KÖNIG ÖDIPUS Sophokles - Begleitmaterial zum Stück - Vorarlberger Landestheater
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KÖNIG ÖDIPUS Sophokles Großes Haus | 14+ Begleitmaterial zum Stück Premiere Sa, 18.09.2021, 19:30 Uhr, Großes Haus Vorstellungen Di, 21.09. / Sa, 25.09. / Do, 30.09. / Fr, 01.10. / So, 03.10., 19:30 Uhr Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, keine Pause
Es spielen Teiresias | Hirte Manfred Böll Iokaste Vivienne Causemann Kreon Luzian Hirzel Ödipus David Kopp Priester | Chor Nico Raschner Botin aus Korinth | Chor Elke Maria Riedmann Livemusiker Oliver Rath Inszenierung & Bühne Johannes Lepper Kostüm Monika Gebauer Musik Johannes Lepper, Oliver Rath Licht Arndt Rössler Dramaturgie Stephanie Gräve Mitarbeit Inszenierung & Dramaturgie Elias Lepper Ausstattungsassistenz Leslie Bourgeois Inspizienz Eva Lorünser Theaterpädagogik Katherine Haas Aufführungsrechte Suhrkamp Verlag Berlin In einer Übersetzung von Jean Bollack Fotos © Anja Köhler 2
Liebe Lehrerinnen und Lehrer, Die Geschichte ist so bekannt wie schnell erzählt: Ödipus, König von Theben, Befreier des thebanischen Volks von der tyrannischen Sphinx, wollte vor einer Prophezeiung fliehen, wollte nicht die entsetzliche Schuld auf sich laden, die ihm prophezeit war – und wurde doch schuldig. Ein grausames Schicksal, verhängt von fühllosen Göttern, für das Ödipus selbst keine Verantwortung trägt?! Bedeutet denn Nichtwissen: nicht verantwortlich sein – oder sind wir nicht vielmehr mitverantwortlich für unser Nichtwissen, weil wir hätten wissen können? Womöglich beginnt unsere Verantwortung weit früher, als wir uns eingestehen … Sophokles‘ uraltes Familiendrama erzählt die Geschichte eines Mannes, der, als er seine Verblendung erkennt, diese blutig real werden lässt, wie einen Krimi: Wer ist der schuldbeladene Mensch, dessentwegen die Seuche im Land wütet? Wie Zeuginnen und Zeugen vor Gericht treten all diejenigen auf, die das Geheimnis enthüllen können. Ödipus jedoch will die Wahrheit nicht sehen; eher beschuldigt er Teiresias, den Überbringer der Botschaft, und seinen Schwager Kreon des Verrats. Immer tiefer verstrickt er sich in seine Lebenslüge. Am Ende ist es eine Frage von Verantwortung, Verantwortung, die ein Mensch zu tragen bereit ist. Oder eben nicht. ÖDIPUS verhandelt diese Menschheitsfrage, und ist deshalb nicht nur philosophisch und literarisch ein bis heute gültiger Stoff, sondern mit dieser Debatte brandaktuell und hochpolitisch. Denn sind nicht auch wir versucht, uns der Verantwortung zu entziehen, verschließen nicht auch wir die Augen – vor der Zerstörung unserer Welt zum Beispiel durch unseren Lebensstil, vor dem Leid, das wir (unwissentlich, wirklich?) über andere bringen?! Johannes Lepper, der zuvor an unserem Haus die Regie für DIE VÖGEL, KÖNIG OTTOKARS GLÜCK UND ENDE sowie Shakespeares JULIUS CAESAR (im Rahmen des Projekts COLD SONGS: ROM) übernahm, inszeniert in dieser Spielzeit mit KÖNIG ÖDIPUS eine klassische Tragödie, die zu den herausragenden Werken der Weltliteratur gehört. Das vorliegende Begleitmaterial zur Inszenierung richtet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die mit ihrer Klasse eine Vorstellung im Vorarlberger Landestheater besuchen und diese vor- oder nachbereiten wollen. Das Material liefert Ihnen weitere Informationen zur Tragödie, zur Inszenierung sowie thematisch passende und weiterführende Texte. Als Anregung bietet dieses Begleitmaterial für Sie thematische Anknüpfungspunkte und Fragestellungen sowie spielpraktische Übungen, die zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Stück in Ihrem Unterricht einladen. Wir wünschen Ihnen und Ihren Schüler:innen viel Spaß! Stephanie Gräve, Katherine Haas, Katrin Malang-Rüf, Stefanie Seidel 3
Inhalt Zum Autor……………………………………………………....……………………….. Seite 6 Einführung in die griechische Tragödie………………………………………. Seite 6 Zur Tragödie……………………………………………………....…………………….. Seite 8 Brief an Goethe vom 2. Oktober 1797………………...….………………….. Seite 8 Philosophische Briefe über Dogmaticismus und Kriticismus………………. Seite 8 Die Struktur der Mythen………………………………...….………………….. Seite 9 Durch Leiden lernen………………...……………………...………………….. Seite 9 Zu König Ödipus………………………………………...……...…………………….. Seite 10 Übergang zur griechischen Welt…….………………...….………………….. Seite 10 Ödipus als Gestalt…….………………………….……...….………………….. Seite 11 Zum Einstieg…………………………………………………………………………….. Seite 12 Theater als Spiegel des Lebens.…….………………...….………………….. Seite 12 Die Ausgangssituation………….…….………………...….………………….. Seite 12 Die Vorgeschichte……………….…….………………...….………………….. Seite 14 Der Stammbaum des Ödipus………...………………...….………………….. Seite 14 Die Handlung des Stückes………..….………………...….………………….. Seite 15 Die Figuren……………………….…….………………...….………………….. Seite 16 Zur Inszenierung………………………………………………....…………………….. Seite 17 Der Regisseur………….……………………....……………………………….. Seite 17 Zur Theaterpädagogik………………………………………………………………….. Seite 19 Themen | Bildungsplanbezug | Theaterpädagogische Angebote…………. Seite 19 Fragen zur Vor- und Nachbereitung………………………………..………… Seite 20 Theaterpädagogische Übungen………………………………………………. Seite 27 Zu Ihrer Sicherheit……………………………………………………………………… Seite 31 5
