Abschlussarbeit ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie - Wissenschaftliche Leitung: Rückfragen
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Abschlussarbeit ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Franz Böhmer Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner Rückfragen: Österreichische Akademie der Ärzte GmbH Weihburggasse 2/5 A-1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83
Seite 1 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen ausgewählter Psychopharmaka beim geriatrischen Patienten ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie 2011/2012 Abschlussarbeit vorgelegt von Dr. Christiana Kren Graz, Juli 2012 Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 2 Inhaltsverzeichnis Einleitung 3 Zielsetzung 3 Methode 4 Diskussion 4 Allgemeiner Teil Unerwünschte Arzneimittelwirkung – WHO Definition 4 UAW und Geriatrie 5 Arzneimittelinteraktionen 6 Therapeutische Ansätze der Psychopharmakaverordnung 7 Spezieller Teil Antidepressiva 8 • Depression im Alter 8 • UAW Trizyklischer AD 10 • UAW SSRI 10 Anxiolytika 13 • UAW Benzodiazepine 13 • UAW Nicht- Benzodiazepin-Tranquillantien 15 Neuroleptika 16 Schlafmedikation 19 Zusammenfassung 22 Anhang • Checkliste Psychopharmakaverordnung 24 • Internetadressen bzgl. Medikamentensicherheit 24 Literaturverzeichnis 25 Endnoten 26 Hinweis: Bei allen Bezeichnungen, die auf Personen bezogen sind, meint die Formulierung beide Geschlechter, unabhängig von der in der Formulierung verwendeten konkreten geschlechtsspezifischen Bezeichnung. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 3 Einleitung Auf Grund der steigenden Lebenserwartung nimmt der Anteil der geriatrischen Patienten in der medizinischen Versorgung, sei es nun im stationären oder im niedergelassenen Bereich, steigend zu. Mit höherem Lebensalter steigt allerdings auch die Zahl der Grunderkrankungen und verordneten Medikamente. Die daraus resultierende Polypharmazie kann auf Grund möglicher unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen und -interaktionen zu einer großen Gefahr für den Patienten werden. Bezugnehmend auf die Psychopharmakaverordnung in der Geriatrie, zeigte eine Münchner Studie, dass von 888 Altersheimbewohnern 56 Prozent, also jede(r) zweite, zumindest eine psychotrope Medikation erhielt (Molter-Bock et al. 2006). 1 Auf Grund Demenz, hirnorganischer Erkrankungen, bipolaren Störungen, Altersdepressionen oder Insomnie ist die Verordnung derselben auch legitim. Es muss allerdings die veränderte Pharmakodynamik und -kinetik im Alter berücksichtigt werden. Auf Grund des reduzierten Muskel- und zunehmenden Fettanteil des Körpers, der eingeschränkten Nierenleistung und hepatischer Metabolisierung sowie einer verlangsamten Magenmotilität, kommt es zu einer Veränderung der Substanzverteilung und somit Elimination. Erschwerend kommen Interaktionen unterschiedlicher Medikamente dazu. Bei älteren Patienten empfiehlt sich daher die Premise zu Medikamentenverordnung: „start low and go slow“ - also ein Therapiebeginn in niedriger Dosierung und eine langsame Dosissteigerung. Um generelle, für den alten Menschen nicht empfohlene Substanzen in der Verordnung zu vermeiden, empfiehlt sich die Durchsicht der PRISCUS-Liste. In Anlehnung an die amerikanische BEERS Liste, werden 83 Medikamente aufgelistet, welche nachgewiesen potentiell inadäquat für den älteren Menschen sind. Zielsetzung Meine Zielsetzung beinhaltet die Betrachtung ausgewählter und gängiger Psychopharmaka beim älteren Patienten, welche öfters in Medikamentenlisten zu finden sind. Es werden häufige Nebenwirkungen herausgearbeitet, welche oft Grund unspezifischer Symptome und Klinikeinweisungen sind. Dazu gehören unter anderem Schwindel, verstärkte Müdigkeit, Schluckstörungen, Obstipation und Orthostase welche in Einzelfällen mit dramatischen Folgen wie Stürzen, Frakturen, lebensbedrohlichen Arrythmien, metabolischen Entgleisungen und deliranten Zustandsbildern sowie der Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 4 Gefahr der Selbstverletzung einhergehen können. Oft werden psychotrope Medikamente ohne Vorliegen einer entsprechenden Grunderkrankung als Schlafmedikation oder zur kurzfristigen Beruhigung verordnet und danach nicht wieder abgesetzt. Durch einen genaueren Blick auf das weite Nebenwirkungsspektrum der psychotropen Arzneimittel erscheint eine unkritische Verordnung derselben, wie bei allen Medikamenten, besonders beim alten Menschen eine große Gefahr darzustellen. Methode Anhand Literaturrecherche und Studienergebnissen (u.a. Onlinerecherche über PuPMed) werden primär die Begriffe der „Unerwünschten Arzneimittelwirkung“ sowie der „Arzneimittelinteraktion“ im geriatrischen Kontext beleuchtet und erklärt. Zusätzlich werden allgemeine therapeutische Gesichtspunkte und Vorschläge eines „Drug- Monitoring“ verordneter Psychopharmaka diskutiert. Im Anschluss finden sich einige ausgewählte Psychopharmaka, welche hinsichtlich ihres Nebenwirkungsspektrum beim älteren Patienten diskutiert werden. Auf Grund der großen Anzahl psychotroper Medikamente, werde ich mich in meiner Arbeit in erster Linie auf ausgewählte Gruppen beschränken. Zu diesen zählen Antidepressiva und hier im Speziellen trizyklische AD und SSRI, Anxiolytika, Neuroleptika und Schlafmedikationen. Hingewiesen sei an dieser Stelle auch darauf, dass auf Grund des Umfangs und der Komplexität des Themas auf die Erörterung möglicher Nebenwirkungen im Rahmen der Demenz Therapie nicht eingegangen wird. Für eine diesbezügliche Information verweise ich auf Fachbücher der Pharmakologie, Neurologie und Psychiatrie. Diskussion – ALLGEMEINER TEIL Unerwünschte Arzneimittelwirkung – WHO Definition Die Definition der Weltgesundheitsbehörde WHO besagt, dass unerwünschte Arzneimittelwirkungen alle unbeabsichtigten und schädlichen Reaktionen auf ein Arzneimittel sind, das in therapeutischer Dosierung zur Prophylaxe, Diagnose oder Therapie einer Erkrankung oder zur Modifikation von physiologischen Funktionen eingesetzt wird. