Arbeitsrechtliche Neuerungen durch die Hinweisgeberschutz-RL - Reguvis

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Arbeitsrechtliche Neuerungen durch die Hinweisgeberschutz-RL - Reguvis
Arbeitsrechtliche
                                           Neuerungen durch die
                                           Hinweisgeberschutz-RL
                                           Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie1 bringt Handlungsbedarf für private wie öffentliche Arbeitgeber:
                                           Zukünftig haben sie ein Whistleblowingsystem einzurichten und neue rechtliche Anforderungen an
                                           den Hinweisgeberschutz einzuhalten.

                                           ............................................................................................................................................................................................................................................

                                           1 Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße
                                             gegen das Unionsrecht melden, ABl. Nr. L 305 vom 26.11.2019, S. 17 ff.
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Whistleblowing | Brennpunkt

Bisherige Rechtslage                                     Implementierung eines Meldesystems
Rechtsverstöße von Unternehmen wurden in der             Die erste Säule des Whistleblowerschutzes nach der
jüngeren Vergangenheit oft durch Personen aufge-         Richtlinie ist die Erleichterung des Hinweisgebens
deckt, die Einblicke in Interna hatten. Meist handelte   selbst: Alle juristischen Personen mit 50 oder mehr
es sich um Arbeitnehmer, die als „Hinweisgeber“          Arbeitnehmern müssen nach Richtlinienumsetzung
oder „Whistleblower“ (von engl. to blow the whistle,     über ein internes System verfügen, über das Rechts-
Alarmschlagen) fungierten.                               verstöße iSd. Richtlinie gemeldet werden können
Der deutsche Gesetzgeber hat bereits mehrere             (Art. 8 I, III RL). Erleichterungen bestehen für juris-
Anläufe genommen, um im öffentlichen Interesse an        tische Personen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern, die
der Aufdeckung von Rechtsverstößen das Whistle-          bei der Entgegennahme von Meldungen „Ressourcen
blowing zu regeln, es hierbei zu fördern und zugleich    teilen“ können (Art. 8 VI RL). Juristische Personen
einen Ausgleich mit berechtigten Interessen des          unter 50 Arbeitnehmern darf der Gesetzgeber nur
betroffenen Unternehmens zu finden. Dennoch ist          ausnahmsweise und „nach einer geeigneten Risiko-
die gesetzliche Regelung derzeit auf einen Teilbereich   bewertung“ zur Implementierung von Hinweisgeber-
– den Umgang des Whistleblowers mit Geschäftsge-         systemen verpflichten (Art. 8 VII RL). Im öffentlichen
heimnissen – beschränkt (s. § 5 Nr. 3 GeschGehG).        Sektor hingegen müssen grundsätzlich auch juristi-
Es bestehen, jenseits gesondert regulierter Branchen     sche Personen unter 50 Arbeitnehmern/ unter 10.000
wie der Finanzdienstleistungen, weder gesetzliche        Einwohnern ein Meldesystem einrichten. Allerdings
Vorgaben zu internen Meldesystemen noch spezielle        gestattet Art. 8 IX RL dem nationalen Gesetzgeber,
Vorschriften zum Schutz des Hinweisgebers.               sie von dieser Verpflichtung auszunehmen oder die
                                                         Verwendung gemeinsamer Meldekanäle zu erlauben.
                                                         Für die Verpflichtung von juristischen Personen mit
Überblick über die                                       50 bis 249 Arbeitnehmern räumt Art. 26 II RL eine
Hinweisgeberschutz-Richtlinie                            Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 ein.
                                                            Der nationale Gesetzgeber ist weitgehend frei, für
Mit der EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie (RL) ist        die Ausgestaltung der Meldesysteme im Einzelnen