Zum Autor Einführung in die griechische Tragödie Das Leben des Sophokles Bei Sophokles hat die alte Tradition, die Behandlung der Werke eines Dichters mit einem Abriß seines Lebens zu beginnen, ihren besonders guten Sinn. Leben und Werk stehen hier in so enger Beziehung, daß wir wohl nicht einmal die Hälfte vom Sinn der Tragödien erfassen würden, wenn wir das Leben des Dichters nicht kennten. Unter Leben ist hier allerdings nicht zu verstehen die Ansammlung äußerer Daten - der 'tabellarische Lebenslauf’ -, sondern das umfassende Sein, die Position im Bezugsgeflecht von Menschen und Ideen. Sophokles hat von 496-406 [v. Chr.] gelebt, sein Leben deckt sich also fast vollständig mit dem gesamten 5. Jahrhundert [v. Chr.] Er hat im Athen (…) [dieser Zeit] gelebt; das bedeutet: er hat den (…) Aufschwung, aber auch den (…) Niedergang des Polis-Staates Athen miterlebt. Aus Fabrikantenkreisen stammend, fand er dank guter Ausbildung früh Eingang in die Intellektuellenzirkel. Er war mit allen großen Geistern jener Zeit bekannt oder befreundet: Herodot, Phidias, Anaxagoras, Protagoras, natürlich auch Aischylos, Euripides und Aristophanes (…). Sophokles war in Athen nicht nur geboren, sondern tief mit Athen verwachsen. (…) Erkennen läßt sich das zunächst an äußeren Anzeichen: Mehrere politische und auch militärische Ämter, die ihm angetragen wurden, hat Sophokles übernommen und ausgefüllt: so war er im Jahre 442 [v. Chr.] (…) Mitglied desjenigen Kollegiums, das die Beiträge der Bundesstaaten zu verwalten hatte; zweimal war er (…) Mitglied des Generalstabs, 441/40 [v. Chr.] zusammen mit Perikles (…). Sophokles war voll in das Leben seiner Zeit integriert, und zwar nicht nur in das geistige, sondern auch in das politisch-praktische Leben; er hat höchste Staatsämter bekleidet und damit Verantwortung übernommen. Er blickte nicht von außen auf die Stadt, sondern gestaltete sie mit, von innen her. Sophokles war ein Bürger seiner Stadt - mit Wahrnehmung aller Rechte dieses Bürgers, ein im besten Sinne des Wortes freier Mann. Was er in seinen Tragödien zu sagen hatte, war nicht das Wort des Poeten an das geneigte Publikum, sondern das Wort des Bürgers an seine Mitbürger. Auch Sophokles, wie alle anderen attischen Dramatiker, war also kein 'Unterhalter', aber auch nicht eigentlich ein 'Lehrer seines Volkes', sondern eher ein 'Bedenker, Berater' und wohl auch ein ‚Mahner‘. Joachim Latacz 6
Zur Tragödie Brief an Goethe vom 2. Oktober 1797 Ich habe mich dieser Tage viel damit beschäftigt, einen Stoff zur Tragödie aufzufinden, der von der Art des Oedipus Rex wäre und dem Dichter die nämlichen Vorteile verschaffte. Diese Vorteile sind unermeßlich, wenn ich auch nur des einzigen erwähne, daß man die zusammengesetzteste Handlung, welche der tragischen Form ganz widerstrebt, dabei zum Grunde legen kann, indem diese Handlung ja schon geschehen ist und mithin ganz jenseits der Tragödie fällt. Dazu kommt, daß das Geschehene, als unabänderlich, seiner Natur nach viel fürchterlicher ist, und die Furcht, daß etwas geschehen sein möchte, das Gemüt ganz anders affiziert, als die Furcht, daß etwas geschehen möchte. Friedrich Schiller Philosophische Briefe über Dogmaticismus und Kriticismus „Zehnter Brief“ (1795) Man hat oft gefragt, wie die griechische Vernunft die Widersprüche ihrer Tragödie ertragen konnte. Ein Sterblicher - vom Verhängniß zum Verbrecher bestimmt, selbst gegen das Verhängniß kämpfend, und doch fürchterlich bestraft für das Verbrechen, das ein Werk des Schicksals war! Der Grund dieses Widerspruchs, das, was ihn erträglich machte, lag tiefer, als man ihn suchte, lag 2 im Streit menschlicher Freiheit mit der Macht der objectiven Welt, in welchem der Sterbliche, wenn jene Macht eine Uebermacht - (ein Fatum) - ist, nothwendig unterliegen, und doch, weil er nicht ohne Kampf unterlag, für sein Unterliegen selbst bestraft werden mußte. Daß der Verbrecher, der doch nur der Uebermacht des Schicksals unterlag, doch noch bestraft wurde, war Anerkennung menschlicher Freiheit, Ehre die der Freiheit gebührte. Die griechische Tragödie ehrte menschliche Freiheit dadurch, daß sie ihren Helden gegen die Uebermacht des Schicksals kämpfen ließ: um nicht über die Schranken der Kunst zu springen, mußte sie ihn unterliegen, aber, um auch diese, durch die Kunst abgedrungne, Demüthigung menschlicher Freiheit wieder gut zu machen, mußte sie ihn - auch für das durch’s Schicksal begangne Verbrechen - büßen lassen. So lange er noch frei ist, hält er sich gegen die Macht des Verhängnisses aufrecht. So wie er unterliegt, hört er auch auf, frei zu sein. Unterliegend klagt er noch das Schicksal wegen Verlustes seiner Freiheit an. Freiheit und Untergang konnte auch die griechische Tragödie nicht zusammenreimen. Nur ein Wesen, das der Freiheit beraubt war, konnte dem Schicksal unterliegen. - Es war ein großer Gedanke, willig auch die Strafe für ein unvermeidliches Verbrechen zu tragen, um so durch den Verlust seiner Freiheit selbst eben diese Freiheit zu beweisen, und noch mit einer Erklärung des freien Willens unterzugehen. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling 8
Die Struktur der Mythen Strukturale Anthropologie I Wir sollten allerdings erkennen, daß die Untersuchung der Mythen uns zu gegensätzlichen Feststellungen führt. In einem Mythos kann alles Vorkommen; es scheint, daß die Reihenfolge der Ereignisse keiner Regel der Logik oder der Kontinuität unterworfen ist. Jedes Subjekt kann ein beliebiges Prädikat haben, jede denkbare Beziehung ist möglich. Dennoch entstehen diese anscheinend so willkürlichen Mythen mit denselben Charakterzügen und oft denselben Einzelheiten in den verschiedensten Regionen der Welt. Daher stellt sich das Problem: wenn der Inhalt des Mythos ganz zufällig ist, wie läßt sich dann verstehen, daß die Mythen von einem Ende der Welt zum anderen einander so sehr ähneln? Claude Lévi-Strauss Durch Leiden lernen Die Gegenwart der Tragödie Ein Grund dafür, daß die Erfahrung der Tragödie auch für uns noch gilt, liegt darin, daß, und wie, wir urteilen - in der Normativität unserer Praxis. Indem er über sich urteilt, ja, gerade indem er selbst über sich urteilt, bereitet sich Ödipus sein Schicksal. (…) Ohne Sinnesorgane kein kontinuierlich erneuertes und schmerzhaft lebendig gehaltenes Wissen mehr um das Schlimme, das er erlitten und getan hat. Ohne Sinnesorgane aber auch keine Aussicht auf Veränderung und Relativierung: Das Selbst, das sich von der Welt abriegelt, mauert sich ein in einem Raum und in einer Zeit, in denen sich endlos die Taten und Unterlassungen wiederholen, die zu jenem Schlimmen, für sich und für andere, erst geführt haben. Denselben Effekt hat die von Ödipus selbst betriebene Vertreibung aus Theben. Durch sie beraubt sich Ödipus des einzigen Mittels, des Mediums, in dem er anders werden könnte, als er sich durch sein Urteil über sich definiert hat. Christoph Menke 9