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 5 UAW und Geriatrie Jegliche akute, aber auch latente Veränderung des Allgemeinzustandes kann Ausdruck einer „Unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW)“ sein. Dies betrifft Patienten über 60 Jahre doppelt so häufig als Jüngere. Die Hauptursachen dafür, finden sich auf mehreren Ebenen (vgl. Abb. 1): Pharmazie und Geriatrie Geriatrischer Patient + veränderte + veränderte Physiologie UAW Pharmakokinetik u. -dynamik + verminderte Ausscheidung + funktionelle Defizite bei GFR ↓ + kognitive Defizite + Arzneimittelinteraktionen + Selbstmanagement bei Polypharmazie im Alter vermindert + Sehschärfe, Feinmotorik vermindert Arzt + Wissen über UAW/ Interaktionen + Geriatrische Vorbildung + Beeinflussung durch Pflege /Angehörige: „Ruhigstellung“, „Aufheiterung“ + Fehler in Dokumentation Abb. 1 Nach Tamblyn (2006) sind akute Erkrankungen auf dem Boden einer UAW, bei geriatrischen Patienten in bis zu 23 Prozent Anlass für eine stationäre Einweisung; bei ca. zwei Prozent Ursache für eine ambulante Vorstellung und bei 1 aus 1000 die Todesursache.2 Psychopharmaka sind in ca. 28 Prozent der Fälle Ursache der UAW. Die häufigsten Nebenwirkungen sind unter anderem Sedierung, Parkinsonoid, anticholinerge Nebenwirkungen, Orthostase, kardiale und metabolische Nebenwirkungen (vgl. Tab. 1). Neben den aufgelisteten primären Störungen, kann es zusätzlich zu dramatischen Folgen kommen3,4: UAW Folgen/Symptome SEDIERUNG Stürze, Verletzung, Frakturen → Immobilität und weitere ORTHOSTASE Einschränkung der Eigenautonomie PARKINSONOID Stürze, „verkannte Situation“ mit Einleitung weiterer Psychopharmaka Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 6 PERIPHERE Mundtrockenheit mit Schluckstörungen, Obstipation, ANTICHOLINERGE NW Harnverhalt, Tachycardie mit Arrhythmien, Akkommodationsstörungen (Glaukom) ZENTRALE Verwirrtheit, Sedierung, kognitive Störungen, anticholinerges ANTICHOLINERGE NW Delir KARDIALE NW Synkopen, Tachycardien, QT Verlängerung mit malignen Tachyarrhythmien z.B. Torsaden, Bradyarrhythmien METABOLISCHE NW Diabetesdekompensation Tab. 1 Zusätzlich ergibt sich beim geriatrischen Patienten im Rahmen der somatischen Komorbidität und damit einhergehender Polypharmazie, das große Problem der Arzneimittelinteraktionen (drug-drug-interaction). Arzneimittelinteraktionen „Unter Arzneimittelinteraktionen versteht man die qualitative und/oder quantitative Veränderung des Wirkungsprofils eines Pharmakons, die bei therapeutischer Anwendung in Gegenwart eines anderen Pharmakons auftritt.“ (ÖGGG, 2009) 5 Patienten über 65 Jahre verwenden im Durchschnitt zwei bis sechs verschriebene Medikamente und zusätzlich ein bis zwei rezeptfrei erhältliche Mittel 6 (z.B. Johanniskrautpräparate). In Tab. 2 werden Beispiele von Interaktionen mit Psychopharmaka aufgelistet. Grunderkrankung und Psychopharmakon Drug-Drug-Interaction medikamentöse Therapie Kardiale Vorerkrankung z.B. Citalopram >40mg, QTc Verlängerung Escitalopram >10mg, Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin, Venlafaxin, Haloperidol, Clozapin, Risperidon Herzinsuffizienz und z.B. SSRI Hyponatriämie Diuretikum Betablocker Therapie Benzodiazepine Bradycardie Dauermedikation Frei verkäufliche Präparate Reduzierte (z.B.: Johanniskraut) – oft nicht Plasmakonzentration von angegeben Digoxin mit Arrhytmiegefahr Kombination serotinerger Pharmaka (z.B.: SSRIs, SNRIs, Serotoninsyndrom unselektive MAO Hemmer, L-Tryptophan, atypische Neuroloeptika, Lithium ...) Tab. 2 Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 7 Nach Seymour und Routledge (1998)7 geht die Häufigkeit der Medikamenteninteraktion einher mit dem Alter des Patienten, der verordneten Dauermedikation, der Anzahl der an der Therapie beteiligten Ärzte und seiner Komorbiditäten. Unspezifische klinische Einweisungen wie z.B. Verwirrung, Lethargie, Schwäche, zunehmende Schläfrigkeit/Müdigkeit, Inkontinenz, Depression oder Schwindelgefühl mit erhöhter Sturzneigung sollten zu einer genauen Überprüfung der Dauermedikation führen. Es sollte nach einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Analyse stets nur die notwendigste Therapie verordnet werden und eine regelmäßige Prüfung auf deren Indikation erfolgen. Therapeutische Ansätze der Psychopharmakaverordnung Aufgrund oben genannter Besonderheiten des geriatrischen Patienten bezugnehmend auf Medikamente ist abzuleiten, dass es einer genauen Indikation und individueller Dosierung bedarf, um eine mögliche Unter- sowie Überdosierung zu vermeiden. „Beim Verordnen gilt die Faustregel, dass ältere Patienten die Hälfte bzw. zwei Drittel der Pschopharmakadosierung bekommen sollten, die bei jüngeren Patienten üblich sind. Im Falle einiger neuer Antidepressiva wie der SSRI ist eine spezielle Anpassung der Dosierung meist nicht notwendig“. (Schmauß, 2003, S. 19) 8 Bei einer Erstverordnung empfiehlt es sich nach dem allgemeinen Prinzip „start low and go slow“ zu handeln und Psychopharmaka in niedriger Dosierung einzuschleichen und nur langsam in Abhängigkeit von Toleranz, Grunderkrankungen und Wirkung zu steigern. Des Weiteren sollte der betreuende Arzt eine Strategie des „Medikamenten-Monitoring“ für seine Patienten entwickeln. Dies beinhaltet z.B. regelmäßige EKG Kontrollen, um eine eventuell vorhandene oder eingetretene QTc-Zeit Verlängerung zu diagnostizieren. Zusätzlich sollten regelmäßige Elektrolyt-, Plasmaspiegel-, Nieren- und Leberwertkontrollen durchgeführt werden. Auch die schwindende renale Funktion im höheren Lebensalter ist zu beachten und eine eventuell erforderliche Dosisanpassung in Abhängigkeit der glomerulären Filtrationsrate durchzuführen. Unter www.dosing.de findet sich beispielsweise ein, von Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli (Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Universitätsklinikum Heidelberg) veröffentlichter, Dosisrechner bei Niereninsuffizienz. Weitere mögliche Hilfestellungen bieten Medikamenten-Interaktionen Online Dienste (siehe Anhang) sowie Interaktionsanzeigen bei online gestützten Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 8 Verschreibungsprogrammen. Dennoch liegt es in der Verantwortung des Verordners und hier auch an der klinischen Erfahrung des Mediziners, potentielle Interaktionen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Eine genaue klinische Statuserhebung und Einbindung des Betreuungs-, Pflegepersonals sowie der Familienangehörigen stellen weitere Eckpfeiler in der Therapiekontrolle dar. Patienten sollten, so weit möglich, über mögliche Nebenwirkungen bei Neuverordnungen aufgeklärt werden, um bei eventuellem Auftreten derselben eine nosologische Zuordnung finden zu können. Diskussion – SPEZIELLER TEIL Antidepressiva • Depression im Alter Im Rahmen der VITA Studie einer äußerst innovativen, prospektiven, bevölkerungsbezogenen und interdisziplinären Kohortenstudie von Fischer et al. (2008), welche vom Jahr 2000 an Risiko- und Schutzfaktoren der Demenz untersuchte, zeigten sich ebenfalls interessante Daten bezüglich Depression und Alter. Die Prävalenz für eine klinisch manifeste Depression liegt in Österreich bei nahezu 17 Prozent bei den >75 jährigen. Mindestens 6 