer aus St. vae“ und in weiterer Folge die „Lithia“ mit einer zusätzlichen Makrostruktur – am Markt erhältlich (beide von der Fa. Serf, Wahrscheinlichkeit einer postoperativen Etienne, Frankreich, entwickelten in der Frankreich). Modifikationen dieser ersten Luxation ist zwar durch den routinemäßi- frühen 1970er-Jahren, basierend auf den Generation, wie z.B. HA-Titanplasma- gen Einsatz von 36mm-Köpfen, minimal Modell von Christiansen, das Dual-Mobi- spray-Beschichtung, Reduktion des ante- invasiven OP-Techniken und nicht zuletzt lity-Konzept der HTEP, um Abrieb und rioren Overhang und natürlich auch die durch bessere präoperative Planung deut- Stabilität zu verbessern. Es beinhaltet Entwicklung von „highly crosslinked“ PE lich geringer als in der Vergangenheit, eine zementierbare oder zementfreie me- mit und ohne Vitamin E führten zu einer dennoch ist die Instabilität des Hüftgelen- tallische Pfanne und ein mobiles Polyethy- weiteren signifikanten implantattechni- kes ein Hauptrevisionsgrund nach Primär- lengleitlager, das einen Metall- oder Kera- schen Verbesserung der derzeit am Markt eingriffen. Die Problematik der Hüftge- mikkopf umschließt. 1977 wurde erstmals befindlichen Implantate. lenksinstabilität steigt in der Revisionschi- der „Tripod“, eine zementierbare Dual- Die verschiedenen Varianten am Markt rurgie und Tumororthopädie exponentiell Mobility-Pfanne, implantiert. Ab 1979 sind in Abbildung 1 zusammengefasst. Es an und stellt hier eine große orthopädi- waren die ersten zementfreien Pfannen – muss erwähnt werden, dass sowohl beim sche Herausforderung dar. eine Aluminiumoxid-beschichtete Pfanne MDM-X3-System als auch bei der LUMIC- Häufig ist die Dislokation ein multifak- aus rostfreiem Stahl mit dem Namen „No- Pfanne ein großer Metall-Metall-Oberflä- torielles Geschehen. Implantlage und Po- chenkontakt besteht, da die Shell bzw. das sition (kombinierte Version, Drehzentrum Metallinlay verpresst wird. Dies könnte – femoraler und acetabulärer Offset), langfristig zu einem erhöhten Metallab- Kopfgröße, Weichteilsituation, operativer rieb führen. Zugangsweg etc. sind wichtige Faktoren, welche die Stabilität beeinflussen. Risiko- Funktionsmechanismus, fakoren für eine Luxation sind neurologi- Abrieb, Ergebnisse sche Erkrankungen (Spastik, Lähmungen, Insult, Parkinson etc.), Adipositas, Sarko- Es gibt grundsätzlich zwei Bewegungs- penie, Alter >75 Jahre, Revisionsoperati- radien: Der erste liegt zwischen dem Kopf onen, posttraumatische und sonstige Fehl- und der konkaven Seite des Polyethylens stellungen, große Knochen- und/oder und der zweite zwischen PE und Pfanne. Weichteildefekte, Schenkelhalsfrakturen Bei kleinen Bewegungsumfängen bewegt etc. Es gibt daher eine Vielzahl von im- sich der Kopf innerhalb des PE-Gleitlagers. plantattechnischen Lösungen (überhöhte Der innere Bewegungsradius zwischen Kopf Inlays, Köpfe ab 40mm, „constrained li- und Polyethylen erzielt beim 22mm-Kopf ner“ etc.) und auch verschiedene Weich- einen konischen Bewegungsradius von 51° teileingriffe mit und ohne Kunstbandaug- Abb. 1: Beispiele für DM-Pfannen am Markt: A) und beim 28mm-Kopf einen Radius von 76° mentation, die in der Literatur präsentiert zementiert, B) zementfrei (Ecofit der Fa. Implant- (Novae, Fa. Serf, Frankreich). Darüber hin- worden sind. cast), C) als Revisionssystem mit Co-Cr-Shell, aus kommt es zum Kontakt des Halses mit Das Ziel dieser Arbeit soll sein, Kon- welche in eine Revisionspfanne eingebracht dem PE-Kopf und dieser beginnt sich mit- zept, Ergebnisse und Anwendungsbeispie- wird (MDM X3 der Fa. Stryker), D) modulare zubewegen. Der zweite Bewegungsradius le des Dual-Mobility-Systems in der Pri- Sockelpfanne (LUMIC der Fa. Implantcast) zwischen PE und Pfanne hängt im Wesent- 16 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017