Zu König Ödipus Übergang zur griechischen Welt Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (1837) Apoll ist die Lösung; sein Ausspruch ist: Mensch erkenne dich selbst. In diesem Spruche ist nicht etwa die Selbsterkenntnis der Partikularitäten seiner Schwächen und Fehler gemeint; es ist nicht der partikulare Mensch, der seine Besonderheit erkennen soll, sondern der Mensch überhaupt soll sich selbst erkennen. Dieses Gebot ist für die Griechen gegeben, und im griechischen Geist stellt sich das Menschliche in seiner Klarheit und in der Herausbildung desselben dar. Wunderbar muß uns nun die griechische Erzählung überraschen, welche berichtet, daß die Sphinx, das ägyptische Gebilde, in Theben erschienen sei, und zwar mit den Worten: „Was ist das, was morgens auf vier Beinen geht, mittags auf zweien und abends auf dreien?" Ödipus mit der Lösung, daß dies der Mensch sei, stürzte die Sphinx vom Felsen. Die Lösung und Befreiung des orientalischen Geistes, der sich in Ägypten bis zur Aufgabe gesteigert hat, ist allerdings dies: daß das Innere der Natur der Gedanke ist, der nur im menschlichen Bewußtsein seine Existenz hat. Aber diese alte Lösung durch Ödip[us], der sich so als Wissender zeigt, ist mit ungeheurer Unwissenheit verknüpft über das, was er selbst tut. Der Aufgang geistiger Klarheit in dem alten Königshause ist noch mit Greueln aus Unwissenheit gepaart, und diese erste Herrschaft der Könige muß sich erst, um zu wahrem Wissen und sittlicher Klarheit zu werden, durch bürgerliche Gesetze und politische Freiheit gestalten und zum schönen Geist versöhnen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel 10
Ödipus als Gestalt Die Nachahmung der Modernen Genau davon zeugt, beispielhaft, die Tragödie, in Aristoteles’ Augen die höchste Form der Kunst, und im Innern der Tragödie wird es, exemplarisch, durch den König Ödipus gezeigt. Denn die Tragödie, denkt Aristoteles, die gesellschaftliche oder politische Kunst par excellence (worunter hier zu verstehen ist: die Kunst, die das Wesentliche der menschlichen praxis in Betracht zieht), hat den Auftrag, das Übel, das die menschlichen Beziehungen verletzt, auszustoßen. Deshalb handelt sie, zugleich, von den zwei zugrundeliegenden Leidenschaften, die einer jeden möglichen Beziehung innewohnen: Furcht, die Leidenschaft zum Auseinander des sozialen Bandes, der Entbindung oder Dissoziation; Mitleid, die gegenteilige Leidenschaft sozialer Bindung, wo nicht - Rousseau hat das gedacht - die ursprüngliche Leidenschaft zum Miteinander. Das tragische Schauspiel soll, im Sinne Freuds, der - durch den Kommentar von Bernays - direkt von Aristoteles herstammt, die Abfuhr von Furcht und Mitleid erlauben. (Das ist leicht verständlich, wo es um Furcht geht, sehr viel weniger, wo es um Mitleid geht. Aber man lese noch einmal Freud Massenpsychologie -, das Übermaß von Liebe birgt nicht weniger Gefahr für den sozialen Körper, als der Haß.) Deshalb soll das tragische Schauspiel einen Mythos darstellen, der geeignet ist, zu einer solchen (doppelten) Abfuhr zu führen, also die Handlung eines Menschen, die Mitleid und Furcht zugleich auslöst. Anders gesagt, der tragische Held muß sowohl, und gleichzeitig, erschreckend und ergreifend sein. Er muß Furcht verbreiten und, weil er Furcht verbreitet, dennoch Mitleid auslösen. Es muß ein Wesen sein, das einen grundlegenden Widerspruch in sich trägt, wo nicht den grundlegenden Widerspruch des Menschen, in dem das Rätsel des Menschlichen überhaupt liegt. Er muß also, aus dem selben Grund und in seinem Selbstbezug, ein Monster (die Verkörperung des Schlechten) und ein Wehrloser sein (die Güte selbst). Da also, wo folglich in ein und demselben Wesen sich Schuld - Verantwortung für ein Vergehn - und Unschuld verbinden, wo der Mythos in der Figur des Widerspruchs, des Oxymorons (der unschuldig Schuldige), oder auch des Paradoxons gründet (je schuldiger der Schuldige, desto unschuldiger, und umgekehrt), da erfüllt die Tragödie sich eigentlich. Deshalb ist die Geschichte des Ödipus, der den Preis für ein Vergehen zahlt, das er unwissend begangen hat - der ganz einfach den Preis für sein Unwissen zahlt, und dem seine Wißbegier den Schrecken seines Schicksals enthüllt -, deshalb ist die Geschichte des Ödipus der tragische Mythos auf seiner höchsten Stufe. Philippe Lacoue-Labarthe Weitere Texte finden Sie in unserem Programmheft zu KÖNIG ÖDIPUS, das Sie auf unserer Website unter https://landestheater.org/spielplan/stuecke-1/detail/koenig-oedipus/ downloaden können. 11
Zum Einstieg Autor Sophokles (um 497/96 – 406/405 v. Chr.): Tragödiendichter und Lyriker, Berufung in verschiedene politische und militärische Ämter, Priester Gattung Tragödie, Analytisches Drama Entstehungszeit und Entstehungszeit: Zwischen 436 und 432 v. Chr. Uraufführung Uraufführung: bei den Dionysischen Festspielen im Dionysostheater in Athen Ort und Zeit der Ort: Theben Handlung Schauplatz: Versammlungsplatz vor dem Königspalast in Theben Zeitraum: Ein Tag vom frühen Morgen bis zum Abend Handlung: Ödipus stellt sich dem Auftrag des Delphischen Orakels, den Mord an Laios aufzuklären, und erkennt die eigenen Vergehen Historisches Vorbild Ausschnitt aus dem thebanischen Sagenkreis um Kadmos, Laios, Iokaste und Ödipus Theater als Spiegel des Lebens Im antiken Theater, also auf der Bühne vor Publikum, wurde damals im alten Griechenland im Spiel gezeigt, welche Erfahrungen Menschen im Laufe ihres Lebens gemacht haben und wie sie diese Erfahrungen verarbeitet haben – die anwesenden Zuschauer:innen konnten dem aufgeführten Stück Erkenntnisse und Lehren für sich entnehmen. Der antike Tragödiendichter sah sich also vor die Aufgabe gestellt, an anschaulichen Beispielen zu zeigen, was den Menschen in diesem Leben erwartet, welche Fragen ihm gestellt werden, wie er sich verhalten kann und soll. Ödipus, einst