Prozent in dieser Altersgruppe befinden sich zumindest in subklinischen Vorstadien (n=606).9 Untersucht wurden 606, genau 75-jährige Wiener, des 21. und 22. Wiener Gemeindebezirks. Bezüglich der Depression zeigte sich ausgehend von der Baseline 2000 ein steiler Anstieg. Der Anteil der klinisch bedeutsamen Depressionen stieg bei den 78-Jährigen auf 28 Prozent , bei den 80-Jährigen auf 31 Prozent an. Ätiologische Faktoren für die Entwicklung einer Depression im Alter sind sehr unterschiedlich (vgl. Tab. 3) und werden häufig durch eine somatische Komorbidität kompliziert. Typische Symptome und Anzeichen für das Vorliegen einer Depression zeigen im Alter einen deutlichen Unterschied zu den „klassischen -losigkeiten“ des jüngeren Patienten (z.B.: Schlaflosigkeit, Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, etc.). Meist kommt es zu einer Somatisierung, welche den Patienten zum Arzt führt. Auf Grund der häufigen Dominanz der körperlichen Symptome, wird bei älteren Patienten die Differentialdiagnose einer Depression oft gar nicht erst gestellt und sie bleibt daher oft un(ter)therapiert. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 9 Belastende # Hirnorganische Depressionen i.R. von Depressive Lebensereignisse, Alzheimer Demenz, Mb. Parkinson Episoden, Verlust Partner und # post-stroke Depression Bipolare Freunde durch Tod mit # endokrine/metabolische Erkrankungen Störungen, zunehmender (Schilddrüsenfehlfunktion, Diabetes Dysthymie Vereinsamung, mellitus) Heimunterbringung, # pharmakogene Depression z.B. durch Verlust Eigenständigkeit, ACE Hemmer, Antibiotika, Corticosteroide. körperliche Lipidsenker, Vitamin A Analoga, Interferon Einschränkungen # chron. Schmerzen, Behinderung Depressive Organische affektive Störungen Affektive Anpassungsstörung Erkrankungen DEPRESSION Nach Schmauß Max: Psychopharmakotherapie für ältere Menschen. Bremen: UNI-MED 2003, S.25 Tab. 3 In der PRISCUS-Liste 2011, welche 83 Wirkstoffe auflistet die potenziell inadäquat für ältere Menschen sind, werden von den klassischen Antidepressiva Amitryptilin (A: Saroten®)*, Doxepin (A: Sinequan®), Imipramin (A: Tofranil®), Clomipramin (A: Anafranil®), Maprotilin (A: Ludiomil®) und Trimipramin (D: Stangyl®) aufgelistet. Bei den SSRI wird Fluoxetin (A: Fluctine®, Mutan®) und aus der Gruppe der MAO Hemmer Tranylcypromin (D) verzeichnet. In der folgenden Besprechung der UAW spezieller Antidepressiva, wird vor allem auf die in der PRISCUS-Liste aufgelisteten Wirkstoffe eingegangen. Prinzipiell sollte die medikamentöse Behandlung depressiver Symptome nach dem Prinzip „start low and go slow“ erfolgen. In der akuten Phase sollte die Therapie mindestens sechs Wochen betragen. Zur Erhaltungstherapie bei Ersterkrankung wird ein Jahr empfohlen. Mit der Verordnung einhergehend sollte gleichzeitig eine Psychotherapie begonnen werden. Nach dem Expertenkonsens von Alexopoulos et al (2001) 10 beinhalten die präferierten psychotherapeutischen Techniken zur Behandlung der Depression beim geriatrischen Patienten eine kognitive Verhaltenstherapie, eine supportive und problemorientierte sowie eine interpersonelle Psychotherapie. Zusätzlich sollten die Familien und das betreuende Pflegepersonal in die Behandlung miteinbezogen werden. * Anmerkung: Dieser und jeder folgende in dieser Arbeit angeführte Handelsname, ist allenfalls auf Grund der Bekanntheit und meines subjektiven Erachtens im klinischen Alltag häufig verwendeter Präparate, gewählt und soll in keiner Weise eine Wertung/Abwertung oder Werbung/Negativwerbung für das Produkt darstellen. Alle zu diesem oder folgenden angeführten Wirkstoffen/Handelsnamen, geschilderten Nebenwirkungen sind in Fachinformationen belegt und durch anerkannte Studien veröffentlicht. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 10 • UAW trizyklischer Antidepressiva Prinzipiell sollten trizyklische Antidepressiva auf Grund ihres anticholinergen und kardiotoxischen Nebenwirkungsprofil nicht mehr als Mittel der ersten Wahl beim älteren Patienten eingesetzt werden. Vor allem Amitriptylin besitzt ein starkes anticholinerges Potential welches sich sehr rasch entwickelt und peripher zu Mundtrockenheit, Tachycardie, Obstipation, Gewichtszunahme, Harnverhalt, Glaukom sowie zentral u.a. zum Auftreten von deliranten Syndromen, Benommenheit, Schwindel, orthostatischer Hypotonie und Verwirrtheitszuständen führen kann. Des Weiteren zeigte sich vor allem unter einen hohen Dosierung von Amitriptylin in der Gruppe der 70-jährigen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer tiefen Venenthrombose (Jick SS , Li L. 2008).11 Auch das Risiko einer Hüftfraktur unter Amitriptylin i.R. eines Sturzes ist stark erhöht und wissenschaftlich belegt (Thapa PB et al., 1998). 12 Unter den gefährlichen kardiotoxischen Nebenwirkungen ist vor allem die Verlängerung des QT-Intervalls > 500ms zu nennen, welche die Gefahr lebensbedrohlicher ventrikulärer Tachyarrhythmien mit sich bringt. • UAW der SSRI – Selektive Serotonin Rückaufnahme Inhibitoren SSRI werden in der Geriatrie u.a. als Mittel der ersten Wahl zur Behandlung einer Major Depression ohne psychotischer Komponente beim älteren Patienten empfohlen. Bei vergleichbarer Wirksamkeit liegt ihr Vorteil gegenüber den Trizyklika in der verminderten Gefahr einer Überdosierung und einem günstigeren Nebenwirkungsprofil v.a. im Bereich der unerwünschten anticholinergen und kardialen Wirkungen. Als potentiell ungeeignetes SSRI wird in der PRISCUS-Liste Fluoxetin (A: Fluctine®, Mutan®) aufgelistet. Sowohl Fluoxetin, als auch Fluvoxamin (A: Floxyfral®) und Paroxetin (A: Seroxat®) führen als Inhibitoren im CYP 450 (2D6) System zu erhöhten Serumkonzentrationen entsprechender Substrate wie z.B. Fentanyl, Morphin, Haloperidol, Risperidon, div. ß-Blocker , Metocopramid u.a.. Zu den in der Geriatrie am Häufigsten eingesetzten SSRI gehören Citalopram (A: Seropram®) und Sertralin (A: Gladem®). Eine rezente „Rote Handmeldung“ vom November und Dezember 2011 warnt allerdings vor einer dosisabhängigen QT-Zeit Verlängerung unter Citalopram und Escitalopram (A: Cipralex®)13 und senkte die maximale Tagesdosis für ältere Patienten über 65 Jahre. Bei bekannter QT-Intervall Verlängerung bzw. angeborenem Long-QT-Syndrom oder gleichzeitiger Einnahme anderer Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 11 Arzneimittel welche bekannterweise zu einer QT-Verlängerung führen, sind beide Vertreter kontraindiziert. Vorsicht ist geboten bei älteren Patienten mit Herzinsuffizienz, bei Zustand nach Herzinfarkt, Bradyarrhythmien oder Neigung zu Elektrolytverschiebungen wie Hypokaliämien oder