Referat HÜFTE Abb. 2: A) Konzept eines Dual-Mobility-Systems mit den unterschiedlichen Artikulationen bzw. Abriebregionen („1st, 2nd and 3rd articulation“), B) Mechanismus einer intraprothetischen Komplikation lichen von der Pfannengröße ab. Hier ist der Radius bei einer 43er-Pfanne 126° und bei einer 65er-Pfanne 140° (Novae, Fa. Serf, Frankreich). Eine 53er-Pfanne, 45° inkli- niert und 20° antevertiert, erreicht bei ei- nem 11mm dicken Prothesenhals einen Bewegungsumfang von 126° in Abduktion/ Adduktion, 186° in Flexion/Extension und 220° in der Rotation. Die Kontaktfläche zwischen Hals und PE-Kopf wird „third ar- ticulation“ genannt und ist ebenfalls eine wichtige Stelle, an der Abrieb entsteht (Abb. 2). Studien zeigen entgegen dem häufigen Vorurteil keinen erhöhten gesamtvolumet- rischen Abrieb der Dual-Mobility-Systeme im Vergleich zu einer normalen Standard- artikulation. Abriebstudien haben gezeigt, Abb. 3: Eigene Anwendungsbeispiele: A) primäre HTEP mit DM bei St. p. 12-facher OP bei fibröser dass der lineare innere Abrieb ca. 8- bis Dysplasie prox. Femur mit hochgradiger Glutealinsuffizienz, B) Kopfwechsel und Synovektomie bei 9-mal größer ist als der äußere Abrieb. Der Status 15 Jahre nach MOM-Durom-Großkopfprothese mit Metallose und fester Pfanne, C) zementierte volumetrische Abrieb zwischen innerem DM-Pfanne in bestehender Pfanne und Schaftwechsel bei Schaftlockerung und St. p. Luxationen bei und äußerem Radius ist wiederum annä- Glutealinsuffizienz, D) zementierte DM-Pfanne in BS-Stützschale und Schaftwechsel bei Lockerung hernd gleich. und Glutealinsuffizienz, E) zementierte DM-Pfanne in TMARS und Augment bei Pfannenverkippung, Mehr als 95% der Studien dazu wurden F) Lumic-DM bei periprothetischer Beckenfraktur mit Diskontinuität bei St. p. zementierter MOM- in den letzten 10 Jahren publiziert, obwohl Durom-Pfanne das Konzept schon seit 40 Jahren bekannt ist. Zahlreiche Publikationen zeigen bei mittelfristigen Ergebnissen mit 5–8 Jahren gemerkt werden, dass es sich hierbei im- Abbildung 3 werden mehrere Anwen- Follow-up ein Überleben von >95%. Die mer um relativ kleine Studien mit 30–300 dungsbeispiele gezeigt. Studie mit dem längstem Follow-up zeigt Patienten handelt. Weiters wissen wir, dass ein 25-Jahres-Überleben von >90%. Inte- Entwicklerstudien immer bessere Ergeb- Beispiele in der Primärendoprothetik: ressanterweise zeigen auch einige Studien nisse als nachfolgende unabhängige Studi- • geriatrische Patienten für zementierte Pfannen ein 8-Jahres- en bzw. Registerdaten erbracht haben. • Patienten mit neuromuskulären Erkran- Überleben von >95%. Eine mögliche Er- kungen klärung für das gute Abschneiden ist, dass Indikationen • adipöse „Low demand“-Patienten/Pfle- bei der Dual-Mobility-Pfanne geringere gepatienten Scherkräfte auf das Pfannenlager wirken, Grundsätzlich kommen alle Patienten • Schenkelhals- oder pertrochantäre Frak- im Vergleich zum herkömmlichen zemen- mit einem stark erhöhten Luxationsrisiko tur beim alten Patienten tierten PE. Relativierend muss jedoch an- für das Dual-Mobility-Konzept infrage. In • hochgradige Glutealinsuffizienz Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017 17