Herrscher in Theben und später aus der Stadt verbannt, ist solch ein Beispiel. König Ödipus ist eine Gestalt aus der griechischen Sagenwelt. Aus dieser schöpften griechische Dramatiker. Die von Sophokles gestaltete Tragödie KÖNIG ÖDIPUS ist eines der bedeutendsten und bekanntesten Werke der Weltliteratur. Die Ausgangssituation In der Tragödie des Sophokles wird Ödipus zunächst als Herrscher der mächtigen Stadt Theben vorgestellt. Er ist, wie allgemein angenommen wird, als Fremder in die Stadt gekommen. In einer schwierigen Situation hatte er Theben von dem Unheil befreit, das von der Sphinx, einem sagenhaften Ungeheuer, ausging. Er allein hatte die über Leben und Tod entscheidende Frage der Sphinx beantworten können, welches Lebewesen sich am Morgen auf vier Beinen, am Mittag auf zweien und am Abend auf dreien fortbewegt. Mit seiner Antwort – „Der Mensch“ – hatte er das Rätsel gelöst und die Macht der Sphinx gebrochen. Die Thebaner machten ihn zum König, da Laios, der angestammte Herrscher, auf einer Fahrt zum Delphischen Orakel umgekommen war. 12
Nun steht König Ödipus vor einer neuen Herausforderung: In Theben ist die Pest ausgebrochen, und die Bewohner erwarten, dass ihr Herrscher auch dieses Unheil abwende. Ödipus schickt sich an, die Ursache des neuerlichen Unheils ausfindig zu machen und das Übel an der Wurzel zu packen. Der Gang dieses Geschehens wird den Zuschauer:innen des Dramas vor Augen geführt. Anfangs scheint nur die Rolle des Herrschers zur Diskussion zu stehen: Was erwartet man von einem Herrscher, der zugleich Regent und Richter ist? Wie verhält er sich gegenüber den Göttern und gegenüber den Mitmenschen? Was kann, darf und soll er tun? Und wo sind die Grenzen seiner Macht und seiner Fähigkeiten? Bald aber zeigt sich, dass die Frage zu eng gestellt ist. An König Ödipus erweist sich in herausgehobener Weise, was jeder Mensch an sich erfahren kann: Der Mensch ist nicht der Herr über alle Mächte und Gewalten. Begrenzt ist sein Wissen über sich selbst, über seine Herkunft und über den Lauf der Welt. Zu Hoch- und Übermut gibt es keinerlei Veranlassung. Allgemeinere und drängendere Fragen stellen sich den Zuschauer:innen und den Leser:innen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Theodor Pelster 13
Die Vorgeschichte ÖDIPUS wird vom Ein HIRTE bekommt den Königspaar von Korinth LAOIS und IOKASTE Auftrag, das Kind im aufgezogen. Vom Orakel bekommen trotz der Gebirge auszusetzen, erfährt er, dass er seinen Prophezeiung des übergibt es aber einem Vater töten und seine Orakels einen Sohn. SCHÄFER AUS Mutter heiraten wird - KORINTH.* deshalb verlässt er Korinth. Er rettet die Stadt Auf seiner Reise Theben vor der Sphinx, begegnet er einem wird zum Nachfolder Fremden, sie geraten des LAIOS und heiratet in Streit, und ÖDIPUS IOKASTE. erschlägt ihn. *In der Inszenierung am Vorarlberger Landestheater eine SCHÄFERIN. Der Stammbaum des Ödipus Kadmos Polydoros Labdakos Menoikeus Laios Iokaste Kreon Ödipus Iokaste Eteokles Polyneikes Antigone Ismene 14
Die Handlung des Stückes Prolog: In Theben wütet die Pest Um die Stadt zu retten, muss der Mörder des Laios gefunden und bestraft werden König Ödipus stellt sich dieser Aufgabe 1. Epeisodion: Ödipus fällt ein voreiliges Urteil Teiresias beschuldigt Ödipus, selbst der Mörder zu sein Ödipus befürchtet ein Komplett 2. Epeisodion: Streit zwischen Ödipus und Kreon Iokaste zweifelt am Orakel Ödipus berichtet von der Prophezeiung Suche nach dem Mordzeugen beginnt 3. Epeisodion: Tod des Polybos Bote aus Korinth berichtet von Ödipus‘ Kindheit Der Hirte wird gerufen 4. Epeisodion: Hirte gesteht, den Sohn des Laios nicht ausgesetzt zu haben Ödipus erkennt die Wahrheit und seine Vergangenheit Exodos: Iokaste erhängt sich Ödipus blendet sich und lässt sich des Landes verweisen 15
Die Figuren Laios: Vater von Ödipus König von Theben Iokaste: Mutter von Ödipus Später: Gattin des Ödipus Ödipus: Sohn von Ödipus & Iokaste Später: König von Theben Später: Gatte von Iokaste Kreon: Bruder von Iokaste Onkel und Später Schwager des Ödipus Teiresias: Der blinde Seher Kennt die Wahrheit, konfrontiert Ödipus damit Bote aus Korinth: Brachte Ödipus als Kind nach Korinth Thebanischer Hirte: Hatte den Auftrag Ödipus als Kind auszusetzen Die Figuren der griechischen Tragödie sind fiktional; sie entstammen nicht der Lebenswelt – weder der vergangenen geschichtlichen noch der aktuellen des Autors –, sondern der Welt des Mythos, der Sage, der Literatur. Für die Hauptfiguren des sophokleischen Dramas KÖNIG ÖDIPUS gilt, dass sie alle dem sogenannten „thebanischen Sagenkreis“ angehören und eine lange Tradition haben. Trotzdem sind die Figuren des Dramas – Ödipus, Iokaste, Kreon, Teiresias – nicht identisch mit den überlieferten Sagengestalten. Sie gewinnen vielmehr ihre Identität erst im jeweiligen Text. So unterscheidet sich etwa die Figur des Kreons, wie sie im KÖNIG ÖDIPUS konzipiert ist, von jenem Kreon, der in der vom gleichen Autor verfassten Tragödie ANTIGONE die Herrscherfunktion in Theben innehat. Erst im Umfeld des in sich geschlossenen Textes gewinnen die Figuren ihr Eigenleben. Das bedeutet aber nicht, dass literarische Figuren nur in sich ruhen und nichts mit der realen Welt zu tun hätten. Ihre Wirkung besteht im Gegenteil darin, dass sie so angelegt sind, als ob sie in einer realen Welt handelten. Den Zuschauer:innen werden Figuren vorgeführt, die sie als Menschen beurteilen, die entweder besser sind als die, die sie kennen, oder schlecht oder eben gleich. Von diesen Figuren werden sie emotional getroffen oder gedanklich herausgefordert. Grundsätzlich schätzt er sie als seinesgleichen ein. Theodor Pelster 16