Hypomagnesiämien (medikamentös oder durch Begleiterkrankungen bedingt). Die Maximaldosis für Citalopram beträgt 40mg und für Escitalopram 10mg. Eine entsprechende Dosisanpassung ist bei Niereninsuffizienz mit einer GFR < 30ml/min einzuhalten. Sertralin führt zu keiner QT Verlängerung, wodurch auf Escitalopram eingestellte Patienten auf Sertralin umgestellt werden könnten. Aus diesem Grund sollte vor jeder primären Verordnung ein EKG durchgeführt werden und die QT-Zeit vor Beginn der SSRI Therapie dokumentiert und geprüft werden. Im Intervall sollte ein Monitoring durchgeführt werden, welches Kontrolluntersuchungen wie EKG, Elektrolyt-, Blutbild-, Nieren- und Leberwerte beinhaltet. Als weitere UAW von SSRI ist die Hyponatriämie als Folge eines Syndroms der inadäquaten Sekretion des antidiuretischen Hormons (SIADH) bekannt. Ebenso kann der Serotonin-Noradrenalin Rückaufnahme Hemmer (SNRI) Venlafaxin (A: Efectin®) zu einer Serumnatriumabnahme i.R. eines SIADH führen. Pathophysiologisch kommt es durch die vermehrte hypophysäre ADH Sekretion renal zu einer erhöhten Wasserretention mit nachfolgender Verdünnungshyponatriämie. Beim geriatrischen Patienten führt ein Serum Na < 135 mmol/l zu Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerz, Sturzneigung und Muskelkrämpfen. Bei einem Spiegel < 125 mmol/l treten lebensbedrohliche zerebrale Erscheinungen wie Halluzinationen, Krämpfe bis hin zu Koma, Delir und Atemstillstand durch ein Hirnödem auf. Die Therapie stellt das Absetzten des SSRI/SNRI und eine strenge Flüssigkeitsrestriktion (500-800 ml/d) dar. Die Erhöhung des Natrium Spiegels kann durch die vorsichtige Infusion einer hypertonen NaCl-Lösung erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass das Serum Natrium maximal um 10mmol/l in 24h steigen darf, da es bei zu schnellem Anstieg zu einer Flüssigkeitsverschiebung von Intra- nach Extrazellulär mit der Folge der Zellschrumpfung kommen kann. Im Gehirn könnte dies u.a. zu einer Demyelinisierung pontiner und extrapontiner Neurone führen. Zusätzlich sollte ein Vasopressin-Rezeptorantagonist eingesetzt werden. In einem Case-Report von Meyer et al. (Dtsch. Med. Wochenschrift, Mai 2012)14 wird Tolvaptan bei einem durch Venlafaxin induziertem SIADH zur Steigerung der Diurese empfohlen. Bisher sind Vaptane in Österreich jedoch noch nicht zugelassen. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 12 Bei den betroffenen Patienten handelt es sich meistens um ältere Frauen. Eine gefährliche Arzneimittelkombination stellen SSRI gemeinsam mit Nicht-Steroidalen- Antirheumatika (NSAR) dar. SSRI als solche können auf Grund einer Verminderung der Serotoninkonzentration in den Thrombozyten zu einer gestörten Plättchenfunktion führen. Durch die nachfolgende behinderte Thrombozytenaggregation kann es zu Blutungen u.a. im gastrointestinalen Trakt kommen (Yuan Y., Tsoi .K, Hunt RH 2006)15. Der Zusammenhang von SSRI Einnahme und gastrointestinalen Blutungen konnte in einer diesbezüglichen Meta-Analyse von Y. K. Loke et al. (2007) 16 belegt werden. In dieser wurden die Daten von vier Beobachtungsstudien mit insgesamt 153.000 Patienten ausgewertet. Nach dieser, 2007 im Alimentary Pharmacology & Therapeutics veröffentlichen Arbeit, steigt das relative Risiko für eine obere GIT- Blutung um das Sechsfache bei gleichzeitiger Einnahme NSAR und SSRI. Beim geriatrischen Patienten wird eine antidepressive und analgetische Medikation bei entsprechenden Grundkrankheiten oft in Kombination verordnet. Durch die oft chronischen Erkrankungen kommt es meist zu einer Dauertherapie und damit steigt die Gefahr des kumulativen Risiko. Abgesehen davon, dass beim älteren Patienten auf Grund der meist eingeschränkten Nierenfunktion NSAR an sich kontraindiziert sind, sollte vor Einleitung einer Therapie mit einem SSRI eine genaue Anamnese bzgl. Ulcusleiden und gastrointestinaler Blutung erhoben werden. Die gefährlichste Nebenwirkung der SSRI besteht in der potentiellen Auslösung eines Serotoninsyndrom. Durch Arzneimittelkombinationen serotonerger Wirkstoffe, durch deren Dosissteigerung oder deren Augmentation (zum Beispiel im Rahmen einer Abbaublockade durch CYP Hemmung), kann es zu einer übermäßigen Stimulation der Serotoninrezeptoren kommen. Klinisch kommt es zum Auftreten verschiedener Symptome, welche die Diagnosefindung oft erschweren (vgl. Abb. 2). SSRI Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin, Fluoxetin , Fluvoxamin SNRI Venlafaxin MAO-A-HEMMER Moclobemid TCA Amitryptilin, Imipramin, Clomipramin u.a. Antidepressiva: Johanniskraut, Mirtazepin, Trazodon Antibiotika: Linezolid SEROTONIN Antikonvulsiva: Oxacarbazepin, Carbamezipin atyp. Antipsychotika: Risperidon,Quetiapin, Olanzapin, Ziprasidon Analgetika: Tramadol, Fentanyl, Oxycodon, Pethidin Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 13 Migränemittel: Triptane Antiemetika: MCP, Ondansetron u.a.: Lithium, Kokain, LSD, Kokain Blockade des Abbau durch Hemmung CYP450 Enzymsystem in Leber Dosissteigerung Kombination SEROTONINSYNDROM Nach Sternbach (1991)17 müssen mindestens drei der nachfolgenden Symptome, zur Diagnose eines Serotonin Syndrom, vorliegen. Autonom vegetative Symptome einer neuromuskuläre Symptome Symptome zentralnervösen Erregung Pulsanstieg, Blutdruckanstieg, Unruhe, Halluzinationen, Tremor, gesteigerte Reflexe, Schwitzen, „Grippegefühl“ Akathisie, Hypomanie, Myoklonien, pathologische Übelkeit, (akutes) Erbrechen, Störungen des Bewusstseins, Reflexe, Krämpfe, Anfälle Durchfall, Kopfschmerzen, Koordinationsstörungen schnelle Atmung, Pupillenerweiterung Abb. 2 Als häufige Nebenwirkungen der SSRIs sind Übelkeit, Brechreiz und Kopfschmerz beschrieben. Vor allem zu Beginn der Behandlung kann es zu gastrointestinalen Nebenwirkungen kommen. Daher sollte auch hier wieder der allgemeine Grundsatz in der Therapie mit Psychopharmaka beim älteren Patienten „start low and go slow“ beachtet werden. Anxiolytika • UAW von Benzodiazepinen Anxiolytika werden in der Geriatrie hauptsächlich in Form von Benzodiazepinen angewendet. Diese wirken selektiv an GABA-A Rezeptoren. Auf Grund der altersbedingten Rezeptorenveränderungen und mitochondrialer reduzierter Funktion, ist der ältere Patient erheblich sensitiver für Sedativa wie z.B. Benzodiazepine. Hauptindikation stellt ihre angst- und spannungslösende Wirkung dar. Zudem wirken sie krampfhemmend, zentral muskelrelaxierend und in höherer Dosierung schlafanstoßend. Die Empfehlung lautet im höheren Lebensalter Benzodiazepine nur für einen kurzen Zeitraum zu verordnen. Bei zu langer Einnahmedauer besteht die Gefahr der Gewöhnung und Suchtentwicklung. Klinisch ist vor allem auf die veränderte Metabolisierung im Alter zu achten. Durch die verminderte Clearance und damit einhergehender verlängerter Eleminationshalbwertzeit steigt die Gefahr der Akkumulation. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 14 Nach ihrer Halbwertszeit werden Benzodiazepine in sehr kurz (< sechs Stunden), kurz (12-18 Stunden), mittel (24 Stunden) und langwirksame (24-48 Stunden) eingeteilt. In der PRISCUS-Liste sind langwirksame Benzodiazepine als generell ungeeignet für den geriatrischen Patienten angeführt. In diese Gruppe fällt u.a. Diazepam (A: Valium®). In sehr hohen Dosen führt es bei älteren Patienten u.a. zu Sedation, Ataxie und Fallneigung. Wegen ihrer amnestischen Wirkung können Benzodiazepine auch Ursache einer psychomotorischen Verlangsamung und kognitiver Dysfunktion sein. Auf Grund der muskelrelaxierenden Wirkung steigt die Sturzgefahr erheblich. Das relative Risiko einer Hüftfraktur bei über 65-jährigen unter der Einnahme eines langwirksamen Benzodiazepin wurde durch Ray et al. (1989)18 bereits beschrieben. Ebenso konnte ein delirogenes Potential der Benzodiazepine mehrfach nachgewiesen werden. Vor allem bei, auf der ICU (Intensiv Care Unit) aufgenommen, älteren Patienten mit einem Benzodiazepin in ihrer Medikamentenanamnese, besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Delir (Pisani et al. 2007). 19 Alprazolam (A: Xanor®) aus der Gruppe der mittellang wirksamen Benzodiazepine, ist mit der Einschränkung > 2mg in der PRISCUS-Liste angeführt. Potentielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen beim geriatrischen Patienten sind hier mögliche psychiatrische und paradoxe Reaktionen wie Unruhe, Reizbarkeit, Aggressivität, Verkennung, Wut, Alpträume, Halluzinationen, Psychosen, unangemessenes Verhalten und Verhaltensstörungen. Für Triazolam (A: Halcion®), einem sehr kurz wirksamen Benzodiazepin, wurden die pharmakokinetischen und -dynamischen Wirkungen auf den geriatrischen Patienten in einer Placebo kontrollierten randomisierten Doppelt-Blind-Studie an > 65-jährigen und einer Kontrollgruppe 30-jähriger getestet. Es zeigten sich bei der älteren Gruppe auf Grund der reduzierten Clearance erhöhte Plasmaspiegel. Klinisch äußerten sich diese in verstärkter Sedation und einer Einschränkung der psychomotorischen Funktionen im Vergleich zu der jüngeren Kontrollgruppe. Basierend auf dieser Studie von Greenblatt et al. (1991) sollte die verschriebene Triazolam Dosis für ältere Personen daher um die Hälfte reduziert werden:„(...) on the basis of these results, the dosage of triazolam for elderly persons should be reduced on average by 50 percent (...)“, Greenblatt et al. 1991)20. Auf Grund dieses Nachweises ist Triazolam auch auf der PRISCUS-Liste mit der Einschränkung > 0,25mg/die angeführt. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 15 Bei der Verschreibung von Benzodiazepinen für den älteren Patienten sollten nur Präparate mit kurzer Halbwertszeit und ohne aktive Metabolite gewählt werden. Lorazepam (A: Temesta®) und Oxazepam (A: Praxiten®) werden direkt ausgeschieden und sind daher zur Therapie gut geeignet. Dennoch sind sie mit einer Dosis Einschränkung auf der PRISCUS-Liste vermerkt. Für Lorazepam konnte ein erhöhtes Risiko für Hüftfrakturen im Rahmen von Stürzen erhoben werden (Pierfitte et al. 2001). 21 Die Dosis Einschränkung für Lorazepam liegt bei > 3mg/die. Für Oxazepam besteht die Einschränkung für > 60mg/die. Laut Fachinformation für „Praxiten® 15mg“ besteht die Gefahr des Blutdruckabfalls und damit einhergehender kardiologischer Probleme.22 Es sollte daher bei zu Hypotonie neigenden Patienten nur mit Vorsicht angewendet werden. Ein zusätzlicher Vermerk für ältere Patienten verweist auf die Möglichkeit des erhöhten Ansprechen auf Oxazepam bei Personen mit zerebraler Durchblutungsstörung und reduziertem Allgemeinzustand. Eine individuelle Dosierung und Kontrollen werden empfohlen. Des Weiteren wird auf die, wie oben bereits besprochen, erhöhte Sturzgefahr und das damit verbundene Knochenbruchrisiko auf Grund der muskelerschlaffenden Wirkung unter Oxazepam hingewiesen. • UAW von Nicht- Benzodiazepin-Tranquillantien Die von Schlafforschern als Z-Substanzen (weil ihre Namen mit Z beginnen) bezeichnete Gruppe von Nicht-Benzodiazepin-Agonisten, werden u.a. in der Geriatrie als moderne Schlafmittel eingesetzt. Deren Vertreter sind Zopiclon (A: Somnal®), Zolpidem (A: Ivadal®, Zoldem®) und Zaleplon. Sie binden an den gleichen Alpha1-Gaba A-Rezeptor Subtyp wie Benzodiazepine, haben einen ähnlichen Effekt, unterscheiden sich aber in ihrem strukturellen Aufbau von ihnen. Der Rezeptor ist verantwortlich für die sedierende Wirkung. Z-Substanzen werden daher als Schlafmittel eingesetzt, haben aber keine anxiolytische Komponente. Die muskelentspannende und krampflösende Wirkung ist im Vergleich zu den Benzodiazepinen niedriger. Bedauerlicherweise besitzen auch Z- Substanzen ein Abhängigkeitspotential und sollten daher nur kurzfristig eingesetzt werden. Das im klinischen Alltag beliebte Zolpidem kann, laut PRISCUS Liste, mit einer Einschränkung > 5mg/die für den älteren Patienten eingesetzt werden. Ein gesonderter Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 16 Warnhinweis für ältere Personen in der Fachinformation beschreibt unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie psychiatrische und paradoxe Reaktionen. Zusätzlich kann es vor allem zu Therapiebeginn zu Müdigkeit, Schläfrigkeit, Benommenheit, emotionalem Abstumpfen, verminderter Reaktion, Schwindel, Kopfschmerz, Muskelschwäche, Ataxie, Bewegungsunsicherheit und Sehstörungen (Doppelsehen) kommen (vgl. „Ivadal- Filmtabletten“ Fachinformation).23 Die ZNS Symptomatik wird als Dosis abhängig beschrieben. In einer 2001 von Wang et al. veröffentlichen Fall-Kontroll Studie 24 konnte ein Zusammenhang zwischen Hüftfrakturen bei > 65-jährigen durch Stürze und Zolpidem erhoben werden. Neuroleptika Neuroleptika werden in der Geriatrie einerseits beim alt gewordenen schizophrenen Patienten sowie bei im Alter diagnostizierter Schizophrenie und andererseits bei Wahnerkrankungen, Halluzinationen, Paranoia, Psychosen (u.a. durch hirnorganische Erkrankungen ausgelöst), akuten Delirien und zur Schlafinduktion eingesetzt. Pharmakologisch kommt es zu einer Dopamin-2-Rezeptor (D 2) Blockade. Ein zusätzlicher Antagonismus besteht bzgl. muskarinerger (M 1)-, Alpha 1, Histamin (H1)- und Serotoninrezeptoren (5-HT2A-Rezeptoren). Neben ihres antipsychotischen und zentral dämpfenden Effekts, wirken sie auch sedierend und antiemetisch. Aus der beschriebenen Arzneimittelwirkung heraus