der deutsche Gesetzgeber nunmehr verpflichtet, sich      Vorgaben zu machen, da es meist keine näheren uni-
auch eines wesentlichen Teils der arbeitsrechtlichen     onsrechtlichen Anforderungen gibt: So darf als für
und unternehmensorganisatorischen Fragen des             die Entgegennahme der Hinweise zuständige Whist-
Whistleblowings anzunehmen: Die zum 17. Dezember         leblowingstelle sowohl ein externer Dritter (etwa eine
2021 von den Mitgliedstaaten umzusetzende Richtli-       spezialisierte Kanzlei) als auch eine interne Stelle ein-
nie soll einerseits die Aufdeckung von Rechtsverstö-     gesetzt werden (Art. 8 V RL). Die Richtlinie verlangt
ßen dadurch erleichtern, dass juristische Personen       lediglich, dass die Stelle die ihr offenbar gewordene
aus Wirtschaft und Verwaltung verpflichtet werden,       Identität des Hinweisgebers vertraulich behandelt
den Whistleblowern interne Verfahren zur Meldung         (Art. 9 I, 16 I RL).
von Rechtsverstößen zur Verfügung zu stellen. Ande-         Das Meldesystem muss dem Hinweisgeber sowohl
rerseits setzt die Richtlinie Mindeststandards für den   eine schrift liche als auch eine mündliche und auf
Schutz von Hinweisgebern vor Repressalien.               Wunsch des Hinweisgebers auch eine persönli-
   Die Richtlinie regelt nur die Aufdeckung von Ver-     che Meldung (im Wege der „physischen Zusam-
stößen gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen         menkunft“) ermöglichen (Art. 9 II RL): Ein bloßes
solche Rechtsakte, die in ihrem Anhang aufgeführt        Online-Formular oder eine „Telefon-Helpline“ genü-
sind, etwa Verstöße gegen Vergabevorschriften,           gen mithin nicht. Die Meldungen sind ferner zu
Umweltschutz oder Lebensmittelsicherheit (Art. 2         dokumentieren, etwa durch Tonaufzeichnung oder
I RL). Es steht aber zu erwarten, dass der deutsche      Gesprächsprotokoll (Art. 18 RL). Die Richtlinie geht
Gesetzgeber bei der Umsetzung ins nationale Recht        hierbei davon aus, dass der Hinweisgeber seine Iden-
eine Öff nung der Meldeverfahren für die Meldung         tität offenbart. Ob die Meldestelle auch zur Entgegen-
von Verstößen gegen sonstige einschlägige Rechts-        nahme und Prüfung anonymer Hinweise verpflichtet
vorschriften – auch nationaler Art – anstreben wird.     ist, wird noch vom nationalen Gesetzgeber zu ent-
Zugleich bleiben speziellere unionsrechtliche und        scheiden sein (Art. 6 II RL).
darauf fußende nationale Vorschriften zum Whist-            Das Meldeverfahren – im Einzelnen in Art. 9 I
leblowing, wie sie etwa das Recht der Finanzdienst-      RL umrissen – muss so ausgestaltet sein, dass an
leister kennt, von der Richtlinie und ihrer Umsetzung    den Hinweisgeber innerhalb von sieben Tagen ab
unberührt (Art. 3 I RL).                                 Eingang des Hinweises eine Eingangsbestätigung
   Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt        gerichtet wird. Innerhalb von spätestens drei Mona-
sich auf den privaten wie den öffentlichen Sektor.       ten ab Eingangsbestätigung hat eine Rückmeldung             Prof. Dr.
In personeller Hinsicht sind als Whistleblower vor       zu erfolgen, wie mit der Meldung verfahren wurde.           Lena Rudkowski
allem Arbeitnehmer iSd. Art. 45 I AEUV geschützt         Eine Pflicht der Meldestelle, aufgrund des Hinweises
(Art. 4 I lit. a RL), aber auch weitere Personengrup-    bestimmte Folgemaßnahmen zu ergreifen, besteht              Die Autorin ist Profes-
pen, z.B. Bewerber, Praktikanten oder Mitglieder von     nicht. Allerdings folgt aus dem Sinn und Zweck der          sorin für Bürgerliches
Leitungsorganen.                                         Richtlinie, aber etwa auch aus § 130 OWiG, der eine         Recht und Arbeitsrecht
                                                         Verletzung der unternehmerischen Aufsichtspflicht           an der Justus-Liebig-
                                                         als Ordnungswidrigkeit behandelt, dass die Hinweise         Universität Gießen