Zur Inszenierung Der Regisseur Johannes Lepper studierte Schauspiel an der Schauspielschule Bochum. Nach ersten Engagements in Bonn, Dortmund und Göttingen als Schauspieler, führt er seit 1992 Regie. Er inszenierte unter anderem in Dresden, Berlin, Bern, Göttingen, Karlsruhe, Dortmund, Bonn, Ingolstadt. Von 1999 bis 2003 war er Intendant des Schlosstheater Moers, von 2003 bis 2008 Intendant des Theater Oberhausen. Im Ruhrgebiet inszenierte er neben seinen Arbeiten in herkömmlichen Theaterräumen auch zahlreiche Außenprojekte, wie Kafkas DIE VERWANDLUNG in einer Kirche, PARZIVAL von Tankred Dorst im Gasometer Oberhausen, in dem er auch Ibsens PEER GYNT mit "Huutajat", dem finnischen "Chor der schreienden Männer", realisierte. Zum Abschluss von Ruhr 2010 inszenierte er ITHAKA im Duisburger Innenhafen mit Schauspielern, Orchester und Baukränen. 2014 wurden die Duisburger Akzente mit seinem Stück SUPERMARKET. SUPERSTARS in der Liebfrauenkirche in Duisburg eröffnet. Er erhielt verschiedene Auszeichnungen und Nominierungen, u.a. zum besten Nachwuchs Regisseur in Theater heute, den NRW -Theaterpreis oder den Kritikerpreis der Stadt Oberhausen. Lepper arbeitet als Bildhauer, Regisseur, Schauspieler, Bühnenbildner und Gastdozent in Theaterwissenschaften (Ruhruniversität Bochum). WWW.JOHANNES-LEPPER.DE 17
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Zur Theaterpädagogik Themen Griechische Antike | Tragödie | Mythos | Sagenfiguren | Antike Götter | Göttliches und menschliches Wissen | Orakel und Prophezeiung | Schicksal | Flucht vor der eigenen Bestimmung | Umschlagen von Glück in Unglück | Vatermord | Inzest | Verblendung | Selbsterkenntnis | Schuld und Verantwortung | Macht und Herrschaft | Sphinx | Rätsel | Unheil | Pest | Konflikt | Familie Bildungsplanbezug Deutsch | Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung | Religion | Latein | Ethik | Philosophie Theaterpädagogische Angebote Stückeinführung oder Nachgespräch: Für alle, die vor oder nach der Vorstellung Gesprächsbedarf haben: treten Sie über das Gesehene, den Produktionsprozess und die Themen der Inszenierung in Dialog – mit den Theaterpädagoginnen, der Dramaturgie oder den Künstler:innen. Digitale Version: Das Gesprächsformat findet via Zoom oder Teams statt. Vor- oder Nachbereitung: In einem Workshop erhalten die Schüler:innen einen vertiefenden Zugang zu Werk, Inszenierung und verhandelten Themen. Dauer: 1 Schulstunde im Klassenzimmer als Vor- oder Nachbereitung. In Verbindung mit einem Vorstellungsbesuch ist der Workshop kostenlos. Digitale Version: Der Workshop findet via Zoom oder Teams statt. AKTION: WORKSHOP & SCHAUSPIEL = 4,50€ / KARTE Unser Spezialangebot: Sie buchen zum Besuch eines Schauspiels aus dem Abendspielplan im Großen Haus einen Workshop, der Ihre Klasse auf das Stück vorbereitet, und zahlen pro Karte nur 4,50 €. Das Angebot ist begrenzt. Gefördert durch den Vorarlberger Kulturservice. Kontakt für alle theaterpädagogischen Angebote: info.junges@landestheater.org 19
Fragen zur Vor- und Nachbereitung Zum Stück: Wie hast du das Stück empfunden? Beschreibe kurz deine Eindrücke. Beschreibe die Szene, die dir am meisten in Erinnerung geblieben ist. Warum kannst du dich an diese Szene besonders gut erinnern? Zur Bühne: Wie würdest du das Bühnenbild beschreiben? Welche Assoziationen hattest du dazu? Wie würdest du die Stimmung beschreiben, die das Bühnenbild in dir ausgelöst hat? Welche mobilen Bühnenelemente kamen vor? Welche Texte, Fotos und Animationen wurden im Laufe der Aufführung projiziert? Welche Assoziationen hattest du dazu? Wann wurde eine Live-Kamera im Stück verwendet und warum an dieser Stelle? An welchen Orten hat die Geschichte für dich gespielt und wie wurden diese Orte auf der Bühne etabliert? Zur Musik und den musikalischen Elementen: Wie würdest du die Live-Musik und die verwendeten Musik-Einspielungen beschreiben? Wann wurden sie eingesetzt? Welche Wirkung hatten sie auf dich? Zum Kostüm: Wie würdest du die Kostüme beschreiben? Beschreibe die Assoziationen, die du zu den Kostümen hattest. Von welchen Figuren haben sich die Kostüme im Laufe des Stückes verändert und warum? Zur Maske: Wie würdest du die Maske der Figuren beschreiben? Was symbolisierten die weiß geschminkten Gesichter für dich? 20
Zum Inhalt: Wie würdest du die Handlung des Stückes in wenigen Sätzen zusammenfassen? Was sind für dich die wichtigsten Themen des Stückes? Wer sind die Figuren, die im Laufe des Stückes auftauchen? Wie würdest du ihre Körperhaltung, ihre Gestik und Mimik beschreiben? Zur Charakteristika der Figuren: Wie lässt sich der Lebenslauf der einzelnen Figuren kurz zusammenfassen? Wie würdest du die auftauchenden Figuren charakterisieren? Welche Stimmung würdest du mit den einzelnen Figuren verknüpfen? Wie ist die Stellung der Figur im Familienband bzw. im sozialen Gefüge der Tragödie? Welche Grundeinstellung vertritt die Figur? (Welt- und Lebensanschauung, Glaube, Wertevorstellungen, etc.) Welche Interessen hat die Figur? Inwiefern verändern sich diese Charakterisierungen im Laufe des Stücks? Welcher Wandel hat dich am meisten überrascht und warum? In welcher Beziehung standen die Figuren zueinander? Wie hat sich das auch auf der Bühne gezeigt? Wie agieren die einzelnen Figuren und welchen Einfluss nehmen sie so auf das Geschehen? Zur Kommunikation der Figuren: Wie und auf welcher Sprachebene sprechen die Figuren mit- und gegeneinander? Welche Gesprächstechniken (Fragen, Apelle, Informationen, etc.) wenden die einzelnen Figuren an? Welche Strategien verfolgen die einzelnen Figuren dabei? Welche Rolle spielte der Chor in antiken Inszenierungen? Wie wird er in der Inszenierung am Vorarlberger Landestheater umgesetzt? 21