zeigt sich auch das weite Spektrum der möglichen unerwünschten Nebenwirkungen, wie vegetative und extrapyrimidal-motorische Störungen (EPMS) (vgl. Tab. 4). Sie sollten daher vor allem beim älteren Patienten nur bei strenger Indikation verordnet werden. Blockade UAW Neuroleptika generell (je nach Rezeptorblock für klassische und atypische NL weniger oder mehr zutreffend) D2 Blockade EPMS +Frühdyskinesien: Zungenschlundkrämpfe, Verkrampfung mimische Muskulatur, Bewegungsstörungen von Hals und Armen, manifestieren sich schon in 1. Therapiewoche +Parkinsonsyndrom: Rigor, Tremor, Akinesie in 2. Therapiewoche +Akathisie: motorische Unruhe mit ständigem Bewegungsdrang nach monatelanger Behandlung +Spätdyskinesien: Saug-, Schmatz-, Kau- und Zungenbewegungen Hyperprolaktinämie, Unterkühlung (Hypothalamus) Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 17 5-HT2a Hypotension, Gewichtszunahme durch Appetitsteigerung, Depression Blockade Alpha1 Schwindel, Reflextachykardie, Orthostase Blockade M1 Blockade Akkomodationsstörung, Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt, Sinustachykardie H1 Blockade Sedierung, Schläfrigkeit, Gewichtszunahme Tab. 4 Zusätzlich zu den generellen Nebenwirkungen der Neuroleptika zeigen bestimmte Substanzen zusätzliche UAW durch welche sie für den geriatrischen Patienten kritisch zu betrachten und daher in der PRISCUS-Liste angeführt sind. Speziell diese Substanzen werden nun nachfolgend besprochen. Klassische Neuroleptika sollten beim älteren (dementen) Patienten nur bei sehr schweren Wahn-, Halluzination- und Verwirrtheitszuständen mit hoher Aggressivität zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Therapien versagen und es zu einer zunehmenden Selbst- und Fremdgefährdung kommt. In diesem Fall ist Haloperidol (A: Haldol®) als parenterale Notfallmedikation zugelassen. Schon bei geringen Dosen kann es allerdings zur Ausbildung extrapyrimidal-motorischer Störungen kommen. Die vegetativen Nebenwirkungen treten eher in den Hintergrund. Dennoch besteht das Risiko zur Entwicklung von tödlichen kardialen Torsaden auf Grund einer potentiellen QT- Verlängerung. Die Gefahr dazu steigt bei bereits bestehender QT Intervall Verlängerung zu rascher Infundierung und Dosen > 2mg (=empfohlene initiale Dosis bei schwerer Agitiertheit beim alten Patienten). 25 Einhergehend mit einer event. Hypotonie und stärkerer Sedierung steigt auch das Sturz- und Frakturrisiko. Beim älteren Patienten sollten prinzipiell nur niedrige Dosen atypischer Neuroleptika verwendet werden, da sie ein geringeres Nebenwirkungsspektrum bzgl. der extrapyrimidal-motorischen Störungen gegenüber den konventionellen, klassischen Neuroleptika aufweisen. Für demente Patienten besteht allerdings eine erhöhte Schlaganfall- und Sterberate unter Atypikern. Vor allem für Olanzapin (A: Zyprexa®) konnte dies nachgewiesen werden. In einer Übersicht aus fünf Placebo kontrollierten Studien zeigte sich eine auf das doppelte erhöhte Mortalität im Vergleich zu Placebo sowie eine um das dreifache erhöhte Inzidenz Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 18 zerebrovaskulärer Ereignisse im Vergleich zu Placebo. Es ist daher für Demenz assoziierte Psychosen und Verhaltensstörungen nicht zulässig und wird in dieser speziellen Patientengruppe generell nicht empfohlen. 26 Eine Ausnahme stellt Risperidon (A: Risperdal®) dar. Dieses alleine ist für den dementen Patienten mit „psychotischer Störung“ zugelassen. Vorteil ist die fast gänzlich fehlende anticholinerge Wirkung. Allerdings besteht auch hier das erhöhte Risiko zerebrovaskulärer Ereignisse. Die Fachinformation für Risperdal® wurde 2004 daher um den eindrücklichen Hinweis der erhöhten Gefahr einer TIA und eines Insult beim dementen älteren Patienten ergänzt. Bei zusätzlichen prädisponierenden Komorbiditäten wie Bluthochdruck, kardiovaskulären Erkrankungen und bei vaskulärer Demenz ist das Risiko- Nutzen Verhältnis sorgfältig und individuell abzuwägen. 27 Clozapin (A: Leponex®) sollte in der Geriatrie nur bei therapieresistenten schizophrenen Psychosen und Parkinson-Psychosen angewendet werden. Es führt zu Agranulozytose und wegen einem starkem sedierenden Effekt und orthostatischer Hypotonie auch zu einem erhöhten Sturzrisiko.28 Vor allem unter Olanzapin (A: Zyprexa®) kann es zu einer deutlichen Gewichtszunahme kommen, was oft der Grund einer verminderten Medikamentencompliance ist und zum Therapieabbruch führt. Ein sehr häufig eingesetztes NL in der Geriatrie ist Quetiapin (A: Seroquel®), welches auch nicht in der PRISCUS-Liste geführt wird. Dennoch führt es als Strukturanaloga von Clozapin und Olanzapin zu ähnlichen UAW wie Gewichtszunahme und selten auch zu Agranulozytose. Durch die Alpha-1 Blockade besteht die Gefahr der orthostatischen Dysfunktion mit Schwindel und damit einhergehend ein erhöhtes Sturzrisiko. Durch die Blockade am Histamin Rezeptor wirkt es zusätzlich sedierend. Auf Grund der großen Zahl möglicher UAW beim geriatrischen Patienten sind Neuroleptika nur bei strenger Indikation zu verordnen. Alexopoulos et al. (2004) definieren in ihrem Experten Konsensus: „(...) zur Verwendung antipsychotischer Substanzen beim älteren Patienten (...)“ 29 jene untenstehenden Erkrankungen für welche Neuroleptika nicht empfohlen werden. Hierbei handelt es sich um das Ergebnis einer Umfrage unter 48 amerikanischen Ärzten (Psychiater, Internisten und Hausärzte), welche Patienten mit > 65 Jahren betreuen. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 19 • Panikstörungen • generalisierte Angststörungen • schwere nichtpsychotische Depressionen • Hypochondrie • neuropathische Schmerzen • Schlafstörungen, Insomnie • Nausea • Feindseligkeit und Irritabilität Schlafmittel-Hypnotika Schlafstörungen sind ein häufiges Leiden des geriatrischen Patienten. Die Prävalenz liegt bei 13-47 Prozent der älteren Personen. Die dreijährigen EPESE Langzeitstudie („Established Populations for Epidemiologic Studies of the Elderly“) 30 ergab, dass 49 Prozent der älteren Menschen (>65-jährige, n=9000) an einer chronischen Schlafstörung leiden; das heißt wiederum: jede/jeder zweite in dieser Altersgruppe ist betroffen. Im dreijährigen Follow-up zeigte sich zudem eine jährliche Inzidenz von fünf Prozent der Schlafstörungen.31 Während bei Jüngeren die Ursachen des gestörten Schlafes meist im privaten und/oder beruflichen Umfeld liegen, sind bei den Menschen > 65 Jahre, 80 Prozent der Insomnie auf organische und psychische Gründe alleine oder in Kombination zurückzuführen. Bei 20 Prizent handelt sich um primäre Insomnien (Hohagen F. et al, 1994). 