Referat HÜFTE Beispiele in der Revisionsendoprothetik: Kopf. Typischerweise tritt diese Kom- Das Dual-Mobility-System ist ein be- • einfacher Pfannenwechsel bei zusätzli- plikation erst nach 6 Jahren oder spä- währtes System in der Hüftendoprothetik cher glutealer Insuffizienz ter auf. Ursächlich ist der Abrieb der mit bisher guten Daten bei Patienten mit • Einzementieren einer DM-Pfanne in: „second and third articulation“. Eine hoher Luxationsgefahr. Zukünftige größere a) bestehende Pfanne, b) Burch-Schnei- Optimierung des Kontaktbereiches Studien und Registerdaten werden hoffent- der, Müller bzw. Ganzring, c) „trabecu- zwischen PE-Kopf und Hals hat diese lich bald eine bessere Datenlage bringen. lar metal revision shell“ Problematik im Vergleich zur ersten • Mit dem MDM-X3-System (Fa. Stryker) Generation verringert. Derzeit wissen Autoren: können auch höhergradige Acetabu- wir jedoch nicht, ob diese Komplikati- Priv.-Doz. Dr. Jochen Hofstätter1 lumdefekte versorgt werden. on in Zukunft nicht doch häufiger auf- Priv.-Doz. Dr. Stefan Hofstätter2 • LUMIC-Sockelpfanne (Fa. Implantcast) treten wird. Folgende Situationen for- bei Beckendiskontinuitäten bzw. cieren den Abrieb an der Kontaktfläche 1 II. Orthopädische Abteilung, Orthopädisches Beckenteilresektionen zwischen Prothesenhals und PE-Kopf: Spital Speising, Wien • isolierter Kopfwechsel bei fester Pfanne Kopf mit Kragen; alte Schäfte mit di- 2 Abteilung für Orthopädie und orthopädische nach „Metal on metal“(MOM)-Groß- ckem Hals, z.B. mit 14/16-Konus; Fehl- Chirurgie, Klinikum Wels-Grieskirchen kopfprothese positionierung von Schaft und/oder Pfanne. Eine intraprothetische Dislo- Korrespondierender Autor: Implantatspezifische kation muss offen revidiert werden Priv.-Doz. Dr. Jochen Hofstätter Komplikationen und kann nicht geschlossen reponiert E-Mail: jochen.hofstaetter@oss.at werden. n04 Das Dual-Mobility-System hat grund- • Psoasimpingement: Es wurde zwar das sätzlich zwei implantatspezifische Kompli- Pfannendesign etwas verbessert, den- Literatur: kationen: noch ist bei großer Pfanne und daher beim korrespondierenden Verfasser • Intraprothetische Dislokation: Hier großem PE-Kopf die Wahrscheinlich- kommt es zu einer Dislokation des Ke- keit einer Irritation höher als bei her- ramik- bzw. Metallkopfes aus dem PE- kömmlichen Pfannensystemen. n TERMIN TERMIN Hands on Hands Vienna Wintertagung Rund um das Kahnbein: vom Ganglion bis zur Midcarpalarthrodese der ÖGF 9.–10. November 2017 Orthopädisches Spital Speising Wien ÖGF- Wintertagung und Workshop Prof.-Spitzy-Auditorium für Physiotherapeuten, AM, FA für Orthopädie/Unfallchirurgie Wissenschaftliche Leitung: © fotolia.com/Sebastian Kaulitzky Dr. Christian Krasny 1. 12. 2017 Dr. Christian-Thomas Radda Dr. Ralf Polke Hands on Hands Vienna 2017 9–12 Uhr Workshop „Überknöchelt – KSHOP Physiotherapie und Bandagen“ OP-WOR UND Der Fokus der Veranstaltung liegt auf dem KahnbeinRund undumdem das Kahnbein: radialseitigen RIE IN THEO PRAXIS Von der Ganglionentfernung bis WO RKSHOP (3 DFP-Punkte eingereicht) NEU: Handgelenk. Die Differenzialdiagnostik spielt in diesem sehr kompakten anato- ERAPIE ERGOTH zur Midcarpalarthrodese mischen Bereich eine entscheidende Rolle, um die richtige Therapie zu wäh- 9. und 10. November 2017 Orthopädisches Spital Speising, Prof.-Spitzy-Auditorium 13–18 Uhr „Die schmerzhafte Sehne – len. Insbesondere operative Therapieverfahren haben ein sehr enges Indikati- ein Update über die konservative und onsspektrum. Theoretisch und praktisch wird das weite Feld der karpalen operative Therapie“ Instabilität über die Kahnbeinfraktur bis hin zur einfachen Ganglionentfernung (4 DFP-Punkte eingereicht) erörtert. Tagungszentrum Schönbrunn, NEU: Dieses Jahr findet erstmals parallel zum OP-Training ein Praxismodul für 1130 Wien Ergotherapeut(inn)en statt. Information & Anmeldung: Programm und Anmeldung: www.fussgesellschaft.at www.oss.at/hands 18 Orthopädie & Traumatologie Rheumatologie 5 / 2017
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