Zur Figur Ödipus und den Themen: Göttliches und menschliches Wissen, Orakel und Prophezeiung, Schicksal, Flucht vor der eigenen Bestimmung, Konflikt und Familie Wer sind seine leiblichen Eltern? Wodurch sind seine Zeugung und seine Geburt belastet? Inwiefern bedeutete es Glück und Unglück zugleich, wenn der Auftrag des Laios, den neugeborenen Sohn auszusetzen, nicht ausgeführt wurde? Welche Position hat Ödipus am Hof in Korinth inne? Welche Auskunft hofft Ödipus vom Orakel von Delphi zu erhalten? Wie deutet Ödipus den Orakelspruch und welches Missverständnis liegt der Deutung zu Grunde? Wie gewinnt Ödipus Ansehen und Herrschaft in Theben? Wie füllt Ödipus seine Rolle als Herrscher aus? Was bringt Ödipus zu Fall? Wie reagiert er, als ihm klar wird, dass er Laios umgebracht hat? Zu den Themen: Sphinx, Rätsel, Unheil und Pest: Welche Bedrohung für die Stadt Theben ging von der Sphinx aus? Von wem war die Sphinx geschickt? Wie lautet ihr Rätsel? Was ist die richtige Antwort darauf? Welche Folgen hatte es, als Ödipus das Rätsel löste? Zu den Themen: Herrschaft und Macht Wie unterscheiden sich die zwei Herrschergestalten Laios und Ödipus? Wie kommen sie zur Herrschaft? Wie führen sie die Herrschaft aus? Welche Denk- und Handlungsweisen kann du bei Ödipus erkennen? Was wird von einem Herrscher erwartet, was wird gegebenenfalls kritisiert? Wie endet die Herrschaft? 22
Was wird in der Tragödie direkt oder indirekt über die am meisten erstrebte Verfassung einer Stadt oder eines Staates gesagt? Was macht deiner Meinung nach eine:n gute:n Herrscher:in – oder in unserer Zeit eine:n gute:n Politiker:in – aus? Zu den Themen: Umschlagen von Glück in Unglück, Verblendung und Selbsterkenntnis Ödipus und Kreon: Wie würdest du die Beziehung zwischen Ödipus und Kreon zu Beginn des Stückes beschreiben? Welchen Orakelspruch überbringt Kreon von Phoibos? Wie reagiert Ödipus auf diesen Spruch? Was unternimmt er, um den Mörder von Laios zu finden? Was wirft Ödipus Kreon im Anschluss an das Gespräch mit Teiresias vor? Wie reagiert Kreon auf diese Vorwürfe? Mit welchen Argumenten versucht er Ödipus von seiner Unschuld zu überzeugen? Wie würdest du die Beziehung zwischen Ödipus und Kreon am Ende des Stückes beschreiben? Ödipus und Teiresias: Wie lässt sich die Unterredung zwischen Ödipus und Teiresias aus dem ersten Epeisodion in den Gesamtzusammenhang der Tragödie einordnen? Inwiefern ist die Unterredung eine Schlüsselstelle des Dramas? Was ist das Thema der Unterredung und das zugrundeliegende Problem? Wie würdest du die soziale und politische Stellung der beiden Figuren beschreiben? Welche Informationen erhalten die Zuschauer:innen durch Teiresias, die Ödipus nicht versteht? Welche Konsequenzen hat das Gespräch für Ödipus, welche für Teiresias? Ödipus und Iokaste: Wann tritt Iokaste zum ersten Mal persönlich in Erscheinung? Welche Position vertritt sie im Konflikt zwischen Ödipus und Kreon? 23
Wie würdest du die Beziehung zwischen Ödipus und Iokaste beschreiben? Welchen Weg wählt Iokaste letztendlich, um mit der Wahrheit umzugehen? Ödipus und der Bote / die Botin: Welche Nachricht überbringt der Bote (= in der Inszenierung am Vorarlberger Landestheater die Botin) aus Korinth? Wie reagiert Ödipus auf die Neuigkeiten? Welche Schlussfolgerung zieht er zunächst daraus? Welche Neuigkeiten eröffnet der Bote / die Botin Ödipus noch? Wie reagiert Ödipus auf diese Neuigkeiten? Ödipus und der Hirte: Welche Rolle spielt der Hirte, der früher ein Sklave von Laios war, bei der Wahrheitsfindung? Aus welchen Gründen tötete der Hirte das Kind nicht? Ist er dadurch schuldig am weiteren Verlauf der Geschichte? Zu den Themen: Schuld und Verantwortung, Vatermord, Inzest Im Text heißt es von Iokaste: „Dem Sohn aber, von der Geburt trennten ihn noch keine drei Tage, fesselte er die Füße und ließ ihn durch fremde Hand in unwegsames Gebirge werfen.“ – ist somit Laios selbst am weiteren Verlauf der Handlung Schuld? Im Text heißt es von Iokaste: „Seine Erscheinung war von der deinen nicht sehr verschieden.“, als sie Laios Gestalt Ödipus beschreibt – hätte sie ahnen können oder sogar müssen, dass Ödipus ihr Sohn ist, weil er seinem Vater Laios ähnlich sieht? Im Text heißt er von dem Boten: „Die Fußglieder, die deinen, könnten davon zeugen. [..] Du hast durchbohrte Füße.“ – hätten diese Narben Iokaste nicht auffallen müssen? Im Text heißt es von Iokaste zu Ödipus: „Setz alles daran, sogar die Erinnerung an das Gesagte auszulöschen, sie ist zu nichts gut. […] Forsche dem nicht weiter nach! Genug, dass ich leide. […] Unseliger, o könntest du doch nie erfahren, wer du bist!“ – weiß Iokaste zu diesem Zeitpunkt schon, dass sich die Prophezeiung erfüllt hat und sie ihren eigenen Sohn geheiratet und mit ihm Kinder gezeugt hat? Was nützt es ihr, wenn die Wahrheit nicht ans Licht kommt, obwohl sie es selbst schon weiß? 24
Im Text heißt es im Dialog zwischen dem Hirten und Ödipus: „Es sei ein Wohn von ihm, so hieß es. Die Frau da drinnen, deine Frau, kann dir am besten sagen, wie es sich verhält.“ – „Ist sie es, die ihn dir gab?“ – „So war es, Herr!“ – „Um was mit ihm zu machen?“ – „Um ihm umzubringen.“ – „Sie, die Mutter, braucht es über sich?“ – „Aus Angst vor dem Unheil, das der Gott verkündet hatte.“ – Iokaste erzählte Ödipus zu einem früheren Zeitpunkt, dass Laios derjenige gewesen war, der das Kind weggegeben hat. In der Erzählung des Hirten ist sie es aber, die den Auftrag gab das Kind zu töten. Inwiefern macht sie sich dadurch noch mehr schuldig? Inwieweit ist sie Opfer? Erweckt sie Mitleid oder Ablehnung? Ist Ödipus in folgenden Tatbestände „schuldig“? o Er tötet einen Mann, der ihn veranlasst, aus dem Weg zu gehen, und dessen Begleiter. o Er tötet seinen eigenen Vater. o Er heiratet die Witwe des verstorbenen Herrschers von Theben. o Er heiratet seine Mutter und zeugt mit ihr Kinder. o Er stürzt seine Frau und seine Kinder ins Unglück. o Er verhält sich vorurteilsverhaftet, arrogant und vermessen gegenüber dem Seher Teiresias und seinem Schwager Kreon. o Er verfällt als Herrscher der Hybris und überschreitet damit die Grenzen, die dem menschlichen Denken und Handeln geboten sind. o Er ist eine Belastung für die Stadt Theben. Welchen Weg wählt Ödipus, um mit seiner Schuld umzugehen? Wen beschuldigt er noch in seiner Anklage? Inwiefern kann man Ödipus eine tragische Figur nennen? Zu den Themen: Griechische Antike und Tragödie Welche Assoziationen hast du zum antiken Griechenland? Welche gesellschaftliche und politische Ordnung galt zur damaligen Zeit? Worin fand das antike Theater seinen eigentlichen Ursprung? Wo war das berühmteste Theater im antiken Griechenland, das als Ursprung der Tragödie gilt? Was versteht man unter eine Tragödie? Wer waren die bekanntesten Dichter der griechischen Tragödie? Unter welchen Bedingungen wurden in der antiken Zeit Tragödien verfasst, beurteilt, inszeniert und aufgeführt? Zu welchen Anlässen wurden Tragödien aufgeführt? 25