32 Therapeutisch sollten primär nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Beratung und Änderung des Schlafverhaltens durchgeführt werden (siehe diesbezügliche Literatur). Medikamentös werden vor allem Benzodiazepine und Z-Substanzen angewendet. Aber auch Antidepressiva und Neuroleptika kommen zum Einsatz. Bereits in den Vorkapitel wurde auf diese Medikamente eingegangenen. Im Folgenden werden daher nur mehr ihre UAW bzgl. der Verwendung als Hypnotika besprochen. Die Benzodiazepinauswahl sollte nach dem Gesichtspunkt, ob es sich um eine Ein- oder Durchschlafstörung handelt, erfolgen. Es sollte zum raschen Wirkeintritt kommen und eine kurze Halbwertszeit besitzen. Präparate mit langer Halbwertszeit eignen sich nicht als Schlafmittel, da die Gefahr der Kumulation vor allem bei öfterer Verabreichung besteht. Durch die hohen Konzentration im Serum kann es dann zum so genannten hang-over Effekt kommen, wobei die Patienten auch am nächsten Tag müde, matt und teilweise Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 20 sediert sind bzw. eine beeinträchtigte Kognition und ein verlangsamtes Reaktions- und Konzentrationsvermögen aufweisen. Es kann auch zum so genannten Rebound- Symptom oder zu paradoxen Reaktionen auf Benzodiazepingabe mit Angstzuständen, Wutausbrüchen und Übererregung kommen. Diese UAW können sich allerdings auch schon unter therapeutischer Dosierung einstellen. Problematisch wäre hier eine Unterdosierung als Grund der Verhaltensauffälligkeit zu diagnostizieren und eine Steigerung derselben vorzunehmen. Durch übermäßige Sedierung am nächsten Tag und die hinzukommenden muskelrelaxierenden Nebeneffekte der Benzodiazepine, kann es darüber hinaus gehäuft zu Stürzen mit Schenkelhalsfrakturen und anschließender Immobilisastion, mit deren oft dramatischen Folgen für den betagten Patienten, kommen. Eine Alternative stellen die bereits besprochenen Z-Substanzen dar. Bei diesen, wie auch bei den Benzodiazepinen, besteht allerdings die Gefahr der Sucht- und Abhängigkeitsentwicklung. Bei Dauereinnahme kann es auch zum Wirkverlust kommen. Die psychische und physische Benzodiazepinabhängigkeit kann vermieden werden, wenn man generelle Verordnungsempfehlungen für Hypnotika und deren Einsatz beim alten Menschen beachtet (vgl. Schmauß, 2003): • kurzfristiger Einsatz zur Entlastung auf Grund akuter Schlafstörungen (organisch, situativ, reaktiv bedingt) • primäre (Einstiegs-)Therapie bei chronischen Schlafstörungen • Begleittherapie z.B. bei nächtlichen Infusionen, bei psychischen Erkrankungen zur Unterstützung der Grunderkrankungstherapie • Die Maxime lautet Ausschleichen statt Absetzen! Wichtige Entzugserscheinung bei Benzodiazepinabhängigkeit sind: Psychische Symptome Reizbarkeit, Angst, Wut, Unruhe, Depressio, Wahrnehmungsstörungen Neuropsychiatrische Komplikationen Psychose bis Delir, Krampfanfall, Suizidalität, Tremor, Schwäche, Müdigkeit, Insomnie Somatische /Vegetative Symptome Übelkeit, Angina Pectoris, Hypertonus, Fieber, Hyperhidriosis Tab. 5 Nach der österreichischen Geriatrie Expertise vom Jänner 2007 gilt allerdings, ein eventuell Jahrzehnte eingenommenes, gut verträgliches und wirkungsvolles Präparat (z.B. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 21 Flunitrazepam) beim älteren Patienten nicht plötzlich abzusetzen. Regelmäßige Ausschleichversuche werden empfohlen. 33 Unter den Z-Substanzen findet besonders Zolpidem (A: Ivadal®) breites Ansprechen im klinischen Alltag. Z-Substanzen haben wie bereits erwähnt ein geringeres Abhängigkeitspotential als Benzodiazepine. Des Weiteren verfügen sie über eine kürzere Halbwertszeit und führen daher weniger oft zur Rebound-Symptomatik. Kognitive und sensorische Störungen unter Zolpidem werden von vielen Autoren zitiert. Bei den eingesetzten Antidepressiva muss an die vegetativen und vor allem an die anticholinergen Nebenwirkungen gedacht werden. Auf Grund ihrer teilweise antihistamin- oder antiserotonergen Wirkweise, werden sie als Schlafmittel eingesetzt. Für Triazolam sind häufig Halluzinationen beschrieben worden. Klassische Neuroleptika in sehr niedriger Dosierung oder niedrig potente Neuroleptika bergen wiederum die Gefahr der extrapyrimidal-motorischen Störungen. Bei längerer Einnahmedauer muss beim alten Patienten immer auf die UAW der Spätdyskinesie geachtet werden. Phytotherapeutika bei Spannungs- und Erregungszuständen werden von Patienten oft bereits eingenommen und nicht selten bei der Frage nach der Dauermedikation nicht angegeben. Über mögliche Interaktionen und Nebenwirkungen diverser Phytopharmaka gibt es nur wenige Berichte. Johanniskraut (Hypericum perforatum) beispielsweise, welches für seine milde stimmungsaufhellenden Wirkung bekannt ist, führt als Induktor von CYP 3A4 zu erniedrigten Serumkonzentrationen diverser Substrate (z.B.: SSRI, Statine, TCA, Fentanyl, Amlodipin, PPI, Cumarine(!), Theophyllin, etc.). Für Baldrian (Valeriana) ist eine schlaffördernde Wirkung belegt. Nach Wheatley ist Baldrian für den älteren Patienten, vor allem wegen seines Tiefschlafphasen verlängernden Effektes, geeignet. „...it does have profound beneficial effects on sleep architecture (augments deep sleep) that may make it particularly suitable for long-term use and for the elderly...“ (Wheatley, 2005)34 Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 22 Problematisch werden frei verkäufliche OTC (over the counter) Kombinationspräparate, deren Zusammensetzung, Wirkweise und mögliche Interaktionen gerade beim geriatrischen multitherapierten Patienten nicht vorherzusagen sind. Empfohlene Hypnotika im Alter sind nach der österreichischen Geriatrie Expertise vom Jänner 2007 Mirtazepin (A: Mirtabene®) und Trazodon (A Trittico®). Zusammenfassung Beim geriatrischen Patienten gibt es auf Grund psychischer und organischer Erkrankungen, ebenso wie beim jungen Patienten, oft die Indikation zur Verordnung psychotroper Substanzen. Im Gegensatz zu den < 65-jährigen ist aber beim älteren Patienten auf die geänderte Pharmakokinetik und -dynamik zu achten. Stationäre Einweisungen auf Grund unerwünschter Arzneimittelwirkungen sind in 23 Prozent der Fälle durch Psychopharmaka bedingt. Die häufigsten Nebenwirkungen sind unter anderem Sedierung, Parkinsonoid, anticholinerge Nebenwirkungen, Orthostase, kardiale und metabolische Nebenwirkungen. Des Weiteren kann es auf Grund multipler Komorbiditäten und entsprechender Polypharmazie zu Arzneimittelinteraktionen des oft multitherapierten älteren Patienten kommen. Depressionen gehören zu den häufigsten gerontopsychiatrischen Erkrankungen. Bedauerlicherweise werden sie oft spät oder gar nicht erkannt und bleiben oft un(ter)therapiert. Beim Einsatz von Antidepressiva wird von Trizyklika beim geriatrischen Patienten auf Grund des anticholinergen Nebenwirkungsprofiles eher abgeraten. Bei den SSRI sollte auf die mögliche Blutungskomplikation, vor allem bei gleichzeitiger NSAR Einnahme, und auf eine mögliche QT Verlängerung geachtet werden. Ein erhöhtes Sturzrisiko ist nachgewiesen. Vor Therapiebeginn sowohl mit Neuroleptika als auch Antidepressiva sollte eine EKG Kontrolle zur Dokumentation der QT-Zeit sowie eine Laborkontrolle der Elektrolyte (Cave: Hyponatriämie), Nieren- und Leberwerte immer erfolgen. Des Weiteren sollte eine einmal eingeleitete Therapie regelmäßig auf ihre Wirkung und Indikation geprüft werden. Eine medikamentöse antidepressive Therapie sollte, so weit möglich, auch immer mit einer psychotherapeutischen Betreuung einhergehen. Ältere Patienten, vor allem Männer, sind diesbezüglich allerdings noch unterversorgt. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 23 Bei den Benzodiazepinen sollten langwirksame Substanzen vermieden werden. Auf eine kurzfristige Verordnung bei bekanntem Abhängigkeitspotential ist zu achten. Beim Auftreten einer paradoxen Reaktion auf Benzodiazepine besteht die Gefahr der Fehldiagnose „Unterdosierung“. Eine wirksame Alternative stellen die so genannten. Z- Substanzen dar. Aus der Gruppe der Neuroleptika sind im Alter atypische Substanzen zu bevorzugen. Die „Klassischen Neuroleptika“ sind für den dementen geriatrischen Patienten generell ungeeignet und sollten nur als parenterale Akutintervention verwendet werden. In diesem Fall ist Haloperidol (A: Haldol®) als parenterale Medikation zugelassen. Auf Grund einer QT Verlängerung gehen sie mit einem erhöhten kardiovaskulärem Risiko einher. Auch eine gesteigerte Insult- und TIA- Rate ist unter Neuroleptika Einnahme bekannt. Auf Zeichen eventueller extrapyrimidal-motorischer Störungen ist von Therapiebeginn an zu achten. Des Weiteren besitzen sie ein anticholinerges Potenzial. Eine erhöhte Pneumonierate, orthostatische Dysregulation und Sedierung mit Stürzen können Gründe einer Klinikeinweisung und längerer Immobilisierung des geriatrischen Patienten sein. Die Behandlung des geriatrischen Patienten mit Psychopharmaka ist allgegenwärtig. Neben der Therapie primärer psychiatrischer Erkrankungen werden psychotrope Arzneimittel auch als Hypnotikum, Anxiolytikum und Tranquilizer verordnet. Die allgemeine Maxime „start low and go slow“ sollte in der Verordnung immer beachtet werden, um unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Interaktionen oder eine Therapieresistenz früh zu erkennen und so den gealterten Patienten vor möglichen Nebenwirkungen bewahren zu können. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 24 Anhang Checkliste Psychopharmakaverordnung: ✔ Indikation stellen ✔ Grunderkrankungen? ✔ Polypharmazie und Interaktionen mit bestehenden Medikamenten beachten (NSAR, QT verlängernde Substanzen, serotoninerge-, anticholinerg wirksame Substanzen vorhanden?) ✔ Dauerverordnung oder Akutintervention? (in Klinik vor Entlassung: stationär verordnete Schlafmedikation, Anxiolytikum überprüfen) ✔ Compliance gegeben? ✔ Bei Dauertherapie: regelmäßige Blutbild, Nieren-, Leberwerte und Elektrolytkontrolle. Anamnese hinsichtlich Schwindel, zunehmende Sturzneigung, anticholinerge Nebenwirkungen. EKG Kontrollen. ✔ Regelmäßige Evaluation der Dauermedikation auf (noch gegebene) Indikation ✔ ggf. Psychotherapie einleiten. Internetadressen bzgl. Mediakmentensicherheit: • www.dosing.de: Online Dosiskalkulierung bei Niereninsuffizienz (Prof. Dr. med. Walter E. Haefeli, Abt. Klinische Pharmakologie & Pharmakoepidemiologie, Universitätsklinikum Heidelberg). • www.torsades.org: Fortlaufend aktualisierte Medikamentenliste und Hinweise bzgl. Medikamente welche eine Torsade des pointes induzieren. • www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/index.html : Von pharmazeutischen Unternehmern versandte „Rote-Hand-Briefe“, welche über aktuelle Arzneimittelrisiken und Änderungen der Fachinformation informieren. • http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf : Liste potentiell inadäquater Medikation für den älteren Patienten. Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
Seite 25 Literatur Print Anditsch M.:Gerontopharmakologie in der Psychiatrie, Vorlesung im Rahmen des Geriatrie Diploms 2011/2012,. Linz am 02.03.2012 Anditsch M., Fasching P., Psota G., Rainer M., Walter A.: Psychopharmaka Austria. IFPA Interdisziplinäres Forum für Psychopharmako-Therapie im Alter. Wien: 2009 Beubler, Eckhard: Kompendium der Pharmakologie. Gebräuchliche Arzneimittel in der Praxis. 2. Auflage. Wien: Springer 2007 Förstl H., Lautenschlager M .M., Lautenschlager N. T., Laux G.: Psychopharmaka in Geriatrie und Gerontopsychiatrie. In: Riederer Peter, Laux Gerd (Hrsg.): Grundlagen der Neuro Psychopharmakologie. Ein Therapiehandbuch. 8. Auflage. Wien: Springer 2009 Herold Gerd und Mitarbeiter: Herold.Innere Medizin. Eine vorlesungsorientierte Darstellung 2009. Köln: Herold 2009 Österreichische Gesellschaft für Geriatrie (Hrsg.): Polypharmazie. Wien: 2009 Schmauß Max: Psychopharmakotherapie für ältere Menschen. Bremen: UNI-MED 2003 Literatur Internet PRISCUS Liste: http://priscus.net/download/PRISCUS-Liste_PRISCUS-TP3_2011.pdf (Liste potentiell inadäquater Medikation für den älteren Patienten) 12.03.2012 Psychopharmaka im Alter: http://www.medizin-medien.at/mm/mm015/low_Psychopharmaka.pdf , Anditsch M., Fasching P., Psota G., Rainer M., Walter A.: Psychopharmaka im Alter“, neuropsy, Wien: Clinicum, 2010 (17.05.2012) Psychopharmaka im Alter-was ist noch erlaubt: http://www.medizin-medien.at/mm/mm028/low_expertise_psychopharmaka_0612.pdf, Anditsch M., Fasching P., Psota G., Rainer M., Zifko U.: Psychopharmaka im Alter-was ist noch erlaubt?“, neuropsy. expertise, Wien: Clinicum, 2012 Der schwierige Patient im Pflegeheim: http://www.medizin-medien.at/mm/mm003/GPOE_Exp_SchwPat.pdf, Jagsch Ch. et al., Geriatrie Praxis Österreich expertise, Wien: 2007 (20.04.2012) Neuroleptika: http://www.medizin.uni-greifswald.de/pharmako/klin_pharm/Neuroleptika_WS06.pdf, Klinische Anwendung von Neuroleptika PupMed: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed (Studiensuche) Hausarzt& Geriatrie: http://www.klinische-pharmazie.org/veranst/Arzneimittelverordnung%20Geriatrie %20.pdf, Wächter E., Metz B.: Herausforderungen der Arzneimittelverordnungen beim geriatrischen Patienten aus ärztlicher Sicht, 2009 (15.03.2012) Dr. Christiana Kren – ÖÄK Diplom Geriatrie 2011 / 2012
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