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                    sachkundig dahingehend geprüft werden müssen, ob         Persönlicher Schutz des Hinweisgebers
                    sich aus dem geschilderten Sachverhalt ein Anfangs-
                    verdacht für einen Rechtsverstoß ergibt. Wie mit         Zweite Säule der Richtlinie ist der persönliche Schutz
                    Hinweisen umgegangen wird und wer zuständig ist,         des Hinweisgebers vor Repressalien, die er aufgrund
                    ist vom betroffenen Arbeitgeber förmlich festzulegen     seines Hinweises erleidet. Anspruch auf den Schutz
                    (Art. 9 I lit. c RL).                                    der Richtlinie hat ein Hinweisgeber indes nur, wenn er
                       Bei der Implementierung des Systems und der           bei Meldung „hinreichenden Grund zu der Annahme
                    Aufstellung entsprechender Regeln ist die Mitbestim-     hatte, dass die gemeldeten Informationen über Ver-
                    mung durch den Betriebsrat (§ 87 I Nr. 1 BetrVG) zu      stöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit ent-
                    bedenken.                                                sprachen“ (Art. 6 I RL). Dies schließt Schutz durch die
                                                                             Richtlinie bei vorsätzlichen Falschbezichtigungen,
                                                                             aber auch bei grob fahrlässig falschen Hinweisen aus.
                    Internes und externes Whistleblowing                     Art. 19 RL enthält sodann ein umfassendes Verbot
                                                                             von Repressalien, das deutlich weiter angelegt ist als
                    War bislang Leitlinie des deutschen Rechts wie des       das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Während
                    europäischen Völkerrechts, dass der Arbeitnehmer         das Maßregelungsverbot nur Arbeitnehmer vor Nach-
                    vor dem Herantreten an etwaig zuständige Straf-          teilen schützt, gilt der Schutz vor Repressalien für alle
                    verfolgungs- oder Aufsichtsbehörden einen Versuch        Whistleblower. Zudem sind unter Repressalien auch
                    innerbetrieblicher Klärung unternehmen muss (so          entgangene Vorteile (etwa die Nichtentfristung eines
                    ausdrücklich § 17 II ArbSchG für Verstöße gegen den      befristeten Arbeitsvertrags, Art. 19 I lit. i RL) zu ver-
                    Arbeitsschutz), bestimmt die Richtlinie das Verhält-     stehen. Zum Schutz des Hinweisgebers gehört auch,
                    nis von internem und externem Hinweis im Sinne           dass er für zulässiges Whistleblowing in keiner Weise
                    eines Gleichrangs (Art. 10 RL): Der Whistleblower        haftbar gemacht werden können darf, sondern dass
                    kann selbst entscheiden, ob er den Verstoß zunächst      im Gegenteil das nationale Recht ihm die „vollstän-
                    der internen Whistleblowingstelle mitteilt oder ob       dige Wiedergutmachung“ der ihm durch das Whist-
                    er sogleich an die zuständigen Behörden herantritt.      leblowing entstandenen Schäden gewährleisten muss
                    Dementsprechend ist der Whistleblower (wohl bereits      (Art. 21 VIII RL). Flankiert wird diese Vorgabe durch
                    im Zusammenhang mit dem Hinweis) über die Mög-           eine Beweiserleichterung, durch die Vermutung, dass
                    lichkeit externer Meldung zu informieren (Art. 9 I       eine etwaige Benachteiligung Repressalie für den
                    lit. g RL). Die Mitgliedstaaten werden lediglich dazu    Hinweis war (Art. 21 V RL). Hier entstehen für den
                    verpflichtet, „dafür einzutreten“, dass der Hinweis-     Arbeitgeber neue Haftungsrisiken.
                    geber interne Meldesysteme in den Fällen bevorzugt,
                    in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorge-
                    gangen werden kann und der Hinweisgeber keine
                    Repressalien befürchtet (Art. 7 II RL). Was der deut-        FAZIT
                    sche Gesetzgeber aus dieser unbestimmten Formu-
                    lierung macht, bleibt abzuwarten. Es liegt unter dem         Mit Umsetzung der Richtlinie wird der per-
                    Eindruck der Richtlinie jedenfalls nahe, nicht nur für       sönliche Schutz des Whistleblowers deutlich
                    die Meldung von Verstößen gegen das Unionsrecht,             gestärkt. Zugleich werden interne Meldewege
                    sondern allgemein einen Gleichrang von externer              für mögliche Rechtsverstöße für Unterneh-
                    und interner Meldung festzuschreiben.                        men ab 50 Arbeitnehmern verpflichtend. Die
                       Ein Herantreten an andere externe Dritte als              Unternehmen sollten sich bereits jetzt mit der
                    die zuständigen Behörden (z.B. die Presse oder die           möglichen Ausgestaltung eines solchen Sys-
                    Öffentlichkeit unmittelbar) ist dem Whistleblower            tems auseinandersetzen.
                    auch nach der Richtlinie – wie bislang – nur in beson-
                    deren Ausnahmefällen gestattet. Art. 15 I lit. b RL
                    nennt hier etwa „Notsituationen“ mit unmittelbarer
                    oder offenkundiger Gefährdung des öffentlichen
                    Interesses oder Fälle des kollusiven Zusammenwir-
                    kens zwischen rechtsbrüchigem Arbeitgeber und
                    zuständiger Behörde.

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