Was waren die Inhalte der antiken Tragödie? Wie lässt sich der Aufbau einer antiken Tragödie beschreiben? Wie setzte sich das antike Theater stücktechnisch zusammen? Welche Merkmale spielten bei den damaligen Kostümen eine Rolle? Welche Sitzordnung und Eintrittsregularien galten im antiken Theater? Was waren die räumlichen Bauelemente eines antiken Theaters? Was versteht man unter einem analytischen Drama? Inwiefern gilt die Tragödie KÖNIG ÖDIPUS als Muster eines analytischen Dramas? Inwiefern kann man das Stück ein politisches Drama nennen? Vor welchen Herausforderungen steht ein Regie-Team, das die Tragödie einem Publikum des 21. Jahrhunderts nahebringen will? 26
Theaterpädagogische Übungen Im folgenden Teil finden Sie einige theaterpädagogische Übungen, die Sie zur praktischen und kreativen Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuches verwenden können. Wir empfehlen einen größtmöglichen Raum für die theaterpädagogische Vor- oder Nachbereitung zu nutzen. Tische, Stühle und sonstige Gegenstände sollten dafür zur Seite geräumt werden, damit eine möglichst große freie Fläche in der Mitte des Raumes entsteht, in der alle Teilnehmenden den Mindestabstand einhalten können. Durch die Einbettung des Stückes in Ihren Unterricht in Form einer Vor- oder Nachbereitung erleichtern Sie Ihren Schüler:innen den Zugang zum Stück sowie den darin verhandelten Themen und ermöglichen einen tieferen Einblick in die Figuren und ihre Geschichten. Dadurch werden Anknüpfungspunkte zwischen den Teilnehmenden und den Figuren im Stück geschaffen, wodurch sich diese leichter mit dem Geschehen auf der Bühne identifizieren können. Bei einer theaterpädagogischen Vor- oder Nachbereitung empfiehlt es sich, immer mit einem Warm-up zu beginnen, um die Teilnehmenden aus dem Schulalltag herauszulösen und eine offene und konzentrierte Atmosphäre zu schaffen, die den Einstieg ins Spiel erleichtert. Generell gilt, dass kein absoluter Spielzwang herrschen sollte, sondern an einzelnen Stellen auch Beobachterpositionen von den Schüler:innen eingenommen werden können. Grenzen sollten hierbei unbedingt akzeptiert werden. Am Ende einer spielerischen Einheit empfehlen wir, das Erlebte mit den Teilnehmenden zu reflektieren und die Rückkehr von der Spiel- in die Alltagswelt mit einem gemeinsamen Abschlussritual zu begleiten. Hierbei ist zu beachten, dass in der Theaterarbeit die subjektiven Empfindungen des Einzelnen im Vordergrund stehen und es hier keine richtigen oder falschen, sondern lediglich unterschiedliche Erfahrungen gibt. Viele der theaterpädagogischen Übungen sind für Schüler:innen neu, deswegen ist es wichtig, sie zu ermutigen, sich spielpraktisch auszuprobieren und behutsam mit Kritik umzugehen. Bei der Reflexion einer Übung sollte es in erster Linie um die Beschreibung des Gesehenen gehen, nicht um eine Beurteilung. Digitale Version von theaterpädagogischen Übungen In der aktuellen Situation rund um die COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen muss nicht auf Theaterpädagogik verzichtet werden! Wir Theaterpädagoginnen haben einige der theaterpädagogischen Übungen adaptiert, sodass sie auch über Zoom oder Teams funktionieren. Eine Vor- oder Nachbereitung kann somit auch ganz einfach digital stattfinden. Sprechen Sie uns bei Interesse einfach an! Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren der unterschiedlichen Übungen mit Ihren Schüler:innen! 27
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1. Warm-up: Das Volk versammelt sich Als Status bezeichnet man das Machtverhältnis zwischen verschiedenen Figuren auf der Bühne. Eine Figur, die sich im Hochstatus befindet, ist einer Figur, die sich im Tiefstatus befindet, überlegen und dominiert diese. Die Figur im Tiefstatus ordnet sich unter und richtet ihr Handeln an der Figur im Hochstatus aus. Dabei gibt es unterschiedliche Statusmerkmale wie zum Beispiel Körpersprache und -haltung, Bewegung durch den Raum, Sprechweise und Stimmlage, Atmung, Berührung anderer und des eigenen Körpers, Blickrichtung, etc. – auch kann der Status durch unterschiedliche Aspekte verändert werden, wie beispielsweise durch Lob und Demütigung, Raumanspruch, Nähe und Distanz, Körpergröße, etc. – dies sollte vorher in der Gruppe besprochen werden. Alle Teilnehmenden gehen mit genügend Sicherheitsabstand zueinander neutral durch den Raum. Auf ein Zeichen der Spielleitung gehen alle im Tief-Status weiter und nehmen war, was sich an ihrer Körperhaltung, Gestik, Mimik, etc. ändert. Auf ein weiteres Zeichen der Spielleitung hin, wechseln alle in den Hoch-Status und nehmen auch hier die Veränderungen wahr. Danach kann die Gruppe geteilt werden, sodass sich Hoch- und Tief-Status begegnen. Im Anschluss sollte mit der Gruppe gemeinsam reflektiert werden, was sie an Veränderungen bei sich und bei anderen wahrgenommen haben. 2. Gruppen-Übung: Kampf um den Thron Die Teilnehmenden sitzen im Halbkreis, sodass sie auf eine freie Bühnenfläche schauen. Auf diese wird ein Stuhl gestellt, der als Thron fungiert. Auf diesen Thron setzt sich dann eine Person, die von der Spielleitung bestimmt wird, und kommt somit an die Macht. Eine zweite Person kommt hinzu, die unbedingt diese Macht an sich reißen will – sprich: sich auf den Thron setzen möchte. Sie muss mit allen Mitteln – vor allem mit sprachlichen, nicht mit Gewalt – versuchen, sich diesen Platz zu ergattern. Im Anschluss daran reflektiert die Gruppe, wie diese Auseinandersetzung verlaufen ist und wie Macht und Status auf beiden Seiten zum Ausdruck gekommen ist. 3. Gruppen-Übung: Ich bin der König! Fünf Teilnehmende werden aus dem Raum geschickt. Jede:r von ihnen bekommt anhand einer Zahl von der Spielleitung einen gewissen Status zugeordnet: 1 = Tief-Status 2 = Dazwischen 3 = Neutral 4 = Dazwischen 5 = Hoch-Status Die fünf Teilnehmenden betreten und nutzen nun gemäß ihres Status den Raum und sagen dabei den Satz: „Ich bin der König!“. Die anderen Personen fungieren als Publikum und müssen den jeweiligen Status der fünf auftretenden Personen erraten. Dabei können Fragen gestellt werden wie: Wie sind Macht und Status von den einzelnen Personen dargestellt worden? Wie wirkt das auf das Publikum? Wer hat uns überzeugt und warum? 29
4. Gruppen-Übung: Wer will meinen Untergang? Im Vorfeld der Übung sollte mit den Teilnehmenden darüber gesprochen werden, wen Ödipus im Laufe des Stückes (unbegründet) beschuldigt, nicht die Wahrheit zu sagen oder ihm absichtlich Schaden zu wollen. Die Teilnehmenden stehen im Kreis. Die Spielleitung schlüpft in die Rolles des Ödipus, zeigt auf eine andere Person und sagt mit Bestimmtheit „Du!“, diese erwidert darauf fragend „Wer, ich?“, darauf wieder die erste „Ja, du!“ und die andere sagt „Nein, ich doch nicht...du!“ und schlüpft selbst in die Rolle des Ödipus, der die Beschuldigung dann wieder an eine andere Person weitergibt, etc. Wichtig ist dabei, dass die Spielenden beim Dialog mit dem Körper mitgehen und das Gesprochene mit einer körperlichen Haltung sowie mit einer Emotion verbinden. Gerne kann hier übertrieben werden oder es können alle mit dem Finger auf die gleiche Person zeigen. 5. Gruppen-Übung: Audienz beim König Die Teilnehmenden werden in Gruppen mit jeweils mindestens vier bis maximal sechs Personen aufgeteilt. In jeder Gruppe gibt es somit auf jeden Fall einen Ödipus, einen Kreon, eine Iokaste und einen Teiresias. Bei sechs Personen gibt es zusätzlich noch einen Boten und einen Hirten. Jede Gruppe erarbeitet dementsprechend vier bis sechs Standbilder, in dem Ödipus im Mittelpunkt steht. In jedem Standbild trifft er auf eine andere Person (Kreon, Iokaste, Teiresias, der Bote, der Hirte). In jedem Standbild sollte die Beziehung zwischen Ödipus und der Person, auf die er tritt, deutlich dargestellt werden: wer hat den Hoch-, wer den Tief-Status? Wodurch etabliert sich diese Vermutung? Wer hat die Macht und warum? Zu welchem Zeitpunkt der Geschichte würde das Standbild passen? Welche Geschichte verbindet diese beiden Personen miteinander? Ein Standbild funktioniert dabei wie ein Foto: ohne Bewegung und ohne Sprache – die Situation und die Figuren sollten durch die entsprechende Körperhaltung, die Mimik und Gestik trotzdem deutlich werden. Gerne kann auch ein weiteres Standbild von der Gruppe gebaut werden, in dem alle Personen gleichzeitig aufeinandertreffen. Zum Abschluss präsentieren alle Gruppen ihre Standbilder den anderen. Anschließend können unterschiedliche Darstellungsweisen diskutiert werden und es kann auf die besonderen Charakteristika der einzelnen Figuren näher eingegangen werden. 6. Abschluss: Die Teilnehmenden stehen im Kreis und blicken zu Boden. Die Spielleitung zählt auf 3, bei drei heben alle ihren Blick und schauen eine andere Person im Kreis an. Begegnen sich zwei Blicke, sterben diese beiden Teilnehmenden so theatral wie nur möglich. Die Teilnehmenden, die keinem Blick begegnet sind, sind noch im Rennen und senken den Blick wieder. Auf 3 heben sie wieder den Blick und fixieren eine:n andere:n Teilnehmer:in. Blickt diese:r zurück, sterben wieder beide so theatral wie möglich, bis nur noch zwei Gewinner:innen übrig sind. 30
Zu Ihrer Sicherheit Aufgrund der anhaltenden Situation rund um die COVID-19 Pandemie möchten wir Sie an dieser Stelle kurz mit den wichtigsten Maßnahmen (Stand: 21.09.2021) vertraut machen: EINLASS Für alle Besucher:innen gilt die 3G-Regel (getestet, genesen, geimpft). GETESTET Vorlage eines PCR-Test von offizieller Stelle, der nicht älter als 72 Stunden ist, eines Antigentests von offizieller Stelle, der nicht älter als 24 Stunden ist oder eines Selbsttests mit offizieller Bestätigung, der ebenfalls nicht älter als 24 Stunden ist. GENESEN Vorlage einer ärztlichen Bestätigung oder eines Absonderungsbescheides über eine überwundene COVID-19-Erkrankung, die nicht länger als 6 Monate zurückliegt bzw. Vorlage eines Antikörper-Nachweises, der nicht älter als 3 Monate sein darf. GEIMPFT Bestätigung einer vollständigen Immunisierung, gilt ab dem Tag der 2. Impfung für 270 Tage, bzw. bei Impfung mit Johnson&Johnson ab dem 22. Tag nach der Impfung. Es werden nur in der EU zugelassene Impfstoffe akzeptiert. MUND-NASEN-SCHUTZ Mit Juli ist die Maskenpflicht weggefallen – aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr durch die Delta-Variante möchten wir aber darum bitten, in unseren Räumlichkeiten einen Mund-Nasen- Schutz oder eine FFP2-Maske zu tragen. Dies erhöht die Sicherheit aller. RESERVIERUNG/ABHOLUNG Reservieren Sie nach Möglichkeit vorab unter: T +43(0)5574 42870 600 oder ticket@landestheater.org und holen Sie die Karten an der Theaterkassa ab. Für die Kontaktnachverfolgung werden beim Kartenerwerb Ihr Name und Ihre Telefonnummer erfasst. Die Daten werden natürlich gemäß unserer Datenschutzerklärung erhoben und nur bei Infektionsverdacht im Publikum an die Gesundheitsbehörde weitergegeben. ACHTGEBEN Passen Sie auf sich und Ihre Mitmenschen auf und bleiben Sie zuhause, wenn Sie sich krank fühlen. Halten Sie nach Möglichkeit Abstand zu anderen Menschen und waschen, bzw. desinfizieren Sie regelmäßig Ihre Hände. Wir freuen uns auf Ihren Besuch! IMPRESSUM Vorarlberger Landestheater, Seestraße 2, 6900 Bregenz T +43 (0)5574 42870 | info@landestheater.org Intendantin: Stephanie Gräve | Redaktion: Theaterpädagogik, Dramaturgie | Fotos: Anja Köhler | Konzept & Gestaltung: Theaterpädagogik | Änderungen vorbehalten landestheater.org facebook.com/landestheatervorarlberg instagram.com/vorarlbergerlandestheater youtube.com/user/vlblandestheater 31
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